Professur Grundlagen des Ökologischen Bauens Exkursion Berlin Bauhaus - Universität - Weimar Kollhoff – Gebäude, Potsdamer – Platz Bearbeitung: Michael Bender 12 Professur Grundlagen des Ökologischen Bauens Exkursion Berlin Bauhaus - Universität Weimar Bearbeitung: Michael Bender PROJEKTSTECKBRIEF: Büro- und Geschäftshaus Potsdamer Platz 1 Berlin Architekt Prof. Hans Kollhoff Projektleiter Jasper Joachimsen Bauherr DaimlerChrysler AG Stuttgart Bauzeit 1997-1999 Gebäudehöhe 101 m Anzahl der Geschosse 26 Bruttogeschossfläche 33.500 m² Baukosten 100 Mill. DM (51 Mill. €) Schlagworte zum Objekt Torsituation Klinkerfassade Glasüberdachtes Atrium Aussichtsplattform Stichworte zum ökologischen Gesamtkonzept Energie und Wärme Lüftung Sonnen- und Blendschutz Regenwassernutzung Kollhoff-Gebäude 12 Professur Grundlagen des Ökologischen Bauens Exkursion Berlin ARCHITEKTUR Beschreibung Die Gesamtkosten für die Bauten am Potsdamer Platz beliefen sich auf rund 3,5 Mrd. DM (1,8 Mrd. €), davon entfielen auf das von Hans Kollhoff konzipierte Bürohochhaus 100 Mill. DM (51 Mill. €). Mit 26 Stockwerken ist es das höchste Gebäude des DaimlerChrysler-Areals. Der spitzwinklige Dreiecksgrundriss ist durch eine auf Pfeilern ruhende Erweiterung zur Neuen Potsdamer Straße hin ergänzt, so dass sich zum Potsdamer Platz hin eine schmale Front ergibt, die einen stumpfen Winkel bildet. Aufwendig gestaltet entwickelt sich das Gebäudevolumen mehrfach abgestuft aus der Traufhöhe der entlang der Neuen Potsdamer Straße angrenzenden Bauten. Zwischen den rückwärtigen Gebäudeflügeln liegt ein viergeschossiges Atrium, in dem regelmäßig Empfänge stattfinden. Aus gestalterischen Gründen traten hier jedoch in der Vergangenheit Akustikprobleme auf, die derzeit beseitigt werden. Kollhoff-Gebäude Bauhaus - Universität Weimar Bearbeitung: Michael Bender Das Gebäude besitzt eine Doppelfassade. Die tragende Stahlbetonkonstruktion ist mit verschiedenen Materialien verblendet. Erdgeschoss und erstes Obergeschoss sind mit einer Verkleidung aus graugrünem Granit zu einer Sockelzone zusammengefasst. Den Jochbreiten der Pfeilerstellung entsprechen die Erdgeschossfenster, im ersten Obergeschoss sind diese Felder in je zwei Fenster unterteilt. Von der zweiten Etage an ist die Fassade komplett mit Klinkern verkleidet, schmale Granitbänder deuten hier Fenstergesimse an. Im ersten Fassadenabschnitt überwiegt eine Horizontalgliederung mit umlaufenden Brüstungsbändern, denen nur die vertikale Ausrichtung der zweigeteilten Fenster entgegensteht. Darüber führen Lisenen, die die Fenstergesimse durchbrechen, einen Vertikalakzent in die Fassade ein. Schließlich verbinden sich die Fensterteilungen im Oberflächenprofil zu schmalen Lisenen und begründen eine dominante senkrechte Struktur. Den Abschluss des Gebäudes bildet ein Kranz nebeneinander gereihter Klinkerstreben. 12 Professur Grundlagen des Ökologischen Bauens Exkursion Berlin Türen und Fenster der beiden unteren Geschosse sind als Stahlkonstruktionen mit außen liegenden Bronzeprofilen gefertigt, in den darüber liegenden Stockwerken sind Holzfenster mit außen liegender Bronzeverkleidung eingesetzt. Ebenerdig liegt eine zweigeschossige Eingangshalle, die von der Alten und Neuen Potsdamer Straße her erschlossen wird. Die vertikale Erschließung erfolgt durch drei mal drei Aufzugsgruppen im Foyer. Jeweils um eine zentrale Etagenlobby, die mit Marmor und Granit ausgestattet ist, gruppieren sich die Räume der oberen Stockwerke. Außer in den Fluren gibt es im gesamten Gebäude keine abgehängten Decken. Dafür besitzt der Fußboden einen 15 cm hohen Hohlraumboden. Für den Einzelhandel ist das Erdgeschoss konzipiert. Es folgen die Büroetagen, in denen die einzelnen Räume durch Gipskarton-Wände voneinander getrennt sind. im 24. und 