GodschalkPlenum - Evangelische Akademie Tutzing

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Impulsreferat
"Patientenrechte - Bürgerrechte in der Gesundheitspolitik"
Anlässlich der Tagung Patientenrechte - Bürgerrechte am 18. und 19. Februar 2004
in der Evangelischen Akademie in Tutzing
Sehr geehrte Damen und Herren,
Die individuellen Patientenrechte sind - und das ist hier auf der Tagung bisher
schon sehr deutlich geworden - in Deutschland gut verankert, auch wenn wir kein
Patientenschutzgesetz
haben,
sondern
einzelne
Regelungen
zersplittert
in
unterschiedlichen Gesetzesnormen, aber auch in untergesetzlichem Recht verankert
sind und vieles erst durch die Rechtsprechung entwickelt wurde und wird. Die
Patientenrechte finden vielfach ihre Entsprechung in den im ärztlichen Berufsrecht
vorgesehenen Pflichten der Ärzte. Das ärztliche Berufsrecht ist nach dem
Grundgesetz Länderrecht; dazu wird Herr Dr. Gruhl im Anschluss sicher einiges
sagen.
Allerdings muss man zugeben, dass die Praxis dem doch recht hohen
patientenrechtlichen Schutzniveau häufig nicht entspricht.
Deshalb
sind
der
Beschluss
der
72.
Gesundheitsministerkonferenz
zu
Patientenrechten und die daraus folgende Patientenrechtecharta - auch wenn sie in
Deutschland nach Meinung vieler Betroffener erst spät kamen - ausgesprochen
wichtige
Schritte
gewesen.
Die
Veröffentlichung
in
Form
der
Broschüre
"Patientenrechte in Deutschland", herausgegeben vom Bundesministerium für
Gesundheit und Soziale Sicherung und vom Bundesministerium der Justiz, findet
großen Absatz und wurde bisher in einer Auflage von mehr als 750.000 gedruckt.
Damit ist zumindest ist auf der Informationsebene grundsätzlich sichergestellt, dass
die individuellen Rechte der Patienten bekannt sind und dementsprechend auch
durchgesetzt werden können. Dies ändert aber nichts daran, dass wir weiterhin von
Vollzugsdefiziten im Bereich der individuellen Patientenrechte ausgehen müssen.
Die
Stärkung
der
Patientensouveränität
ist
deshalb
als
Ziel
in
der
Koalitionsvereinbarung der Bundesregierung enthalten.
Dementsprechend fördert das BMGS zehn verschiedene Modellprojekte unter dem
Titel "Der Patient als Partner" im Sinne der Befähigung zum „shared decision
making“, also zur Teilhabe an den zu treffenden medizinischen Entscheidungen.
Denn nur der informierte Patient kann sich wirklich an den ihn betreffenden
Entscheidungen beteiligen und so seine Rechte wahrnehmen.
Mit dem Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) ist
die
Patientensouveränität
im
Bereich
individueller
und
auch
kollektiver
Patientenrechte weiter gestärkt worden:
Beispielhaft für die individuelle Seite seien hier folgende Punkte genannt:
- Auf Verlangen erhalten Versicherte zukünftig vom Arzt, Zahnarzt oder Krankenhaus eine Kosten- und Leistungsinformation in verständlicher Form. Sie haben
darüber hinaus einen Anspruch auf Informationen über die Höhe ihrer Beiträge
sowie die Verteilung der Beitragsmittel auf Leistungsausgaben einerseits und
Verwaltungs-
und
Personalausgaben
der
jeweiligen
Krankenkasse
andererseits.
- Auch die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte wird zur Transparenz
und Qualitätssicherung im Gesundheitswesen beitragen.
Im neuen Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen
werden Patientinnen und Patienten in verständlicher Sprache Informationen
erhalten.
Mindestens genau so wichtig ist für die Umsetzung und Fortentwicklung von Patientenrechten in Deutschland aber das Feld der Patientenbeteiligung, also der Bürgerrechte im Gesundheitswesen. Die Patientinnen und Patienten haben durch das GMG
erstmals eigene Regelungen im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung
erhalten. Festgelegt wird
- die Beteiligung von Interessenvertretungen der Patientinnen und Patienten an
Entscheidungsprozessen und
- Amt, Aufgabe und Befugnisse der Beauftragten der Bundesregierung für die
Belange der Patientinnen und Patienten.
Die Patientenbeteiligung findet in erster Linie im Gemeinsamen Bundesausschuss
statt, der die bisherigen Bundesausschüsse Ärzte/Krankenkassen und Zahnärzte/Krankenkassen sowie den Ausschuss Krankenhaus ersetzt. Dort erhalten die
Interessenvertretungen der Patientinnen und Patienten ein Mitberatungsrecht.
Dabei sind bestimmte Organisationen durch eine Rechtsverordnung benannt
worden, weitere Organisationen können auf Antrag anerkannt werden, wenn sie die
in der Verordnung festgelegten Voraussetzungen erfüllen. Sie entsprechen im
Wesentlichen
den
Kriterien
für
das
Verbandsklagerecht
von
Behindertenorganisationen im Behindertengleichstellungsgesetz, erweitert um die
Offenlegung der Finanzierung. Damit soll verhindert werden, dass beispielsweise
Leistungserbringer durch die Finanzierung von Patientenorganisationen Einfluss auf
Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses nehmen können.
Dem Vernehmen nach hat sich, nachdem es zunächst heftige Reaktionen im Verordnungsverfahren gab und auch die Geschäftsordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses auf Seiten der Patientenorganisationen zu einigen Irritationen geführt
hatte, die Zusammenarbeit im Gemeinsamen Bundesausschuss bisher positiv
entwickelt. Die bisherigen Entscheidungen doch geprägt vom Sachverstand, den die
Patientenorganisationen als Vertreter von Betroffenen in die Beratungen einbringen
konnten. Die Patientenbeteiligung vollzieht sich nämlich über ein Beratungsrecht, ein
Stimmrecht steht den Patientenvertreterinnen und -vertretern in den Gremien nicht
zu. Ob und wie sich dieses Mitberatungsrecht in Zukunft entwickeln wird, muss sich
erst erweisen. Nicht alle kritischen Bereiche, in denen es Entscheidungen des
Gemeinsamen Bundesausschusses bedarf, sind bereits abgearbeitet, so dass man
gespannt sein darf, ob und in welcher Weise die Patienteninteressen dort Einfluss
finden können, wo sie bisher oft genug außen vor bleiben mussten.
Einweiteres wichtiges Signal für die Stärkung der Patientenrechte und der Beteiligung von Patientinnen und Patienten im System der Gesundheitsversorgung wurde
mit der Einsetzung der Patientenbeauftragten gesetzt. Sie ist durch einen Beschluss
der Bundesregierung eingesetzt worden und hat sich schon an vielen Stellen in die
Diskussion und Entscheidungsfindung im Gesundheitswesen eingebracht. Im Gesetz
ist dafür die Verpflichtung der Bundesministerien und auch anderer Behörden verankert, mit der Patientenbeauftragten zusammenzuarbeiten und sie bei allen wichtigen
Vorhaben zu beteiligen.
Auf Bundesebene ist mit den beschriebenen gesetzlichen Grundlagen ein weiterer
Schritt zur Verwirklichung von Patientenrechten und Patientenbeteiligung im Gesundheitswesen geebnet worden. Wichtig ist jetzt natürlich, was die Beteiligten am
Gesundheitswesen damit machen, wie sie diese gesetzlichen Regelungen also mit
Leben erfüllen.
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