Was weiß man über die Mensch-Pferd

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Was weiß man über die
Mensch-Pferd-Beziehung
Dr. Ursula Pollmann
CVUA Freiburg
1
Eine Übersicht aus der Literatur, 2016
Anfragen zu Inhalt oder Quellen:
Dr. Ursula Pollmann, CVUA Freiburg
Fachbereich Ethologie und Tierschutz
[email protected]
2
Mensch-Pferd-Beziehung
Der Mensch muss sich auf die Verhaltensweisen und die Bedürfnisse des Pferdes einstellen - nicht umgekehrt
Grundlage jedes Umgangs mit Pferden
ren. Denn diese ist mit einer Muskelkraft
muss sein, dass das Pferd Vertrauen in
kombiniert, die alle Befehle des Men-
den Menschen hat und behält. Aber auch
schen ausschalten kann, wenn er seine
der Mensch muss dem Pferd vertrauen.
Hilfen nicht sinnvoll, gleichförmig, konse-
Dann ist vieles machbar, und eine Koope-
quent und angemessen einbringt.
ration auch in schwierigen Situationen
noch möglich oder gar ausbaufähig.
Eine Ursache für Fehleinschätzungen
und manche Enttäuschung bei Pferdehal-
Wegen der unterschiedlichen Umwelt-
tern entsteht häufig dadurch, dass sie die
wahrnehmungen von Mensch und Pferd
Meinung vertreten: ich bin gut zum Pferd
müssen für den sicheren Umgang Kennt-
– also macht es was ich will. Doch Res-
nisse über eine effektive gegenseitige
pekt, Vertrauen und Gehorsam wird nur
Kommunikation vorliegen. Pferde können
einer Persönlichkeit gewährt, welche die
nicht dazu gebracht werden, so zu fühlen,
erforderlichen Fähigkeiten zu einem Leit-
zu hören, zu schmecken oder zu sehen
tier unter Beweis stellt. Dabei spielt die
wie der Mensch. Der Mensch kann und
Körpersprache bei jeder Begegnung eine
sollte dem Pferd aber beibringen, dass
wesentliche Rolle: als Mensch sollte man
ihm nichts geschieht, wenn es seinen
sich immer darüber im Klaren sein, was
Anweisungen folgt. Er muss es zum Bei-
man vom Pferd will und darf nur etwas
spiel überzeugen können, dass er bei
verlangen, wenn man überzeugt ist, dass
hellem Tageslicht der bessere Führer ist.
das Pferd
Andererseits muss sich der Mensch bewusst sein, dass Pferde besser hören
1. seine Aufmerksamkeit dem Menschen zugewandt hat
und insbesondere eine reichhaltigere Ge-
2. versteht, was man von ihm will und
ruchswelt haben. Er sollte deshalb mög-
3. tun kann, was verlangt wird.
lichst versuchen, Gerüche zu vermeiden,
welche die Pferde erregen. Man sollte
Nur bei tatsächlicher Entschlossenheit
auch immer die außergewöhnliche Berüh-
und auf Wissen basierender Überzeu-
rungs-Sensibilität des Pferdes respektie-
gung des eigenen Handelns wird die Bot3
schaft über die Körpersprache beim Pferd
vor - oft ohne zu realisieren, dass in der
auch entsprechend ankommen. Dabei ist
Mensch-Pferd-Beziehung etwas nicht
Selbstsicherheit, Klarheit, Einfühlungs-
stimmt. So erfüllen viele Pferde alle an
vermögen und Geduld, jedoch niemals
sie gerichteten Aufgaben zur Zufrieden-
unangemessener Druck oder gar Gewalt
heit des Menschen und fallen dadurch
angebracht. Während ersteres den Res-
nicht auf. Nur wer genauer hinschaut
pekt fördert, führt letzteres zu Unsicher-
kann feststellen, dass manches dieser
heit, Vertrauensverlust und Furcht -
Pferde nur „funktioniert“ und nicht mehr
sowohl vor dem Menschen wie auch vor
agiert, d.h. dass kein aktives Miteinander
der Situation - mit den entsprechenden
mit dem Menschen (mehr) stattfindet.
Folgen. Nur konsequentes Vorgehen gibt
Solche Pferde haben insbesondere den
dem Pferd Sicherheit, was allerdings
wachen Ausdruck in den Augen verloren
nicht mit übertriebener Kontrollsucht über
und lassen alles nur noch teilnahmslos
jede Bewegung verwechselt werden darf!
über sich ergehen. Da dieser bedauernswerte Zustand oft nicht erkannt wird, wird
Ein Pferd muss immer ein empfindsames
auch weder nach der Ursache gefragt
und aktives Lebewesen bleiben und darf
noch Abhilfe geschaffen. Dass dies relativ
nicht durch ständigen Druck zu einem
leicht möglich wäre, zeigt die Geschichte
blind gehorsamen Untertanen degradiert
im nachfolgenden Kasten.
werden. Leider kommt dies aber häufig
4
Eine wahre Geschichte aus dem Alltag (gekürzter Auszug) von J. Wild und P. Classen in
Horseman, Ausgabe Mai 2015
Die Teilnehmerin eines Kurses kam mit ihrem Warmblutwallach und berichtete, dass sie eigentlich
ganz zufrieden mit ihrem Pferd sei, weil es keine offensichtlichen Probleme mache. Bevor sie es
vor sieben Jahren bekommen hatte, war es ein erfolgreiches Springpferd, das auch heute noch
jedes Hindernis springen könne. Die Frau hatte allerdings das Gefühl, dass ihr Pferd zwar alles
einigermaßen lieb für sie ausführe, jedoch scheinbar ohne dabei tatsächlich eine Verbindung zu ihr
aufzunehmen. Ähnlich wie ein Roboter…
Wenn Menschen über Pferde reden oder lesen, kommt meistens das Wort Respekt vor. Leider
zählt dieser Begriff mittlerweile zu einem der am meisten fehlinterpretierten Worte überhaupt. Respekt heißt nämlich nicht, dass der andere - hier das Pferd - alles tut, was man von ihm verlangt,
sondern dass er sein Gegenüber auch wahrnimmt. Und genau das war hier nicht der Fall. In dieser
Beziehung gab es nur Gehorsam, keinen Respekt!
Die Trainerin legte dem Pferd daraufhin ein Knotenhalfter mit Führleine an, was es widerstandslos
mit sich machen ließ. Sie erkannte ziemlich schnell, dass sie ein eher unsicheres, introvertiertes
Pferd vor sich hatte, das zwar von außen betrachtet ruhig und entspannt wirkt, dessen Fluchtenergie aber gewissermaßen nach innen gerichtet ist: die Ohren zeigten nach hinten (nicht angelegt), der Kopf befand sich auf halber Höhe, die Lippen waren aufeinandergepresst und der Blick
teilnahmslos „nach innen gerichtet“. Das Pferd hat es auch regelrecht vermieden, die Personen in
seiner Nähe anzusehen. Das Pferd wollte offensichtlich keine Verbindung mit den Menschen eingehen, was von der Besitzerin als übliches Verhalten dieses Pferdes beschrieben wurde. Die Augen bewegten sich kaum, d.h. es gab auch nur sehr wenig Lidschlag. Das Pferd stand auf der Stelle, ohne sich zu bewegen, was nicht heißt, dass man es nicht problemlos hätte losführen können,
weil es alle Fragen sozusagen mit: „ja, mache ich!“ beantwortete. Introvertierte Pferde haben erfahrungsgemäß die größten Probleme, da sie oft noch vollkommen falsch als faul, stur oder widersetzlich eingeschätzt und entsprechend behandelt werden. Die Menschen machen dann meist das
Gegenteil von dem, was eigentlich sinnvoll wäre: sie machen immer mehr Druck und treiben das
Pferd damit noch weiter in seine nach innen gerichtete Flucht!
