Zukunftsstudie 2026

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Zukunftsstudie 2026
Zukunftsstudie 2026
 5
Ein Leitfaden, aber kein Rezeptbuch
Peter Edelmann, Präsident viscom
 6Branchenstrukturanalyse
Dr. Thomas Gsponer, Direktor viscom
10
Die künftige Rolle von Print in der Kommunikation
16
Veränderungen in der Unternehmenskommunikation
22
Die Dynamik des technologischen Fortschritts, Fokus Digitalisierung
30
Individualisierte Massenfertigung in der Printindustrie – Es geht!
36
Privat-, Public- und Hybrid-Cloud – Fluch oder Segen?
42
Die Zukunft mit Printed Electronics
48
Big Data als Chance für die Druckindustrie
56
Marketing als Chance für Printunternehmen
66
Geschäftsfeldentwicklungen für Drucksachendienstleister Logistik, Supply Chain
68
Technologische Herausforderungen und die Globalisierung
74
Geschäftsmodellinnovation als Chance für die grafische Industrie
80
Produkte und Dienstleistungen 2026: Experten-Umfrage
92
Professor Dr. Christian Pieter Hoffmann, Universität Leipzig
Professor Ruedi Alexander Müller-Beyeler, Fachhochschule Chur
Paul Fischer, Chefredaktor viscom p+c
Dr. Eduard Neufeld, Geschäftsführer Fogra
Professor Andreas Sidler, Fachhochschule Yverdon
Professor Dr. Ulrich Moosheimer, Technische Hochschule München
Professor Dr. Reinhard Riedl, Fachhochschule Bern
Professor Martin Blatter, Hochschule Westschweiz
Thomas Wiederkehr, Geschäftsführer IE Graphic Engineering
Beat Kneubühler, Vizedirektor viscom
Florian Hohmann, Universität St. Gallen
Professor Dr. Christian Pieter Hoffmann, Universität Leipzig, Peter Edelmann, Präsident viscom,
Professor Ruedi Alexander Müller-Beyeler, Fachhochschule Chur, Stefano Gazzaniga, Vizedirektor viscom
Kundenbefragung Gegenwart und Zukunft Print
Rudolf Lisibach
Zukunftsstudie 2026
Ein Leitfaden,
aber kein Rezeptbuch
—
Peter Edelmann
Es gehört zum Wesen von uns Menschen, dass wir uns mit der Zukunft befassen.
Dabei tun wir gut daran, nicht zu vergessen, dass Vorhersagen die lästige Eigenschaft
haben, nur selten exakt einzutreffen. Alleine die Dynamik des Fortschritts macht es
unmöglich, die Zukunft weiter als ein Jahrzehnt vorherzusagen.
Umgekehrt ist es für uns aber auch schlicht unmöglich, Unvorhersehbares vorherzu­
sehen. Oder haben Sie um die Jahrtausendwende etwa damit gerechnet, dass 2016 jeder
vierte Mensch auf dieser Erde soziale Netzwerke nutzt? Und hätten Sie es damals für
möglich gehalten, dass Sie Ihr mobiles Telefon dereinst nicht nur für Ferngespräche
nutzen würden, sondern abseits Ihres Büros auch für das Herunterladen von Daten aus
fremden Computern? Wenn man überhaupt etwas mit Gewissheit über die Zukunft
sagen kann, dann nur, dass sie uns überraschen wird.
Macht unter dieser Prämisse eine Zukunftsstudie über die grafische Industrie der
Schweiz überhaupt Sinn? Warum leistet sich viscom diesen Aufwand?
Die Zukunft unserer Branche wird durch wesentliche Faktoren geprägt: Einerseits
wird uns die Strukturkrise weiter beschäftigen und andererseits fordern uns die vierte
industrielle Revolution sowie andere sozioökonomische und demografische Einflüsse
in den kommenden Jahren stark heraus. In diesen turbulenten Zeiten sehen wir es als
Aufgabe des Verbandes an, unseren Mitgliedern eine Orientierungshilfe zu bieten.
Wir haben deshalb namhafte Persönlichkeiten aus den Disziplinen Marketing, Technolo­
gie und Wissenschaft beauftragt, sich mit der Zukunft unserer Branche auseinander­
zusetzen.
Das Ergebnis ist die vorliegende Zukunftsstudie. Sie ist kein Rezeptbuch, sondern sie
ist als Leitfaden für Anregungen zur Zukunftsbewältigung zu verstehen. Entscheidend
ist und bleibt, dass sich die Unternehmen nicht durch die Zukunft überraschen lassen,
sondern den Mut aufbringen, selber Neues auszuprobieren. Dies im Bewusstsein, dass es
Fortschritt und Innovation – die letztlich massgebenden Garanten für nachhaltigen
Erfolg – nur zum Preis einer mehr oder weniger grossen Unvorhersehbarkeit gibt.
Ich wünsche Ihnen eine inspirierende Lektüre!
Peter Edelmann
5
6
Branchenstrukturanalyse
—
Thomas Gsponer
Vorbemerkungen
Seit dem Jahrtausendwechsel ist die reale Wert­
schöpfung der grafischen Industrie in der Schweiz
um 30 Prozent gesunken und seit dem Jahr 2011
weist die Branche jedes Jahr negative Wachstums­
zahlen in der Grössenordnung zwischen -0,5 und
7,5 Prozent aus (vgl. Abbildung 1). Diese Negativ­
entwicklung widerspiegelt sich in einem Rückgang
der Beschäftigung und einer rasanten Abnahme
der in der Branche tätigen Unternehmen.
schen Industrie. Hierbei handelt es sich um eine
Momentaufnahme, die allerdings die Wettbewerbs­
dynamik und die mit ihr verbundenen Veränderun­
gen modellbedingt nur unscharf erfassen wird.
Das Fünf-Kräfte-Modell als Basis für eine Bran­
chenstrukturanalyse stellt die Marktstruktur in
den Mittelpunkt und geht von der Annahme aus,
dass die Attraktivität einer Branche durch die
Ausprägung der nachfolgenden fünf Wettbewerbs­
kräfte bestimmt wird:
Die Branche leidet im Vergleich zum Ausland unter
komparativen Kostennachteilen, die den Werkplatz
Schweiz allgemein gefährden, und zollt zugleich
Tribut für eine rasant fortschreitende Strukturkri­
se, die die gesamte europäische Druckindustrie
erfasst hat. Die technologische Revolution in der
Kommunikationsindustrie hat das Medienkonsum­
verhalten fundamental verändert und drängt die
grafische Industrie mit ihren Produkten und Dienst­
leistungen in eine neue Rolle. Printprodukte werden
crossmedial eingesetzt und müssen im Schweizer
Markt zugleich hohen Qualitätsansprüchen ent­
sprechen. Schweizer Printbuyer beschaffen Druck­
erzeugnisse auf einem offenen, auch internationa­
len Markt mit einem sinkenden Preisniveau.
– R ivalität unter den bestehenden Wettbewerbern
innerhalb einer Branche
– Bedrohung durch neue Anbieter
– Verhandlungsstärke der Lieferanten
– Verhandlungsstärke der Abnehmer
– Bedrohung durch Ersatzprodukte
Der internationale Preiswettbewerb prägt den
Schweizer Printmarkt und fordert von den Unter­
nehmen eine hohe Innovations- und Investitions­
fähigkeit. Das bei Schweizer Unternehmen stark
ausgeprägte Technologiebewusstsein verbunden
mit einer grossen technischen Fachkompetenz auf
der Ebene der Mitarbeitenden dürfte sich im Sog
einer zunehmenden Digitalisierung und Automa­
tisierung der Druckindustrie als Marktchance für
die Schweizer Unternehmen erweisen. Allerdings
ist die Branche bei einem tendenziell sinkenden
Marktvolumen für Printprodukte auf noch attrakti­
vere wirtschaftliche Rahmenbedingungen und ein
zusätzliches Produktivitätswachstum angewiesen.
Wettbewerbssituation
In der Schweiz ist der Markt der grafischen Indus­
trie gekennzeichnet durch einen intensiven Wett­
bewerb. In der Branche sind rund 1000 Unterneh­
men tätig (vgl. Abbildung 2), die über ähnliche
Produktionsmittel verfügen und mit vergleichbaren
Produkten und Dienstleistungen auf dem Markt
auftreten. Seit Jahren weist die Branche ein Nega­
tivwachstum auf, was den Wettbewerbsdruck unter
den Anbietern stetig ansteigen lässt. Investitionen
in neue, leistungsfähige Produktionsmittel bedin­
gen zusätzliche Produktionskapazitäten und för­
dern den Preiswettbewerb bei einem sinkenden
Marktvolumen. Auf Grund der hohen Branchenka­
pitalisierung bestehen relativ hohe Marktaustritts­
barrieren, was den Konkurrenzkampf unter den
bestehenden Wettbewerbern permanent antreibt.
Fünf-Kräfte-Modell gemäss Porter
Das Fünf-Kräfte-Modell von Porter dient nachfol­
gend als methodische Grundlage zur Bewertung der
Wettbewerbsfähigkeit der schweizerischen grafi­
Je stärker die Bedrohung durch die fünf Wettbe­
werbskräfte ist, desto unattraktiver ist eine Bran­
che und desto schwieriger ist es für die Branchenun­
ternehmen, einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil
zu erzielen. Branchenunternehmen sind gefordert,
eine Marktposition aufzubauen, die es erlaubt, die
fünf Wettbewerbskräfte zum Vorteil der eigenen
Wettbewerbsposition zu nutzen.
Entwicklung reale Bruttowertschöpfung grafische Industrie
Quelle: BAK Basel Economics/Beitrag zur Wertschöpfungsentwicklung in Prozenpunkten
Abb. 1
Marktzugang
Der Schweizer Printmarkt kennt zwar niedrige
Zugangsbarrieren, aber zu Firmenneugründungen
und damit zu zusätzlichen Wettbewerbsteilneh­
mern kommt es auf dem Printmarkt eher selten.
Neue inländische Anbieter treten vor allem im
Digitaldruck auf. Mit neuen Produktionskapazitä­
ten reagieren primär bestehende Unternehmen bei
Ersatz-, Erneuerungs- und Erweiterungsinvestitio­
nen auf das Erfordernis, die Unternehmensproduk­
tivität dem veränderten Marktumfeld und den tech­
nologischen Möglichkeiten anzupassen. Bei einer
sinkenden Gesamtnachfrage nach Printprodukten
in der Schweiz erhöhen sie damit aber den Wettbe­
werbsdruck unter den Anbietern. Der Schweizer
Printmarkt wird international beworben (vgl. Abbil­
dung 3). Die offenen Grenzen und das vorherrschen­
de Preisniveau machen den Schweizer Markt für
ausländische Produzenten interessant. Neue aus­
ländische Anbieter drängen deshalb, gestützt von
Wechselkursvorteilen und Förderprogrammen, auf
den Schweizer Markt. Sie profitieren im Vergleich
zu den Schweizer Unternehmen von tieferen Pro­
duktionskosten (Lohnkosten, Betriebsmittel, Sub­
ventionen etc.) und bedrohen die inländischen
Anbieter. Angesichts ihrer Grösse nutzen ausländi­
sche Unternehmen mögliche Skaleneffekte auf dem
Schweizer Markt aus und begünstigen eine Verlage­
rung der Nachfrage ins Ausland, was den Wettbe­
werb auf dem schrumpfenden Binnenmarkt unter
den Schweizer Produzenten zusätzlich stimuliert.
Zulieferindustrie
Die grafische Industrie steht einer starken Zuliefer­
industrie gegenüber. Diese zeichnet sich durch eine
grosse Innovationskraft aus. Neue Technologien,
Produktionsverfahren und Betriebsmittel, die von
der Zulieferindustrie entwickelt werden, charakte­
risieren die Innovationsprozesse in der grafischen
Industrie. Innovative Systeme und Technologien
werden auf dem Schweizer Markt sehr oft als Welt­
neuheiten eingeführt und getestet. Im Vergleich
zum grenznahen Ausland bewegen sich die
Beschaffungspreise für die schweizerische grafi­
sche Industrie, je nach Betriebsmittel, zwischen
5 und 25 Prozent über den europäischen Beschaf­
fungspreisen. Diese Diskrepanz lässt sich einerseits
mit der Grösse und der Fragmentierung des Schwei­
zer Marktes, den Logistikkosten, den spezifischen
Kundenbedürfnissen und den höheren Schweizer
Standortkosten erklären und ist andererseits die
Folge des geltenden schweizerischen Wettbewerbs­
rechts, das Parallelimporte für KMU mit hohen
administrativen Hindernissen verknüpft. Die Bran­
chenunternehmen können in der Schweiz zwischen
mehreren Lieferanten auswählen. Die Beschaf­
fungskosten variieren unter den Branchenunter­
nehmen und stehen in Relation zur Grösse und zur
7
8
Betriebszählung
Quelle Zahlen bis 2011: Betriebszählung des Bundesamtes für Statistik
Quelle Zahlen ab 2013: Berufsbildungsfonds der grafischen Branche
Abb. 2
Beschaffungsstrategie der einzelnen Unternehmen.
Die Marktmacht der Zulieferindustrie ist trotz eines
lückenhaften Importregimes kein entscheidender
Wettbewerbsnachteil für die Schweizer Produzen­
ten im Printmarkt. Im Gegenteil, die Schweizern
können von den positiven Spillovers der Zuliefer­
industrie einen Marktvorteil erkämpfen.
offen, die von tieferen Produktionskosten und von
einem höheren schweizerischen Preisniveau für
Printprodukte profitieren, also im Vergleich zu den
Schweizer Anbietern über Margenspielraum ver­
handeln können. Die Printbuyer kennen die ange­
spannte Markt- und Preissituation und wissen diese
Marktkenntnisse zu ihren Gunsten auszulegen. Vor
allem bei standardisierten und undifferenzierten
Produkten, die eine hohe Preiselastizität aufweisen,
herrscht unter der Fuchtel eines stetig anschwellen­
den Importdrucks ein rigoroser Preiswettbewerb.
Der Kunde ist gegenüber dem Produzenten auf dem
Schweizer Printmarkt in einer günstigeren Position.
Es handelt sich beim Schweizer Printmarkt um
einen klassischen Käufermarkt.
Kundensituation
Die Printbuyer verfügen in der Schweiz über eine
hohe Marktmacht. Der Schweizer Printmarkt leidet
aus Produzentensicht unter Überkapazitäten und
einer ungenügenden Auslastung bei einem sinken­
den Marktvolumen. Der Schweizer Markt steht, wie
bereits umschrieben, ausländischen Printanbietern
Aussenhandel von Druckerzeugnissen
Quelle: Eidg. Zollverwaltung
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015
Ausfuhr
875.96
942.78
775.13
686.73
602.45
528.20
521.45
478.99
413.09
Veränderung gegenüber Vorjahr in %
1.60
7.60
–17.80
–11.40
–12.30
–12.30
–1.30
–8.10
–13.80
Einfuhr
2186.59
2174.50
1936.67
1853.26
1746.80
1737.64
1713.04
1671.50
1506.88
Veränderung gegenüber Vorjahr in %
0.50
–0.60
–10.90
–4.30
–5.70
–0.50
–1.40
–2.40
–9.80
Handelsbilanzsaldo
–1310.63
–1231.72
–1161.54
–1166.53
–1144.36
–1209.44
–1191.59
–1192.51
–1093.78
Abb. 3
Entwicklung der Netto-Werbeumsätze 2010–2015
Quelle: Stiftung Werbestatistik Schweiz
2010
2011
2012
2013
2014
2015
Netto-Werbeumsätze Schweiz (in Mio. CHF gerundet)
4230
4338
4246 **)
4161
5346 **)
5210
Presse
2001
2004
1783
1615
1535
1436
Tages-, regionale Wochen-, Sonntagspresse
1341
1337
1154
1032
978
898
Publikums-, Finanz- und Wirtschaftspresse
425
424
400
367
350
342
Spezialpresse
126
125
118
112
107
99
Fachpresse
108
118
111
104
100
97
Elektronische Medien
839
914
904
936
1489**)
1501
Fernsehen (inkl. Sponsoring)
669
745
726
749
772
749
Radio (inkl. Sponsoring)
135
139
147
157
150
143
Kino
28
24
26
26
28
34
Teletext
7
6
5
4
3
3
Online
*)
*)
*)
*)
535
572
Übrige Medien
1390
1420
1559**)
1610
2321**)
2273
Aussenwerbung
371
403
423
422
433
449
Adressverzeichnisse (gedruckt)
*)
*)
119
102
96
85
Direktwerbung
1019
1017
1017
1086
1059
1047
Werbe- und Promotionsartikel
*)
*)
*)
*)
734
692
Abb. 4 *) keine Daten vorhanden **) Daten sind nicht mit dem Vorjahr vergleichbar
Substitutionseffekte
Print wird unlängst crossmedial eingesetzt. Reine
Printkampagnen bilden heute die Ausnahme. Print
wird aus der Sicht des Printbuyers dort eingesetzt,
wo die grösste Wirkung bzw. der grösste Nutzen
erwartet wird. Zweifelsohne hat Print gegenüber
den Online-Medien, wie Studien im Bereich des Neu­
romarketings beweisen, gewichtige Vorteile zu bie­
ten. Nichtsdestotrotz sinkt in der Schweiz auf Grund
von Substitutionseffekten das Marktvolumen für
Printprodukte (vgl. Abbildung 4). Internet und Soci­
al Media verdrängen Printprodukte oder lassen die
Auflagen für Print schrumpfen. Das veränderte
Medienkonsumverhalten wird den laufenden Struk­
turanpassungsprozess in der Schweizer Printindus­
trie beschleunigen und die Innovationsbereitschaft
sowie die Wettbewerbsfähigkeit der Printindustrie
vor eine harte internationale Probe stellen.
Gesamtbewertung der Branchensituation
Die Schweizerische grafische Industrie hat in den
vergangenen zwei Jahrzenten nicht nur gesamt­
wirtschaftlich ein Bedeutung verloren. Die Branche
hat auf Grund der strukturellen Veränderungen,
wie aus der Fünf-Kräfte-Branchenanalyse ersicht­
lich ist, generell an Attraktivität eingebüsst. Dieses
düstere Branchenbild lässt sich glücklicherweise
nicht auf einzelne Unternehmen übertragen. In
der Schweizer Printindustrie sind mehrere Hundert
erfolgreich positionierte Unternehmen tätig, die auf
Grund ihres Geschäftsmodells die Wettbewerbs­
kräfte in der Branche und am Standort Schweiz zu
nutzen wissen und auf den fortschreitenden Struk­
turwandel adäquate Antworten geben. Die hohe
Investitionsneigung bei den Schweizer Printunter­
nehmen und die Innovationsstärke der Zuliefer­
industrie werden die angelaufene Digitalisierung,
Automatisation, Integration und Vernetzung der
Schweizer Printindustrie erfolgreich vorantreiben
und die Wettbewerbsfähigkeit im internationalen
Vergleich hoch halten lassen. Share Economy
und Kooperationen werden sich auch auf dem über­
sichtlichen Schweizer Printmarkt zu einem strate­
gischen Erfolgsfaktor für Printunternehmen
entwickeln und als Katalysatoren für höhere
Skalenerträge sowie eine verbesserte Unterneh­
mensproduktivität wirken. Mitgetragen wird die
erfolgreiche Branchenentwicklung durch einen leis­
tungsfähigen Branchenverband, der die kollektive
Intelligenz und die Stärkung des Sozialkapitals
(Werte, Verhalten und Vertrauen) gezielt fördert
und damit den Branchenunternehmen hilft, in der
Dynamik der Marktkräfte auf dem Schweizer Print­
markt die Segel für eine positive Entwicklung
richtig zu setzen.
9
10
Die künftige Rolle
von Print in der Kommunikation
—
Christian P. Hoffmann
Medien- und gesellschaftlicher Wandel
Die wirtschaftlichen und sozialen Umbrüche, die
mit der Digitalisierung einhergehen, rufen uns die
Bedeutung von Medien in einer Gesellschaft ins
Bewusstsein. Medien sind die Grundlage, die Infra­
struktur des gesellschaftlichen Austausches, unse­
rer Information, Meinungsbildung, Koordination
und Arbeitsteilung. Medien ermöglichen es uns, mit
mehr als nur dem persönlichen Umfeld zu kommu­
nizieren. Sie konstituieren das, was wir als «Öffent­
lichkeit» begreifen – sei es eine Fachöffentlichkeit,
eine lokale, nationale oder gar internationale
Öffentlichkeit.
Ein medientechnologischer Wandel hinterlässt
darum immer tiefgreifende Spuren in einer Gesell­
schaft. So war die Entwicklung des Buchdrucks eine
Voraussetzung für die Demokratisierung des Wes­
tens, die Herausbildung von Parteien, die Alphabe­
tisierung der Bevölkerung, die Entwicklung eines
bürgerlichen Bewusstseins. Der Rundfunk
schweisste die Massengesellschaft zusammen
und wurde von findigen Propagandisten schnell
auch für die Desinformation der Massen miss­
braucht. Rundfunksendungen bewegen bis heute
ganze Nationen – von Präsidentschaftsdebatten
über Hit-Serien bis Sportgrossereignisse.
Kein Wunder also, dass die Digitalisierung viel
Gewohntes erschüttert und hinterfragt. Zeitungen
sterben und Verlage fusionieren, lineare Rundfunk­
programme verlieren an Bindung und die Nutzer
wählen immer gezielter und selektiver ihre mass­
geschneiderte Mediendiät – wann, wie und wo sie es
wollen. Ohne Übertreibung kann heute festgestellt
werden, dass sich das Internet als das Leitmedium
unserer Gesellschaft etabliert hat. Schon 2012 führ­
ten wir eine Befragung unter 1500 Deutschen
durch, in der die Bedeutung der Mediengattung für
unterschiedliche Zwecke beleuchtet wurde. Für fast
90% der Befragten war schon damals das Internet
das wichtigste Medium für die Erfüllung beruflicher
Aufgaben. Je ein Drittel nannten Internet und TV
als das für sie wichtigste News-Medium. Und für
über 60% war das Internet das wichtigste Medium,
um vertiefende Informationen zu erhalten – hier
erreichte übrigens die Zeitung mit 24% ihren besten
Wert.
Der Begriff der Konvergenz beschreibt treffend,
wie das Internet zentrale Funktionalitäten der frü­
heren Mediengattungen in sich aufsaugt – News,
Unterhaltung, Arbeit, Information. Unvermeidlich
wirft das die Frage auf: Welchen Zweck erfüllen
dann eigentlich noch die «alten» Medien, insbeson­
dere Print? Wird es sie schon bald nicht mehr
geben? Wird also die gesellschaftliche Kommuni­
kation vollständig digital? Oder bleiben Nischen,
in denen sich auch die guten alten Medien auf
absehbare Zeit erhalten können? Wenn ja, welche
Nischen könnten das sein?
Erkenntnisse
der Medienwirkungsforschung
Aufschluss über diese Fragen kann nicht zuletzt
die Medienwirkungsforschung geben. Denn wenn
Print-Medien tatsächlich anders konsumiert wer­
den und/oder anders wirken als digitale Medien,
dann bleibt ihnen eine Marktlücke gewiss. Frühere
Studien konzentrierten sich naturgemäss vor allem
auf den Vergleich von Print- und Rundfunkforma­
ten – meist mit dem Ergebnis, dass audiovisuelle
Medien stärkere Wirkungen entfalten. Videoforma­
te fesseln demnach die Aufmerksamkeit des Publi­
kums effektiver, sprechen neben kognitiven auch
affektive Verarbeitungsprozesse an und bleiben
daher stärker im Gedächtnis haften.
Diese Erkenntnis ist wenig überraschend. Wer
einmal erlebt hat, wie herumtobende Kinder auf
Knopfdruck in gebannte Stille verfallen, sobald der
Fernseher angeschaltet wird, kennt die Aufmerk­
samkeitsvorteile dieses Mediums. Auch im Social
Web gilt das Video als ein «Muss» für das Anlocken
und vor allem auch die Binden des Publikums. Doch
die Nachteile der visuellen Medien gegenüber den
audiovisuellen sind nicht neu, sie werden im Zeit­
alter der Digitalisierung nur befeuert durch die
leichtere Verfügbarkeit von Videoformaten.
Teilweise kompensieren können Printmedien ihre
Schwäche allenfalls durch eine sinnvolle Verbin­
dung von Text und Bild. Denn auch die kongruente
Nutzung von Text und Bild ist förderlich für die
Intensität und Dauer von Kommunikationswirkun­
gen (Walma van der Molen & van der Hoort, 2000).
Das Online-Spiel wirkte dabei so fesselnd, dass die
beworbene Marke kaum wahrgenommen wurde.
Auch auf der Website wirkte das Werbeumfeld
ablenkend. Die Print-Anzeige wurde dagegen durch
das Print-Umfeld weniger intensiv konkurrenziert
und blieb daher eher im Gedächtnis (Huh et al.,
2015). Auf den Punkt gebracht könnte man also
die Stärke des Prints beschreiben mit: «In der Ruhe
liegt die Kraft.»
Von besonderem Interesse sind solche Erkenntnisse
nicht zuletzt im Werbemarkt, wo Konsumenten im
Idealfall zu einem Kauf angeregt werden sollen.
Eine Studie der University of Minnesota verglich
jüngst im Rahmen eines Experiments die Wirkun­
gen einer Medikamentenwerbung in drei Medien­
formen: Print, Website und Online-Spiel («Adver­
game»). Kurzfristig schnitt dabei die Print-Werbung
am besten ab – Inhalt und Marke erzielten hier die
besten Erinnerungswerte. Die Autoren erklären dies
mit den begrenzten kognitiven Kapazitäten der Ziel­
gruppen – einfacher gesagt: mit der begrenzten
Energie, die wir für die Aufnahme und Speicherung
von Informationen aufzuwenden bereit sind.
Wenn schon kein Bewegtbild und Ton, so verfügt
Print also vielleicht zumindest über Stärken in
der Vermittlung von Text (und Bild). Auch diese
Frage beschäftigt die Forschung und so vergleichen
verschiedene Analysen das Lesen von Print oder
am Bildschirm. In einem schulischen Kontext
untersuchte etwa eine norwegische Studie die
Lesewirkung eines Textes, der Schülern entweder
ausgedruckt oder als PDF am Bildschirm präsentiert
wurde. Das Ergebnis war eindeutig: Schüler, die
den gedruckten Text lasen, konnten dessen Inhalt
deutlich zuverlässiger wiedergeben also solche,
die den Text über einen Bildschirm aufnehmen
mussten (Mangen et al., 2013).
11
12
leseunfreundlicher oder ablenkender, sie signali­
sieren uns, dass es sich um eine weniger ernsthafte
Form der Informationsvermittlung handelt. Um
also durch Lesen auf Papier und am Bildschirm
identische Effekte zu erzielen, müssten wir unsere
Einstellung gegenüber dem Bildschirm verändern.
Forscher sprechen hier auch von «Metakognition»,
also dem Verfolgen klarer Ziele, wiederholtes Lesen
bei Nichtverständnis, Selbstkontrolle im Verständ­
nisfortschritt.
Verschiedene Erklärungen für dieses Ergebnis
bieten sich an: Einerseits ist das Lesen am PC-Bild­
schirm bekanntlich ermüdender – Flickern und
suboptimale Beleuchtung spielen etwa eine Rolle.
Hardware-Hersteller befinden sich daher in einem
Innovationswettlauf mit dem Ziel der Entwicklung
immer höher aufgelöster oder indirekt beleuchteter
Bildschirme. Aktuelle E-Reader-Modelle kommen
im Lesekomfort dem Print tatsächlich sehr nahe.
Zum Zweiten erlaubt das Printprodukt aber auch
eine sehr individuelle Aneignung: Blättern, Sprin­
gen, Wiederholen. Das Lesen von Buchstaben
ähnelt kognitiv dem Aneignen eines physischen
Objekts. Bewegung und Perspektivwechsel sind
daher hilfreich. Das Auf- und Ab-Scrollen eines
PDF-Dokuments kann hier kaum mithalten.
Doch auch hier befinden sich responsive Darstell­
ungen in einem Aufholprozess.
Schliesslich bleibt die Feststellung: Das Lesen an
einem Bildschirm ist eingebettet in ablenkende
Signale, welche die Aufnahme und Verarbeitung
von Texten erschweren. Ja mehr noch, wir neigen
dazu, das Lesen am Bildschirm a priori mit weniger
Ehrgeiz oder Aufnahmebereitschaft anzugehen
als das Lesen auf Papier. Bildschirme sind nicht nur
Eine gemeinsame Studie der Universitäten Mainz,
Göttingen und Marburg wollte es ganz genau
wissen und analysierte das Lesen auf Papier, am
Tablet-PC und am E-Reader, indem Versuchsteilneh­
mer befragt und in Form eines EEGs sowie durch
Eye-Tracking untersucht wurden. Papier wurde
dabei in aller Regel als die angenehmste Vermitt­
lungsform empfunden, quer durch alle Altersgrup­
pen. Vor allem ältere Teilnehmende fokussierten
und konzentrierten sich weniger auf die auf dem
Tablet-PC präsentierten Inhalte (Kretzschmar
et al., 2013). Die Autoren erklären dies mit den
höheren Kontrastanforderungen beim Lesen im
Alter. Zugleich stellt die Studie jedoch fest, dass
die Erinnerungswerte über die drei untersuchten
Formen hinweg nicht massgeblich abwichen –
auch dies spricht für die Qualitätsgewinne mo­derner Bildschirme.
Nicht alle Abweichungen in der Bequemlichkeits­
einschätzung der Versuchsteilnehmenden scheinen
übrigens physische bzw. kognitive Ursachen zu
haben. Auch solche Leser, deren EEG- und Eye-Tra­
cking-Daten keinen Unterschied zwischen Print
und Bildschirm zeigten, empfanden nach eigener
Aussage das Lesen auf Papier als angenehmer. Dies
spricht dafür, dass auch kulturelle Variablen eine
Rolle spielen – wir reden uns also, vereinfacht
gesagt, eine Überlegenheit des Papiers ein, weil wir
dieses gewohnt sind und möglicherweise mit einer
höherwertigen Leseerfahrung assoziieren. Solche
normativen Vorteile des Papiers verschwinden
zweifellos nicht über Nacht, aber möglicherweise
über Generationen. Experimente zum Lesen auf
Papier und am Bildschirm deuten auch an, dass das
konzentrierte Lesen am Bildschirm erlernt werden
kann – es erfordert eine (andere) Art der Selbstre­
gulierung (Ackerman & Lauterman, 2012).
Kulturelle Einbettung
Evidenz für die kulturelle Verwurzelung und Ver­
haftung (engl. «stickiness») der Print-Medien findet
sich nicht nur in der Medienrezeptionsforschung.
Wenngleich internationale Studien zeigen, dass
die Bürger westlicher Länder immer weniger Zeit in
die Nutzung von Printmedien investieren (insbe­
sondere Zeitungen und Bücher), hinterfragte jüngst
ein israelisches Forscherteam die These vom
Absterben der Printprodukte (Nossek et al., 2015).
Ihre Überlegung: Nicht alle Funktionen der Print­
medien können ohne Weiteres von digitalen Medien
übernommen werden. Tatsächlich fand die Befra­
gung von über 10 000 europäischen Bürgerinnen
und Bürgern heruaus, dass im Durchschnitt etwas
unter 20 Minuten pro Tag in die Lektüre einer physi­
schen Zeitung investiert werden und etwas über
20 Minuten in das Lesen eines physischen Buches.
Mehr als die Hälfte der Befragten gab an, regelmäs­
sig Printme­d ien zu konsumieren.
Die Vorliebe für das gedruckte Medium ist dabei
nicht alleine oder primär eine Frage des Alters –
auch Bildung und Einkommen spielen eine Rolle.
Die Autoren spekulieren, dass gedruckte Qualitäts­
medien ebenso wie gedruckte Bücher eine Signa­
ling-Funktion erfüllen, also den Mitmenschen
einen gehobenen sozialen Status signalisieren.
Die NZZ unter dem Arm oder das Buch in der Hand –
das soll uns zeigen: Hier haben wir es mit einer
gebildeten, intelligenten oder auch ökonomisch
gefestigten Person zu tun. Ganz abgesehen also von
der Bequemlichkeit des Lesens bieten Printmedien
möglicherweise kulturell verankerte Distinktions­
potenziale. Wer was auf sich hält, liest auf Papier.
Die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» bewirbt ihr
Produkt seit Jahren mit dem Slogan: «Dahinter
steckt immer ein kluger Kopf.» Geschickt wird
damit auf den bildenden Charakter, also die inhaltli­
che Qualität der Zeitung angespielt, zugleich setzt
die Kampagne aber beinahe schon schamlos auf die
Distinktionsfunktion der Qualitätszeitung. Im Mar­
keting ist längst bekannt, dass wir bisweilen Pro­
dukte erwerben nicht etwa, weil wir tatsächlich
einen Wunsch nach diesen verspüren, sondern weil
wir soziale Anerkennung beim Kauf des «richtigen»
Produktes erhalten. Neben der Qualität eines
Produkts stellt sich daher immer auch die Frage
nach seiner sozialen Erwünschtheit.
Also Migros 1996 die Billiglinie M-Budget lancierte,
wurden die Produkte bewusst mit grellen und eher
unästhetischen Signalfarben markiert. Wenn der
Kunde schon zum Billigprodukt greift, muss er sich
zumindest der Missbilligung seiner Mitmenschen
aussetzen. (Ironie der Geschichte: Die abschrecken­
de Wirkung dieses Bekenntniszwangs führte
phasenweise dazu, dass vor allem selbstbewusste
Besserverdienende nach den grellgrünen-orang­
farbenenen Packungen griffen.) Vielleicht haben
auch Sie am Kiosk einmal verschämt nach der
NZZ oder dem «Tagesanzeiger» gegriffen, obwohl
Sie doch eigentlich lieber die saftige Schlagzeile
des «Blicks» erkundet hätten?
Kurzum: In der Bewertung von Medienprodukten
spielt nicht alleine deren Qualität eine Rolle –
Bequemlichkeit, Lesefreundlichkeit, Haptik oder
Ästhetik – sondern auch ihre kulturelle Einbettung
und Aufladung. Daraus lassen sich mindestens
zwei bedeutende Stärken der Printmedien ableiten:
Zum einen ihre Fähigkeit, Inhalte in Ruhe, klar
und dem individuellen Leseverhalten angepasst zu
vermitteln, zum anderen ihre kulturell bedingte
Funktion als Statussignal. Basierend auf diesen
komparativen Vorteilen lässt sich abwägen, welche
Rolle Printprodukte im Kommunikationsmix von
Organisationen spielen können. Wann lohnt es sich
also, auf Print statt Digital zu setzen?
Print im Medienmix
Eine einfache Daumenregel könnte lauten:
Für die schnelle Übermittlung übersichtlicher
Informationen wähle digitale Medien für die Ver­
mittlung umfassender oder komplexer Informatio­
nen, gib Print eine Chance. Diese Daumenregel
entspricht den zentralen Erkenntnissen der Medien­
wirkungsforschung hinsichtlich der Vorteile von
Papier gegenüber Bildschirmen. Sie erklärt auch den
beispiellosen Siegeszug der E-Mail, mit der täglich
milliardenfach kurze Updates versandt und einfa­
che Fragen geklärt werden. Andererseits erklärt sie
auch, warum das papierlose Büro bis heute Utopie
geblieben ist – Material, mit dem sich Mitarbeitende
intensiv auseinandersetzen müssen, wird zu oft
noch ausgedruckt.
Eine zweite Daumenregel liesse sich aus den
Überlegungen zur kulturellen Einbettung gedruck­
ter Medien ableiten: Wertvolle und wichtige
Informationen für ein geschätztes Publikum ver­
dienen eine gedruckte Form. Das Überreichen einer
gedruckten Visitenkarte wird vermutlich nicht so
schnell durch die elektronische Signatur ersetzt –
selbst wenn das Papier häufig unmittelbar nach
der Begegnung in den Mülleimer wandert. Die Pro­
duktbroschüre signalisiert dem Kunden: Hier
findest du die relevanten Daten und Fakten. Und:
Gerne wollen wir dir auch noch etwas mitgeben.
Der gedruckte Jahresbericht besagt: Hier stellt
sich unser Unternehmen vor. Und: Wir sind stolz
auf uns und unsere Leistung.
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14
Beide Daumenregeln stehen in einem gewissen
Spannungsverhältnis, denn bei einem aus Prestige­
gründen gedruckten Instrument steht eben nicht
die erfolgreiche Informationsvermittlung im Vor­
dergrund. Oft spielt es sogar keine Rolle, ob das Ins­
trument wirklich angeschaut/gelesen wurde oder
nicht. Es handelt sich um eine Art Metakommuni­
kation, die Aussagen über die Bedeutung eines
Inhalts und/oder die Würdigung einer Beziehung
vermittelt. Ironischerweise ist dennoch gerade hier
die Qualität des Print-Produkts von grosser Bedeu­
tung – je höher die Wertigkeit des Mediums, desto
stärker das signalisierte Prestige. Eine Visitenkarte
aus billigem Papier oder eine schlecht gedruckte
Unternehmensbroschüre wirken kontraproduktiv,
völlig unabhängig davon, wie korrekt oder zuver­
lässig die enthaltenen Inhalte sind.
Aus Sicht des Kommunikationsmanagements
empfiehlt sich nicht zuletzt eine Prozessbetrach­
tung: Welche kommunikativen Berührungspunkte
passieren die Zielgruppen, bis sie dort angelangen,
wo die Kommunikationsstrategie sie gerne hätte?
Der Kommunikationsmix umfasst dann Instru­
mente, die der Gewinnung von Aufmerksamkeit,
ersten Berührungspunkten oder der Kontakt­
aufnahme, der Information und Erklärung, der
Überzeugung, dem Abschluss oder der Bindung
dienen. Häufig springt die Reise (engl. «Journey»)
dabei zwischen Mediengattungen – Website, Print,
Video, Social Media wirken im Idealfall synerge­
tisch. Bei aller Relevanz der Instrumentenwahl
und -gestaltung sollte also nicht vergessen werden,
dass ein Instrument nur als Teil einer guten
Strategie die richtigen Wirkungen entfaltet.
Gelegentlich harmonieren beide Daumenregeln
jedoch auch: Wird etwa vor einem Meeting oder
Workshop eine Tischmappe verteilt, so dient dies
einerseits tatsächlich der Vermittlung von Inhalten
– komplexe Daten und Fakten können auf Papier
nachvollzogen werden, wenn sie in der Power­
Point-Präsentation untergingen. Gleichzeitig stellt
die Mappe aber auch eine Art Begrüssungsgeschenk
dar und signalisiert Anerkennung durch die Mühe
einer individuellen Vorbereitung. Die Bedeutung der
Veranstaltung wie auch der Teilnehmenden wird
so aufgewertet. Ähnlich können auch Broschüren
und Formulare im Vertrieb wirken, wenn diese mit
dem (potenziellen) Kunden durchgesprochen
und anschliessend übergeben werden. Funktion
und Symbolik wirken hier kongruent.
Das systematische Management von Inhalten
und deren multimediale Verbreitung stellen an
Organisationen bisweilen hohe Anforderungen und
erzwingen den Aufbau neuer Kompetenzen.
Sie sind jedoch ein unvermeidliches Resultat des
Medienwandels: Tatsächlich springt die Unter­
nehmens- und Organisationskommunikation im­
mer häufiger in jene Lücken, die das Zeitungsster­
ben und die Krise des Journalismus hinterlassen.
Während Redaktionen schrumpfen, rüsten
PR-­Abteilung auf. Schlagzeilen wir «Content Mar­
keting», «Corporate Publishing» und «Corporate
Journalism» zeigen, wohin die Reise geht: Grosse
Konzerne gleichen heute kleinen Medienhäusern.
Sie verfügen über eine Vielzahl an Medienplatt­
formen, die professionell bespielt werden müssen –
Websites, Social-Media-Präsenzen, Microsites
und Corporate Blogs, Corporate TV/Videos, Kundenund Mitarbeiterzeitschriften, Intranet, Onlineund Print-Geschäftsberichte, Apps, Produktbro­
schüren, Newsletter und und und. Über all diese
Kanäle hinweg spricht das Unternehmen Zielgrup­
pen an, baut Communities auf und pflegt Bezie­
hungen, betreibt Agenda Setting und Storytelling.
Sowohl als auch
Wenngleich so die Stärken oder Nischen der
Printprodukte deutlich werden, führt doch die
Gegenüberstellung von Print und Digital in dieser
Einfachheit in die Irre. Dies beginnt damit, dass
auch Printprodukte ihr Leben als digitale beginnen.
«Digital first» heisst, dass Texte, Bilder und Gra­
phiken digital erstellt, geteilt, bearbeitet und
gesetzt werden, bevor sie gegebenenfalls auf Papier
gebannt werden. Nicht selten leben Inhalte – auf
Denglisch auch «Content» oder «Media Assets» –
ohnehin in beiden Sphären: Für manche Zwecke
und Zielgruppen werden sie gedruckt, gleichzeitig
werden sie jedoch auf Websites, in Blogs oder
Online-Magazinen eingebunden. Das «Digital Media
Asset Management» sammelt die organisational
verfügbaren Inhalte, verwaltet diese, um sie
leicht auffind- und kombinierbar zu halten und so
vielfachen Nutzungszwecken zuzuführen.
Branchenstudien deuten darauf hin, dass Print­
medien in diesem Aufgabenfeld und Instrumenten­
mix auf absehbare Zeit eine wichtige Rolle spielen
werden (ECC, 2013). Eine Herausforderung dabei ist
jedoch die Überbrückung des Medienbruchs, also
der Sprung zwischen Print und Digital. Insbesonde­
re in der Erfolgskontrolle, der Verfolgung der Ziel­
gruppen-«Journey» ist esoft schwierig zu evaluie­
ren, an welcher Stelle ein Printprodukt zum Einsatz
kam – während die digitalen Medien eine unüber­
sichtliche Masse an Nutzungsmetriken ausspucken.
Die Sparsamkeit gebietet, dass Printinstrumente
seltener, weil selektiver dort Einsatz finden,
wo sie wirklich einen Mehrwert bieten. Gleichzeitig
erwartet die Praxis aber, dass gedruckte Instru­
mente in der Tendenz teurer werden, worauf mit
steigenden Budgets reagiert wird.
jektive Wertigkeit von Print kann im Zeitverlauf
abnehmen. Eine postmaterielle Kultur könnte
eine Abneigung gegen physische Instrumente
entwickeln, eine digital vernetzte Kultur empfindet
das Übergeben von Datenträgern möglicherweise
eines Tages als rückständig oder gar unhöflich.
Blick nach vorne
Mark Twain wird der weise Ausspruch zugeschrie­
ben: «Prognosen sind schwierig, besonders wenn
sie die Zukunft betreffen.» Ein so dynamisches
Umfeld wie der gegenwärtige Medienwandel
erschwert die Prognose zudem, da es von einer
techno-sozialen Interdependenz geprägt ist.
Was heisst das? Technologien passen sich dem
Gewünschten und Machbaren an, das Mach- und
Wünschbare wiederum ändert sich in Abhängig­keit von der Technologie. Die hier skizzierten
Vorzüge der Printmedien sind vor diesem Hinter­
grund nicht in Stein gemeisselt. Analog zu den
beschriebenen Daumenregeln sind vor allem zwei
Entwicklungen im Auge zu behalten, um die Rolle
von Printprodukten über die nächsten fünf Jahre
hinaus einschätzen zu können:
Endgültige Entwarnung für den Druck kann also
nicht gegeben werden. Aber wohl doch temporäre.
Auf Sichtweite sprechen die verfügbaren Studien
zur Mediennutzung und -rezeption, aus Psychologie
und Soziologie, und auch moderne Modelle des
strategischen Kommunikationsmanagements im
digitalisierten Medienumfeld für einen vielfältigen
und gezielten Einsatz des gedruckten Wortes
(und Bildes).
Da ist einmal die technologische Entwicklung,
insbesondere der so genannten Schnittstellen (engl.
«Interfaces»). Zu diesen gehören die Bildschirme
digitaler Produkte. Wie beschrieben, werden erheb­
liche Summen in deren Verbesserung investiert.
Mit steigender Qualität (v.a. Auflösung, Kontrast
und Beleuchtung), Nutzer- und Bedienungsfreund­
lichkeit sind die Abnehmer eher bereit, auch um­fassende und komplexe Informationen digital
aufzunehmen. Zu erwarten sind aber auch qualita­
tive Brüche, etwa durch die Entwicklung von
Head-Mounted-Displays, also am Kopf getragener
Ausgabegeräte. Sehr wenig ist bisher bekannt
über die mögliche Aufnahme-/Lesequalität solcher
«Brillen», die virtuelle Räume eröffnen.
Unsere Gesellschaften befinden sich in einem
kollektiven Lernprozess hinsichtlich der angemes­
senen Nutzung digitaler Medien. Es ist daher zum
Zweiten durchaus denkbar, dass wir im Zuge des
technischen Fortschritts unsere Einstellungen
gegenüber Bildschirmen, unseren Umgang mit digi­
talen Inhalten verändern. Eine verbesserte Meta­
kognition, also ein kontrollierteres, gezielteres, auf­
merksameres Aufnehmen von Text am Bildschirm,
wird möglicherweise schon in einigen Schuljahr­
gängen erlernt. Die Kulturtechnik des Lesens passt
sich der Technik an – und damit auch die Kultur.
Denn nicht zuletzt die kulturell verwurzelte sub­
Quellen:
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exams on screen or on paper? A metacognitive analysis of learning texts
under time pressure. Computers in Human Behavior, 28(5), 1816–1828.
EEC E-Commerce-Center Köln (2013). Einsatz und Bedeutung von
Printmedien im Kommunikationsmix – Status quo und crossmediale Trends.
http://www.prinovis.com/wp-content/uploads/2015/07/ECC_Whitepaper_
Printmedien_Juli-2013.pdf (01.09.2016)
Huh, J., Suzuki-Lambrecht, Y., Lueck, J., & Gross, M. (2015).
Presentation matters: Comparison of cognitive effects of DTC prescription
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360–374.
Kretzschmar, F., Pleimling, D., Hosemann, J., Füssel, S.,
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impressions do not mirror online reading efforts: Concurrent EEG-eyetracking evidence from the reading of books and digital media. PLOS ONE,
8(2), online only.
Mangen, A., Walgermo, B. R., & Bronnick, K. (2013). Reading linear
texts on paper versus computer screen: Effects on reading comprehension.
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The state of print media use in Europe. International Journal of Communi­
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Walma van der Molen, J., & Van der Voort, T. H. A. (2012).
Children’s and adults’ recall of television and print news in children’s and
adult news formats. Communication Research, 27(2), 132–160.
15
16
Veränderungen in der
Unternehmenskommunikation
—
Ruedi Alexander Müller-Beyeler
Die Welt ändert sich –
politisch, technisch, gesellschaftlich
Die Erfindung des Buchdrucks hat die mittelalter­
liche Welt neu geordnet. In einem Mass, das wir uns
heute kaum mehr vorstellen können. Denn die Ver­
änderungen, die das gedruckte Buch ausgelöst hat,
sind für uns längst selbstverständlich geworden.
So selbstverständlich, dass man meinen könnte, die
Welt könne anders gar nicht sein. Sie war aber nicht
immer so. Und sie wird wieder anders sein. Erst die
Drucktechnik hat zum Beispiel regionale Sprachund Dialektgemeinschaften gezwungen, sich über­
regional auf gemeinsame Hochsprachen zu einigen.
Standardisierte Sprachen also, die Reichweite mög­
lich machten. Al Gore, ehemaliger Vizepräsident der
USA und Friedensnobelpreisträger, behauptet in
seinem Buch über die Zukunft sogar, die Hochspra­
chen hätten dazu geführt, dass sich zum ersten Mal
überregionales Identitätsempfinden herausbilden
konnte, was schliesslich zur Gründung von Natio­
nalstaaten geführt habe. Der Nationalstaat als mehr
oder minder direkte Folge der Erfindung einer
Maschine, eben der Buchdruckmaschine. Eine ver­
kürzte Sicht, die nicht erklären kann, warum bei­
spielsweise die viersprachige Schweiz eine Nation
ist. Aber sie macht doch anschaulich, wie eine
technische Innovation auf gesellschaftlicher und
politischer Ebene Veränderungen in Bewegung set­
zen kann, die kein Erfinder vorausahnen konnte.
Die Welt heute verändert sich schnell und sicher
mindestens so grundsätzlich wie nach der Erfin­
dung von Gutenbergs Druckmaschine. Und auch
heute ist eine technische Innovation – neben vielen
anderen Faktoren – Auslöser und Taktgeber des
Wandels: Die elektronische Vernetzung der Welt
stellt – wie damals, als Bücher und Zeitungen sich
zu verbreiten begonnen haben – vieles in Frage, was
lange selbstverständlich gewesen ist. Nicht nur
Druckereien verschwinden, ganze Branchen sind
bedroht, ja selbst der Nationalstaat verlierte, seine
im Buchdruck begründete Vormachtstellung als
Folge der neuen, vernetzten Technologien in der
Kommunikation, meint Al Gore. Das «Globale Dorf»,
das Marshall McLuhan schon in den 1960er-Jahren
visionär vorausgesehen hat, wird Realität, auch
wenn wir noch nicht so recht wissen, wie wir uns
darin organisieren und damit leben sollen. Denn
die Technik ist noch sehr jung und bei weitem nicht
ausgereift. Aber so viel können wir schon erkennen:
So wie der Buchdruck zu überregionaler Sprach­
übereinkunft zwang, zwingt uns das Internet und
damit verbundene Apparate auch heute wieder,
neue Formen der Kommunikation zu finden. Und
auch heute werden – diesmal allerdings rund um die
Welt – Veränderungen gesellschaftlicher und politi­
scher Natur mit dem technischen Wandel verbun­
den sein, die wir uns noch nicht vorstellen können.
Auch das Kommunikationsverhalten hat
sich verändert und verändert sich weiter
Wir erleben aber schon heute hautnah, wie sich
innerhalb weniger Jahre das Kommunikationsver­
halten im Kleinen wie im Grossen verändert.
Und weil Menschen schon immer dazu neigten,
Veränderungen abzulehnen, weil dadurch Gewohn­
tes in Frage gestellt oder gar hinfällig wird, liest
und hört man auch viel Kritisches über Facebook,
WhatsApp und Co. So können wir uns beispiels­
weise darüber empören, dass viele junge Menschen
sich auf solchen Kanälen weniger um Sprachnor­
men kümmern, Rechtschreibung vernachlässigen
und in ihren Chat-Räumen Dialekt statt Schriftspra­
che schreiben. Schnell sind wir dann dabei mit
unseren Urteilen über ein marodes Bildungssystem,
faule Kinder und schlechte Lehrer.
Dass Sprache nicht mehr streng genormt als «Hoch­
sprache» geschrieben wird, könnte aber auch ein­
fach ein Indiz dafür sein, dass das gedruckte Buch
nicht mehr das Leitmedium unserer Kultur ist.
Dank der neuen technischen Infrastruktur können
sich im Internetkleinere Sprachgemeinschaften
herausbilden, die keine genormte Übereinkunft
brauchen, um sich verständigen zu können. Nicht
mehr geographisch begrenzt durch Täler und Regio­
nen wie Dialekte vor der Ära Gutenberg, dafür
aber in virtuellen Chatrooms und Facebook-Com­
munities. In den Sozialen Medien wird nicht
nicht mit Blei gesetzt, sondern schnell und flüchtig
in die Tastatur gehackt.
Inhalte manchmal visuell schlüssiger vermit­telt werden. Einfacher als mit geschriebener oder
gesprochener Sprache.
Dass als Folge der globalen Vernetzung gleichzeitig
auch der Bedarf nach einer neuen, im digitalen
Zeitalter weltweiten Verständigungsübereinkunft
wächst, liegt nahe. Aber wird das jetzt eine globale
Hochsprache sein? Eine Weltsprache, vielleicht
Englisch, die rund um die Erde gepflegt wird? Und
kann eine solche Weltsprache, wenn sie für die
meisten Menschen Fremdsprache sein wird, auf
vergleichbar hohem kulturellen und literarischen
Niveau wie die alten Hochsprachen lebendig wer­
den? Oder werden vielleicht Roboter bald einmal
so intelligent und schnell, dass sie als perfekte
Dolmetscher live und synchron zwischen uns
vermitteln, so dass wir uns gar nicht mehr darum
kümmern müssen, welche Sprache unser Gegenüber
schreibt und spricht? – Wir wissen es noch nicht.
Wahrscheinlich aber und schon erkennbar ist,
dass sich eine visuelle Kommunikationskultur
entwickelt. Die Technik macht es zum ersten Mal
in der Geschichte möglich. Und für die globale
Kommunikation hat das Vorteile: Visuell lässt sich
sprach- und in gewissem Mass auch kulturüber­
greifend kommunizieren. Zudem können komplexe
Visuelles wird immer wichtiger,
im Netz und auch im Print
Visuelles wird wichtiger, so viel können wir
ganz sicher schon sehen. Im Netz wie im Print.
Auf YouTube wie in «20Minuten». Für banale
Inhalte genauso wie für anspruchsvolle. Sprache
wird dadurch nicht weniger wichtig, sie lebt nur
anders, wird vielfältiger genutzt in der Kommuni­
kation und eben auch auf sehr vielen unterschie­
dlichen, oft elektronischen Kanälen.
Weniger Sprachverständigung nach den Regeln
des Duden als Folge des World Wide Web bedeutet
also nicht, dass junge Menschen nicht mehr schrei­
ben können. Es bedeutet nur, dass viele nicht mehr
alle Normen einhalten, weil diese nicht mehr
technisch notwendig sind, wie für die Produktion
der Massenmedien Buch und Zeitung. Menschen
können heute in unserer modernen digitalisierten
Welt individueller leben. Und sie tun es auch.
In die eine wie in die andere Richtung. Die einen
lesen vielleicht weniger, andere viel mehr. Ich treffe
in meiner Lehrtätigkeit im Bereich Multimedia
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Und die Nutzer wollen interagieren. Sie wollen
Einfluss nehmen und sei es nur, um selbst bestim­
men zu können, wann und wie lange sie sich einen
Film am Fernsehen ansehen wollen. Kommuni­
kationsrituale verändern sich dadurch. Nach­
richtensprecher beispielsweise versammeln die
Familie nicht mehr vor dem Bildschirm wie der
Geschichten­erzähler den Stamm ums Lagerfeuer.
Dafür steuern heute Kinder mit ihren kleinen
Wischefingern den Verlauf von Spielen und
Geschichten auf Papas Smartphone, noch bevor
sie «Mama» sagen können.
Von oben nach unten funktioniert
nicht mehr: Augenhöhe ist Pflicht in der
Kommunikation
Diese Kinder werden später selbstverständlich
auf jeden Inhalt reagieren und mit dem Absender
interagieren wollen. Denn erst durch Interaktion
wird Kommunikation richtig echte Kommunikation.
Rückkanäle sind deshalb erfolgskritisch geworden,
gerade auch in der Unternehmenskommunikation.
Produzenten und Nutzer von Content sind oft nicht
mehr klar auseinanderzuhalten. Eine Bezeichnung
dafür gibt es auch schon: Prosument. Und der
kommuniziert auf Augenhöhe.
Production beispielsweise immer wieder auf junge
Menschen, die weit belesener und sprachgewandter
sind, als ich es in ihrem Alter war. Es gibt eben in
einer weniger genormten Welt von Vielem mehr und
gleichzeitig weniger vom immer Gleichen. Oder mit
den Worten des deutschen Journalisten Richard
Gutjahr: «Medien in Massen statt Massenmedien.»
Für die Unternehmenskommunikation sind hetero­
gene Zielgruppen eine Herausforderung. Eine von
vielen neuen Herausforderungen. Denn gleichzeitig
mit dem Aufkommen einer Vielfalt an neuer Kom­
munikationstechnik hat die Menge an produzierten
Inhalten bekanntlich exponentiell zugenommen
und nimmt weiter zu. Manchmal könnte man den
Eindruck haben, es gäbe heute bereits mehr Produ­
zenten von Inhalten, als es Empfänger dafür gibt.
Und so landen nicht nur Abermillionen von Selfies
im digitalen Nirgendwo, noch bevor sie ein einziger
Freund geliked hat, sondern auch Abertausende
von Unternehmensmagazinen im Altpapier, noch
bevor die Versandhülle davon entfernt wurde. –
Ja, es wird noch gedruckt, viel sogar, aber wahr­
scheinlich mehr als je zuvor direkt für die Entsor­
gung. Auch deshalb, nämlich um trotzdem noch
Aufmerksamkeit zu bekommen, ist Kommunikation
heute visueller als früher – mehr Bilder, mehr Grafi­
ken und mehr Filme.
