Gesundheitsvorsorge Was ist PMWS und wie kann man vorbeugen Dr. Werner Schulze-Grotthoff, SGD Münster · Dr. Sabine Brüning, GFS S Seit Ende der 90er Jahre tritt bei Absatzferkeln ein Krankheitsbild auf, das in der Form bisher nicht beschrieben war. Charakteristisch ist ein Erkranken und Kümmern einzelner Ferkel, das sehr schnell geht und mit medikamenteller Behandlung nicht zu beeinflussen ist. Dr. Sabine Brüning Das Krankheitsbild zeigt sich vornehmlich im Flatdeck nach dem Absetzen der Ferkel sowie in der Anfangsphase der Mast. Seltener sind Saugferkel und größere Mastschweine betroffen. Vielfach sind es einzelne Ferkel aus einem Wurf, die dann in typischer Weise erkranken und durch Hautblässe, nicht anliegendem Haarkleid, zurück bleibende Körperentwicklung bis hin zum Kümmern und Siechtum auffallen. Die Entwicklung zum Kümmerer kann innerhalb von wenigen Tagen geschehen Dieses Erscheinungsbild ist mit den Buchstaben PMWS (postweaning multisystemic wasting syndrom) belegt. Typische Krankheitsymptome im Ferkelerzeugerbetrieb Dr. Werner Schulze-Grotthoff Die Ferkel zeigen vielfach Atemwegsstörungen in Form von Schniefen, Prusten und bauchschlägiger Schweratmigkeit. Die Körpertemperatur kann Fieberwerte von 40 - 41,5 °C erreichen. Die Ferkel sondern sich gerne ab, wirken apathisch und nehmen nicht mehr die gewünschte Futtermenge auf. Bei einem Teil der betroffenen Ferkel (weniger als 5 %) tritt Die geröteten Hautflecken, die beim PDNS (Porcines Dermatitis-Nephropathie-Syndrom) auftreten, sind den Hautveränderungen der Schweinepest teilweise sehr ähnlich. 40 das sogenannte PDNS (Porcines Dermatitis Nephropathie - Syndrom) auf. Dabei findet man gerötete Hautflecken aufgrund von Unterhautblutungen insbesondere im Bereich der Schinken und Flanken. Aber auch Durchfallerkrankungen können im Vordergrund stehen. Dabei können die altbekannten Erreger wie E.Coli, Dysenterie- und PIAErreger u. a. beteiligt sein. Die so betroffenen Ferkel zeigen sehr schnell eingefallene Flanken, ein kotverschmutztes Hinterteil und verenden schon nach wenigen Stunden. Insgesamt wird eine stark erhöhte Anfälligkeit für diese zuvor beschriebenen und auch für weitere Infektionen beobachtet. So steigt zum Beispiel auch die Rate der PechräudeErkrankungen und der Anteil an Ferkeln mit Ohrspitzennekrosen an. Zumeist gehen diese Erkrankungen mit einer Vergrößerung der Lymphknoten einher, was bei vielen Ferkeln äußerlich insbesondere an den Leistenlymphknoten gesehen werden kann. Circovirus Typ 2 = Verursacher von PMWS? Werden an PMWS erkrankte Ferkel zur Sektion eingeschickt, so lässt sich neben verschiedenen anderen unspezifischen Erregern immer wieder auch ein Virus mit dem Namen Porcines Circovirus Typ 2 nachweisen. Ein ähnliches Krankheitsbild mit Kümmern der Absatzferkel ist seit 1991 im nordamerikanischen Raum bekannt. Auch hier wurde in Sektionsmaterial regelmäßig Porcines Circovirus Typ 2 gefunden. Das Porcine Circovirus Typ 2 (PCV2) ist sehr weit in den Schweinebetrieben verbreitet, wie epidemiologische Untersuchungen belegen. Er kann heute weltweit nachgewiesen werden. Die oben beschriebenen Erkrankungsbilder sind aber bei weitem nicht in jedem Schweinebestand anzutreffen. Schätzungsweise jeder zweite Schweinebestand lässt in unserer Region Anzeichen von PMWS erkenTop-Genetik 05 / 2002 