Standardtherapie und Zukunftskonzepte bei mGIST

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JATROS
Hämatologie & Onkologie 5 I 2012
1. Zentral-Europäische Konferenz über Personalisierte Medizin
Standardtherapie und
Zukunftskonzepte bei mGIST
Die optimale Therapiesequenz bei metastasierten gastrointestinalen Stromatumoren (GIST) hängt entscheidend vom Typ der jeweils zugrunde liegenden Mutationen ab. Der folgende Bericht behandelt das
Armamentarium der Erstlinientherapie bei Imatinib-sensitiven und Imatinib-resistenten Mutationen sowie
die Möglichkeiten der Zweit- und Drittlinientherapie bei Imatinib-Resistenz und skizziert therapeutische
Zukunftskonzepte.
Molekularpathologie bei GIST
GIST repräsentieren die häufigsten mesenchymalen Malignome des Gastrointestinaltrakts. Für ihre molekulare Pathogenese kausal verantwortlich sind Punktmutationen oder kurze Insertionen/Deletionen in Genen, die für die Rezeptortyrosinkinasen KIT (70–80% aller GIST)
oder PDGFRA (5–10%) kodieren. Die
häufigsten primären KIT-Mutationen betreffen die Exons 11 und 9 bzw. PDGFR
Exon 12 und 18, während eine erworbene
Imatinib-Resistenz (siehe unten) zumeist
mit dem zusätzlichen Auftreten von Mutationen in der Kinasedomäne (bei KIT
vor allem Exons 13 und 14 sowie 17 und
18) einhergeht.
Bei 10–15% aller GIST, vor allem bei jungen Patienten, lassen sich keine KIT- oder
PDGFRA-Mutationen nachweisen. Molekularbiologisch sind diese oft als Wildtyp-GIST zusammengefassten Tumoren
eine heterogene Gruppe: Zu ihnen zählen
GIST mit Mutationen in BRAF (z.B.
V600E), seltener auch HRAS und NRAS.
Darüber hinaus tritt ein Teil der WildtypGIST bei Patienten mit genetischer Prädisposition zur Entwicklung von Tumoren (z.B. Carney-Triade, Carney-StratakisSyndrom, Neurofibromatose 1) auf.
Die optimale Therapiesequenz für die Behandlung metastasierter Wildtyp-GIST ist
nicht bekannt, allerdings zeigt sich in den
I 94
großen randomisierten Studien unter einer Therapie mit Imatinib eine ähnliche
Rate an klinischem Benefit wie bei jenen
GIST mit KIT/PDGFRA-Mutationen.
W. J. Köstler, Wien
T. Brodowicz, Wien
Molekularbiologische Prädiktoren
für eine zielgerichtete Therapie
metastasierter GIST
Erstlinientherapie – Imatinib-sensitive
und Imatinib-resistente Mutationen
Die Effektivität unterschiedlicher Tyrosinkinaseinhibitoren hängt entscheidend vom
Typ der jeweiligen Mutation ab. Von einer Erstlinientherapie mit Imatinib in
Standarddosis (400mg/d) profitieren alle
Patienten mit Imatinib-sensitiven Mutationen (und wahrscheinlich auch mit den
meisten Wildtyp-GIST) hinsichtlich ihres
Gesamtüberlebens. Das mittlere progressionsfreie Überleben liegt bei zwei Jahren,
ist allerdings bei Vorliegen einer KITExon-11-Mutation signifikant länger als
bei Vorliegen einer Exon-9-Mutation. Nur
Letztere profitieren hinsichtlich des progressionsfreien Überlebens von einer
höheren, etwas nebenwirkungsreicheren
initialen Imatinib-Dosis (bis
800mg/d). Darüber hinaus führt
eine bei Krankheitsprogredienz
durchgeführte Dosiseskalation
von Imatinib bei etwa einem
Drittel aller Patienten, die initial
400mg/d erhielten, zu einem erneuten Ansprechen.
Während also bei GIST mit
Exon-11-Mutationen eine Initialdosis von 400mg/d, gefolgt von
800mg/d bei Krankheitsprogredienz, die bevorzugte Therapiestrategie
darstellt, sind bei GIST mit Exon-9-Mutationen upfront 800mg/d zu empfehlen.
Weniger Daten liegen zur Therapie der
selteneren GIST mit PDGFRA-Mutationen vor: Die häufigste Mutation, D842V
(und auch D842I), führt zu einer konstitutiven Exposition der PDGFRA-Kinasedomäne in ihrer aktiven Konformation,
sodass Imatinib (welches die Kinase in ihrer inaktiven Konformation bindet) wirkungslos ist. Diese Mutation ist allerdings
in präklinischen Modellen empfindlich gegenüber Dasatinib und Hitzeschockprotein-90(Hsp90)-Inhibitoren.