Wo früher informiert und propagiert wurde, wer­den heute immer öfter Geschichten ausgetauscht –
multimedial und oft spielerisch. Faktenvermitt­
lung, Storytelling, Gamification und Dialog greifen
ineinander über. Das ist anspruchsvolle Kommuni­
kation, die sich mit der Technik schnell weiterent­
wickelt. Kaum haben wir das Gefühl, Facebook
und Instagram verstanden zu haben, kommt schon
Snapchat, eine multimediale Mischung aus Nach­
richtenkanal und Spiel. Und das ohne Tutorial
für den Kommunikationschef im Unternehmen!
Denn Spielen heisst auch: entdecken.
Das alles macht noch einmal deutlich, dass die
Ziel- oder Anspruchsgruppen von Unternehmen
nicht mehr normierte Massen sind, die demogra­
phisch beschrieben und mit einheitlichen psycho­
logischen Tricks und genormter Sprache zum
Konsum verführt werden können. Die Anspruchs­
gruppen sind heterogener geworden und können
oft nicht mehr mit einer einzigen, für alle gültigen
Werbebotschaft­en abgeholt werden. Auch wenn es
den Customer Insight im besseren Fall noch gibt,
erwarten Nutzer, dass sie in ihrer Sprache ange­
sprochen werden und wollen den Dialog als Gleich­
berechtigte führen. Deshalb erfüllt klassische
Werbung in Print, Radio, Fernsehen und online
ihren Zweck nicht mehr immer und nicht mehr im
gleichen Ausmass wie im 20. Jahrhundert. Das
bekommen dann auch die klassischen Medienhäu­
ser zu spüren.
Aber nicht nur die Geschäftsmodelle der klassi­
schen Medienbranche – Zeitungen, Zeitschriften,
Radio und Fernsehen – sind bedroht, Unternehmen
aller Wirtschaftszweige stehen vor neuen Heraus­
forderungen, wie sie ihr Zielpublikum noch errei­
chen können. Es gibt sie natürlich immer noch, die
klassische Anzeigenwerbung im Print, im Fernse­
hen und im Netz als Banner. Und dahinter die
raffinierte Beeinflussung der öffentlichen Meinung
durch PR der Unternehmen. Aber so einfach und
elegant funktionieren sie nicht mehr und vor allem
nicht mehr immer. Gerade Corporate Publishing,
gedruckte und elektronische Unternehmensmaga­
zine,stehen im harten Kampf um Aufmerksamkeit,
die knapp und deshalb wertvoll geworden ist.
Mit «Brand Journalism»
die Zielgruppen emotionalisieren
Der Königsweg, so liest man jetzt oft, heisst «Brand
Journalism». Ein zynisch anmutender Begriff, war
doch Journalismus im 20. Jahrhundert die unab­
hängige vierte Gewalt im Staat, die mit dafür ver­
antwortlich war, dass Demokratie in der westlichen
Welt funktionieren konnte. Unabhängig aber ist
Unternehmenskommunikation nie. Gemeint ist des­
halb mit «Brand Journalism» nicht Journalismus,
gemeint ist Kommunikation, die sich des gleichen
Handwerks bedient, wie es echter Journalismus
schon immer getan hat: Kommunizieren mittels
Geschichten und im Kontext des Geschehens im
und um das Unternehmen. Im Unterschied zur Wer­
bung spielen in solcher Kommunikation vorder­
gründig das Unternehmen und seine Produkte oft
nur noch als Absender im Abspann eine Rolle. Die
Verbindung zwischen der Geschichte und dem
Unternehmensangebot soll der Nutzer im Idealfall
selbst herstellen und so eine emotionale Bindung
zum Unternehmen entwickeln. Denn wichtiger als
Hardselling ist für ein Unternehmen heute, die
Menschen emotional zu berühren. Zum Beispiel
mit einer Geschichte, die erzählt, wie eine Mutter
in Mumbai eine Mahlzeit zubereitet im Glauben, die­
ser mütterliche Liebesbeweis werde zu ihrem Sohn,
derseit vielen Jahren fern seiner Heimat arbeitet,
nach New York geflogen werden. Und wie man dann
als Zuschauer miterlebt, wie eben dieser junge
Mann in Mumbai aus dem Flugzeug steigt und sei­
ner Mutter von Angesicht zu Angesicht begegnen
darf. Bei einer solchen Geschichte bleibt kaum
ein Auge trocken. Und der Zuschauer ist noch
ganz benommen, wenn er ganz am Ende des Films
erfährt: Das alles konnte nur geschehen dank
British Airways, die dem jungen Mann den Flug
ermöglicht hatte.
Die Unternehmenskommunikation
wird umstrukturiert und neu organisiert
Die Verwandtschaft dieser neuen, erzählerischen
Form von Unternehmenskommunikation mit ech­
tem Journalismus ist offensichtlich, liegt aber tat­
sächlich nicht nur beim Handwerk alleine – der Art
des Schreibens, Filmens und Vertonens. Sie liegt
auch in der Art, wie Themen gesucht, recherchiert,
in Bezug gesetzt und zu Geschichten aufbereitet
werden. Es ist redaktionelle Arbeit, wie sie früher
nur Journalisten in Medienhäusern kannten.
Und diese Art von redaktionellem Arbeiten unter­
scheidet sich fundamental von PR und Werbung.
Während werbliche Botschaften gut in hierar­
chischen Strukturen konzipiert und produziert
werden können, funktioniert eine Redaktion nur
in flachen Strukturen, mit viel freiem Entschei­
dungs- und Handlungsraum für die Produzenten.
Nicht nur muss deshalb das Unternehmen mit
heterogenen externen Zielgruppen auf Augenhöhe
kommunizieren lernen, auch intern im Unterneh­
men ist, wenn redaktionell gearbeitet werden soll,
nicht mehr Befehlsausgabe von oben nach unten
angesagt. Vom CEO über den CCO zu den Kommuni­
kations- und Marketingfachleuten. Moderne Unter­
nehmenskommunikation verlangt vielmehr ein
hohes Mass an Unabhängigkeit einer Redaktion:
Welche Themen sie aufgreift, wie sie Beiträge
gestaltet und wie sie Geschichten crossmedial
verteilt. Das Prinzip redaktionellen Arbeitens
basiert auf Freiraum – immer im Dienst des Unter­
nehmens und seiner Marke natürlich.
Viele Unternehmen haben in der Kommunikation
schon damit begonnen, solche Redaktionen auf­
zubauen. Multimedial ausgestattet, natürlich. Und
oft als «Newsroom» bezeichnet. Es geht aber nicht
um den Raum, es geht um Struktur und Organisa­
tion, die idealerweise durch den Raum abgebildet
wird. Eine Gruppe von Unternehmensjournalisten
und -journalistinnen, die schreiben, filmen und
vertonen können, auf der Basis von Recherchieren,
Einordnen und Zuweisen von Themen. Verteilt wird
über klassische Kanäle und online, aber eben auch
mittels Sozialer Medien, einschliesslich Applika­
tionen wie beispielsweise Snapchat, die dann schon
ganz nah beim Gaming angesiedelt sind.
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Die Lösung heisst:
«Redaktionelle Markenführung»
Handlungsweisend sind für diese «Journalisten»
im Dienst des Unternehmens nicht mehr ein gesell­
schaftspolitischer Auftrag und die Suche nach
Wahrheit wie bei echten Journalisten. Der Rahmen,
in dem Unternehmensjournalisten arbeiten, ist
vielmehr gegeben durch ein vertieftes und verin­
nerlichtes Verständnis der Unternehmensmarke
eines jeden Einzelnen. Die Marke und die damit
verbundenen Werte und Haltungen grenzen das
Spielfeld ein, auf dem sich Unternehmensjournalis­
ten frei bewegen können müssen. Ich bezeichne
diese Arbeitsweise deshalb als«Redaktionelle
Markenführung». Beispiele davon gibt es schon
einige. Allen vorab «Red Bull», die nicht nur ein
eigenes «Red Bull Media House» führen, sondern
viele Events, über die berichtet wird, gleich selbst
ausrichten. Den Stoff für ihre Geschichten also
selbst produzieren. Das Projekt «Stratos», bei
dem der Base-Jumper Felix Baumgartner aus der
Stratosphäre auf die Erde sprang, ist nur das
bekannteste von vielen.
«Redaktionelle Markenführung» ist eng mit
Storytelling verbunden. Also mit dem Prinzip,
dass Fakten, Marken- und Produktbotschaften
in Geschichten verpackt dargeboten werden.
Geschichten liegen uns Menschen. Wir hören
ihnen gern zu, verstehen Dinge besser, wenn sie
als Geschichten daherkommen und können uns mit­
tels Geschichten metaphorisch erklärte Zusammen­
hänge und Fakten leichter merken. Und – auch hier
mag der Trend zur Globalisierung mit eine Rolle
spielen – die Struktur und der Aufbau von Geschich­
ten ist kulturübergreifend und weltweit derselbe,
wie Joseph Campbell herausgefunden hat. Die Hel­
denreise, wie er sie nannte, findet überall Anklang.
Sie ist in uns angelegt. Und weil Marken und (Gross-)
Unternehmen oft weltweit aktiv sind und eine
Führungsrolle bei der Etablierung einer Weltkultur
einnehmen, wird Storytelling nach diesem global
gültigen Muster heute in der Unternehmenskom­
munikation gern eingesetzt.
Weil eine Redaktion nur funktionieren kann,
wenn sie selbständig Themen aufgreifen und
daraus Geschichten entwickeln darf, kann sie nicht
im herkömmlichen Sinn hierarchisch geführt,
sondern muss funktional organisiert werden. Sie
steht aber natürlich immer im Dienst des Unter­
nehmens und seiner Ziele. Weshalb ihre Beiträge
und Geschichten immer darauf ausgerichtet sind –
aber oft nur sehr indirekt. Und die Unternehmens­
führung kann auf die Markenredaktion nicht
mehr zugreifen wie auf den Pressesprecher, der
im Wesentlichen als direktes Sprachrohr der Un­ternehmensleitung dient. Eine Markenredaktion
muss immer frei arbeiten können, Inhalte und
Botschaften des Unternehmens in eine Beziehung
zur Welt und zum Geschehen in der Welt bringen
und daraus interessante multimediale Geschichten,
oder eben: «Stories» generieren.
ICH-Marken, nicht Praktikanten prägen
in Zukunft starke Kommunikation
Journalisten in einer Markenredaktion sind also
nicht mehr Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im
herkömmlichen Sinn. Sie warten nicht auf An­weisungen und führen diese dann aus. Sie müssen
selbständig und oft rasch Entscheidungen fällen
und sofort kommunizieren, gerade auch im Bereich
der Sozialen Medien. So wie die Nutzer auf Augen­
höhe mit dem Unternehmen kommunizieren wollen,
sind deshalb Markenjournalisten, wenn sie publi­
zieren, auf Augenhöhe mit der Unternehmensfüh­
rung, obwohl sie dieses Unternehmen nicht selbst
führen, sondern im Dienste seiner Marke kommuni­
zieren. Keine Mitarbeiter also im klassischen Ver­
ständnis von Angestellten. Aber was sind sie dann?
Erklären könnte man die Rolle von Markenre­dak­toren vielleicht mit der Analogie der Marken­
partnerschaft. Markenredaktoren können als
ICH-Marken im Dienst des Unternehmens verstan­
den werden. Sie haben sich vielleicht mit eigenen
Veröffentlichungen positioniert und sind bekannt
geworden. Und ihre ICH-Marke passt zum Marken­
kern des Unternehmens. Als Markenpartnerschaft
zwischen Unternehmen und Markenjournalist
kann«Brand Journalism» also verstanden werden.
Agenturen bieten redaktionelle
Dienstleistungen an
Markenjournalisten sind in diesem Sinne keine
Mitarbeiter mehr, sondern freie Markenpartner
des Unternehmens. Aber nur grosse Unternehmen
können sich eigene Markenredaktionen leisten,
denn eine Redaktion braucht einen minimalen per­
sonellen Bestand, damit alle Rollen besetzt werden
können. Drei bis fünf Multimedia-Produzenten sind
die untere Grenze. Kleinere Unternehmen können
sich das nicht leisten und müssen deshalb redaktio­
nelle Dienste von aussen zukaufen. «Brand Journa­
lism» wird deshalb auch zum Geschäftsmodell für
spezialisierte Agenturen. Wie gefragt ihre Leistung
ist, beweist beispielsweise der Erfolg der Agentur
«C3 – Creative Code and Content», die mit rund
400Mitarbeitenden, wovon angeblich 100 «Journa­
listen» sind, zu den Grossen in der Branche zählt.
Oder «Vice», ein grosses Medienhaus, das ein klu­ges zweiseitiges Geschäftsmodell zwischen echtem
Journalismus und «Brand Journalism» betreibt
und damit junge Zielgruppen erreicht. Begehrter
«Content» für viele Unternehmen.
Egal ob Print oder im Netz, mit «Redaktioneller
Markenführung» rückt die Marke ins Zentrum der
Kommunikation. Marke ist höchst verdichtete
Kommunikation – effizient und effektiv und lang­
fristig wertbeständig. Und deshalb sind Marken
in der Ökonomie der Aufmerksamkeit so wertvoll
wie Gold in der Ökonomie des Kapitals.
21
22
Die Dynamik des technologischen
Fortschritts, Fokus Digitalisierung
—
Paul Fischer
Mensch, Maschine, Digitalisierung, künstliche
Intelligenz: So kann man den technologischen
Fortschritt der letzten 200 Jahre zusammenfassen.
Mittendrin die grafische Industrie, deren Ursprünge
weit ins vorindustrielle und digitale Zeitalter rei­
chen. Ist das vor dem Hintergrund des Themas «Die
Dynamik des technologischen Fortschrittes, Fokus
Digitalisierung» überhaupt wichtig? Ja, es ist ein
zentraler Punkt bei der Betrachtung. Die grafische
Branche ist ein Wirtschaftszweig, der nicht nur
virtuelle, sondern physikalisch vorhandene Leis­
tungen erbringt. Sei es auf Papier, auf Karton oder
auf anderen Materialien. Auch in Zukunft wird
deshalb die grafischen Industrie, oder wie man sie
dann auch immer nennen wird, Maschinen einset­
zen und auf manuelle Arbeitskraft zurückgreifen.
Parallel dazu war die grafische Industrie aber
auch eine der ersten Wirtschaftszweige, die bereits
relativ früh von der Digitalisierung erfasst wurden.
Mittlerweile sind digitalen Daten als Ausgangsbasis
praktisch jeglicher Tätigkeit in dieser Branche
unverzichtbar. Die grafische Industrie bewegt sich
damit an der Schnittstelle zwischen Virtuellem
und Haptischem. Egal wie sich grafische Unterneh­
men in der Zukunft weiterentwickeln, welche
Techno­logien sie einsetzen oder wie die Qualifi­
kationen ihrer Mitarbeiter aussehen: Alle Lösungs­
konzepte und Geschäftsmodelle werden sich an
diesem Umstand orientieren. Die traditionelle, über
hunderte von Jahren bestehende Symbiose zwi­
schen Informationsaufbereitung/-vermittlung
und bedrucktem Papier hingegen wird sich in den
nächsten beiden Jahrzehnten völlig auflösen.
Natürlich werden auch in Zukunft grafische
Un­ternehmen Kreativdienstleistungen erbringen
oder ihren Kunden bei der Informationsvermit-­
tlung unterstützen. Doch das Basisgeschäft ist und
bleibt der Umgang mit «Material». Das gilt es bei
der Erör­terung des Themas «Die Dynamik des
techno­logi­schen Fortschrittes, Fokus Digitalisie­
rung» immer zu berücksichtigen.
Digitale Revolution
Gemäss Wikipedia wird die digitale Revolution wie
folgt beschrieben: «Der Begriff Digitale Revo­lution
(auch dritte industrielle Revolution oder Elektro­
nische Revolution) bezeichnet den durch die Digi­
talisierung und Computer ausgelösten Umbruch,
der seit Ausgang des 20. Jahrhunderts einen Wandel
sowohl der Technik als auch (fast) aller Lebensbe­
reiche bewirkt und der in die Digitale Welt führt,
ähnlich wie die Industrielle Revolution 200 Jahre
zuvor.»
Und weiter gemäss Wikipedia: «Die digitale Revo­lu­t ion basiert auf der Erfindung des Mikrochips
(Integrierter Schaltkreis) und dessen stetiger
Leistungssteigerung (Moor’sches Gesetz), der
Einführung der flexiblen Automatisierung in der
Produktion und dem Aufbau weltweiter Kommuni­
kationsnetze wie dem Internet. Eine wichtige
Rolle spielte dabei auch die allgemeine Computer­i­
sierung. Dieser Begriff bezeichnet einen gegen
Mitte des 20. Jahrhunderts einsetzenden Trend,
Arbeitsprozesse mithilfe von Computern zu rationa­
lisieren bzw. zunehmend zu automatisieren. In den
1980er-Jahren begannen Computer nicht nur in
Beruf und Forschung, sondern auch im privaten
Bereich Anwendung zu finden, teilweise kamen
grafische Benutzeroberflächen zum Einsatz, die den
herkömmlichen Schreibtisch imitierten. Der Com­
puter ist heute am Arbeitsplatz, in Wissenschaft,
Erziehung und vielen weiteren Arbeits- und Hand­
lungssystemen selbstverständlich geworden. Eine
entscheidende Rolle nehmen dabei die so genannten
digitalen Güter (Software und digitale Informatio­
nen) ein. Diese unterscheiden sich von klassischen,
materiellen Produkten (z. B. Hardware) dadurch,
dass sie beliebig oft benutzt oder kopiert werden
können, ohne sich zu verbrauchen, und unabhängig
davon, wie viel Arbeit in ihnen steckt. Digitale bzw.
nachträglich digitalisierte Güter lassen sich vor
allem über das Internet kostengünstig und direkt
verteilen oder an Kunden verkaufen.» Man könnte
der Definition von Wikipedia jetzt noch genügend
weitere Abhandlungen und Definitionen zum The­
ma «Digitale Revolution» anhängen. Bleiben wir
aber bei jemanden, der diese Revolution wohl am
umfassendsten und gleichzeitig einfachsten erklärt
hat: den israelischen Technologie-Pionier Benny
Landa, Gründer von Indigo, einem der ersten Her­
steller von mit Digitaldrucktechnologie arbeitenden
Druckmaschinen. Vor über 20 Jahren stellte er, sinn­
gemäss, fest: «Alles was digital gemacht werden
kann, wird irgendwann auch digital gemacht wer­
den.» Schlussfolgerung: Die Digitalisierung ist ein
umfassender Prozess, der Dinge erst möglich macht,
vereinfacht und stark beschleunigt. Digitalisierung
heisst auch, und immer mehr, komplette Vernet­
zung, Integration. Also total und revolutionär.
Digitalisierung bis 2016 hiess enorme Beschleuni­
gung und Automatisierung der verschiedenen
Arbeitsprozesse entlang der Wertschöpfungskette.
Ab 2016 gehen wir über in eine Entwicklung, die
totale Vernetzung und Integration jeglichen
Arbeitsschrittes eines Unternehmens, totale Ver­
netzung und Intergration von Beschaffung und
Vertrieb, totale Vernetzung und Integration in der
Kundenbeziehung mit sich bringt. Die Digitalisie­
rung ist das zentrale Narrativ für jeden grafischen
Betrieb, sofern er 2026 noch tätig sein will. Neben
traditionellen Fragen wie «Welches Geschäftsmo­
dell verfolge ich?» oder «Wer sind meine Kunden
und was biete ich ihnen an?» muss sich jedes Unter­
nehmen die Frage stellen: «Wie bette ich mich in
ein volldigitalisiertes Marktumfeld ein?» Nicht
jedes grafisches Unternehmen wird beispielsweise
den Weg einer Online-Druckerei gehen müssen.
Eine Handbuchbinderei dürfte beispielsweise auch
in zehn Jahren kaum digitale Arbeitsprozesse auf­
weisen. Doch es kann durchaus sein, dass Hand­
buchbindereien ohne vollautomatisierte digitale
Distributionsprozesse dannzumal nicht mehr an
ihre potentiellen Kunden kommen.
Technologische Aspekte
Nachfolgend einige Angaben zur Entwicklung der
digitalen Revolution gemäss Wikipedia, das selbst
ein interessantes Produkt dieser Revolution dar­
stellt: «Es wird angenommen, dass es der Mensch­
heit im Jahr 2002 das erste Mal möglich war, mehr
Informationen digital als im Analogformat zu spei­
chern, was deshalb als der Beginn des «Digitalen
Zeitalters» gesehen werden kann. Die fast vollstän­
dige Digitalisierung der weltweit gespeicherten
Informationsmenge vollzog sich in weniger als
10 Jahren, während des Jahrzehnts um die Millenni­
umswende. Es wird geschätzt, dass im Jahr 1993
lediglich 3% der weltweiten Informationsspeicher­
kapazität digital waren, während es 2007 bereits
94% waren. Die weltweite Telekommunikations­
kapazität (bidirektionaler Informationsaustausch)
war bereits 1986 zu 20%, 1993 zu zwei Dritteln
(68%) und im Jahr 2000 zu 98% digitalisiert.
Die globale Broadcast- und Rundfunkkapazität
hingegen (unidirektionale Informationsübermitt­
lung), hinkt deutlich hinterher. Im Jahre 2007
waren erst 25% digital. Die Digitalisierung von
Informations- und Kommunikationsprozessen
hat zu einer Informationsexplosion geführt.
Vor allem die weltweite Telekommunikations- und
Informationsspeicherkapazitäten pro Kopf sind
in den zwei Jahrzehnten zwischen 1986 und 2007
zwischen 23% und 28% pro Jahr gewachsen.»
Die komplette Digitalisierung ist das eine. Wie wir
sehen, waren zumindestens die westlichen Natio­
nen bereits 2007, was Content betrifft, «durchdigi­
talisiert». 2007, das war das Jahr, als Apple sein
erstes iPhone vorstellte und damit eine neue Phase
der digitalen Revolution mit Smartphones und
Tablets einläutete. Doch es sind nicht diese Geräte
alleine, welche als Treiber der Entwicklung fungie­
ren. Die Digitalisierung von Informationen ist die
Basis, und es braucht die richtige Hardware dazu.
23
24
Doch absolut zentral sind Geschwindigkeit und
Kapazität der Datenkommunikation, abseits inter­
ner Netzwerke. Das Stichwort heisst Breitbandtech­
nologie. Die Definition gemäss Wikipedia: «Ein
Breitband-Internetzugang (auch Breitbandzugang,
Breitbandanschluss) ist ein Zugang zum Internet
mit verhältnismässig hoher Datenübertragungsrate
von einem Vielfachen der Geschwindigkeit älterer
Zugangstechniken wie der Telefonmodem- oder
ISDN-Einwahl, die im Unterschied als Schmalband­
techniken bezeichnet werden. Die Internationale
Fernmeldeunion (ITU) definiert einen Dienst oder
ein System als breitbandig, wenn die Datenüber­
tragungsrate über 2048 kBit/s (entspricht der Pri­
märmultiplexrate im ISDN) hinausgeht. Die USA
nennen in ihrem Nationalen Breitbandplan von
2010 einen minimalen Downstream von 4 MBit/s
sowie einen minimalen Upstream von 1 MBit/s. Im
Jahr 2015 hat die FCC diese Mindestwerte auf 25
und 3 MBit/s erhöht.»
«Neben Telefonnetz, Kabelfernsehen, Glasfaseroder Stromnetz sind mittlerweile terrestrische
Funk­technologien eine wichtige Möglichkeit,
breitbandigen Datenaustausch zu vollziehen.
Die Stichwörter heissen Wireless Internet Access
Provider und Wireless Metropolitan Area Networks
(WMAN), die einen schnellen Internetzugang
erlauben. Dabei kommen unterschiedliche Techno­
logien zum Einsatz, darunter der speziell entwickel­
te WiMAX-Standard, WLAN-Technologien sowie
verschiedene funkbasierende Einzellösungen.
Mehr oder weniger breitbandige Datendienste
können auch Mobilfunkstandards wie LTE,
HSDPA, UMTS oder EDGE bieten.»
Breitbandkommunikation ist also das nächste
grosse «Ding» in der digitalen Revolution. Als Kon­
sument hat man beispielsweise die Möglichkeit,
im Live-Stream-Modus Filme oder TV-Sendungen
auf seinem Samrtphone oder Tablet aus dem fahren­
den Auto oder Zug zu verfolgen. Vor zehn Jahren
noch undenkbar. Breitbandkommunikation hat aber
auch gerade für Unternehmensprozesse enorme
Bedeutung: Sie erst ermöglicht problemloses funk­
tionierendes Cloud Computing. Und Cloud Compu­
ting ist erst recht das «grosse Mega-Ding», welches
die nächste Stufe der digitalen Revolution zündet.
Cloud Computing
Was sagt uns die «Bibel» der digitalen Revolu­tion, die Kombination aus Google/Wikipedia
zum Cloude Computing? «Unter Cloud Computing
(deutsch Rechnerwolke) versteht man die Aus­
führung von Programmen, die nicht auf dem loka­
len Rechner installiert sind, sondern auf einem
anderen Rechner, der aus der Ferne aufgerufen wird
(bspw. über das Internet). Technischer formuliert
umschreibt das Cloud Computing den Ansatz, IT-­
Infrastrukturen (z. B. Rechenkapazität, Datenspei­
cher, Netzkapazitäten oder auch fertige Software)
über ein Netz zur Verfügung zu stellen, ohne dass
diese auf dem lokalen Rechner installiert sein
müssen. Angebot und Nutzung dieser Dienstleis­
tungen erfolgen dabei ausschliesslich über techni­
sche Schnittstellen und Protokolle sowie über
Browser. Die Spannweite der im Rahmen des Cloud
Computings angebotenen Dienstleistungen umfasst
das gesamte Spektrum der Informationstechnik
und beinhaltet unter anderem Infrastruktur (z.B.
Rechenleistung, Speicherplatz), Plattformen und
Software.»
Einen detaillierten Überblick zu technologischen
Details und Chancen und Risiken dieser Technolo­
gie lesen Sie im Text «Privat-, Public- und Hybrid-­
Cloud – Fluch oder Segen?» von Andreas Sidler. Im
Zusammenhang mit dem Thema «Die Dynamik des
technologischen Fortschrittes, Fokus Digitalisie­
rung» interessieren vor allem die konkreten Aus­
wirkungen auf die Unternehmen der grafischen
Industrie. Cloude Computing wird hier gerade von
grösseren Unternehmen bereits schon seit längerer
Zeit praktiziert. Ein Beispiel ist die NZZ-Gruppe,
eine Partnerin der viscom swiss print & communi­
cation assocation im Rahmen der verlegerischen
Dienstleistungen des Verbandes. Bei der NZZ-Grup­
pe arbeiten heute alle Mitarbeiter via Cloud Compu­
ting. Konkret, auf keinem der eingesetzten PCs
oder Laptops sind Arbeitssoftware-Applikationen
installiert. Ob Word-, SAP-, Redaktionssystem oder
Telekommunikations-Applikation: Jeder Mitarbei­
ter, greift via Cloud auf die zentral betreuten
Applika­t ionen zu. Mitarbeiter die ausserhalb des
firmen­eigenen Netwerkes arbeiten, haben via
Citrix-­Remote- Access-Software zur Cloud einen
Zugang. Lizenzverwaltung, Software-Updates und
viele weitere IT-Dienstleistungen konnten so zent­
ralisiert und vereinfacht werden.
Ein anderes, für grafische Unternehmen spannen­
des Beispiel ist die Fratelli Roda S.A. aus dem Tes­
sin. 2015 nahm sie ein Update bei ihrem Agfa-Apog­
ee-Workflow vor. Man entschied sich, als eine
Weltpremiere, für eine Cloude-Version von Apogee.
Die alten Server vor Ort wurden abgebaut, und der
Zugang zum Cloud-Workflow erfolgt über Breit­
bandkommunikation. Alle Arbeits- und Kundenda­
ten lagern physikalisch auf einem Zentralrechner
des Agfa-Konzerns im belgischen Mortsel. Das Sys­
tem arbeitet problemlos, und zur Drupa 2016 wurde
Apogee-Cloud offiziell zum Verkauf freigegeben.
Qualifikation der Mitarbeiter, Beziehung zu den
Kunden und weitere wichtige Faktoren einer Unter­
nehmensentwicklung werden sich bis 2026 eben­
falls radikal ändern.
Praktisch alle Anbieter von Worklow- und Gesamt­
lösungen in der grafischen Industrie bieten mittler­
weile Teil- oder Komplettlösungen für Cloud Compu­
ting an. Obwohl alle, die heute ein Smartphone
haben, in irgendeiner Form tagtäglich mit Cloud
Computing zu tun haben, ist die Skespis gegenüber
dieser Technologie relativ gross. Gerade KMU-Un­
ternehmen bekunden noch Mühe mit dem Gedan­
ken, alles, was an digitalen Daten vorhanden ist und
verwendet wird, in fremde Hände bzw. Server zu
geben. Die grossen Fragezeichen beziehen sich auf
die Faktoren Datensicherheit und Kosten.
Was heisst digitale Revolution
für Unternehmen?
Unabhängig von der Frage, welche Strategie grafi­
sche Unternehmen in den nächsten zehn Jahren
verfolgen, oder auf welche Produktionstechnologi­
en man setzen wird: Die digitale Revolution, welche
im Tempo wohl noch zunehmen wird, stellt, glaubt
man den Apologeten des digitalen Wandels, her­
kömmliche Denkweisen in Frage. Unter den unzäh­
ligen Thesen, die zu diesem Thema im virtuellen
Raum schwirren, überzeugen die Ausführungen der
Digitalagentur «denkwerk» aus Köln. Oder viel­
leicht liegt es auch am guten Google-Listing, was
die Gedankengänge noch glaubwürdiger machen
würde. Im «Manifest für digitalen Wandel» findet
man, unter anderem, folgende spannende Thesen:
«Die digitale Revolution verändert Gesellschaft und
Alltagsleben mindestens so nachhaltig wie zuvor
die industrielle Revolution. Das Internet darf für
niemanden Neuland sein, denn es ist bereits zum
Betriebssystem von Gesellschaft und Wirtschaft
geworden. Wer das ignoriert, verliert Gestaltungs­
möglichkeiten.»
Zum Thema Datensicherheit sei auf den Text von
Andreas Sidler verwiesen. Zum Thema Kosten kann
man folgende Schlussfolgerung ziehen: Cloud Com­
puting als Alternative zu auf im eigenen Betrieb
und auf eigenen Servern installierten Lösungen
ist nicht grundsätzlich billiger. Doch Cloud Compu­
ting ermöglicht interessante Perspektiven. Appli­
kationenweiterentwicklung und entsprechende
Updates machen es für alle an einer Cloud-Lösung
partizipierenden Unternehmen einfacher und flexi­
bler. Das ermöglicht gerade KMU-Betrieben, die
heute finanziell gar nicht in der Lage sind, auf allen
Ebenen in der IT-Weiterentwicklung an vorderster
Front mitzuhalten, neue Möglichkeiten.
Abgesehen davon: Es ist gar nicht die Frage, ob
die grafischen Unternehmen der Schweiz am Trend
des Cloude Computing partizipieren wollen oder
nicht. Schaut man sich die aktuellen Lösungen an
und überblickt die Ankündigung der Zulieferindust­
rie, sei es bei Anbietern von Software, aber auch
von Anbietern von Druckmaschinen/Digital­
drucksystemen, kann es nur eine Schlussfolgerung
geben. Die Branche wird bis 2026 vollständig mit
Cloud Computing arbeiten, weil sie von der
Zulieferindus­t rie dazu gezwungen wird. Aus der
Sicht der derer sind die Vorteile des Cloud Compu­
tings einfach zu lukrativ.
Mehr Details dazu im Abschnitt «Die Ideen der
Zulieferindustrie». Das heisst aber noch etwas
anderes: Ob sie es aktiv planen oder nicht, die
gra­f ischen Unternehmen von 2026 werden noch
viel mehr als heute von der digitalen Revolution
verändert. Dabei geht es nicht nur um technologi­
sche Fragen und Arbeitsprozesse. Organisation,
«Digitale Tools, Services und Plattformen kön­nen
gravierende Veränderungen in allen Bereichen
eines Unternehmens bewirken. Um Digitalisie­
rungsinitiativen erfolgreich umzusetzen, ist es
besonders wichtig, fachliche Segregation und damit
einhergehende Zuständigkeitssilos zu überwinden.
Eine erfolgreiche Digitalstrategie ist immer inter­
disziplinär.»
«Mit dem Internet der Dinge erreichen wir die
nächste Stufe der digitalen Revolution – sie wird
vor allem das produzierende Gewerbe betreffen.»
«Natürlich hat der digitale Wandel auch Einfluss
auf die Geschäftsmodelle etablierter Unternehmen,
denn digitale Innovation betrifft keinesfalls nur
Internetunternehmen. 75 Prozent des weltweiten
Online-Umsatzes von 1,5 Billionen US-Dollar
wird von Unternehmen generiert, die ihre Wurzeln
nicht im Netz haben.»
«Wir müssen verstehen, dass digital kein Marke­
tingbegriff ist. Dass das Internet kein Kanal ist, auf
dem Werbebotschaften verbreitet werden. Digital
ist keine Sparte, kein Programm. Es muss vielmehr
zum Betriebssystem eines erfolgreichen Unterneh­
25
26
mens werden. Markenstrategie, Produktstrategie,
Vertriebsstrategie – alle Aspekte eines Unterneh­
mens sind vom digitalen Wandel betroffen. Oft wer­
den Digitalisierungsinitiativen noch immer isoliert
in eigenen Abteilungen oder Projekten gebündelt.
Zusätzlich führt ein über Jahrzehnte aufgebautes
Rollen- und Hierarchieverständnis dazu, dass ver­
schiedene Abteilungen eines Unternehmens nicht
an einem Strang ziehen. Was dabei leicht verloren
geht, ist die übergreifende Vision für den digitalen
Wandel des Unternehmens.»
Weitere Thesen kommen von TRENDONE GmbH.
Das Unternehmen ist gemäss eigenen Aussagen
Europas Marktführer in der Analyse von MicroTrends und Schlüsseltechnologien in schnelllebigen
Branchen. Deren Gründer und Geschäftsführer
Nils Müller empfiehlt Entscheidern von grafischen
Unternehmen, über den eigenen Tellerrand zu
schauen. Die Zukunft von Print basiere eben nicht
auf dem Medium Papier selber, sondern vielmehr
auf der Erweiterung von digitalen Technologien,
der Konvergenz von Print mit diesen Technologien,
was völlig neue Geschäftsmodelle erfordern wird.
Man muss die Ausgangslage ganzheitlich betrach­
ten und endlich aufhören, immer in den Rückspiegel
zu schauen. Das Geschäftsmodell Print, so wie man
es in der Vergangenheit betrieben hat, hat kein
grosses Entwicklungspotenzial. Doch das ist in den
Augen Müllers kein Unglück, sondern vielmehr eine
Riesenchance. Print hat eine grosse Zukunft als
Konvergenzmedium vor sich, welches Haptik und
Elektronik miteinander vereint. Print bietet Riesen­
chancen und ungeahnte Möglichkeiten.
Megatrends zur Zukunft von Print
Nils Müller sieht fünf wichtige Megatrends als
bedeutsam für Print. Der erste Trend heisst «Atten­
tion Economy», präziser Aufmerksamkeitsökono­
mie. In einer digital vernetzten Welt entstehen
immer mehr Marken. Die Start-up-Kultur war noch
nie so stark wie heute. Jeder kann zum Entrepreneur
werden und Marken erfolgreich lancieren. Doch
das heisst, der Kampf um die Aufmerksamkeit
der Kunden wird immer wichtiger. Da hat Print
spezifische Stärken. Wer schaut heute noch eine
E-Mail-Marketing-Aktion an? Warum haben sich
beispielsweise Amazon oder Zalando entschieden,
für ihre Kundschaft, die rein über das Internet
bestellt, gedruckte Kundenmagazine zu publizie­
ren? Warum bieten hippe Blogs auf einmal Print­
ableger? Im Fokus steht die Strukturierung im
Content-Dschungel, aber auch das Zeigen von Wert­
schätzung. Ein weiterer wichtiger Trend gemäss
TRENDONE ist die Konvergenz, konkret: Print wird
Teil eines konvergenten Medienmixes. Man weiss,
Print ist ein gutes Medium, um einen Kaufentscheid
auszulösen. Doch mit Print alleine kann man diesen
Entscheid nicht direkt umsetzen. Da gibt es Techno­
logien, die genau das ermöglichen, wie gedruckte
Elektronik, Augumented Reality, QR-Code. Auch
für die Verpackung bieten konvergente Strategien
erst recht riesige Chancen, wie beispielsweise die
Elektrolumineszenz Technology an.
Trend Nummer drei aus der Sicht von TRENDONE
ist die Visualisierung: Das ist die grosse Möglich-­
keit für den Digitaldruck, denn wir leben in einem
Zeitalter, wo Kommunikation immer personali­
sierter und individualisierter wird. Hier gibt das
Internet mit der 1:1-Kommunikation den Takt vor.
Viel Potenzial bietet auch der 3D-Druck mit seinen
fast endlos erscheinenden Möglichkeiten und
Materialien.
Als nächster Trend manifestiert sich das Outernet:
sprich, das Internet «springt auf die Strasse».
Früher brauchte man, um das Internet zu verwen­
den, einen Browser und einen Computer. Heute
findet man das Internet im Kühlschrank, in der
Smartwatch, im unter der Haut implantierten Chip.
Dadurch verändern sich traditionelle Verhaltens­
weisen dramatisch. So ist beispielsweise das Tele­
fonieren bei den Smart­phone-Benutzern nicht mehr
unter den Top Ten der benutzten Applikationen
zu finden. Alle Produkte sind vernetzt. Je weiter
sich das entwickelt, umso grössere Chance sehe
ich da für konvergente Printlösungen.
Als fünften Trend kann man die smarten Geräte
und Technologien, die immer neue Wege eröffnen,
ansehen. Im Hintergrund spielt hier künstliche
Intelligenz, die fast nichts mehr kostet, eine wich­
tige Rolle. In diesen Trend können Anwendungen
wie IBM Watson, das selbstfahrende Google-Auto
oder Smart-Barbie eingeordnet werden.
Auf die Frage, was diese fünf Megatrends für gra­
fische Unternehmen bedeuten würden, empfiehlt
TRENDONE Folgendes: Digitale Kompetenz gehört
zum Kerngeschäft eines grafischen Betriebes, und
dementsprechend muss jeder Betrieb das so hand­
haben. Digitale Kompetenz ist langfristig ohnehin
wichtiger als Printkompetenz. Heute herrschen
im Markt solche Überkapazitäten, dass es für jeden
grafischen Betrieb eigentlich kein Problem dar­
stellt, die Herstellung von Druckaufträgen auszula­
gern. Dieser Trend wird sich in den nächsten zehn
27
Jahren noch akzentuieren. Grafische Betriebe
sollten sich deshalb wirklich gut überlegen, ob
sie ihr ganzes Geld in neue Druckmaschinen inves­
tieren wollen oder doch lieber in Digitalisierung
und Konvergenz. Auch müssen sich Druckereien
organisatorisch und prozesstechnisch verändern,
sprich Abteilungsgrenzen runterreissen, die Mit­ar­beiter aus dem Vertrieb und der Technik aktiv
zusammenführen, Quereinsteiger unterstützen,
crossmediales Denken fördern. Aber es ist natürlich
klar: Jeder Betrieb muss seine eigenen Geschäftsmo­
delle und Lösungen finden. Auch darf man Ideen
wie «nicht mehr in den Druck zu investieren» nicht
pauschalisieren. Für alle gilt aber gleichermassen:
vernetzt denken, die Digitalisierung als Kernauf­
gabe des Unternehmens begreifen und Mittel
und Wege finden, sich in der Konvergenz-Wert­
schöpfungskette zu positionieren.
Industrie 4.0/Internet der Dinge
In den letzten zwei Jahren hat sich in der Diskussion
um die Zukunft der grafischen Branche ein weiterer
Begriff breitgemacht: Industrie 4.0/Internet der
Dinge. Für viele ist es das grosse Zukunftsthema.
Doch was meint man eigentlich mit dem Begriff
genau? Dr. Sonja Meyer, Scientist für die Eidgenös­
sische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt
(Empa) in der Gruppe «Technologie und Gesell­
schaft» am Standort St. Gallen, beschäftigt sich in
ihren Forschungsbereichen mit Themen wie «Inter­
net der Dinge» und «Geschäftsprozessmanage­
ment». Sie hat die Denkfabrik zum jährlichen
Schwerpunkt «Print Medien» und «Industrie 4.0»
als Dozentin begleitet.
Ihre Kurzanalyse zeigt auf, dass Industrie 4.0/Inter­
net der Dinge ein Teilelement der digitalen Revolu­
tion darstellt. Und da dieses Teilelement vor allem
für produzierende Unternehmen eine Bedeutung
hat, ist es auch wichtig für die grafische Industrie.
Für sie ist «Internet der Dinge» die Anwendung des
Internets als Plattform für unsere physikalische
Welt. Das zentrale Konzept des «Internets der Din­
ge» sind die Dinge selbst, zum Beispiel eine her­
kömmliche Kaffeetasse, die mit dem Internet mit­
hilfe von kleinsten Geräten verbunden werden
können. Diese Geräte verfügen über Kommuni­
kationsfähigkeiten (z.B. WLAN) und sind mit soge­
nannten Sensoren, welche Eigenschaften wie die
Temperatur der Kaffeetasse messen, oder Aktuato­
ren, welche die Eigenschaften der Kaffeetasse ver­
ändern, ausgestattet. Alltägliche Dinge werden so
zu «smarten» Dingen, die miteinander kommunizie­
ren können, zum Beispiel die Kaffeemaschine mit
28
der Kaffeetasse. Wendet man das Konzept des
«Internets der Dinge» in einem Fabrikumfeld an,
spricht man auch von «industriellem Internet»,
von der Industrie 4.0 oder gar von der «vierten
industriellen Revolution». Prognosen sagen, dass
es im Jahr 2020 vierzig Mal so viele Geräte wie
Menschen geben wird. Die Industrie 4.0 macht auch
vor der grafischen Industrie nicht halt und kann
Printme­d ien viele Neuerungen bringen. Im Rahmen
eines Beratungsauftrags hat die Eidgenössische
Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa)
für die grafische Industrie zwei Hauptkategorien
mit Innovationspotenzial identifiziert: 1. Produkte
und 2. Geschäftsprozesse. Der Bereich der Produkt­
innovationen wurde beispielhaft anhand des Wegs
des Buchs 2.0 zum Buch 3.0 skizziert. Neue Techno­
logien erlauben auf diesem Weg, herkömmliche
Objekte zu intelligenten Teilnehmern des Internets
zu machen. Eine wichtige Rolle spielen Mittel
zur eindeutigen Identifizierung der Objekte wie
QR-Code, RFID und NFC-Chips. Am Ende der Evo­
lution wird das intelligente Objekt «Buch» gleich­
zeitig Teil der digitalen und der physischen Welt,
so dass das Buch nicht nur seine Leser kennt,
sondern sogar die Leseumgebung (Licht dimmen,
Fernsehapparat ausschalten) anpassen kann.
Die Objekte können auch Produkte wie Eintrittsoder Visitenkarten umfassen, die durch die unsicht­
bare Integration von Chips plötzlich intelligent
werden. Oder Poster können in Kombination mit
iBeacons, die auf Bluetooth-Technologie basieren,
Werbebotschaften im Umkreis von 40 Metern aus­
senden. Facebook, das derzeit als eine der grössten
Plattformen des «Internets der Dinge» gehandelt
wird, kann zum Netzwerk von klassischen Print­
medien werden.
Neben Produktinnovationen kann das «Internet
der Dinge» der grafischen Industrie vor allem Neue­
rungen für herkömmliche Produktions- und
Geschäftsprozesse bringen. Grafische Produkte
können ein Gedächtnis haben und wissen, wie sie
gefertigt werden, ihren Zustand und ihre Auf­
tragstasche beinhalten, oder sie können Maschinen
anweisen, sie auf eine bestimmte Art zu verarbei­
ten. Hier werden die Druckmaschinenhersteller
enorm unter Zugzwang gebracht: Sie müssen vor­
handene Maschinen um die neue Internettechnik
ergänzen oder neue Maschinen mit der aktuellen
Technik ausstatten. Potenzielle Optimierungs­
szenarien für Prozesse ergeben sich häufig erst bei
der Betrachtung des Gesamtprozesses, der von
einer Vielzahl von Maschinen, die seit Jahren im
Einsatz sind, abhängen kann.
Die Ideen der Zulieferindustrie
Digitalisierung, Cloud Computing, Internet der
Dinge, Industrie 4.0. Befasst man sich mit der
Thematik, besteht das Risiko, sich schnell einmal
in Schlagwörtern zu verlieren. Generelles Wissen
um technologische Trends ist zwar wichtig, doch
Entscheider von grafischen Betrieben wollen
konkret wissen, wie und wo sie genau in zehn Jah­
ren stehen sollten. Hierbei muss man realistisch
bleiben. Exakte Prognosen für die digitale Revolu­
tion sind nicht machbar.
Blenden wir zehn Jahre zurück: Breitbandkom­
munikation war damals ein viel diskutiertes The­
ma, doch in einem «Zeitalter» ohne Smartphone
konnten sich nur die wenigsten darunter etwas
vorstellen. Hätte man 2006 jemanden gefragt,was
eine «App» sei, hätte man nur Schulterzucken als
Antwort erhalten. Hätte jemand prognostiziert,
dass Nokia 2016 keine Mobiltelefone mehr herstelle
und sich im Healthcare-Bereich betätige, wäre man
für verrückt erklärt worden. Doch genau das ist das
Tempo der digitalen Revolution. Darum: Wie sich
die Situation konkret im Jahre 2026 für grafische
Betriebe darstellt, kann man heute nur anhand der
aktuellen Trends erahnen. Mehr nicht. Um trotzdem
einen möglichen Ausblick zu liefern, hier konkrete
Lösungen und Ideen von einem Unternehmen aus
der Zulieferindustrie: Die Heidelberger Druckma­
schinen AG. Sie wurde für das Beispiel ausgewählt,
weil sie neben Software auch Druckmaschinen und
Weiterverarbeitungsgeräte anbietet. Man hätte
auch eine Agfa, HP, Kodak, KBA oder Komori neh­
men können. All diese Unternehmen stellten an der
Drupa cloudbasierende Konzepte vor, die bereits
heute eine Vorahnung für die Druckwelt des Jahres
2026 ermöglichen. Aus Platzgründen mussten wir
uns aber auf das konkrete Beispiel beschränken.
Smart Print Shop von Heidelberg
Heidelberger Druckmaschinen AG hat für ihre Kun­
den eine klare Vision: Eine industrielle Produktions­
kette, die sich so einfach bedienen lässt wie das
Smartphone in der Tasche. Gemäss Heidelberg hält
die totale Digitalisierung Einzug in die Industrie –
und verwandelt komplexe Prozessabläufe in eine
intelligente Produktion. Auch im Printbereich. Der
Schlüssel heisst Vernetzung. Wo bislang in vielen
industriellen Produktionsbereichen noch Datensilos
und Einzelsysteme dominieren, bringt der digitale
Wandel in der Druckindustrie elementare Verände­
rungen mit sich. Der Smart Print Shop von morgen
zeichnet sich durch die vollständige Integration
ganzer Prozessketten und ein intelligentes Manage­
ment aus. Komplexe Vorgänge regeln sich einfach
selbst. Individualität, Flexibilität und autonome
Intelligenz sind die Kernbotschaften des digitalen
Strukturwandels. Kurze Lieferzeiten und niedrige
Stückzahlen – das sind die Werte, an denen sich
künftig alle Branchen messen lassen müssen.
Prinect, der Druck- und Medien-Workflow von Hei­
delberg, versteht sich als Herzstück der industriel­
len Druckproduktion.
Damit lassen sich integrierte Prozesse entlang der
gesamten Wertschöpfungskette umsetzen, und
zwar anwendungsübergreifend und gleichwertig
zwischen Offset und Digital. So entsteht ein stabil
funktionierendes System aus Maschine, Workflow,
Anwendungstechnik, Verbrauchsmaterialien und
Serviceleistungen mit dem Ziel, intelligente Lösun­
gen zu schaffen. Eine elementare Rolle spielen
dabei Daten. Nur wer sämtliche Informationen in
Echtzeit zur Verfügung hat, kann seine Prozesse
optimal steuern und nachvollziehbare Entscheidun­
gen treffen. So stehen Software, Support oder
Dokumentationen via Cloud Services jederzeit im
Heidelberg- Kundenportal zum Abruf bereit. Auf
der anderen Seite liefern integrierte Maschinensen­
soren, die miteinander kommunizieren, ständig
Informationen. Die richtige Auswertung macht aus
«Big Data» Daten mit Mehrwert. Dazu verbindet
das Heidelberg Remote Services-Netzwerk mehr als
10 000 Maschinen und 15 000 Softwareprodukte
zu einem industriellen Internet der Dinge. Diese Ba­
sis ist dabei entscheidend für die Qualität der ein­
zelnen Service-Produkte und Produktivitäts-Emp­
fehlungen.
Damit hilft Heidelberg ihren Kunden bei der Verfüg­
barkeit ihrer Druckmaschinen, aber auch bei der
Steigerung der Produktivität. Eine integrierte Kom­
munikation entlang der gesamten Prozesskette,
gepaart mit intelligenter Automation – das ist die
Zukunft der industriellen Digitaldruckproduktion.
Mit intelligenten Systemen, einer durchgängigen
Vernetzung der Produktion sowie leistungsfähiger
Soft- und Hardware wird Drucken in Zukunft künf­
tig viel vernetzter sein als heute.
Digitale Revolution verstehen
Ist Ihnen etwas aufgefallen? Im ganzen Kapitel «Die
Dynamik des technologischen Fortschrittes, Fokus
Digitalisierung» wurde überhaupt nicht auf die Fra­
ge, in welche Drucktechnologien die grafischen
Betriebe investieren sollen, eingegangen. Das war
bewusst. Nicht weil die Herstellung von Printpro­
dukten im Jahr 2026 obsolet sein wird, im Gegenteil.
Doch wer sich mit dem technologischen Fortschritt
vertieft befasst, erkennt, dass nicht die richtige
Drucktechnolgie, sondern die «digitale Revolution»
die Hauptherausforderung für grafische Unterneh­
men in den nächsten zehn Jahren darstellt.
Im Kapitel wurde versucht, die Herausforderungen
und die Konsequenzen der digitalen Revolution auf­
zuzeigen. Nur die wenigsten grafischen Unterneh­
men sind heute genügend auf diese Herausforde­
rung vorbereitet. Doch man kann sich trösten: Nur
eine Minderheit aller Unternehmen in der Schweiz
in allen Wirtschaftszweigen wäre heute in der Lage,
sich in der digitalen Welt von 2026 zu behaupten.
Es bleiben immerhin noch 10 Jahre. Doch gedank­
lich sollte man sich sehr schnell mit den Herausfor­
derungen des totalen digitalen Wandels vertraut
machen. Heute ist es selbstverständlich, in den
grafischen Betrieben einen technischen Verant­
wort­l ichen, einen Finanzcontroller, oder einen
Innendienstmitarbeiter zu beschäftigen. Zwingend
bräuchte es ebenfalls einen Verantwortlichen für
die «digitale Revolution», der den Unternehmen
hilft, sich in dem schnellen Veränderungsprozess
zurechtzufinden. Dabei stehen wir an der Schwelle
einer Entwicklung, die noch viel mehr Veränderun­
gen mit sich bringen könnte. Siehe 3D/4D-Druck
oder künstliche Intelligenz. Doch es wäre unredlich,
hierzu aus der heutigen Perspektive irgendwelche
verbindliche Aussagen zu machen.
29
30
Individualisierte Massenfertigung
in der Printindustrie – Es geht!
—
Eduard Neufeld
Individualisierung und Komfort
Seit geraumer Zeit ist die Individualisierung als
gesellschaftliches Phänomen erkennbar. Mit wach­
sendem Wohlstand offenbart sie sich in einem
zunehmenden Grad individualisierter Produkte, die
oftmals mit einer persönlichen Komfortsteigerung
einhergehen. Dieser Trend folgt der berühmten
«Bedürfnispyramide» des US-amerikanischen Psy­
chologen Abraham Maslow, die die Hierarchie
menschlicher Bedürfnisse beschreibt. Ihr zufolge
gewinnen Individualisierung und Selbstverwirkli­
chung für Menschen an Bedeutung, wenn zuvor die
elementaren Grundbedürfnisse nach Nahrung und
Sicherheit sowie die seiner sozialen Integration
weitgehend befriedigt sind.
Die fortschreitende Individualisierung und das
Streben nach Selbstverwirklichung sind folglich
keine Modeerscheinung einzelner Kulturkreise,
sondern ein dauerhafter und mit dem Wachstum
des Bruttoinlandprodukts verbundener Trend.
Hochkonsolidierte Industrien haben diesem Phäno­
men frühzeitig Rechnung getragen. Als besonders
eindrucksvolles Beispiel mag die Autoindustrie die­
nen, für die noch in den 1970er-Jahren langanhal­
tende Gewitterwolken aufzogen. Allenthalben war
von der Ölkrise die Rede, zwischen den Metropolen
entstanden sehr schnelle Zugverbindungen, im
Selbstverwirklichung
( z.B. kulturelle, )
Individualbedürfnisse
( z.B. Anerkennung, )
Soziale Bedürfnisse
( z.B. Gemeinschaft, Kommunikation)
Sicherheitsbedürfnisse
(z.B. Wohnen, Versorgungssicherheit)
Physiologische Bedürfnisse
( z.B. Essen Trinken)
Darstellung der Bedürfnishierarchie nach Maslow.
Laufe der Zeit wurden Flüge billiger und seit den
späten 1990er-Jahren musste man auch noch
befürchten, dass die Zunahme von Videokonferen­
zen das berufliche Reisen insgesamt eindämmen
würde. Die Autoindustrie reagierte mit bemerkens­
werter Entschlossenheit. Es wurden gigantische
Anstrengungen unternommen, um – auf einen
Nenner gebracht – Autos individueller und komfor­
tabler zu gestalten oder sie gar zum Gegenstand
der Selbstverwirklichung zu erheben. Die Konfigu­
ration von Wagenfarbe, Motorisierung, Radfelgen,
Sitzleder usw. wurde ebenso individuell möglich
wie die der persönlichen Komfortmerkmale: Navi­
gationssystem, Klimaanlage, beheizbare Sitze, Ein­
parkhilfe etc. Freilich wäre diese Strategie, sofern
sie durch eine Rückkehr zur Manufaktur erkauft
worden wäre, für sich noch nicht so bemerkenswert.
Der entscheidende Schritt lag vielmehr in einem
Paradigmenwechsel hin zur individualisierten
Massenfertigung (engl. mass customization), also
der Herstellung jeweils einzigartiger Fahrzeuge
unter Beibehaltung kostenreduzierender Skalen­
effekte. Die Schwierigkeiten, derart kundenspezifi­
sche Autos im Rahmen einer Massenproduktion
herzustellen, sind nicht hoch genug einzustufen
und trieben sowohl die Automobilhersteller als
auch die Zulieferindustrie bis an ihre Grenzen.
Im Ergebnis fahren heute mehr Autos denn je auf
unseren Strassen. Die höchsten Margen werden
gerade mit der Sonderausstattung erzielt, also
mit den kundenindividuellen Merkmalen.
Auch in anderen, dem Print- und Medienbereich
thematisch vielleicht näher liegenden Industrien
wie dem Musikmarkt wurden fundamentale Schrit­
te in Richtung einer zunehmend individualisierten
Gesellschaft unternommen. Und auch hier war
zunächst eine Untergangsstimmung zu verzeich­
nen, nachdem mit dem MP3-Format der kostenlose,
wenn auch meist illegale Tausch von Musikdateien
übers Internet im grossen Stil begann. Unter jungen
Menschen galt es teilweise geradezu als antiquiert,
für Musikdateien zu bezahlen. In Deutschland,
um ein Beispiel zu nennen, sank der Umsatz alleine
in den Jahren 2000 bis 2004 um 30%. Mit der Ein­
führung von iPod und iTunes gelang eine Trendum­
kehr bzw. Stabilisierung der Musikumsätze. Und
wieder war es der Schritt hin zu einem individuali­
sierten und von hohem Komfort gekennzeichneten
Massenangebot, der den Durchbruch brachte.
Playlists konnten nunmehr völlig individuell auf
Kleinstabspielgeräten eingerichtet und die zuge­
hörigen Musikstücke bequem durch Anklicken
gekauft werden. Offensichtlich waren die gleichen
Menschen, die zuvor nicht mehr für Musik bezahlen
wollten, sehr wohl bereit, für erhöhten Komfort
und Individualität Geld auszugeben.
Allerdings ist anzumerken, dass die Gewinner
dieser Entwicklung nicht die Musikproduzenten
waren, sondern die Technologie- bzw. Plattform­
anbieter mit Endkundenbeziehung. Aktuell wird
dieses «geschlossene Ökosystem Apple», wie es in
der Szene genannt wird, durch Streamingdienste
wie Spotify & Co angegriffen, was Apple wiederum
zu eigenen Streaming-Angeboten veranlasst hat.