Nachdem das Pferd so bewegungs- und teilnahmslos dastand, ließ die Trainerin die Führleine so
lang, dass sie fast auf dem Boden hing, drehte sich um und bewegte sich einen großen Schritt weg
vom Pferd. Dabei war es wichtig, dass das Pferd weder angeschaut noch in sonst einer Art Energie in seine Richtung geschickt wurde. Die Trainerin hielt nur eine Hand ein wenig in die Richtung
des Pferdes. Nach ca. 5 Minuten begannen sich die Ohren des Pferdes ein wenig zu bewegen, es
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zwinkerte leicht mit den Augen und bewegte den Kopf langsam in Richtung der ausgestreckten
Hand, um daran zu riechen. Nachdem dies kurz zugelassen wurde, bewegte sich die Trainerin
ruhig ca. 1,5 m vom Pferd weg, ohne es zu beachten. Dieses Mal brauchte es wesentlich weniger
Zeit, bis sich das Pferd zu der nach wie vor in seine Richtung gehaltenen Hand bewegte. Wieder
bewegte sich die Trainerin ohne Beachtung des Pferdes nun ca. 2 m weg. Jetzt dauerte es nur
noch wenige Sekunden, bis das Pferd kam und begann, die Trainerin am ganzen Körper zu beriechen. Es war so neugierig und interessiert, dass es gar nicht von der Trainerin ablassen konnte.
Letztlich folgte das Pferd der Trainerin frei durch die Halle.
Die Besitzerin hatte ein solches Verhalten an ihrem Pferd noch nie erlebt und war emotional stark
betroffen. Nicht nur das Verhalten des Pferdes hatte sich grundlegend verändert, sondern auch
dessen Ausdruck!
Was war passiert?
1.
Das Wesentliche war wohl, dass jeglicher Druck vom Pferd genommen wurde. Gleichzeitig wurde
ihm mit der dargereichten Hand ein Angebot gemacht.
2.
Dem Pferd wurde die Zeit gelassen, die es brauchte, um aus sich heraus zu kommen. Dies kann
unter Umständen wesentlich länger dauern als in diesem Fall, das Ergebnis ist aber dasselbe.
3.
Es war alleine seine Entscheidung, zum bzw. mit dem Menschen zu gehen. Das Pferd hätte sich
auch abwenden können.
4.
Der unmittelbare, aber entspannte Rückzug der Trainerin nach seiner ersten Berührung bedeutete
für das Pferd, dass es Einfluss auf den Menschen nehmen konnte, ohne damit gleich eine überschwängliche Reaktion auszulösen, welche es wieder verunsichert hätte.
Fazit:
Man kann ein Pferd nicht dazu zwingen, aus sich heraus zu kommen und sich für einen Menschen
zu interessieren. Man kann es nur anbieten, abwarten und sich darüber freuen, wenn es geschieht.
Es ist ein wertvolles und emotional berührendes Geschenk, das zwar stets sorgsamer Pflege bedarf um es zu halten, aber jeglichen Umgang mit dem Pferd erleichtert und ganz erheblich zu dessen Wohlbefinden beitragen kann!
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Menschen, die mit Pferden umgehen,
aus der Vorerfahrung - jeder Partner ganz
müssen sich über die Bedeutung von gu-
bestimmte Erwartungen hinsichtlich des
ten Kenntnissen über die grundlegenden
nachfolgenden Verhaltens des Gegen-
Lerntheorien bewusst sein. Nur dann sind
übers. Und grundsätzlich führt nur die
sie in der Lage, Pferde nicht nur effektiv
Erfüllung der Erwartungen zu zunehmen-
auszubilden, sondern auch den Einfluss
der Sicherheit im Umgang.
von unvermeidbaren negativen Inputs auf
Die Art des Umgangs und wie dieser vom
die Beziehung zu verringern (z.B. Medi-
Tier wahrgenommen wird, kann die
kamente/Wurmkuren verabreichen). Nur
Mensch-Tier-Beziehung stark beeinflus-
gute beobachterische Fähigkeiten, ver-
sen. In einigen Untersuchungen wurde
bunden mit ständig auf dem Laufenden
herausgefunden, dass das Streicheln und
gehaltenem Wissen, können ein zufrie-
insbesondere das Klopfen nicht unbe-
denstellendes Ergebnis hervorbringen.
dingt eine Belohnung für Tiere darstellt.
Darüber hinaus sind Zeit, Kreativität und
Anderseits kann die Furcht von Pferden
Einfühlungsvermögen die wesentlichen
vor dem Menschen reduziert und infolge
Schlüssel zum Erfolg. Dabei sollte man
dessen der Umgang verbessert werden,
sein Handeln auch immer wieder einmal
wenn die Anwesenheit des Menschen mit
kritisch überprüfen. Denn manche Pferde
der Gabe von Futter verknüpft ist. Die
beginnen mit dem Menschen - von die-
Verknüpfung mit dem stark positiven Ver-
sem häufig unbemerkt – „wer bewegt
stärker „Futter“ bewirkt, dass eine zuerst
wen?“ zu spielen (z.B. „schaffe ich es,
negative Bedeutung des Menschen bzw.
meinen Menschen rückwärts zu richten,
eines Handlings verringert wird. Dieses
indem ich auf ihn zugehe?“)
Wissen kann auch schon bei jungen
Pferden eingesetzt werden, sobald diese
Man muss sich darüber im Klaren sein,
festes Futter zu sich nehmen können.
dass die Beziehung zum Pferd auf der
Doch Vorsicht: der unbekümmerte Um-
Basis einer Abfolge von Wechselwirkun-
gang mit starken primären Verstärkern
gen aufgebaut ist. Dabei wird ganz all-
wie Futter kann Pferde zum Betteln und
gemein jede Wechselwirkung im Prozess
Beißen veranlassen, was natürlich unbe-
der Entwicklung einer Beziehung durch
dingt vermieden werden muss!
die vorausgehende beeinflusst. Dies gilt
sowohl für den Menschen, als auch für
Einer der häufigsten Fehler im Umgang
das Pferd! Deshalb hat - je nach positi-
mit Pferden ist, wenn bei diesen
vem oder negativem Gedächtnisinhalt
„menschliches Denken“ vorausgesetzt
7
wird. So wird z.B. angenommen, dass
Und auch bei Aussagen von Pferdebesit-
Pferde mit dem Menschen kooperieren,
zern über die emotionale Verbundenheit
um gemeinsam mit ihm ein Ziel zu errei-
ihres Pferdes an ihre Person bleibt stets
chen. Mit einer solchen Sichtweise ent-
die Frage offen, inwieweit hier der
stehen aber zwangsläufig Missverständ-
Wunsch die Mutter des Gedankens ist.
nisse, da die Pferde dazu komplexe kognitive und empathische Fähigkeiten ha-
Nicht zuletzt sollte man sich immer auch
ben müssten, welche nach derzeitigem
bewusst sein, dass ebenso die Haltungs-
Kenntnisstand nicht vorhanden sind. Aus
und Managementbedingungen das Ver-
der Sicht der Verhaltensforschung gibt es
halten des Pferdes beeinflussen und bei
keinen hinreichenden Grund zur Annah-
Mängeln zu realen Problemen führen
me, dass Pferde die von ihnen geforderte
können. In diesem Zusammenhang sind
(maximale) Leistung bewusst für den Rei-
beispielsweise das stundenlange Stehen
ter einsetzen bzw. um einen Sieg mit-
in einer Einzelbox oder eine fehlerhaft
kämpfen. Denn Pferde agieren grund-
zusammengestellte und betriebene
sätzlich nicht aufgrund einer sozialen
Gruppenhaltung zu nennen. Beide Be-
Verpflichtung gegenüber ihren Artgenos-
dingungen können Pferde mehr oder we-
sen (Ausnahme: Mutter-Kind-Beziehung)
niger stark physisch und psychisch belas-
und somit auch nicht aus Rücksicht auf
ten, was sich dann auch auf die Mensch-
die Unversehrtheit, das Wohlbefinden
Pferd-Beziehung negativ auswirken kann.
oder gar die sportlichen Interessen des
Menschen.