25. Obergeschoss befindet sich eine Aussichtsplattform. Nachts wird das Gebäude mit Strahlern inszeniert. Derzeit sind rund 95 % des Gebäudes vermietet. Die Miete beträgt 55 DM/m². Kollhoff-Gebäude Bauhaus - Universität Weimar Bearbeitung: Michael Bender Beurteilung Architekt Unangepasst, schroff und kompromisslos, so lässt sich die Wirkung des „Kollhoff-Tower“ beschreiben. Hart und direkt tritt er seiner Umgebung entgegen. Das Gebäude erscheint kompakt und in sich geschlossen, die Fassade thematisiert die Schwere und Solidität des Aufbaus. Durch die kräftigen Pilaster des Granitsockels ist der Bau fest mit dem Erdboden verwurzelt. Gleichzeitig steht die Wahl der Verkleidungsmaterialien für ein handwerkliches Bauen, bei dem der Fassadenaufbau auf das kleinste Element, den Klinker, zurückführbar bleibt. Moderne technische Errungenschaften sind aus dem Blickfeld verbannt. Sicher komponiert entwickelt die Fassadengliederung einen mit zunehmender Höhe sich verstärkenden Rhythmus, der das Gebäude nach oben streben lässt, so als seien 26 Geschosse noch nicht ausreichend. Seine markante Gestalt, die an amerikanische Hochhausarchitektur des frühen 20. Jahrhunderts erinnert, sichert dem Gebäude den höchsten Wiedererkennungswert am Platz. Hans Kollhoff wurde 1946 in Lobenstein, Thüringen, geboren. Von 1968 bis 1975 studierte er Architektur an der Universität Karlsruhe. Im Jahre 1978 gründete er sein eigenes Büro. Nach diversen Lehrtätigkeiten ist er seit 1990 Professor an der ETH Zürich. Zu Kollhoff´s Arbeiten in Berlin zählen die Leibniz-Kolonnaden, der Hofgarten am Gendarmenmarkt und die Stadtvillen am Malchower Weg. Ferner gewann er den städtebaulichen Wettbewerb zur Umgestaltung des Alexanderplatzes. Hans Kollhoff ist ein Vertreter der traditionellen Architektur und legt viel Wert auf die Funktionalität eines Gebäudes sowie die Qualität der Baumaterialien. 12 Professur Grundlagen des Ökologischen Bauens Exkursion Berlin Bauhaus - Universität Weimar Bearbeitung: Michael Bender UMWELT UND ÖKOLOGIE Im planerischen Entscheidungsprozess am Potsdamer Platz spielte Ökologie hinsichtlich des Einsatzes moderner Technologien als Zukunftsinvestition eine wesentliche Rolle. Seit Beginn der Planungen für den Potsdamer Platz im Jahre 1992 wurden die Bauökologen Dress & Sommer AG (DS-Plan) beauftragt, kontinuierlich das DaimlerChrysler-Areal zu betreuen. Den Architekten wurde beim Bau neben Senkung von Schadstoffausstoß und Energieverbrauch auch die Auswahl von umwelt- und gesundheitsgerechten Baustoffen zur Aufgabe gemacht. So mussten zur Wärmedämmung luftgeschäumte Dämmstoffe und bei den Schalungsarbeiten Rüben- und Rapsöl statt umweltgefährdende Mineralöle eingesetzt werden. Außerdem durften bei den Gebäuden keine Tropenhölzer zum Einsatz kommen. Zum Zeitpunkt der Konzeptionen für Kollhoff´s Gebäude im Jahre 1994 war die zur Verwendung vorgesehene ökologische Gebäudetechnik noch Hightech, heute ist sie bereits Standard. Kollhoff-Gebäude Energie und Wärme Die Gebäude am Potsdamer Platz werden zentral durch das Gas betriebene Heizkraftwerk Mitte, welches über eine moderne Kraft-Wärme-Kopplung verfügt, sowie eine Kälteanlage vor Ort versorgt. Durch den Einsatz modernster Technik wird im HKW Mitte aus dem eingesetzten Brennstoff statt der üblichen 30 bis 40 % bis zu 50 % elektrische Energie gewonnen. Die anfallende Abwärme heizt über Fernwärmeleitungen die Gebäude am Potsdamer Platz. Im Sommer werden mit Hilfe dieser Fernwärme die Gebäude gekühlt. Die Umwandlung von Wärme in Kälte geschieht mit Hilfe einer umweltfreundliche Absorptionskältetechnik, die keine FCKW-haltigen Kältemittel benötigt. Dadurch ist ein ganzjähriger Betrieb des Heizkraftwerkes möglich. Die gewählte Art der Energieversorgung führt dazu, dass der CO2-Ausstoß gegenüber