Aus Konsumentensicht geht es hierbei nicht darum
Geld zu sparen, sondern erneut um eine Steigerung
des persönlichen Komforts und der Flexibilität, sich
nicht durch Käufe festlegen zu müssen, sondern
jeden Tag und jede Stunde eine völlig individuelle
Musikauswahl treffen zu können.
Druckindustrie im Zeitalter
von Industrie 4.0
Auch im Bereich der Medien tritt eine immer feinere
Aufspaltung in Druck, Radio, TV, Internet und Sozi­
alen Netzwerken auf. In der Druckindustrie nehmen
wir die Transformation durch aufwändigere Verpa­
ckungen und kleiner werdende Auflagen bis hin zu
individualisierten Produkten schon seit vielen Jah­
ren wahr. Wir brauchen uns nur beispielhaft zu ver­
gegenwärtigen, wie viele Varianten ein Supermarkt
etwa im Kosmetikbereich zu Zeiten unserer Kind­
heit geführt hat und wie viele es heute sind. Ohne
der Kosmetikindustrie zu nahe treten zu wollen,
wird wohl niemand annehmen, dass sich die Inhalte
tatsächlich derart stark unterscheiden, wie es die
wohldifferenzierten und kunstvoll gedruckten Ver­
packungen glauben machen sollen. Dennoch haben
wir, so selbstkritisch sollten wir sein, bei Weitem
nicht den Reifegrad der oben geschilderten Beispiele
erreicht. Die Daten, die den Druckauftraggebern
31
32
Traditionelle Druckerei
Auftraggeber
Einfache
Individualisierung:
– Anrede
– Adresse
– Losnummer
(Lotterie)
– etc.
–
nal
ptio
–O
Manuell
Auftragsannahme
Oder:
proprietär
elektronisch
Vorstufe: Datenaufbereitung
Sammelformmanager
Druckform:
Offset, Flexo
MIS, Workflow-SW
Druck
Druckweiterverarbeitung
Logistik
MIS, Workflow-SW
Traditionelle Druckerei: Der Auftraggeber übergibt seine Daten in der Regel «manuell» in Form von E-Mails,
FTP-Transfer etc. Dadurch sind entweder dem Grad der Individualisierung oder der Massenfertigung Grenzen gesetzt.
(Optionale Bestandteile sind gestrichelt.)
vorliegen, werden nur bis zu einem sehr geringen
Grad dazu genutzt, Endkunden gezielt und individu­
ell über Printmedien anzusprechen. Beispielsweise
werden Sie auch heute noch oftmals von Touristik­
unternehmen einen umfangreichen Reisekatalog
ins Haus geschickt bekommen, obwohl das Unter­
nehmen bereits von der Reise aus dem Vorjahr
weiss, dass Sie auf Grund Ihrer Kinder auf die Ferien
eines bestimmten Kantons oder Bundeslands ange­
wiesen sind und ein charakteristisches Budget für
den Urlaub zur Verfügung haben, folglich also nur
ein Bruchteil des Angebots für Sie relevant ist. Wer
sich hierüber als Drucker freut, weil ein umfangrei­
cher Katalog doch besser sei als ein dünnes, perso­
nalisiertes Angebot, übersieht vielleicht die Gefahr,
bald schon vollständig von gezielter arbeitenden
Medien verschiedenster Art substituiert zu werden.
Den grössten Teil der heutigen Druckdienstleister
würde man – im Sinne der Einordnung nach indus­
triellen Revolutionen – zur Industrie 3.0 zählen.
Ihr konstituierendes Merkmal ist ein hoher Automa­
tisierungsgrad. Aus den ursprünglich kleinen
Handwerksbetrieben wurden nach industriellen
Mass­stäben arbeitende Unternehmen, die Prozess­
standards anwenden und eine gleichbleibend hohe
Qualität ebenso wie eine hohe Kosteneffizienz
gewährleisten. Gewiss hat auch die Fogra beispiels­
weise mit dem ProzessStandard Offsetdruck (PSO),
dem ProzessStandard Digitaldruck (PSD) sowie den
Methoden des Colour Managements massgeblich zu
dieser standardisierten Arbeitsweise beigetragen.
Die Zulieferbetriebe haben ihrerseits IT-gestützte
Arbeitsabläufe und Druckmaschinen mit immer grö­
sserem Durchsatz bereitgestellt. Ohne Frage wird
dieses Konzept, das bisweilen etwas spöttisch durch
die Attribute «grösser, breiter, schneller» charakte­
risiert wird, auch in Zukunft manchem Drucker ein
hervorragendes Geschäftsmodell bieten, wenn er
es schafft, dem hohen Kostendruck durch Skalen­
effekte und Effizienzsteigerungen zu begegnen.
Gleichzeitig wird es aber auch für viele Drucker rat­
sam sein, sich zunehmend von der Analogie zur
Autoindustrie leiten zu lassen und einen höheren
Individualisierungsgrad der Produkte im Rahmen
einer hoch-flexiblen (und dadurch weiterhin kosten­
effizienten) Produktion anzustreben. Diese Konzep­
te hängen eng mit dem Vernetzungsgedanken der
Industrie 4.0 zusammen.
Ihre Umsetzung stellt den Druckdienstleister aus
Sicht des Autors technisch wie organisatorisch vor
drei zentrale Herausforderungen:
– Big Data oder das «Internet der Dinge und Dienste»:
Auf Basis einer intelligenten Datengenerierung
seitens des Druckeinkäufers – eventuell in Koope­
ration mit dem Druckdienstleister – müssen die
Informationen über offene, standardisierte
Schnittstellen zum Drucker gelangen. Hier setzen
sich XML-basierte Formate durch. Die Qualität der
datentechnischen Kundensegmentierung hat
erhebliche Auswirkungen auf die Wirksamkeit der
Druckerzeugnisse und die Kosteneffizienz
des Prozesses.
Mit der (automatisierten) Auftragsannahme ent­
steht ein JDF-Jobticket, das alle Auftrags- und
Produktionsdaten einschliesslich logistischer
Informationen enthält. Bei Bedarf sind Aspekte
der Authentizität, Verschlüsselung sowie Datensicherheit zu berücksichtigen. Der Abarbeitungs­
status des Jobs kann vom Kunden, dem Druckein­
käufer, jederzeit eingesehen werden.
Auftraggeber
Kundensegmentierung
Individualiesierung
Moderne Druckerei
Onlineshop
Sammelformmanager
Druckform:
Offset, Flexo
MIS, Workflow-SW
Datengenerierung
Marketing-Intelligenz
Umfangreiche
Kundendatenbasis
Vorstufe: Datenaufbereitung
Druck
Standartisierte
DB-Schnittstelle
auf Basis XML
Druckweiterverarbeitung
Logistik
MIS, Workflow-SW
Moderne Druckerei: Über eine standardisierte, flexible Datenbankschnittstelle können variable Daten vom Auftraggeber
jederzeit empfangen werden. Die durch kleinteilige Segmentierung oder Individualisierung besonders geforderten Bereiche sind
farblich hervorgehoben.
– Horizontale Integration der Geschäftsvorfälle:
Der Druckdienstleister bildet die Geschäftsvor­
fälle der gesamten Wertschöpfungskette von der
Auftragsannahme bis hin zur Versandlogistik
digital ab und richtet seine Technologien ebenso
wie die Organisation darauf hin aus. Das Ziel
besteht darin, hochflexible Losgrössen, bedruck­
stoffunabhängiges Farbmanagement und eine
produktionsbegleitende Qualitätssicherung
gewährleisten zu können. Je nach Geschäftsfeld
können auch Aspekte der Produktintegrität dazu­
kommen, z.B. bei Verpackungen für Pharmaka
oder Lebensmittel.
– Vertikale Integration der Fertigungsschritte:
Die Produktion wird modularisiert, zum Beispiel
im Hinblick auf die Hybridproduktion von Offsetund Digitaldruck oder allgemeiner nach Gesichts­
punkten von Losgrössen. Im Sinne des Internets
der Dinge (siehe oben) sind die Maschinen und
Geräte untereinander vernetzt, um eine optimale
Auslastung zu erreichen. Man kann auch sagen:
«Die Jobs suchen sich die Maschine.»
Standardisierte Prozesse und Verbrauchsmate­
rialien bilden das Rückgrat einer effizienten
Produktion.
Beispielhaft sei hier angeführt, dass die Heidelber­
ger Druckmaschinen AG auf der Drupa 2016 unter
diesen Gesichtspunkten das Konzept «Push to Stop»
vorgestellt hat. Schon mit dem Namen verbindet der
Hersteller die Vision voll automatisierter Prozesse
und dreht dabei die übliche Vorgehensweise auf
den Kopf: Nicht mehr der Drucker soll die Druckpro­
zesse starten, sondern die Maschinen erledigen dies
automatisch. Der Drucker greift in diesem Konzept
vielmehr als überwachende Instanz nur noch
bedarfsweise ein, um beispielsweise den Prozess
zu unterbrechen («stop») oder zu steuern.
Nach den einleitenden Ausführungen zur Auto­
mobilindustrie wird es den Leser auch nicht weiter
überraschen, dass Heidelberg sich in diesem Zusam­
menhang der Paradigmen der Automobilindustrie
bedient. So vergleicht man beispielsweise ganz tref­
fend das autonome Fahren mit dem «autonomen
Drucken» und spricht von «Intelliguide Navigation»,
dem Navigationssystem für den Bediener. Man darf
gespannt sein, welche Effizienzsteigerungen gerade
auch für kleine Losgrössen durch solche Konzepte
dieses und natürlich auch anderer Druckmaschi­
nenhersteller sowie sonstiger Zulieferbetriebe mög­
lich werden.
Freilich ist es auch in diesem Zusammenhang rat­
sam, über den Tellerrand zu schauen und zu sehen,
welche Fortschritte andere produzierende Branchen
erzielt haben, etwa beim Einsatz der Robotik. Es
verwundert daher nicht, dass progressive Druck­
dienstleister beispielsweise schon damit begonnen
haben, programmierbare Robotorsysteme an ver­
schiedenen Stellen des Druck-, Druckweiterverar­
beitungs- und Logistikprozesses einzusetzen.
Beispiele innovativer Druckkonzepte
Moderne Fotobuchdrucker arbeiten bereits nach den
Prinzipien der individuellen Massenfertigung und
können in diesem Zusammenhang als Vorreiter
angesehen werden. Dabei setzen sie oftmals noch
proprietäre (d.h. hauseigene) elektronische Schnitt­
stellen ein, die sie für sich entwickelt haben.
Weitere Beispiele finden sich naheliegender Weise
auch im Bereich der Social Media, wo grosse, indivi­
33
34
«Pseudoindividualisierung»: Zunächst mit einer überschaubaren Anzahl von Vornamen gestartet, wurde das Angebot
inzwischen (auch auf Kosenamen) drastisch ausgeweitet. Es bleibt jedoch bei der Losfertigung.
duelle Datenmengen in Form von Bildern, Texten
und Kommunikationspfaden vorliegen. Auf deren
Basis können in automatisierter Weise ebenfalls
Fotobücher sowie andere vergleichbare Produkte
hergestellt werden.
Allerdings muss betont werden, dass diese Form
vollständiger Individualisierung mit Losgrösse 1
wegen des hohen technischen, logistischen und
organisatorischen Aufwands sowie der damit ver­
bundenen Stückkosten nur eine überschaubare
Anzahl von Geschäftsmodellen erlaubt. Vielmehr
sollte man sich vergegenwärtigen, dass es um die
Wahrnehmung durch den Endkunden und nicht um
die tatsächliche Losgrösse geht. Das primäre Ziel
sollte darin bestehen, dem Endkunden das Gefühl
zu vermitteln, er werde individuell behandelt. In der
Tat werden vermutlich weit mehr margenträchtige
Geschäftsmodelle durch Formen der «Pseudoindivi­
dualisierung» ermöglicht. Damit soll in diesem Arti­
kel das Konzept bezeichnet werden, bei dem Indivi­
duen in geeigneten Gruppen zusammengefasst
werden, so dass sie sich immer noch persönlich
angesprochen fühlen, während zugleich noch ein
kostengünstigerer Auflagendruck möglich ist.
Ein ausgesprochen interessantes Beispiel in diesem
Sinne lieferte Coca Cola 2013 mit dem bis heute
erfolgreichen «Meine Coke»-Konzept, das inzwi­
schen von mehreren anderen Unternehmen (Nutel­
la, Nike etc.) in gleicher oder ähnlicher Weise über­
nommen wurde.
Auf einer eigens dafür eingerichteten Internetseite
können sich Kunden über das Internet eine Cola-Fla­
sche bestellen, deren Etikett ihren Namen trägt
(«Trink ‘ne Coke mit …»). Dieses Geschäftsmodell ist
Coca Cola so wichtig, dass das Unternehmen erst­
mals in seiner Geschichte aus Platzgründen auf den
charakteristischen, geschwungenen Schriftzug auf
seinem Etikett verzichtet. Der Grund für diese
ausserordentliche Massnahme ist die bemerkens­
wert hohe Marge, die damit erzielt werden kann. Die
0,2-L-Flaschen werden für 1,99 € (zzgl. Pfand und
Versand) angeboten. Zum Vergleich sei angeführt,
dass Flaschen ohne Individualisierung im Versand­
handel aktuell für ca. 1,09 € (und damit um 90 Cent
billiger) angeboten werden. Offenbar scheint vielen
Kunden ein derart individualisiertes Produkt den
Aufpreis wert zu sein. Tatsächlich aber handelt es
sich, und das macht dieses Beispiel spannend, eben
nicht um echte Individualisierung. Vielmehr kommt
die oben angesprochene Pseudoindividualisierung
zum Zuge, bei der einfach die am häufigsten vor­
kommenden Namen auf Vorrat hergestellt werden.
Da es für den Kunden in jedem Fall zur selben indivi­
duellen Erfahrung kommt, kann man die Pseudo­
individualisierung als ein geradezu ideales Vehikel
zur Steigerung der Kosteneffizienz verstehen, bei
35
dem je nach Losgrössen neben dem Digitaldruck
auch konventionelle Druckverfahren ins Spiel kom­
men können. Auch die eingangs angesprochenen
Reisekataloge wären ein typischer Anwendungsfall
der Pseudoindividualisierung und somit keinesfalls
zwingend dem Digitaldruck vorbehalten.
Transformation der Druckindustrie
Dass das Änderungstempo in der Druckindustrie
ein anderes ist als beispielsweise in der Automobil­
industrie und zahlreiche Geschäftsmodelle über
lange Zeit nebeneinander bestehen werden, ist
bereits in der Branchenstruktur begründet.
In der Automobilindustrie existiert ein Oligopol von
Unternehmen, die über den Endkundenkontakt ver­
fügen. Die Autohersteller konnten somit, nachdem
sie für sich grosse Vorteile in der kundenindividuel­
len Massenfertigung erkannt hatten, die Zulieferer
teils mit grosser Härte dazu zwingen, den von ihnen
ersonnenen Weg mitzugehen. Betriebe, die das
nicht schafften, blieben dabei auf der Strecke.
In der Druckindustrie gibt es eine unüberschaubare
Menge von Auftraggebern und Druckdienstleistern.
Grossunternehmen im Sinne eines Oligopols mit
erheblichen Forschungs- und Entwicklungsbudgets
findet man vor allem auf der Zulieferseite, insbeson­
dere bei den Druckmaschinenherstellern. Diese
können, wie oben am Beispiel des «Push-to-Stop»Konzepts aufgezeigt, verschiedene Lösungen in
Richtung kundenindividueller Massenfertigung
und Industrie 4.0 anbieten, werden sie ihren Kun­
den, den Druckdienstleistern, aber natürlich nicht
aufzwingen. Der Druck für die Transformation der
Geschäftsmodelle geht in der Regel aber von den
Unternehmen aus, die den Endkundenkontakt hal­
ten. Moderne Druckdienstleister sind daher gut
beraten, alle Chancen zu nutzen, um mit den Ent­
scheidern der für sie relevanten Druckauftraggeber
(und nicht alleine mit den «Einkäufern») in Kontakt
zu kommen, um neue Ideen und Konzepte zu disku­
tieren. Versteht der Druckdienstleister die Endkun­
denstrategie seines Auftraggebers, kann er auch die
richtigen Geschäftsideen verfolgen und die damit
verbundenen technischen, organisatorischen und
logistischen Anpassungen rechtzeitig vornehmen.
Fazit
Zusammenfassend kann man sagen, dass es gefähr­
lich wäre, sich mit Blick auf einen nachhaltigen
Druckumsatz alleine auf die «Liebe zum Körperli­
chen», also auf die ästhetischen und haptischen
Vorzüge des Gedruckten zu verlassen und weiterzu­
machen wie zuvor. Zwar wird auch in Zukunft der
nicht-individualisierte Druck den Löwenanteil aus­
machen und somit für zahlreiche Druckereien wei­
terhin ein erfolgreiches Modell darstellen, sofern sie
mit den kleinen Margen bzw. dem hohem Kosten­
druck klarkommen. Jedoch werden diese Druckerei­
en mit einer Vielzahl anderer, bereits existierender
oder vielleicht noch entstehender Medienformen
konkurrieren müssen.
Als Konstante über die Zeit hat sich erwiesen, dass
derjenige Marktspieler gewinnt, der das Bedürfnis
des Konsumenten nach Individualität und Komfort
befriedigt. Die drei zentralen Herausforderungen
Big Data, horizontale Integration und vertikale Inte­
gration können als Prüfsteine für eine zielgerichtete
Umsetzung dieser Strategie dienen.
36
Privat-, Public- und Hybrid-Cloud –
Fluch oder Segen?
—
Andreas Sidler
Alleine in der Schweiz gibt es mittlerweile Hunder­
te Firmen, welche Cloud-Dienstleistungen anbie­ten. Wer heute das Internet nutzt, ist täglich mit
Cloud-Diensten verbunden, auch wenn sich dessen
nicht immer alle bewusst sind. Im Tram auf dem
Handy die Zeitung lesen, im Facebook ein neues
Foto hochladen und anschliessend noch einen Tisch
im Restaurant reservieren, das alles ist heute dank
Cloud-Diensten möglich. Cloud-Dienste sind also
keine Zukunftsmusik, sondern Realität und werden
omnipräsent angeboten und genutzt. Wo Privatper­
sonen aller Altersstufen keine Mühe mit der Nut­
zung von Cloud-Dienstleistungen haben, tun sich
viele Unternehmen eher schwer, obwohl solche
Dienstleistungen insbesondere auch aus wirt­
schaftlicher Sicht äusserst attraktiv sind. Grund
dafür sind oft Vorurteile sowie fehlende und falsche
Informationen.
Die nachfolgenden Ausführungen sollen aufzeigen,
welche Vorteile, Nachteile, Chancen und Risiken
mit der Nutzung von Cloud-Dienstleistungen beste­
hen und welches die aktuellen und künftigen Ein­
satzgebiete sind bzw. sein werden.
Cloudund Cloud Computing?
Diese Begriffe werden zwar oft genutzt, sind aber
nicht normiert. Nachfolgend eine Definition, die
kurz beschreibt, worum es hier eigentlich geht.
Mit Cloud Computing wird das Anbieten und Nutzen
von Dienstleistungen über ein Datennetz bezeich­
net. Sowohl Angebot als auch Nutzung dieser
Dienstleistungen erfolgen dabei dynamisch und
decken praktisch alle Bereiche der Informations­
technologie ab. Mehrheitlich steht hinter Cloud
Computing der Zweck, Speicherkapazitäten,
Software, Rechenleistung wie auch ganze ITInfra-strukturen als dynamisch nutzbare Dienste
(so genannte Services) im Internet anzubieten oder
zu beziehen. Diese Angebote stehen in der Regel
den Nutzenden unterbruchfrei, das heisst rund um
die Uhr 24/7/365, zur Verfügung. Weshalb wird
von Cloud gesprochen? Die Wolke wurde oft für
IT-Schemen als Zeichen für die «Aussenwelt», bspw.
das Internet angewandt. So hat sich der Begriff
«Cloud Computing» entwickelt und bedeutet heute
übersetzt Rechenleistung aus der Wolke (engl.
Cloud).
Wozu Cloud Computing?
Cloud Computing verfolgt unterschiedliche Zielset­
zungen. Ein wichtiger Aspekt für ein Unternehmen
ist, dass sich dieses dank Cloud Computing auf das
Kerngeschäft konzentrieren kann, ohne sich um
IT- oder Software-Belange kümmern zu müssen. Die
gewünschten IT- und Software-Ressourcen werden
nicht mehr mit eigenen Infrastrukturen und eige­
nem Personal betrieben, sondern bei einem Anbieter
in der Cloud gemietet. Dank klar definierter Verein­
barungen, so genannten «Service Level Agree­
ments» (SLA), sind die Kosten kalkulier- und damit
auch planbar. Zudem ergibt sich in dieser Konstella­
tion auch eine willkommene Flexibilität für das
Unternehmen, da Cloud-Dienste bei Bedarf erwei­
terbar sind, aber auch reduziert werden können.
Eine Flexibilität, welche mit In-House-Infrastruk­
turen und eigenem Personal ausgeschlossen ist.
Beim «Cloud Computing» ist zudem das Endgerät
des Nutzers (PC, Tablet, Smartphone …) nicht mehr
relevant. Es genügt eine Verbindung zum Internet,
um die gewünschten Dienste nutzen zu können.
Welche Dienstleistungen
können aus der Cloud bezogen werden?
Es lassen sich im Wesentlichen drei Modelle
unterscheiden:
– « Software-as-a-Service» (SaaS) Mit SaaS wird
Software, das heisst bestehende Programme, zur
Verfügung gestellt. Diese Programme laufen beim
Anbieter auf Servern in der Cloud. Der Kunde muss
sich weder um Installation und Server-Hardware
noch um den Betrieb kümmern. Er greift mit dem
Webbrowser über das Internet auf die gewünschte
Software zu. Beispiele: MSFT Office 365, Google
Talk (Telefonie), WordPress (CMS).
– «Platform-as-a-Service» (PaaS) Mit PaaS wird
neben der Hardware- und Betriebssystem-Basis
auch die Anwendungsinfrastruktur oder die
gesamte Entwicklungsplattform im Mietmodell
bezogen. Der Kunde kann diese nutzen, muss sich
aber nicht mit der technischen Umsetzung dieser
Services befassen. Beispiele: Eine Testumgebung
zeitlich beschränkt aufbauen, um eine Software zu
testen. Eine Backup-Plattform in der Cloud nutzen.
– «Infrastructure-as-a-Service» (IaaS) Mit IaaS
wird eine virtualisierte IT-Infrastrukturumge­
bung über ein öffentliches oder privates Netzwerk
zur Verfügung gestellt. Kunden nutzen so Server,
Netzwerk und Rechenleistung als virtualisierten
Service über das Internet. Es lassen sich so voll­
ständige Rechenzentren in einer Cloud in wenigen
Minuten bzw. Stunden betriebsbereit konfigurie­
ren, was in den eigenen Räumlichkeiten Wochen
und Monate in Anspruch nehmen würde. Der Kun­
de muss also keine Investition in die Hard- und
Software tätigen. Beispiel: Rechenzentrum in der
Cloud aufbauen und nutzen.
Cloud-Modelle.
– P ublic Cloud: Wenn die Dienstleistungen von
der Öffentlichkeit oder einer grossen Gruppe
genutzt werden können, wird von einer Public
Cloud gesprochen.
– Community Cloud: In einer Community Cloud
werden die Cloud-Dienstleistungen von mehreren
Kunden geteilt, die ähnliche Interessen haben.
Im Prinzip handelt es sich hier um ein Derivat der
Private Cloud.
– Hybrid Cloud: Die hybride Form ist eine Mischung
zweier oder mehrerer Varianten. Dabei bleiben
die unterschiedlichen Clouds eigenständige
Einheiten, die miteinander verbunden werden.
Eigenschaften von Cloud-Dienstleistungen
Alle Cloud-Dienstleistungen weisen immer folgende
Eigenschaften auf:
Cloud-Computing-Service-Modelle.
So können Cloud-Dienstleistungen
bezogen werden
Unabhängig von IaaS, SaaS oder PaaS, jeder Cloud-­
Kunde kann die Bezugsform frei wählen. Das Ange­
bot umfasst Private Cloud, Public Cloud, Communi­
ty Cloud und Hybrid Cloud. Mischformen sind nicht
selten, da es sinnvoll sein kann, einen Teil der
Cloud-Dienste aus einer Private Cloud und einen
anderen Teil aus der Public Cloud zu beziehen.
– P rivate Cloud: Wie der Name sagt ist eine
Private Cloud exklusiv nur für einen Kunden sichtund nutzbar.
– Das Bestellen der Ressourcen (z. B. Rechenleis­
tung, Speicher) läuft online und automatisch
ohne Interaktion (Telefon, E-Mail) mit dem CloudDienst­leister ab.
– Die Services werden mit Standard-Mechanismen
(Protokolle etc.) über das Datennetz angeboten
und sind damit nicht an einen bestimmten Kunden
gebunden.
– Die Ressourcen des Anbieters liegen in einem so
genannten «Pool» bereit, aus dem sich die Kunden
bedienen können. In der Regel wissen die Kunden
nicht, wo sich die Ressourcen befinden. Bei Bedarf
können aber Cloud-Standorte (Land) vertraglich
festgelegt werden.
– Die Dienstleistungen können schnell und elas­
tisch (Mehrleistungen/Reduktion) zur Verfügung
gestellt werden. Das geht in der Regel sogar auto­
matisch. Aus Sicht des Kunden scheinen die
Ressourcen daher grenzenlos zu sein.
37
38
– Die Ressourcennutzung kann präzise gemessen,
überwacht und auch verrechnet werden. In der
Regel werden nur die Ressourcen bezahlt, die
auch tatsächlich in Anspruch genommen wurden
(engl. Pay per Use Model). Es gibt aber auch so
genannte Flatrate-Angebote.
dass die (ungeschriebenen) Regeln, welche für
diese Cloud-Dienste gelten, eingehalten werden.
Mit anderen Worten: Wer keine Erfahrungen mit
Facebook & Co. hat, sollte keine Experimente
wagen. Es lassen sich heute einfach Spezialisten
finden, welche hier kompetent Hilfe bieten können.
Welche Nutzen bringen
Cloud-Dienstleistungen?
Die Vorteile dieser Dienstleistung sind:
– Schnell und mit wenig Kosten aufbaubar
– Hohe Reaktivität möglich
– Ständig verfügbar (in der Regel 24/7/365)
– ( Fast) unerschöpfliches Potential an möglichen
Kunden
Cloud-Dienstleistungen (Anwendungen)
Bekannte Beispiele für Nutzungen von Cloud-Diens­
ten sind Skype, FaceTime, Instagram, Facebook,
LinkedIn, Twitter, Google-Search … Es gibt sie zu
Tausenden und sie lassen sich sowohl für private
Zwecke wie auch professionell nutzen. Das Nutzen
ist denkbar einfach: Es wird ein Computer (PC,
Tablet, Smartphone) benötigt, welcher mit dem
Internet verbunden ist. Als Zugangssoftware
genügt ein Browser (Safari, Firefox, IE, Opera …).
Zahlreiche Dienste sind für die Nutzung kostenlos,
wobei die Finanzierung mit Werbung erfolgt,
welche geschickt eingeblendet wird.
Es ist kein Zufall, dass für viele Firmen die Cloud
zum Geschäftsmodell geworden ist. Ein zentrales
Element ist dabei die Kommunikation vom Anbieter
zum Kunden. Wer in der Cloud eine Dienstleistung
anbietet, der erreicht damit potenziell Millionen von
Personen. Was bedeutet das? Eine Mitteilung wird
praktisch gleichzeitig von einem heterogenen Publi­
kum mit unterschiedlichem Alter, Geschlecht, aber
auch Herkunft gelesen und interpretiert. Bekannt­
lich entsteht die Kommunikation beim Empfänger.
Wer nicht aufpasst, der kann mit mangelhafter
Kommunikation eine Negativwerbung auslösen,
welche nachhaltige Folgen haben kann. In der
Vergangenheit konnten wir beispielsweise in der
Schweiz erleben, dass ein Text auf einem Plakat
schlecht übersetzt wurde. Das hat dann in der
Regel zu Kopfschütteln oder einem müden Lächeln
geführt, wurde aber schnell vergessen. Macht heute
eine Firma auf Facebook Werbung, welche bspw.
ethnische Gruppen verletzt, kann das in kurzer Zeit
zu einem so genannten Shit Storm führen, welcher
zur Folge hat, dass die Facebook-Seite der Firma
während Tagen nicht mehr erreichbar ist. Handelt
es sich um ein Hotel oder eine Fluggesellschaft,
welche Buchungen über Facebook anbietet (das gibt
es tatsächlich), dann hat das natürlich unangeneh­
me Auswirkungen. Gleiches kann auch einem Medi­
enbetrieb geschehen, der Dienstleistungen (Abon­
nemente, Produkte etc.) via Facebook anbietet. Das
ist eine gute Idee, sollte aber so konzipiert werden,
Die Nachteile dieser Dienstleistung sind:
– Erfolgreiche Werbung setzt voraus, dass die
Charakteristiken und das Publikum des Mediums
bekannt sind und beachtet werden.
Programme/Lizenzen
Es gibt schon seit längerer Zeit eine grosse Auswahl
von Programmen, welche in der Cloud genutzt
werden können. Das Angebot ist jetzt schon riesig
und wächst jeden Tag. Es reicht von Büromatikpro­
grammen bis zu ganzen Server-Systemen (Hosted
Exchange, SAP …) und auch Content Management
Systemen (CMS) für Webeauftritte inkl. OnlineShops. Die Vorteile liegen darin, dass sich Program­
me nutzen lassen, ohne sich um deren Installation
oder Betrieb sorgen zu müssen. Die Programme
sind rund um die Uhr verfügbar und der Anbieter
kümmert sich um die Installation, Updates, Daten­
sicherung etc. Grossfirmen haben diese Option
schon lange entdeckt und nutzen sie seit Jahren
erfolgreich. Wer Software in der Cloud nutzt,
der hat keine Sorgen mehr mit Verfügbarkeit und
Aktualisierung der Programme. Vollkostenrech­
nungen zeigen, dass die Miete von Programmen in
der Cloud gegenüber lokal installierten Versionen
deutlich günstiger ist. Für Softwareanbieter wie
Adobe und Microsoft ist das Modell, die Programme
nur noch in der Cloud anzubieten, sehr interessant.
Es wird erwartet, dass schon mittelfristig Program­
me nur noch in der Cloud verfügbar sein werden.
Was bedeutet, dass die Zeiten, als Programme in
einer Schachtel mit Datenträger und Lizenzschlüs­
sel verkauft wurden, wohl bald vorbei sind.
Die Vorteile dieser Dienstleistung sind:
– Schnell verfügbar und immer aktuell
– Ständig verfügbar (in der Regel 24/7/365)
– Betriebskosten deutlich tiefer als für lokal
installierte Versionen
– Geräteunabhängige Nutzung der Lizenzen
Die Nachteile dieser Dienstleistung sind:
– Abhängigkeit von der Verfügbarkeit/Performanz
des Internets und des Cloud-Anbieters
IT-Infrastrukturen
Des Bestellen und Nutzen von Infrastrukturen
in der Cloud ist heute sehr einfach geworden. Es
spielt keine Rolle, ob Server oder Speichersysteme
bestellt werden, alles geschieht immer menügesteu­
ert am Bildschirm. Das Angebot ist sehr vielfältig
und umfasst auch unterschiedliche Betriebssyste­
me. Windows und Linux können bei Bedarf auch
gemischt werden. Es lassen sich so ganze Rechen­
zentren mit mehreren hundert oder gar tausend
Servern und Dutzenden Terra-Byte in der Cloud
einrichten und nutzen.
Auch bei dieser Dienstleistung gelten die Modi
Public, Private bzw. Hybrid. Dass hier oft die Pri­vate
Cloud im Vordergrund steht, liegt auf der Hand.
Interessant sind insbesondere auch die Kosten.
Diese liegen für Cloud-Infrastrukturen gegenüber
einer vergleichbaren internen Lösung mit einem
eigenen Rechenzentrum um Faktor 10-100 tiefer.
Zudem ergibt sich im Betrieb eine Kostentranspa­
renz. In der Schweiz sind es heute eher grössere
Firmen, welche den Schritt in Richtung Cloud
wagen. Der Wechsel von intern zu extern muss gut
vorbereitet sein und nebst den technischen Aspek­
ten auch die organisatorischen abdecken. Es emp­
fiehlt sich, solche Paradigmenwechsel schrittweise
zu vollziehen, das heisst die IT-Infrastrukturen
werden sukzessive in der Cloud auf- und anschlie­
ssend intern zurückgebaut.
Die Vorteile dieser Dienstleistung sind:
– Einfach und relativ schnell aufbaubar
– Ständig verfügbar (in der Regel 24/7/365)
– Reduktion von Betriebskosten
– Hohe Flexibilität: Sehr schnell skalierbar, wenn
mehr oder weniger Ressourcen benötigt werden
– Es besteht Kostentransparenz für die Verwendung
der Ressourcen
Die Nachteile dieser Dienstleistung sind:
– Verlust der Kontrolle; keine eigenen Infra­
strukturen mehr
– Abhängigkeit von der Verfügbarkeit/Performanz
des Internets und des Cloud-Anbieters.
Als Folge der Einsparungen bei den Betriebskosten
können diese Risiken minimiert werden, indem
die Verbindung über Mietleistungen und redun­
dant erfolgt.
Was unterscheidet Cloud Computing
von «klassischem IT-Outsourcing»?
Die vorgängigen Ausführungen lassen an klassi­
sches Outsourcing denken. Beim Outsourcing
werden Arbeits-, Produktions- oder Geschäftspro­
zesse eines Betriebs ganz oder teilweise zu externen
Dienstleistern ausgelagert. Dies ist ein bekanntes
Modell und Bestandteil heutiger Organisationsstra­
tegien. Das bekannte IT-Outsourcing ist so organi­
siert, dass die komplette gemietete Infrastruktur
39
40
exklusiv von einem Kunden genutzt wird, auch
wenn Outsourcing-Dienstleister in der Regel mehre­
re Kunden haben. Zudem werden Outsourcing-­
Verträge meistens über längere Laufzeiten (Jahre)
abgeschlossen.
Die Nutzung von Cloud-Dienstleistungen ist
dem klassischen Outsourcing ähnlich. Es sind aber
folgende Punkte zu beachten:
– Aus wirtschaftlichen Gründen teilen sich in
einer Cloud oft mehrere Kunden eine gemein­
same Basis-Infrastruktur, ohne dass dies
zu technischen oder organisatorischen Problemen
führen kann.
– Cloud Services sind dynamisch und dadurch
innerhalb viel kürzerer Zeiträume nach oben
und unten skalierbar. So können Cloud-basierte
Angebote schnell und spezifisch an die realen
Bedürfnisse des Kunden angepasst werden.
– Die Steuerung der in Anspruch genommenen
Cloud-Dienste erfolgt in der Regel mittels einer
Webschnittstelle durch den Cloud-Nutzer selbst.
So kann der Kunde die genutzten Dienste auf
seine Bedürfnisse zuschneiden.
– Durch die beim Cloud Computing genutzten
Techniken ist es auch möglich, die IT-Leistungen
dynamisch über mehrere Standorte zu verteilen.
Rechtliche Aspekte
Im Zusammenhang mit der Nutzung von Cloud-­
Diensten sind selbstverständlich die rechtlichen
Aspekte zu beachten. So stellt sich insbesondere
die Frage, wo die Daten gespeichert werden und wer
auf diese Zugriff hat. In der Schweiz gibt es viele
Cloud-Anbieter, welche damit werben, dass die
Infrastrukturen sich integral in der Schweiz befin­
den (Swissness). Auch wenn dies einfach zu über­
prüfen ist, darf angenommen werden, dass dies
tatsächlich zutrifft.
Es gilt jedoch, Folgendes zu beachten: Wenn
die Infrastrukturen in der Schweiz stehen, aber
die Firma, welche diese betreut, ausländische
Wurzeln hat, dann kann dies problematisch werden.
Ist diese Firma beispielsweise dem «USA Patriot
Act » unterstellt, dann können die Daten auch in die
USA abfliessen, wenn die Infrastrukturen in der
Schweiz stehen.
Kritischer Erfolgsfaktor
für Cloud-Dienste: Die IT-Sicherheit
Das Cloud Computing ist gleichzustellen mit einem
Paradigmenwechsel für den IKT-Markt und dessen
Kunden. Die oben beschriebenen Kostenvorteile
sowie auch die hohe Flexibilität sprechen für sich.
Bekanntlich gibt es in der IKT zwar zahlreiche
Sicherheitsempfehlungen, Standards, Zertifikate
und Zertifizierungen. Trotzdem gibt es noch keine
allgemein anerkannte Basis-Linie für die IT-Sicher­
heit im Cloud Computing. Als Folge davon ist es
deshalb für Kunden schwer zu beurteilen, ob ein
Cloud-Dienstangebot die nötige Sicherheit bietet.
Es wurde schon erwähnt, dass viele Grossunter­
nehmen Cloud-Dienste seit Jahren erfolgreich nut­
zen. Zu diesen gehören auch Banken und Versiche­
rungen, welche den Umgang mit sensiblen Daten
gewohnt sind und die damit verbundenen Risiken
sehr gut kennen. Diese haben aber auch erkannt,
dass es nicht zwingend weniger Risiken gibt, wenn
die Daten intern gespeichert werden, im Gegenteil
(siehe Fall HSBC in Genf). Viel wichtiger sind
bekanntlich die Definition von Prozessen und das
Festlegen von Direktiven, welche mit dem Spei­
chern von Daten im Zusammenhang stehen. Das
ist natürlich auch im Interesse der Cloud-Dienstleis­
tungsanbieter. Diese machen viele Anstrengungen,
damit die Kunden Vertrauen in ihre Dienstleistun­
gen haben. Aus diesem Grund ist es Standard, dass
die Daten vor Übertragung und Speichern ver­
schlüsselt werden. Das allein genügt natürlich
nicht, um von einem sicheren Cloud-Dienst zu
sprechen, ist aber sicher eine gute Basis. Ein wichti­
ges Element für Kunden ist der Zugang auf so
genannte Log-Daten beim Anbieter. In diesen Daten
werden systematisch alle Zugriffe auf Daten und
Dokumente gespeichert.
Cloud Computing als Katalysator
für geschäftliche Innovationen
Cloud Computing bietet sowohl seitens der Anbieter
als auch seitens deren Kunden ein hohes Potenzial
zu geschäftlichen Innovationen. Es ist keine Kris­
tallkugel notwendig, um zu erkennen, dass das
Cloud Computing die Möglichkeiten für das Erbrin­
gen von Dienstleistungen in der Informationswirt­
schaft nachhaltig verändert. Obwohl schon lange
existent, befindet sich Cloud Computing nach wie
vor in einer frühen Phase der Marktdurchdringung
und -akzeptanz. Es gilt aber als sicher, dass schon in
wenigen Jahren ein grosser Anteil traditioneller
1 Auswirkungen auf den Schutz personenbezogener Daten und geistigen
Eigentums. Die Bestimmungen des «PATRIOT Act» erlauben US-Behörden
wie dem FBI, der NSA oder der CIA nicht nur den Zugriff ohne richterliche
Anordnung auf die Server von US-Unternehmen. Auch ausländische
Töchter sind nach dem US-Gesetz verpflichtet, Zugriff auf ihre Server zu
gewähren; selbst dann, wenn lokale Gesetze dies untersagen.
IT-Dienstleistungen durch Cloud-basierte Services
ersetzt wird. Trotz der bekannten Risiken ist das
Verbesserungspotenzial schlicht und einfach riesig
und unwiderstehlich:
– Die bisher ständig steigenden Kosten für IT-­
Infrastruktur und -Dienste werden transparent
und können (endlich) durch eine hohe Standar­
disierung der IT-Erbringung nachhaltig reduziert
werden.
– Die Kostenstrukturen verändern sich: Aus
(permanenten) Investitionskosten werden stabile
Betriebskosten.
– Die Verrechnung erfolgt im Verursacherprinzip.
Nur was genutzt bzw. benötigt wird, generiert
auch Kosten.
– Neue Geschäftsprozesse lassen sich schneller
und flexibler umsetzen. Eine Reorganisation eines
Unternehmens, bspw. im Rahmen von Zusammen­
schlüssen, wird erleichtert.
– M it der Nutzung von Cloud-Diensten werden
in Betrieben Ressourcen frei, welche für deren
Kerngeschäft genutzt werden können.
Cloud Computing und Medienunternehmen
Selbstverständlich können/sollten auch Medien­
unternehmen als Kunden von den Cloud-Dienst-leis­
tungen profitieren. Ungeachtet deren Grösse und
Ausrichtung sollten Angebote in den Bereichen
SaaS, PaaS und IaaS (wenn nicht schon geschehen)
so schnell wie möglich evaluiert werden!
Mit ein paar Click lässt sich feststellen, dass viele
Schweizer Medienunternehmen mit der Anwen­
dung von Cloud-Diensten vertraut sind. Instagram,
Twitter und Facebook gehören zum Standardange­
bot, auch wenn diese oftmals kaum sichtbar sind.
Interessant ist jedoch, dass sich im Allgemeinen das
Informationsangebot etwas verhalten präsentiert.
Interessenten erhalten den Eindruck, dass es sich
eher um eine Alternative als um eine ergänzende
Informationsplattform handelt. Wer den Internet­
auftritt kennt, erhält nicht den Eindruck, dass hier
mehr Informationen zu finden sind. Das ist insofern
entscheidend, dass der Anreiz mässig ist, diese
Angebote näher kennen zu lernen.
Cloud Computing hat aber weit mehr Potenzial.
Zu vermerken ist, dass die relativ einfache Erreich­
barkeit von zahlreichen Zielpersonen noch zu
verhalten genutzt wird. Wissenswert ist, dass sich
die Sichtbarkeit und die Anzahl von «Likes» bei eini­
gen Diensten käuflich verbessern lässt, was kaum
überrascht.
Medienbetriebe, welche über Informationsarchive
verfügen, können als Beispiel die Inhalte mit einem
vertretbaren Aufwand in die Cloud stellen und diese
so einem breiten Publikum zur Verfügung stellen.
Wahrscheinlich wäre in diesem Fall auch eine Such­
maschine dienlich, was aber keine Hürde darstellt.
Das Angebot an Suchdiensten für Datensammlun­
gen in der Cloud ist gross.
Neue Geschäftsideen lassen sich in der Cloud
viel schneller umsetzen, als dies zuvor mit eigenen
Infrastrukturen der Fall war. Schneller heisst
aber nicht schlechter, im Gegenteil. Dafür sind die
Betriebskosten eher tief. Ist die Geschäftsidee
erfolgreich, dann sind mit wenigen Clicks ggf.
die benötigten zusätzlichen Kapazitäten abrufbar.
Trifft das Gegenteil ein, das heisst die Geschäfts­
idee findet beim Publikum keinen Anklang,
dann lassen sich alle Dienste in der Cloud sehr kurz­
fristig kündigen und abstellen.
Auf diese Weise lassen sich dank Cloud-Diensten
vom Web-Shop bis zum Video-Streaming Projekte
schnell umsetzen und real testen. IT-Infrastruktu­
ren, welche in der Anschaffung und im Betrieb
aufwändig und teuer sind, gehören der Vergangen­
heit an. Die IT-Zukunft spielt sich mit Sicherheit
in der Cloud ab.
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42
Die Zukunft
mit Printed Electronics
—
Ulrich Moosheimer
Erste Schritte
Die Entdeckung von organischen Materialien
mit halbleitenden Eigenschaften markierte in den
späten 1940 Jahren den Beginn der organischen
und gedruckten Elektronik [1]. Der Schlüssel lag
in der Löslichkeit der halbleitenden organischen
Materialen, so dass diese für das Drucken der Basis­
materialien der gedruckten Elektronik, wie Isolato­
ren, Halbleitern und leitfähigen Schichten, auf
flexible Substrate, wie Papier oder Kunststofffolien,
entwickelt werden konnten. Durch mehrlagige
Druckaufbauten entstehen die Basisbausteine der
Halbleiter­i ndustrie, wie
– leitfähige Linien oder Flächen,
– Isolatoren,
– Widerstände,
– Kondensatoren und
– Transistoren [2].
Die weltweiten Forschungsaktivitäten des letzten
Jahrzehnts mündeten in der Entwicklung verbes­
serter oder neuartiger Druckpasten und Substrate,
so dass – zumindest im Labor – folgende elektroni­
sche Bauteile drucktechnisch hergestellt werden
konnten:
– Batterien und Akkus
– Organische Solarzellen (OPV)
– Organische LEDs (OLED)
– Elektrolumineszente Displays (EL)
– Elektrochrome Displays (EC)
– RFID- bzw. NFC-Antennen
– Sensoren zur Messung von Temperatur, Druck,
Glukose …
– Speicher
– Einfache Controller
Vision
Der Vorteil der Drucktechnologie liegt in seiner
hohen Produktivität, z.B. bei Druckgeschwindigkei­
ten von 900 m/min werden auf einer Druckbreite
von mehreren Metern mehr als hunderttausend
Quadratmeter flexibles Substrat pro Stunde mit
zehn Farben bedruckt. Hierbei liegt die Auflösung
im Bereich von wenigen Hundertstel und somit
unterhalb der Auflösung des menschlichen Auges.
Die Form der gedruckten Rasterpunkte verschmilzt
optisch zu Linien bzw. Flächen. Die Farben neben­
einander liegender Rasterpunkte vermischen sich
und werden in Verbindung mit der Substratfarbe
als ein Farbton wahrgenommen.
Prinzipiell können alle elektrischen Basisbausteine
auf flexible Substrate gedruckt werden. Der Aus­
stoss einer Druckmaschine in Bezug auf Quadrat­
meter pro Stunde liegt um eine Grössenordnung
über dem der Halbleiterindustrie. Letztere fertigt
standardmäss ig auf 6 Zoll grossen starren Silizium­
wafern. Beide Argumente führen zur Vision der
gedruckten Elektronik: Des grossflächigen und kos­
tengünstigen Drucks von leichter, flexibler, dünner
und nachhaltiger Elektronik.
Somit öffnen speziell die Produktanforderungen,
wie flexibles – auch transparentes – Substrat,
grosse Flächen, dünner Produktaufbau oder Nach­
haltigkeit, die Tür für gedruckte Elektronik.
Wie weiter unten aufgeführt, kommt bei einfachen
Anwendungen, wie Leiterbahnen, die Realität die­
ser Version sehr nahe, jedoch besteht bei anderen,
wie Solarzellen oder flexibles OLED, ein langfristi­
ger Entwicklungsbedarf. Die technologischen Gren­
zen erreicht das Drucken bei integrierten Schaltun­
gen und Punktlichtquellen.
Markt- und Produktentwicklung
Marktvolumen
2015 hatte der Markt der organischen und
gedruckten Elektronik einen Umfang ca. 24 Mrd.
US-Dollar. Die IDTechEx prognostiziert ein stetiges
Wachstum mit einem Volumen im Jahr 2023 von
über 80 Mrd. US-Dollar, wobei 25 % drucktechnisch
produ­ziert werden.
Roadmap der OE-A
OE-A Roadmap [3] für organische und gedruckte Elektronik für die Jahre 2015 bis 2023 mit für Akzidenzien und Verpackungen
relevante Felder.
Organic and Printed Electronic Association
Einen sehr guten Produktüberblick zum Stand
der Technik und den Entwicklungen der nächsten
Jahre gibt die im Zwei-Jahres-Zyklus erscheinende
Roadmap der OE-A [3].
Die OE-A (Organic and Printed Electronic Associa­
tion) ist die Industrievereinigung für organische
und gedruckte Elektronik. Ihre mehr als 200 Mit­
gliedsunternehmen und -institute in mehr als 30
Ländern decken die gesamte Wertschöpfungskette
von Materiallieferanten, Maschinenbauern, Produ­
zenten und Endverbrauchern ab. Diese arbeiten eng
mit den Universitäten und Forschungsinstituten
zusammen, welche zwei Fünftel der Mitglieder stel­
len. Die Vision der OE-A ist ein Brückenbau zwi­
schen Industrie und Forschungsinstituten, um das
Marktwachstum der organischen und gedruckten
Elektronik zu fördern.
Märkte
Die OE-A identifizierte für die Technologie der orga­
nischen und gedruckten Elektronik die Märkte
– Automotive
– Konsumelektronik und Weisse Ware
– Pharmazie und Healthcare
– Verpackung und Werbung
Hier wird der obige Markt «Werbung» um Produkte,
wie interaktive Bücher, auf den Markt «Akzidenzi­
en» erweitert und zum Markt «Akzidenzien und
Verpackung» zusammengefasst. Oftmals lassen
sich in den verschiedenen Märkten bereits gedruck­
te Komponenten finden. So verwendet die Automo­
bilindustrie bereits gedruckte
– Antennen,
– Sensoren für Radar oder Anwesenheit,
43
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– Heizschlangen zum Fensterenteisen,
– elektrochrome Abblendflächen in Rückspiegel und
gedruckte und tiefgezogene bzw. hinterspritzte
Touchschalter in Armaturenbrettern.
Ohne explizit auf die eingesetzte Drucktechnologie
hinzuweisen, setzen die Hersteller in den anderen
Märkten ähnliche Produkte ein. Oftmals wird sogar
das Drucken aus Wettbewerbsgründen geheim
gehalten. Im Bereich der weissen Ware finden seit
kurzem gedruckte und transparentleitfähige
Schichten in geformten Displays ihre Anwendung.
Die Pharmazie- und Healthcare-Industrie produziert
schon seit Jahren Diagnosestreifen für Glukose oder
Cholesterin. Weitere wichtige Anwendungen sind
Elektroden für die Therapie bzw. Labortests oder
SmartBlisters zum Aufzeichnen der Tablettenein­
nahme.
Die Attraktivität von Verpackungen und Akziden­
zien steigern in ausgewählte kleinere Auflagen
integrierte Beleuchtungen. In fünf Kategorien wer­
den die Produktebereiche und in vier Jahresspalten
die Zeitachse gegliedert. Bereits verfügbare Produk­
te werden in der 2015er-Jahresspalte aufgeführt.
Die weiteren Jahresspalten listen kurz-, mittel- und
langfristig zu erwartende Produkte auf.
OLED-Beleuchtung
OLED-Beleuchtungen zeichnen sich durch ein
homogenes Licht über eine grössere – auch geformte
– Oberfläche aus. Die flächigen Strahler besitzen
bei geringem Gewicht und Dicke eine hohe Energie­
effizienz und lassen sich einfach in Lampen oder
Gebäude integrieren, wie Anwendungen in hoch­
preisigen Designerlampen zeigen. Die zukünftigen
Entwicklungen sollen die Feuchte- und Sauerstof­
fempfindlichkeit des Leuchtmaterials so weit
reduzieren, dass die starre Glaseinkapselung durch
transparente Hochbarrierefolien ersetzt werden
kann. Dann dürften sich die Kosten auch wett­
bewerbsfähig zu den punktförmigen LEDs
entwick­eln.
Organische Solarzellen
Die weltweite Produktion von Solarzellen domi­
nierten im Jahre 2015 mit 93% die Silikonwafer­
basierten. Die meisten dieser Solarzellenproduzen­
ten setzen in der Fertigung für Applikation des
Ag/Al-Fingerleiters der Rückseite, der vollflächigen
Al-Rückseitenbeschichtung und des H-förmigen
Ag-Fingerleiters mit Kontaktstellen der Vorderseite
den Siebdruck ein. Die Silberpasten besitzen einen
Silberanteil von ca. 70 Gewichtsprozent und sind
eines der teuersten Materialien in der Wertschöp­
fungskette. Der Markt für organische Solarzellen
wird durch die höheren Kosten in Verbindung mit
sowohl einem geringeren Wirkungsgrad als auch
einer kürzeren Lebensdauer begrenzt. Besonders
eignen sich vollständig gedruckte Solarzellen
für geformte Anwendungen wie Zeltbeschattung
oder die Solarzelle in Form eines Ahornblattes.
Mittel- und langfristige Entwicklungsaktivitäten
verbessern die Qualität und senken die Produk­
tionskosten der gedruckten Solarzellen.
Flexible und OLED-Displays
Die Konsumenten wünschen sich seit Jahren
flexible oder besser noch aufrollbare Displays.
Fernseher im Grossformat mit gebogenem aber
starrem Bildschirm sind bereits in jedem Elektro­
nikmarkt zu finden. Flexible Display-Demonstra­
toren auf Basis von der Elektrochromie oder der
Elektrophorese (E-Reader) werden bereits auf
Messen gezeigt und in erste Produkte integriert.
Analog zu den OLED-Beleuchtungen werden roll­
bare OLED-Fernseher erst mittel- bis langfristig
mit flexiblen Displays verfügbar sein.
Elektronik und Komponenten
Die sehr geringe Grösse der gedruckten Speicher
reicht für den Schutz gegen Produktpiraterie oder
für intelligente Nachfüllsysteme aus. Sie zeichnen
sich durch geringe Kosten und hohe Verformbarkeit
aus. Mittelfristig sollen NFC-lesbare Speicher zum
Auslesen über das SmartPhone entwickelt werden.
Eine wichtige Entwicklung der nächsten Jahre liegt
auf dem Gebiet der Energieversorgung, speziell für
Internet of Things oder elektrisch autarke Produk­
te. Momentan liegt die Performance von gedruckten
Batterien in Bezug auf Speicherkapazität und Wie­
deraufladbarkeit weit hinter konventionellen
Knopfzellen. Mittelfristig werden dünne und flexib­
le Batterien zur Stromversorgung von SmartSys­
tems mit integrierter Logic, RFID- bzw. NFC-Anten­
nen und Sensoren für die Integration in hochwertige
Akzidenzien und Verpackungen zur Verfügung
stehen. Die Wertsteigerung durch die gedruckte
Elektronik wiegt deren höhere Kosten auf.
Gedruckte Superkondensatoren eignen sich für
das kurzzeitige Speichern von elektrischer Energie,
z.B. bei der Umwelt Energie entziehende Systeme
auf Basis gedruckter NFC-Antennen.
Integrierte SmartSystems
Diese Systeme bestehen aus
– einer Energiequelle (gedruckte Batterie, gedruckte
RFID/NFC-Antenne),
– einer Eingabe (Sensor, Taster) und
– einer Ausgabe (Display, Lautsprecher, Vibrator,
drahtlose Kommunikation).
Zusätzlich können noch logische Bauteile zur
Datenverarbeitung eingebaut werden. SmartSys­
tems überwachen bereits die Temperatur entlang
der Transportkette. Neu auf dem Markt ist ein Tem­
peraturpflaster für Kleinkinder. Für 24 Stunden
misst es die Körpertemperatur und speichert die
Daten zwischen. Die gemessenen Werte werden
drahtlos mittels App auf ein SmartPhone übermit­
telt. Bei einfachen Anwendungen verbinden
gedruckte Leiterbahnen über einen Schalter LEDs
mit einer Stromquelle.
Anforderungen an den Produktionsprozess
Von der Ferne betrachtet gleicht der grafische Druck
dem Drucken von Elektronik. In beiden Fällen wer­
den Flüssigkeiten, wie Farben oder Lacke, mithilfe
einer Druckmaschine appliziert und getrocknet.
Vorstufe
Beim Drucken von Elektronik darf die im grafischen
Druck eingesetzte Rastertechnologie nicht verwen­
det werden. Zum Beispiel müssen bei Leiterbahnen
die einzelnen Punkte nicht nur optisch, sondern
elektrisch leitfähig verbunden sein. Analog dazu
dürfen nebeneinanderliegende Leiterbahnen einen
optischen, jedoch keinen elektrischen Kontakt
besitzen. Werden, wie bei Touch-Bildschirmen, eine
hohe Anzahl von Leiterbahnen auf einer kleinen
Fläche gefordert, werden bei Linienbreiten und
Abständen von kleiner 50 µm die Auflösung und das
Register des grafischen Siebdrucks erreicht.
Deshalb entwickelten Anlagenbauer und Drucker
den gesamten Druckprozess von Vorstufe über
Druck bis hin zur Weiterverarbeitung mit dem Ziel
einer höheren Druckqualität ständig weiter. Im
Siebdruck können so Auflösungen im Bereich von
15 µm und im Tiefdruck von 2 µm realisiert werden.
Im Gegenzug sinkt aufgrund schmälerer Bahnbrei­
ten und langsamerer Druckgeschwindigkeiten die
Produktivität. Deshalb unterscheiden sich Anlagen
für gedruckte Elektronik stark von konventionellen
Akzidenz- oder Verpackungsdruckmaschinen.