Speziell für GIST mit D842V-Mutationen
befinden sich derzeit der PDGFRA-Kinaseinhibitor Crenolanib (bindet die Kinase
universimed.com
| kongress
in ihrer aktiven Konformation) sowie monoklonale Antikörper gegen PDGFRA in
klinischer Erprobung. Im Gegensatz zu
D842V sind die meisten anderen PDGFRMutationen (typischerweise Exon-12-Mutationen) sensitiv gegenüber Imatinib,
Nilotinib oder Sorafenib.
Derzeit wird in einer randomisierten
Phase-III-Studie bei allen potenziell Imatinib-sensitiven GIST der neue KIT-,
PDGFR- und Lyn-Kinaseinhibitor Masitinib mit Imatinib in der Erstlinientherapie verglichen.
Molekulare und pharmakokinetische Basis der erworbenen
Imatinib-Resistenz
Die erworbene Imatinib-Resistenz ist in
den meisten Fällen mit dem Auftreten
der oben erwähnten Sekundärmutationen
in der Kinasedomäne vergesellschaftet.
Klinisch bedeutsam ist, dass diese nicht
notwendigerweise alle Läsionen betreffen
müssen bzw. in verschiedenen Klonen
auch unterschiedliche Sekundärmutationen nachweisbar sein können. Das bedeutet, dass im Gegensatz zur therapienaiven Situation im Rahmen der ImatinibResistenz innerhalb eines Patienten eine
oft beträchtliche Heterogenität an Sekundärmutationen bestehen kann, und erklärt das klinisch oft unterschiedliche
Progressionsmuster bei Imatinib-Resistenz: Ein mixed response wird ebenso beobachtet wie eine auf eine (oder wenige)
Läsionen beschränkte Krankheitsprogression (limited progression, focal progression u.a. als nodule within a mass;
Abb. 1) oder aber auch ein generalisierter Krankheitsprogress.
Bislang nicht in ausreichend großen Studien untersucht ist, ob eine Rebiopsie und
dann eine an das Mutationsspektrum angepasste Zweitlinientherapie (siehe unten)
sinnvoll sind. Darüber hinaus scheinen
Patienten mit fokaler oder limitierter
Krankheitsprogredienz in retrospektiven
Serien von einer Lokaltherapie (chirurgisch oder mittels Radiofrequenzablation),
unter Umständen unter Beibehaltung der
Imatinib-Therapie, zu profitieren. Dementsprechend ist das therapeutische Vorgehen in dieser Krankheitssituation individualisiert und interdisziplinär zu planen.
Differenzialdiagnostisch ist unter laufender Therapie mit Tyrosinkinaseinhibitoren immer auch an eine Pseudoprogresuniversimed.com
A
B
C
Abb. 1: „Nodule within a mass“ Progression. CT Bilder (obere Reihe) und PET Aufnahmen (untere
Reihe) eines primär hepatal metastasierten GIST vor Imatinibtherapie (links), in Remission unter Imatinib (Mitte) und fokale („nodule within a mass“) Krankheitsprogredienz (rechts) unter fortlaufender
Therapie mit Imatinib. (modifiziert nach: Shankar S et al, Radiology 2005)
A
B
C
Abb. 2: Pseudoprogression unter Imatinib-Therapie. Demaskierung der Größenausdehnung präexistenter Lebermetastasen vor Imatinib-Therapie (A), nach 8 Wochen (B) und 16 Wochen (C) Therapie
mit Imatinib (modifiziert nach: Demetri GD et al, J Natl Compr Cancer Netw 2007)
sion durch Demaskierung präexistenter
Metastasen zu denken (Abb. 2). Im Zweifelsfall kann eine Kontrolle mittels PET
(CT) aufschlussreich sein.
Aus molekularer In-vitro-Perspektive sind
Sekundärmutationen der KIT-Exons 13
und 14 (z.B. V654A, T670I) Imatinibresistent, mäßig empfindlich gegenüber
Nilotinib und sensitiv gegenüber Sunitinib, Sorafenib und dessen neuem Analogon Regorafenib. Im Gegensatz dazu weisen Mutationen der KIT-Exons 17 und
18 ein komplexeres Resistenzprofil auf:
Mutationen an der Aminosäureposition
816 (z.B. D816A/G/H/V) sowie Y823D
sind wahrscheinlich gegenüber allen oben
genannten
Inhibitoren
resistent,
D820A/E/G/Y-Mutationen sind wahrscheinlich nur Sorafenib- und Rego-
rafenib-sensitiv, während N822H/K-Mutationen (und A829P) darüber hinaus
noch partiell Imatinib-sensitiv bleiben
(Abb. 3). Aus klinischer Sicht erklärt dies,
warum – neben dem unterschiedlichen
Nebenwirkungsspektrum – in vielen Fällen eine initiale Dosiseskalation von Imatinib gegenüber einem Wechsel auf eine
Zweitlinientherapie mit Sunitinib bessere
therapeutische Ergebnisse bringen kann.