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Aggressionen bei Pferden: Ursachen und Vermeidung
Physisches Leiden (Schmerz) kann un-
Situationen, in denen für das Pferd frust-
erwünschte Reaktionen hervorrufen und
rierende Ereignisse provoziert werden,
manchmal zu Aggressionen führen. Aber
muss mit aggressivem Verhalten gerech-
auch psychische Beeinträchtigung wie
net werden. Hierbei ist insbesondere die
zum Beispiel Einzelhaltung ohne Artge-
Futtergabe zu nennen, die unbedacht zu
nossen im jungen Alter kann die Pferd-
aggressiven Reaktionen führen kann, wie
Mensch-Beziehung negativ beeinflussen:
beispielsweise Futtervorlage außerhalb
die Pferde können zwar mehr Kontakt
der Reichweite des Pferdes, Futtergabe
zum Menschen suchen, doch dies ist oft -
nur an ein Tier aus einer Gruppe oder
insbesondere bei Hengstfohlen - verbun-
nicht entsprechend der Rangfolge. Da die
den mit unerwünschtem Verhalten wie
Futteraufnahme bei Pferden nahezu stets
Schlagen und Beißen. Dieses Verhalten
und zudem stark motiviert ist, muss in
geht aus dem artgemäßen Spielverhalten
diesem Zusammenhang besonders da-
hervor. Doch weil der Mensch hierfür kein
rauf geachtet werden, keine achtlosen
adäquater Partner ist, muss er derartige
Aktionen zu tätigen!
Annäherungen sofort abweisen. Weil diese Zurückweisung vom Pferd aber eher
Da der Mensch bei einem Kräftemessen
als Herausforderung zu noch forscherem
mit dem Pferd unabwendbar den Kürze-
Vorgehen verstanden wird, kommt es zu
ren ziehen wird, darf man es nie so weit
einem weiteren „Kräftemessen“ bis die
kommen lassen, dass es zu einem Angriff
Situation schließlich in Richtung echter
kommt, der für das Pferd als ein Erfolgs-
Aggression eskaliert.
erlebnis verbucht werden kann. Denn die
Aggression wird dann zwangsläufig als
Pferde, welche gegenüber dem Men-
effektive Methode erlernt, um den Men-
schen aggressiv reagieren, haben mög-
schen mit seinen Wünschen von sich ab-
licherweise gelernt, sich so zu verhalten.
zuhalten. Es kann daher nicht oft genug
Die Lebensgeschichte des Individuums
betont werden, dass es wesentlich für
kann ergeben, dass es unter nicht pfer-
jede Arbeit mit Pferden ist, sich der Prin-
degerechten Bedingungen mit unerfahre-
zipien des Lernens bewusst zu sein, da-
nem Halter gelebt hat, welcher die Signa-
mit die Mensch-Pferd-Beziehung für bei-
le vor einem Angriff nicht erkannt und
de Partner positiv gestaltet werden kann.
unterbunden hat. Aber auch aufgrund von
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Hengsthaltung
Die meisten Hengste werden vor Erreichen der Zuchtreife kastriert, um mit der
damit verbundenen Aufhebung von Geschlechtstrieb und potentieller Aggressivität sowohl deren Umgänglichkeit als auch
Haltungsmöglichkeiten zu verbessern. In
den letzten Jahren kommt es jedoch zunehmend „in Mode“, dass Hengste für
Frustration, führen nachweislich zu Über-
Sport und Freizeit gehalten werden, ohne
erregung, Verhaltensabweichungen und
dass sie für den Zuchteinsatz vorgesehen
insgesamt erhöhter Unfallgefahr. Auffällig
wären. Dabei sind es vermehrt Frauen,
ist dabei der erhöhte Aggressionslevel
die die Hengsthaltung favorisieren. Ob
sowohl gegenüber anderen Pferden als
dies allein damit zusammenhängt, dass
auch dem Menschen. Es hat sich ande-
mehr Frauen als Männer reiten, ist nicht
rerseits aber auch herausgestellt, dass je
abschließend geklärt.
mehr Aktionsfreiraum (im Sinne von
Zwar ist bekannt, dass es zwischen den
Pferderassen und auch individuell große
Unterschiede in der Ausprägung des geschlechtstypischen Verhaltens gibt. Doch
grundsätzlich stellt jede Hengsthaltung
eine besondere Herausforderung an den
Tierhalter dar, was die pferdegerechte
Haltung, Erziehung und den Umgang mit
diesen Tieren angeht. Obwohl für Hengste grundsätzlich dieselben Anforderungen
selbstbestimmtem Verhalten) und soziale
Kontakte einem Hengst gewährt werden,
umso größer wird das Risiko für Unfälle
und Verletzungen für Mensch und Tier.
Solche Hengste respektieren den Menschen nicht (mehr) und ihr Handling wird
zunehmend schwieriger. All dies zeigt,
wie bedeutsam das fehlerfreie Management bzw. der sachkundige Umgang
speziell bei Hengsten ist.
an eine pferdegerechte Unterbringung
Bevor man sich also für eine Hengsthal-
gelten wie für Stuten und Wallache, wer-
tung entscheidet, sollte intensiv und
den viele mehr oder weniger isoliert in
selbstkritisch geprüft werden, ob die hal-
Einzelboxen ohne Auslauf gehalten. Ins-
tungstechnischen, fachlichen und insbe-
besondere eingeschränkte Möglichkeiten
sondere auch persönlichen Vorausset-
zu Sozialkontakten mit Artgenossen, aber
zungen gegeben sind, um dieser Heraus-
auch Bewegungsmangel und sexuelle
forderung gewachsen zu sein.
10
Ausbildung von Pferden/Reiten
Ausbildung beinhaltet ganz allgemein die
Um eine Überforderung des Organismus
Erweiterung von erwünschten natürlichen
auszuschließen, muss berücksichtigt
Verhaltensweisen, die Unterdrückung von
werden, dass Pferde erst mit etwa 5 Jah-
unerwünschten natürlichen Reaktionen
ren weitgehend ausgewachsen sind. Dies
und – in begrenztem Ausmaß - die Ein-
betrifft aber nur die Körpergröße - die
führung von „neuem“ Verhalten. Dies
körperliche Gesamtentwicklung ist erst
kann am besten dadurch erreicht werden,
mit etwa 7 Jahren abgeschlossen!
indem die Grundprinzipien des Lernens
mit den individuellen Lerntendenzen des
Am stärksten reagieren junge Pferde auf
Pferdes kombiniert werden.
das Aufsteigen des Reiters. Die gemessene Konzentration an Stresshormonen
Generell sind Pferde, welche in der
(Cortisol) im Speichel war bei diesbezüg-
Gruppe aufgewachsen sind bzw. leben,
lichen Untersuchungen allerdings immer
einfacher im Umgang und auch leichter
noch deutlich niedriger als von Pferden
auszubilden. Dies hat mit dem Lernen
während des Straßentransports. Die
durch soziale Interaktionen mit Artgenos-
Fortbewegung unter dem Reiter reduziert
sen zu tun, d.h. aufmerksam zu sein ge-
die Stressreaktion dann schon wieder.
genüber deren Signalen. Hinzu kommt
Man erklärt sich dies wie folgt: wenn die
die höhere Ausgeglichenheit dieser Tiere,
Pferde die Anwesenheit des Reiters auf
sodass deren Energie durch den Men-
ihrem Rücken einmal akzeptiert haben,
schen besser zu kontrollieren ist.
erfordern die nächsten Trainingsschritte
vorwiegend natürliche Verhaltensmuster.