Drucktechnik
Trotz der weiterentwickelten Prozesstechnik
können die in der Halbleiterindustrie gängigen
Auflösungen im Bereich millionster Millimeter
verfahrensbedingt nicht erreicht werden. Bei
Transistoren bedeuten kleinere Strukturen schnel­
lere Schaltzeiten und somit zum einen schnellere
als auch kleinere Prozessoren. Die Leistungsunter­
schiede lassen sich sehr gut am Beispiel eines
gedruckten Speichers der Firma Thinfilm zeigen.
Das wiederbeschreibbare Speichervolumen von
36 Bit, d.h. 0,0000000045 Bytes, ist im Vergleich zu
gängigen Speicher-USB-Sticks vernachlässigbar,
aber die 68 Milliarden Datenpunkte reichen zum
Schutz gegen Produktpiraterie aus. Die Xerox
Corporation eröffnete für diese und weitere Anwen­
dungen im Jahre 2016 eine Produktionsstätte in
Webster, New York, mit einer jährlichen Kapazität
für den Druck von 1,3 Milliarden Speicheretiketten.
In Bezug auf das Leistungspotenzial liegen somit
Welten zwischen der gedruckten und der silizium­
basierten konventionellen Elektronik.
Substrate
Die gedruckte Elektronik stellt an die Substrat­
materialien oftmals neue oder verschärfte Anfor­
derungen, wie kein Schrumpf bei Trocknungstem­
peraturen von 130 °C für hohe Passergenauigkeit
über den gesamten Druckbogen oder extrem glatte
Oberflächen für hohe Leitfähigkeiten von gedruck­
ten Leiterbahnen. Um diese Anforderungen zu
erfüllen, werden Folien beim Folienproduzenten
thermisch stabilisiert oder Papiere mit einem
keramischen Lack bestrichen.
Drucklacke
Diese speziell entwickelten Substrate liegen in
den Kosten weit über grafischen Materialien.
Funktionslacke können in den Kosten um einige
Zehnerpotenzen über denen für grafische Farben
liegen. Dies führte im Bereich gedruckter Elektronik
zu einer Anlagentechnik mit einer sehr geringen
Makulatur und niedrigen Mindestfüllmengen von
Druckwerken.
Druckhilfsmittel
Die Schlüsselparameter, wie Volumen, Elektro­
nendichte und -mobilität, bestimmen die elektri­
sche Eigenschaft der Leitfähigkeit. Bei Leitern
soll sie möglichst hoch, bei Isolatoren nahe null
und bei Widerständen sicher vorhersagbar sein.
Für den Druckprozess bedeutet dies konstante und
homogene Schichten in Bezug auf Dicke, Form
und elektrische Eigenschaften. Letztere hängen
direkt von den eingesetzten Lacken und deren Tole­
ranzen, wie Viskosität, Feststoffanteil, Partikel­
verteilung und Homogenität, ab. Die Zugabe von
Druckhilfsmitteln an der Maschine beeinflusst
die elektrischen Eigenschaften und muss im Vorfeld
abgestimmt werden.
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Qualitätskontrolle
Ein weiterer Unterschied zwischen grafischer und
gedruckter Elektronik liegt in der anschliess enden
Qualitätsprüfung. Beim grafischen Druck werden
oftmals nur Stichproben optisch per Auge oder
Kamera geprüft. Bei der gedruckten Elektronik
muss zusätzlich die elektrische Funktion geprüft
werden. Gedruckte Leiterbahnen können perfekt
aussehen, wenn deren elektrischer Widerstand
jedoch zu hoch ist, fliess t kein oder ein zu geringer
Strom. Eine andere Fehlfunktion sind optisch kaum
sichtbare Kurzschlüsse, z.B. an nicht sauberen Kan­
ten. Da die elektrische Funktion und nicht die Optik
im Vordergrund stehen, wirken sich bereits geringe
Schwankungen im Produktionsprozess auf die
Funktionsfähigkeit der gedruckten Teile aus. Des­
halb werden meist die elektrischen Eigenschaften
zu 100 % geprüft und die Qualitätskontrolle stellt
einen nicht unerheblichen Kostenblock dar.
Produktionsumfeld
Die Viskosität der Lacke und deren Farbannahme
können durch schwankende Lufttemperatur und
-feuchtigkeit negativ beeinflusst werden. Die Dicke
und Homogenität der gedruckten elektronischen
Strukturen variiert und somit auch deren elektroni­
schen Eigenschaften. Zusätzlich dazu können
Staubpartikel zu Fehlstellen, insbesondere Pinholes
in Isolationsschichten, und Kurzschlüssen führen.
Konstante elektrische Qualitäten fordern kontrol­
lierte Umgebungsbedingungen, wie Temperatur
und Luftfeuchtigkeit, und im optimalen Fall eine
Staubfreiheit. Zur Vermeidung von Umwelteinflüs­
sen werden die Druckwerke gekapselt oder gesamte
Anlagen inklusive Weiterverarbeitung in klimati­
sierten Sauber- oder Reinräumen aufgestellt.
Personal
Bei der Produktentwicklung von gedruckter Elektro­
nik steht neben dem Design die elektrische Funktion
im Vordergrund. Kenntnisse der Elektrotechnik und
Elektronik werden in Verbindung mit der Drucktech­
nik benötigt. Meisten werden Teams mit umfangrei­
chem Wissen aus den Bereichen der Materialwissen­
schaften, der Physik, der Chemie, der Elektrotechnik
und der Drucktechnik gebildet. Die Anforderung an
das Know-how der Mitarbeiter in der Vorstufe, im
Druck und in der Weiterverarbeitung steigt. Reines
Wissen vom grafischen Druck reicht nicht aus.
Zusammenfassung der Anforderungen
Das Drucken von Elektronik ist wesentlich komple­
xer als nur der Ersatz von grafischer Farbe durch
elektrische Lacke. Je nach Anwendung werden
– umfangreiches elektronisches Know-how,
– spezielle Substrate und Drucklacke inkl. abge­
stimmten Druckhilfsmitteln,
– optimierte Vorstufen-, Druck- und Weiterver­
arbeitungsanlagen und geeignete Produktions­
räumebenötigt.
Sowohl die Anlagen als auch die Prozesstechnik
unterscheiden sich deutlich von den im Akzidenzund Verpackungsdruck üblichen.
Einstieg in die gedruckte Elektronik
Interaktive Akzidenzien
Die hauptsächlich in den Kategorien «Electronics
& Components» und «Integrated SmartSystems»
aufgeführten Anwendungen sind von besonderem
Interesse für konventionelle Drucker. Zum Beispiel
können die gedruckten elektronischen Komponen­
ten in Akzidenzien und Verpackungen integriert
werden. Der einfachste Weg geht über SmartSys­
tems, d.h. auf Etiketten befindet sich die gesamte
Elektronik und diese Etiketten werden in der Wei­
terverarbeitung in das Druckprodukt eingespendet.
Bereits 2013 entwickelte die Hochschule München
eine LED-Beleuchtung für den Umschlag eines
Messekataloges. Auf Knopfdruck leuchteten drei
rote LEDs auf und illuminierten ein Fahrradrück­
licht. Auf dem SmartSystem versorgte eine
gedruckte Batterie über gedruckte Leiterbahnen
die konventionellen LEDs. Eine auf die Leiterbah­
nen aufgeklebte Schnappscheibe funktionierte
als Taster. Die elektronischen Komponenten
wurden in Form eines SmartSystems produziert
und beim Binden eingelegt.
Mit der gleichen Technologie erleuchteten vier
LEDs den Umschlag der 5. Auflage der OE-A-Bro­
schüre [4]. Acht Mitglieder der OE-A fertigten unter
der Leitung der Hochschule München hierfür
8000 SmartSystems, welche der OE-A-Hausdrucker
in die Broschüren einklebte.
Leuchtende Verpackung
Als Beispiel für gedruckte Elektronik in Ver­
packungen ist der oft prämierte Karton der Bom­
bay-Sapphire Flasche von Karl Knauer zu nennen.
Beim Hochheben der Verpackung versorgt ein
konventioneller Schalter einen Controller mit
Energie und dieser aktiviert ein aufsteigendes
Leuchten. Die gedruckte Elektronik des Displays
beruht auf der Elektrolumineszenz.
Kauflust durch SmartSystems
Bei der Berliner Sparkasse bewirkte ein Aufsteller
mit Wackelbildern in Verbindung mit einer End­
losfaltkarte, dass der Kreditkartenabsatz innerhalb
von drei Monaten dem Absatz des Vorjahres ent­
sprach[5]. Der Erfolg lag im multisensorischen
Marketing. Eine ähnliche Wirkung könnten mit
SmartSystems ausgestattete Akzidenzien oder
Verpackungen entfalten. Zum Beispiel klickt beim
Öffnen einer Verpackung ein Magnetschalter spür­
bar und die angehende Beleuchtung lenkt die Augen
auf deren Inhalt [5]. Bei einem anderen Beispiel
beginnt der Werbeflyer nach dem Öffnen zu blin­
ken. Letzter landet nicht sofort im Abfall, sondern
weckt die Aufmerksamkeit und das Interesse des
Adressaten. So animierte Werbeflyer heben sich
stark von der Masse an Werbungen ab.
Der einfachste Weg für einen Akzidenz- oder Ver­
packungsdruck zur Herstellung solcher Produkte
führt über die Kooperation mit einem Entwickler
von SmartSystems. Gemeinsam designen sie das
animierte Produkt und in der Entwicklungsphase
übernimmt der Entwickler den Prototypenbau. Bei
der Vorserien- und Serienproduktion stimmen sich
Drucker und SmartSystem-Entwickler über den
Produktionsablauf ab. Meist produziert ein Partner
des Entwicklers die SmartSystems und der Drucker
spendet sie in seinen Flyer, seine Broschüre, sein
Plakat oder seine Verpackung ein. Es entfallen beim
Drucker Investitionskosten für neue Druckmaschi­
nen und sowohl der Aufwand als auch das Risiko
des Druckers zum Einstieg in die gedruckte Elektro­
nik sind überschaubar.
Fazit
Gedruckte Elektronik wird bereits in zahlreichen
Produkten eingesetzt, wobei oftmals die drucktech­
nische Herstellung nicht offensichtlich ist.
Anspruchsvolle Branchen, wie Automobil, Pharma­
zie und Healthcare, setzen gedruckte elektronische
Massenprodukte erfolgreich ein. Mittel- und lang­
fristige Entwicklungen führen zu verbesserten und
weiteren wettbewerbsfähigen Produkten auch in
weiteren Branchen.
Kooperationen mit Entwicklern erleichtern den Ein­
stieg von Akzidenz- und Verpackungsdruckern in
die gedruckte Elektronik und senken das Risiko.
Literatur
[1] D
imitrakopoulos, C. D/Malenfant, P. R.L: Organic thin film transistors
for large area electronics. In: Advanced Materials, 14(2002)2, S. 99.
[2] Garnier, Francis et al.: All-Polymer Field-Effect Transistor Realized by
Printing Techniques.
In: Science, 265(1994)5179, S. 1684–1686.
[3] H
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[4] P rint Projects. Munich Universty of Applied Science.
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[5] H artmann, Olaf et al.: Touch! Der Haptik-Effekt im multisensorischen
Marketing. Haufe Gruppe. München 2016, S. 24 – 25
[6] Moosheimer, Ulrich.: Schalteranordnung. 2016, EP 15 195 211.6
47
48
Big Data als Chance
für die Druckindustrie
—
Reinhard Riedl
Big Data schafft grosses Innovationspotenzial
für die Wirtschaft. In diesem Beitrag wird erklärt,
wie Big Data im Wesentlichen funktioniert, worauf
es bei Big Data in der Praxis ankommt und welche
Innovationsmöglichkeiten Big Data für die Druck­
industrie bietet.
Das «Konzept» von Big Data
Es gibt für Big Data viele Definitionen. Im Wesen­
tlichen aber geht es darum, aus Daten Informatio­
nen herauszuholen, die in den Daten implizit
verborgen sind. Dabei hat es man oft mit komple­
xen, in sich heterogenen Datenstrukturen und feh­
lerbehafteten oder zweifelhaften Daten zu tun –
und natürlich auch mit vielen Daten. Denn das
Besondere an Big Data ist unter anderem, dass man
dabei ganz bewusst Kraut und Rüben mischt – das
heisst: Man führt unterschiedliche Daten zusam­
men – und dass man Korrelationen interpretiert,
ohne über ein theoretisches Modell der Wirklichkeit
zu verfügen. Das bedeutet, dass häufig die nachgän­
gige Überprüfung der Ergebnisse von Big Data die
vorgängige methodische Absicherung ersetzt. Vor
allem wenn es nicht um wissenschaftliche, sondern
um praktische Anwendungen von Big Data geht.
Das Kraut-und-Rüben-Mischen ermöglicht es,
Daten aus unterschiedlichen Quellen zusammenzu­
führen und wesentlich grössere Datenmengen zu
nutzen. Das optionale Arbeiten ohne Modell, nur
mit den «reinen» Daten, vergrössert den potenziel­
len Anwendungsbereich erheblich. Ermöglicht wird
beides durch technische und mathematische Inno­
vationen, die aber Anwender in der Regel nicht ver­
stehen müssen, denn dafür gibt es Spezialisten.
Verstehen sollte man als Anwender aber die daraus
resultierenden Optionen im Umgang mit Daten und
wie diese Optionen in der Praxis angewandt werden
können. Die vielleicht einfachste Option von Big
Data ist das Suchen nach Ähnlichem. Beispielswei­
se kann man bei der Behandlung eines Patienten in
der Medizin nach anderen Patienten suchen, die die
gleiche Krankheit, ähnliche Gene und ähnliche
Biodaten bzw. einen ähnlichen Lebensstil aufwei­
sen. Eine zweite ebenfalls noch relativ einfache
Option von Big Data ist das Schätzen geschäftskriti­
scher einzelner Variablen, beispielsweise die Ant­
wort auf die Frage, ob ein Kunde bereit ist, den
Anbieter zu wechseln. Mit solchen Methoden hat
Obama in seinem zweiten Präsidentschaftswahl­
kampf Wechselwähler identifiziert.
Es gibt aber auch komplexere Formen/Optionen
von Big Data, wie das Suchen nach unbekannten,
aber geschäftsrelevanten Mustern: Vielleicht stellt
sich z.B. heraus, dass gewisse Twitteraktivitäten
viele Kino- oder Restaurantgäste oder ein Ansteigen
der Volatilität der Börsenkurse «vorhersagen».
Möglich ist mit Big Data auch das Suchen nach rele­
vanten Informationslöchern. Diese können auf eine
nicht befriedigte Nachfrage – z.B. im Tourismus –
hinweisen. Et cetera.
Häufige und wichtige Anwendungsformen
Die technischen Formen von Big Data sind zahl­
reich, die Anwendungsformen in der Praxis noch
zahlreicher. Bei aller Vielfalt gibt esaber drei
besonders häufige und zugleich wichtige Anwen­
dungsformen
– Bessere Suchfunktionen
– Personalisierung
– Automatisierte Entscheidungen
Wie bessere Suchfunktionen mittels Big Data
gebaut werden können, habe ich bereits angedeutet.
Neben der Suche nach ähnlichen Fällen bzw. Objek­
ten wird auch die Suche nach verteilten Informatio­
nen möglich und die Vernetzung von Informationen
kann effektiver genutzt werden. Insbesondere
Big Data auf untereinander vernetzten Informatio­
nen bietet spannende neue Möglichkeiten und wird
deshalb aktuell sowohl in der Grundlagenforschung
als auch in der angewandten Forschung untersucht.
Dabei geht es insbesondere darum, die implizit
in Datennetzwerken enthaltenen Informationen
explizit zu machen und zu nutzen. Die aktuell domi­
nierende Anwendungsform von Big Data ist die Per­
sonalisierung. Mittels Big Data wird es möglich,
Angebote oder Leistungen für den Adressaten/
Empfänger masszuschneidern – vom Sonderangebot
im Handel über eine personalisierte Dienstleistung
im Gewerbe bis zur personalisierten Therapie in der
Medizin. Dafür werden Daten einerseits des Kunden
(bzw. Patienten) und anderseits Daten anderer Kun­
den (bzw. Patienten) genutzt. Man kann auch
sagen: Man lernt vom Betroffenen UND von ande­
ren, was die Interessen des Kunden sind (bzw. was
dem Patienten hilft). Das hat den grossen Vorteil,
dass die Leistungen für den Betroffenen mehr Wert
bieten, und den kleinen Nachteil, dass der Betroffe­
ne seiner eigenen Möglichkeiten zum Lernen teil­
weise beraubt wird, weil er weniger unterschiedli­
che Erfahrungen macht und weniger oft etwas
Neues kennenlernt. Er befindet sich nämlich im
sogenannten «Filter-Bubble» der Personalisierung.
«Big Data rechnet
oft gänzlich anders als
Menschen denken»
Bei den automatisierten Entscheidungen stehen
wir erst am Anfang. Die Idee ist hier, mit Big Data
menschliches Bewerten und Entscheiden gänzlich
zu ersetzen. Big Data ist hierbei eine Spielform der
Künstlichen Intelligenz, allerdings eine spezielle.
In der (so genannt) Alten Künstlichen Intelligenz
versucht man das menschliche Handeln mit Regel­
werken nachzubilden. In der (so genannten) Neuen
Künstlichen Intelligenz setzt man mit Neuronalen
Netzen auf das Nachbilden von menschlichen
Gehirnvorgängen, spekuliert auf eine dem mensch­
lichen Lernen nachempfundene Emergenz von
Intelligenz aus sensomotorischen Kontrollzyklen
und versucht sich mit der Biologie nachgebaute
intelligenter Materialien/Designs. In der auf Big
Data basierten Künstlichen Intelligenz geht es
dagegen darum, in den Daten Zusammenhänge zu
finden, die für intelligentes Entscheiden genutzt
werden können. Auch dabei spielt eine digitalisierte
Version des menschlichen Lernens eine grosse Rol­
le, aber es wird aus Daten gelernt, die zu gross und
zu komplex sind, als dass sie Menschen mit natürli­
cher Intelligenz nutzen könnten. Das Ergebnis ist,
dass Computer beim Entscheiden häufig auf gänz­
lich andere Dinge schauen als Menschen. Big Data
rechnet oft gänzlich anders als Menschen denken –
mit dem Ergebnis, dass auf Big Data basierte auto­
matische Entscheidungen manchmal viel besser
sind als Entscheidungen von menschlichen Exper­
ten und manchmal katastrophal schlecht.
Die Anwendungsmöglichkeiten für automatisier-­
tes Entscheiden sind schier zahllos, aber bislang
noch kaum genutzt: Wartungsmanagement im
Maschinenpark, Wasserstandsmanagement von
Seen bei zu viel Niederschlägen, Produktdesign und
Design von Werbekampagnen (in Hollywood und
der Musik­i ndustrie spielen Datenalgorithmen
schon lange eine gewichtige Rolle), etc. bis zur
Automatisierung der strategischen Führung von
Unternehmen. Gerade in Grossunternehmen ist die
Automatisierung der Strategiearbeit eine sehr
realistische und vielversprechende Option, weil der
Computer aufgrund der verfügbaren Daten manch­
mal sehr viel näher am Geschäftsalltag ist als
Geschäftsleitungsmitglieder, die primär mit ihres­
gleichen verkehren.
Schwächen und Stärken von Big Data
In der Praxis sind zwei entgegengesetzte Wider­
stände gegen Big Data beobachtbar. Einerseits
haben viele schon das klägliche Scheitern von
Big-Data-Projekten gesehen oder die Arroganz
derer kennengelernt, die ohne Kenntnis des
Anwendungsbereichs meinen, aus den Daten heraus
mehr zu wissen als die Spezialisten für den Anwen­
dungsbereich. Andererseits sind klug designte
Big-Data-Algorithmen oft tatsächlich imstande,
kluge Entscheide vorzuschlagen, was sie bei den
Experten unbeliebt macht. Sie demonstrieren
damit nämlich, dass sie aus den Daten eine bessere
Kenntnis des Anwendungsbereichs abzuleiten
vermögen, als die vorgefassten Meinungen in den
Communities der Experten, die sich aus Erfahrun­
gen der Vergangenheit herleiten.
Die natürliche Schwäche von Big Data ist also, dass
ohne Kenntnis und Modell des Anwendungsbe­
reichs Daten häufig falsch interpretiert werden.
Und die natürliche Stärke von Big Data ist, dass die
richtig ausgewählten Daten den Anwendungsbe­
reich oft sehr präzise abbilden – und so die datenver­
arbeitenden Computer oft «sehr nahe bei den Kun­
den bzw. am Markt sind». Vorerst dominieren in den
Marketing-Versprechen die Stärken und in der Pra­
xis die Schwächen. Aber dies wird sich ziemlich
schnell ändern, wenn der Umgang mit Big Data pro­
fessioneller wird. Und vor allem dann, wenn die
Experten und die Führungskräfte der Anwendungs­
bereiche anfangen, selber mit Big Data zu arbeiten.
49
50
Denn wie genial auch die Algorithmen von
Big Data sind, manchmal ist der Mensch einfach in
der Datenverarbeitung klüger. Vor allem aus zwei
Gründen – das Wissen in den Köpfen der Experten
kann nur eingeschränkt in Form von Künstlicher
Intelligenz den Computern übertragen werden und
in der visuellen Kognition ist die Künstliche
Intelligenz noch nicht konkurrenzfähig mit den
Menschen.
Voraussetzungen für erfolgreiches Big Data
Oft schrecken kleine und mittlere Unternehmen
vor Big Data zurück, weil sie fürchten, an der
Informatik oder der Mathematik zu scheitern, auf
der Big Data basiert. Diese Befürchtung ist (fast
immer) unbegründet. Mathematik- und Informa­
tikkenntnisse können zugekauft werden. Wichtig
ist anderes:
1. E
s braucht klare Fragen in Bezug auf das eigene
Geschäft, die beantwortet werden sollen.
2. E
s braucht Daten UND ein Verständnis von
Bedeutung und Qualität der Daten, die verwendet
werden sollen.
3. Die Daten müssen für die Fragen gut passen.
Der dritte Punkt ist sicher der kritische aus objekt­
iver Problemsicht. In der Praxis scheitern aber viele
Big-Data-Projekte – auch solche mit siebenstelligen
Kosten – vor allem und zuallererst am ersten Punkt.
Wenn ein Unternehmen von Big Data profitieren
will, muss es wissen, was es gerne wüsste – und das
wissen viele nicht!
«Das richtige
Fragenstellen ist die
eigentliche Kunst»
Big Data beginnt in der Wirtschaft also stets
mit unternehmerischer Erfahrung und mit unter­
nehmerischer Kreativität, die gebraucht werden,
um die richtigen Fragen zu stellen. Das richtige
Fragen Stellen ist die eigentliche Kunst bei der
Anwendung von Big Data.
Wer allerdings langfristig und nachhaltig auf Big
Data setzen will, der sollte einen Schritt weiterge­
hen und eine Datenstrategie entwickeln. Diese Stra­
tegie sollte beantworten, wie ein Unternehmen in
Zukunft zu den Daten kommt, die es benötigt, um
die anvisierten geschäftskritischen Fragen zu
beantworten. Denn auch wer die richtigen Fragen
für Geschäftsinnovationen hat, scheitert bisweilen
daran, dass ihm die Daten zu ihrer Beantwortung
fehlen. Zu obigen Erfolgskriterien gibt es zwei
Ausnahmen: Zum einen kann das Suchen nach
unbekannten Mustern auch ohne klare Fragen zum
Erfolg führen, wenn es von jemandem durchgeführt
wird, der den Geschäftsbereich sehr gut kennt und
deshalb beobachtete Muster interpretieren kann.
Es ist allerdings nicht erfolgversprechend und
sinnvoll, diese Suche an Big-Data-Spezialisten ohne
spezifische Kenntnisse der Branche und der aktuel­
len Marktsituation outzusourcen. Sie muss von
den Experten des Anwendungsbereichs bzw. den
Führungskräften des Unternehmens selber durch­
geführt werden und diese müssen über eine Big-Da­
ta-Ausbildung verfügen.
Zum anderen ist es möglich, die eigenen Daten für
andere zur Verfügung zu stellen, entweder direkt
als Daten oder als Dienstleistungen. Die Daten aus
dem eigenen Geschäft enthalten möglicherweise
wertvolles Wissen über das Geschäft der anderen.
Auch hier braucht es aber klare Fragen in Bezug auf
das Geschäft anderer, um den Wert der eigenen
Daten zu erkennen. Zudem ist das im Datenschutz
enthaltene Verbot des Kontextwechsels bei der
Datenverarbeitung bei der Nutzung der eigenen
Daten für das Geschäft besonders einschneidend
und deshalb muss besonders genau hinterfragt wer­
den, ob hier keine Datenschutzverletzung vorliegt.
Ein weiteres Hindernis ist, dass es bislang nur in
Teilbereichen, z.B. der Medizin mit amerikanischen
Datenanbietern, einen Markt für Daten gibt und
dass es sehr wertvolle Daten braucht um als eigen­
ständiger Dienstleister von Big-Data-basierten
Diensten im Markt aufzutreten.
Bisherige Erfolge, zukünftiges
Potenzial und Schlüsselkompetenzen
Bislang gab es spektakuläre Erfolge von Big Data –
wie etwa die zweite Präsidentschaftskampagne
von Obama oder Nate Silvers Datafizierung des
amerikanischen Baseball-Sports –, aber auch eben­
so spektakuläre Flops. Google Flu Trends schien
imstande, aus Suchabfragen sehr präzise Vorher­
sagen über das Ausmass der erwartbaren Grippe­
verbreitung treffen zu können, hat aber vorläufig
den Betrieb eingestellt, weil sich herausstellte,
dass die Prognosen doch nicht so einfach machbar
sind, wie man in der ersten Euphorie dachte.
Trotzdem ist Big Data der Hauptgrund für den gros-­
s­en Wert von Google und Facebook. Beide besitzen
grosse Datenmengen ihrer kostenfreien Nutzer,
beide verfügen über Topforscher im Big-DataBereich, beide valorisieren ihre Daten schon
jetzt als Empfehlungen für Zahlkunden. Und der
Markt schätzt das Potenzial von datenbasierten
Dienstleistungen bei beiden als zukünftig extrem
hoch ein.
Ein Bereich, in dem das Potenzial unbestritten ist,
in dem sich aber die grossen Herausforderungen von
Big Data klarer als anderswo zeigen, ist die persona­
lisierte Medizin. Das Arbeiten mit Daten – ob man
dies dann Big Data nennt oder nicht – ist beispiels­
weise eine wichtige Tätigkeit in der Onkologie.
Dabei zeigt sich, dass Big Data noch mehr als bisher
die interdisziplinäre Zusammenarbeit einfordert –
von den Mathematikern bis zu den Klinikern. Plötz­
lich taucht so auf der Wunschliste der Innovatoren
wieder das längst entsorgt geglaubte Profil des Uni­
versalgelehrten auf, der alle Spezialisten miteinan­
der vernetzt. Es braucht zwar nicht mehr, sondern
weniger Generalisten, aber die wenigen sollten ide­
alerweise Universalgelehrte und am besten noch
genial sein. Zusätzlich gewinnen bei allen Spezialis­
ten in der praktischen Anwendung von Big Data die
Kommunikationsfähigkeiten enorm an Bedeutung.
Big Data ist ein Teamspiel, in dem es darauf
ankommt, selber verständlich zu kommunizieren
UND andere verstehen zu wollen.
Big Data in der Druckindustrie
In der Druckindustrie spielt Big Data vorerst nur
eine marginale Rolle. Will man das Potenzial
ergründen, so muss man sich die Fragen stellen,
a) w
ie die oben beschriebenen Anwendungsmög­
lichkeiten von Big Data in der Druckindustrie und
im Geschäft rund um die Druckindustrie einge­
setzt werden könnten,
b) ob der Markt dies jeweils honorieren würde und
c) o
b die notwendigen Daten und die notwendigen
Fähigkeiten zur Nutzung dieser Möglichkeiten
vorhanden sind oder zumindest mit vernünftigem
Aufwand aufgebaut werden können.
Konkret interessant ist in Bezug auf
a) w
elche Personalisierung möglich sind, wo bei
der Nutzung von Big Data Druckprodukte Anwen­
dung finden werden und wo es Möglichkeiten
gibt, den Betrieb und möglicherweise das Maschi­
nendesign zu optimieren. Dies nicht nur für
51
52
Druckereien, sondern auch für deren Kunden
und die Endkunden. Zusätzlich sollte man fragen,
ob die Daten der Druckindustrie nicht wertvolle
für andere enthalten.
Eine erste Einschätzung ergibt, dass durch die
digitale Transformation ganz allgemein und durch
Big Data im Besonderen sich mittelfristig das
Geschäft der Druckereihauptkunden verändern
wird, dass der Bedarf nach gedruckten Big-Data-­
Visualisierungen steigen wird, dass einige Drucke­
reien ihr Kunden- und Mitarbeitermanagement
optimieren werden, dass einige Druckereien ihre
Druckanlagen-Steuerung optimieren werden und
dass eventuell Big Data auch zu Innovationen
bei den Druckanlagen genutzt werden wird. Unklar
ist das Potential der Nutzung der Daten aus der
Druckindustrie für Big-Data-Dienstleistungen.
Big Data und die Kunden der Druckindustrie
In der Druckindustrie wird Big Data vor allem Kun­
den der Druckereien betreffen. Sie erhalten einer­
seits mit Big Data die Möglichkeit, ihr Verhältnis zu
ihren Kunden, Auftraggebern und Konsumenten, zu
verbessern. Denn sie werden in Zukunft mehr über
ihre Kunden und deren Bedürfnisse wissen als bis­
her, so dass sie diesen personalisierte Angebote
machen werden können – bis hin zu den Angeboten
personalisierter, individuell zusammengestellter
Produkte für die Konsumenten. Beispielsweise wird
ein Teil der Bücher in Zukunft komplimentär zu den
eBooks angeboten werden, wobei eBook und Buch
nicht notwendigerweise die gleichen Inhalte aus­
weisen werden. Und ein Teil der Bücher wird über­
haupt nur mehr für einen Kunden produziert werden
– nicht nur bei den digitalen, sondern auch bei den
gedruckten Büchern. Ähnliches gilt für Zeitschrif­
ten und Werbebroschüren. Darüber hinaus werden
die Formen variieren und z.B. bei Büchern sich nicht
notwendigerweise immer an der Bibliothekskompa­
tibilität orientieren. Mit diesen Individualisierun­
gen werden die Kunden der Druckereien für ihre
Kunden mehr Wert schaffen und dies valorisieren,
sofern sie die Prozesse als Ganzes beherrschen.
Anderseits könnten die Kunden der Druckereien
stark unter Druck geraten – unter anderem durch
das Entstehen neuer Plattformen und durch die
Umsetzung aktueller, aber nicht ganz realitätsfer­
ner Utopien, beispielsweise eines Direktmarkts zwi­
schen Autoren und Lesern oder eines Liquid Pub­
lishing, in dem Inhalte von selbstorganisierten
Communities erstellt werden. Die Digitalisierung
droht beispielsweise im Verbund mit Big Data das
Fachwissen von Verlagen und Zeitungen zu erset­
zen und selbst der Wert einer guten Beziehung
zwischen Verlag und seinen Autoren ist in Gefahr
in einer Liquid-Publishing-Welt, in der Crowds den
Ton angeben. In der Summe wird sich das Geschäft
der Verlagskunden voraussichtlich stark verändern.
Wobei die Geschichte von der besseren Verhand­
lungsposition dank besserer Kenntnis der Ge­
schäftspartner durch Big Data sich vermutlich
als marktverschärfend für alle Involvierten
erweisen wird.
Konsumenten als Veränderungstreiber
Treiber vieler Veränderungen im Geschäft der
Kunden der Druckindustrie werden die Endkunden
sein – so steht zu erwarten –, indem sie auf die einen
Umsetzungen der neuen Möglichkeiten bei der
personalisierten Produktgestaltung sehr positiv
reagieren werden und auf die anderen nicht. Diese
Forderung wird voraussichtlich verbunden sein
mit jener nach besonders hoher Qualität der Druck­
produkte und gleichzeitig (und scheinbar wider­
sprüchlich) mit einer grüneren Entsorgung der
Druckprodukte. In einigen Bereichen werden die
ökologische Nachhaltigkeit des Druckens und die
schnelle und schadstofffreihe Abbaubarkeit der
Druckprodukte grosse Bedeutung gewinnen.
Für die Druckindustrie bedeutet dies, dass sich die
Aufträge an sie ändern werden. Sie wird kleinere
Serien und individualisierte Produkte drucken und
dabei werden Qualität und andere Aspekte eine
noch stärkere Rolle als bisher spielen.
«Big Data hat sehr
viel mit visuell-ästhe­
tischen Aspekten zu tun»
Die Veränderungen in den Märkten ihrer Kunden
bietet aber auch den Unternehmen der Druckindus­
trie die Möglichkeit, dass sie ihr Geschäft ausdeh­
nen und das Geschäft ihrer Kunden integrieren.
Dort wo dies nicht geschieht, werden die Druckerei­
en teilweise neue Kunden bekommen, die ihrerseits
das Geschäft ihrer früheren Kunden übernehmen
werden. All das ist ambivalent, weil es nicht nur
neue Zukunftschancen in Form neuer Geschäfts­
modelle bietet, sondern dadurch potenziell auch
Konflikte zwischen Auftragnehmern und Kunden
schürt und am Ende auch zu einer Marktbereini­
gung bei den Kunden führen könnte und dadurch
die Preise in der Druckindustrie noch weiter unter
Druck setzen könnte.
Big-Data-Visualisierung
Bei der Nutzung von Big Data spielt Kommunikation
eine zentrale Rolle, wie ich oben ausgeführt habe.
Das gilt für eng zusammenarbeitende Big-Data­
Teams ebenso wie für den organisationsweiten Ein­
satz von Big Data. Big Data ist deshalb in der Praxis
nicht nur «Number Crunching», sondern hat auch
viel mit visuell-ästhetischen Aspekten zu tun. Zum
einen können Computer manche Dinge viel schlech­
ter rechnen als sie Menschen sehen, mit ihrer visu­
ellen Kognition ist es noch nicht weit her. Zum
anderen sind Zahlen als Ergebnis von Big Data für
Menschen oft schwierig zu verstehen und damit
schwer zu kommunizieren. Zum Dritten sind Bilder
oft glaubwürdiger als Zahlen. Darum spielt die
Datenvisualisierung bei Big Data eine Schlüssel­
rolle. Komplexe bzw. grosse Datenmengen müssen
meist visualisiert werden, damit sie Menschen ana­
lysieren können, verstehen können und glauben.
Zwar gab es auch Versuche der Sonifikation von
Daten zu analogen Zwecken, doch waren diese nur
in Spezialbereichen erfolgreich.
Die Druckindustrie besitzt viel Kompetenz in der
visuellen Kommunikation. Eine Option wäre, diese
Kompetenz als Dienstleistung anzubieten und so
die Geschäftstätigkeit auszuweiten. Darüber hinaus
wird Bedarf entstehen an kurzfristig ad hoc produ­
zierten gedruckten Datenvisualisierungen in
den unterschiedlichsten Formaten. Hier werden
einfache Bestellbarkeit und Schnelligkeit der
Dienstleistung ebenso eine Rolle spielen, wie die
hohe Qualität der Produkte (trotz deren eventuellen
Wegwerfcharakter) und potentiell auch das
Angebot von Unterstützung bei Produktion der
Visualisierung.
Der Einstieg ins Geschäft mit der Visualisierungs­
beratung könnte gerade über Ad-hoc-Dienstleistun­
gen für Endkunden gelingen. Warum nicht Big-­
Data-Visualisierungen anbieten? Konkret: Warum
nicht anbieten, dass Kunden nur die Daten liefern
und Form und Zahl der Endprodukte bestimmen,
während die Druckerei fachkompetent die Visuali­
sierung vornimmt und so dem Kleinkunden eine
Arbeit abnimmt, die dieser vielleicht gar nicht sel­
ber leisten könnte und die aufgrund eines ad hoc
53
54
entstehenden Bedürfnisses sehr kurzfristig getan
werden muss?
Optimiertes Kundenmanagement
Die Druckindustrie kann Big Data natürlich wie
andere Branchen auch zur Optimierung des Kun­
denmanagements verwenden. Big Data wird ihr
ermöglichen, ihre Kunden besser zu verstehen und
Bedarfsänderungen zu antizipieren. Allerdings ist
das Handlungspotenzial in einem engen Markt
gering. Überdies ist die Möglichkeit, mittels Big
Data Mehrwert durch spezielle Angebote zu schaf­
fen, gering, wenn sich auch ohne Big Data Anbieter
und Kunden gut kennen. Hier wird nur das prakti­
sche Anwenden von Big Data zeigen, wie gross das
Potenzial tatsächlich ist. Big Data hilft vor allem
dort, wo die Kunden wenig bekannt sind und der
Markt noch nicht gesättigt ist. Das heisst in diesem
Fall, wenn es darum geht, neue Kunden zu gewin­
nen, beispielsweise Endkunden, die sich massge­
schneiderte Druckprodukte wünschen, konkret
z.B. Visualisierungen von Open Government Data
(OGD) oder den Druck von anderem offen verfüg­
baren Inhalt. Big Data wird also überall dort eine
wesentliche Hilfe bieten, Kunden besser zu verste­
hen, wo der Versuch gemacht wird, die bisherige
Geschäftstätigkeit auszuweiten. Im etablierten
Geschäft ist das Nutzenpotenzial dagegen deutlich
geringer und sein tatsächliches Vorhandensein
muss konkret erprobt werden.
Optimierung von Anlagensteuerung, Mitarbeitermanagement und Anlagendesign
Für grosse Druckereien bietet Big Data auch die
Möglichkeit, den Betrieb der Anlagen zu optimie­
ren, ebenso wie das Mitarbeitermanagement. Anla­
genoptimierung gibt es an sich schon lange, aber
Big Data ermöglicht es, den zukünftigen Bedarf zu
prognostizieren und so die Anlagen effizienter zu
fahren, die Wartung in Bezug auf das Kosten-Risi­
ko-Verhältnis zu optimieren und die Arbeitskosten
zu minimieren. Leider sind für kleinere Druckereien
die Optimierungsmöglichkeiten eng beschränkt.
Sie können allenfalls bei Investitionsentscheidun­
gen Big-Data-basierte Trendprognosen nutzen.
Analoges gilt für das Thema Mitarbeiterführung.
Datenbasiert wird es in Zukunft möglich sein,
die Produktivität von Mitarbeitenden besser einzu­
schätzen. Wobei dies «vernünftig» zu machen eine
grosse Herausforderung darstellt, weil sich Leis­
tung nicht immer leicht einschätzen lässt. Dazu
kommt, dass eine Mitarbeiterüberwachung in der
Schweiz anders als in den USA selten praktiziert
und nicht wirklich akzeptiert wird und dass auch
die datenbasierte Einschätzung der Mitarbeiterpro­
duktivität bei kleinen Druckereien, in denen der
Chef alle Mitarbeiter gut kennt, kaum Nutzen
bringt. Auch wenn also Big Data im HR Controlling
in vielen Unternehmen einziehen und vor allem
in Grossunternehmen die Mitarbeiterführung
signifikant verändern wird, so ist es eher unwahr­
scheinlich, dass dies in der Druckindustrie eine
grosse Rolle spielen wird.
Eine grosse Unbekannte ist das Big-Data-Potential
im Engineering von Druckanlagen. Wenn man
schon die Anlagensteuerung optimieren kann,
warum nicht gleich das Anlagendesign? Gerade in
Zusammenhang mit veränderten Wünschen der
Kunden und Konsumenten ergibt sich hier ein
Potenzial für Innovationen. Doch wie in anderen
Fällen auch ist unklar, ob das wirklich Big Data ist,
was benötigt wird, oder ob ein fachliches Verständ­
nis der veränderten Bedürfnisse ausreicht. Insofern
Big Data aber auch Anteil an den veränderten
Bedürfnissen hat, hat es mindestens Auswirkungen
auf zukünftige Engineering-Innovationen.
Big-Data-Angebote aus der Druckindustrie
Wie anderswo auch häufen sich in der Druck­indus­t rie Geschäftsdaten an, in denen implizit
Wissen über die Interessen der Kunden und die Inte­
ressen der Kunden der Kunden enthalten ist. Diese
Daten können zum einen wie oben beschrieben
für die Optimierung und/oder Erweiterung der
eigenen Geschäftstätigkeit genutzt werden,
konkret z.B. wenn Erkenntnisse über Endkunden
genutzt werden. Sie können aber zum anderen
auch von anderen genutzt werden, wenn sie als
Big-Data-Dienstleistungen angeboten werden.
Wert wird dabei beispielsweise geschaffen, wenn
die Sicht unterschiedlicher Kunden zusammen­
gefasst wird und das Resultat die Marktentwick­
lung besser wiederspiegelt als die Sicht eines
einzigen Kunden.
Umgekehrt kann die Druckindustrie selber Daten
anderer nutzen, um das eigene Geschäft besser zu
verstehen. Sie läuft aber auch Gefahr, dass ihre
Geschäftspartner – z.B. Logistikdienstleister –
Daten über sie und ihre Kunden nutzen, um ihrer­
seits ihr Geschäft auszudehnen und als Konkurren­
ten aufzutreten. Die Digitalisierung verändert
letztlich die Märkte für alle und macht es schwer,
etablierte Geschäftsmodelle unverändert weiter­
zuführen.
Zusammenfassung
Big Data wird die Druckindustrie verändern, weil
es den Markt verändern wird. Unternehmen in der
Druckindustrie sollten sich verschiedene Frage stel­
len: Ist die Ausweitung des Geschäftsbereichs eine
Option? Drohen wir unseren Wissensvorteil im
Bereich Kenntnis des Markts und der Kunden durch
Big Data zu verlieren und von grossen Anbietern
geschluckt zu werden? Sind neue Dienstleistungen
für Endkunden eine Option? Macht es Sinn, auf
Kompetenzen im Bereich visuelle Kommunikation
zu setzen? Und als grosse Unternehmen: Können
wir die Anlagensteuerung mit Big Data optimieren?
Dort wo Big Data selber eingesetzt wird oder Visua­
lisierungsdienstleistungen angeboten werden,
steht fast nie Big Data selber im Vordergrund,
sondern das Stellen der richtigen geschäftskriti­
schen Fragen, für sich oder für die Kunden. Denn bei
der Nutzung von Big Data geht es in der Praxis nicht
so sehr um Daten und Algorithmen – die entspre­
chenden Expertisen können eingekauft werden –,
sondern um kreative Innovationen im eigenen
Geschäftsbereich. Big Data wird hier einiges ermög­
lichen, aber seine Nutzung ist in der Praxis nicht
einfach.
55
56
Marketing als Chance für
Printunternehmen
—
Martin Blatter
Marketing heisst Kunden gewinnen und vor allem
halten. Damit ist klar: Wer in einem Verdrängungs­
markt und damit in Zukunft überleben will, der
kommt nicht am Marketing vorbei. Denn die
Zukunft wird in der Gegenwart gestaltet. Die Zitate
im Artikel sind von Brancheninsidern, welche ihre
Erfahrungen und Marketinggrundsätze weiterge­
ben und einen Blick in die Zukunft werfen.
Das Marketing wird in vielen Printunternehmen
oft stiefmütterlich behandelt. Grund: «Eine traditio­
nelle Druckerei stellt das Handwerk in den Mittel­
punkt. Alles dreht sich um die eigenen Maschinen,
die eigenen Abläufe und wie man den Kunden
irgendwie in diese Prozesse einbinden kann.»1
Lieber eine neue Druckmaschine kaufen statt ins
Marketing investieren. Dies ist typisch für hand­
werklich orientierte Branchen: «Bei der Maschine
sehe ich wenigstens was, bei den Investitionen ins
Marketing sehe ich nichts», ist die oft gehörte
Begründung. Nur: Solche Aussagen zeigen das
Marketing-Missverständnis. Denn die Anschaffung
einer neuen Druckmaschine hat viel mit Marketing
zu tun. Marketing ist weit mehr als Werbung.
«Vermutlich stand in den goldenen Zeiten des
Druckwesens die technische Denkweise vor der
betriebswirtschaftlichen.»2
«Bei den technischen Investitionen sehe ich eine
niedrige Fehlerquote. Es gibt sehr gute Erfahrungs­
berichte, zudem stehen heute die Hersteller zur
Seite und verkaufen nicht einfach jedermann die
neuste Technologie. Vielmehr sehe ich Gefahren
durch die Fehleinschätzung des Marktes.»3 Tipp:
Gute Chefs planen jeden Tag im Schnitt 30 Minuten
für Marketingaktivitäten ein. Allerdings wirkt
Marketing selten über Nacht. Wirkung zeigt ander­
seits nur eine gute Marketingplanung. «Just in
einem Verdrängungsmarkt überleben nur die mit
der richtigen Strategie. Unternehmen, die ‹auf gut
Glück› in die Zukunft gehen, leben gefährlich.
Harte Arbeit allein genügt heute nicht mehr. Es
braucht eine strategische Planung.» 4
Kommissar Zufall hat keine Zukunft
Bei Kleinbetrieben regiert oft Kommissar Zufall.
Schon Seneca 5 meinte, es gebe keine günstigen
Winde für jenen, der nicht wisse, wohin er segeln
wolle. Gerade im Marketing ist es eine Kunst, die
richtigen Winde zu spüren und dann hart am Markt
zu segeln. Fingerspitzengefühl hat im Marketing
nach wie vor seine Daseinsberechtigung, wie ein
erfahrener Seebär beim Segeln die Windverhältnis­
se in seinem siebten Sinn hat.
Oft besteht der Marketing-Plan aus ein paar «losen»
Ideen im Kopf des Chefs. Dabei ist ein Marketing­
plan ohne viel Aufwand machbar. Gründe für das
Fehlen von Marketingplänen: Im Stress des Tages­
geschäftes bleibt keine Zeit zur Planung. Nur: Wer
plant, delegiert und kontrolliert, setzt mehr um!
«Da sich der Markt so schnell verändert, müssen wir
heute fast alle drei Jahre die Strategien anpassen.6 »
Eine gute Marketingplanung ist dynamisch, wie die
Abbildung unten zeigt. Zuerst braucht es eine
genaue Analyse, die heute immer wieder gemacht
Analyse
SWOT / Konkurrenz
Erfolgskontrolle:
Zielüberprüfung und
Anpassungen
Massnahmen:
Was? Wie? Wann? Wer?
Zielgruppen
Zielpersonen
Ziele und Strategien
festlegen
Marketing-Mix:
Einsatz der 7 P wie Product,
Price, Place, Promotion,
People, Physical Evidence,
Process
Abb. 1 In einem Verdrängungsmarkt ist das konzeptio­nelle
Vorgehen mit einer dynamischen Planung entscheidend.
werden muss. «Das Kundenverhalten ändert sich
mit den Neuen Medien im Jahresrhythmus.»7
Strategische Erfolgsposition SEP
Nach der Analyse werden die Zielgruppen sowie
Zielpersonen bestimmt, klare Ziele formuliert und
die Strategien gesetzt: «Die strategische Planung
bildet die Grundlage für den unternehmerischen
Erfolg. Es ist die Grundlage für das unternehmeri­
sche Handeln und ermöglicht das Festlegen und
Erreichen der unternehmerischen Ziele.» 8 Ziele und
Strategien, welche nur der Chef im Kopf hat, brin­
gen kaum Erfolg. «Eine Strategie ist der Weg zum
Ziel. Jedes noch so kleine Unternehmen muss sich
diesen Richtungsentscheiden stellen. Nur schrift­
lich festgehaltene Ziele und Strategien können spä­
ter auch überprüft werden. Wer das Soll nicht fest­
legt, der wird dies auch nicht erreichen.»9 Bei den
Strategien braucht es eine klare Positionierung.
Beispiel: Wer ein Mineralwasser einkauft, ist bereit
für ein Produkt mehr zu bezahlen, wenn es das
Gesundheits-Image hat. Für einen Durstlöscher
wird weniger Geld ausgegeben. Im Marketing-Jar­
gon: Jedes Produkt hat ein ganz bestimmtes Image,
ist in den Köpfen der Kunden ganz anders positio­
niert. Dabei zählt nur die Positionierung, welche
im Kundenkopf ist. Deshalb verlangt eine Positio­
nierung eine professionelle Werbung.
Wer Marketing betreibt, muss sich auch in Zukunft
an einige Grundregeln halten. Wie der Autofahrer
gewisse Signale beachten muss, darf die Marke­
ting-Frau oder der Marketing-Mann auch nicht
blindlings durchstarten. Eine Regel haben wir mit
der Positionierung schon gesehen. Eine andere wich­
tige Marketingregel ist die Suche nach einer Einzig­
artigkeit. Im Marketing-Jargon nennt sich das USP
(Unique Selling Proposition, einzigartiger Produkte­
vorteil). Machen wir mal einen kleinen Test: Schlie­
ssen Sie die Augen und stellen Sie sich einen typi­
schen Schweizer Berg vor. Wetten, Sie haben das …
Am Schluss des Artikels sehen Sie die Lösung (vgl.
Nachtrag 1). Es ist diese Einzigartigkeit, die den klei­
nen Unterschied zu den anderen ausmacht. Ein star­
ker USP, der kaum kopiert werden kann, wird auch
als Strategische Erfolgsposition SEP umschrieben.
Uniques statt Preisdumping
Glücklich, wem die Natur ein USP gibt, die anderen
müssen eines kreieren. Dabei lohnt sich das Kreie­
ren mehrerer Einzigartigkeiten, weil die besten Ide­
en gerne kopiert werden. Machen Sie sich auf die
Suche nach AAAA-Angeboten, welche Anders Als
Alle Anderen sind. Solche Einzigartigkeiten können
beispielsweise in der Werbung sein. Machen wir
wieder mal einen kleinen Test: Schliessen Sie die
Augen und stellen Sie sich eine Plakatwerbung von
einer Schweizer Versicherung vor! Wetten, Sie
haben … Die Auflösung sehen Sie am Schluss dieses
Artikels. (vgl. Nachtrag 2) Solche Einzigartigkeiten
werden im Marketing als UAP (Unique Advertising
Proposition, einzigartige werbliche Alleinstellung)
bezeichnet.
Es gibt noch andere Uniques. Gewisse Unternehmen
schreiben sich gar ein UMP (Unique Marketing Pro­
position) zu. Beispiele sind hier Apple oder Redbull.
Wie auch immer: Wer ein Unique hat, der hat es auf
dem Markt leichter. Wer keine Einzigartigkeit hat,
der kann sich nur noch im Preis unterscheiden.
«Heute muss jedes Druckunternehmen sein eigenes
Geschäftsmodell aufspüren und entwickeln, sonst
wird es zwischen Internet und Online-Druck zer­
drückt.»10 Ein anderer Brancheninsider formuliert
es so: «Wenn ich mich in der grafischen Branche
umschaue, dann sehe ich langfristig zwei Arten von
Firmen. Solche, welche Lösungen für Kommunikati­
onsbedürfnisse bieten. (…) Daneben wird es Unter­
nehmen geben, die sich völlig auf die Produktion
konzentrieren und dort die besten und effizientes­
ten sind. Dazwischen dürfte es nicht mehr viel
Raum für andere Strategien haben.»11
Richtigen Weg (Strategie) wählen
Die Strategie ist der Weg zum Ziel. In einem Verdrän­
gungsmarkt müssen neue Wege gesucht werden.
«Mit dem ‹Weitermachen wie bisher› wären wir
im Verdrängungswettbewerb innerhalb der Druck­
industrie gegen die Wand gefahren. Da waren neue
Strategien gefragt. Wir mussten neue Wege beschrei­
ten. Für uns war klar: Wir können uns nicht allein
durch Produkte oder Produktionsverfahren differen­
zieren. Wir müssen Wettbewerbsvorteile vor
allem durch Dienstleistungen und Kundenservice
erzielen.»12 Neue Wege lassen sich nicht in den
  1 viscom print & communication | Nr. 6 | 18. März 2014
  2 viscom print & communication | Nr. 12 | 21. Juni 2016
  3 viscom print & communication | Nr. 12 | 21. Juni 2016
  4 viscom print & communication | Nr. 6 | 15. März 2016
  5 Lucius Annaeus Seneca († 65 n. Chr.) war ein römischer Philosoph,
Dramatiker, Naturforscher, Politiker und als Stoiker einer der
meistgelesenen Schriftsteller seiner Zeit.
  6 viscom print & communication | Nr. 8 | 19. April 2016
  7 viscom print & communication | Nr. 6 | 15. März 2016
  8 viscom print & communication | Nr. 6 | 15. März 2016
  9viscom print & communication | Nr. 8 | 19. April 2016
10 viscom print & communication | Nr. 8 | 19. April 2016
11 viscom print & communication | Nr. 1/2 | 27. Januar 2015
12 viscom print & communication | Nr. 8 | 19. April 2016
57
58
Return
on Ivestment
(ROI)
Differenzierung
Kostenführerschaft
«zwischen den
Stühlen»
Marktanteil
Abb. 2 Die Zeiten der eierlegende Wollmilchsau sind auch in der Printbranche vorbei. Konkret: Eine Druckerei, die nur Vorteile hat, alle Bedürfnisse befriedigt und allen
Ansprüchen genügt, gibt es in Zukunft nicht mehr. Nach Porter stellt sich folgende
Strategie-Entscheid: Entweder Massenhersteller oder Spezialist. (nach Porter 1999)
Abendstunden finden. Es braucht zuerst den Blick
in die weite Ferne – sprich eine Vision. «Wir haben
uns neue Visionen gegeben. Wir wollen einerseits
der Technologie-Führer im Offsetdruck sein, stellen
dabei die Mitarbeitenden ins Zentrum und suchen
mit besonderen Serviceleistungen die Kundennähe.
Der Weg zu diesen Visionen beziehungsweise Zielen
ist ja bekanntlich die Strategie.»13 Die Vision blickt
weit in die Zukunft und sollte nicht zu detailliert
sein. Der Horizont ist mit der Vision in Sicht. Jetzt
müssen die Wege zum Horizont gesucht werden.
Wer sich im Leitbild als Technologie-Pionier sieht,
der muss am Ball bleiben: «Wir suchen immer nach
den neusten Technologien. Beispielsweise haben
Gesamtmarkt
Teilmarkt
Zielmarkt
Strategischer Vorteil
Besondere Produktemerkmale
Kostenvorsprung
Differenzierung
Kostenführerschaft
Nischenstrategie
Abb. 3 Eine der Strategien mit Zukunft ist laut Wirtschaftsexperten die soge­
nannte Nischenstrategie. Mit dieser Strategie ist nur erfolgreich, wer Kosten senkt,
die richtige Zielgruppe erreicht und zufriedenstellt sowie ein unverwechselbares
Profil hat. (Strategien nach Porter 1999)
wir dank der neuen Speedmaster XL 75 LED neben
den besseren Druckergebnissen auch eine breitere
Materialvielfalt. Wir können heute auf Naturpapier
ein richtiges Weiss drucken.» 14 Erfolgsrezept: Den
Horizont nicht aus den Augen verlieren und dabei
ständig nach neuen Wegen Ausschau halten: «Die
Triebfeder für unser Geschäftsmodell war die
Annahme eines kontinuierlichen Wandels in unse­
ren Branchen. Dafür müssen wir offen, neugierig
und suchend bleiben. Trotzdem werden wir nie
genau wissen, wann ein nächster, geschäftlich rele­
vanter Wandel ansteht.» 15 Die Richtung, welche in
der Vision eingeschlagen wurde, muss allerdings
beibehalten werden. «Die Grundidee bleibt. Unser
Erfolgsfaktor ist, dass wir uns seit dem Anfang auf
ein Marksegment und ein Angebotspaket konzent­
riert und spezialisiert haben. Noch heute unter ste­
tigem technologischem Wandel tun wir fast unver­
ändert das Gleiche wie beim Start. Die Vision war
damals wohl richtig.» 16
Nischenstrategie
Druckereien bieten oft gleichartige Produkte und
Dienstleistungen an. Wer das anbietet, was alle
machen, der bleibt im Mittelfeld und unterscheidet
sich meist nur noch im Preis. Wer sich intensiv mit
Marketing beschäftigt, wird folgerichtig eigene
Ideen und Kreativität entwickeln. «Genau in den
betreffenden Problemlösungen finden wir unsere
Nischen und erreichen so eine höhere Kundenbin­
dung. Oft zeigen wir dem Kunden auch neue Mög­
lichkeiten auf, an die er nicht einmal denkt.»17 Spe­
zialisierung ist beispielsweise ein guter Weg für
mehr Wirkung. «Das erreichen wir, indem wir dem
Druckprodukt zum Beispiel durch das Verknüpfen
mit den Online-Medien oder durch spezielle Ausfüh­
rungen etwa mit einem Relieflack zusätzlichen
Anwendernutzen und Wert verleihen», folgert
ein Mitarbeiter einer Druckerei, welche auf Cross­
media-Angebote setzt.18
Spezialisierung kann sich auch auf das Dienstleis­
tungs-Marketing beziehen, vgl. Abb 4. 4 P versus 5
K. Die Zukunft gehört den Unternehmen mit unver­
wechselbaren Dienstleistungen. Dienstleistungen
können aber nur mit den Mitarbeitenden MA
zusammen gestaltet werden. Grund: Dienstleistun­
gen entstehen zwischen MA und Kunden. Hierzu ist
eine gute Unternehmenskultur Voraussetzung. Fol­
gende Bemerkungen sind in einer guten Dienstleis­
tungskultur verpönt, haben keine Zukunft: «Das
macht man heutzutage so!» Oder: «Die anderen
machen das auch so!» Erfolgreiche Unternehmen
brauchen echtes Alleinstellungsmerkmale. Aller­
4 P versus 5 K
K
P
immer die billigste Lösung anbieten, aber wir kön­
nen unseren Kunden die beste Lösung für das jewei­
lige Bedürfnis zur Verfügung stellen. Hier können
wir unsere Stärken ausspielen.»21
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5K
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Promotion
Public Relation/Werbung
Verkaufsförderung/Verkauf
Place/Vertrieb
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Kundensicht
Sprechen wir die richtigen Kunden an?
