DIE ROLLE VON MOTIVATION UND AUFMERKSAMKEIT FÜR DEN

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GERHARD ROTH
DIE ROLLE VON MOTIVATION UND
AUFMERKSAMKEIT FÜR DEN LERNERFOLG
INSTITUT FÜR
HIRNFORSCHUNG
UNIVERSITÄT
BREMEN
 G. Roth, 2013
Folgende Faktoren bestimmen wesentlich
den Lern-und Schulerfolg :
•
Persönlichkeit, Kompetenz und Vertrauenswürdigkeit des
Lehrenden
•
Persönlichkeitseigenschaften des Lernenden: Motivation,
Intelligenz, und Fleiß
•
Aufmerksamkeit, Vorwissen und Anschlussfähigkeit des
Stoffes
•
Darbietung des Stoffes durch den Lehrenden
•
Systematische Wiederholung des Stoffes
LERNEN UND MOTIVATION
Lernen im schulisch-akademischen Sinne beruht aus neurobiologischer Sicht auf der erfahrungs- und übungsabhängigen
Umverknüpfung neuronaler Netzwerke in der Großhirnrinde,
genauer im deklarativen Langzeitgedächtnis.
Diese Umverknüpfungen benötigen von Seiten des Gehirns viel
Aufwand und Stoffwechselenergie. Deshalb „fragt sich“ das Gehirn,
warum es einen bestimmten Inhalt und nicht einen anderen oder
überhaupt lernen soll.
Motivation spielt hierbei die entscheidende Rolle, denn sie
vermittelt als Antwort eine „Belohnungsaussicht“, wobei die Art
dieser Aussicht individuell sehr verschieden sein kann. Ohne eine
derartige Belohnungsaussicht lernt unser Gehirn nur sehr schwer
oder gar nicht.
MOTIVATION
Motivation ist der Zustand des Strebens nach Zielen.
Dieses Streben kann auf das Aufsuchen (positive Motivation) oder
das Vermeiden (negative Motivation) von Gegenständen und
Situationen ausgerichtet sein.
Diese können in ihrer Valenz (positiv-negativ) angeboren oder erlernt
sein.
Die Ausdauer, mit der ein Ziel verfolgt wird, wird als Persistenz
bezeichnet.
Allen Motivationszuständen liegt eine Belohnungserfahrung und eine
sich daraus ergebende Belohnungserwartung zugrunde.
EXTRINSISCHE UND INTRINSISCHE MOTIVATION
Extrinsischer Motivation bezeichnet die Einflüsse von außen, die
zur Lern- und Leistungsbereitschaft beitragen. Hierbei handelt es
sich z. B. um Lob, Ermutigung oder gute Zensuren.
Intrinsische Motivation bezeichnet die inneren Antriebe einer
Person wie Neugier, Interesse oder Leistungswille,
Es wird davon ausgegangen, dass intrinsische Motivation sich
lngerfristig auf den Lernerfolg auswirkt und extrinsische Motivation
eher kurzfristig zu Leistungssteigerung führt.
Allerdings beeinflussen sich die beiden Formen gegenseitig und
sind nicht immer klar voneinander zu unterscheiden.
Seitenansicht des menschlichen Gehirns
Großhirnrinde
Kleinhirn
Zellulärer Aufbau der
Großhirnrinde
(Cortex)
Zeichnung von
S. Ramón y Cajal
(nach Spektrum der Wissenschaft)
Konvergenz sensorischer und neuro-modulatorischer
Eingänge auf corticalen Pyramidenzellen
NEU?
WO?
WAS?
Sensorischer
Input
Gedächtnissystem
(Hippocampus, bas. VH)
Neuromodulation
WICHTIG?
Bewertungssystem
(Limbisches System)
Längsschnitt
durch das
menschliche
Gehirn
Hypothalamus
(nach Spektrum der
Wissenschaft,
verändert)
Limbisches
System
Neuromodulatorische Systeme
Noradrenerges System/Noradrenalin/Locus
coeruleus: Aktivierung, Erregung, unspezifische
Aufmerksamkeit
Serotonerges System/Serotonin/Raphe-Kerne:
Dämpfung, Beruhigung, Wohlbefinden
Dopaminerges System/Dopamin/VTA und Nucleus
accumbens: Antreibend, belohnungs-versprechend,
Neugierde
Cholinerges System/Acetylcholin/basales Vorderhirn:
Gezielte Aufmerksamkeit, Gedächtnis-steuerung
Mesolimbisches
System:
Nucleus
accumbens
Nucleus accumbens
Ventrales Tegmentales
Areal
Antrieb/Motivation:
Dopaminerges System
Belohnung und
Wohlbefinden:Hirneigene Opioide und
andere „hedonische“
Stoffe.