Neben den oben erwähnten molekularen
Gründen besteht auch eine pharmakokinetische Rationale für die Dosiseskalation von Imatinib: Aufgrund des Cytochrom-abhängigen (CYP4A4) Metabolismus von Imatinib führen zahlreiche
Arzneimittel oder Nahrungsmittel (z.B.
Grapefruitsaft) bei einer Imatinib-Standarddosis zu subtherapeutischen Plasma95 I
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Hämatologie & Onkologie 5 I 2012
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Abb. 3: Primäre und sekundäre KIT-Mutationen bei GIST. Primärmutationen (links) betreffen in erster Linie die Exons 11 und 9 (kodieren für extrazelluläre
bzw. juxtamembranöse Rezeptordomänen), während die meisten Sekundärmutationen (Mitte) die Kinasedomäne betreffen. Die Abbildung rechts zeigt
das In-vitro-Sensitivitätsprofil häufiger Sekundärmutationen gegenüber Imatinib (IM), Sunitinib (SU), Sorafenib (SOR) und Nilotinib (NIL) (modifiziert nach:
Corless CL et al, Nat Rev Cancer 2011)
spiegeln. Ebenso ist die Resorption von
Imatinib nach Magen(teil)resektionen
vermindert.
Über die Wirkung verschiedener Kinaseinhibitoren bei PDFRA-Sekundärmutationen liegen nur wenige Daten vor.
Zweit- und Drittlinientherapie
bei Imatinib-Resistenz
Die Standardtherapie bei Imatinib-refraktären GIST ist Sunitinib. Die übliche Dosierung (50mg/d über 4 Wochen alle 6
Wochen) muss nebenwirkungsbedingt
(Fatigue, gastrointestinale, kutane und hämatologische Toxizität) häufig auf
37,5mg/d (kontinuierlich) reduziert warden. Sunitinib führt gegenüber Placebo
zu einer signifikanten Verlängerung des
progressionsfreien und des Gesamtüberlebens. In kleineren, nicht randomisierten Studien und Fallserien zeigten auch
Nilotinib, Dasatinib, Masitinib, Sorafenib
und Regorafenib Aktivität bei Imatinibresistenten GIST, sodass diese Substanzen
in erster Linie als mögliche Therapiealternativen bei Sunitinib-Unverträglichkeit
zum Einsatz kommen. In retrospektiven
Subgruppenanalysen profitieren von Sunitinib insbesondere Patienten mit WildI 96
typ- oder KIT-mutierten GIST (Exon 13
> Exon 9 > Exon 11; zusätzlich abhängig
von der Sekundärmutation), während bei
der kleinen Gruppe von PDGFR-mutierten GIST über einen fehlenden klinischen
Benefit berichtet wurde.
Als Drittlinientherapie von Imatinib- und
Sunitinib-resistenten GIST zeigte Regorafenib in der placebokontrollierten, randomisierten GRID-Studie einen signifikanten Vorteil im medianen progressionsfreien Überleben (auch in den größten
Subgruppen der GIST mit primären KITExon-9-Mutationen bzw. -Exon-11-Mutationen). Das Gesamtüberleben war –
wahrscheinlich aufgrund des häufig erfolgten Crossover von Placebo zu Regorafenib bei Krankheitsprogredienz – nicht
verlängert.
AXL und FAK oder des IGF-1-Rezeptors
sowie über Einzelfälle eines klinischen Benefits durch IGF-1-Rezeptorantikörper
bei Imatinib-refraktären GIST berichtet.
Ebenso befinden sich nicht-ATP-analoge
KIT-Kinaseinhibitoren, PI3K-mTOR-Inhibitoren (als Einzelsubstanzen oder in
Kombination mit oben erwähnten Kinaseinhibitoren), BRAF-Inhibitoren (für
BRAF-mutierte Wildtyp-GIST), Hsp90Inhibitoren sowie auch Kombinationen
verschiedener Kinaseinhibitoren in früher
klinischer Erprobung.
■
Autoren:
Univ.-Prof. Dr. Wolfgang J. Köstler
Univ.-Prof. Dr. Thomas Brodowicz
GIST, Bone Tumor &
Therapeutische
Zukunftskonzepte
Soft Tissue Sarcoma Program
Klinische Abteilung für Onkologie
Universitätsklinik für Innere Medizin I &
Neben Sekundärmutationen dürfte eine
Vielzahl weiterer Mechanismen in die Resistenzentwicklung gegenüber oben genannten Kinaseinhibitoren involviert sein.
Beispielsweise wurde vom Verlust der KITund PKCδ-Expression, Überexpression
der zytoplasmatischen Tyrosinkinasen
Comprehensive Cancer Center Vienna –
Musculoskeletal Tumor Unit
Medizinische Universität Wien
Sarcoma Platform Austria
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onk120500
universimed.com
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