einer dezentralen Eigenversorgung der einzelnen Gebäude des DaimlerChrysler-Areals um 70 % geringer ausfällt. Obwohl die WSchVO 1995 noch nicht auf das DaimlerChrysler-Areal am Potsdamer Platz angewendet werden musste, unterschreiten die Gebäude die darin vorgegebenen Werte. Der erwartete Heizenergieverbrauch der Gebäude liegt bei rund 70 kWh/m² pro Jahr. Derzeit wird der Energiekennwert des von Kollhoff entworfenen Gebäudes überprüft. Um dort den beabsichtigten Wert erreichen zu können, werden die Nutzer des Gebäudes unter anderem dazu aufgefordert, die Fenster nicht zu kippen, wenn die Heizung an ist. 12 Professur Grundlagen des Ökologischen Bauens Exkursion Berlin Natürliche und mechanische Lüftung Sämtliche Räume in Kollhoff´s Gebäude besitzen, unter anderem zur Abpufferung der starken Windkräfte, Kastenfenster. Sie gewährleisten eine natürliche Be- und Entlüftung. Die inneren Flügel dieser Fenster sind dreh- und kippbar. Die Glasscheibe des äußeren festen Fensterelements besitzt einen Spalt, der je nach Jahreszeit an einer Schraube reguliert wird und somit die Wärme im Raum beeinflussen kann. Kollhoff-Gebäude Bauhaus - Universität Weimar Bearbeitung: Michael Bender Im Sommer sind oben und unten Schlitze, damit die Wärme abgeführt wird. Im Winter hingegen ist die obere Öffnung geschlossen, um einen Wärmestau (Wintergarteneffekt) zu erzeugen. Das äußere Fensterelement wird zu Beginn und am Ende der Heizperiode dementsprechend eingestellt. Außerdem dienen die Kastenfenster zur Reduzierung des äußeren Lärmpegels von 70-80 dB um durchschnittlich 7 dB sowie zur Vermeidungen von Zugerscheinungen im Gebäude. In den Räumen gewährleisten sie einen dreifachen Luftwechsel. Auf den Einbau einer energieaufwendigen Klimaanlage in das Gebäude wurde verzichtet, stattdessen steht zusätzlich zur natürlichen eine mechanische Lüftung unterstützend zur Verfügung. Die Büros sind an eine Lüftungsanlage angeschlossen, die sie mit ausreichend Frischluft versorgt und eine Wärmerückgewinnung besitzt. Die Lüftungsanlage wird in der Regel nur bei sehr warmen Wetterlagen und während der Heizperiode genutzt. Sie kann im Flur zentral an- und abgeschaltet werden. In der übrigen Jahreszeit ist die Fensterlüftung vorteilhafter. Sie schafft ein natürliches Raumklima und benötigt keine Energie. Die Nutzer des Gebäudes sind dazu angehalten, die Fenster nicht zu öffnen, wenn die Lüftungsanlage an ist, um eine Energieverschwendung zu vermeiden. Sollte man die Fenster dennoch öffnen wollen, darf dies nur stoßweise für maximal 5 bis 10 Minuten geschehen. An sehr warmen Tagen können die Nutzer in den Büros eine Nachtlüftung vornehmen, indem sie die Fenster abends in Kippstellung öffnen. Die Räume kühlen dadurch ab und tagsüber wird weniger Energie zum Kühlen verbraucht. In den Fluren befindet sich unter den abgehängten Decken ein Kühlsystem, das zum Einsatz kommt, wenn die normale Lüftung in den Büroräumen nicht mehr ausreicht. Durch kombinierte Wand-Quellauslässe kann die 18º C kalte Luft mit geringer Geschwindigkeit nach unten in die Räume wabern. Dort erwärmt sie sich an den thermischen Lasten der EDV-Anlagen und steigt erwärmt nach oben, wo sie wieder abgesaugt wird. Die Dach- und Fassadenklappen im Atrium werden regelmäßig automatisch 12 Professur Grundlagen des Ökologischen Bauens Exkursion Berlin geöffnet. Durch den Schornsteineffekt strömt frische Luft in das Atrium nach. Die Steuerung läuft automatisch und ist an die Witterungsbedingungen angepasst. Das Atrium ist durch die natürliche Durchlüftung fast wie ein Außenraum zu sehen. Im Sommer werden alle Atriumsklappen sowie die Fenster der an das Atrium angrenzenden Räume nachts automatisch geöffnet. Diese Fenster sind außerdem kippbar. Sie werden über Schalter neben der Tür geöffnet. Der