Welche Rolle spielen Mykoplasmen? Circovirus-Infektionen Großtierpraxis 5:10, 15-16 (2004) von A. Pausenberger Gerade deutsche Schweinehalter mit z.T. kleinbäuerlichen Strukturen haben in den letzten beiden Jahren mit großen Gesundheitsproblemen vor allem in der Ferkelaufzucht zu kämpfen. Oftmals ist das porcine Circovirus (PCV2) der Verursacher allein oder in Kombination mit anderen Erregern. Das porcine Circovirus ist maßgeblich an der Entstehung des so genannten PRDC, des Komplexes der Atemwegserkrankungen beim Schwein, beteiligt. Gegen PCV2 gibt es nach wie vor keine eindeutig erfolgversprechende Therapie, nicht zuletzt weil in den meisten Fällen andere Erreger beteiligt sind, die das Krankheitsbild entscheidend beeinflussen. Wissenschaftler aus allen schweineproduzierenden Ländern streiten sich deshalb über die besten Methoden der PCV2-Bekämpfung. Was Haustierarzt und Landwirt dann im Stall daraus machen, ist in vielen Fällen eine Mischung aus Erfahrungen und reinem Glauben. Frühe Mykoplasmenimpfung (2-4 Wochen vor der Circovirus-Infektion) Was zum Ausbruch der PCV2-assoziierten Erkrankungen (PMWS/PDNS, hochgradige Pneumonien) führt, ist noch immer nicht genau bekannt. Einige Forscher konnten nachweisen, dass Infektionen und Impfungen sowie zootechnische Eingriffe (Kastration, Eiseninjektion, Ohrmarken einziehen) als Stressoren zeitgleich mit akuten Circovirus-Infektionen zum Ausbruch von PMWS führen können. Das A und O der Bekämpfungsstrategien gegen das PCV2 ist deshalb die Durchführung dieser Maßnahmen ca. 2-4 Wochen vor dem erwarteten Infektionszeitpunkt mit PCV2. Mit anderen Worten: Wenn die Mykoplasmenimpfung sehr früh innerhalb der 1. Lebenswoche durchgeführt wird, ist diese Impfung zeitlich weit genug weg vom Infektionszeitpunkt mit PCV2. Neben der Verschiebung des Impfzeitpunktes auf die erste Woche kann auch der Umstieg von einem herkömmlichen Zweimalimpfstoff auf einen so genannten 1Shot-Impfstoff ein probates Mittel sein. führte Mykoplasmenimpfung, d.h. möglichst frühe Impfung aller Ferkel mit der vollen Dosis, ist auch heute noch die wirksamste Prophylaxe. Da Circovirus-Infektionen mittlerweile kaum noch im Saugferkelalter stattfinden sondern eher im Flatdeck und in der Mast auftreten, sind Empfehlungen zu späten Impfungen (> 3 Wochen) und Eingriffen bei den Tieren kritisch zu überdenken. Für arbeitsteilige Systeme ist es daher ratsam, dass alle Impf- oder Managementmaßnahmen spätestens 14 Tage Es wird gespart, koste es was es wolle! Extreme Stimmen forderten z.B. in jüngster Zeit die Mykoplasmenimpfung ganz wegzulassen, um jeglichen Stress soweit wie möglich von den Saugferkeln fernzuhalten. Diese Theorie würde jedoch bedeuten, das “Kind mit dem Bade auszuschütten”! Mykoplasmen sind die wichtigsten Wegbereiter für virale und bakterielle Atemwegserreger. Auf diese Impfung zu verzichten würde bedeuten, aggressiven Erregern wie z.B. Pasteurella multocida, Actinobacillus pleuropneumoniae, Cirocvirus und PRRS-Virus Tür und Tor zu öffnen. Um kurzfristig Geld zu sparen, insbesondere während der Talfahrt der Schweinepreise, hat so mancher Schweinehalter mit der Mykoplasmenimpfung “experimentiert” und letztendlich sehr viel mehr verloren als er in die Bestandsimpfung hätte investieren müssen. Eine akkurat durchge- vor dem Umzug der Ferkel in den Aufzuchtbetrieb abgeschlossen sind. Die häufigsten Co-Erreger der Circoviruserkrankung sind PRRS-Viren, die nach neueren Untersuchungen in etwa 50% der Fälle nachzuweisen sind. Bereits auf Platz 2 folgt mit 35,5% der Fälle Mycoplasma hyopneumoniae, eine Tatsache, die bisher kaum berücksichtigt wurde, die