Natürlich gut! nen, die allerdings in sehr unterschiedlichem Ausmaß auftreten können. Die unterschiedliche Betroffenheit der Betriebe ist unter anderem auch dadurch zu erklären, dass der Erreger PCV2 allein das klinisch sichtbare Krankheitsbild des PMWS nicht auslöst, sondern es müssen noch andere Faktoren, die sehr vielfältig sein können, dazukommen. Letzteres ist auch durch umfangreiche Experimente mit Infektionsversuchen an unbelasteten Ferkeln belegt. Diese haben bisher immer ergeben, dass die Infektion mit hohen Dosen von Circoviren zwar zu typischen pathologischen Befunden führt, dass für die klinische Ausbildung des PMWS aber immer eine zusätzliche Infektion mit anderen Erregern stattfinden muss. Was wissen wir über Circovirus Typ 2? Kennzeichnend für das Infektionsgeschehen mit Circovirus Typ 2 ist eine massive Störung der körpereigenen Abwehrfunktionen. Darüber hinaus kann auch das Auftreten von virämischen, das heißt dauerhaft virusausscheidenden, Ferkeln beobachtet werden. Von PCV2 weiß man, dass es sich in den Zellen des Immunsystems und dort vor allem in den sogenannten Makrophagen, zu deutsch Fresszellen, vermehren kann. Makrophagen haben bei der körpereigenen Abwehr die Aufgabe, körperfremde bzw. körperfeindliche Agentien, in der Regel Viren oder Bakterien zu erkennen und zu phagozytieren (zu fressen). Durch diesen Vorgang wird anschließend die körpereigene Abwehr aktiviert. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass in Ferkeln, bei denen die körpereigene Abwehr aktuell aktiviert ist, eine um ein Vielfaches höhere CircovirusVermehrung stattfindet als bei Ferkeln mit ausgeglichener Abwehrlage. Dieses ist eine mögliche Erklärung dafür, wieso immer ein zusätzlicher Krankheitserreger zusammen mit den Circoviren auftreten muss, um das Krankheitsbild des PMWS hervorzurufen. Für das Krankheitsgeschehen um Circovirus ist weiterhin von Bedeutung, dass eine Übertragung vom Muttertier auf die Feten erfolgen kann. Wenn Sauen in einer bestimmten Phase der Trächtigkeit erstmalig mit Circovirus konfrontiert werden, kann es zur Geburt von Ferkeln kommen, die lebenslängliche Virusträger sind. Am gefährlichsten ist hierbei die Phase der Trächtigkeit, in der sich das Immunsystem der Feten entwickelt. Für die betroffe- Top-Genetik 05 / 2002 Das leistungsstarke Fütterungskonzept vom Ferkel zum Mastschwein ■ Antibiotika-frei! ■ Nur natürliche Substanzen ■ Hochwirksam ■ Hohe Verbraucherakzeptanz Trouw Nutrition Deutschland GmbH 86664 Burgheim Telefon: 0 84 32 / 89-0 Telefax 0 84 32 / 89-150 www.milkivit.de [email protected] 41 Gesundheitsvorsorge Kümmerern zu werden. Außerdem werden sie durch die mögliche permanente Ausscheidung von Circovirus zu einer Gefahr für andere Ferkel, indem sie das Circovirus auf diese übertragen. Aus Erfahrungsberichten aus der Praxis weiß man außerdem, dass jeglicher Stress für die Ferkel das Krankheitsgeschehen verschärft. Stress wirkt dabei vermutlich dahingehend, dass das Immunsystem zusätzlich geschwächt wird. Typisch für das PMWS ist das Abmagern und Kümmern einzelner Ferkel in der Gruppe Risikofaktor nen Feten stellt sich dann das Circovirus als körpereigener Partikel dar. Es wird demnach lebenslänglich nicht von der körpereigenen Abwehr dieser Ferkel bzw. Schweine bekämpft und kann sich ungehindert vermehren. Solche Ferkel