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Pr
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Abb. 4 Die 4 Ps müssen in Zukunft noch vermehrt
Product: Druckerei
ist Dienstleistungs-Marketing
«Massgebend für den Kunden ist, dass er ein ein­
wandfreies Produkt dann erhält, wann er es will. In
diesem Zusammenhang können wir von einem
Optimalfall dann sprechen, wenn wir jene Kunden
ansprechen, die zu uns passen. In einer Beziehung
zwischen Lieferant und Kunde geht es im Prinzip
darum, dass beide Parteien etwas voneinander wol­
len. Am Ende sollte also nicht nur der Kunde glück­
lich sein. Der Unternehmer sollte es auch sein. Geld­
verdienen gehört nun mal dazu, um längerfristig
das tun zu können, was einem Freude bereitet. Das
geht bekanntlich nur, wenn wir gut sind in dem,
was wir tun»22, so ein Gründer und Geschäftsführer
einer kleinen Druckerei.
mit den Augen des Kunden gesehen werden. Aus den 4 Ps
werden 5 Ks. (Idee nach Kotler 2006)
dings: «In der Schweiz stösst Neues immer zuerst
auf Skepsis» 19, stellt ein Mitarbeiter einer Druckerei
fest. Ein Geschäftsführer sieht seine Einzigartigkeit
wie folgt: «In unserem Fall sind wir als reiner
Digitaldruck-Anbieter entsprechend ausgerichtet
für kleine und mittlere Auflagen und wollen unse­
ren Kunden in diesem Bereich einen Mehrwert bie­
ten, indem wir Qualität in Bezug auf Beratung,
Dienstleistungen und Druckprodukte anbieten.
Es ist nicht unser Ziel, mit einem Offsetauftrag von
10 000 Broschüren mithalten zu wollen. Das ist
betriebswirtschaftlich nicht möglich.» 20
Der richtige Instrumenten-Mix
In der strategischen Planung wird das Zusammen­
spiel der Marketing-Instrumente definiert. Wie bei
einer Musikband müssen die Instrumente aufeinan­
der abgestimmt werden. Der Mix muss stimmen,
muss harmonisch wirken wie in einer Musikband, in
der beispielsweise nicht das Schlagzeug die anderen
Instrumente übertönt. Im Marketing haben wir 4Ps:
Product, Price, Place (Vertrieb) und Promotion.
Beim Dienstleistungsmarketing, und dazu gehören
auch die meisten Druckereien, kommen noch die
3 Ps hinzu – vgl. weiter unten. Erfolgreiche Unter­
nehmen brauchen in Zukunft ein ausgeklügeltes
«Marketing-System», mit dem Kunden mit den ver­
schiedensten Angeboten und Instrumenten gezielt
zum Kauf geführt werden. «Wir können nicht
Drucken ist Handwerk. Der Kundenkontakt aller­
dings ist eine Dienstleistung. «Eine Druckerei ist
kein Gewerbe- oder Industriebetrieb mehr wie frü­
her, sondern ein Dienstleistungsunternehmen. Das
heisst, wir drucken nicht für unsere Kunden, son­
dern wir befriedigen ihre Kommunikationsbedürf­
nisse. Ich glaube, das haben viele traditionelle Dru­
ckereien bis zum heutigen Tag nicht richtig
verstanden»23, meint ein Inhaber einer Druckerei.
Deshalb sollten Druckereien auch Dienstleis­
tungs-Marketing betreiben. Zu diesem Schluss
kommt auch Mitinhaber einer Druckerei: «Wir
sehen uns in erster Linie als Dienstleister, welcher
weit über das Drucken hinausgeht. Mit unseren
Leistungen wollen wir Menschen, vorzugsweise
unsere Kunden, begeistern. Der Kundenservice ist
für uns zentral. Der Kunde muss sich bei uns vom
ersten Kontakt bis zur Auslieferung wohlfühlen.»24
Ein Branchen-CEO: «…wir haben uns vom industri­
ellen Produzenten zusätzlich zum Dienstleister
13 viscom print & communication | Nr. 8 | 19.April 2016
14 viscom print & communication | Nr. 8 | 19.April 2016
15 viscom print & communication | Nr. 9 | 3.Mai 2016
16 viscom print & communication | Nr. 9 | 3.Mai 2016
17 viscom print & communication | Nr. 9 | 3.Mai 2016
18 viscom print & communication | Nr. 15/16| August 2015
19 viscom print & communication | Nr. 15/16| August 2015
20 viscom print & communication | Nr. 1/2 | 27. Januar 2015
21 viscom print & communication | Nr. 15/16| August 2015
22 viscom print & communication | Nr. 1/2 | 27. Januar 2015
23 viscom print & communication | Nr. 6 | 18. März 2014
24 viscom print & communication | Nr. 8 | 19.April 2016
25 viscom print & communication | Nr. 15/16| August 2015
59
60
Abb. 5 Im Marketing-Mix genügen in Zukunft die
4 Ps – Product, Price, Place, Promotion – nicht mehr. Grund:
Viele Druckereien können sich nur noch durch ihre Dienst­
leistungen unterscheiden. Im Dienstleistungsmarketing
müssen daher die Mitarbeiter/innen durch internes Marketing
richtig motiviert, mit dem interaktiven Marketing die Prozesse
zu den Kunden optimiert und die richtigen Signale gesetzt
werden.
People
Product/Place
Price/Promotion
r
te
ne
s
M
ar
t
ke
in
g
Wenn sich die Stammkunden-Bedürfnisse ändern,
dann muss ich mein Angebot auch ändern. «Die
Hotels könnten ihren erheblichen Jahresbedarf an
Drucksachen auch mit ausländischen Anbietern
abdecken, wenn es nur um den Einkauf von Druck­
produkten ginge. Doch mit unseren Beratungs- und
Agenturdienstleistungen helfen wir ihnen direkt,
sich markttechnisch gut zu positionieren. Die damit
verbundenen Druckaufträge sind eher ein Folgeund Nebeneffekt.»26Das Erkennen der Kundenbe­
dürfnisse ist das A und O im Marketing. «Wer sich
Unternehmen
Ex
gewandelt.»25 Bei den Dienstleistungen spielen drei
neue Instrumente mit: People (Menschen), Physical
Evidence (Beweis durch Augenschein) und Process
(Ablauf). Bei Dienstleistungen ist unter anderem
das interaktive Marketing wichtig. Konkret: Der
Austausch zwischen Druckerei-Mitarbeitenden MA
und Kunden. Dabei ist das Auftreten der Firma und
der MA (Physical Evidence) sehr wichtig. Hinzu
kommt wie der Kunde den Beratungs-Ablauf (Pro­
cess) empfindet. Bei den Dienstleistungen spürt der
Kunde sofort, ob der MA «gut drauf» ist. Deshalb
sollte das interne Marketing richtig funktionieren.
Wenn sich der MA schon morgens wegen falscher
oder fehlender Informationen aufregt, dann könnte
auch der Prozess zum Kunden darunter leiden.
g
Interaktives
Marketing
in
Process
Kunden fragen oft gezielt nach bestimmten Leis­
tungen. Fragen Sie nach den dahinterstehenden
Bedürfnissen und Wünschen. Unternehmen kennen
nicht genau die Bedürfnisse, Wünsche und Anfor­
derungen ihrer Kunden. Ich unterstelle: Die Kunden
wissen oft selbst nicht so genau, was sie wollen. Ein
Geschäftsleiter und Inhaber einer Druckerei: «Unser
Fokus liegt darin, die Bedürfnisse unserer Kund­
schaft zu befriedigen. Genau hinhören und spüren,
was der Kunde will – so einfach ist das –, denn nur
daraus entwickeln sich nachhaltige Erfolgskonzep­
te, egal ob dabei an Vermarktungskanäle oder Print­
produkte gedacht wird.» 29 Um sich vom Wettbe­
werb abzuheben, müssen Sie genauer als der
Wettbewerb den Bedarf ermitteln und dann
bedarfsgeleitet bieten. Die Unternehmen, welche es
verstehen, die Bedürfnisse der Kunden genau zu
erkennen und zu befriedigen, steigern die Erfolgs­
quote erheblich. Ein Mitarbeiter einer Druckerei:
«Indem wir unseren Kunden Marketinglösungen
anbieten, gewinnen wir Druckaufträge.» 30 Diese
Bedürfnisse sind die Qualitätsstandards, die jedem
Mitarbeitenden bekannt sind. Beispiele: Eine
Mail-Anfrage wird am gleichen Arbeitstag beant­
ke
t
Internes
Marketing
Physical
Evidence
Promotion
ar
People
Price
sM
Place
ne
Product
te
r
Externes Marketing
allein auf den Druck festlegt, der wird es nicht ein­
fach haben in Zukunft. Wir haben heute die drei
Geschäftszweige Media, Druck und Logistik.
Konkret haben wir unsere Wertschöpfungskette
verlängert.»27 Wie in anderen Branchen geht der
Weg möglicherweise vermehrt hin zum Dienstleis­
tungsunternehmen: «Vielleicht müssen auch Off­
setdruckereien in Zukunft vermehrt Servicemög­
lichkeiten und weniger die Technik verkaufen.»28
In
Die sieben Ps
im Dienstleistungsmarketing
Interaktives Marketing
Mitarbeiter
Physical Evidence/Process
Kunden
Abb. 6 Dem Dienstleistungsmarketing gehört die Zukunft.
Dies ist allerdings anspruchvoll, da neben dem externen vor
allem das interne wie auch interaktives Marketing betrieben
werden müssen. (nach Kotler/Bliemel 2001)
Place/Vertrieb: Wie kommt meine Dienstleistung
zum Kunden? Bekanntlich führen verschiedene
Wege nach Rom. Einige Betriebe haben den Inter­
net-Kanal entdeckt. Ein wichtiger Kanal bei vielen
Druckereien ist nach wie vor der persönliche Kon­
takt und hier wiederum bestehende Kunden. Meist
ist es einfacher, den Umsatz mit Stammkunden zu
entwickeln, als einen neuen Kunden zu gewinnen.
Dabei gilt folgender Grundsatz: Zufriedene Kunden
kommen wieder. Begeisterte Kunden «verkaufen»
zudem das Unternehmen durch Weiterempfehlun­
gen. «Mit unseren Produkten wollen wir Wirkung
erzielen und unsere Kunden und natürlich auch
deren Kunden begeistern», so ein CEO34. Auch verlo­
ren gegangene Kunden der letzten Jahre können
eventuell wieder aktiviert werden. Mut und gute
Vorbereitung vorausgesetzt, stehen die Chancen
meist nicht schlecht. Stammkunden sind zudem ein
ideales Potenzial fürs Weiterempfehlungs-Marke­
ting. Viele Kunden empfehlen gerne und müssen
dazu lediglich motiviert werden. Für Unternehmen,
die durch zu wenig Umsatz eine unbefriedigende
Gewinnsituation haben, ist diese Marketingmass­
nahme überlebenswichtig.
Wer alle Kunden gleich behandelt, der begeht einen
Marketing-Fehler, der den Gewinn massiv reduzie­
ren kann. Marketing der Spitzenklasse betreibt, wer
Preisstrategien
Preisniveau
hoch
Matrix mit Hochpreis-, Tiefpreis- und wertorientierter Preisstrategie
Hochpreisstrategien:
Ausrichtung auf
bestimmte Kunden durch
hohes Preisniveau.
Hochpreisstrategien
Wertorientierte
Preisstrategien:
Preise der angebotenen
Leistung entsprechen
genau dem Kundenwert.
Wertorientierte
Preisstrategien
gering
wortet.
Price: Wer keine Unterschiede in den anderen Mar­
keting-Instrumenten hat, der unterscheidet sich
meist im Preis. Dabei wird oft kurzsichtig entschie­
den und das böse Erwachen folgt später. «Die gröss­
te Sorge ist ein zu geringer Cashflow aufgrund von
Überkapazitäten und des damit verbundenen Preis­
druckes. Dadurch wird das Geld für künftige Inves­
titionen fehlen.» 31 Auch hier gilt wieder der Marke­
tinggrundsatz des Vorausschauens. «Aus meiner
Sicht überlebt die Druckerei, die ihre Finanzen im
Griff hat und heute genügend Cashflow erzielt, um
die künftigen Investitionen zu tätigen. Investitio­
nen wohlgemerkt, die nicht nur finanziell machbar
sind, sondern durch eine profunde Unternehmens­
strategie vorgegeben werden.» 32 Ein Mitinhaber
einer Druckerei formuliert wie folgt: «Die Prozess­
optimierung ist für jede Druckerei ein Alltagsge­
schäft. Beispiel: Auch bei uns sinken die Auflagen.
Damit müssen wir die Anzahl Aufträge pro Tag
erhöhen, für die gleiche Auflagemenge erhalten.
Dies können wir nur durch die Optimierung des
Workflows erreichen. Das heisst nichts anderes als
noch vermehrt automatisieren und standardisieren,
damit die Kosten sinken.»33
61
Tiefpreisstrategien
gering
Leistung (Kundenwert)
Tiefpreisstrategien:
Traditioneller Ansatz mit
Produktion zum möglichst
niedrigsten Preis.
hoch
Abb. 7 Die richtige Preisstrategie zu finden, ist wohl eine der grössten
Management-­Herausforderungen für die Zukunft. Dabei liegt das Augenmerk auf
den Cashflow, damit das Geld für künftige Investitionen vorhanden ist.
die Kundenliste sorgfältig segmentiert. Fazit: Mit
den A-Kunden werden Sie häufiger und auf besonde­
re Art und Weise kommunizieren. Auch das Datum
des letzten Auftrages ist ein wichtiges Kriterium bei
der Selektion. Ein Kunde, der regelmässig bei Ihnen
druckt, wird eher reagieren als ein Kunde, dessen
Auftrag zwei Jahre zurückliegt. Beide Kunden müs­
sen verschieden und vermutlich mit anderen Wer­
beträgern angesprochen werden. Einige Unterneh­
men haben leider keine eindeutige Kern-Zielgruppe,
keine klare Zielgruppenausrichtung und arbeiten
nach der Streu-Methode und verpulvern buchstäb­
lich Geld. Ein Insider: «Man soll eben nicht nur
immer das machen, was im Markt nachgefragt wird,
sondern man muss versuchen, Dienstleistungen
und Produkte zu verkaufen, von denen die Kunden
bislang gar nicht wussten, dass sie die brauchen.»35
Promotion: «Als Drucker bin ich in einer Art das
Medium zwischen Unternehmen und User, wie es
im heutigen Jargon heisst. Da muss ich immer
schauen, wie sich das Medienverhalten ändert, und
dies dem Kunden sagen können.»36 Das war früher
einfacher, da die Kunden weit weniger Medien zur
26 viscom print & communication | Nr. 1/2 | 27. Januar 2015
27 viscom print & communication | Nr. 8 | 19. April 2016
28 viscom print & communication | Nr. 9 | 3. Mai 2016
29 viscom print & communication | Nr. 1/2 | 27. Januar 2015
30 viscom print & communication | Nr. 15/16| August 2015
31 viscom print & communication | Nr. 12 | 21. Juni 2016
32 viscom print & communication | Nr. 12 | 21. Juni 2016
33 viscom print & communication | Nr. 9 | 3. Mai 2016
34 viscom print & communication | Nr. 15/16| August 2015
35 viscom print & communication | Nr. 6 | 18. März 2014
36 viscom print & communication | Nr. 9 | 3. Mai 2016
Faktoren
der Dienstleistungsqualität
Höflichkeit
Zuvorkommenheit
Respekt
Freundlichkeit
Verfügbarkeit
Leistungsbereitschaft
Bekanntheitsgrad
Richtige und rechtzeitige
Leistungserstellung
Beschwerdeverhalten
Kenntnisse
des Kundenverhaltens,
Fingerspitzengefühl
Materielles Umfeld
Gebäude, Ausstattung
und Hilfsmittel
Bekanntheitsgrad
Erscheinungsbild
Referenzen
Auszeichnungen
Kontaktbequemlichkeit
Einfache Erreichbarkeit,
kurze Wartezeiten,
günstige Lage
Kommunikation
Informationsbereitschaft
und -fähigkeit
Fachkompetenz
Ausbildung
Fähigkeiten
Dauerhaftigkeit
Nachhaltigkeit
Sicherheit
Finanzielle und
materielle Sicherheit,
Vertraulichkeit
Verständnis
Bedürfnisse
der (Stamm-)Kunden
kennen
Auftreten
Mitarbeiter
Persönlichkeit
Aussehen
Zuverlässigkeit
Schnell und pünklich,
Anfragen sofort erledigen
Glaubwürdigkeit
Ehrlichkeit, Ruf
Vertrauenswürdigkeit
Die Dienstleistungsqualität kann in einer Pyramide dargestellt werden. Fehlt ein Baustein oder ist er schwach, leidet die Stabilität
und damit die Dienstleistungsqualität. (nach Kobjoll, 2006)
Information nutzten. Da genügte oft ein Plakat oder
ein kleiner Prospekt. In der heutigen Medienvielfalt
braucht es schon ein eigens geschaffenes Orchester,
um auf dem Markt gehört zu werden. Im Klassikjar­
gon: Früher und teilweise auch noch heute genügt
ein Kammerorchester. In Zukunft will der Kunde
mit einem Sinfonieorchester «beschallt» werden.
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f, ,
62
Die klassischen Promotion-Instrumente werden heute mit
diversen Online-Medien erweitert. Dies verlangt heute und
vor allem in Zukunft ein professionelles Vorgehen, damit die
vielen Instrumente aufeinander abgestimmt werden und
sich gegenseitig unterstützen.
Der Unterschied ist klar: Im Kammerorchester wer­
den in der Regel die Instrumente nur einfach,
also solistisch besetzt. Das wird sich ändern. Nur:
Ein Sinfonieorchester braucht einen Dirigenten,
welcher diese Instrumente richtig dirigiert.
Es würde den Raum dieses Artikels sprengen, wenn
wir hier die Vor- und Nachteile der einzelnen Promo­
tion-Instrumente unter die Lupe nähmen. Sehen wir
uns hier ein Medium an, welches in der Printbran­
che oft falsch eingesetzt wird: das Internet. Heute
nutzt vermutlich auch noch die kleine Druckerei das
Internet als Medium zu bestehenden wie neuen
Kunden. «…wir erkannten viel früher als der Rest,
welche Bedeutung das Internet im Beschaffungs­
prozess bekommen hat», meint ein Insider. Ein Blick
auf einige Druckerei-Webseiten zeigt ein ernüch­
terndes Bild: Die Printidee wird oft auf die Website
übertragen. 37
Promotion im Internet
Ein Blick in einige Webseiten bringt ein nüchternes
Fazit. Mögliche Gründe: Viele Marketing- oder
Werbeentscheidungen beruhen auf dem eigenen
persönlichen Geschmack und Erfahrungen. Just im
kreativen Umfeld pflegt man gerne seinen persönli­
chen statt Kunden-Stil. Prospekte, Inserate und
Websites sollten die Werbebotschaften vermitteln,
sonst besteht die Gefahr, «in Schönheit zu sterben».
Der grosse Vorteil im Online-Marketing ist die
Erfolgskontrolle. Grundvoraussetzung sind klare
Zielsetzungen und der Blick in die Besucherstatistik
der Website. Bei Newslettern sind neben den Öff­
Was?
Basis, USP, reason why
Wann?
Werbezeit
Wem?
Zielpublikum
Wo?
Streugebiet
Womit?
Medium
Wie?
Stil, Psychologie,
Tonalität der Werbeansage
Wie viel?
Budget
Eine gute Kommunikationsplanung wird in Zukunft immer
wichtiger und gibt Antworten auf 7 W-Fragen. Herausforderung ist die Antwort auf die Frage «Womit?»
nungsraten die Klickraten entscheidend. Wissen
Sie genau, welche Marketing-/Werbemassnahmen
erfolgreich sind? Oder beurteilen Sie die Werbung
wie viele Unternehmen nach «cool», «lustig», «edel»,
aber nicht nach Umsatzsteigerung? «Der Wurm
muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler»,
ist eine Marketingregel. Konkret: Die Werbung
Suchmaschinen:
SEM, SEO, SEA
etc.
Klassische
Medien:
Flyer, Prospekt,
Werbebrief,
Inserate etc.
Social Media:
SMM, SMO etc.
Kunden
In der Kommunikations-Planung in Zukunft braucht’s eine
klare Antwort auf die Frage «Womit?». Schon heute steht dem
Unternehmen eine Vielzahl von Medienkanälen sowie Mög-
muss dem Kunden gefallen und nicht Ihnen oder
Ihren MA. Wie muss der Wurm nun aussehen,
damit Sie mit Ihrer Website Erfolg haben? Es
braucht drei verschiedene Köder je nach Fisch.
Da ist mal der Köder für die Stammkunden. Diese
werden sich an bestimmten Bereichen der Website
bewegen. Dies sind NEWS, aber auch Kundenlogins.
Einen weiteren Köder werfen Sie für die neuen
Kunden aus. Ideal sind hier kurze und klare Vorteile,
welche das Unternehmen mir als Kunde bringt.
Als Kunde bin ich natürlich auch an Produktbeispie­
len wie auch Dienstleistungen interessiert. Dabei
glaube ich anderen Kunden mehr als dem Unterneh­
men. Konkret: Referenzstimmen überzeugen
mich als Neu-Kunde.
Promotion mit Suchmaschinen
Neu-Kunden werden vermutlich über die Suchma­
schinen auf Ihre Website kommen oder sich dort
informieren. Wenn Ihnen die Besucherstatistik ein
anderes Bild zeigt, dann kann das Suchmaschi­
nen-Marketing vermutlich optimiert werden. Was
bringt Ihnen eine schöne Website, die von den Such­
maschinen nicht erfasst wird? Aus diesem Grund
werfen Sie viele kleine Köder für die Robots oder
Spider aus. Das sind Programme der Suchmaschi­
nen, welche das Web automatisch nach neuen Sei­
ten durchsuchen. Diese Seiten werden letztlich
indexiert und die Verweise gespeichert. Nun sollten
Sie wissen, auf welche Köder die Robots oder Spider
ansprechen. Wir wollen hier nicht ins Detail gehen,
dafür gibt es die Suchmaschinen-Optimierer. Wich­
tig ist, dass diese Köder nicht schön sein müssen, da
die Robots bezüglich Bilder blind oder kurzsichtig
sind und vor allem den Text zum Bild sehen. Robots
sind auch etwas begriffsstutzig und brauchen einen
klar strukturierten Text. Wenn Ihre Website von
den Suchmaschinen gefunden werden soll, dann
sollten Sie diese mit dem richtigen Text füttern und
zwar mit dem richtigen Aufbau (klare Über- und
Untertitel, welche auch im Webseitencode so defi­
niert wurden), damit die Robots «anbeissen».
Versetzen Sie sich in Ihre neuen Kunden hinein und
überlegen Sie sich, nach was die Kunden suchen
könnten. Mit verschiedenen Tools können Sie über­
prüfen, welche Keywords je nach Region mehr oder
weniger genutzt werden. Die wichtigsten Keywords
legen Sie in die betreffenden Titel beziehungsweise
in den Text der Homepage (Einstiegsseite). Sicher
gehören hier die SEP beziehungsweise die Uniques
(vgl. oben) auf die Homepage. Fazit: Die Webseiten-
lichkeiten zur Verfügung. Hier eine kleine Auswahl. Das wird
sich in den kommenden Jahren zu einem grossen Orchester
ausweiten, das nur von Profis dirigiert werden kann.
27 viscom print & communication | Nr. 6 | 18. März 2014
63
64
Texte unterscheiden sich ganz klar von schönen
Prospekttexten, denn das Internet ist ein Informa­
tions-Medium, das von den Besuchern und vor allem
von den Robots nur ganz kurz angeschaut wird.
Werfen Sie mal einen Blick auf die Beschreibung bei
den Suchergebnissen. Bei den meisten Suchmaschi­
nen können Sie diese Beschreibung selber kreieren.
Hierzu braucht es nur die richtige Description. Ein
sehr guter Köder für die Robots sind externe Links
von themenrelevanten Webseiten auf Ihre Seite
(Backlinks). Je mehr externe Links auf Ihre Website
verweisen, desto grösser ist die Chance einer guten
Indexierung und einer besseren Platzierung bei
der Suchmaschine. Wie auch immer: Der Promotion-­
Dirigent muss in Zukunft vor allem die Online-Ins­
trumente richtig dirigieren können.
rung entscheidend. Dann braucht die Druckerei
den richtigen Maschinenpark. Zum Schluss, aber
nicht zuletzt braucht es die richtigen Mitarbeiter/
innen. Wichtig ist die Kombination dieser Fakto­
ren.» 41
– «Wer nur druckt, hat keine Zukunft. Drucken
allein ist kein Geschäftsmodell mehr.» 42
– «Für uns ist klar: Wer heute am Ball bleiben will,
der muss im Schnitt alle acht Jahre den techni­
schen Bereich erneuern.» 43
– «Aber heute gehen viele Druckereien durch das Tal
der Tränen, da gibt es ohne konsequente Finanz­
planung keine Aussicht auf Besserung.» 44
Zukunfts-Fazit
Am Schluss kommen wieder die Branchenkenner/
innen zu Worte. Hier einige Kernsätze von Inhaber/
innen, Geschäftsführer/innen sowie Mitarbeiter/
innen mit dem Blick in die Zukunft der Printunter­
nehmen:
Nachtrag 2: 8 von 10 Teilnehmenden sehen die
Werbung der Mobiliar-Versicherung.
– «Der Standard-Drucker hat es heute sehr schwer,
allein mit dem Druckergeschäft genügend Geld für
künftige Investitionen zu verdienen. Verstehen
Sie mich richtig: Ich glaube an den Druck. Aller­
dings wird in Zukunft weniger gedruckt. Die Auf­
lagen kommen runter. Dafür gibt es aber qualitativ
hochstehende Druckerzeugnisse. Ich denke bei­
spielsweise an Veredelungen. Zudem müssen wir
kostengünstiger produzieren, was letztlich mit
neuen Technologien möglich ist. Weiter braucht es
eine klare Marktorientierung und eine klare Posi­
tionierung bei den Dienstleistungen, also auch
ausserhalb des Prints.»38
– « Zudem erleben wir heute einen Kosten- und Preis­
druck, den wir noch nie erlebt haben. All dies
erfordert von den Unternehmen vermehrtes stra­
tegisches Denken, konsequentere Ausrichtung auf
Kundenbedürfnisse, mehr Innovationen, effekti­
veres Marketing und vor allem die Konzentration
auf Stärken.»39
– «Natürlich wird es dann noch immer Druckereien
in der Schweiz geben. Doch diese Druckereien
müssen noch viel stärker als heute auf die Kunden­
bedürfnisse zugeschnitten sein. Das Drucken als
Handwerk dürfte es mit Ausnahme von Nischen
nicht mehr geben.» 40
– «Die Druckerei muss die richtige Kundenstruktur
haben, die zu ihr, ihren Mitarbeitern, ihren
Maschinen und ihrem Leistungsangebot passt.
Damit ist aus Marketingsicht die klare Segmentie­
Nachtrag 1: Ein Beispiel eines USP ist der Ferienort
mit dem einzigartigen Berg – Matterhorn.
Quellenverzeichnis
Kobjoll, K. (2006). Virtuoses Marketing. Orell Fuessli
Kotler, Ph. et al. (2007). Marketing-Management. Pearson
Kotler, Ph. et al. (2006). Grundlagen des Marketing. Pearson
Kotler, Ph. / Bliemel, F. (2001). Marketing-Management.
Schäffer-Poeschel
Porter, M.E. (1999): Wettbewerbsstrategie, 10. Aufl., Campus
38 viscom print & communication | Nr. 8 | 19. April 2016
39 viscom print & communication | Nr. 6 | 15. März 2016
40 viscom print & communication | Nr. 6 | 18. März 2014
41 viscom print & communication | Nr. 12 | 21. Juni 2016
42 viscom print & communication | Nr. 9 | 3. Mai 2016
43 viscom print & communication | Nr. 8 | 19. April 2016
44 viscom print & communication | Nr. 12 | 21.Juni 2016
66
Geschäftsfeldentwicklungen
für Drucksachendienstleister
Logistik, Supply Chain
—
Thomas Wiederkehr
Das klassische Geschäftsmodell der Betriebe der
graphischen Industrie genügt nicht mehr. Der
Markt verlangt vom Drucksachendienstleister ver­
mehrt nach umfangreicheren Angeboten und muss
sich selbst an neue Abläufe für den eigenen Bedarf
anpassen. Die bereits erfolgten Geschäftsfelderwei­
terungen von Druckdienstleistern vermögen die
Erwartungen des Marktes nicht mehr zu genügen.
Eine Vernetzung der Prozesse muss sich zwangsläu­
fig auf die gesamte Produktionskette, von der
Bestellung und Ressourcenbeschaffung, über die
Fertigung wie den Vertrieb beziehen.
Markterwartungen/Marktbedürfnisse
Der Drucksachendienstleister und der Kunde (Ver­
braucher) werden enger miteinander verbunden
sein müssen. Eine «kundenspezifische» Automati­
sierung der Abwicklungsprozesse im B2B soll die
Abläufe vereinfachen und beschleunigen sowie in
einer Kostenoptimierung resultieren. Der Drucksa­
chendienstleister übernimmt nicht nur die reine
Drucksachenherstellung, sondern denkt mit, bzw.
für den Kunden voraus und erweitert sein Dienst­
leistungsangebot mit Zusatzleistungen, wie Online­
bestellungen ab Standardvorlagen, Datenmanage­
ment, Drucksachen-Lagerverwaltung, Logistik,
prozessgerechte Vorkommissionierung, Integration
von Zusatzprodukten etc. In Kooperationen mit
Partnerbetrieben in einem engen Netzwerk erfolgt
die geforderte Erweiterung der Produktionspalette.
Er sieht sich folgenden Kundensegmenten mit deren
zukünftig geänderten unterschiedlichen Anforde­
rungen und Erwartungen gegenübergestellt.
Siehe Tabelle auf folgender Seite.
Supply Chain für
den Drucksachendienstleister
In der Konsequenz des Wettbewerbs muss der
Druck­sachendienstleister ein effizientes Supply
Chain Management anstreben müssen. Automati­
sierte, auf der Produktionsplanung basierende
Lieferungen von Produktionsmaterialien und Über­
nahme von Logistikdienstleistungen sichern eine
schnelle und kostengünstige Produktion, reduzie­
ren Materiallager und entlasten die produktions­
bedingte Administration. Mittels einer engen
Vernetzung zwischen Lieferanten, Produktions­
partnerbetrieben und Logistikunternehmen sind
Effizienzsteigerungen und Kostenoptimierungen
anzustreben. Die Produkte müssen umfassend
standardisiert und mittels Workflow automatisiert
sein, aber dem Kunden «hochflexibel» und variabel
erscheinen. Diese Anforderung ist im jeweiligen
Portfolio zwingend zu lösen.
Endkunde
Drucksachenbedarf
Markterwartungen
Produzierende
Industrie
– Geschäftsdruck­sachenWerbemittel
– einfacher Bestellvorgang (B2B-online) basierend auf
Standards, individualisierte Information
– Vernetzung mit Kundenlogistik und so automatisierte Lieferung
abhängig vom Bestand beim Kunden
– umfassendes Leistungsangebot nicht nur für Drucksachen
(Vollservice)
– kurze Lieferzeiten und bedarfsorientierte Mengen:
print and delivery on demand 24/7
– Elimination von Überproduktion durch geeignete Wahl des
Druckprozesses (z.B. Digitaldruck)
– Verpackungen
– Entwicklung innovativer Verpackungslösungen
inkl. Optimierung des Verpackungsdesigns, und/oder
Verpackungsmaterialien
– den Produktionsprozessen angepasster Vorbereitungsstand
der Verpackung
– minimale Lager beim Kunden dafür Lieferung «just in time»
ab Druckerei in Abhängigkeit der Produktionsplanung des
Endkunden ➜ Echtzeit Datenintegration/Automatisierung
– Logistikaufgaben
– Optimierung für den Kunden
– Lagerhaltung für den Kunden
– automatische Lieferungen «just in time» in Abhängigkeit
der Produktionsplanung des Endkunden
– Übernahme von Logistikaufgaben z.B. Inhouse Services,
oder Abtransport der verpackten Waren zum Vertriebszentrum
– Geschäftsdruck­
sachen, Werbemittel
– Bereitstellen von Gestaltungsvorlagen für Onlinebestell­
abwicklungen
– automatisierte Lieferung abhängig vom Bestand beim Kunden
– umfassendes Leistungsangebot, nicht nur Drucksachen
(Vollservice)
– Abwicklung der Herstellung von verschiedenen Produkten
innerhalb des Netzwerkes von Partnerbetrieben
– kurze Lieferzeiten: print and delivery on demand 24/7
– Individualisierung/Lokalisierung von Produkten bzw.
innerhalb der Medien basierend auf Kundenvorgaben
– Elimination von Überproduktion durch geeignete Wahl
des Druckprozesses (z.B. Digitaldruck)
– Verpackungen
– dem Verbrauch angepasste Verpackung und Reduktion
von unnötigem Verpackungsmaterial für Lagerartikel (vielleicht
besser: Nachhaltige Material- und Verpackungskonzepte)
– Fulfilment-Service/Lettershop/Marketingservice
– Kommissionierung zusammen mit Zusatzprodukten
– Versandaufbereitung
– Logistikaufgaben
– Lagerhaltung für den Kunden und Lieferung «just in time»
– Adress- und Aboverwaltung für Versandaufträge
– Endkundenservices
– Versandabwicklung
Dienstleistungs­
betriebe, Verlage
Werbeagenturen
67
68
Technologische Herausforde­
rungen und die Globalisierung
—
Beat Kneubühler
Das Kapitel Berufsbildung dieser Zukunftsstudie
thematisiert den Wandel in der Arbeitswelt und
zeigt auf, welche Trends für die Berufsentwicklung
von Bedeutung sind. Daneben werden institutio­
nelle Aspekte zum Schweizer Bildungssystem the­
matisiert, die für die Weiterentwicklung der Berufs­
felder ebenso von Bedeutung sind, so dass Angebote
an Berufslehren und Anforderungen der Arbeits­
welt auch in Zukunft möglichst gut überein­
stimmen.
ist sie hier am stärksten verwurzelt. Auf der ande­
ren Seite der Skala stehen industriell produzierende
Unternehmen. Im Zuge der sich intensivierenden
internationalen Arbeitsteilung ist der Druckstand­
ort Schweiz einem permanenten Druck ausgesetzt.
Routinetätigkeiten werden früher oder später an
einen günstigeren Standort verschoben oder auto­
matisiert. Daraus leitet sich ab, dass die grafische
Industrie ein Ausbildungskonzept braucht, das
beiden Situationen gerecht wird.
Die Berufsbildung geniesst in der Schweiz hohes
Ansehen und hat eine grosse wirtschaftliche
Bedeutung. Die Praxisnähe der Lehre wird als
unersetz­l icher Vorteil wahrgenommen. Trotzdem
stösst das Schweizer Modell in der internationalen
Bildungspolitik auf wenig Gegenliebe. Gerade Ver­
treter der angelsächsischen Bildungstradition
erachten den tiefen Anteil von Hochschulabgän­
gern in der Schweiz als problematisch. Es ist für
Amerikaner oder Briten kaum nachvollziehbar, war­
um ein Polygraf vier Jahre brauchen soll, um sein
Handwerk zu erlernen. Das Pendant zur Lehre ist
nach ihrem Verständnis ein «training on the job»
oder «learning by doing». Lernkonzepte, die nicht
als Bildung im eigentlichen Sinn verstanden wer­
den, sondern schlicht den Anfang einer Arbeiter­
karriere bezeichnen. Nicht zuletzt aufgrund solcher
Missverständnisse und angesichts der fortschrei­
tenden Globalisierung gerät das duale Bildungssys­
tem von vielen Seiten unter Druck. Die Erfolgsge­
schichte Berufslehre steht in den kommenden zehn
Jahren vor grossen Herausforderungen.
Die grafischen Berufe sind zwar nicht direkt den
Globalisierungstendenzen ausgesetzt, doch sie sind
indirekt betroffen. Denn sie stehen in Konkurrenz
zu allen anderen Segmenten des Lehrstellenmark­
tes. Die Wahrnehmung besserer Verdienst- und Kar­
rieremöglichkeiten in den mehr globalisiert ausge­
richteten Bereich des Arbeitsmarktes schmälert die
Basis der grafischen Berufe. Ein Beispiel dafür sind
die Klagen von Buchbindereien, dass kaum noch
geeignete Bewerber für den Beruf des Printmedien­
verarbeiters zu finden seien.
Auswirkungen auf die grafische Industrie
Die grafischen Lehrbetriebe als Teil des Industrie­
sektors sind unterschiedlich von den daraus resul­
tierenden Auswirkungen betroffen. Binnenorien­
tierte Unternehmen weisen eine deutlich weniger
verflochtene Wertschöpfungskette auf. Sie bedie­
nen eine lokale oder regionale Kundschaft. Hier bil­
det die Berufslehre die Basis hoher Qualität von
Produkten und Dienstleistungen. Dementsprechend
Technologische Neuerungen bringen
neue Anforderungen mit sich
Die grafische Arbeitswelt wird immer stärker auto­
matisiert. Das zeigt vor allem die zunehmende
Durchdringung mit Informations- und Kommunika­
tionstechnologien. Dabei wird Wissen selbst zur
zentralen ökonomischen Ressource. Wissensarbei­
ter werden zum Motor der grafischen Industrie. Die­
se Entwicklung eröffnet je nach betrieblicher Aus­
richtung Beschäftigungsmöglichkeiten für
Fachleute mit einer klassischen Ausbildung im
ICT-Sektor.
Kontinuierliches Lernen sowie ein Anpassungsver­
mögen an neue Situationen und Probleme zählen in
diesem Umfeld zu den zentralen Fähigkeiten, die
unabhängig von der Ausbildungsform sichergestellt
werden müssen. Viele Prozesse werden zukünftig in
Teams erbracht. Der Polygraf muss beispielsweise
mit dem Systemverantwortlichen, dem Program­
mierer einer Website oder dem Informatiker, der
eine Datenbank mit Adressen erstellt hat, kommu­
nizieren können. Sozialkompetenzen, Team- und
Kommunikationsfähigkeiten werden zu Schlüssel­
qualifikationen. Die Erwartungen an die Berufs­
leute steigen, das Profil verändert sich durch die
fortschreitende Technologisierung der Branche.
Es entstehen neue Berufe.
Bildungsniveau
Gemäss einer Studie des Bundesamtes für Statistik
(BFS) verfügt bis in zehn Jahren die Mehrheit der
Schweizer Bevölkerung über einen Tertiärab­
schluss. Je nach Szenario wird die 50-Prozent-Marke
zwischen 2023 und 2035 geknackt. Rund 30 Prozent
dieser Zunahme kämen von Personen mit einem
Migrationshintergrund. Gemäss dem Referenzsze­
nario des BFS werden die Hochschulabsolventinnen
und -absolventen die Gruppe mit der grössten
Zunahme darstellen. Ihr Anteil bei den 25- bis
64-Jährigen dürfte von 26 Prozent im Jahr 2015 auf
39 Prozent im Jahr 2030 ansteigen.
Internationale Nivellierung
Aufgrund der wachsenden Mobilität steigt auch
das Bedürfnis nach internationaler Vergleichbarkeit
beruflicher Qualifikation. Analog zur Bologna-Re­
69
form auf Hochschulebene wurde daher der Kopen­
hagen-Prozess gestartet, der die Berufsbildung
international vergleichbar machen will, was fak­
tisch einer Normierung gleichkommt. Die im Bil­
dungssystem eines Landes erworbenen Kompeten­
zen und Qualifikationen sollen auf ausländischen,
insbesondere auf europäischen Arbeitsmärkten
sowie in anderen Berufs-Bildungssystemen ohne
Barrieren verwertbar werden. Zum Tragen kommt
das im Nationalen Qualifikationsrahmen (NQR).
Für das duale Modell ist der Kopenhagen-Prozess
Chance und Risiko zugleich. Es ermöglicht uns, die
Funktionsweise und Vorzüge unseres Berufsbil­
dungssystems zu erklären und bekannt zu machen.
Andererseits droht die Schweizer Berufslehre damit
überstimmt und international unter Wert verkauft
zu werden.
Die duale Berufsbildung
Die Schweizer Berufsbildung lebt nach dem dualen
System. Diese Dualität äussert sich in mehreren
Dimensionen: Lernende werden im Betrieb und der
Berufsfachschule gleichzeitig ausgebildet. Sie
erwerben zeitgleich praktisch-betriebliche Fertig­
keiten sowie Allgemein- und theoretisches Wissen.
Betriebe und Verbände entscheiden über die berufs­
spezifischen Inhalte, staatliche Instanzen sind für
Bildungsniveau der 25- bis 64-jährigen Bevölkerung der Schweiz: Tertiärstufe
Szenarien 2015–2045 für die Bevölkerungsdichte. Quelle: BFS = Bildungsperspektiven. Szenarien Stand Juni 2015
Szenarien
50%
40%
30%
Beobachtungen
Hochschulen
Höhere Berufsbildung
Szenario «hoch»
Hochschulen
Höhere Berufsbildung
20%
Szenario «Referenz»
Hochschulen
Höhere Berufsbildung
10%
Szenario «tief»
Hochschulen
Höhere Berufsbildung
 0%
1996 2000 2005 2010 2015 2020 2025 2030 2035 2040 2045
70
den schulischen Teil und regulatorische Aspekte
verantwortlich. Schule und Betrieb bilden dabei
zwei komplementäre Lernorte.
Fast zwei Drittel aller Schulabgänger durchlaufen
in ihrer Bildungskarriere eine Berufslehre. Tradi­ti­onell ähnlich verbreitet ist die Berufslehre nur in
Deutschland und Österreich. Die duale Berufsbil­
dung gilt als Erfolgsmodell. Dank ihr, so scheint es,
ist die Jugendarbeitslosigkeit bedeutend tiefer als
etwa in Frankreich, Spanien oder Italien, wo man
nur die vollschulische Ausbildung kennt. Wissen­
schaftler warnen zwar davor, die duale Berufs­
bildung als einzigen Grund für die tiefe Quote zu
betrachten. Dennoch scheint das Interesse am
Schweizer Modell in der Krise auch im Ausland
zu wachsen, nachdem die Schweiz von der OECD
lange Zeit für die tiefe Akademikerquote kritisiert
und die höhere Berufsbildung dabei schlicht
übersehen worden war.
Doch was gut ist, muss nicht automatisch gut
bleiben. Eine Arbeitsgruppe der Akademie der Wis­
senschaften Schweiz hat 2009 ein umstrittenes
Buch herausgegeben. Das darin entworfene Sze­
nario sieht vor, dass im Jahr 2030 rund 70 Prozent
der Schweizer Bevölkerung einen Abschluss auf
Hochschulniveau haben müssen, um für die
Arbeitswelt gerüstet zu sein. Beliebt haben sich
die Autoren mit dieser Aussage nicht gemacht.
Tatsächlich aber entwickeln sich selbst handwerk­
liche Berufe immer mehr zu Wissensberufen.
Es stellt sich die Frage, ob dieses Wissen in einer
Lehre ausreichend vermittelt werden kann.
Einiges deutet zudem darauf hin, dass die duale
Berufslehre immer unbeliebter wird, vor allem in
städtischen Gebieten. Eltern und Schulabgänger
bevorzugen die gymnasiale Bildung. Hauptgrund
ist das mangelnde Prestige der Lehre. Dass man
auch mit einer Lehre zu einem Hochschulabschluss
kommen kann – sei es über die Berufsmatur oder
dank der sogenannten Passerelle –, geht häufig
vergessen.
Der Druck auf das duale Bildungssystem nimmt
also von allen Seiten zu. Es muss sich weiterent­
wickeln, um nicht vom Erfolgsmodell zu einem
Auslaufmodell zu verkommen.
Spannungsfeld grafische Lehrberufe
Der Zahlenmässig grösste Lehrberuf der grafischen
Industrie – der Polygraf – zeigt sich überaus hetero­
gen. Die Ausbildung steht im Spannungsfeld der
Interessen verschiedener betrieblicher Ausrichtun­
gen. Dabei unterscheiden sich die Ansprüche teil­
weise fundamental: Während für den einen nur die
Datenaufbereitung wichtig ist, setzen andere auf
Typografie und Bildbearbeitung oder Produkte für
elektronische Medien. Obwohl man diesen Unter­
schieden im Rahmen der Bildungsverordnung
Rechnung trägt, tut sich ein Widerspruch auf zwi­
schen dem Bestreben des Bundes, die Berufsbilder
zu spezialisieren, und der Tendenz der Branche zu
flexibilisieren. Es braucht für die grafische Indus­
trie für alle Berufe weiterhin flexible Konzepte mit
breit angelegten Lehrgängen, die eine hohe beruf­
liche Flexibilität für die spätere Erwerbskarriere
ermöglichen und den Grundstein für ein lebens­
langes Lernen legen. Die Spezialisierung erhöht nur
in wenigen industrialisierten Betrieben den Nutzen
der Lernenden.
Kosten Lernende nur?
Angebot und Nachfrage beeinflussen den Lehr­
stellenmarkt stark. Nur wenn auf beiden Seiten
genügend Marktteilnehmer vorhanden sind, kann
der Markt langfristig überleben. Die Frage, warum
Unternehmen überhaupt Lernende ausbilden,be­
trifft einen heiklen Punkt des dualen Systems. Der
ökonomische Anreiz, Lernende auszubilden ,ist eine
zwingende Voraussetzung für das Funktionieren
eines Lehrstellenmarktes. Es gibt zwei Motivatio­
nen, um auszubilden: Erstens stellt die Lehre eine
langfristige Investition in die Erhaltung von Fach­
wissen und Kompetenz in der Branche dar. Zweitens
lohnt sich Ausbilden auch finanziell. Nur Bran­
chen,die ausbilden, sind überhaupt zukunftsfähig.
Unternehmen, die Lernende ausbilden, werden
durch ihr spezifisches Wissen nachweislich produk­
tiver.
Anspruchsvolle 4-jährige Lehren zahlen sich erst
im letzten Jahr aus. In den ersten beiden Jahren ver­
ursachen Lernende Nettokosten, im 3. Jahr fliessen
die ersten Erträge zurück. Bei den 2- und 3-jährigen
Lehren erbringen die Lernenden schon zu Anfang
Ertragsüberschüsse für den Betrieb.
Das verleitet dazu, Lerninhalte und Kompetenzen
exakt auf die betrieblichen Erfordernisse anzupas­
sen, um die Kosten-Nutzen-Bilanz weiter zu verbes­
sern. In den Berufen der grafischen Industrie, mit
einem traditionell sehr raschen Wandel der Berufs­
bilder, führt dieser Gedanke der extremen, betriebs­
spezifischen Spezialisierung jedoch unweigerlich zu
Problemen. Die Spezialisierung dient beiden Seiten
nur solange das Arbeitsverhältnis fortbesteht. Im
Durchschnittliche Nettokosten einer Lehre
Quelle: Mühlemann und Wolter 2007
Lehrjahre/Lehrdauer
1. Jahr
2. Jahr
2 Jahre
–6019
–7322
3 Jahre
–2012
–3831
–6407
4 Jahre
 7407
 3299
–4211
Falle der Auflösung droht hier ein erheblicher Ver­
lust für alle Parteien.
Die Entwicklung der viscom-Berufe
Die Wurzeln der viscom-Berufe reichen beinahe bis
zur Erlassung des ersten Berufsbildungsgesetzes zu
Beginn des 20. Jahrhunderts. Zu dieser Zeit erlebte
die grafische Industrie einen Aufschwung, der
durch den technischen Fortschritt und die Industri­
alisierung hervorgerufen wurde. Gut ausgebildetes
und qualifiziertes Personal wurde benötigt, um mit
der Nachfrage schritthalten zu können. Da lag es
auf der Hand, solches Personal selber auszubilden.
Durch die ie rasante technische Entwicklung
im 20. Jahrhundert entstanden immer wieder neue
Berufe, bis die digitale Revolution zu Beginn der
70er-Jahre einen strukturellen Wandel in der
Beschäftigung herbeiführte. Mit dem verstärkten
Strukturwandel in den 90er-Jahren verschwanden
zunehmend Spezialberufe oder gingen in grösseren
Berufsfeldern auf.
Künftige Herausforderungen
Eichhorst und Buhlmann (2015) skizzieren in einer
Studie zu den künftigen Herausforderungen für die
Arbeitswelt vier Triebkräfte, die den Wandel prä­
gen. Diese vier Kräfte sind der technische Fort­
schritt, die Globalisierung, der demografische Wan­
del und der institutionelle Wandel. Unter dem
technischen Fortschritt verstehen sie die Digitali­
sierung und Vernetzung der Arbeitswelt durch das
Internet sowie den Gebrauch der Robotik und der
künstlichen Intelligenz. Diese Veränderungen
kennt man auch unter den Namen Industrie 4.0 und
Internet der Dinge. Die Branche nimmt dieses The­
ma dankend auf und kreiert unter dem Schlagwort
Print 4.0, das auch die Drupa 2016 prägt, einen eige­
nen Begriff für die Automatisierung. Die Auswir­
kungen des technologischen Fortschritts auf die
Arbeitsplätze ist nicht ganz klar, da die Automati­
sierung Arbeitsplätze sowohl substituiert als auch
komplementiert. Frey und Osborne (2013) formulie­
ren für den Drucktechnologen eine Automatisie­
3. Jahr
4. Jahr
Total
–13341
–12251
–8594
–2099
rungswarscheinlichkeit von 83 Prozent. Solche
Aussagen sind jedoch auch mit einer gewissen Dis­
tanz zu betrachten. Nach Aussagen verschiedener
Druckmaschinenhersteller ist die Automatisierung
bereits weit vorangeschritten. Es ist aber in jedem
Fall davon auszugehen, dass die Qualifikations­
anforderungen an die Arbeitnehmenden steigen
werden.
Die Globalisierung geht einher mit dem tech­nischen Fortschritt und steigert den Wettbewerbs­
druck auf die Unternehmen der grafischen Industrie
weiter. Der Dialog mit ausländischen Partnern
und Zulieferbetrieben, aber auch Kunden nimmt zu.
Der demografische Wandel als dritte Triebkraft
beschreibt einen gegenläufigen Trend. Auf der
einen Seite schrumpft das inländische Arbeitskräf­
tepotenzial wegen geburtenschwacher Jahrgänge
und der Alterung heutiger Arbeitskräfte. Anderer­
seits werden immer mehr potenzielle Arbeitskräfte
wie Frauen, Migranten und ältere Personen rekru­
tiert. Gelingt es nicht, genügend Arbeitskräfte zu
mobilisieren, wird sich der Fachkräftemangel in
der grafischen Industrie akzentuieren. Der Wandel
der institutionellen Rahmenbedingungen als
vierte Triebkraft ist geprägt durch die Beschäfti­
gung von Frauen und älteren Arbeitskräften.
Stichworte dazu sind etwa der Ausbau von Kinder­
betreuung usw. Mit flexiblen Arbeitsbedingungen
schaffen Unternehmen zudem Anreize für poten­
zielle Arbeitskräfte.
Grafische Berufe 2020+
Was bedeuten die vier Triebkräfte für die grafischen
Berufe konkret? Zusammenfassend lässt sich fest­
halten, dass in der Branche neue Berufe entstehen
werden. Beratung, Innovation und Kreativität wer­
den generell wichtiger. Bei den vorhandenen Beru­
fen werden auch Nicht-Routine-Tätigkeiten und
Dienstleistungen automatisiert. Die Globalisierung
der Wirtschaft hat für die Grundbildung der grafi­
schen Berufe mindestens eine konkrete Folge:
Englisch muss zur Pflicht werden.
Schliesslich muss auch der prognostizierten Höher­
71
72
Welche Berufe am meisten betroffen sein könnten
Automatisierungswahrscheinlichkeit in %
werden und man die Systeme steuern kann.
Hohes Fachwissen ist dort gefordert, wo Entscheide
gefällt werden müssen. Spezialfälle und Störungen
werden weiterhin manuell bearbeitet. Wissen
über elektronische Ausgabekanäle nimmt zu.
Der Polygraf ist aufgrund der sehr heterogenen
Betriebsstrukturen zunehmend ein Medien-Genera­
list, der den Spagat Industriekunde, KMU-Kunde,
Printprodukt, Screenprodukt, Datenerstellung usw.
beherrschen muss. Grafische Produkte und zum
Teil auch Prozesse entstehen vor einem visuellen
Hintergrund. Diese Sinneswahrnehmung und damit
verbundene Entschiede sind mindestens vorläufig
nicht automatisierbar.
Short-Facts
– Der Polygraf ist ein Medien-Generalist
– Automatisierung nimmt zu
– Fachwissen ist gefragt
– Korrekturen am Berufsbild sind nötig, um der
Heterogenität der Unternehmen zu begegnen
qualifizierung Rechnung getragen werden. Die
berufliche Grundbildung ist der notwendige erste
Schritt in die Arbeitswelt. Das reicht nicht, um sich
ein Leben lang à jour zu halten. Zusatzausbildun­
gen, Berufsprüfungen und höhere Bildung auf der
Tertiärstufe werden für alle Arbeitnehmenden
unserer Branche notwendig. Die grafische Industrie
hat sich schon immer darauf verstanden, für jede
Zeit die passenden Berufe zu entwickeln. Technolo­
gische Übergangphase haben teilweise sehr kurz­
lebige Berufe hervorgebracht. Daran wird sich auch
in Zukunft nichts ändern.
Polygraf
IT-Wissen wird für den Polygrafen wichtiger.
Die Automatisierung der Prozesse nimmt zu.
Das bedingt, dass die Systemparameter beherrscht
Drucktechnologe
Wie schnell sich das Berufsbild des Drucktech­
nologen wandelt, hängt stark von der Investitions­
bereitschaft der Branche ab. Der Offsetdruck wird
in den kommenden zehn Jahren nicht verschwin­
den. Aber der Digitaldruck – auch in Form von
Hybridsystemen – wird sich weiter stark verbreiten.
Die hier gestellten Anforderungen lassen sich mit
der Ausbildungsphilosophie des klassischen Druck­
technologen nur bedingt vereinbaren. Es braucht
neue Ausbildungskonzepte und eine Generalisten­
ausbildung. Im Bereich Offsetdruck wird der
Automatisie­r ungsgrad zunehmen. Die Beherr­
schung der Technologie und Mechanik bleibt von
zentraler Bedeutung. Automatisierung im Offset­
druck hat aber auch zur Folge, dass die Maschinen
anfälliger werden. Dadurch steigen die Anforderun­
gen an die Hersteller, was die Unterstützung
angeht, immer weiter. Zu den Massnahmen der Her­
steller zählt u.a. die Fernwartung, die bei allen gro­
ssen Herstellern bereits Standard ist. Das Verstehen
und Beeinflussen der Prozesse und des Druckver­
fahrens gewinnt an Bedeutung. Faktoren wie
Papier, Farbe, Wasser usw. bleiben entscheidend
und können nicht automatisiert werden. Der
Umgang mit diesen Materialien erfordert hohe
Fachkenntnisse. Der Digitaldruck hält Einzug in
den Drucksaal.
Short-Facts
– Die Automatisierung nimmt zu, der Drucktechno­
loge wird noch mehr zum Prozessüberwacher
– Fachwissen ist gefragt
– Digitaldruck wird auch eine Disziplin des klassi­
schen Drucktechnologen
– Der Drucktechnologe wird in einer neu zu schaf­
fenden Generalistenausbildung aufgehen
Weiterverarbeitung und das digitale Finishing.
So genannte Closed-Loop-Workflows sind zum
Beispiel im Transaktionsdruck bereits heute schon
die Regel. Dort gibt es vom Druck bis zum Couvert
keinen menschlichen Eingriff mehr.