Grundsätzlich ist jede Nutzung von Pfer-
Vom Pferd wird erwartet, dass es sein
den aber auch unausweichlich mit Aktivi-
Gleichgewicht unter dem Reiter erlangt
täten und Einwirkungen verbunden, wel-
und sich im Schritt, Trab und Galopp fort-
che das Wohlbefinden dieser Tiere beein-
bewegt. Solange dies innerhalb eines
trächtigen können. Um die Nutzung der
systematischen und schrittweisen Pro-
Pferde zu unserem Vergnügen zu recht-
gramms trainiert wird, ist dies wohl eher
fertigen, sollten wir deshalb strenge mo-
eine physikalische Anforderung als ein
ralische Bedingungen erstellen, um mög-
vom Reiter verursachter Stressor.
lichst alles zu vermeiden, was deren
Die Untersuchungen unterstreichen somit
Wohlbefinden schadet.
aber die Forderung, dass insbesondere
11
das Aufsteigen auf das Pferd durch den
Schaffung und Erhaltung eines leis-
Reiter als einer der ersten Schritte im rei-
tungsbereiten, willigen und vertrauens-
terlichen Training mit größter Sorgfalt
voll mitarbeitenden Pferdes
ausgeübt werden muss. Dies vor allem
elastischer, ausbalancierter Sitz des
weil allgemein bekannt ist, dass Pferde
Reiters, gefühlvolle, feine Hilfengebung
Tiere mit einem gutem Gedächtnis sind.
sowie Verständnis für die Natur des
Es ist auch zu bedenken, dass es sich
Pferdes und die Zusammenhänge der
dabei um eine Situation handelt, welche
Reitlehre
unter natürlichen Bedingungen eine bedrohliche und möglicherweise tödliche
Weitere allgemein gültige Aussagen aus
Gefahr darstellen kann. Inwiefern diese
den FN-Richtlinien:
instinktmäßige Bewertung jedoch zum
zu den individuellen Eigenschaften
Ausdruck kommt, hängt sicher weitge-
eines Pferdes gehören - wie beim
hend von Vorerfahrungen des Pferdes mit
Menschen auch(!) – Stärken und
dem Menschen und dem Trainingsaufbau
Schwächen. Stärken zu fördern und
ab.
Schwächen auszugleichen ist ein wesentliches Ziel der Reiterei, was viel
Die Richtlinien für Reiten und Fahren der
Erfahrung, Können, Verständnis und
Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN)
Geduld erfordert.
basieren auf der klassischen Reitlehre,
Pferd und Reiter sollten zu einem ge-
welche in ihren allgemeinen Grundsätzen
meinsamen Gleichgewicht finden, so-
zum Umgang mit Pferden auch für alle
dass sie sich letztlich so fein abge-
anderen Reitweisen weitgehend zutref-
stimmt verständigen können, dass sie
fend sind:
vom Betrachter als harmonisches Ge-
Orientierung an der Natur, d.h. an den
samtbild wahrgenommen werden.
Bedürfnissen und den natürlichen, in-
Ursachen für auftretende Schwierigkei-
dividuellen Anlagen des Pferdes
ten, Rückschritte oder Misserfolge
Berücksichtigung der körperlichen Vo-
muss der Reiter immer zunächst bei
raussetzungen und des natürlichen
sich selbst und nicht beim Pferd su-
Verhaltens des Pferdes
chen. Das Verhalten des Pferdes und
ausgewogene Gymnastizierung und
ein gutes Reitgefühl zeigen dem Reiter
Kräftigung des Pferdes
an, dass er auf dem richtigen Weg ist.
abwechslungsreiche und vielseitige
Ausbildung für jedes Pferd
12
Ziel jeder Ausbildung sollte sein, mittels
weil viele Menschen glauben, wenn sie
positiver Erfahrungen den Respekt des
das nicht tun, haben sie nicht die völlige
Pferdes zu gewinnen und dadurch auch
Kontrolle über das Geschehen. Hier sind
sein Vertrauen. Dazu muss man aber
aber wieder eher Geduld, Einfühlungs-
zuerst einmal in der Lage sein, die Auf-
vermögen und Vertrauen in die eigene
merksamkeit des Pferdes auf sich zu len-
Arbeit der Schlüssel zum Erfolg.
ken. Das Pferd soll dem Trainer mit dem
Kopf folgen, ihn anschauen und die Hin-
Arbeitet man ein Pferd zu zweit (z.B. vom
terhand von ihm wegdrehen. Eine zuge-
Sattel und vom Boden), muss klar verab-
wandte Hinterhand stellt den Ansatz ei-
redet sein, wer die dominierende Rolle
nes dominanten Verhaltens dar, da sich
übernimmt, um das Pferd nicht zu irritie-
Pferde so verteidigen bzw. angreifen.
ren. Die Erfahrung lehrt, dass Pferde mit
Daher kann es als ein Indikator für Res-
dem auf dem Boden stehenden Men-
pekt bewertet werden, wenn ein Pferd die
schen leichter kommunizieren können als
Hinterhand vom Menschen abwendet.
mit dem reitenden – und ihn auch eher
respektieren. Dies liegt höchstwahr-
Die Bodenarbeit kann durch verschiede-
scheinlich daran, dass der Mensch am
ne Übungen den Aufbau einer natürlichen
Boden im Blickfeld des Pferdes steht und
Dominanz des Menschen bewirken,
es damit dessen Körpersprache deutli-
ebenso wie eine mehr oder weniger frei-
cher wahrnehmen kann.
willige Unterordnung beim Pferd. Die Entscheidung, was vom Pferd dabei verlangt
Je konsequenter und berechenbarer der
werden kann, ist abhängig vom Pferd,
Mensch für das Pferd ist, desto deutlicher
von seinem Können und v.a. von seiner
erfährt und akzeptiert es ihn auch als
Kooperationsbereitschaft. Darüber hinaus
ranghöheren Partner. Dies verlangt vom
müssen natürlich auch die entsprechen-
Menschen aber auch innere Ausgegli-
den Hilfsmittel zur Kommunikation (Half-
chenheit und Selbstbeherrschung sowie
ter, Strick, Gerte, Körpersprache) vom
Unterlassung von Affekthandlungen. Das
Menschen korrekt eingesetzt werden.
Pferd spürt negative Emotionen des
Häufig wird den Pferden dabei nur eine
Menschen ebenso untrüglich wie Zunei-
Zeitspanne von wenigen Sekunden zuge-
gung - selbst im Augenblick hoher Anfor-
standen, um in gewünschter Weise zu
derung und auch des Tadels. In einem
reagieren. Danach setzen zumeist sofort
auf solidem Vertrauen aufgebauten Ver-
Korrektur- oder Zwangsmaßnahmen ein,
hältnis zwischen Mensch und Pferd kann
13
der Mensch dem Pferd auch gewisse
das Pferd sein menschliches Gegenüber
Freiräume zugestehen, ohne seine Stel-
jedoch als ranghöheren Partner, so wirkt
lung zu gefährden.
diese Konstellation als Verstärker für die
reiterlichen Einwirkungen und erlaubt es,
Pferde taxieren ihren Reiter schnell und
die Hilfengebung feiner abzustimmen und
leisten immer nur gerade so viel, wie es
zu minimieren.
nach ihrer Einschätzung beim betreffenden Reiter unerlässlich ist. Respektiert
14
Probleme bei der Ausbildung, Ursachenanalyse
Was der Mensch unbedingt vermeiden
führt es unweigerlich zu Verwirrung und
sollte, ist das unbeabsichtigte Konditio-
Frustration bei den Pferden, wenn insbe-
nieren (Lernen durch Belohnung oder
sondere der Druck (z.B. durch den trei-
Bestrafung): deshalb darf zum Beispiel
benden Schenkel) nicht unmittelbar be-
eine Trainingseinheit nie mit einem Fehl-
endet wird, wenn sie die gewünschte Re-
verhalten beendet werden, da das Pferd
aktion zeigen. Bekannt ist auch, dass
das Arbeitsende als Belohnung auf die-
Trainingsvorgänge, welche wiederholt
ses Verhalten registriert und somit das
unangenehm und insbesondere auch
Verhalten wiederholen wird, was zum
frustrierend für die Pferde sind, das Ler-
Arbeitsende geführt hat (Train-the-Trainer
nen und die Leistung behindern sowie
Effekt). Lernen durch Konditionierung
das Wohlbefinden beeinträchtigen.
macht den Hauptteil der Fähigkeiten des
Pferdes im Umgang mit seiner Umwelt
Zu den Problemen bei der Ausbildung
einschließlich des Menschen aus! Diese
von Pferden gehören auch:
Fähigkeit ist in vielen verschiedenen Si-
Der hohe Einsatz von Strafe, wodurch
tuationen nutzbar und bei bewusster und
das Pferd in eine unkontrollierbare Si-
korrekter Anwendung höchst dienlich!
tuation und dadurch motivationalen
Konflikt gebracht werden kann.