Ventrales
Tegmentales
Areal
DIE ROLLE VON DOPAMIN
Die Ausschüttung von Dopamin belohnt nicht, sondern „verspricht“ eine Belohnung nach dem Motto:
Tu das und das wieder, dann kriegst du wieder eine Belohnung
(in Form endogener Opiate usw.)
Gleichzeitig kontrolliert das Gehirn genau, ob und in welchem
Maße die versprochene bzw. erwartete Belohnung auch eingetreten ist.
Dies bildet unser Belohnungsgedächtnis aus, das die eigentliche Grundlage von Motivation bildet.
Aktivierung des mesolimbischen
Systems (Nucleus accumbens) bei
Gewinn-Erwartung
Knutson B. et al. (2003) Neuroimage, 18:263-272.
Ausschüttung hirneigener Opiate
durch Blickkontakt
Kampe K.K.W. et al. (2001) Nature, 413:589.
Merkmale erfolgreichen Unterrichts nach Hattie 2009/12
Glaubwürdigkeit des Lehrers
Rückmeldungen an den Schüler
Schülerdiskussion im Unterricht
Klarheit und Verständlichkeit der Lehrperson
Gegenseitiges Unterstützen der Schüler
Problemlösender Unterricht
Kooperatives statt konkurrierendes Lernen
Selbstwirksamkeits-Überzeugung der Schüler
Erwartungshaltung der Lehrer
Angstreduktion beim Lernen
Nachgewiesene Effekte der Lehrerausbildung
Effektstärken von -1 bis +1
0.90
0.90
0.82
0.85
0.74
0.61
0.54
0.47
0.43
0.40
0.12
Gesichtererkennung und
Einschätzung der
Vertrauenswürdigkeit (i.W.
rechtshemisphärisch):
FG: Fusiformer Gyrus
STS: Superiorer
temporaler Gyrus
AM: Amygdala, links
explizit
INS: Insulärer Cortex
(R. Adolphs, TICS
3, Dezember 1999)
Wittmann BC et al. (2005) Neuron 45
Prädiktor ob folgende
Aufgabe belohnt wird
oder nicht; Bild von
„Lebewesen“ oder „Ding“
Nummernvergleich,
Knopf pressen
Anzeige: Richtig oder falsch = Belohnung
oder Strafe (Gewinn oder Wegnahme von
Geld)
1. Testphase (keine Belohnung); dann Untersuchungsphase
3 Wo später:
Kenne ich/kenne ich nicht
Kenne ich aus Test oder
Untersuchung
Erinnerungsphase
Belohnungserwartung (Kontrast zwischen belohnungsversprechendem und neutralem Reiz).
Signifikante Unterschiede im Striatum, ACC (A) und in der Substantia
nigra (B, C).
Untersuchungsphase
Aktivierung
Neutral vs belohnungsvorhersagend
Stressreaktion
Hypothalamus
Amygdala
Hypophyse
NebennierenRinde
STRESS UND LEISTUNG
C. Sandi, Trends Cogn. Sci. 34 (2011)
WIE MOTIVIERE ICH DIE SCHÜLER?
• Vorbild sein, Respekt erzeugen, den Schüler/die Schülerin als
vollwertige Partner behandeln
• Die eigenen Ziele und Handlungen erklären, aber nicht anbiedern.
• Sorgfältiges Eingehen auf die individuelle Persönlichkeit und die
individuellen Begabungen der Schülerinnen und Schüler
• Gerechtigkeit und Konsequenz bei Lob und Tadel. Lob: sparsam
und leistungsbezogen. Tadel: aufgaben- und fehlerbezogen, mit
kleinen Anerkennungen, konkret mit Hilfen zur Verbesserung.
Niemals vor der Klasse bloßstellen.
• Anbindung des Stoffes an die jeweiligen Lebenserfahrungen (dort
abholen, wo sie stehen)
• Eigenaktivitäten fördern
• Mögliche Fortschritte in kleine Ziele zerlegen, Vereinbarungen
treffen, Fortschritte und Verbesserungen gezielt loben
Funktionale Gliederung der Großhirnrinde
BEWEGUNGSVORSTELLUNGEN
MOTORIK
SOMATOSENSORIK
KÖRPER
RAUM
SYMBOLE
ANALYSE
PLANUNG
ENTSCHEIDUNG
SEHEN
SPRACHE
BEWERTUNG
AUTOBIOGRAPHIE
OBJEKTE
GESICHTE
R SZENEN
HÖREN/SPRACHE
ARBEITSGEDÄCHTNIS
Das Arbeitsgedächtnis ist zuständig für kurzfristige Speicherung
von Informationen und wird zum Beispiel benötigt; um einen Satz
inhaltlich zu verstehen: so muss man sich an den Anfang des
Satzes erinnern können, wenn man am Ende angelangt ist.
Auch im Zusammenhang mit der Lösung komplexer Aufgaben und
dem Erfassen der Bedeutung von Informationen ist das Arbeitsgedächtnis notwendig, um mit Fakten, Erinnerungen und Vorstellungen mental „hantieren“ zu können.