Printmedienverarbeiter
Kein Berufsbild der grafischen Industrie ist ähnlich
heterogen zusammengesetzt wie jenes des Print­
medienverarbeiters. Im Gegensatz zu allen anderen
Berufen ist hier eine sehr handwerkliche Speziali­
sierung einzelner Unternehmen und damit auch der
Berufe erhalten geblieben. Für diese Betriebe neu ist
der Umgang mit dem Digitaldruck. Arbeitsschritte
wie beispielsweise das Ausdrucken einer Dissertati­
on und das anschliessende Binden haben Einzug in
die Handbuchbindereien gehalten. Trotzdem wer­
den diese Unternehmen keinen printlastigen Gene­
ralisten ausbilden, weil die Kerntätigkeit das Buch­
binden bleibt. Diesem Umstand kann im Moment
nur mit freiwilliger Weiterbildung begegnet wer­
den. Andere Berufe, wie etwa der Versandraum­
technologe, fallen relativ rasch weg. Die Automati­
sierung, das hat die Drupa 2016 gezeigt, macht diese
Fachrichtung überflüssig.
Dem Umgang mit variablen Daten kommt dabei
eine besondere Bedeutung zu. In der Produktion
verlangt der Digitaldruck IT-Kompetenzen. Eine
Trennung zwischen klassischen Druckverfahren
und dem Digitaldruck gibt es in einen neuen Beruf
nicht mehr. Hybridsysteme, wie sie im Rahmen
der Drupa 2016 von Heidelberg oder KBA gezeigt
wurden, verlangen nach vertieften Kenntnissen
beider Prozesse. Zudem bestehen markante Unter­
schiede zwischen industriellem Digitaldruck und
Copy-Shop-Aufträgen. Die Prozesse im Offset­
druck sind im Vergleich zum industriellen Digital­
druck grundsätzlich unterschiedlich, der Digital­
druck erfordert zudem eine höhere Flexibilität von
den Mitarbeitenden. Dieses neue Berufsfeld lässt
die Branche potenziell attraktiver werden für
Neueinsteiger, die in einer ausschliesslich digita­
len Welt aufgewachsen sind. Die neuen Dienstleis­
tungen und die zusätzliche Funktionalität eines
digitalen Drucksystems lässt ein wesentlich facet­
tenreicheres Arbeitsumfeld entstehen.
Interessant ist die Fachrichtung Druckausrüstung,
die auf eine lange, beinahe abenteuerliche
Geschichte zurückblickt. Auch hier verändert die
Ausrichtung der Unternehmen und der technologi­
sche Fortschritt das Berufsbild. Eine eigene Fach­
richtung ist nicht länger gerechtfertigt. Die Lernen­
den verteilen sich künftig auf die industrielle
Produktion, auf die zweijährige EBA-Ausbildung
und teilweise sicher auch auf eine neu zu schaffende
Generalistenausbildung. In der industriellen Fach­
richtung des Printmedienverarbeiters prägt die
Automatisierung analog dem Drucktechnologen die
Zukunft des Berufes. Die Anforderungen an das
Fachwissen nehmen weiter zu. Die Entwicklung
wird ähnlich dem Drucktechnologen verlaufen.
Der Generalist
Die grafische Industrie braucht aufgrund der verän­
derten Marktbedingungen und neuer Technologien
ein Berufsbild, das entlang der Wertschöpfungsket­
te flexibler eingesetzt werden kann als dies mit den
heutigen Berufsbildern möglich ist. Statistische
Produktionswerte in der Druckindustrie belegen,
dass der Digitaldruck den Office-Bereich längst ver­
lassen hat und sich in die Druckindustrie mit ihren
grösseren Auflagen und klassischen Druckproduk­
ten hineinbewegt. Die Tätigkeiten im Digitaldruck
umfassen neben der Datenaufbereitung auch die
Schulische Grundbildung
Aufgrund tendenziell sinkender Lernenden­zahlen wird es im Bereich der schulischen Ausbil­
dung zu einer Marktbereinigung kommen. Auf
der Achse Bodensee–Genfersee konzentriert sich
die Berufsbildung auf drei Deutschschweizer
Standorte in den Ballungszentren St.Gallen,
Zürich und Bern. Die kantonalen Bildungsbudgets
werden kleiner und die damit verbundenen Vorga­
ben bezüglich der Klassenmindestbestände an die
Berufsfachschulen verschärfen sich. Das Grund­
wissen der grafischen Berufe gleicht sich mehr
und mehr an. Darum bietet es sich auch aus den
oben erwähnten Gründen an, die Lernenden über
die Berufsgrenzen hinweg mindestens zu Beginn
gemeinsam zu beschulen.
Quellen:
Maurer, Gonon; Herausforderungen für die Berufsbildung
in der Schweiz; hep Verlag
Schöchli; Dringend gesuchte Techniker; NNZ 2014
Schellenbauer, Walser, Lepori, Hotz-Hart, Gonon;
Die Zukunt der Lehre; Avenir Suisse
Gratwohl; Wenn der Roboter Arbeitskollegen ersetzt; NZZ 2015
Widmer; Berufsbildung Schweiz – praxisnah
und zukunftssicher?; Die Volkswirtschaft 2014
Schmid, Debelle, Bröhm; Was taugt die Lehre?; Beobachter 2014
73
74
Geschäftsmodellinnovation als
Chance für die grafische Industrie
—
Oliver Gassmann
Karolin Frankenberger
Florian Homann
Executive Summary
Die grafische Industrie der Schweiz unterliegt der­
zeit einem starken Wandel. Der Preisdruck durch
neue Konkurrenz aus dem Ausland, der weiterhin
starke Franken und das veränderte Konsumenten­
verhalten setzten die bestehenden Geschäftsmodel­
le stark unter Druck, weshalb Innovationen von
Nöten sind, um langfristigen Erfolg sicherzustellen.
Wichtig sind dabei ein ganzheitlicher Blick auf
Innovation – von der Idee bis zum Markterfolg – und
ein Umdenken, weg von Forschung und Entwick­
lung, hin zu Forschung und Innovation.
Das Denken in Geschäftsmodellen fördert die
ganzheitliche Sicht auf Innovation durch die
Betrachtung der vier Kernaspekte eines jeden
Geschäftsmodells: Kunde, Nutzenversprechen,
Wertschöpfungskette und Ertragsmechanik.
Es hilft Unternehmen, der oftmals vorherrschen-­
den Konzentration auf immer anspruchsvollere
technologische Nischenmärkte zu entkommen.
Durch die Hinterfragung der bestehenden Bran­
chenlogik und die Konfrontation des eigenen
Geschäftsmodells mit existierenden, branchen­
fremden Geschäftsmodellmustern können
Unternehmen Ideen für neue Geschäftsmodelle
generieren und sich die Chance eröffnen, aus
bestehenden Denkmustern auszubrechen. Der
vorliegende Artikel zeigt die Möglichkeiten auf,
die Geschäftsmodellinnovation für die grafische
Industrie in der Schweiz bringen kann. Zunächst
werden das Geschäftsmodellkonzept sowie die
Methodik des St.Galler Business Model NavigatorTM
in der Theorie erläutert. Im Anschluss verdeutlicht
die Erfolgsgeschichte der CEWE die Möglichkeiten,
die Geschäftsmodellinnovation für Unternehmen
der grafischen Industrie bringen kann.
Einleitung
Mit 1200 Betrieben und 125 000 Arbeitsplätzen
kann die grafische Industrie als eine der Schlüsse­
lindustrien der Schweiz bezeichnet werden. Seit
mehreren Jahren unterliegt diese jedoch einem
starken Wandel: Innerhalb von 10 Jahren gingen
40 Prozent der Arbeitsplätze verloren, die Wert­
schöpfung ist jährlich um 7 Prozent geschrumpft
(Ständerat, 2014). Durch den gestiegenen Preisdruck infolge neuer, immer stärker werdender Kon­
kurrenz aus dem Ausland, dem weiterhin starken
Franken und einem veränderten Konsumentenver­
halten sind die traditionellen Geschäftsmodelle der
Schweizer Druckereibranche stark unter Druck
geraten (Gassmann & Frankenberger, 2014).
Diesen Entwicklungen muss die grafische Industrie
mit Innovationen entgegenwirken, um ihre
Zukunftsfähigkeit zu sichern. Unterstrichen wird
dies von einer von Bain & Company durchgeführten
Befragung von Führungskräften, bei der drei
Viertel dieser bestätigten, dass Innovationen für
langfristigen Erfolg wichtiger sind als Kostenreduk­
tionen (Rigby & Bilodeau, 2015). Damit die schwei­
zerische Druckereiindustrie vom Wachstum durch
Innovation profitieren kann, reicht die einfache
Erhöhung der Investitionen in Forschung und Ent­
wicklung jedoch nicht aus. Wichtig ist, dass Unter­
nehmen ihre Ressourcen intelligent nutzen und
einen ganzheitlichen Innovationsansatz – von der
Idee bis zum Markterfolg – verfolgen. In den Unter­
nehmen muss ein Umdenken, weg von Forschung
und Entwicklung, hin zu Forschung und Innovati­
on, stattfinden. Unternehmen müssen damit begin­
nen, die bestehende Branchenlogik und ihr eigenes
Geschäftsmodell permanent zu hinterfragen. Dies
bietet ihnen die Chance, neue Märkte zu kreieren,
Eine Innovation ist die Implementierung
eines neuen oder signifikant verbesserten
Produktes, Prozesses oder einer Methode.
(OECD & Eurostat, 2005)
aus bestehenden Denkmustern ihrer Branche aus­
zubrechen und aus ihrer Konzentration auf immer
anspruchsvollere Nischenmärkte zu entkommen.
Tatsächlich sind viele Erfolgsgeschichten auf
die Entwicklung innovativer Geschäftsmodelle
zurückzuführen: Xerox gelang es mit der Verlea­
sung seiner hochpreisigen Kopierer und der Abrechnung pro Seite, die Umsätze von 30 Millionen in
1959 auf 2,5 Milliarden US-Dollar 1972 zu erhöhen.
Flyeralarm ist heute, 14 Jahre nach der Gründung,
einer der europäischen Marktführer der Online-­
Druckereien und setzt mehr als 300 Millionen Euro
um. Obwohl das methodische Grundwissen zu
Geschäftsmodellinnovation in der Schweiz mit dem
an der EPFL entwickelten Business Model Canvas
und dem an der Universität St. Gallen entwickelten
Business Model Navigator sehr stark entwickelt ist
und es zahlreiche technologisch führende Produktund Prozessinnovatoren in der Schweiz gibt, sind
Schweizer Beispiele erfolgreicher Geschäftsmodell­
innovationen, wie das Flottenmanagement von
Hilti oder Nespresso von Nestlé, selten.
Nestlé revolutionierte den Kaffeemarkt mit dem
Angebot von Maschinen nahezu zum Selbstkosten­
preis und dem Verkauf hochpreisiger Kapseln, mit
Kaffee zum Kilopreis von je nach Sorte 60 bis 90
Franken. Doch dieses Geschäftsmodell war keines­
wegs neu, bereits Ende des 19. Jahrhunderts wurde
es von der Standard Oil Company mit dem Verkauf
günstiger Petroleumlampen in Kombination mit
teurem Lampenöl genutzt und seit über 100 Jahren
wird es von Gillette für Rasiergeräte und dazugehö­
rige Rasierklingen genutzt. Auch im Umfeld der gra­
fischen Industrie findet es seit vielen Jahren in Dru­
ckern und Patronen, erstmalig von Hewlett-Packard
1984, Anwendung. Grundlegend neu war jedoch die
Anwendung dieses Prinzips im Kaffeemarkt, die
Nespresso so gut gelang, dass der Umsatz aktuell,
30 Jahre nach der erstmaligen Einführung, schät­
zungsweise bei 5 Milliarden Franken liegt. Dieses
Beispiel zeigt sehr gut, dass die Hinterfragung des
eigenen Geschäftsmodells durch die Konfrontation
mit den Geschäftsmodellen anderer Unternehmen
und Branchen helfen kann, Innovationen zu ent­
wickeln. Insbesondere fördert das Denken in
Geschäftsmodellen die holistische Sichtweise auf
Innovationen. Wichtig ist dabei, dass diese nicht als
einmaliges Ereignis, sondern als kontinuierlicher
Prozess gesehen wird. Unternehmen müssen aus
Veränderungen des externen Umfelds lernen und
basierend auf diesen Einflüssen neue Konzepte für
Geschäftsmodelle entwickeln, die sowohl zum eige­
nen Unternehmen, als auch zum externen Umfeld
passen (Gassmann, Frankenberger, & Csik, 2013).
Das Ziel des vorliegenden Artikels ist es, die Mög­
lichkeiten, die Geschäftsmodellinnovation für
Unternehmen bringen kann, sowohl theoretisch als
auch praktisch aufzuzeigen. Der folgende Abschnitt
erläutert die Theorie des Denkens in Geschäftsmo­
dellen und stellt die Methodik des St. Galler Busi­
ness Model NavigatorTM vor. Der dritte Abschnitt
beschreibt die Entwicklungen der CEWE als erfolg­
reiches Beispiel für die kontinuierliche Innovation
des eigenen Geschäftsmodells in der grafischen
Industrie. Der vierte und letzte Abschnitt fasst die
Kernaussagen zusammen und zieht ein Fazit.
Denken in Geschäftsmodellen
Die Grundelemente eines
Geschäftsmodells
Ein Geschäftsmodell beschreibt, wie ein Unter­
nehmen durch das Zusammenspiel vier verschie­
dener Aspekte – Kunde, Nutzenversprechen,
Wertschöpfungskette und Ertragsmechanik – Wert
für sich selbst sowie seine Partner, Kunden und
andere Marktteilnehmer schafft und wie das Unter­
nehmen einen Teil des geschaffenen Wertes für
sich sichert. Ein Geschäftsmodell beantwortet dabei
integrativ vier Fragen. Siehe Abbildung 1, Gass­
mann et al., 2013):
1. D
er Kunde – wer sind unsere Zielkunden?
Für den Aufbau eines erfolgreichen Geschäfts­
modells muss ein Unternehmen ein genaues
Verständnis für die relevanten Kundensegmente,
die es adressieren möchte, entwickeln. Immer
und ohne Ausnahme steht der Kunde im Zentrum
eines jeden Geschäftsmodells.
2. D
as Nutzenversprechen – was bieten wir dem
Kunden an? Das Nutzenversprechen beschreibt,
was dem Kunden angeboten wird, um ein
bestimmtes Bedürfnis zu befriedigen oder ein
bestehendes Problem zu lösen. Es fasst alle Leis­
tungen (Produkte und/oder Dienstleistungen)
zusammen, die für den Kunden von Nutzen sind.
3. Die Wertschöpfungskette – wie stellen wir
die Leistung her? Um das Nutzenversprechen
erfüllen zu können, müssen verschiedene Prozes­
se und Aktivitäten durchgeführt werden. Diese
müssen dabei nicht zwangsweise vom Unterneh­
men selbst durchgeführt werden, sondern können
ebenfalls von einem Netzwerk aus Partnern,
Zulieferern und anderen Akteuren übernommen
75
werden. Die Gesamtheit der Prozesse und Aktivi­
täten bilden, zusammen mit den involvierten
Ressourcen und Fähigkeiten, die Wertschöp­
fungskette.
4. D
ie Ertragsmechanik – wie wird der Wert erzielt?
Die Ertragsmechanik erklärt die finanzielle Über­
Was bieten wir dem Kunden an?
ec
re
c
ni
k
Wert?
Wie stellen wir
die Leistung
her?
ha
Wer?
m
en
ve
rs
p
gs
tz
tra
Wie wird
Wert erziel?
Er
he
n
Was?
Nu
76
Wertschöpfungskette
Wie?
Wer sind unsere Zielkunden?
Abb. 1: Magisches Dreieck mit den vier Dimensionen eines
Geschäftsmodells (Gassmann et al., 2013)
lebensfähigkeit des Geschäftsmodells. Es bein­
haltet Aspekte wie Kostenstruktur und Umsatz­
mechanismen.
Durch die integrative Beantwortung der vier Fragen
und die Konkretisierung der Zielkunden, des Nut­
zenversprechens, der Wertschöpfungskette sowie
der Ertragsmechanik wird das Geschäftsmodell
greifbar und bietet eine Basis für seine Innovation.
Eine Geschäftsmodellinnovation liegt vor, wenn
mindestens zwei der vier Elemente des Geschäfts­
modells geändert werden (Gassmann et al., 2013;
Gassmann, Frankenberger, & Csik, 2014).
Der St. Galler Business Model Navigator TM
Eine genauere Betrachtung vieler Erfindungen und
Innovationen zeigt, dass nur wenige Phänomene
grundlegend neu sind. Oft liegt lediglich eine eher
geringe Variation von etwas vor, das anderswo
bereits vorhanden war, sei es in anderen Regionen
oder in anderen Industrien. Ähnliches zeigt sich für
Geschäftsmodellinnovationen. Über 90% dieser
sind Rekombinationen bereits bestehender Konzep­
te, die in 55 sich wiederholende Grundmuster unter­
teilt werden können.
Der St. Galler Business Model NavigatorTM basiert auf
dieser zentralen Erkenntnis. Über die kreative Imita­
tion und Rekombination bestehender Grundmuster
lassen sich mit Hilfe dieser Methode neue Geschäfts­
modelle entwickeln. Es wird hierbei zwischen der
Designphase und der Realisierung der Geschäftsmo­
dellinnovation unterschieden, die aus vier Schritten
bestehen (siehe Abbildung 2). Im Folgenden werden
die Schritte 1 bis 3 der Designphase erläutert.
Schritt 1 – Initiierung: Vor der Entwicklung einer
Geschäftsmodellinnovation ist es wichtig, sowohl
den Ausgangspunkt, als auch die grobe Stossrich­
tung zu definieren. Um das Denken in Geschäfts­
modellen zu fördern, werden das bestehende
Geschäftsmodell sowie relevante externe Akteure
und Einflussfaktoren auf Basis des magischen Drei­
ecks (siehe Abb. 1) beschrieben. Ebenfalls dient die
Beschreibung des bestehenden Geschäftsmodells
dazu, ein gemeinsames Verständnis für mögliche
zukünftige Gefahren, für mögliche Chancen, die
mit dem bisherigen Geschäftsmodell nicht nutzbar
gemacht werden können, sowie für die Notwendig­
keit der Innovation des Geschäftsmodells zu entwi­
ckeln. Dabei sollte neben der statischen Perspektive
unbedingt auch auf eine dynamische Betrachtung
aus der dynamischen Perspektive geachtet werden.
Schritt 2 – Ideenfindung: Die Rekombination
bestehender Geschäftsmodellmuster wird genutzt,
um aus bestehenden Denkmustern auszubrechen
und um neue Ideen für Geschäftsmodellinnovatio­
nen zu generieren. Es gibt zwei Grundprinzipien,
wie bestehende Geschäftsmodellmuster zur Ideen­
findung genutzt werden können. Nach dem Ähn­
lichkeitsprinzip wird damit begonnen, Geschäfts­
modellmuster aus ähnlichen Branchen auf das
eigene Geschäftsmodell zu übertragen. Erst im
laufenden Prozess bewegt man sich in Richtung
weniger ähnlicher Branchen. Basierend auf den
Geschäftsmodellmustern werden für jedes Muster
konkrete Ideen der Auswirkungen dessen auf das
eigene Geschäftsmodell entwickelt. Besonders gut
geeignet ist das Ähnlichkeitsprinzip für Innovati­
onsprojekte mit spezifischer Problemstellung. Nach
dem Konfrontationsprinzip erfolgt die Suche durch
die bewusste Konfrontation des eigenen Geschäfts­
modells mit möglichst branchenfremden Geschäfts­
modellmustern. Ausgehend von diesen Extremen
werden die jeweiligen Bedeutungen für das derzei­
tige Geschäftsmodell erfasst, wobei man sich
diesem schrittweise nähert. Das Konfrontationsprinzip ist gut geeignet für Innovationsprojekte mit
offener Problemstellung.
Schritt 3 – Integration: In der Regel liegen zu
Beginn der Integration eine Reihe potentieller Ideen
für neue Geschäftsmodelle vor. Bevor diese jedoch
Realisierung
Designphase
Was?
Initiierung
Akteure
Umfeld
analysieren
Wer?
Wert?
Altes
Geschäftsmodell
Implemen­
tierung
Einfluss­
faktoren
Plan
umsetzen
Wie?
Iteration
Test
Ideenfindung
Iteration
Was?
Ähnlichkeitsprinzip
Muster
adaptieren
Wer?
Konfrontationsprinzip
Wert?
Altes
Geschäftsmodell
Wie?
55 Geschäftsmodellmuster
Lernen
durch
Versuch und
Irrtum
Anpassung
Iteration
Was?
Integration
Geschäftsmodell
ausgestalten
Interne
Konsistenz
Externe
Konsistenz
Wer?
Wert?
Neues
Geschäftsmodell
Wie?
Abb. 2: Der St. Galler Business Model NavigatorTM (Gassmann et al., 2013)
zu überlebensfähigen Geschäftsmodellinnovatio­
nen werden, müssen diese ganzheitlich mit der
integrativen Beantwortung der vier Kernfragen
Wer – Was – Wie – Wert – bezüglich der internen
Anforderungen ausgestaltet werden. Darüber hin­
aus muss das Geschäftsmodell mit dem externen
Umfeld in Einklang gebracht werden. Es muss hin­
terfragt werden, inwiefern bestehende Bedürfnisse
externer Partner und Kunden befriedigt werden und
wie den dynamischen Veränderungen des Marktes
und des Wettbewerbsumfelds begegnet wird (Gass­
mann et al., 2013, 2014).
CEWE – Ein Beispiel erfolgreicher
Geschäftsmodellinnovation
Ein sehr interessantes Beispiel für gelungene
Geschäftsmodellinnovationen, um dem sich durch
die Digitalisierung stark ändernden Umfeld zu
begegnen, bietet der Fall von CEWE. Nach der Grün­
dung im Jahr 1961 entwickelte sich CEWE zu einem
internationalen Grossunternehmen, das im Jahr
1996 mehr als 2,1 Milliarden analoge Farbfotos ent­
wickelte. Diesen Erfolg verdankte CEWE dem steten
Streben nach der Technologieführerschaft, das zu
immer weiteren Effizienzsteigerungen und folglich
ebenfalls zur Kostenführerschaft führte. CEWEs
Wertschöpfungskette war dabei ein klar definierter
Prozess: Ein Händler verkaufte die Kameras und
Filmrollen an den Endkunden. Nach der Aufnahme
brachte dieser die Filmrollen zurück zum Händler,
der sie zur Entwicklung in die Fotolabore von CEWE
schickte. Anschliessend schickte CEWE die
gedruckten Fotos zurück zum Händler, der sie an
den Kunden übergab.
Mit dem Beginn des digitalen Zeitalters führten die
Fortschritte bei Elektronikprodukten sowie der
Informations- und Telekommunikationstechnologie
zu bedeutenden Veränderungen. In den späten
1990er-Jahren kamen, wenn auch zunächst zu
hohen Preisen, die ersten Digitalkameras auf den
Markt. Innerhalb weniger Jahre wurde die analoge
Fotografie von diesen fast vollständig verdrängt.
Bereits 1997 erkannte CEWE die Chancen des sich
wandelnden Umfelds und gründete mit der cewe
digital GmbH eine eigenständige Geschäftseinheit,
Markteinführung
77
78
deren Ziel es war, aktiv an der Kannibalisierung des
eigenen Kerngeschäftes mitzuwirken. Um den dazu
nötigen Abstand vom Alltagsgeschäft zu erhalten,
wurden von der cewe digital fast ausschliesslich
neue Mitarbeiter mit digitalen Fachkenntnissen
eingestellt. Noch im selben Jahr entwickelte das
Spin-Off das erste digitale Fototerminal, von dem
der Kunde beim Händler seine digitalen Fotos zum
Druck zu CEWE schicken konnte. Ein Jahr später
wurde der digitale Service um die Internetplattform
«Photoworld» erweitert, auf den Kunden ihre Fotos
selbst hochladen und später ausgedruckt beim
Händler abholen konnten. Neben dem blossen neuen
Kanal, über den Fotos zu CEWE zum Druck gelang­
ten, erkannte das Management weitere Chancen der
Nutzung der Digitalisierung: Wenig war bisher über
das Verhalten der Kunden bei der Nutzung digitaler
Technologien bekannt. Mit dem DigiFilm-Maker
begann CEWE im Jahr 2002 damit, das Kundenver­
halten statistisch zu analysieren, um neue Informa­
tionen über das Kundenverhalten zu erlangen.
Im Jahr 2004, als das Geschäft mit der Entwicklung
von Fotos im freien Fall war, traf das Management
von CEWE eine grundlegende Entscheidung: Es
erfolgte ein Spin-In der cewe digital GmbH – das
digitale Geschäft sollte das traditionelle Geschäft
ersetzen. Durch diese Entscheidung konnte das jun­
ge digitale Geschäft von der Managementerfahrung
der CEWE profitieren und sich zu einem reifen
Unternehmen wandeln. Beide Unternehmen konn­
ten dabei gegenseitig stark von den Erfahrungen
des anderen profitieren und die individuellen Fähig­
keiten und Kenntnisse gemeinsam nutzen.
CEWE erkannte zwei grundlegende Trends im
Umfeld der Fotobranche: Zum Ersten die zunehmen­
de Digitalisierung, und zum Zweiten die stark sin­
kenden Zahlen an gedruckten Fotos. Basierend auf
den gesammelten Erkenntnissen zum Kundenver­
halten entschied sich CEWE, die nun gebündelten
analogen und digitalen Fähigkeiten gemeinsam in
die Entwicklung eines Produktes einfliessen zu las­
sen. Das Resultat war die Einführung des CEWEFotobuchs sowie die dazugehörige Bestellsoftware,
die den Kunden bei der Erstellung des Fotoalbums
begleitet. Das CEWE-Fotobuch war mit mehr als
3,6 Millionen verkaufen Fotobüchern im Jahr 2009
ein voller Erfolg. Technisch wäre es für CEWE ohne
weiteres möglich gewesen, sich vom bestehenden
Modell mit Händlern zu lösen und zu einem B2C-­
Geschäft zu wechseln. Aus zwei Gründen jedoch
hielt das CEWE-Management am bestehenden
B2B2C-Modell fest: Zum Ersten, um den Bruch mit
bestehenden Partnern wie Supermärkten und
Händlern zu vermeiden, mit dem möglicherweise
Chancen für Wettbewerber entstanden wären, und
zum zweiten um die bestehende Omnipräsenz für
den Endkunden durch maximale Sichtbarkeit zu
erhalten. Erweiterungen des sehr saisonalen Foto­
geschäftes erfolgten in den folgenden Jahren durch
die Ausdehnung des Fotobuchgeschäftes auf den
Druck professionell gebundener Hard- und Softco­
verbücher aus digitalen Kundendaten. Entstanden
ist diese Geschäftsidee im unternehmenseigenen
Onlineforum, in dem dieser Service von Kunden
explizit nachgefragt wurde. Durch diese Erweite­
rung gelang es CEWE, die Auslastung seiner Druck­
maschinen weiter zu erhöhen. Um dem Trend der
immer grösseren Verbreitung von Videoaufnahmen
durch Smartphones zu begegnen, erweiterte CEWE
seinen Fotobuchservice um die Integration von
Videos mittels QR-Codes, über die diese auf dem
Smartphone oder Tablet aufgerufen und abgespielt
werden können. Weiterhin wurde der Service im
Jahr 2013 um die CEWE-Fotowelt-App erweitert, um
Smartphones und Tablets besser in die bestehende
Wert-schöpfungskette zu integrieren.
Nichtsdestotrotz birgt die Zukunft viele Herausfor­
derungen, denen CEWE durch weitere Innovationen
begegnen muss. Der Fotobuchmarkt ist heute wei­
testgehend gesättigt und zahlreiche Wettbewerber
bieten ähnliche Produkte, teilweise in ebenbürtiger
Qualität, an. Ebenso gibt es viele unbeantwortete
Fragen im Umfeld des Wandels hin zu mobilen
Geräten und der stetig steigenden Verbreitung
sozialer Netzwerke (Gassmann, Frankenberger,
Lee, Sauer, & Meister, 2015; Gassmann, 2013).
Zusammenfassung und Fazit
Unternehmen unterliegen einem stetigen Wandel
ihres externen Umfelds, dem sie mit Innovationen
begegnen müssen. Wichtig ist, dass Unternehmen
ihre Ressourcen dabei intelligent nutzen und einen
ganzheitlichen Innovationsansatz, von der Idee bis
zum Markterfolg, verfolgen. In vielen Unternehmen
ist ein Umdenken nötig, weg von Forschung und
Entwicklung, hin zu Forschung und Innovation.
Das vermehrte Denken in Geschäftsmodellen kann
dieses Umdenken unterstützen und stellt für die
grafische Industrie der Schweiz eine wichtige
Chance zur Sicherung der eigenen Zukunftsfähig­
keit dar.Um Geschäftsmodellinnovation zu fördern,
müssen Unternehmen ein gutes Verständnis der
Thematik entwickeln. Der St. Galler Business Model
NavigatorTM kann mit seinem strukturierten Pro­
zess einen methodischen Rahmen darstellen, auf
Basis dessen Geschäftsmodellinnovation durch die
Betrachtung der vier Kernaspekte (Kunde, Nutzen­
versprechen, Wertschöpfungskette und Ertragsme­
chanik) ganzheitlich angegangen werden kann.
Durch die Integration bekannter Grundmuster inno­
vativer Geschäftsmodelle in den Prozess wird das
Denken ausserhalb der bestehenden Grenzen der
eigenen Branche gefördert – eine der Grundvoraus­
setzungen für erfolgreiche Geschäftsmodellinno­
vation. Viele der bekannten Innovatoren wie Ama­
zon, IKEA, Dell oder Skype unterscheiden sich von
Unternehmen der schweizerischen grafischen
Industrie stark. Oft führt die Frage «Wie würde
IKEA unser Geschäft führen?» deshalb zu einem
Lächeln, Kopfschütteln oder zu offener Ablehnung,
stellt man diese den Mitarbeitern eines Industrie­
unternehmens. Nichtsdestotrotz zeigt der Fall von
CEWE, dass der Blick auf Bereiche ausserhalb der
eigenen Kernkompetenzen für die Entdeckung neu­
er Chancen und die Entwicklung neuer Geschäfts­
modelle sehr förderlich sein kann.
Literatur
Gassmann, O. (2013). Keine halben Sachen. Harvard Business Manager,
(Februar 2013), 32–33.
Gassmann, O., & Frankenberger, K. (2014). Druckauftrag fehlt.
Harvard Business Manager, 77–83.
Gassmann, O., Frankenberger, K., & Csik, M. (2013).
Geschäftsmodelle entwickeln: 55 innovative Konzepte mit dem St. Galler
Business Model NavigatorTM. München: Hanser.
Gassmann, O., Frankenberger, K., & Csik, M. (2014). The Business
Model Navigator TM. Harlow, UK: Pearson Education.
Gassmann, O., Frankenberger, K., Lee, J.-Y., Sauer, R.,
& Meister, C. (2015). CEWE: Business Model Innovation – When Disruptive
Technologies Hit You.
OECD, & Eurostat. (2005). Oslo manual: Guidelines for collecting and
interpreting innovation data. Oslo Manual (Vol. 3rd ed.).
Rigby, D., & Bilodeau, B. (2015). Management Tools & Trends 2015.
Bain & Company.
Ständerat. (2014). Interpellation Bischof Pirmin. Grafische Industrie.
Krise einer staatstragenden Branche.
79
80
Produkte und Dienstleistungen
2026: Experten-Umfrage
—
Prof. Dr. Christian Pieter Hoffmann
Professor for Communication Management University of Leipzig
Peter Edelmann, Präsident viscom
Prof. Ruedi Alexander Müller-Beyeler, MSc ETH, Instituts- und Studienleiter
Multimedia Production, HTW Chur und Berner Fachhochschule BFH
Stefano Gazzaniga, Vizedirektor viscom
Ressortleiter Innovation, Management, Umwelt
ZEITUNGEN
Prof. Dr. Christian Pieter Hoffmann
Das Zeitungssterben ist eines der sichtbarsten
Signale des aktuellen Medienwandels. Digitale Medien verfügen über Stärken in der schnellen Vermittlung von kurzen Nachrichten. Hinzu kommen Kostenvorteile für die digitale Vermittlung. Die Zukunft
der gedruckten Zeitung sieht daher eher düster aus.
An zwei Polen bestehen weiterhin Chancen für Print:
Qualitätszeitungen (symbolische Vorteile) und Pendlerzeitungen/Anzeiger (funktionale Vorteile). Lokale
und regionale Zeitungen haben es dagegen schwer
(«stuck in the middle»).
in den westlichen Kulturkreisen rückläufig. Das
führt dazu, dass Verlage, die zwar zugeben, dass sie
ihr Geld nach wie vor mit den guten alten Printmedien verdienen, ihre Investitionen immer mehr ins
Online-Geschäft verschieben. Damit wird der Eindruck erweckt, dass die Verlage selbst ihren eigenen
Untergang erwarten, ihren eigenen Printmedien
nicht mehr vertrauen und sich deshalb der vermeintlich rentableren digitalen Zukunft zuwenden.
Dabei wird oft vergessen, dass Print und Digital
bei weitem nicht in jeder Hinsicht in Konkurrenz zueinander stehen. Im Gegenteil, sie können sich auch
sinnvoll ergänzen: Das gute alte Papier für die
vertiefte Reflexion und das Internet für das Aktuelle
und das Archiv. So verbinden sich analoge und
digitale Produkte aus ein und demselben Haus.
Peter Edelmann, Präsident viscom
Schon vor der Jahrtausendwende gab es Stimmen,
die den Printmedien den baldigen Tod voraussagten.
Heute ist die Digitalisierung von Zeitungen so weit
fortgeschritten, dass man vermuten könnte, dass
die gedruckten Versionen in naher Zukunft tatsächlich überflüssig würden. Untersucht man jedoch die
schon heute bestehende Rollenverteilung zwischen
den beiden Gattungen «Digital» und «Print» etwas
genauer, kommt man zu einem anderen Schluss:
Gedruckte Zeitungen haben durchaus eine Zukunft!
Bedrucktes Papier hat immer noch seine Stärken –
auch wenn seine Monopolstellung unwiderruflich
vorbei ist.
Zwar ist die Anzahl gedruckter Zeitungen und
anderer regelmässig erscheinenden Publikationen
Für das Überleben der Zeitungen und Zeitschriften
in Printform sprechen folgende Vorzüge:
–P
rintprodukte sind abgeschlossene Erzeugnisse,
wogegen das Netz eine Informationsquelle ist, die
keinen Anfang und kein Ende hat und dadurch die
Gefahr besteht, dass man dauernd abgelenkt wird.
–P
rintprodukte haben eine klare Aufteilung, weisen
Inhalten Prioritäten zu und laden ein zum physischen Blättern, zum «Flanieren». Dadurch, dass
die Lektüre zwingend offline geschieht, wird eine
innere Haltung gefördert, die Zurücklehnen,
Entspannung und Distanz aufkommen lässt.
–P
rintprodukte kann man in die Hand nehmen und
geistig in den Inhalt «eintauchen»; eine hochwerti-
ge Aufmachung bewirkt beim Leser ein stimmiges
Erlebnis.
– Werbung in Printmedien hat eine höhere Wirkung,
weil sie vom Leser im Vergleich zur Onlinewerbung glaubwürdiger und als weniger störend
wahrgenommen wird.
Prof. Ruedi Alexander Müller-Beyeler
Bezahlte gedruckte Zeitungen haben immer schon
mit Journalismus Reichweite bei den Nutzern generiert, um sie dann an die Werbeindustrie weiter –
verkaufen zu können. Bezahlte Zeitungen und
Zeitschriften haben also schon immer mit einem
zweiseitigen Geschäftsmodell gearbeitet.
Ein wachsender Teil der Werbegelder fliesst jetzt
aber in Online-Kanäle und damit vor allem ins
Ausland. Viele Verlage haben darauf reagiert, indem
sie die Kosten beim Journalismus gesenkt haben,
was natürlich verbunden ist mit Qualitäts- und Relevanzverlust der journalistischen Beiträge.
Kurzfristig konnten so zwar Ertragsrechnungen
geschönt werden. In einigen Fällen sind die Gewinne
vielleicht sogar gestiegen, weil beim Journalismus
überproportional mehr Kosten eingespart wurden,
als notwendig gewesen wäre, um die wegfallenden
Werbeeinnahmen zu kompensieren. Aber mit der
Reduktion der journalistischen Qualität wurde
gleichzeitig das zweiseitige Geschäftsmodell zerstört
– und zwar von den Verlagen selbst. Die Leser
springen ab, weil sie keinen journalistischen Mehrwert mehr erhalten, deshalb schrumpft die Reichweite und das Geschäft bricht schliesslich ganz
zusammen.
Der Schein trügt also. Es ist wie mit einem Auto,
das mit 100 km/h auf eine Wand zufährt: Alles läuft
doch, wenn man nicht nach vorne blickt – bis die
Mauer da ist.
Hinzu kommt der Generationenbruch: In den USA
lesen laut Ofcom Menschen unter 35 Jahren keine
Zeitungen und keine Zeitschriften mehr und nur
Menschen über 75 noch relativ viel im Vergleich
zu TV, Radio und Online. Mehr als 50% ihres
Medienkonsums findet bei den 16- bis 25-jährigen
laut der gleichen Studie auf dem Smartphone statt.
In der Schweiz dürfte diese Zahl noch höher sein,
ist doch hier die Durchdringung mit Smartphones
sehr hoch (eine nicht repräsentative Erhebungen an
unserem Institut für Multimedia Production [IMP]
der HTW Chur besagt, dass bereits 95% aller
jungen Erwachsenen Medien primär über Smartphone konsumieren).
Stefano Gazzaniga, Vizedirektor viscom
Wer blättert noch eine Zeitung durch? Nur wer
exklusive Inhalte anbietet, wird digitale Abos in
Zukunft kostenpflichtig machen können. News
im Sinne von reinen Informationen, sind nicht exklusiv und sehr schnell kopierbar. Journalistische
Tätigkeiten müssen interaktiv werden.
Die Werbebudgets werden noch stärker im
Online-Sektor platziert werden. Die Statistiken sind
vorhanden: Diese bestätigen, dass Mediennutzer 107
Minuten am Smartphone, 95 Minuten Online,
85 Minuten am Fernseher verbringen, und nur 31
Minuten für das Lesen von gedruckte Zeitungen aufwenden. Darüber hinaus hat die Online Werbung
sehr viel Gestaltungsmöglichkeiten zu bieten wie
Interaktive Werbeformen mit Ton und Video.
TAGESZEITUNG
Prof. Dr. Christian Pieter Hoffmann
Die Print-Tageszeitung hat schon heute mehr
sym­bolische als funktionale Vorteile gegenüber
Digital. Sie eignet sich als Auslage oder Dreingabe.
Qualitätszeitungen können daher möglicherweise
noch eine Weile eine Print-Nische bespielen.
Peter Edelmann
Die Tageszeitungen weisen trotz aktueller
Schwierigkeiten immer noch eine hohe Vielfalt
und eine grosse Abdeckung auf. Die durchschnittliche tägliche Auflage der Deutschschweizer Tageszeitungen inklusive Sonntagszeitungen und Gratispresse beläuft sich auf 2,5 Mio. Exemplare.
Diese Tageszeitungen inklusive Sonntagszeitun­gen und Gratispresse werden von 3,4 Mio. Personen
ab 14 Jahren gelesen. Die Tageszeitungen haben
in unserer komplexen, förderungswürdigen
Demokratie auch zukünftig auf drei Ebenen einen
wich­tigen Informationsauftrag zu erfüllen. Auf
Gemeinde­ebene, kantonal und national. Wir
brauchen dieses Kommunikationsmittel gedruckt
und elektronisch – als Lotsen in einer unüber­sich­
tlichen, schnellen Zeit.
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82
Damit ist jedoch das wirtschaftliche Überleben der
Tageszeitungen noch nicht gesichert. Die Auflagen
fallen, Leser nutzen zunehmend die digitalen Angebote, sind aber nicht bereit, im selben Masse für die
Online-Inhalte zu bezahlen, wie sie es für das gedruckte Wort taten. Die Anzeigenumsätze, welche
immer noch die wichtigste Einnahmequelle darstellen, gehen zurück. Die Einnahmen durch das Digital-Angebot können diese Einbussen noch nicht
kompensieren.
Online-Tagesjournalismus. Der Mythos, Konsumenten seien nicht bereit, im Internet für Inhalte zu
bezahlen, wird zwar eindrücklich widerlegt durch
Erfolge wie beispielsweise der von Netflix. Bezahlt
wird jedoch nur für Premium-Content (und für Convenience). Die «New York Times» zeigt auf, wie seit
2014 die Zahlkunden für Premium-Inhalte rasch
wachsen. Bedingungen sind: Qualität und Reichweite. Letztere muss für die Schweiz über die Landesgrenzen hinausweisen.
Die Zukunft der gedruckten Qualitätszeitung könnte
in einem Premium-Angebot für eine anspruchsvolle
Leserschaft bestehen, welche bereit ist, für journalistisch überdurchschnittliche Inhalte einen entsprechenden Preis zu bezahlen. Ein solches Nischenprodukt müsste auch für den Werbemarkt so attraktiv
sein, so dass das heutige Finanzierungsmodell (Nutzer- und Werbemarkt) auch auf der Basis kleinerer
Auflagenzahlen die Wirtschaftlichkeit der Zeitungen
garantiert.
Stefano Gazzaniga
Prof. Ruedi Alexander Müller-Beyeler
Laut der Stiftung Werbestatistik Schweiz haben sich
die Netto-Werbeumsätze der gedruckten Tageszeitungen zwischen 2007 und 2014, also innerhalb von
7 Jahren, halbiert. Hält dieser Trend weiterhin an,
rechne ich damit, dass gedruckte Tageszeitungen in
der Schweiz innerhalb der kommenden 5 bis 10 Jahre vollständig verschwinden werden.
Mit bezahltem Online-Journalismus lässt sich der
wegfallende Ertrag gedruckter Zeitung in der
Schweiz aller Voraussicht nach nicht kompensieren.
Dies aus zwei Gründen: Erstens wird online nur für
Journalismus bezahlt, der gut ist und nicht mit einem Mausklick auch gratis bezogen werden kann.
Solcher Journalismus ist heute in der Schweiz nicht
mehr weit verbreitet.
Zweitens sind die Schweizer Sprachräume zu klein
für Online-Journalismus. In Deutschland decken
viele regionale Tageszeitungen Gebiete ab so gross
wie die ganze deutschsprachige Schweiz. Rheinland-Pfalz beispielsweise – nur eines von 16 Bundesländern in Deutschland – hat 4 Mio. Einwohner.
Demgegenüber sprechen in der ganzen Schweiz
gerade einmal etwas über 5 Mio. Menschen deutsch.
Also kann man regionale Tageszeitungen in der
Schweiz nicht mit regionalen Tageszeitungen in
Deutschland vergleichen. Ihre Reichweite unterscheidet sich um eine ganze Grössenordnung.
Die Schweiz ist zu klein für Bezahlmodelle im
Zeitungen erfahren eine ständige Erosion ihrer
Abo-Einnahmen aus dem Print-Bereich. Diese Rückgänge können durch die digitalen Abo-Einnahmen
nur teilweise wettgemacht werden. Für die Zukunft
sind deshalb weitere Fusionen und Verschwinden
von Zeitungstiteln zu erwarten. Zeitungen müssten
ihre Konzepte ändern, damit sie neue Leser gewinnen können. Die Zeitungsverlage werden künftig
ausschliesslich Verlage sein und ihre Printproduktion outsourcen. Damit dürfte es zu einer Konzentration auf sehr wenige Produktionszentren für Print-Zeitungen kommen, um die Produktionskosten und vor
allem die Auslastung der Rotationsmaschinen zu
optimieren.
LOKAL-/REGIONAL-/
ZEITUNGEN/ANZEIGER
Prof. Dr. Christian Pieter Hoffmann
Lokal- und Regionalzeitungen durchleben massive
finanzielle Engpässe, die sie teilweise auf das qualitative Niveau von Anzeigern schrumpfen lassen.
(Hyper-)lokale Anzeigen eingebettet in ein wenig lokalen Content ermöglichen vorerst noch die Refinanzierung von Print. Print-Anzeiger haben zudem den
simplen Vorteil, physisch verteilt werden zu können
und damit in lokalen Märkten eine breite Abdeckung
zu erzielen. Fragwürdig ist jedoch ihre tatsächliche
Wirksamkeit.
Peter Edelmann
Lokalzeitungen decken das Informationsbedürfnis
über das Geschehen in unmittelbarer Nähe des
Lesers ab. Was in der Gemeinde, im Quartier, in der
Schule, im Gemeindehaus, im lokalen Sportclub, im
Sängerbund läuft, interessiert Jung und Alt. Deshalb
werden Lokalzeitungen gelesen. Davon profitieren
auch das lokale Gewerbe, die Vereine, die Behörden,
welche ihre Dienstleistungen bzw. amtlichen Publikationen bekannt machen können. Nicht selten
haben sich gut verankerte Regionalzeitungen dank
ihrer «Local Leader»-Stellung in ihrem Verbreitungsgebiet eine gute wirtschaftliche Basis geschaffen.
Die Umsatzströme aus Abonnements und Anzeigen
reagieren bei dieser Mediengattung weniger anfällig
auf die strukturellen Veränderungen, so dass die
Überlebenschancen dieser Printgattung gross sind.
Prof. Ruedi Alexander Müller-Beyeler
Es scheint, als ob lokale und sehr regionale Printprodukte derzeit noch Leser haben und vielleicht noch
etwas länger haben werden. Vielleicht auch deshalb,
weil lokal-gewerbliche Anzeigen in solchen Medien
immer noch geschaltet werden.
Mit unseren eigenen Studien am Institut für Multimedia Production (IMP) kommen wir zum über­
raschenden Schluss, dass Jugendliche und junge
Erwachsene sich sehr wohl für News interessieren.
Aber für nationale und internationale, die sie aber
fast ausschliesslich mobile konsumieren. Mobile
konsumieren sie im Gegensatz dazu kaum Regio­
nales. Das kann darauf hindeuten, dass sie regionale
Neuigkeiten doch immer noch im Printformat lesen.
Oder eben gar nicht mehr.
Stefano Gazzaniga
Regionalzeitungen haben bessere Voraussetzungen
um einer digitalen Medienwelt zu überleben. Sie sind
meist (aufgrund der geringen Marktgrösse) «regionale Monopolisten» und bieten exklusive Inhalte
(Politik, Sport, Aktualität, regionale Highlights). Die
Leser haben eine hohe Identifikation mit der Region,
was eine gute Voraussetzung für ein Leser-Blatt-Bindung darstellt. Die Regionalzeitungen werden deshalb auch in Zukunft von der regionalen Werbung
unterstützt.
GRATISZEITUNGEN
Prof. Dr. Christian Pieter Hoffmann
Pendlerzeitungen bedienen sehr erfolgreich eine
funktionale Nische (kondensiertes Infotainment
während einiger Minuten ungenutzter Zeit). Für sie
gilt ähnlich wie für lokale Anzeiger: Solange das
Anzeigenaufkommen die Kosten deckt, spricht vieles
für die physische Distribution. Pendlerzeitungen
erzielen dabei weniger Streuverluste und sprechen
ein breiteres Publikum an als lokale Anzeiger.
Peter Edelmann
Gratiszeitungen sind ausschliesslich anzeige- und
werbefinanziert. Wenn eine Gratiszeitung eine genügend grosse Verbreitung aufweisen kann, ist sie für
den Werbemarkt interessant. Spitzenreiter in der Kategorie «Gratiszeitungen» sind eindeutig die Pendlerzeitungen, welche an Verkehrsknotenpunkten wie
Bahnhöfen und Haltestellen angeboten und überwiegend von Pendlern auf dem Weg zum Arbeitsplatz
gelesen werden. Gemäss Studien wird dieses Angebot zusätzlich zu den herkömmlichen Medien (Tageszeitungen, Online) gut genutzt und dürfte sich
demnach auch in Zukunft behaupten.
Neben dem Papierprodukt ist insbesondere für die
Pendlerzeitung «20 Minuten» der Internetauftritt
wichtig. Hier werden neben den Tagesaktualitäten
Zusatzinformationen und eigenständige Inhalte angeboten. Damit wird eine vermehrte Leserbindung
der (sehr) jungen Kernzielgruppe der 14 bis 29-Jährigen erreicht.
Prof. Ruedi Alexander Müller-Beyeler
Millennials schauen alle 10 Minuten auf ihr Smartphone, das sie 24 Stunden am Tag in ihrer Nähe
haben. Und es ist das Erste, was sie am Morgen
checken, wenn sie erwachen. Und wenn heute knapp
über 20% des Medienkonsums aller Konsumenten
via Handy erfolgen, sollen es laut Ofcom bis 2030
rund 50% sein. Da wird dann auch für gedruckte
Gratiszeitungen wenig Raum übrig bleiben.
Stefano Gazzaniga
Nach dem grossem Aufbruch von Gratiszeitungen
hat man auch in diesem Bereich eine Konzentration
erlebt. Die Gratiszeitungen entwickeln sich immer
mehr in eine direkte Unterstützung des Online-Kanals: Die Inhalte, die man in diesen Zeitungen liest,
werden mittlerweile 1:1 parallel online publiziert.
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ZEITSCHRIFTEN
Prof. Dr. Christian Pieter Hoffmann
Gedruckte Zeitschriften verfügen über symbolische
und funktionale Vorteile, warum sie vom «Aussterben» des Print bisher weniger betroffen sind. Die
Print-Zeitschrift ermöglicht die vertiefte Lektüre
auch längerer oder komplexerer Texte, verbunden
mit funktionalen und ästhetischen Abbildungen.
Dies erleichtert die Aufnahme. Zugleich stellen
Zeitschriften eine Art Genussmittel dar – durch sie
gönnt sich der Konsument eine Auszeit. Erst eine
deutliche Verbesserung digitaler Interfaces würde
die Print-Zeitschrift ernsthaft bedrohen.
Peter Edelmann
Wenn man den dauerhaften Eigenschaften von
Print – Beständigkeit, Verlässlichkeit, Greifbarkeit –
Glauben schenkt, dann haben Zeitschriften und
Magazine (darunter fallen auch Kundenzeitschriften
und -magazine) hohe Zukunftschancen. Gedruckte
Erzeugnisse bilden für viele Menschen fortwährend
den Gegenpol zum schnelllebigen Digitalen. Das
Lesen von Gedrucktem schafft eine besondere
Wahrnehmung durch optische und haptische Reize,
was auch in Verbindung gebracht wird mit hoher
Qualität.
Eine zusätzliche Wertsteigerung erfahren Zeitschriften mit der Verbindung zu den «neuen» Medien: Mittels lesbarer Codes oder NFC-Integration kann die
Brücke zur digitalen Welt bewerkstelligt werden. Damit stellt das klassische Offlineprodukt «Print» die
Attraktivität anderer medialer Zugänge sicher. Diese
Kombinationsmöglichkeit von analogen und digitalen Produkten führte dazu, dass vor allem die Zahl
der Special-Interest-Titel in den letzten Jahren stetig
gestiegen ist. Dieser Trend dürfte sich fortsetzen.
Sparte abzuhängen. Gedruckte Pornotitel beispielsweise dürften längst durch das Internet substituiert
worden sein.
Stefano Gazzaniga
Sowohl Zeitungen als auch Zeitschriften wecken
Emotionen, aber das alleine reicht nicht mehr. Magazine und Zeitschriften, die auch in die Zukunft
erfolgreich sein wollen, müssen sich also vor allem
anschauen, was in der Nische passiert. Magazine
und Zeitschriften nimmt man in die Hand. Das
Erlebnis, das dabei entsteht, muss möglichst stimmig sein. Layout, Papier, Cover – jedes Detail muss
sich zu einem hochwertigen Gesamtbild zusammenfügen. Mutige Inhalte: Kommentare, Analysen,
Essays, Hintergrundberichte, Satire, Reportagen,
Die Inhalte sind die Essenz eines jeden Magazins.
Das Onlineprodukt wird in der nächsten Zukunft
das Druckprodukt nicht ersetzen, aber es wird ihm
helfen, sich im Kommunikationsmarkt zu stärken.
GESCHÄFTSBERICHTE
Prof. Dr. Christian Pieter Hoffmann
Der funktionale Nutzen gedruckter Geschäftsbe­
richte ist sehr klein. Professionelle Zielgruppen müssen mit den Inhalten arbeiten, daher bietet sich eine
digitale Form an. Aber: Der symbolische Wert des
Print-­Berichts ist hoch. Er signalisiert das Selbst­
bewusstsein und den Erfolg der Organisation und
stellt ein geeignetes Mittel der Beziehungspflege dar.
Die Übergabe eines hochwertigen physischen Berichts signalisiert Anerkennung. In kleiner Auflage
werden gedruckte Berichte daher noch einige Jahre
existieren.
Peter Edelmann
Prof. Ruedi Alexander Müller-Beyeler
Als Markenexperte vertrete ich die Hypothese, dass
starke Medientitel überlebensfähig sind, wenn sie
als Marke gepflegt und profiliert behalten werden
(was einige Tagestitel in der Schweiz derzeit vernachlässigen). Grosse Titel wie «Vogue» , wo Qualitätsfotografien im Zusammenspiel mit Werbung für
Luxusgüter wichtig sind, werden wohl noch lange einen Markt haben. Andere, die schon vom Inhalt her
multimedialer orientiert sind, also beispielsweise
Musiktitel haben vielleicht mehr Mühe in Printform.
Es scheint also ein bisschen von der jeweiligen
In vielen Fällen erfüllen Geschäftsberichte heute
noch zwei Funktionen: Einerseits werden damit in
den dazu verpflichteten Unternehmungen die gesetzlichen Vorschriften hinsichtlich Jahresberichterstattung und Rechnungslegung an die Share- und
Stakeholders abgedeckt. Andererseits wird der
Geschäftsbericht gleichzeitig auch als Imagebroschüre eingesetzt. Entsprechend ist die Gestaltung
meistens sehr aufwendig. In Zukunft ist damit zu
rechnen, dass diese Doppelfunktion nach und nach
verschwinden wird. Denn vor allem das oft umfang­
reiche und komplexe Zahlenmaterial, das in erster
Linie den Rechnungsprüfern und Finanzanalysten
dient, ist wenig geeignet als Werbeinstrument.
Zahlreiche Aktiengesellschaften bieten ihren Aktionären den Geschäftsbericht heute schon in digitaler
Form an. Dieser Trend wird zunehmen, so dass zwar
qualitativ anspruchsvolle Geschäftsberichte weiterhin durch Vorstufenbetriebe digital produziert werden dürften, hingegen nur noch verkürzte Geschäftsberichte in kleinen Auflagen für speziell
interessierte Abnehmer gedruckt werden.
Prof. Ruedi Alexander Müller-Beyeler
Gespräche, die wir am Institut für Multimedia
Production (IMP) der HTW Chur mit Kommuni­
kationsverantwortlichen grosser Unternehmen geführt haben, deuten darauf hin, dass viele Unternehmen Geschäftsberichte nur noch so lange drucken
werden, wie es andere auch tun, wie es also Branchenusanz ist. Wenn eine kritische Anzahl von Unternehmen ihre jährliche Offenlegung nur noch online publiziert, werden wohl in kurzem zeitlichen
Abstand alle rasch folgen. Wann dieser Tipping
Point erreicht sein wird, kann ich nicht sagen.
Es kann aber zu einem plötzlichen Zusammenbruch
des Geschäftes kommen, wenn die Opinion Leaders
umstellen.
KLEIN- UND
GESCHÄFTSDRUCKSACHEN
Prof. Dr. Christian Pieter Hoffmann
Bisherige Erfahrungen mit dem «papierlosen» Büro
zeigen: Klein- und Geschäftsdrucksachen sterben
nicht aus. Für diverse Zwecke sind Printmaterialien
unverzichtbar oder schlicht nützlich. Hier ist jedoch
der Kostendruck erheblich. In wenigen Fällen erfordert die symbolische Funktion der Drucksache eine
hohe Qualität (Visitenkarten, Briefpapier, Einladungskarten, etc.). Hier zahlen sich Know-how und
Kompetenz durch höhere Margen aus.
Peter Edelmann
Geschäftsdrucksachen sind Organisationshilfsmittel mit Repräsentationscharakter und müssen deshalb eine gewisse Wertigkeit mit einheitlicher Corporate Identity aufweisen. Für eine Unternehmung,
welche auf ihr Erscheinungsbild gegen aussen Wert
legt, wird es sich deshalb auch in Zukunft lohnen,
für die Herstellung dieser Drucksachen mit einem
professionellen Anbieter der grafischen Branche zusammenzuarbeiten.