Traditionelle Techniken im Reitsport
Der Einsatz von uneffektiven Beloh-
stammen aus der Zeit der militärischen
nungen wie das Klopfen/Schlagen mit
Nutzung des Pferdes und Erfordernissen
der flachen Hand, welches höchst-
des Transports. Pferde werden somit
wahrscheinlich keine angenehme Er-
überwiegend mit negativer Verstärkung (=
fahrung für das Pferd darstellt.
Vermeiden einer unangenehmen Einwir-
Die schlecht getimte Belohnung, wel-
kung) trainiert d.h. sie müssen auf Signa-
che diese für das Pferd bedeutungslos
le reagieren, welche auf Druck basieren
macht oder aber zu unerwünschtem
und nicht auf positiver Verstärkung. Auch
Verhalten anregt und dann letztendlich
wenn diese Methoden grundsätzlich ef-
zu Verwirrung und Frustration führt.
fektiv und dem Pferd auch von seiner Na-
Die fehlende Klarheit der Anweisun-
tur her nicht fremd sind, werden die da-
gen, die zur Verwirrung führt und neu-
hinter stehenden Lerntheorien oft nicht
rotisches Verhalten erzeugen kann.
beachtet bzw. sind einfach unbekannt. So
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Ungeeignete Hilfsmittel, wie z. B.
entspannt zu öffnen und überhaupt ver-
scharfe Gebisse, zu enge Verschnal-
stehen zu können, was man von ihm will.
lung des Nasenriemens oder schlecht
Durch Härte und Gewalt wird den Pferden
angepasste/unterfütterte Sättel, die zu
dagegen ein für alle Mal der Mut zur so-
unerwünschten Reaktionen führen.
zialen Auseinandersetzung mit dem Men-
Die Wiederholung der Verknüpfung
schen genommen. Denjenigen, welche
zwischen Gerittenwerden und Schmer-
die Meinung vertreten, dass Reiten im
zen führt zu einer verschlechterten
Leistungssport eben eine härtere Sache
Mensch-Pferd-Beziehung.
sei, ist der bekannte Satz entgegenzuhalten: „Brutalität beginnt da, wo das Kön-
Zeigen Pferde Abwehrreaktionen und
nen aufhört“.
Widersetzlichkeiten, können folgende
Ursachen dahinter stehen:
Auch genetische Veranlagungen von
- das Pferd hat Schmerzen aufgrund
Pferden können zu unterschiedlicher
unsachgemäßer Einwirkungen
- das Pferd hat Angst, weil es mit gefühlloser Härte traktiert wurde
- das Pferd versteht nicht, was von ihm
verlangt wird
- das Pferd kann nicht, was von ihm verlangt wird
- die verlangten Übungen werden zu oft
wiederholt
Empfindlichkeit gegenüber denselben
Umgebungsbedingungen führen, d.h. es
gibt grundsätzlich kein gutes oder
schlechtes Pferdetemperament, sondern
verschiedene Typen von Pferden, welche
dementsprechend verschiedenen Umgang und angepasste Ausbildungsmethoden benötigen. So verlangen manche
Pferde vom Menschen eine ausgeprägtere Autorität und fachlich besonders kor-
Widersetzlichkeiten sollten den Reiter
rektes Verhalten für ihre erfolgreiche
zum Nachdenken über die Ursachen ver-
Ausbildung und ihren problemlosen Um-
anlassen und nicht zu noch stärkerer
gang. Häufig werden solche Pferde zu
Druckausübung führen. Von größter
Unrecht als schwerrittig abgestempelt,
Wichtigkeit ist es, dem Pferd von Anbe-
wobei es sich oft um überaus leistungsfä-
ginn an jegliche Angst vor den eingesetz-
hige Tiere handelt. Dass nicht selten Kin-
ten Arbeitsmitteln zu nehmen. Erst die auf
der mit solchen Tieren zurechtkommen,
Vertrauen gegründete Überwindung na-
lässt sich durch die eindeutigen Rangver-
türlicher Vorsichtsreaktionen befähigt das
hältnisse zugunsten des Pferdes und den
Pferd, sich den Anweisungen des Reiters
geringen Anforderungen, welche von den
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Kindern an das Pferd gestellt werden,
Deshalb muss auch die Zucht immer wie-
erklären. Schwierig wird die Situation nur
der einmal unter ethischen Gesichtspunk-
dann, wenn aus den Kindern jugendliche
ten hinterfragt werden. Denn die prakti-
Reiter mit entsprechenden Ambitionen
zierte Selektion von Pferden ist v.a. des-
werden, und die Rangverhältnisse nicht
halb kritisch zu bewerten, weil dadurch
mehr so klar sind. Wenn die Pferde dann
die Anstrengung und Motivation von Rei-
mit verändertem Verhalten reagieren,
tern und Trainern, ihre Fähigkeiten zu
kann es leicht zu „scheinbar plötzlich auf-
verbessern und zu verfeinern, kaum mehr
tretenden“ Schwierigkeiten und infolge-
erforderlich scheint. In vielen Fällen man-
dessen Frust bei den Reitern führen.
gelt es eindeutig an Selbstkritik der Reiter/Ausbilder, welche die Fehler nur beim
In diesem Zusammenhang sei erwähnt,
Pferd und nicht bei sich selbst suchen. Es
dass die Pferdezucht derartig starke
ist jedoch in hohem Maße unsportlich,
Pferdecharaktere bewusst ausselektiert
vom Pferd zu viel und vom Reiter zu we-
hat, seit die Pferde weitgehend „nur“ noch
nig zu verlangen!
zu Sport- und Freizeitzwecken genutzt
werden. Dabei ist es fraglich, ob dies
letztendlich zum Wohle der Pferde geschehen ist, wenn diese fast alle fachlichen Mängel der Reiter weitgehend widerstandslos hinnehmen (sollen). Viele
Pferde sind zwischenzeitlich sogar so
duldsam, dass sie selbst auf schmerzhafte und schadensträchtige reiterliche Aktionen keine adäquate Abwehr mehr zeigen und somit die Menschen – welche
zudem die feinen Signale der Pferde oft
nicht verstehen – glauben lassen, das
Richtige zu tun. Dabei wird dann auch der
in diesem Fall leicht erfolgende Übergang
zur erlernten Hilflosigkeit nicht wahrgenommen bzw. als Normalverhalten betrachtet.