Der „Flaschenhals“ der Gedächtnisbildung ist das Arbeitsgedächtnis bzw. Kurzzeitgedächtnis. Es ist in seinen Ressourcen
und seiner Geschwindigkeit hochgradig beschränkt und anfällig für
Störungen. Es ist eng mit Aufmerksamkeit verbunden.
.
Allgemeine Intelligenz und allgemeine Lernfähigkeit korrelieren am besten mit der Effektivität des Arbeitsgedächtnisses. Untersuchungen zeigen, dass intelligente Menschen
ein effektiver arbeitendes Arbeitsgedächtnis haben als
weniger intelligente.
Das Arbeitsgedächtnis selbst lässt sich nicht verbessern,
jedoch sind intelligente Personen besser in der Lage, mit
den typischen Beschränkungen des Arbeitsgedächtnisses
besser umzugehen (intuitive oder erlernte Tricks, Denk- und
Merkhilfen sowie Routinisierung.)
Arbeitsgedächtnis als Integrationszentrum
Expertenwissen
Vorderes Arbeitsgedächtnis
Hinteres Arbeitsgedächtnis
Das Arbeitsgedächtnis besteht aus einem vorderen (präfrontalen)
einem hinteren (parietalen und temporalen) Teil.
Der vordere Teil hat mit der Synthese von Informationen zu tun,
die im hinteren Teil aufgerufen werden. Der parietale Bereich
enthält räumliche Informationen, der temporale objekthafte und
auditorische Informationen.
Die Beschränktheit des AG besteht in folgenden Faktoren:
- Verarbeitungszeit
- Anzahl und Komplexität der einzelnen Inhalte
- Auswahl geeigneter Verhaltensantworten (Sprache, Bewegung)
WOZU BRAUCHEN WIR AUFMERKSAMKEIT?
• Detailwahrnehmung
• Semantisch tiefe Verarbeitung
• Behandlung und Lösen neuer, komplizierter Probleme
• Erlernen neuer komplizierter Fertigkeiten
• Erfassen der Verhaltensrelevanz von Sachverhalten
• Komplexe mittel- und langfristige Handlungsplanung
• Nachhaltige Verankerung im Gedächtnis
Cocktailparty-Effekt (Cherry, 1953)
PHÄNOMENOLOGIE DER AUFMERKSAMKEIT
Der Gesamtbetrag der pro Zeiteinheit aufwendbare Aufmerksamkeit ist konstant: Je mehr ich mich auf eine bestimmte
Sachverhalte konzentriere, desto mehr verschwinden andere
Sachverhalte aus meinem Bewusstsein („inattentional
blindness“).
Dies bedeutet, dass geteilte Aufmerksamkeit nur bei niedrigen
Aufmerksamkeitsstärken möglich ist.
Je stärker ich einen Sachverhalt aufmerksam verfolge, desto
stärker und nachhaltiger wird er im Langzeitgedächtnis
verankert
Die Wirkung von Aufmerksamkeit
auf die Aktivität eines parietalen
visuellen Neurons beim Makaken
Colby et al. 1995
Synchronisation
von Neuronen, die
zu unterschiedlichen
funktionalen
Zellverbänden
gehören
Nach Singer et al..,
verändert
Untersuchungen der AG Prof. Kreiter zur Aufmerksamkeit
beim Makaken
“Shape-Tracking Task”
Ableitungen aus V4 mit einem epiduralen
Array aus 37 Elektroden
Aufmerksamkeit schaltet Synchronisation zwischen
Neuronengruppen um
Aufmerksamkeit schaltet Synchronisation zwischen
Neuronengruppen um
WAS BEDEUTET DIES ALLES FÜR DEN UNTERRICHT?
Das Arbeitsgedächtnis (AG) bildet den „Flaschenhals“ für das
Langzeitgedächtnis (LZG): nur dasjenige, was im AG gut und
sinnhaft verarbeitet wird, gelangt ins LZG.
Das AG verbindet die sensorischen Informationen mit möglichen
Inhalten, die aus dem LZG aufgerufen werden, und setzt diese zu
neuen Bedeutungen zusammen.
Jede Wissensvermittlung muss sich den Eigenheiten des AG
anpassen, insbesondere hinsichtlich seiner Beschränktheit, sowie
der Geschwindigkeit und Anschlussfähigkeit der Informationen.
Aufmerksamkeit ist ein wesentlicher Bestandteil der Funktion des
AG. Sie fokussiert die kognitiven Ressourcen und ermöglicht erst
eine „tiefe“, d.h. bedeutungshafte Informationsverarbeitung.
Deshalb muss alles, was die Aufmerksamkeit stört, vom Unterricht
ferngehalten werden!
VIELEN DANK FÜR IHRE
AUFMERKSAMKEIT!
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