optimale Einsatz der Gebäudetechnik ermöglicht im Gebäude die Einsparung von 50 % der Primärenergie gegenüber einer konventionellen, ganzjährig eingesetzten Klimaanlage. Kollhoff-Gebäude Bauhaus - Universität Weimar Bearbeitung: Michael Bender Sonnen- und Blendschutz Mittels Computersimulation und Modellversuchen mit künstlichen Sonnen wurde bei der Konzeption ermittelt, wie das Tageslicht in Kollhoff´s Gebäude optimal genutzt werden kann. Durch die Optimierung lässt sich der Kunstlichteinsatz minimieren, was mit einem entsprechend geringeren Stromverbrauch verbunden ist. Im gesamten Gebäude finden sich nur Energiesparlampen. Auch bei der Wahl der Sonnen- und Blendschutzsysteme wurde darauf geachtet, dass genügend Tageslicht bei der Nutzung der Systeme verwendet werden konnte. Bei den Kastenfenstern befindet sich die als Sonnenschutz dienende Jalousie zwischen der Doppelfassade. Die oberen Lamellen sind fixiert, während hingegen die unteren flexibel sind. Die Jalousie wird automatisch mit Windwächtern und Fotozellen gesteuert. Man kann sie jedoch jederzeit selber über Schalter neben der Tür verstellen. Von April bis Oktober fährt der Sonnenschutz bei einer höheren Einstrahlung herunter. Dies kann auch bei bedecktem Himmel der Fall sein. Hingegen fährt er von November bis März nicht automatisch herunter. In diesen Monaten spart jeder Sonnenstrahl, der in die Büros fällt, Heizenergie. Der Sonnenschutz wird nur heruntergefahren, wenn man sich geblendet fühlt. Die Terrassentüren sind mit innen liegenden Rollos als Blendschutz ausgestattet. Man kann diese über Schalter neben der Tür herunterfahren. Regenwassernutzung Im DaimlerChrysler-Areal wird das Regenwasser der insgesamt 50.000 m² Dachflächen aufgefangen. Das von Kollhoff entworfene Büro- und Geschäftshauses besitzt auf den verschiedenen, abgestuften Dachflächen eine extensive Dachbegrünung, die das Wasser aufsaugt und anschließend verdunstet. Dies trägt zur Verbesserung des Mikroklimas in der unmittelbaren Umgebung bei. Der überschüssige Teil des Regenwassers wird in fünf Zisternen unter der Erdoberfläche gesammelt und von dort aus für die Notkühlung sowie die Toilettenspülung in den Gebäuden verwendet. Außerdem werden damit die Frei12 Professur Grundlagen des Ökologischen Bauens Exkursion Berlin flächen bewässert sowie ein künstlicher See nachgespeist. Mit diesem Konzept wird eine erhebliche Menge an Trinkwasser pro Jahr gespart. Beurteilung Die geschilderten Maßnahmen besaßen einen beispielhaften Charakter für andere Investoren in Berlin. Sie zeigten, dass bei Büroneubauten große Einsparpotentiale erschlossen werden können. Allerdings resultierte das ökologische Konzept in erster Linie aus den Anforderungen, die das Land Berlin an die Bauherren am Potsdamer Platz gestellt hatte, und nicht aus deren Willen, freiwillig eine Vorbildfunktion zu erfüllen. So führten die technischen und finanziellen Notwendigkeiten DaimlerChrysler zur Beauftragung der renommierten Firma DS-Plan, die gemeinsam mit den Architekten, darunter Kollhoff, das ökologische Gesamtkonzept konzipierte. Aufgrund der Anforderungen ist ihr Konzept jedoch hauptsächlich auf den Aspekt Wasser konzentriert. Andere Elemente, wie die Nutzung der Sonnenenergie spielen hingegen nur eine untergeordnete Rolle. Kollhoff-Gebäude Bauhaus - Universität Weimar Bearbeitung: Michael Bender QUELLEN Der neue Potsdamer Platz: Ein Kunststück Stadt Andreas Muhs und Heinrich Wefing be.bra-Verlag, Berlin, 1998 Der Potsdamer Platz: Urbane Architektur für das neue Berlin Yamin von Rauch und Jochen Visscher Jovis, Berlin, 2000 Projekt Potsdamer Platz: 1989 bis 2000 Mark Muenzing und Vincent Mosch Nishen, Berlin, 2001 www.archinform.de www.baunetz.de www.potsdamerplatz.com www.potsdamerplatz.de www.stadtentwicklung.berlin.de 12