17
Einsatz von Ausrüstung/Hilfsmitteln
Aufgrund der häufig vorhandenen Un-
Finger müssen zwischen Riemen und
kenntnis über die Wirkung der eingesetz-
Nasenrücken bequem eingeschoben
ten Mittel ist die Ausübung des Drucks
werden können.
oftmals unverhältnismäßig hoch bzw. es
kommt zu (nicht bewussten) schmerzhaf-
Die „Schärfe“ einer jeden Zügelwirkung
ten Einwirkungen. Verstärkt werden diese
hängt letztlich von der Kraft ab, mit der
folgenschweren Auswirkungen noch bei
der Reiter an den Zügeln zieht. Diese
nicht korrekt angepassten Ausrüstungs-
Kraft wird allgemein erheblich unter-
materialien oder zu enger Verschnallung.
schätzt. Sie sollte 20 Newton (= 2 kg) pro
Zügel möglichst nicht überschreiten. Von
In reiterlichen Disziplinen sollen Pferde
einer harten Einwirkung wird bei 50
„zufrieden“ kauen, während das Aufsper-
Newton (= 5 kg) gesprochen. Gemessen
ren des Maules unerwünscht ist, da es
wurden bei turniererprobten Reitern im
Mängel in der Ausbildung aufzeigt. Es ist
Trab Spitzenwerte bis zu 150 Newton (=
anzunehmen, dass aufgrund letzterem
15 kg)! Hierbei bestanden auch keine
vielfach zu eng verschnallte Nasenriemen
Unterschiede zwischen Trensen- und
vorgefunden werden. Diese verhindern
Kandarenzügeln.
aber nicht nur das Kauen, sondern beeinträchtigen offensichtlich auch die Blutzir-
Schlaufzügel wirken wie ein Flaschenzug,
kulation im Kopf des Pferdes. Neben ei-
d.h. sie verdoppeln in der Regel die Zü-
ner Abkühlung der Kopfhaut wurden in
gelkraft. Außerdem ändern sie je nach
diesem Zusammenhang auch erhöhte
Verschnallung (unten oder seitlich am
Temperaturen im Bereich der Augen
Sattelgurt) die Richtung derjenigen Kraft,
festgestellt. Alles in allem ist davon aus-
welche durch das Gebiss auf das Pferd
zugehen, dass die zu enge Verschnallung
einwirkt. Über beides scheinen sich viele
zur Beeinträchtigung des Wohlbefindens
Reiter nicht im Klaren zu sein. Auch das
der Pferde führt. Deshalb ist strengstens
Martingal verändert bei korrekter Ver-
auf eine ausreichende Weite des Nasen-
schnallung die Richtung der Zügelkraft
riemens zu achten, welche (nur!) am Na-
nach unten, jedoch nur, wenn das Pferd
senrücken sinnvoll zu prüfen ist. Derzeit
den Kopf hebt. Voraussetzung ist aller-
gilt dafür die sogenannte „2-Finger-
dings, dass die Ringe problemlos am Zü-
Regel“, d.h. zwei nebeneinander liegende
18
gel gleiten, da ansonsten ebenfalls erhöh-
In der Ausbildung von Reitern oder Pfle-
te Kräfte auf das Gebiss einwirken.
gepersonal werden Lerntheorien selten
erwähnt. Es gibt allein deshalb einen
Es wäre wünschenswert - weil unmittel-
dringenden Bedarf, dass die Lerntheorien
bar förderlich für die Qualität der Ausbil-
in allen Bereichen des Pferdesports auf-
dung und damit das Wohlbefinden der
genommen werden, weil es dann häufig
Pferde - wenn Richter die schonendste
keine Notwendigkeit mehr für den Peit-
Ausrüstung im Wettbewerb in ihre Bewer-
scheneinsatz, Bestrafung und Angst beim
tung des Reiters/Ritts mit einbeziehen
Pferd gäbe. Der Peitscheneinsatz in
würden. Zwar wird diesbezüglich durch-
Pferderennen ist z. B. dann problema-
aus richtigerweise argumentiert, dass
tisch, wenn er nicht zu schnellerem Lau-
jede Ausrüstung in der der Hand des gu-
fen führt - was durchaus vorkommt. In
ten Reiters schonend eingesetzt werden
anderen Disziplinen haben Praktiken wie
kann. Doch die Realität zeigt vielfach das
z.B. Hyperflexion und reizende/scharfe
Gegenteil: scharf wirkende Hilfsmittel in
Einreibungen ein signifikantes Potential,
der Hand von wenig qualifizierten Reitern.
das Wohlbefinden der Pferde zu beein-
Für entsprechend kontraproduktiv im Sin-
trächtigen.
ne der Vorbildfunktion wird die derzeit
national und international geltende Rege-
Insbesondere die Praxis der sogenannten
lung gehalten, dass ab Klasse M die
Hyperflexion („Rollkur“) ist immer wieder
Springreiter ihre Zäumung frei wählen
Gegenstand kontroverser Diskussionen
können. Auch diese wird damit begrün-
und wissenschaftlicher Untersuchungen.
det, dass die Reiter ab dieser Leistungs-
Auch wenn diese Reitweise schon seit
stufe für so qualifiziert gehalten werden,
längerem zu beobachten ist, hat sie in
dass sie damit umgehen können. Doch
letzten Jahren doch deutlich zugenom-
selbst wenn diese Annahme stimmen
men. Während in hochklassigen Turnie-
sollte, bleiben die Fragen, warum die
ren anfangs der neunziger Jahre des letz-
Pferde teilweise derart „aufgerüstet“ an-
ten Jahrhunderts nur in den Phasen von
treten müssen und insbesondere was die
versammeltem Trab und Galopp die
Zuschauer und potentiellen Nachwuchs-
Pferde überwiegend mit der Stirn-
reiter aus einer solchen Demonstration
Nasenlinie hinter der Senkrechten vorge-
mit nach Hause nehmen?
stellt wurden, war dies keine 20 Jahre
später zusätzlich und verstärkt bei Passage und Piaffe der Fall. Daraus ist zu
19
schließen, dass die verantwortlichen
Die Herausforderung bei der Ausbildung
Richter in dieser Reitweise keinen Grund
und Reiterei besteht darin, den aktuellen
zur Beanstandung sahen. Doch was be-
Level der Wettbewerbe zu erhalten, ohne
deutet diese Entwicklung für die Pferde?
das Wohlbefinden der Pferde zu beeinträchtigen, z. B. indem mehr Wert auf die
In einer Literaturstudie konnten für eine
Fähigkeiten der Trainer und Reiter gelegt
Kosten-Nutzen-Analyse 55 wissenschaft-
wird und Hilfsmittel und Trainingsmetho-
liche Untersuchungen zu Kopf- und Ge-
den nicht mehr zugelassen werden, wel-
nickpositionen von Pferden und deren
che die Pferde nahezu zwangsläufig ne-
Auswirkungen gefunden werden. In 88%
gativ beeinflussen.
dieser Untersuchungen wurden negative
Auswirkungen auf das Wohlbefinden der
Pferde durch die Hyperflexion gefunden.
Nur in einer Untersuchung wurden positive gymnastische Auswirkungen durch
diese Trainingsmethode angenommen.
Ansonsten war nur die potentiell bessere
Kontrolle der Pferde durch den Reiter mit
diesem Verfahren als Vorteil zu vermerken.
Somit scheinen insbesondere für die
Pferde die Kosten, welche mit der Hyperflexion verbunden sind, den möglichen
Nutzen zu übersteigen - aber auch für
diejenigen Menschen, denen das Wohlergehen und die Gesundheit ihrer Pferde
ein Anliegen ist.
20
Einige Untersuchungen zur Hyperflexion („Rollkur“):
Wenn Pferde die Wahl haben, entscheiden sie sich signifikant häufiger für normal aufgerichtetes Geritten-werden als für die Rollkur. Während der Rollkur bewegen sich die Pferde langsamer und zeigen häufiger Anzeichen von Missempfindung wie Schweifschlagen, Kopfschlagen
und Buckelversuche. Während der Rollkur reagieren die Pferde tendenziell ängstlicher auf neue
Objekte und brauchen länger, um sich ihnen anzunähern. Die Ergebnisse der Untersuchung
weisen darauf hin, dass die zwangsweise erreichte Hyperflexion für die Pferde unangenehm ist
und sie ängstlicher macht, sodass sie auch gefährlicher zu reiten sind.