Stefano Gazzaniga
Prof. Ruedi Alexander Müller-Beyeler
Die Zeiten, in denen die schwergewichtigen, mehrere
hundert Seiten umfassenden Publikationen in hohen
Stückzahlen versendet wurden, neigen sich dem
Ende zu. Die Unternehmen versuchen auch aus Kostengründen, die Auflage ihrer Berichte zu reduzieren
und die Informationen im Internet bereitzustellen.
Denn immer mehr Stakeholder entdecken den Mehrwert der interaktiven Online-Geschäftsberichte.
Es gibt immer wieder Situationen im geschäftli­chen Alltag, wo der soziale Austausch durch kleine
Geschäftsdrucksachen erleichtert werden kann. Ich
vermute deshalb, dass sich dieses Geschäft noch
lange halten wird. Der Austausch von Visitenkarten
mag das illustrieren: Gegenseitig die Handys zu
schütteln, um die persönlichen Daten zu tauschen,
hat sich nie durchgesetzt, obwohl es dafür Apps
gibt. Händeschütteln und Übergabe der Karte werden noch heute bevorzugt, obwohl Ersteres logistisch viele Vorteile hätte.
Internet ist aber nicht genug: Man braucht ein neues
gesamtes Kommunikationskonzept mit mehr Personalisierung für die verschiedene Stakeholder.
Stefano Gazzaniga
Dabei wird es spannend sein zu beobachten, ob das
langfristig dann tatsächlich auch das Aus für die
Print-Version bedeutet. Die Firmen stehen laufend
vor der Aufgabe, ihre Kommunikationsstrategien zu
prüfen und die entsprechenden Kanäle zu bedienen.
Visitenkarten, Briefpapier, Briefumschläge und
Akzidenzdrucksachen unterliegen der starken Preiskonkurrenz von Web2Print. Die viscom-Umfrage
bestätigt, dass die Kunden in den verschiedenen
Produktionsphasen beraten werden wollen. Alles,
was keine Beratung braucht, wird längerfristig in
Web2Print-Lösungen abwandern.
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PLAKATE
Prof. Dr. Christian Pieter Hoffmann
Plakate bieten gegenüber digitalen Displays weder
symbolische noch funktionale Vorteile. Hier ist das
Ende des Print daher eine simple Frage der Inves­
titionsrechnung: Ab wann wird die Installation und
der Betrieb digitaler Displays günstiger als die Produktion und Distribution physischer Plakate?
Peter Edelmann
Der Aussenwerbemarkt zeichnet sich weiterhin
durch eine hohe Dynamik aus. 67 Prozent der Mobilität unserer Gesellschaft finden auf der Strasse
statt, ob zu Fuss oder motorisiert. Millionen von
Menschen reisen täglich mit Bahn oder Flugzeug
und kommen dabei in Kontakt mit Aussenwerbung.
Und sie schätzen diese Form der Ansprache. Vier
von fünf Personen in der Schweiz mögen Plakatwerbung. Diese harmonische Beziehung zwischen Konsument und Medium macht den Aussenwerbemarkt
zu einer der wirksamsten und wirtschaftlichsten
Formen kommerzieller Markenkommunikation überhaupt. Um mobile Zielgruppen effizient zu erreichen,
werden die Bereiche Digitalisierung, Konvergenz
und Interaktivität laufend ausgebaut. Damit erhalten
Werbekunden ein überzeugendes integrales Angebot, welches die Stärken der «Out-of-Home»-Werbeformen und der physischen Präsenz vor Ort ideal
kombiniert. Die konventionelle Plakatwerbung dürfte
in den kommenden Jahren hingegen an Bedeutung
verlieren.
Prof. Ruedi Alexander Müller-Beyeler
Ich habe wenig Einblick in dieses Geschäft. Vermutlich bleibt es stabil, bis bahnbrechende neue Bildschirmtechnologien, die seit Jahren angekündigt
werden, wirklich kommen und die Welt um uns herum noch einmal verändern werden.
Stefano Gazzaniga
Die Veränderung findet statt: Auf der einen
Seite hält das traditionelle Plakat auf dem Markt
mit und hat sogar einen leichten Anstieg, aber
das interaktive Plakat erfreut sich zunehmender
Nachfrage. Plakatflächen werden immer grösser
und dank neuer Technologien können auch individuelle Plakate erstellt werden.
WERBEMITTEL
UND POS-MATERIAL
Prof. Dr. Christian Pieter Hoffmann
Werbemittel repräsentieren eine Organisation,
sie sind auch eine Beigabe an (potenzielle) Kunden.
Der symbolische Nutzen übertrifft hier daher häufig
den funktionalen, was für qualitativ hochwertige
Produkte zum Zweck der Anbahnung und Beziehungspflege spricht. Der Druck, verkaufsunterstützende Materialien zu digitalisieren, ist jedoch aus
Kostengründen und aus Gründen der Prozessoptimierung hoch. Insofern deutet sich ein Medienbruch
zwischen Materialien in der Anbahnung und der
Beziehungspflege einerseits und im Abschluss andererseits an. Gefragt sind hier geschickte Verbindungen zwischen den Medien.
Peter Edelmann
Bei der Frage nach dem Einsatz von gedruckten
Werbemitteln muss erneut an die dauerhaften Vorteile von Print erinnert werden (vgl. unter «Zeitschriften und Magazine»). Zusätzlich verfügt Print
über verkaufsfördernde Eigenschaften, vor allem am
Point of Sale, wo im Vergleich zu anderen Werbemassnahmen immer noch die meisten Kaufentscheidungen getroffen werden und zwar vorrangig durch
Erzeugnisse aus dem Drucksaal, wie z.B. aufmerksame Displays oder Rollups.
Gedrucktes Werbematerial gilt als glaubwürdiger
im Vergleich zu digitalen (Werbe-)Botschaften.
Das liegt auch daran, dass sie vom Leser länger und
aufmerksamer betrachtet werden als digitale Anzeigen. Das gilt natürlich im Besonderen auch für die
weit verbreiteten und immer besser personalisierten
Mailings. Diesen schenkt der Betrachter mehr Aufmerksamkeit als den E-Mails, die entweder in den
Spamordner oder auch ungelesen in den digitalen
Papierkorb wandern. So kommt es auch, dass die Erfolgsquote bei Angeboten aus gedruckten Mailings
um 37 Prozent höher ist als bei den E-Mails.
Im Bereich Katalogdruck sind die ganz grossen
Auflagen tendenziell rückläufig, hingegen verzeichnen kleinere Auflagen einen Anstieg. Der Grund
liegt darin, dass die Werbung erkannt hat, dass
gedruckte Kataloge den Onlinehandel ankurbeln.
Print ist ein wertvoller Verbündeter im eCommerce-Geschäft, wenn es Teil einer integrierten
Multichannel-Kampagne ist.
Prof. Ruedi Alexander Müller-Beyeler
In diesem Bereich sehe ich vorläufig keine Veränderungen. Bildschirme und mit ihnen Film sind längst
am POS angekommen, sie ersetzen aber gedrucktes
Werbe- und POS-Material nur partiell.
Möglichkeiten in diesem Bereich vorgeschlagen:
Synergien zwischen Offset- und Digitaldruck, um
Flexibilität der Produktion zu steigern.
Die zentralen Herausforderungen sind jedoch nicht
die Drucktechnologie, sondern der Umgang mit den
Daten und die logistischen Fragen.
Stefano Gazzaniga
Zwei Drittel der Kunden entscheiden sich für einen
Einkauf erst am Point of Sale (POS). Für den stationären Handel hat POS-Werbung trotz wachsender
Bedeutung von Onlinewerbung noch immer einen
hohen Stellenwert. Das wird wohl auch in Zukunft
so bleiben. Aber Werbung am POS wird sich verändern, die Frequenz von Werbe- und Marketingkampagnen wird deutlich ansteigen und die Budgets
werden wachsen. Für die Druckerbranche bietet das
Perspektiven. Eine kürzere Kampagnendauer und
zunehmende POS-Printwerbung dürften ihr ein Auftragsplus bescheren.
BÜCHER
Prof. Dr. Christian Pieter Hoffmann
INDIVIDUALISIERTE
DRUCKSACHEN
Das physische Buch wird in absehbarer Zeit zu
einem reinen Liebhaberobjekt. Die Entwicklung der
e-Reader verläuft derart dynamisch, verbunden
mit Kosten- und Vertriebsvorteilen, dass auch konservative Leseratten bald den Schritt zum digitalen
Buch vollziehen werden. Chancen für gedruckte
Bücher bestehen – neben Liebhabernischen – vor
allem in Werken, die sich als Präsent eignen (bspw.
Bildbände, Kochbücher, etc.). Hier zahlt sich Qualität
und Ästhetik aus. Der Fachbuchmarkt erfährt dagegen einen erheblichen Kostendruck, je mehr sich
die Lesegewohnheiten «digitalisieren» und digitale
Interfaces verbessern.
Prof. Dr. Christian Pieter Hoffmann
Peter Edelmann
Individualisierung oder Personalisierung ist eine
wichtige Kompetenz für die Hersteller von Printmaterialien, die vor allem symbolische Funktion aufweisen – also etwa Zielgruppen überreicht werden.
Diese Materialien weisen ohnehin eine höhere Qualität (und höhere Margen) auf.
Ein Buch ist ein Medium, das oftmals durch verschiedene Hände geht und eine gewisse Zeit überdauern soll. Ein physisches Buch ist immer mehr
als der Text, der darin steht. Das kann das eBook
schwer leisten und will es auch nicht. Schon länger
ist hingegen klar, dass Lehrbücher und Nachschlagewerke ihr Ziel auf elektronischem Wege besser erreichen, allein schon deshalb, weil sie schneller zu
aktualisieren sind.
Peter Edelmann
Das Geschäft mit individualisieren Drucksachen
steckt noch in den Anfängen und weist dank des
sich rasant ausbreitenden Digitaldruckverfahrens
durchaus noch Wachstumschancen auf.
Prof. Ruedi Alexander Müller-Beyeler
Das dürfte meines Erachtens ein Nischenmarkt bleiben, der aber auch nicht ganz verschwinden wird.
Stefano Gazzaniga
Das Ziel ist, dem Kunden ein exklusives und personalisiertes Produkt (nicht nur eine Adressierung) zu
erstellen. Während der letzten Drupa wurden viele
Die Zukunft des Buches ist zunehmend digital.
Diese Veränderung geht aber – gerade im Vergleich
zur digitalen Revolution in der Musikindustrie –
relativ langsam vonstatten. Zudem werden viele
Menschen beim Sachbuch weiterhin die Vorzüge
des Printbuchs zu schätzen wissen. Zum Beispiel die
einfachere Möglichkeit, den Text «durchblättern»
oder «querlesen» zu können. Und auch gerade in
seiner hochwertigen, schön gestalteten Variante hat
das gedruckte Buch eine Zukunft, nicht zuletzt
weil es nach dem Lesen im Büchergestell sozusagen
weiterlebt und der Leser so bewusst oder unbewusst
an den Inhalt erinnert wird. Dagegen wird das Taschenbuch als preiswerte Leseform, die man als
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Vielleser konsumiert, langsam, aber sicher durch
das eBook verdrängt. Ein interessantes, stark zunehmendes Marktsegment sind die Fotobücher. Der
Grund ist klar: Ein gedrucktes Fotobuch hat eben
doch einen anderen Stellenwert als ein paar Bilder
auf dem Smartphone oder dem Computer, bei denen
das haptische Erlebnis fehlt.
zahlen bei den Verlagen und Besucherzahlen aus
dem Sortiment rechnen müssen. Kleine Verlage
laden mehrere Bücher über die Portale der einzelnen
Bibliotheken hoch und wenn der Auftrag aufgegeben
wird, wird das Buch produziert. Die Wirksamkeit
dieser Produktionssysteme beruht auf der Automatisierung der Produktionsabläufe und die Geschwindigkeit der Lieferung des Buches an den Kunden.
Prof. Ruedi Alexander Müller-Beyeler
Schon McLuhan, der grosse Medientheoretiker des
20. Jahrhunderts, hat aufgezeigt, dass neuen Medien
alte nicht ersetzen, sondern hinzukommen. Und mit
seiner viel zitierten Aussage «Das Medium ist die
Botschaft» hat er deutlich machen wollen, dass jedes
Medium seinen eigenen Charakter hat. Seine Eigenart, die den Inhalt, den das Medium transportiert,
anders erscheinen lässt. Diese mediale Erfahrung
wird auch treffend «medialer Eigensinn» genannt.
Der mediale Eigensinn des Buchs gegenüber einem
Kindle beispielsweise ist offensichtlich, weshalb
ich kritisch bin gegenüber den Prognosen, die dem
elektronischen Buch eine grosse Zukunft voraus­
sagen. Selbst wenn alle rationalen Argumente dafür
sprechen.
Hingegen glaube ich, dass Gestaltung und Auf­
machung von Büchern an Bedeutung eher gewinnen. Weil das Buch eben Objektcharakter hat,
was in einer zunehmend virtualisierten Welt zur
Exklusivität wird. Wie ein Buch gestaltet und ausgerüstet wird, wird deshalb wichtiger, was jedoch
eine neue und intensive Form der Zusammenarbeit
von Autor und Buchgestalter bedingt, die noch
nicht sehr verbreitet ist.
Im Zusammenhang mit dem Objektcharakter des
Buchs, dem ich eine hohe Bedeutung unterstelle,
wäre auch interessant, verlässliche Zahlen zu erheben, wie viele der gekauften Bücher eigentlich tatsächlich jemals gelesen werden. Das würde Rückschlüsse auf meine These zum Objektcharakter des
Buchs erlauben.
Stefano Gazzaniga
Die Umsatzrückgänge im Bereich gedrucktes
Buch werden durch Umsatzwachstum im Bereich
Paid-Content ausgeglichen. Das Fachbuch im allgemeinen Sortiment, die Fachbuchhandlung und die
Campus-Buchhandlung werden grösstenteils verschwinden. Die Buchmessen werden mit einem
rückläufigen Flächenbedarf der Verlage, Aussteller-
SICHERHEITSDRUCK
Prof. Dr. Christian Pieter Hoffmann
Sicherheitsdruck stellt noch eine attraktive Nische
dar, die jedoch absehbar durch Kryptologie und
«Wearables» kannibalisiert werden wird. Technisch
lässt sich der Sicherheitsdruck heute meist problemlos digital substituieren, nicht in jedem Fall kann
aber davon ausgegangen werden, dass alle Zielgruppen über die notwendige Ausstattung verfügen. Voraussichtlich ist dies nur eine Frage der Zeit.
Peter Edelmann
Das wachsende Bedürfnis nach höchster Sicherheit
mit Dokumenten und Wertpapieren in allen Belangen sichert den wenigen, auf diesem Gebiet spezia­
lisierten Unternehmungen auch in Zukunft gute
Chancen, auch wenn die ausländische Konkur­renz in den letzten Jahren härter geworden ist.
So bestehen heute beispielsweise im Banknotendruck international beträchtliche Überkapazitäten.
Für herkömmliche Druckereien ist ein Einstieg in
dieses Marktsegment wegen der erforderlichen
hohen Investitions- und Entwicklungskosten
eher unrealistisch.
Prof. Ruedi Alexander Müller-Beyeler
Da müsste man mit Experten drüber reden können,
wie lange Nationalbanken noch Geld drucken werden. Irgendwann könnte der elektronische Geldverkehr dazu führen, dass gedrucktes Geld vielleicht
vollständig verschwindet.
Stefano Gazzaniga
Themen wie Fälschungssicherheit und Markenschutz gewinnen in der Zeit von zunehmender
Produktpiraterie und Fälschungen immer mehr
an Bedeutung. Banknoten, Identitätsdokumente und
hochwertige Markenprodukte, aber auch
Medikamentenverpackungen werden bereits seit
Jahren mit verschiedenen Sicherheitsmerkmalen
hergestellt, um deren Echtheit nachzuweisen.
Im Pharmabereich wird insbesondere die Serialisierung neu umgesetzt, um Medikamentenfälschungen
und damit den weltweiten Handel mit illegalen Medikamenten zu unterbinden.
VERPACKUNGEN
Prof. Dr. Christian Pieter Hoffmann
Auch im Falle der Verpackung ist zwischen funktionalem und symbolischem Nutzen zu unterscheiden.
Meist sind Verpackungen eine dauerhafte Notwendigkeit und müssen sich daher durch ein gutes
Preis-Leistungs-Verhältnis auszeichnen. In manchen
Fällen erfüllen Verpackungen jedoch auch einen
ästhetischen Zweck – hier zahlen sich erneut eine
hohe Kompetenz und Qualität aus. So lange es aber
physische Produkte gibt, wird es auch Verpackungen geben.
Peter Edelmann
Stefano Gazzaniga
Verpackungen mit positiven Umwelteigenschaften
und flexiblen Konstruktions- und Ausstattungsmöglichkeiten haben das höchste Zukunftspoten­zial, so
die zentrale Erkenntnis der aktuellen Studie «Supply
Chain 2025». Sie müssten verlässlicher, nachhaltiger
und intelligenter werden sowie stärker die Emotionen der Verbraucher ansprechen.
Der Studie zufolge ergeben sich aus dem dynamischen Wandel der Supply Chains für Verpackungshersteller neue Aufgaben. Die Rolle der Verpackung
als blosse Schutzhülle werde sich ändern. Künftig
könne die Verpackung beim Transport hochwertiger
Güter eine aktive Gewährleistungsfunktion übernehmen – beispielsweise mit Hilfe einer
entsprechenden Sensorik und Kommunikations­
fähigkeit, die den Nutzer über Erschütterungen und
daraus resultierende Schäden informiert.
ETIKETTEN
Prof. Dr. Christian Pieter Hoffmann
Der boomende Onlinehandel hat zur Folge, dass
die Produktion und Verwendung von massgeschneiderten Verpackungen und Produktkartons weltweit
deutlich zugenommen haben. Die Druckbranche
profitiert in diesem Zusammenhang von den in den
letzten Jahren stark verbesserten Inkjet-Technologien, welche mehr Bedruckungsmöglichkeiten zulassen. Die Anforderungen, Luxusartikel und Lebensmittel angemessen und verbrauchersicher zu
verpacken, werden hoch bleiben und das Wachstum
im Segment «Verpackungsdruck» wird zunehmen.
Dazu kommt, dass zunehmend «intelligente» Verpackungen, auch solche mit sensitiven Beschichtungen, gefragt sein werden.
Prof. Ruedi Alexander Müller-Beyeler
Ich bin kein Verpackungsexperte, weshalb ich dazu
kaum Stellung nehmen kann. Als Markenfachmann
weiss ich aber, dass das Markengesicht eines Produktes sehr wichtig ist und sicher nicht an Bedeutung verliert. Auch im Verkaufsregal verschärft sich
der Wettbewerb um Aufmerksamkeit eher, als dass
er abnehmen wird. Inwieweit Einschränkungen aus
ökologischen Gründen die Art von Verpackungsproduktion verändern wird, weiss ich nicht.
Etiketten lassen sich ähnlich beurteilen wie Verpackungen. Eine interessante Frage ist, ob sich Etiketten funktional aufwerten lassen (s.a. Personalisierung, Sicherheitsdruck). In diesem Fall könnten
innovative Anbieter Margenvorteile erzielen.
Peter Edelmann
Dieser Nischenmarkt hat ähnliche Zukunftschancen
wie der Verpackungsdruck. Zunehmend werden
von einer Etikette mehr Funktionen erwartet, als
bloss ein Träger von optischen Informationen zu
sein. Intelligente Etiketten erkennen das Alter des
Produkts, seine Temperatur, die Atmosphäre der
Verpackung, die Feuchtigkeit und andere Parameter.
Etiketten können elektronische Netzwerke enthalten,
die es ermöglichen, Informationen über das Produkt
direkt in die Etikette aufzunehmen. Voraussetzung,
um auf diesem Markt zu reüssieren, ist umfassendes
Knowhow nicht nur über die verschiedenen Druckverfahren (Offset-, Sieb-, Flexo-, Digital-, Tampondruck), sondern zum Beispiel auch über Sender-­
Empfänger-Systeme zum automatischen und
berüh­r ungslosen Identifizieren und Lokalisieren
von Objekten (RFID-Technik).
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Stefano Gazzaniga
Die Etikettenindustrie ist herausgefordert und
muss sich den veränderten Kundenanforderungen
anpasssen. Dank des Digitaldrucks hat sich der
Markt bereits erheblich verändert und Kleinstproduktionen werden immer mehr zur Regel. Der Trend
geht immer mehr in Richtung Nischenprodukte.
3- UND 4D-DRUCK
Näher verwandt mit dem Drucken als die individualisierte 3D-Fertigung ist vielleicht die digitale Textildrucktechnik, die seit einigen Jahren auch erlaubt,
in die Tiefe von Textilien zu drucken, wofür der Begriff 3D-Druck eigentlich besser passen würde. Das
Potenzial dieser Drucktechnik wird meiner Ansicht
nach derzeit noch nicht ausgeschöpft. Allerdings
werden auch Kleider wohl in absehbarer Zeit mit
3D-Druckern produziert werden können, wodurch
sich die Textilindustrie dann auch noch einmal fundamental verändern kann.
Stefano Gazzaniga
Prof. Dr. Christian Pieter Hoffmann
Der 3-/4D-Druck ist ein sehr spannendes und dynamisches Feld, das klar von der Digitalisierung profitiert. Industrielle wie auch private Anwendungen
stehen erst am Anfang ihrer Entwicklung und Verbreitung. Der 3-/4D-Druck hat das Potenzial zu einer
disruptiven Innovation, die zahlreiche Geschäftsmodelle erschüttern wird.
Prof. Ruedi Alexander Müller-Beyeler
3D-Druck ist eigentlich ein irreführender Begriff
(und 4D ist lediglich eine Variante davon, die intelligente Komponenten beinhaltet), denn diese Technologie hat mit Drucktechnologie noch weniger zu tun
als die Digital- mit der Analogfotografie. 3D-Druck
ist eine Fertigungstechnologie, mit der statt industriell gefertigter Massengüter individuell gefertigte
Güter für die Massen produziert werden können.
Und mit der man zudem Strukturen fertigen kann,
wie sie selbst mit mehrachsigen Fräsmaschinen
nicht gefertigt werden können. Dadurch werden
viele Industriebereiche revolutioniert werden.
Die Schweiz ist in diesem Technologiegebiet gut
aufgestellt. Aber eine Druckerei, die auf dieses
Gebiet umsteigen möchte, müsste das bisherige Geschäft wohl aufgeben und sorgfältig analysieren,
welche Stärken sie hat, die andere nicht haben, und
wie diese Stärken genutzt werden könnten, um in
diesen völlig anderen Markt der 3D-Druck-Techno­
logie einzusteigen.
3D-Druck lediglich zu nutzen, um Gadgets zu pro­
duzieren, die beispielsweise Ansichtskarten oder
andere Druckerzeugnisse ersetzen, geht natürlich
schon auch, ist aber nicht mehr als eine Begleiterscheinung einer Technologie, die ganze Industrien
revolutionieren wird.
Was man braucht, druckt man selbst! Heutzutage ist
es üblich, über 3- und 4D-Druck zu sprechen. Auch
bei der letzten Drupa wurden diese Drucker angeboten. Man kann sich fragen, wie diese Art von Dienstleistung in unsere Branche integriert werden kann.
Das dreidimensionale Drucken ist ideal für die
Erstellung und den Druck von Objekten, ein Bereich,
mit dem sich bisher die «traditionelle» Druckerei
nicht befasst hat.
Der 3D-Druck wird auch die Schmuckindustrie verändern.
91
92
Kundenbefragung Gegenwart
und Zukunft Print
—
Rudolf Lisibach
Zielsetzung, Umfrage und Auswertung
Zielsetzung
Mit der Kundenbefragung sollen den Mitgliedern von viscom – und weiteren
interessierten Kreisen – Orientierungspunkte und Gedankenanstösse zum heutigen
Stellenwert sowie zur zukünftigen Entwicklung von «Print» gegeben werden.
Umfrage und Auswertung
•Für die Umfrage wurde das Segment «Verantwort­l iche für
Marketingkommuni­kation» befragt.
•Neben Fragen zur aktuellen Situa­t ion, wurden die Befragten gebeten,
Einschätzungen zur zukünftigen Entwicklung abzugeben.
•
Es wurden Fragen zu folgenden Themenkreisen vorgelegt:
– Grösse Kommunikationsbudgets
– Verteilung Kommunikationsbudgets auf Kommunikationsmittel
– Entwicklung Nachfrage Drucksachen
– Kontakte zu Druckereien
– Dienstleistungen, welche neben «Druck» in Anspruch genommen werden
– Entscheidungskriterien bei Wahl einer Druckerei
– Herstellung von Druckunterlagen
– Beschaffung von Drucksachen
– Zusammenarbeit mit Druckereien
•Die elektronische Befragung wurde im Sommer 2016 durchgeführt.
•Absender der Umfrage war viscom.
•Teilgenommen haben Verantwortliche für Marketingkommunikation von
insgesamt 76 Unternehmen in der Schweiz.
•Die Antworten sind anonym eingegangen und Rückschlüsse auf einzelne Kunden
sind nicht möglich.
•Die Kommunikationsbudgets jener Kunden, welche an der Umfrage teilgenommen
haben,
sind relativ hoch und die Bedürfnisse an die Druckereien können sich von
jenen anderer Kundengruppen unterscheiden.
Zusammenfassung
Grösse Kommunikationsbudgets
•Die Kommunikationsbudgets wachsen um
gut 3% pro Jahr.
Verteilung Kommunikationsbudgets auf Kommunikationsmittel
•Der Anteil der «drucknahen» Kommunikationsmittel an den Gesamtbudgets
der Kunden liegt aktuell bei 53%. Bis in fünf Jahren wird mit einem Rückgang auf 47%
gerechnet. Im gleichen Zeitraum wird der Anteil der «Online-Budgets»
von 16% auf 26% ansteigen.
Entwicklung Nachfrage Drucksachen
•Zunehmend im Bereich «Druck» sind:
– Werbebeilagen in Zeitungen und Zeitschriften
– Direct Mailings (Print)
– Zeitungen und Zeitschriften für Kunden («Corporate Publishing»)
– Verpackungen
– Bücher
•Stabil im Bereich «Druck» ist:
– POS-Material (Plakate, Hänger, Dispenser)
•Rückläufig im Bereich «Druck» sind:
– Inserate in Zeitungen und Zeitschriften
– Plakate
– Prospekte, Broschüren, Flyer
– Kataloge
– Unternehmensbroschüren
– Geschäftsberichte
Kontakte zu Druckereien
82% der Befragten pflegen Direktkontakte mit den Druckereien. In fünf Jahren
werden es immer noch hohe 78% sein. Das Internet als Einkaufskanal für Drucksachen
gewinnt an Bedeutung. Der Anteil jener, welche diesen Kanal nutzen, steigt von 9%
auf 13%.
93
94
Dienstleistungen, welche neben «Druck» in Anspruch genommen werden
•Neben dem Druck werden als Zusatzdienstleistungen vor allem Druckvorstufe,
Bildbearbeitung, Korrektorat, Versand, Logistik, Transport, Beratung und Konzeption
nachgefragt.
•Auf deutlich schwächere Nachfrage stossen Zusatzangebote wie crossmediale
Beratung, Publikationssysteme, Film/Video-Produktionen, aber auch Dienstleistun­
gen im Bereich Websites/Internet.
Entscheidungskriterien bei Wahl einer Druckerei
•Termintreue und Preis stehen bei der Wahl einer Druckerei ganz zuoberst.
Ebenfalls Wert gelegt wird auf Partner, welche auf die eigentliche Kernfunktion
«Drucken» spezialisiert sind. Auch wichtig – aber weniger ausgeprägt – sind
Beratungs­kompetenz, persönliche Beziehungen oder «Printed in Switzerland».
•Bei Umweltthemen wird die Fähigkeit eines Unternehmens klimaneutral zu
produ­zieren höher eingestuft als die Verfügbarkeit eines zertifizierten
Umweltmanage­mentsystems.
•Die Einhaltung eines GAV oder Engagements in der Aus- und Weiterbildung sind
weniger entscheidungsrelevant.
•Auch eher in geringem Ausmass erwarten die Kunden von den Druckereien
Kompetenzen in Marketing, Unternehmenskommunikation oder in den Bereichen
Online und Mobile.
Herstellung von Druckunterlagen
•In den allermeisten Fällen werden Druckvorlagen von den Kunden selber oder durch
Agenturen hergestellt.
•Der Anteil der Kunden, welche Druckvorlagen auch von der Druckerei herstellen
lassen, liegt bei 21%.
Beschaffung von Drucksachen
•Die meisten Drucksachen werden regional bzw. in der Schweiz eingekauft.
27% der Kunden beziehen Drucksachen aber auch aus dem Ausland. 24% davon
in angrenzenden Ländern.
Zusammenarbeit mit Druckereien
•Nur 8% der Kunden beziehen ihre Drucksachen bei einem einzigen Anbieter.
Jeder vierte Kunde arbeitet hingegen mit mehr als fünf Druckereien zusammen.
96
Kommunikationsbudgets
steigen an
—
Grösse Kommunikationsbudgets
Wie viel beträgt Ihr Budget für die
Marketingkommunikation?
Aktuell
in 5 Jahren
über 25 Mio. Franken
 3%
 4%
zwischen 10 und 25 Mio. Franken
11%
14%
zwischen 5 und 10 Mio. Franken
17%
20%
zwischen 2,5 und 5 Mio. Franken
18%
20%
zwischen 1 und 2,5 Mio. Franken
37%
32%
zwischen 0,5 und 1 Mio. Franken
  9%
 4%
zwischen 0,1 und 0,5 Mio. Franken
  4%
 7%
weniger als 0,1 Mio. Franken
  1%
 1%
Total
100%
100%
Lesebeispiel: 19% des Kommunikationsbudgets werden für Printmedien eingesetzt. In 5 Jahren sind es 12%.
– 37% der Kunden verfügen über ein Budget zwischen CHF 1 Mio.
und CHF 2,5 Mio.
– 3% geben für die Marketingkommunikation mehr als CHF 25 Mio. aus.
– Tendenziell nehmen die grösseren Budgets in den nächsten Jahren zu.
97
Ausgaben in «drucknahe»
Kanäle gehen zurück – Wachstum
bei Online-Kommunikation
—
Verteilung Kommunikationsbudgets auf Kommunikationsmittel
Wie verteilt sich dieses Budget auf die einzelnen
Kommunikationsmittel?
Aktuell
in 5 Jahren
Printmedien
19%
12%
Aussenwerbung
  8%
  7%
Direktwerbung
10%
10%
Verkaufsförderung
12%
12%
PR
4%
  5%
Total «drucknahe» Kanäle
53%
47%
Fernsehen, Radio, Kino
15%
12%
Online-Werbung
(inkl. Mobile, eigene Website, Apps, Social Media u.a.)
16%
26%
Sponsoring, Events, Messen
16%
14%
Anderes
  1%
  2%
Total «druckferne» Kanäle
47%
53%
Lesebeispiel: 19% des Kommunikationsbudgets werden für Printmedien eingesetzt. In 5 Jahren sind es 12%.
– Die Ausgaben in «drucknahe» Kommunikationsmittel gehen
unter die Schwelle von 50% zurück.
– Während der Rückgang bei den Printmedien deutlich ist,
können sich Direktwerbung und Verkaufsförderung behaupten.
– In fünf Jahren fliesst mehr als jeder vierte Kommunikationsfranken
in Online-Medien.
98
Zukunftsstudie Weniger Inserate, Plakate und
Prospekte – mehr Werbebeilagen,
Direct Mailings und «Corporate
Publishing»
—
Entwicklung Nachfrage Drucksachen – 1
Wie verändert sich in den nächsten fünf Jahren die Nachfrage nach
«drucknahen» Kommunikationsmitteln?
Tendenz
in 5 Jahren
Printmedien
Inserate in Zeitungen und Zeitschriften
Werbebeilagen in Zeitungen und Zeitschriften
➘
➚
Aussenwerbung
gedruckte Plakate
e-Boards, adScreens
➘
➚
Direktwerbung
Prospekte, Broschüren
Direct Mailings (Print)
Flyer
Zeitungen und Zeitschriften für Kunden
Lesebeispiel: Die zukünftige Nachfrage nach gedruckten Inseraten geht tendenziell zurück, jene nach gedruckten
Werbebeilagen nimmt tendenziell zu.
➘
➚
➘
➚
99
Mehr Verpackungen, stabiles
POS-Material – weniger Kataloge,
Unternehmensbroschüren und
Geschäftsberichte
—
Entwicklung Nachfrage Drucksachen – 2
Wie verändert sich in den nächsten fünf Jahren die Nachfrage nach
«drucknahen» Kommunikationsmitteln?
Tendenz
in 5 Jahren
Verkaufsförderung
Kataloge
POS-Material (Plakate, Hänger, Dispenser)
Verpackungen
➘
➙
➚
PR
Bücher
Unternehmensbroschüren
Geschäftsberichte
Lesebeispiel: Die zukünftige Nachfrage nach gedruckten Inseraten geht tendenziell zurück, jene nach gedruckten
Werbebeilagen nimmt tendenziell zu.
➚
➘
➘
100
Der Grossteil der Kunden pflegt
Direktkontakte in die Druckerei –
Internet als Einkaufskanal
gewinnt an Boden
—
Kontakte zu Druckereien
Die Herstellung dieser Kommunikationsmittel
erfolgt in den meisten Fällen durch eine Druckerei.
Wie laufen bei Ihnen die Kontakte zur Druckerei?
Aktuell
in 5 Jahren
bei uns bestehen direkte Kontakte der Marketingabteilung
zur Druckerei
82%
78%
bei uns läuft der Drucksacheneinkauf über die
Einkaufsabteilung
37%
37%
den Verkehr mit der Druckerei besorgt unsere Werbeagentur 25%
26%
den Verkehr mit der Druckerei besorgt eine andere Agentur
11%
11%
den Verkehr mit der Druckerei besorgt ein Broker
  4%
 3%
bei uns werden Drucksachen direkt über Internet eingekauft
  9%
13%
Lesebeispiel: 82% der Kunden pflegen direkte Kontakte in die Druckerei. In fünf Jahren werden es 78% sein.
– Mehr als 80% der Kunden pflegen Direktkontakte mit der
Druckerei. In den kommenden Jahren wird dieser Anteil abnehmen,
bleibt aber mit 78% hoch.
– 73% kaufen über die Einkaufsabteilung, Werbeagenturen oder
andere Agenturen ein.
– Die Bedeutung des Internets als Einkaufskanal wird in den nächsten
Jahren zunehmen.
– Broker spielen eine eher untergeordnete und abnehmende Rolle.
Gute Nachfrage
nach «klassischen»
Zusatzdienstleistungen
—
101
Dienstleistungen, welche neben «Druck» in Anspruch genommen werden – 1
Welche zusätzlichen Dienstleistungen Ihrer
«Druckerei» nehmen Sie sonst noch in Anspruch?
Aktuell
Druckvorstufe
67%
Versand, Logistik und Transport
53%
Beratung, Konzeption
37%
Bildbearbeitung
34%
Lagerbewirtschaftung
18%
Design, Gestaltung, Layout
18%
Korrektorat
16%
Datenbank-Lösungen
12%
Tendenz
in 5 Jahren
➚
➚
➚
➘
➘
➘
➘
➘
Lesebeispiel: 67% der Kunden fragen Druckvorstufenleistungen nach. Die zukünftige Nachfrage nach dieser
Dienstleistung steigt tendenziell (grüner Pfeil). 34% der Kunden fragen Bildbearbeitung nach. Die zukünftige Nachfrage
nach dieser Dienstleistung sinkt tendenziell (roter Pfeil).
– 67% der Kunden beziehen in der Druckerei auch Vorstufenleistungen.
– Auf gute Nachfrage treffen auch Leistungen in Versand, Logistik und
Transport; mehr als jeder zweite Kunde greift darauf zurück.
– Beratung und Konzeption nimmt gut jeder dritte Kunde in Anspruch.
102
Geringe Nachfrage
nach «digitalen»
Zusatzdienstleistungen
—
Dienstleistungen welche neben «Druck» in Anspruch genommen werden – 2
Welche zusätzlichen Dienstleistungen Ihrer
«Druckerei» nehmen Sie sonst noch in Anspruch?
Aktuell
Crossmediale Beratung
 7%
Technische Publikationssysteme
 5%
Film-/Video-Produktionen
 4%
3-D-Produkte
 4%
Redaktionelle Dienstleistungen
 4%
Adressverwaltung
 4%
Website, Internet
 3%
Einrichten POS
 1%
Nichts davon
15%
Tendenz
in 5 Jahren
➚
➘
➘
➘
➘
➘
➘
➘
➘
Lesebeispiel: 7% der Kunden fragen Crossmediale Beratung an. Die zukünftige Nachfrage nach dieser Dienstleistung
steigt tendenziell an (grüner Pfeil).
– Digitale Dienstleistungen werden von der befragten Kundengruppe
nur zu kleinen Teilen (3% bis 7%) nachgefragt.
– Zudem ist das Bedürfnis nach solchen Zusatzleistungen in den kommenden Jahren tendenziell rückläufig.
Termin und Preis
als dominierende
Entscheidungskriterien
—
Entscheidungskriterien bei Wahl einer Druckerei – 1
Welches sind bei Ihnen die wesentlichen Entscheidungskriterien bei der Wahl einer Druckerei?
Aktuell
Termintreue
84%
Preis
84%
Spezialisiert auf den eigentlichen Druck
51%
Beratungskompetenz
50%
Persönliche Beziehung
49%
Printed in Switzerland
47%
Geogafische Nähe
38%
FSC-Zertifizierung
38%
Klimaneutral drucken
29%
Gesamtanbieter über den eigentlichen Druck hinaus
26%
Tendenz
in 5 Jahren
➚
➚
➚
➚
➚
➚
➚
➚
➚
➚
Lesebeispiel: Für 84% der Kunden ist die Termintreue ein wesentliches Entscheidungskriterium. Zukünftig
steigt die Wichtigkeit dieses Entscheidungskriteriums tendenziell an (grüner Pfeil).
– Termin und Preis sind die zentralen Kriterien bei der Wahl
einer Druckerei.
– Beratungskompetenz ist für die Hälfte der Kunden ein
Entscheidungskriterium, ebenfalls 50% wählen Partner, welche auf
das Drucken spezialisiert sind.
– «Printed in Switzerland» gewinnt an Bedeutung.
– Jeder vierte Kunde wünscht sich einen Gesamtanbieter über
den eigentlichen Druck hinaus.
103
104
Kompetenzen von Druckereien
in Marketing, Online und Unternehmenskommunikation für Kunden kaum entscheidungsrelevant
—
Entscheidungskriterien bei Wahl einer Druckerei – 2
Welches sind bei Ihnen die wesentlichen
Entscheidungskriterien bei der Wahl
einer Druckerei?
Aktuell
Umweltsysteme ISO 14001
 21%
Qualitätssystem ISO 9001ff
 18%
Einhaltung GAV
 15%
Engagement in der Aus- und Weiterbildung
 12%
Ausbildung von Lernenden
  9%
Marketingkompetenz
  8%
Kompetenz Online, Internet, Mobile
  7%
PSO-Standard
  4%
Kompetenz Unternehmenskommunikation
  3%
Tendenz
in 5 Jahren
➘
➘
➘
➘
➘
➘
➘
➘
➘
Lesebeispiel: Für 21% der Kunden ist ein Umweltsystem ein wesentliches Entscheidungskriterium. Zukünftig sinkt die
Wichtigkeit dieses Entscheidungskriteriums tendenziell (roter Pfeil).
– Klimaneutral zu drucken ist vorrangig im Vergleich zu einem
zertifizierten Umweltsystem.
– Die Einhaltung eines GAV, Engagement in der Aus- und
Weiterbildung sowie die Ausbildung von Lernenden spielen bei der
Wahl einer Druckerei einer untergeordnete Rolle.
– Ebenso erwartet nur ein kleiner Teil der Kunden von ihrer Druckerei
Knowhow im Bereich Marketing, Unternehmenskommunikation,
Online, Internet und Mobile.
105
Bei der Erstellung der Druck­
vorlagen spielen Druckereien keine
dominierende Rolle
—
Herstellung von Druckunterlagen
Wer erstellt bei Ihnen die Druckvorlagen
für Ihre «Druckprodukte»?
Aktuell
Dies macht unsere Werbeagentur
 63%
Wir erstellen die Druckvorlagen selber
 61%
Dies macht ein Grafiker
 46%
Dies macht unsere Druckerei
 21%
Tendenz
in 5 Jahren
➚
➚
➚
➘
Lesebeispiel: 61% der Kunden erstellen die Druckvorlagen selber. Zukünftig steigt dieser Anteil tendenziell an (grüner Pfeil).
21% der Kunden lassen die Druckvorlagen durch die Druckerei erstellen. Zukünftig sinkt dieser Anteil tendenziell (roter Pfeil).
– Über 60% der Kunden erstellen ihre Druckvorlagen selber.
In ähnlicher Grössenordnung werden auch Agenturen mit Druck­
vorstufenleistungen betraut.
– Jeder fünfte Kunde lässt seine Druckvorlagen auch durch
die Druckerei erstellen. Dieser Anteil nimmt in den kommenden
Jahren tendenziell ab.
106
Überwiegend Beschaffung in
der Schweiz – jeder vierte Kunde
kauft auch im Ausland
—
Beschaffung von Drucksachen
Wo kaufen Sie Ihre «Druckprodukte» ein?
Aktuell
Bei einer Druckerei vor Ort
 74%
Bei einer weiter entfernten Schweizer Druckerei
 63%
Bei einer Druckerei im nahen Ausland
 24%
Bei einer noch weiter entfernten Druckerei
  3%
Tendenz
in 5 Jahren
➚
➚
➘
➘
Lesebeispiel: 74% der Kunden kaufen Ihre Druckprodukte vor Ort ein. Zukünftig steigt dieser Anteil tendenziell an (grüner
Pfeil). 24% der Kunden drucken im nahen Ausland. Zukünftig sinkt dieser Anteil tendenziell (roter Pfeil).
– Der Grossteil der Kunden kauft lokal und/oder in der Schweiz ein.
Dies wird in Zukunft tendenziell zunehmen.
– Mehr als jeder vierte Kunde kauft seine Drucksachen auch im
nahen Ausland ein. In den kommenden Jahren wird dieser Anteil
tendenziell zurückgehen.
107
Der Grossteil der Kunden
arbeitet mit zwei und mehr
Druckereien zusammen
—
Zusammenarbeit mit Druckereien
Mit wie vielen Druckereien arbeiten Sie zusammen?
Aktuell
Mit zwei bis fünf
 67%
Mit mehr als fünf
 25%
Mit einer
  8%
Tendenz
in 5 Jahren
➚
➘
➘
Lesebeispiel: 8% der Kunden arbeiten mit einer Druckerei zusammen. Zukünftig sinkt dieser Anteil tendenziell (roter Pfeil).
67% der Kunden arbeiten mit zwei bis fünf Druckereien zusammen. Zukünftig steigt dieser Anteil tendenziell (grüner Pfeil).
– 8% der Kunden arbeiten ausschliesslich mit einer einzigen
Druckerei zusammen.
– Zwei von drei Kunden arbeiten mit zwei bis fünf Druckereien
zusammen.
– 25% der Kunden berücksichtigen mehr als fünf Druckpartner.
– Tendenziell zeigt sich in Zukunft eine Konzentration auf zwei
bis fünf Druckpartner.
108
Original-Kundenzitate (Auszug)
—
– «Termine, Zuverlässigkeit, Transparenz sind das A und O.»
– «Ich bin der persönlichen Meinung, dass Print noch lange nicht
stirbt und dass es Print noch lange geben sollte! (Sage ich als
Marketing-Manager eines Online-Immobilienportals.»
– «Der Trend allgemein geht Richtung Online-Kommunikation,
jedoch sind nicht alle Marketinginstrumente für diesen Kanal geeignet. Es wird weiterhin von den Druckereien erwartet hochwertige
Produkte/Dienstleistungen anzubieten.»
– «Eine grosse Herausforderung sehe ich in der Wirkungsmessung der
Drucksachen, die im Gegensatz zu den Online-Werbemassnahmen
kaum messbar sind.»
– «Entscheidend für den Standort Schweiz werden zunehmend die
Wettbewerbsfähigkeit und Differenzierung sein. Schlechte Beratung,
arroganter Service in der Ausführung gerade bei kleineren Aufträgen,
dies wird auf Dauer zur Reduktion auf Preise führen.»
– «Der Entscheid für eine Druckerei fällt nach diversen Kriterien.
Dabei steht der persönliche Kontakt weit vor dem Preis».
– «Print wird es immer schwerer haben … »
– «Der Aufwand für gedruckte Produkte wird in fünf Jahren sicherlich
etwas tiefer sein.»
– «Drucksachen sind für uns immer weniger wichtig.»
– «Qualität wird auch in Zukunft die entscheidende Rolle spielen».
– «Billig können viele. Sehr gute Qualität, welche ihren Preis Wert ist,
nur sehr wenige.»
– «Beratungskompetenz, Termintreue und Vertrauen bilden die
Grundlage für eine langfristige Zusammenarbeit.»
– «Druckaufträge sind generell rückläufig aufgrund der zunehmenden
Digitalisierung.»
– «Ich denke, dass die Printmedien stets ein wichtiges
Marketing-Tool bleiben werden und gezielt auf die Zielgruppe
konzipiert und eingesetzt werden müssen.»
109
110
Condensé de l’étude
prospective viscom 2026
—
Évaluation globale de la situation
de la branche
L’industrie suisse des arts graphiques n’a pas
seulement perdu en importance macroéconomique
au cours des deux dernières décennies. Elle a globa­
lement perdu de son attractivité en raison des
changements structurels, comme on le voit à partir
de l’analyse des cinq forces du secteur économique.
Heureusement, cette sombre image de la branche ne
peut pas être transférée sur des entreprises indivi­
duelles. Dans l’industrie graphique suisse, il existe
plusieurs centaines de sociétés actives positionnées
avec succès, qui savent contrecarrer l’environne­
ment concurrentiel en raison de leur modèle d’affai­
res et fournir des réponses adéquates au change­
ment structurel progressif. La forte propension
à investir dans les entreprises graphiques suisses et
les forces d’innovation de l’industrie des fournis­
seurs répondent prématurément et avec succès
à la numérisation galopante, à l’automatisation,
à l’intégration et à la mise en réseau de l’industrie
graphique suisse, favorisant ainsi l’aptitude à main­
tenir la capacité concurrentielle à un niveau élevé
en comparaison internationale. L’économie partagée
et les coopérations se développent de manière très
claire aussi sur le marché de l’impression suisse et
constituent un facteur de succès stratégique pour
les entreprises graphiques, afin d’agir et d’influer en
tant que catalyseurs pour de meilleures économies
d’échelle et l’amélioration de la productivité des
entreprises. Le développement prospère des affaires
est soutenu par une association professionnelle per­
formante qui favorise spécifiquement l’intelligence
collective et le renforcement du capital social
(valeurs, comportement et confiance), et par
conséquent aide les entreprises de la branche à
hisser les voiles de manière judicieuse dans la
dynamique des forces du marché et à se positionner
pour un développement positif sur le marché suisse
de l’impression.
Regard vers l’avenir
Cette citation est attribuée à Mark Twain: «Les pré­
visions sont difficiles, surtout lorsqu’elles concer­
nent l’avenir.» Un tel environnement dynamique
comme la mutation actuelle des médias complique
aussi la prévision parce qu’il est caractérisé par une
interdépendance techno-sociale. Qu’est-ce que cela
signifie? Les technologies s’adaptent aux désirs et
aux possibilités, et à leur tour les désirs et possibi­
lités varient en fonction et en dépendance de la
technologie. Dans ce contexte, les avantages ici
décrits des médias imprimés ne sont pas gravés
dans la pierre. De manière analogue aux principes
de base, il faut avant tout garder à l’esprit deux
développements afin de pouvoir évaluer le rôle que
peuvent jouer les produits imprimés au cours des
cinq prochaines années:
Il y a tout d’abord le développement technologique,
en particulier ce que l’on appelle les interfaces.
Les écrans des produits numériques en font partie
et des montants importants sont investis dans leur
amélioration. Avec l’augmentation de la qualité
(entre autres la résolution, le contraste et l’éclairage), de la convivialité et de la simplification de
leur utilisation, les acheteurs sont de plus en plus
disposés à acquérir des informations numériques
à la fois exhaustives et complexes. Mais il faut
s’attendre également à des avancées qualitatives,
telles que le développement de «Head-MountedDisplays», en quelque sorte la tête en tant que
soutien des dispositifs de sortie. On sait très peu
jusqu’à présent au sujet de la possible qualité
d’enregistrement et de lecture de telles «lunettes»
qui ouvre des espaces virtuels.
Nos entreprises sont dans un processus d’apprentis­
sage collectif concernant l’utilisation appropriée
des médias numériques. Il est donc tout à fait
concevable que nous changions nos attitudes à
l’égard des écrans, puis notre utilisation des conten­
us numériques, dans le cadre du progrès technique.
Une amélioration de la métacognition, soit une
capture mieux contrôlée, plus ciblée et plus attentive du texte à l’écran, sont déjà tout à fait possibles
pour l’apprentissage dans quelques niveaux
scolaires. La technique culturelle de la lecture
ws’adapte à la technologie – et donc aussi la
culture. Puis, un point à ne pas négliger, la qualité
et la valeur subjective enracinée culturellement
de l’impression peut diminuer avec le temps.
Une culture post-matérielle pourrait développer
une aversion envers les instruments physiques,
une culture numérique en réseau rendrait possible
un jour le recul voire la suppression de la trans­
mission des supports de données.
tournage et la sonorisation. Elle se situe aussi dans
la façon dont les sujets sont recherchés, étudiés et
fixés avec respect pour en constituer des histoires.
C’est là tout le travail éditorial, car auparavant seuls
les journalistes occupés dans les maisons de presse
le savaient. Et ce genre de travail rédactionnel est
fondamentalement différent entre les relations
publiques et la publicité. Bien que les messages
publicitaires sont bien conçus et fabriqués dans
des structures hiérarchiques, une rédaction ne
fonctionne que dans des structures planes, avec
une grande liberté de décision et un vaste espace
d’action pour les auteurs.
Par conséquent, non seulement l’entreprise doit
apprendre à communiquer avec des publics externes
hétérogènes à niveau égal, mais aussi à l’interne
de l’entreprise, si l’on veut travailler de manière
rédactionnelle et ne pas obéir à des ordres du haut
vers le bas. Du directeur général aux spécialistes de
la communication et du marketing, en passant
par-dessus le directeur commercial. Une communi­
cation d’entreprise moderne réclame dans une bien
plus grande mesure un haut degré d’indépendance
de la part d’une rédaction: quels thèmes doivent être
traités, de quelle manière les contributions sont
élaborées et comment les histoires se propagent au
travers des différents médias. Le principe du travail
rédactionnel est basé sur l’espace de liberté – tou­
jours au service de l’entreprise et de ses marques,
bien évidemment.
Aucune affirmation définitive concernant l’impres­
sion ne peut donc être livrée. Mais probablement
de manière temporaire. À vue humaine, les études
disponibles portant sur l’utilisation et la réception
des médias, sur la psychologie et la sociologie, ainsi
que des modèles modernes de gestion de la commu­
nication stratégique dans l’environnement des
médias numérisés, parlent en faveur d’utilisation
diversifiée et ciblée du mot (et de l’image) imprimé.
De nombreuses entreprises ont déjà débuté dans la
communication afin d’établir de telles rédactions.
Naturellement équipées en multimédia. Et souvent
désignée avec le terme de «newsroom» (salle de
presse). Mais cela ne concerne pas que cette salle,
cela touche toute la structure et l’organisation, qui
est idéalement formée autour de cet espace. Un
groupe de journalistes d’entreprise qui écrivent,
filment et sonorisent, peuvent sur la base de la
recherche classifier et attribuer les sujets.
La distribution s’opère par des voies classiques et
en ligne, mais aussi par le biais des médias sociaux,
y compris des applications telles que Snapchat,
qui sont ensuite réglées presque comme un jeu.
La communication d’entreprise est en cours
de restructuration et de réorganisation
La relation de cette nouvelle forme narrative de la
communication d’entreprise avec du véritable jour­
nalisme est évidente, mais en réalité non seulement
avec le seul travail artisanal – le genre d’écriture, le
Dynamique de la numérisation
Jusqu’en 2016, la numérisation a connu d’énormes
accélération et automatisation des différents
processus de travail tout au long de la chaîne de
valeur ajoutée. Dès 2016, nous vivons avec un
développement qui correspond à la mise en réseau et
111
112
à l’intégration totale de chaque étape de travail
d’une entreprise, à la mise en réseau et à l’intégration totale des achats et des ventes, qui apportent
avec elles une mise en réseau et une intégration
totale de la relation client. La numérisation est le
récit central pour chaque entreprise graphique,
à condition qu’elle ait toujours l’intention d’être
active d’ici 2026. En plus des questions traditionnelles telles que «Quel modèle d’affaires vais-je
poursuivre?», ou «Qui sont mes clients et qu’est-ce
que je leur offre?», chaque entreprise doit se poser
la question: «Comment puis-je assurer ma place
dans un environnement de marché entièrement
numérisé?». Par exemple, chaque entreprise
graphique ne doit pas suivre la voie d’une imprime­
rie en ligne. Une entreprise de reliure artisanale
par exemple va probablement survivre dans une
dizaine d’années sans avoir établi de processus de
travail numérique. Mais il se pourrait bien que de
telles entreprises artisanales soient incapables
d’atteindre leurs clients potentiels sans processus
de distribution numérique entièrement automatisés.
Finition de masse individualisée –
ça fonctionne!
En résumé, on peut dire qu’il serait dangereux de se
fier à un chiffre d’affaires d’impression durable qui
suffirait à attiser les convoitises, à savoir de penser
que les avantages esthétiques et tactiles de l’im­
primé perdureront comme auparavant. Bien que
l’impression non personnalisée constituera aussi
à l’avenir la part du lion, permettant ainsi la pour­
suite de ce modèle de réussite pour de nombreuses
imprimeries, celles-ci devront faire face à de faibles
marges, respectivement à des coûts élevés d’impres­
sion. Toutefois, ces imprimeries devront rivaliser
avec une quantité d’autres formes de médias,
certains peut-être déjà existants ou émergents.
leur taille et leur orientation, les offres dans les
secteurs SaaS, PaaS et IaaS (si ce n’est pas déjà fait)
doivent être évaluées le plus tôt possible!
En quelques clics, on peut constater que de nom­
breuses entreprises de médias suisses sont familiè­
res de l’utilisation de services via les applications en
nuage («cloud computing»). Instagram, Twitter et
Facebook font partie de l’offre standard, même si
elles sont souvent à peine visibles. Fait intéressant
cependant, l’offre d’informations se présente de
manière quelque peu restreinte en général. Les
parties intéressées reçoivent l’impression qu’il s’agit
tout au plus d’une option de plateforme d’information complémentaire. Quiconque connaît l’accès
internet n’obtient pas la certitude que davantage
d’informations peuvent être trouvées. Ceci est
toutefois décisif car si l’incitation est modérée il y a
peu d’envie d’apprendre à connaître ces offres. Mais
le cloud computing a beaucoup plus de potentiel.
Il faut relever que la disponibilité relativement
facile de nombreuses cibles est encore bien peu
utilisée. Il faut savoir que la visibilité et le nombre
de «J’aime» peuvent être acquis pour certains
services, ce qui est peu surprenant.
Les entreprises médias qui disposent d’archives
de l’information peuvent par exemple fournir
du contenu à un coût raisonnable sur le cloud et
disposer ainsi d’une plus large audience.
Probablement qu’il faudrait dans ce cas utiliser
également un moteur de recherche, mais cela
ne représente pas un obstacle. L’offre de services
de recherche pour la collecte des données est
importante sur le cloud.
Comme constante au fil du temps, il est prouvé
qu’un acteur du marché qui rencontre le succès
répond aux besoins des consommateurs sur la base
de la personnalisation et du confort. Les trois
défis centraux que sont «Big Data», l’intégration
horizontale et l’intégration verticale, peuvent
servir de pierre d’achoppement pour la mise en
œuvre ciblée de cette stratégie.
De nouvelles idées d’entreprise peuvent être mises
en œuvre sur le cloud beaucoup plus rapidement
que ce n’était le cas auparavant avec sa propre
infrastructure. Mais plus rapide ne signifie pas
plus mauvais, au contraire. Pour cela, les coûts
d’exploitation sont plutôt faibles. Si l’idée d’entre­
prise est couronnée de succès, la capacité supplé­
mentaire requise est disponible en option en
quelques clics. Si à l’opposé l’idée d’entreprise ne
rencontre pas l’approbation du public, tous les
services sur le cloud peuvent être annulés et
stoppés à très court terme.