sind in einem möglichen Krankheitsgeschehen besonders gefährdet, zu Folge Wie können Circovirusprobleme vermieden bzw. abgemildert werden? In der Übersicht 1 sind Strategien zur Minimierung der PMWS - Problematik zusammengefasst. Es geht zum einen darum, intrauterine Infektionen, also eine Übertragung von Circovirus von der Sau auf die Ferkel zu vermeiden. Dazu sollte den Sauen möglichst vor Gegenmaßnahme Intrauterine Infektion mit PCV2 in bestimmter Trächtigkeitsphase PCV2-Virusträger ❏ Ausreichende Eingliederungphase für Jungsauen ❏ sind besonders anfällig für PMWS mit dosiertem Kontakt zu Schlachtsauen. ❏ erhöhen Circovirus-Druck im Bestand ❏ Für stabile Bestandsimmunität sorgen. Begleitinfektionen im Zeitraum um das Absetzen Begleitinfektionen führen zu: ❏ Stimulierung / Aktivierung des Immunsystems ❏ starke Vermehrung von Circoviren in aktiviertem Immunsystem ❏ dadurch Schwächung des Immunsystems ❏ Krankheit, Kümmern und evtl. Tod durch Co-Infektionen (Sekundärinfektionen) ❏ Alles Rein - Alles Raus plus reinigen und desinfizieren ❏ Kein Zurückstallen von älteren Ferkeln zu jüngeren ❏ Absondern bzw. Merzen von Kümmererferkeln ❏ Impfmaßnahmen, ggf. zeitliche Anpassung der Impfmaßnahmen ❏ Evt. gezieltes Zurückdrängen von Begleitkeimen durch Antibiotikaeinsatz Weitere Stressfaktoren ❏ Zusätzliche Belastung des Immunsystems ❏ Ferkel nicht zu früh absetzen ❏ Optimale Umweltbedingungen (Heizung, Lüftung) schaffen ❏ Belegdichte der Buchten verringern ❏ Möglichst übersichtliche Tiergruppen Häufige (Stress-) Maßnahmen in kurzen Zeitabständen vermeiden ❏ (Häufiges) Umgruppieren vermeiden 42 Top-Genetik 05 / 2002 Gesundheitsvorsorge Wie können Circovirusprobleme vermieden bzw. abgemildert werden? der ersten Trächtigkeit und in der frühen Trächtigkeit die Möglichkeit gegeben werden, sich mit Circovirus zu immunisieren. Dieses erfordert eine ausreichend lange Eingliederungsphase. Die Jungsauen sollten vor dem Umstallen in den Bestand dosierten Kontakt mit Altsauen (Schlachtsauen) gehabt haben. Die Immunisierung der Jungsauen muss nach dem Belegen durch intensiven Kontakt zu Altsauen fortgesetzt werden. Die Jungsauen sollten möglichst nur aus einem Betrieb kommen und der Jungsauenanteil im Bestand sollte insgesamt nicht zu hoch werden, um die Stabilität der gesamten Herde abzusichern. Zum anderen ist es wichtig, andere Infektionserreger im Bestand in Schach zu halten. Auch hierfür ist eine stabile Gesamtimmunität der Herde wichtig. Denn dann sind die Ferkel über die Antikörper in der Kolostralmilch zu- Top-Genetik 05 / 2002 nächst einmal gegen Infektionen geschützt. Dazu muss ein konsequentes Hygienemanagement kommen. Abteile müssen im ReinRaus-Verfahren belegt werden mit zwischenzeitlicher Reinigung und Desinfektion. Es darf kein Zurückstallen von älteren Ferkeln zu jüngeren erfolgen und kranke und kümmernde Ferkel müssen von den anderen Ferkeln abgesondert, gegebenenfalls gemerzt werden. Weiterhin ist es notwendig, durch gezielte Impfmaßnahmen und gegebenenfalls durch antibiotische Behandlungen Co-Infektionen zurückzudrängen. Und last but not least muss das Management so ausgerichtet sein, dass die Absatzferkel möglichst wenig Stress ausgesetzt sind. Haltung, Fütterung und Handling der Ferkel sollte dabei so weit wie möglich optimiert werden. (Siehe auch Übersicht 1) 43