25 Pferde verschiedener Rassen wurden veranlasst, eine Reihe von vorher festgelegten, typischen Kopf-Hals-Stellungen einzunehmen. Dabei wurde u.a. die Dehnung und Verkürzung der
Muskeln festgestellt und bei 5 Pferden auch Röntgenaufnahmen der Wirbelsäule im Widerristbereich durchgeführt. Dass die Rollkur-Position die Muskeln und Nackenbänder überdehnt,
konnte nicht festgestellt werden. Die Rollkur leistet aber auch keinen Beitrag zur Aufwölbung
des Rückens.
In einer Untersuchung an 14 Pferden konnte mittels Endoskop nachgewiesen werden, dass die
Hyperflexion unabhängig von Alter, anatomischen Differenzen, Ausbildung und Trainingszustand zu einer signifikanten Einengung des Larynx (Kehlkopf) führt. Außerdem stieg bei diesen
Pferden der Cortisonspiegel im Blut signifikant an, was als Hinweis auf Stress gewertet werden
kann.
Unter Berücksichtigung der schriftlich fixierten Regeln für das Turnierwesen der FN wurde das
Ausdrucksverhalten von jeweils 30 Pferden mit der Stirnlinie vor oder hinter der Senkrechten
auf Abreitplätzen unter dem Reiter ausgewertet. Entgegen den Regeln der FN wurden 92,8%
der Pferde unmittelbar vor den Prüfungen mit der Stirn-Nasenlinie hinter der Senkrechten geritten. Die Pferde, welche mit der Stirn-Nasenlinie hinter der Senkrechten geritten wurden, zeigten
8 Mal mehr Unmutsäußerungen als solche, die mit der Stirn-Nasenlinie vor der Senkrechten
abgeritten wurden. Die Pferde haben damit deutliches Unwohlsein signalisiert.
Dressurpferde werden auf dem Vorbereitungsplatz überwiegend (69% von 355 Pferden) und
signifikant in geringerem Umfang während der Prüfung mit der Stirn-Nasenlinie deutlich hinter
der Senkrechten geritten. In den niederen Prüfungsklassen (A/L) wurde das Vorführen von
Pferden mit der Stirn-Nasenlinie hinter der Senkrechten mit schlechteren Wertnoten bestraft,
nicht jedoch in den höheren Klassen (M/S). Pferde, welche mit der Stirn-Nasenlinie hinter der
Senkrechten geritten wurden, zeigten in den höheren Prüfungsklassen signifikant mehr Konfliktverhalten als in den niedrigen Klassen.
21
Zwangsmaßnahmen
Zwangsmaßnahmen jeder Art dürfen nur
Wirkmechanismus ebenso eine Rolle
dann eingesetzt werden, wenn andere,
spielt. Bei korrekter Anwendung der Na-
weniger belastende Maßnahmen nicht
senbremse (siehe Kasten) handelt es
durchgeführt werden können. Der prophy-
sich somit um eine brauchbare, schnell
laktische Einsatz von Zwangsmitteln bei
wirkende Fixationsmaßnahme für Pferde,
Haltungs- und Pflegemaßnahmen (z.B.
die einen leicht analgetischen und sedie-
beim Putzen, Deckakt, bei Hufpflege oder
renden Effekt ausübt und zum Einsatz bei
Verladen), die in der Regel auch mittels
kurzen und wenig schmerzhaften Eingrif-
Gewöhnung oder behutsamem Training
fen geeignet ist. Insbesondere bei gering
erreicht werden können, ist tierschutzre-
schmerzhaften oder nur mäßig angstein-
levant und daher nicht vertretbar.
flößenden Eingriffen kann auch allein die
Massage der äußeren Oberlippe mit den
Die Anwendung der „Nasenbremse“ stellt
Fingern bereits für eine beruhigende Wir-
grundsätzlich ein erhebliches Stressge-
kung ausreichend sein - ohne dabei
schehen für die Pferde dar. Es konnte
Stress auszulösen. Die Wirkung ist am
dabei u.a. ein Anstieg von Adrenalin fest-
Senken des Kopfes und den halbge-
gestellt werden. Die Wirkung der Nasen-
schlossenen Augenlidern gut erkennbar
bremse wird aber maßgeblich auch von
(siehe Bilder am Ende des Kapitels).
der Freisetzung von körpereigenen Opioiden (Endorphinen) beeinflusst. Zudem
Nicht geeignet bzw. tierschutzwidrig ist
beruht die Wirkung dieser Zwangsmaß-
dagegen der Einsatz der Nasenbremse,
nahme wahrscheinlich auf einer Ablen-
um Pferde z.B. in einen Hänger oder eine
kung vom eigentlichen Geschehen.
Startbox zu führen! Zu beachten ist auch,
dass bei Pferden, welche vor der Anwen-
Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass
dung bereits stark erregt sind, die Nasen-
Pferde unter Anwendung der Nasen-
bremse i.d.R. wirkungslos ist oder zu
bremse ein vermindertes Schmerzemp-
noch heftigeren Abwehrreaktionen führen
finden haben. Da das Massieren der an
kann. Auch bei Fohlen und Jungtieren
der Oberlippe befindlichen Akupunktur-
wurden derart paradoxe Reaktionen beo-
punkte eine beruhigende Wirkung auf
bachtet.
Pferde hat, geht man davon aus, dass
beim Einsatz der Nasenbremse dieser
22
Korrekte Anwendung der Oberlippenstrickbremse („Nasenbremse“):
Die Strickschlaufe wird über die Hand gezogen (i.d.R. die linke), mit der die Oberlippe fixiert wird.
Dann zieht man die Strickschlaufe mit der anderen Hand über die Oberlippe und verdreht den
Holzstab so weit, bis der Strick stramm über der Oberlippe liegt. Dabei ist darauf zu achten, dass
der Strick nur auf äußerer Haut liegt, keine Faltenbildung entsteht und die Nüstern nicht eingeengt
werden! Der Holzstab der Bremse muss stets von einer Person gehalten werden und darf nicht in
das Halfter gesteckt oder anderweitig fixiert werden, damit die Bremse ggf. schnellstmöglich entfernt werden kann. Die Bremse darf auch nicht über den gesamten Anwendungszeitraum gleich
stramm angezogen sein, sondern muss abwechselnd geringfügig gelockert und wieder angedreht
werden. Dadurch soll der Blutfluss in der Oberlippe gewährleistet bleiben und bei manchen Pferden kann dadurch auch die sedative Wirkung verstärkt werden.
Die Wirkung der Nasenbremse setzt nach 12 bis 80 Sekunden ein. Das Einsetzen der Wirkung ist
am Senken des Kopfes erkennbar. Die Anwendung ist zeitlich auf das notwendige Minimum zu
begrenzen und sollte 10 Minuten nicht überschreiten.
Als tierschutzrechtlich nicht vertretbar
gelten nach derzeitigem Kenntnisstand:
sog. polnische Bremse und ähnliche
das Bremsen mit zu dünnen Stricken
Systeme: Strick wird durch das Maul
(z.B. Heuschnüren) oder mit Metall-
und über das Genick gezogen
ketten
jeder Bremseneinsatz an anderen
Zangenbremsen (Nussknackerprinzip)
Körperteilen als der Oberlippe (z.B.
alle Bremsen, die am Halfter fixiert
Ohr oder Zunge)
werden
23
Unfallursachen, Unfallvermeidung beim Umgang mit Pferden
In einer Untersuchung an 224 Wallachen,
-
Vermeidung von Stress
welche unter denselben Bedingungen
-
ruhiger und qualifizierter Umgang
bei der Nutzung
lebten, aber von verschiedenen Personen
betreut wurden, konnte die Reaktion der
Pferde auf das plötzliche Auftauchen ei-
Die Haltungsbedingungen haben einen
ner unbekannten Person dem jeweiligen
entscheidenden Einfluss auf das Verhal-
Pferdepfleger zugeordnet werden. Jeder
ten und damit die Umgänglichkeit der
Pfleger war für 7-8 Pferde verantwortlich,
Pferde. In einer Erhebung in Gruppen-
und diese Pferde tendierten dazu, auf
auslaufhaltungen wurde von den Pferde-
den durchgeführten Reaktionstest ähnlich
haltern überwiegend das Merkmal „Aus-
zu reagieren. Diese Ergebnisse lassen
geglichenheit“ als positive Veränderung
vermuten, dass der tägliche Mensch-
gegenüber der Einzelhaltung angegeben.