aber von großer Wichtigkeit für das Verständnis der PCV2-Erkrankung ist. Neue Studien aus den USA Im Frühjahr dieses Jahres erschien erstmals eine Untersuchung aus den USA, die sich mit dem Zusammenhang zwischen Mykoplasmen und Circoviren beschäftigt. An der Staatlichen Universität von Iowa wurden Ferkel, Titelbild: Typisches Krankheitsbild nach Circovirus-Infektion: kümmernde, abgemagerte Ferkel mit struppigem Haarkleid. GROSSTIERPRAXIS 10/2004 15 Übersicht 1: Klinik in Abhängigkeit von Einzel- und Doppelinfektion Gruppe 1 2 3 4 Infektion mit Mykoplasmen X X - Circovirus X X Husten Lungenläsionen Klinik ▲ ▲▲▲ ▲ ▲ ▲▲▲ ▲ 5/17 0/17 ▲: Schweregrad der Befunde die noch nie mit einem der beiden Erreger Kontakt hatten, in 4 Gruppen aufgeteilt (Übersicht 1). Alle Ferkel wurden wöchentlich gewogen und klinisch untersucht. Darüber hinaus wurden Blutproben gezogen und auf die Anwesenheit von PCV2 und Mycoplasma hyopneumoniae untersucht. Die erste Hälfte der Ferkel wurde im Alter von 9 Wochen geschlachtet, die zweite Hälfte dann mit 11 Wochen. Alle Tiere wurden eingehend pathologisch untersucht. Mykoplasmen verstärken Krankheitsbild der PMWS Das Ergebnis zeigte, dass die doppelt infizierten Ferkel aus Gruppe 3 deut- FORTBILDUNG lich schwereren Symptomen (Husten, Niesen, Kümmern und Lethargie) zu leiden hatten. Diese klinischen Befunde wurden durch die Ergebnisse der Blut- wie auch der pathologischen Untersuchung bestätigt. Ferkel der Gruppe 3 hatten die schwersten Lungenschäden und in diesen Ferkeln wurde auch das meiste PCV2 nachgewiesen. Das Circovirus fand in den durch Mykoplasmen vorgeschädigten Lungenbezirken ideale Bedingungen für eine starke Vermehrung vor. Dieser Befund ist nicht weiter erstaunlich, denn es ist bekannt, dass diejenigen Ferkel am heftigsten von PCV2 betroffen sind, die bereits von anderen Erregern vorgeschädigt wurden. Gleichzeitig zeigen die Ergebnisse aber auch, wie fatal es wäre, von einer Mykoplasmenimpfung abzusehen, um dem Ferkel Stress zu ersparen. In diesem Fall steht die “Stresseinsparung” in keinem Verhältnis zum Nutzen dieser Maßnahme. Die Mykoplasmenimpfung leistet einen entscheidenden Beitrag zur allgemeinen Gesundheitsstabilität in unseren Schweinebeständen. Sie ist und bleibt Standard eines Qualitätsferkels, dessen Produktion unter den sich verschärfenden Bedingungen eines wachsenden Schweinemarktes in der erweiterten EU von immenser Bedeutung sein wird. Anschrift der Verfasserin: TA Astrid Pausenberger Pfizer Tiergesundheit 76032 Karlsruhe BPT-Kongress (4. - 7.11.2004 in Nürnberg) Fortbildung kleine Wiederkäuer Freitag, 05. November 2004, 14.00 - 17.30 Uhr, Raum Mailand (CCN Mitte, Ebene 1) Leitung: M. Ganter (Hannover) 14.00 -14.20 N. von der Ruhren, K. Strittmatter, T. Schmalwasser und M. Fürll, Leipzig: Nutzung von Rekultivierungsflächen durch Schafe – tiergesundheitliche Probleme 14.20 -14.25 Diskussion 14.25 -15.05 G. von Samson-Himmelstjerna, Hannover: Resistenzsituation von Rundwürmern der kleinen Wiederkäuer und mögliche Auswirkungen auf die Entwurmungsstrategie 15.15 -15.40 P. Winter, Wien: Subklinische Mastitis - Bedeutung in Milch produzierenden Schaf- und Ziegenherden 15.40 -15.45 Diskussion 15.45 -16.20 Pause 16 GROSSTIERPRAXIS 10/2004 16.20 -16.35 A. Sobiraj, Leipzig: Klinische Mastitis bei Schaf und Ziege und deren Behandlung 16.35 -16.40 Diskussion 16.40 -17.20 M. Ganter, Hannover: Aktueller Stand der Scrapie-Bekämpfung 17.20 -17.30 Diskussion Info und Anmeldung: bpt Akademie GmbH Hahnstraße 70, 60528 Frankfurt am Main Tel.: 069 669818-90, Fax: 069 669818-92 e-mail: [email protected] www.bpt-akademie.de