Pferd-Kontakt einen großen Einfluss auf
die Art und Weise hat, wie Pferde den
Aus Übersichten zu Unfällen mit Pferden
Menschen wahrnehmen. Der Standort als
wurde versucht, Informationen über die
multidimensionaler Faktor (Umgebungs-
Art der Probleme und welche Personen
bedingungen und menschliches Ma-
betroffen sind zu sammeln. Da Reitunfälle
nagement) scheint einer der Hauptfakto-
aber nicht meldepflichtig sind, gestaltet es
ren der erworbenen Persönlichkeits-
sich nicht ganz einfach, aussagekräftige
merkmale adulter Pferde zu sein. Er hat
Zahlen oder gar Entwicklungen zu erhal-
damit einen wesentlichen Einfluss auf die
ten.
„Umgänglichkeit“ von Pferden, weshalb
Aus einer Unfallstatistik der Bundesan-
fachkundiges Personal als eine bedeu-
stalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin
tende Größe bei der Unfallvermeidung
aus dem Jahr 2000 ist zu entnehmen,
gesehen werden muss.
dass in Deutschland jährlich 93.000 Menschen im Zusammenhang mit Pferden
Als weitere Faktoren sind zu nennen:
-
-
verunglücken. Wird diese Zahl über Män-
Beachtung der Bedürfnisse von
ner und Frauen gemittelt, nimmt das Rei-
Pferden (Sozialkontakt, Bewegung
ten nur einen mittleren Platz in der Liste
etc.)
der gefährlichsten Sportarten ein. Da
Gewöhnung an möglichst viele
aber wesentlich mehr Frauen als Männer
Umweltbedingungen
24
reiten, ist das Reiten bei Frauen die
(24%). Einem Bericht von 216 Tierärzten
Sportart mit den meisten Unfallopfern.
aus der Schweiz ist zu entnehmen, dass
Die meisten Unfälle im Pferdesport ge-
75% von ihnen mindestens einmal im
schehen im Zusammenhang mit Stürzen
Jahr von einem Pferd geschlagen wer-
vom Pferd, häufig verursacht durch vo-
den. Interessant ist in diesem Zusam-
rausgehendes Scheuen des Pferdes. Fa-
menhang, dass Praktiker, welche kein
tal sind solche Vorfälle, wenn der Reiter
eigenes Pferd besitzen, weniger oft ge-
dabei auf harte Gegenstände aufschlägt,
schlagen werden als Kollegen mit eige-
sich im Steigbügel verfängt und mitge-
nem Pferd. Daraus ist zu schließen, dass
schleift wird oder wenn auch das Pferd
Ausmaß und Häufigkeit, mit welcher Tier-
stürzt und den Reiter überrollt.
ärzte sich mit Pferden auseinandersetzen, hinsichtlich der Verletzungshäufig-
Aber auch Unfälle in der Pferdehaltung
keit am bedeutsamsten sind.
gehen nicht immer glimpflich aus. Dabei
haben sich das Beschlagen, aber auch
Entsprechendes gilt auch für Personen
das Putzen und Füttern als besonders
mit länger andauerndem Kontakt zum
unfallträchtig hervorgetan. So wurden der
Pferd: nicht im Zusammenhang mit dem
Sozialversicherung für Landwirtschaft,
Reiten vorkommende Unfälle (insbes.
Forsten und Gartenbau jährlich ca. 4000
durch Schläge) kommen häufiger bei be-
Unfälle mit Pferden gemeldet, wovon sich
rufsmäßigen Reitern vor als bei Laien.
der größte Teil im Umgang mit dem Tier
Dies liegt sicher auch daran, dass mit
und nicht im Zusammenhang mit dem
zunehmender Routine die Achtsamkeit
Reiten ereignete.
nachlässt und ansonsten übliche Vorsichtsmaßnahmen vernachlässigt wer-
Probleme mit Pferden können sowohl bei
den. Die meisten Unfälle, in welche pro-
kurzen gelegentlichen Auseinanderset-
fessionelle Personen involviert waren,
zungen (z. B. von Tierärzten, Hufschmie-
geschahen dabei neben dem Pferd: u.a.
den) als auch bei langanhaltenden Bin-
beim Putzen, Stallmisten, Zuchtmanage-
dungen (z. B. zwischen Besitzer, Halter
ment.
oder Pfleger und Pferd) auftreten. In einer
Übersicht aus Angaben von 995 Tierärz-
Die Ergebnisse unterstreichen einerseits
ten aus Amerika wird angegeben, dass
die Erfordernis nach einem besseren
Pferde für 15% der Unfälle verantwortlich
Kenntnisstand im Umgang mit Pferden
sind, nach Rindern (46%) und Hunden
und andererseits die Notwendigkeit, dass
25
das Verhalten der Pferde ständig auf-
treten und gute beobachterische Fähig-
merksam beobachtet werden muss. In
keiten dabei, sich richtig zu positionieren
diesem Zusammenhang gibt es nur ge-
und zu handeln. Im zweiten Fall ist zu-
ringe Unterschiede, ob sich eine Person
sätzlich zu beachten, dass jede Aktion
nur kurz mit einem unbekannten Pferd
einen Einfluss auf die folgende haben
beschäftigen muss, oder ob es um den
wird und alle Möglichkeiten genutzt wer-
täglichen Umgang mit einem oder mehre-
den sollten, um positive Bindungen auf-
ren Pferden geht. Im ersten Fall helfen
zubauen und zu erhalten.
ständige Aufmerksamkeit, sicheres AufVorsichtsmaßnahmen beim Umgang mit Pferden
Pferd vor dem Herantreten oder Anfassen ansprechen, um Erschrecken zu vermeiden
Beim Herausführen aus Box oder Stall Türen genügend weit öffnen oder fixieren
Stricke oder Zügel beim Führen nie um die Hand wickeln
Beim Anbinden des Pferdes Schleife machen, die mit einem Ruck zu lösen ist
Niemals Pferde an beweglichen Gegenständen anbinden
Niemals Pferde an Trense oder Kandare anbinden
Beim Pflegen, Behandeln oder Beschlagen festes Schuhwerk tragen
Beim Putzen nie direkt hinter dem Pferd stehen
Ausrüstung (Sattel, Halfter, Zügel etc.) auf Materialmängel oder Schäden überprüfen
Vorsicht beim Füttern von in Gruppen freilaufenden Pferden: Futterneidreaktionen!
Vorsicht beim Betreten von Boxen mit Stuten und jungen Saugfohlen: Verteidigungsangriff!
Vorsicht an Tagen mit starker Insektentätigkeit: Ausschlagen, Kopfschlagen, Abstreifen an
Bäumen!
Vorsicht beim Loslassen von Pferden auf die Weide: Ausschlagen!
Vorsicht bei Hengsten: Aufreitgefahr!
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Aus dem Gebet eines Pferdes:
Lieber Gott,
wir Pferde versuchen
die gesprochenen Worte,
die Körpersprache und
die eingesetzten Hilfsmittel
des Menschen zu verstehen.
Wir merken es sofort,
wenn der Mensch traurig,
ängstlich oder
mit den Gedanken nicht bei der Sache ist.
Was versteht der Mensch
eigentlich von uns ?????
Eine Vervielfältigung ist ohne Genehmigung gestattet, jedoch nur unverändert und vollständig
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