Cloud computing et entreprises des médias
Bien évidemment, les entreprises de médias
peuvent/doivent également bénéficier des services
en nuage («cloud») en tant que clients. Nonobstant
De cette façon, grâce à des services cloud à partir
d’un magasin en ligne jusqu’à des diffusions en
continu de vidéo, des projets peuvent rapidement
être mis en œuvre et testés réellement. Les
infrastructures des technologies de l’information,
qui sont compliquées et onéreuses à l’achat et
à l’exploitation, appartiennent au passé. L’avenir
des technologies de l’information s’opère désormais
en toute sécurité sur le cloud.
Avenir de l’électronique imprimée
L’électronique imprimée est déjà utilisée dans de
nombreux produits, et bien souvent la production
technique d’impression n’est pas évidente. Les
industries exigeantes, telles que l’automobile, les
produits pharmaceutiques et de santé, exploitent
des produits imprimés électroniques de masse avec
succès. Les développements à moyen et long termes
mènent à des produits améliorés et plus concurren­
tiels également dans d’autres domaines. Les
coopérations avec les développeurs facilitent l’accès
à l’impression commerciale et d’emballages dans
l’électronique imprimée en réduisant le risque.
Les opportunités de Big Data
Big Data va transformer l’industrie graphique parce
que cela va modifier le marché. Les entreprises du
secteur de l’imprimerie devraient se poser différen­
tes questions: est-ce l’expansion de la zone d’affaires
est une option? Risquons-nous de perdre notre
avantage de savoir-faire dans le domaine de la
connaissance du marché et des clients par Big Data,
et ainsi d’être avalés par des grands prestataires?
Est-ce que les nouveaux services constituent une
option pour les clients finaux? Est-il judicieux de
proposer des compétences en communication
visuelle? Puis, en tant que grande entreprise:
pouvons-nous optimiser le contrôle des installations
avec Big Data? Où Big Data lui-même est utilisé ou
que des services de visualisation sont proposés,
il n’y a presque jamais de Big Data seul au premier
plan, alors que se posent les bonnes questions
critiques sur l’entreprise, pour elle-même ou pour les
clients. Car avec l’utilisation de Big Data, il n’existe
en pratique pas tant de données et d’algorithmes –
l’expertise appropriée peut être achetée – mais
davantage les innovations créatives dans son propre
domaine d’affaires. Big Data est ici tout à fait
possible, mais son utilisation dans la pratique n’est
pas aisée.
La bonne combinaison d’instruments
Dans la planification stratégique, l’interaction des
outils de marketing est définie. Comme pour une
formation musicale, les instruments doivent être
accordés. Le mélange doit être homogène, il doit agir
harmonieusement et, comme exemple dans un
groupe de musique, les tambours ne doivent pas
écraser les autres instruments. Dans le marketing,
nous utilisons la formule des 4P: «product», «place»,
«price» et «promotion». Concernant le marketing des
services, et ceux-ci comprennent la plupart des
imprimeries, nous ajoutons 3P à la formule:
«people», «physical evidence» et «process». (Note du
traducteur: les 4 premiers P servent au marketing
externe, le cinquième concerne le marketing interne
et les deux derniers servent au marketing interac­
tif.) Les entreprises qui réussissent auront besoin à
l’avenir d’un «système marketing» sophistiqué,
qui soit ciblé avec les clients et avec une variété
d’offres et d’instruments spécifiques à la vente.
«Nous ne pouvons pas toujours offrir la solution
la moins chère, mais nous pouvons mettre à disposi­
tion de nos clients la meilleure solution disponible
pour les besoins spécifiques. C’est là précisément
que nous pouvons placer nos atouts», selon une cita­
tion parue dans viscom p&c N° 15/16 en août 2016.
Chaîne d’approvisionnement pour le
prestataire de produits imprimés
En conséquence de la concurrence, le prestataire
en produits imprimés doit lutter pour une gestion
efficace de la chaîne d’approvisionnement.
Automatisée, basée sur des livraisons de matériaux
de production et l’acquisition de services logistiques
conformes à la planification de la production, cette
gestion assure une production rapide et rentable,
réduit le stockage de matières et soulage l’administration liée à la production. Par le biais de la mise en
réseau étroite entre les fournisseurs, les entreprises
de production partenaires et les entreprises de
logistique, des augmentations d’efficience et des
optimisations des coûts sont souhaitables. Les
produits doivent être entièrement normalisés et
automatisés au moyen du flux de production, alors
que le client apparait «très souple» et variable.
Cette exigence doit absolument être résolue dans
le portefeuille concerné.
Les prochains défis à surmonter
Eichhorst et Buhlmann (2015) esquissent, dans
une étude sur les défis futurs pour le monde du
travail, quatre forces motrices qui influencent le
changement. Ces quatre forces sont le progrès
technologique, la mondialisation, l’évolution
démographique et le changement institutionnel.
Concernant le progrès technique, il comprend la
numérisation et la mise en réseau du monde du
113
114
travail à travers internet ainsi que l’utilisation
de la robotique et l’intelligence artificielle.
Ces changements sont également connus sous
le nom d’industrie 4.0 et internet des objets.
L’industrie graphique reprend ces thèmes à son
compte et en a fait, sous le slogan Print 4.0 qui était
aussi martelé lors de la Drupa 2016, son propre
concept pour l’automatisation. L’impact du progrès
technique sur l’emploi n’est pas tout à fait clair, car
l’automatisation des places de travail est à la fois
une substitution et un complément. Frey et Osborne
(2013) ont formulé pour les technologues en impres­
sion une probabilité d’automatisation de 83 pour
cent. Cependant, de telles déclarations doivent être
considérées avec une certaine distance. Selon
différents fabricants de machines d’impression,
l’automatisation est déjà bien avancée. Toutefois,
il faut généralement supposer que les exigences de
qualification sont en hausse pour les professionnels.
La mondialisation est accompagnée par le progrès
technique et continue d’accroître la pression
concurrentielle sur les entreprises de l’industrie
graphique. Le dialogue avec les partenaires et
fournisseurs étrangers, mais aussi avec les clients,
augmente. Le changement démographique en tant
que troisième force motrice décrit une tendance
inverse. D’une part, la main-d’œuvre nationale
rétrécit en raison de faibles taux de natalité et du
vieillissement de la main-d’œuvre actuelle. D’autre
part, un potentiel de travailleurs tels que les
femmes, les migrants et les personnes âgées sont de
plus en plus recrutés. Si nous ne parvenons pas à
mobiliser la main-d’œuvre suffisante, la pénurie de
travailleurs qualifiés va s’accentuer dans l’industrie
graphique. La transformation des conditions cadres
institutionnelles en tant que quatrième force
motrice est caractérisée par l’occupation des
femmes et des travailleurs âgés. Les mots clés sont
ici le développement de services de garde des
enfants, etc. Avec des conditions de travail
flexibles, les entreprises offrent également des
incitations pour les travailleurs potentiels.
Innovation des modèles économiques
L’industrie graphique en Suisse est actuellement
en pleine mutation. La pression sur les prix de la
nouvelle concurrence étrangère, la force du franc
continue et le changement dans le comportement
des consommateurs mettent sous forte pression
les modèles économiques existants, ce qui explique
la nécessité des innovations afin d’assurer le succès
à long terme. Mais ce qui est important c’est d’avoir
une vision holistique de l’innovation – de l’idée
jusqu’au succès sur le marché – et de repenser, loin
de la recherche et du développement, à la recherche
et à l’innovation.
La pensée dans les modèles d’affaires favorise une
vision holistique de l’innovation en tenant compte
des quatre aspects fondamentaux de tout modèle
économique: les clients, les propositions de valeurs,
la chaîne de valeur ajoutée et le mécanisme des
recettes. Cela aide les entreprises à échapper à
l’accent souvent prévalant sur les marchés de niche
liés à des technologies plus sophistiquées.
En mettant en question la logique de branche
existante et la confrontation de son propre modèle
d’affaires avec des exemples de modèles écono­
miques d’autres branches, les entreprises peuvent
générer des idées pour de nouveaux modèles
commerciaux et se procurer une opportunité de
rompre la pensée avec les modèles existants.
L’article publié dans l’étude prospective montre les
possibilités que peut apporter l’innovation des
modèles économiques pour l’industrie graphique
suisse. Tout d’abord, le concept de modèle d’affaires
et la méthodologie du «St.Galler Business Model
Navigator™» est décrit de manière théorique être
expliquées. Puis le succès du CEWE illustre les
possibilités que peut apporter l’innovation des
modèles économiques pour les entreprises de
l’industrie graphique.
Enquête client
Présent et avenir du «Print»
—
Rudolf Lisibach
Objectif, enquête et évaluation
Objectif
Les membres de viscom – et d’autres cercles intéressés – doivent obtenir des
moyens d’orientationet des idées directrices quant à la situation actuelle et au développe­
ment futur du secteur «Print».
Enquête et évaluation
•Le segment «Responsables de la communication marketing» a été sollicité pour
cette enquête.
•Il a été posé, d’une part, des questions sur la situation actuelle et, d’autre part,
il a été demandéaux personnes interrogées d’émettre des évaluations quant au dévelop­
pement à l’avenir.
•En tout 13 questions ont été posées sur les principaux thèmes suivants:
– Importance des budgets de communication
– Répartition des budgets de communication et des moyens de communication
– Évolution de la demande en produits imprimés
– Contacts avec les imprimeries
– Prestations proches du secteur «impression» qui prennent de l’importance
– Critères de décision lors du choix d’une imprimerie
– Fabrication des documents pour l’impression
– Utilisation des produits imprimés
– Collaboration avec les imprimeries
•L’enquête électronique a été effectuée dans le courant de l’été 2016.
•L’expéditeur de l’enquête était viscom.
•Les responsables de la communication marketing de 76 entreprises en Suisse
ont participéà l’enquête.
•Les réponses ont été récoltées de manière anonyme et aucun lien n’est possible
avec des clients individuels.
•Les budgets de communication des clients qui ont participé à l’enquête sont
relativement élevéset les besoins auprès des imprimeries peuvent être différents
de ceux d’autres groupes cibles.
115
116
Synthèse
Importance des budgets de communication
•Les budgets de communication progressent de quelque 3% par année.
Répartition des budgets de communication et des moyens
de communication
•La part des moyens de communication «proches de l’impression» sur le budget
global des clientsse situe actuellement à 53%. Au cours des 5 prochaines années,
il faut compter avec une diminution à 47%. Simultanément, la part des «budgets
en ligne» progressera de 16% à 26%.
Évolution de la demande en produits imprimés
•Sont en augmentation dans le secteur «Impression»:
– Encarts publicitaires dans les journaux et périodiques
– Publipostages (imprimés)
– Journaux et périodiques pour la clientèle («Corporate Publishing»)
– Emballages
– Livres
• Est stable dans le secteur «Impression»:
– Matériel PLV (affiches, suspentes, présentoirs)
•
Sont en régression dans le secteur «Impression»:
– Annonces dans les journaux et périodiques
– Affiches
– Prospectus, brochures, flyer
– Catalogues
– Brochures d’entreprise
– Rapports annuels
Contacts avec les imprimeries
82% des personnes interrogées entretiennent des contacts directs avec les imprimeries.
Dans 5 ans la proportion s’élèvera encore à 78%. Internet en tant que canal d’acquisition
pour les produits imprimés gagne en signification. La part de ceux qui utilisent ce moyen
va progresser de 9% à 13%.
Les prestations qui prennent de l’importance à côté
du secteur «Impression»
•Outre l’impression, des prestations supplémentaires sont demandées surtout
pour le prémédia, traitement de l’image, correction, expédition, logistique, transport,
conseil et conception.
•La demande sera nettement plus faible pour les offres supplémentaires concernant
le conseil crossmédia, les systèmes de publication, les productions film/vidéo mais
également les prestations dans le domaine des sites et des accès internet.
Critères de décision pour le choix d’une imprimerie
•Le respect des délais et les prix figurent en tête de lise pour le choix d’une imprimerie.
L’attentionse porte également sur les partenaires qui sont réellement spécialisés
sur la fonction centrale «Imprimer». Sont aussi importantes – mais de manière moins
prononcée – les compétences en matière de conseil, la relation personnelle ou le label
«Printed in Switzerland».
•Concernant les thèmes environnementaux, la capacité d’une entreprise à produire
de manièreneutre pour le climat a une plus grande valeur que la disponibilité d’un
système de management environnemental certifié.
•Le respect d’un CCT ou l’engagement dans la formation et le perfectionnement sont
moins pertinents pour la décision.
•Les clients attendent aussi dans une moindre mesure de la part des imprimeries
des compétencesen marketing, en communication d’entreprise ou dans les secteurs
en ligne et mobile.
Fabrication des documents pour l’impression
•Dans la grande majorité des cas, ces documents sont réalisés par les clients ou
par une agence.
•La part des clients qui confient la réalisation de ces documents à l’imprimerie
s’élève à 21%.
Approvisionnement en produits imprimés
•DLa plupart des produits imprimés sont achetés à proximité, resp. en Suisse.
27% des clients acquièrent leurs produits imprimés à l’étranger. Dont 24% dans
les pays limitrophes.
Collaboration avec les imprimeries
•NSeulement 8% des clients achètent leurs produits imprimés auprès d’un seul
fournisseur. Par contre, un client sur quatre collabore avec plus de cinq imprimeries.
117
118
Les budgets de communication
augmentent
—
Importance des budgets de communication
Quelle est l'importance de votre budget
pour la communication marketing?
Actuellement
Dans 5 ans
plus de 25 mio francs
 3%
 4%
entre 10 et 25 mio francs
11%
14%
entre 5 et 10 mio francs
17%
20%
entre 2.5 et 5 mio francs
18%
20%
entre 1 et 2.5 mio francs
37%
32%
entre 0.5 et 1 mio francs
  9%
 4%
entre 0.1 et 0.5 mio francs
  4%
 7%
moins de 0.1 mio francs
  1%
 1%
Total
100%
100%
Exemple de lecture: 3% des clients disposent d’un budget de communication supérieur à 25 mio francs.
Dans 5 ans ils seront 4%.
– 37% des clients disposent d’un budget entre CHF 1 mio et CHF 2.5 mio.
– 3% attribuent plus de CHF 25 mio pour la communication marketing.
– La tendance reflète des budgets plus importants au cours des
prochaines années.
119
Recul des affectations sur les
canaux«proches de l’impression» –
Croissance de la communication
en ligne
—
Répartition des budgets de communication sur les moyens de communication
Comment se répartit ce budget entre les
différents moyens de communication?
Actuellement
Dans 5 ans
Médias imprimés
19%
12%
Publicité extérieure
  8%
  7%
Publicité directe
10%
10%
Soutien à la vente
12%
12%
PR
4%
  5%
Total des canaux «proches de l'impression»
53%
47%
Télévision, radio, cinéma
15%
12%
Publicité en ligne (y c. mobiles, propre site, apps,
médias sociaux e.a.)
16%
26%
Sponsoring, manifestations, foires
16%
14%
Autres
  1%
  2%
Total des canaux «éloignés de l'impression»
47%
53%
Exemple de lecture: 19% des budgets de communication sont attribués aux médias imprimés. Ce ne seront plus
que 12% dans 5 ans.
– Les attributions aux moyens de communication «proches de
l’impression» diminuent dans l’ensemble et passent sous la barre
de 50%.
– Alors que le recul des médias imprimés est flagrant, la publicité directe
et le soutien à la vente gagnent en importance.
– Dans 5 ans plus d’un franc sur quatre en communication sera investi
dans les médias en ligne.
120
Moins d’annonces, d’affiches et de
prospectus – Davantage d’encarts
publicitaires, de publi-postages et
de «Corporate Publishing»
—
Évolution de la demande en produits imprimés – 1
Comment se modifiera la demande en canaux de communication
«proches de l'impression» ces 5 prochaines années?
Tendance
en 5 ans
Médias imprimés
Annonces dans les journaux et périodiques
Encarts publicitaires dans les journaux et périodiques
➘
➚
Publicité extérieure
Affiches imprimées
e-Boards, adScreens
➘
➚
Publicité directe
Prospectus, brochures
Publipostages (imprimés)
Flyer
Journaux et périodiques pour la clientèle
Exemple de lecture: À l’avenir, la demande en annonces imprimées reculera de manière tendancielle,
alors que les encarts publicitaires imprimés connaîtront une progression.
➘
➚
➘
➚
121
Plus d’emballages, tout autant
de matériel PLV – Moins de
catalogues, de brochures d’entreprises et de rapports annuels
—
Évolution de la demande en produits imprimés – 2
Comment se modifiera la demande en canaux de communication
«proches de l'impression» ces 5 prochaines années?
Tendance
en 5 ans
Soutien à la vente
Catalogues
Matériel PLV (affiches, suspentes, présentoirs)
Emballages
➘
➙
➚
PR
Livres
Brochures d'entreprise
Rapports annuels
Exemple de lecture: À l’avenir, la demande en catalogues imprimés reculera de manière tendancielle,
alors que le matériel PLV maintiendra ses parts de marché.
➚
➘
➘
122
La grande majorité des clients
entretiennent des contacts directs
avec l’imprimerie – Internet en
tant que canal d’achat gagne en
importance
—
Contacts avec les imprimeries
La fabrication de ces moyens de communication
est effectuée la plupart du temps par une imprimerie.
Comment s'établissent les contacts vers l'imprimerie
pour vous-même?
Actuellement
Dans 5 ans
Il existe des contacts directs entre le marketing
et l'imprimerie
82%
78%
L'approvisionnement en produits imprimés s'effectue
par les achats
37%
37%
Notre agence de publicité s'occupe des contacts
avec l'imprimerie
25%
26%
Un autre type d'agence s'occupe des contacts
avec l'imprimerie
11%
11%
Un agent spécialisé s'occupe des contacts
avec l'imprimerie
  4%
 3%
Les produits imprimés sont acquis directement sur internet
  9%
13%
Exemple de lecture: 82% des clients entretiennent des contacts directs avec l’imprimerie. Ils seront encore 78% dans 5 ans.
– Plus de 80% des clients entretiennent des contacts directs
avec l’imprimerie. Au coursdes prochaines années cette proportion
diminuera mais restera élevée avec 78%.
– 73% des clients s’approvisionnent par leur service d’achat,
des agences publicitairesou d’autres types d’agences.
– La signification d’internet en tant que canal d’achat augmentera
ces prochaines années.
– Les agents spécialisés jouent un faible rôle qui va encore diminuer
en importance.
Demande satisfaisante
en prestations supplémentaires
«classiques»
—
Prestations qui gagnent en importance à côté du secteur «Impression» – 1
Quelles prestations supplémentaires demandez-vous
également à votre imprimerie?
Actuellement
Prémédia
67%
Expédition, logistique et transport
53%
Conseil, conception
37%
Traitement de l'image
34%
Gestion des stocks
18%
Design, création, mise en page
18%
Correction
16%
Solution de banque de données
12%
Dans 5 ans
➚
➚
➚
➘
➘
➘
➘
➘
Exemple de lecture: 67% des clients sollicitent des prestations prémédia; à l’avenir la demande de ce type de prestations
va tendanciellement augmenter (flèche verte). 34% des clients sollicitent du traitement de l’image; la demande pour cette
prestation va diminuer tendanciellement à l’avenir (flèche rouge).
– 67% des clients requièrent également de l’imprimerie des
prestations prémédia.
– Une bonne demande est également relevée pour les prestations
en expédition, logistiqueet transport; plus d’un client sur deux y font
appel.
– Le conseil et la conception sont appréciés par un bon tiers
de la clientèle.
123
124
Demande restreinte
de prestations «numériques»
supplémentaires
—
Prestations qui gagnent en importance à côté du secteur «Impression» – 2
Quelles prestations supplémentaires demandez-vous
également à votre imprimerie?
Actuellement
Conseil crossmédia
 7%
Systèmes de publication technique
 5%
Production de films et vidéos
 4%
Produits 3-D
 4%
Prestations rédactionnelles
 4%
Gestion des adresses
 4%
Site et accès internet
 3%
Développement PLV
 1%
Aucun avis
15%
Tendance
en 5 ans
➚
➘
➘
➘
➘
➘
➘
➘
➘
Exemple de lecture: 7% des clients sollicitent du conseil crossmédia. À l’avenir la demande de cette prestation
augmentera tendanciellement (flèche verte).
– Une petite partie seulement du groupe de clients interrogés sollicitent
des prestations numériques (3% à 7%).
– De plus, le recours à de telles prestations supplémentaires diminue
tendanciellement à l’avenir.
125
Délai et prix sont
les critères de décision
dominants
—
Critères de décision pour le choix d’une imprimerie – 1
Quels sont pour vous les principaux critères
de décision lors du choix d'une imprimerie?
Actuellement
Respect des délais
84%
Prix
84%
Spécialisée sur l'impression personnalisée
51%
Compétences de conseil
50%
Relations personnelles
49%
Printed in Switzerland
47%
Proximité géographique
38%
Certification FSC
38%
Impression neutre pour le climat
29%
Fournisseur global d'impression personnalisée
26%
Tendance
en 5 ans
➚
➚
➚
➚
➚
➚
➚
➚
➚
➚
Exemple de lecture: Le respect des délais est un critère de décision primordial pour 84% des clients. À l’avenir, l’importance de
ce critèreva tendanciellement augmenter (flèche verte).
– Délais et prix sont les critères essentiels pour le choix d’une
imprimerie.
– La compétence de conseil est un critère de décision pour la moitié
des clients; 50% également choisissent des partenaires qui sont
spécialisés dans l’impression.
– «Printed in Switzerland» prend de plus en plus d’importance.
– Un client sur quatre souhaite un prestataire global en matière de
propre impression.
126
Les compétences des imprimeries
en marketing, services en ligne
et communication d’entreprise ne
sont pas décisives pour les clients
—
Critères de décision pour le choix d’une imprimerie – 2
Quels sont pour vous les principaux critères
de décision lors du choix d'une imprimerie?
Actuellement
Système environnemental ISO 14001
 21%
Système de qualité ISO 9001ss
 18%
Respect du CCT
 15%
Engagement dans la formation et le perfectionnement
 12%
Formation d'apprentis
  9%
Compétences de marketing
  8%
Compétences pour services en ligne, internet, mobile
  7%
Norme PSO
  4%
Compétences en communication d'entreprise
  3%
Tendance
en 5 ans
Exemple de lecture: un système environnemental resprésente un critère de décision pour 21% des clients.
À l’avenir l’importance de ce critère diminue tendanciellement (flèche rouge).
– L’impression neutre pour le climat est plus importante qu’un
système environnemental certifié.
– Le respect d’un CCT, l’engagement dans la formation et le
perfectionnement ainsi que la formation des apprentis, jouent un
rôle secondaire pour le choix d’une imprimerie.
– De même, une faible partie seulement des clients attendent de
leur imprimerie un savoir-faire dans les domaines marketing,
communication, prestations en ligne, internet et sur mobiles.
➘
➘
➘
➘
➘
➘
➘
➘
➘
Les imprimeries ne jouent pas un
rôle dominant pour la fabrication
des documents d’impression
—
Fabrication des documents d’impression
Qui élabore les documents d'impression
pour vos propres produits imprimés?
Actuellement
Notre agence de publicité
 63%
Nous réalisons nous-même les documents d'impression
 61%
Un graphiste réalise les documents d'impression
 46%
Ce travail est effectué par notre imprimerie
 21%
Tendance
en 5 ans
➚
➚
➚
➘
Exemple de lecture: 61% des clients réalisent eux-mêmes les documents d’impression. À l’avenir cette part va
tendanciellement augmenter (flèche verte). 21% des clients laissent l’imprimerie réaliser les documents d’impression
et cette part va tendanciellement diminuer à l’avenir (flèche rouge).
– Plus de 60% des clients réalisent eux-mêmes leurs documents
d’impression. Les agences avec prestations prémédia sont sollicitées
dans une proportion similaire.
– Un client sur cinq laisse l’imprimerie réaliser ses documents
d’impression. Cette part va tendanciellement diminuer à l’avenir
127
128
Approvisionnement majoritaire
en Suisse – Mais un client
sur quatre achète à l’étranger
—
Approvisionnement en produits imprimés
Où achetez-vous vos produits imprimés?
Actuellement
Dans une imprimerie de la place
 74%
Dans une imprimerie plus éloignée en Suisse
 63%
Dans une imprimerie étrangère limitrophe
 24%
Dans une imprimerie étrangère éloignée
  3%
Tendance
en 5 ans
➚
➚
➘
➘
Exemple de lecture: 74% des clients achètent leurs produits imprimés sur place. Cette part augmente tendanciellement
à l’avenir (flèche verte). 24% des clients impriment dans les pays étrangers limitrophes. Cette part diminue tendanciellement
à l’avenir (flèche rouge).
– La grande majorité des clients achète sur place et/ou en Suisse.
Cette part progressera à l’avenir.
– Plus d’un client sur quatre achète ses produits imprimés dans les pays
étrangers voisins. Cette part diminuera tendanciellement à l’avenir.
La grande majorité des
clients collaborent avec deux
ou davantage d’imprimeries
—
Collaboration avec les imprimeries
Avec combien d'imprimeries travaillez-vous
conjointement?
Actuellement
Entre deux et cinq
 67%
Avec plus de cinq
 25%
Avec une seule
  8%
Tendance
en 5 ans
➚
➘
➘
Exemple de lecture: 8% des clients travaillent avec une seule imprimerie. À l’avenir cette part va tendanciellement
diminuer (flèche rouge).67% des clients travaillent avec deux à cinq imprimeries. À l’avenir cette part va tendanciellement
augmenter (flèche verte).
– 8% des clients collaborent exclusivement avec une seule imprimerie.
– Deux clients sur trois collaborent avec deux ou davantage
d’imprimeries.
– 25% des clients ont des relations avec plus de cinq partenaires
d’impression.
– À l’avenir une concentration sur deux à cinq imprimeries est
tendanciellement perçue.
129
130
Citations originales de clients (extrait)
—
– «Délais, disponibilité, transparence sont l’alpha et l’oméga».
– «Je suis de l’avis personnel que le Print va vivre encore longtemps
et que nous devrons imprimer tout aussi longtemps! (je le dis en tant
que responsable marketing d’un portail immobilier en ligne)».
– «La tendance générale s’oriente vers la communication en ligne,
cependant tous les instruments marketing ne sont pas appropriés
pour ce canal. Il sera toujours demandé de la part des imprimeries
d’offrir des produits et des prestations à haute valeur ajoutée».
– «Je vois un grand défi dans la mesure de l’impact des produits
imprimés, car ils sont difficilement mesurables au contraire des
démarches publicitaires en ligne».
– «Ce qui sera de plus en plus décisif pour le site de production
suisse c’est la capacité concurrentielle et la différenciation.
Un mauvais conseil, un service arrogant, aussi pour les petites
commandes, cela mènera sur la durée à la réduction des prix».
– «La décision pour une imprimerie dépend de différents critères.
Il y a avant tout le contact personnel avant le prix».
– «Il sera de plus en plus compliqué d’obtenir du Print …».
– «L’investissement pour les produits imprimés sera certainement
plus faible dans 5 ans».
– «Les produits imprimés sont de moins en moins importants
pour nous».
– «La qualité jouera également le rôle décisif à l’avenir».
– «Beaucoup peuvent faire bon marché; mais très peu exécutent
de la bonne qualité correspondant au rapport prix-valeur».
– «La compétence de conseil, le respect des délais et la confiance
constituent les fondements d’une collaboration à long terme».
– «Les commandes d’impression sont généralement en recul en raison
de la numérisation croissante».
– «Je pense que les médias imprimés resteront toujours un outil
marketing important et qu’ils doivent être spécifiquement conçus
et utilisés pour le groupe cible».
132
Riassunto studio
delle prospettive viscom 2026
—
Valutazione globale della situazione
del settore
Nel corso degli ultimi due decenni l’industria svizze­
ra delle arti grafiche non ha unicamente perso d’im­
portanza macroeconomica. Ha globalmente perso di
attrattività in ragione dei cambiamenti strutturali,
come lo si vede a partire dall’analisi delle cinque for­
ze del settore economico. Fortunatamente, questo
quadro del settore a tinte fosche non può esser trasferito a delle aziende individuali. Nell’industria
grafica svizzera, esistono molte centinaia di società
attive posizionate con successo, che sanno contra­
stare l’ambiente concorrenziale in ragione del loro
modello d’affari e fornire delle risposte adeguate al
cambiamento strutturale progressivo. La forte pro­
pensione a investire nelle aziende grafiche svizzere
e le forze d’innovamento dell’industria dei fornitori
rispondono prematuramente e con successo alla
digitalizzazione galoppante, all'automazione
all’integrazione e alla messa in rete dell’industria
grafica svizzera, favorendo così l’attitudine a man­
tenere la capacità concorrenziale a un livello elevato
rispetto all’estero. L’economia suddivisa e le coope­
razioni si sviluppano in modo molto chiaro anche sul
mercato della stampa svizzera e costituiscono un
fattore di successo strategico per le aziende grafi­
che, alfine d’agire e influenzare come catalizzatori
per migliori economie di scala e di miglioramento
della produttività aziendale. Lo sviluppo prospero
degli affari è sostenuto da un’associazione professio­
nale performante che favorisce specificamente l’in­
telligenza collettiva e il rafforzamento del capitale
sociale (valori, comportamento e confidenza) e di
conseguenza aiuta le aziende del settore a issare le
vele in modo giudizioso nella dinamica delle forze
del mercato e a posizionarsi per uno sviluppo positi­
vo sul mercato svizzero della stampa.
Sguardo al futuro
Questa citazione è attribuita a Niels Bohr: «Le previ­
sioni più difficili sono quelle che riguardano il futu­
ro». Un tale ambiente dinamico come la mutazione
attuale dei media complica anche la previsione
poiché caratterizzata da un’interdipendenza tecno-­
sociale. E ciò cosa significa? Le tecnologie si adatta­
no ai desideri e alle possibilità e a loro volta i desideri
e le capacità variano in funzione della tecnologia.
In questo contesto, i vantaggi qui descritti dei media
stampati non sono incisi nella pietra. In modo
analogo ai principi di base, dobbiamo prima tenere
in considerazione due sviluppi alfine di valutare il
ruolo potenziale dei prodotti stampati per i prossimi
cinque anni:
prima di tutto c’è lo sviluppo tecnologico, in partico­
lare ciò che chiamiamo interfacce. Gli schermi dei
prodotti digitali ne fanno parte e cifre importanti
sono investite nel loro miglioramento. Con l’aumen­
to della qualità (tra cui la risoluzione, il contrasto e
l’illuminazione), della convivialità e della facilità di
utilizzo, gli acquirenti sono sempre più disposti ad
acquistare informazioni digitali esaustive e com­
plesse. Ma si prevedono anche degli sviluppi qualita­
tivi, come ad esempio lo sviluppo di «Head-Moun­
ted-Displays», schermi montati sulla testa degli
spettatori attraverso un casco ad hoc, che possono
essere monoculari o binoculari. A oggi sappiamo
molto poco riguardo alla possibile qualità di registra­
zione e di lettura di certi «occhiali» che aprono
degli spazi virtuali. Le nostre aziende si trovano in
un processo di apprendimento collettivo riguardan­
te l’utilizzo appropriato dei media digitali. È quindi
abbastanza concepibile che noi cambiamo le nostre
attitudini nel guardare lo schermo, poi il nostro uti­
lizzo dei contenuti digitali, in un ambito del progres­
so tecnologico. Un miglioramento della metacogni­
zione, sia questo una cattura meglio controllata, più
mirata e più attenta del testo sullo schermo, è già
quasi possibile per l’apprendimento in alcuni livelli
scolastici. La tecnica culturale della lettura si adatta
alla tecnologia e quindi anche alla cultura. Inoltre,
un punto da non trascurare, la qualità e il valore
soggettivo della stampa radicato culturalmente pos­
sono col tempo diminuire. Una cultura post-mate­
riale potrebbe sviluppare un’avversione contro gli
strumenti fisici, una cultura digitale in rete ren­
derebbe possibile un giorno la diminuzione o la sop­
pressione della trasmissione dei supporti dei dati.
Nessuna affermazione definitiva concernente la
stampa può essere data. Ma probabilmente in
maniera temporanea. A vista d’uomo, gli studi
disponibili portano sull’utilizzo e la ricezione dei
media, sulla psicologia e la sociologia, oltre che dei
modelli moderni di gestione della comunicazione
strategica nell’ambiente dei media digitali, parlano
in favore dell’utilizzo diversificato e mirato della
parola (e dell’immagine) stampata.
La comunicazione aziendale è in via
di ristrutturazione e di riorganizzazione
La relazione di questa nuova forma narrativa della
comunicazione aziendale con del giornalismo vero è
evidente, ma in realtà non solamente con il lavoro
artigianale –il genere di scrittura, di riprese e di suo­
no. Si situa anche in modo in cui i soggetti sono ricer­
cati, studiati e fissati con rispetto per costituirne del­
le storie. Questo è tutto il lavoro editoriale, che in
precedenza solo i giornalisti impiegati nelle case
editrici sapevano fare. Questo genere di lavoro reda­
zionale e fondamentalmente differente tra le relazio­
ni pubbliche e la pubblicità. Malgrado i messaggi pub­
blicitari sono ben conosciuti e costruiti in strutture
gerarchiche, una redazione funziona solo in strutture
piane, con una grande libertà decisionale e un vasto
spazio di manovra per gli autori.
Di conseguenza, non solo l’azienda deve imparare a
comunicare con dei pubblici esterni eterogenei allo
stesso modo, ma anche all’interno dell’azienda, se si
vuole lavorare in modo redazionale e non obbedire a
degli ordini dall’alto verso il basso. Dal direttore
generale agli specialisti della comunicazione e del
marketing, passando dal direttore commerciale. Una
comunicazione aziendale moderna reclama un alto
grado di indipendenza dalla parte di una redazione:
quali temi devono essere trattati, in quale modo ven­
gono elaborati i contributi e come le storie si propaga­
no attraverso i diversi media. Il principio del lavoro
redazionale è basato sullo spazio di manovra –sempre
al servizio dell’azienda e dei suoi marchi, chiaramen­
te. Numerose aziende hanno già debuttato nella
comunicazione alfine di stabilire tali reazioni. Natu­
ralmente equipaggiate nel multimediale. Spesso desi­
gnate con il termine di «newsroom» (sala stampa).
Ma ciò non riguarda solo questa sala, ciò tocca tutta
la struttura e l’organizzazione che è idealmente for­
mata attorno a questo spazio. Un gruppo di giornali­
sti di un’azienda che scrivono, filmano e sonorizzano,
sulla base della ricerca possono classificare e attri­
buire i soggetti. La distribuzione si opera tramite del­
le vie classiche e online, ma anche tramite i social
media, compreso le applicazioni come Snapchat, che
sono in seguito regolate quasi come un gioco.
Dinamica della digitalizzazione
Fino al 2016, la digitalizzazione ha conosciuto enor­
mi accelerazioni e automatismi di differenti processi
di lavoro durante la catena del valore aggiunto. Dal
2016 viviamo con uno sviluppo che corrisponde alla
messa in rete e all’integrazione totale di ogni tappa
di lavoro di un’azienda, alla messa in rete e all’inte­
grazione totale degli acquisti e delle vendite, che
portano con loro una messa in rete e un’integrazione
totale della relazione con i clienti. La digitalizzazio­
ne è il perno per ogni azienda grafica, purché abbia
sempre l’intenzione di essere attiva entro il 2026.
Inoltre alle domande tradizionali come «quale
modello di business devo seguire?» oppure «chi sono
i miei clienti e cosa gli offro?», ogni azienda deve
porsi la domanda: «come posso assicurarmi il mio
spazio in un ambiente di mercato interamente digi­
talizzato?». Ad esempio, ogni azienda grafica non
deve seguire la via di una tipografia online. Una
133
134
legatoria artigianale, sopravviverà ad esempio una
decina d’anni senza aver stabilito dei processi di
lavoro digitali. Ma può anche darsi che tali imprese
artigianali sono in grado di raggiungere i loro poten­
ziali clienti, senza un processo di distribuzione digi­
tale completamente automatizzato.
Finitura di massa individualizzata –
funziona!
Riassumendo, si può dire che sarebbe pericoloso fare
affidamento su una serie di attività di stampa so­­
stenibile ma che sarebbe sufficiente a suscitare
passioni, pensando che i vantaggi estetici e tattici
della stampa perdureranno come precedentemente.
Anche se la stampa non personalizzata costituirà in
futuro la parte del leone, permettendo così la conti­
nuazione di questo business per numerose tipografie,
dovrà però affrontare bassi margini, rispettivamen­
te alti costi di stampa. Tuttavia queste tipografie
dovranno competere con una quantità di altre forme
di media, alcune già esistenti o emergenti.
Come costante nel tempo, è provato che un attore
del mercato che riscontra successo risponde ai biso­
gni dei consumatori sulla base della personalizzazio­
ne del confort. Le tre sfide centrali che sono «Big
Data», l’integrazione orizzontale e l’integrazione
verticale, possono servire come ostacolo per l’attua­
zione mirata di questa strategia.
Cloud computing e aziende dei media
Evidentemente, le aziende dei media possono/
devono anche beneficiare di servizi cloud, come
pure i clienti. Nonostante le loro dimensioni e
l'orien­tamento, le offerte nei settori SaaS, PaaS
e IaaS (se non ancora fatto) devono essere valutate
nel più breve tempo possibile!
Con pochi click, possiamo costatare che molte
aziende dei media svizzeri hanno familiarità con
l'utilizzo di servizi tramite le applicazioni cloud
computing. Instagram, Twitter e Facebook fanno
parte del pacchetto standard, malgrado siano spesso
poco visibili. È tuttavia interessante notare come
l’offerta d’informazione in generale sia un po’ limita­
ta. Gli interessati hanno l'impressione che si tratti
piuttosto di una piattaforma d’informazione com­
plementare. Chiunque abbia familiarità con accesso
a internet non ha la certezza di poter trovare tutte le
informazioni. Questo è però fondamentale perché se
l'incentivo è moderato, c'è poca voglia di conoscere
queste offerte. Ma il cloud computing ha molto più
potenziale. Va notato che la relativamente facile
disponibilità di molti obiettivi è ancora poco utiliz­
zata. Si deve sapere che la visibilità e il numero di
«mi piace» possono essere acquistati per alcuni ser­
vizi, che non è sorprendente.
Le aziende dei media che dispongono di archivi
d’informazione posso ad esempio fornire dei conte­
nuti a un costo ragionevole su cloud e disporli a un
pubblico più ampio. Probabilmente in questo caso
bisognerà utilizzare comunque un motore di ricerca,
ma ciò non rappresenta un ostacolo. L’offerta di
servizi di ricerca per la raccolta dei dati è importante
su cloud.
Nuove idee d’azienda possono venir messe in atto
su cloud molto più rapidamente rispetto al passato,
con la propria infrastruttura. Ma più rapido non
significa peggio, al contrario. Per questo, i costi ope­
rativi sono piuttosto bassi. Se l’idea di azienda è
coronata dal successo, la capacità supplementare
richiesta è disponibile in opzione con alcuni clic.
Contrariamente, se l’idea di azienda non riscontra
l’approvazione del pubblico, tutti i servizi su cloud
possono venir annullati e bloccati in breve tempo.
In questo modo, grazie a dei servizi cloud a partire
da un magazzino online fino a delle diffusioni in
continuo di video, dei progetti possono rapidamente
venir realizzati e testati realmente. Le infra­
strutture delle tecnologie dell’informazione, che
sono complicate e onerose all’acquisto e allo sfrutta­
mento, appartengono al passato. Il futuro delle tec­
nologie dell’informazione si operano d’ora in poi con
tutta sicurezza nel cloud.
Futuro della stampa elettronica
La stampa elettronica è già utilizzata in numerosi
prodotti e molto spesso la produzione tecnica della
stampa non è evidente. Le industrie esigenti, come
quelle dell’automobile, i prodotti farmaceutici e per
la salute, sfruttano dei prodotti stampati elettronici
di massa con successo. Gli sviluppi a medio e lungo
termine conducono a dei prodotti migliorati e più
concorrenziali come in altri ambiti. Le cooperazioni
con gli sviluppatori facilitano l’accesso alla stampa
commerciale e d’imballaggio nell’elettronica stam­
pata, riducendo il rischio.
Le opportunità di Big Data
Big Data trasformerà l’industria grafica perché
modificherà il mercato. Le aziende del settore della
stampa dovranno porsi differenti domande: l’espan­
sione della zona di business è un’opzione? Rischia­
mo di perdere il nostro valore aggiunto nell’ambito
della conoscenza del mercato e dei clienti per Big
Data e quindi d’essere inghiottiti dai grandi fornito­
ri? I nuovi servizi costituiscono un’opzione per i
clien­t i finali? È saggio proporre delle competenze
nella comunicazione visiva? Poi, quale grande
azien­da: possiamo ottimizzare il controllo delle
istallazioni con Big Data? Dove Big Data è utilizzato
dove sono proposti dei servizi di visualizzazione,
non vi è quasi mai solo Big Data in primo piano,
quindi i critici si pongono le domande giuste
sull’azienda, per sé o per i propri clienti. Con l’utiliz­
zo di Big Data non esistono praticamente dei dati e
degli algoritmi –competenze adeguate possono
venir acquistate- ma le innovazioni più creative nel
proprio campo di attività. Big Data è assolutamente
possibile, ma il suo uso nella pratica non è scontato.
La buona combinazione di strumenti
Nella pianificazione strategica, l’interazione degli
strumenti di marketing è definita. Come per un’or­
chestra, gli strumenti devono essere accordati. La
miscela dev’essere omogenea, deve agire armonio­
samente e, come ad esempio in un gruppo musicale, i
tamburi non devono schiacciare gli altri strumenti.
Nel marketing, utilizziamo la formula della 4P: pro­
dotto, prezzo, promozione e distribuzione. Per il mar­
keting dei servizi, che è quello che riguarda la mag­
gior parte delle tipografie, aggiungiamo 3P alla
formula: «people», «physical evidence» e «process».
(Nota del traduttore: le 4 prime P servono al marke­
ting esterno, la quinta riguarda quello interno e le
ultime due servono al marketing interattivo).
Le a­ziende che riescono avranno bisogno in futuro
di un «sistema di marketing» sofisticato, che sia
mirato ai loro clienti e con una varietà di offerte e
strumenti specifici per la vendita. «Non possiamo
sempre offrire la soluzione meno cara, ma possiamo
mettere a disposizione dei nostri clienti la miglior
soluzione disponibile per i bisogni specifici.
È proprio qui che siamo in grado di sfruttare i nostri
punti di forza», tratto da una citazione apparsa nella
rivista viscom p&c n. 15/16, nell’agosto 2016.
Catena di approvvigionamento per
il fornitore di prodotti stampati
Conseguentemente alla concorrenza, il fornitore di
prodotti stampati deve lottare per una gestione effi­
cace della catena di approvvigionamento. Automa­
tizzata, basata sulle consegne di materiali di produ­
zione e l’acquisto di servizi logistici conformi alla
pianificazione della produzione, questa gestione
assicura una produzione rapita e redditizia, riduce
lo stoccaggio di materie e allevia l’amministrazione
legata alla produzione. Tramite lo stretto collega­
mento in rete tra i fornitori, le aziende di produzione
partner e le aziende di logistica, sono auspicati
aumenti di efficienza e ottimizzazioni dei costi.
I prodotti devono essere completamente standardiz­
zati e automatizzati con il flusso di lavoro, quando
compare il cliente «molto flessibile» e variabile. Tale
requisito deve essere assolutamente risolto nel rela­
tivo portafoglio.
Le prossime sfide da superare
In uno studio sulle sfide future per il mondo del lavo­
ro, Eichhorst e Buhlmann (2015) schizzano quattro
forze motrici che influenzano il cambiamento. Que­
ste quattro forze sono il progresso tecnologico,
la mondializzazione, l’evoluzione demografica e il
cambiamento istituzionale. Riguardo al progresso
tecnico, esso comprende la digitalizzazione e la mes­
sa in rete del mondo del lavoro tramite internet, ol­­
tre all’utilizzo della robotica e dell’intelligenza arti­
ficiale. Questi cambiamenti sono anche conosciuti
sotto il nome di industria 4.0 e internet degli ogget­
ti. L’industria grafica riprende questi temi a suo
favore sotto lo slogan Print 4.0, che è stato ampia­
mente propagandato durante Drupa 2016, suo con­
cetto per l’automatizzazione. L’impatto del progres­
so tecnico sull’impiego non è tuttavia chiaro, visto
che l’automatizzazione dei posti di lavoro è a volte
una sostituzione e un complemento. Per i tecnologi
di stampa Frey e Osbonre (2013) hanno formulato
una probabilità di automatizzazione dell’83%. Tut­
tavia, tali dichiarazioni devono essere considerate
con una certa distanza. Secondo differenti fabbri­
canti di macchine da stampa, l’automatizzazione è
già ben avanzata. Tuttavia, bisogna generalmente
supporre che le esigenze di qualificazione sono cre­
scenti per i professionisti. La mondializzazione è
accompagnata dal progresso tecnico e continua a
crescere la pressione concorrenziale sulle aziende
dell’industria grafica. Il dialogo con i partner e i for­
nitori stranieri, ma anche con i clienti, aumenta. Il
cambiamento demografico come la terza forza trai­
nante descrive una tendenza inversa. Da una parte,
la manodopera nazionale si riduce a causa dei tassi
di natalità e di anzianità della manodopera attuale.
D’altra parte, un potenziale di lavoratori quali le
donne, i migranti e le persone anziane, sono sempre
più reclutati. Se non riusciamo a mobilitare persona­
le sufficiente, la carenza di lavoratori qualificati si
intensificherà nel settore della grafica. La trasfor­
135
136
mazione delle condizioni quadro istituzionali come
quarta forza motrice si caratterizza per l'occupazio­
ne delle donne e dei lavoratori anziani. Qui le parole
chiave sono lo sviluppo dei servizi di accompagna­
mento dei bambini, ecc. Con delle condizioni di lavo­
ro flessibile, le aziende offrono anche incentivi ai
potenziali lavoratori.
Innovazione dei modelli economici
L’industria grafica in Svizzera è attualmente in pie­
na mutazione. La pressione sui prezzi della nuova
concorrenza straniera, la continua forza del franco e
il cambiamento nel comportamento dei consumatori
mettono sotto forte pressione i modelli economici
esistenti, ciò che spiega la necessità di innovazioni
alfine di assicurare il successo a lungo termine. Ma
ciò che è importante è avere una visione olistica
dell’innovazione – dall’idea fino al successo sul mer­
cato- e di ripensare, lontano dalla ricerca e dallo svi­
luppo, alla ricerca e all’innovazione.
Il pensiero nei modelli d’affari favorisce una visione
olistica dell’innovazione tenendo conto dei quattro
aspetti fondamentali di tutto il modello economico: i
clienti, le proposte di valore, la catena del valore
aggiunto e il meccanismo delle ricette. Ciò aiuta
le aziende a evitare l’enfasi sui mercati di nicchia
spesso legati alle tecnologie più sofisticate. Metten­
do la questione della logica del settore esistente e il
confronto del proprio modello d’affari con degli
esempi di modelli economici di altri settori, le azien­
de possono generare delle idee per dei nuovi modelli
commerciali e procurarsi un’opportunità di rompere
il pensiero con dei modelli esistenti. L’articolo pub­
blicato nello studio delle prospettive mostra le pos­
sibilità che possono apportare l’innovazione dei
modelli economici per l’industria grafica svizzera.
Prima di tutto, il concetto del modello d’affari e la
metodologia del «St. Galler Business Model Naviga­
tor™» è descritto in modo teorico e dev’essere spie­
gato. Poi il successo del CEWE illustra le possibilità
che l’innovamento dei modelli economici può porta­
re alle aziende dell’industria grafica.
Sondaggio clienti tra presente
e futuro per la stampa
—
Rudolf Lisibach
Obiettivo, sondaggio e valutazione
Obiettivo
Gli affiliati viscom – e altri enti interessati – devono ottenere delle informazioni
d’orientamento e delle idee dirette per quanto concerne la situazione attuale e lo sviluppo
futuro del settore della «stampa».
Sondaggio e valutazione
•Il segmento «responsabili per la comunicazione e del marketing» è stato coinvolto per
questo sondaggio.
•Sono state poste, in primo luogo, domande circa la situazione attuale e, in secondo luo­
go, è stato chiesto agli intervistati di emettere valutazioni dello sviluppo in futuro.
• In totale sono state poste 13 domande sui principali temi seguenti:
– Importanza dei budget di comunicazione
– Ripartizione dei budget di comunicazione sui media in generale
– Evoluzione della domanda nei prodotti stampati
– Contatti con le tipografie
– Prestazioni vicine al settore «stampa» che aumentano di importanza
– Criteri di decisione per la scelta di una tipografia
– Produzione dei documenti di stampa
– Approviggionamento di prodotti stampati
– Collaborazione con le tipografie
• Il sondaggio elettronico è stato svolto durante l’estate 2016.
• Promotore del sondaggio era viscom.
•Hanno partecipato i responsabili per la comunicazione e marketing
di 76 aziende svizzere.
•Le risposte sono state raccolte in forma anonima e nessun collegamento
è possibile con le singole aziende.
•I budget di comunicazione dei clienti che hanno partecipato al sondaggio
sono relativamente alti e il fabbisogno di stampati può essere diverso da quello
di altri gruppi target.
137
138
Sintesi
Importanza dei budget di comunicazione
• I budget di comunicazione aumentano di circa il 3% all’anno.
Ripartizione dei budget di comunicazione sui media generali
•La quota per la comunicazione «inerente alla stampa» sul budget globale dei clienti,
si attesta attualmente al 53%. Nel corso dei prossimi 5 anni, dovremo contare su una
diminuzione al 47%. Allo stesso tempo il «budget online» crescerà dal 16% al 26%.
Evoluzione della domanda di prodotti stampati
• Sono in aumento per il settore «stampa»:
– Inserti pubblicitari nei giornali e riviste
– Direct mailing (stampati)
– Giornali e periodici aziendali rivolti alla clientela («Corporate Publishing»)
– Imballaggi
– Libri
• Stabili per il settore «stampa»:
– Materiali POS (manifesti, sospesi, display)
•
Sono in calo nel settore «stampa»:
– Annunci nei giornali e riviste
– Manifesti
– Prospetti, opuscoli, volantini
– Cataloghi
– Prospetti presentazione aziendale
– Rapporti annuali
Contatti con le tipografie
•82% delle persone interrogate mantengono un contatto diretto con le tipografie.
Nei prossimi 5 anni la percentuale sarà ancora del 78%. Internet quale canale
di acquisto per i prodotti stampati acquisisce sempre più importanza. La quota
di coloro che utilizzeranno questo canale crescerà dal 9% al 13%.
Prestazioni che stanno guadagnando d’importanza
per il settore «stampa»
•Oltre alla stampa, le prestazioni supplementari richieste sono soprattutto nell’ambito
prestampa, trattamento delle immagini, correzione, spedizione, logistica, trasporto,
consulenza e progettazione.
•La richiesta sarà nettamente inferiore per le offerte concernenti la consulenza
crossmediale, sistemi di pubblicazioni, la produzione di film/video, ma anche servizi
nel campo dei siti internet e di accesso a internet.
Criteri di decisione per la scelta di una tipografia
• I l rispetto dei termini di consegna e i prezzi sono in testa alle priorità per la scelta
di una tipografia. L’attenzione si sposta anche sulla scelta di un partner che realmente
sia specializzato sulla funzione centrale della «stampa». Sono inoltre importanti –
ma meno pronunciati – la consulenza, la relazione personale oppure il label «printed in
switzerland».
•Per quanto concerne le questioni ambientali, la capacità di un’azienda di produrre
in modo neutrale ha un valore maggiore rispetto a un sistema di gestione ambientale
certificato.
•Il rispetto del CCL oppure l’impegno nella formazione professionale e il perfezionamen­
to sono meno pertinenti per la decisione.
•I clienti si aspettano da parte delle tipografie anche delle competenze in marketing,
comunicazione aziendale o anche nel settore online e mobile.
Produzione dei documenti di stampa
• Nella maggior parte dei casi, questi documenti sono realizzati dai clienti o da agenzie.
•La quota di clienti che affidano la realizzazione di questi documenti alla tipografia
è del 21%.
Approvvigionamento di prodotti stampati
•La maggior parte dei prodotti stampati vengono acquistati nelle vicinanze,
rispettivamente in Svizzera. Il 27% dei clienti acquista i propri prodotti all’estero,
di cui il 24% nei paesi limitrofi.
Collaborazione con le tipografie
•Solamente l’8% dei clienti aacquista i propri prodotti stampati da un unico fornitore.
Per contro, un cliente su quattro collabora con più di cinque tipografie.
139
140
I budget di comunicazione
aumentano
—
Importanza dei budget di comunicazione
quanto ammonta il vostro budget
per la comunicazione e il marketing?
Attualmente
Tra 5 anni
Oltre i 25 Mio. di franchi
 3%
 4%
tra i 10 e i 25 Mio. di franchi
11%
14%
tra i 5 e i 10 Mio. di franchi
17%
20%
tra i 2,5 e i 5 Mio. di franchi
18%
20%
tra 1 e i 2,5 Mio. di franchi
37%
32%
tra 0,5 e 1 Mio. di franchi
  9%
 4%
tra 0,1 e 0.5 Mio. di franchi
  4%
 7%
Meno di 0,1 Mio. di franchi
  1%
 1%
Totale
100%
100%
Esempio di lettura: 3% dei clienti dispongono di un budget di comunicazione superiore a 25mio. di franchi.
Nei prossimi 5 anni sarà il 4%.
– 37% dei clienti dispongono di un budget da 1mio a 2,5mio di franchi.
– 3% attribuiscono più di CHF 25mio. per la comunicazione
e il marketing.
– L’andamento riflette i budget più importanti per i prossimi anni.
Assegnazione di un calo per
il canale «stampa» – Crescita
per la comunicazione online
—
Ripartizione dei budget di comunicazione sui media in generale
Com’è ripartito il budget all’interno dei differenti
mezzi di comunicazione?
Attualmente
Tra 5 anni
Prodotti stampati
19%
12%
Pubblicità esterna
  8%
  7%
Pubblicità diretta
10%
10%
Promozione vendita
12%
12%
PR
4%
  5%
Totale canali «relativi alla stampa»
53%
47%
Televisione, radio, cinema
15%
12%
Pubblicità online (incl. Mobile, Web, Apps, Social)
16%
26%
Sponsoring, manifestazioni, fiere
16%
14%
Altro
  1%
  2%
Totale canali «non inerenti alla stampa»
47%
53%
Esempio di lettura: 19% del budget per la comunicazione è attribuito ai media stampati. Tra 5 anni sarà solamente il 12%.
– Le attribuzioni ai media «relativi alla stampa» diminuiscono
in generale e passeranno sotto la soglia del 50%.
– Mentre il calo della carta stampata è evidente, la pubblicità
diretta e il supporto alla vendita diventano sempre più importanti.
– Fra 5 anni più di un franco su quattro nella comunicazione
sarà investito nei media online.
141
142
Meno annunci, manifesti
e prospetti – In aumento inserti
pubblicitari, direct mailing,
giornali e periodici aziendali
—
Evoluzione della domanda di prodotti stampati – 1
Come si modificherà la richiesta nei canali di comunicazione
«relativi alla stampa» nei prossimi 5 anni?
Tendenza
tra 5 anni
Media stampati
Annunci nei giornali e periodici
Inserti pubblicitari nei giornali e periodici
➘
➚
Pubblicità esterna
Manifesti stampati
e-Boards, adScreens
➘
➚
Pubblicità diretta
Prospetti, brossure
Direct Mailing (stampati)
Volantini
Giornali e periodici per la clientela
Esempio di lettura: In futuro, la domanda per gli annunci stampati diminuirà in modo tangibile,
mentre gli inserti pubblicitari aumenteranno.
➘
➚
➘
➚
143
Più imballaggi, così come
pure materiali per POS –
Meno cataloghi, prospetti
aziendali e rapporti annuali
—
Evoluzione della domanda di prodotti stampati – 2
Come si modificherà la richiesta nei canali di comunicazione
«relativi alla stampa» nei prossimi 5 anni?
Tendenza
tra 5 anni
Promozione vendita
Cataloghi
Materiali nei POS (Manifesti, sospesi, espositori)
Imballaggi
➘
➙
➚
Pubbliche relazioni
Libri
Prospetti aziendali
Rapporti annuali
Esempio di lettura: In futuro, la domanda di cataloghi stampati diminuirà in modo tendenziale, mentre i materiali
per i POS manterranno la loro quota di mercato.
➚
➘
➘
144
La maggior parte dei clienti
mantiene un contatto diretto
con le tipografie – Internet come
canale di acquisti guadagna
sempre più importanza
—
Contatto con le tipografie
La produzione di questi supporti alla comunicazione
viene effettuata in molti casi presso una tipografia.
Come sono i contatti con le tipografie?
Attualmente
Tra 5 anni
Esiste un contatto diretto tra il reparto marketing
e la tipografia
82%
78%
L’approvvigionamento di prodotti stampati viene
svolto tramite l’ufficio acquisti
37%
37%
La nostra agenzia pubblicitaria si occupa del contatto
con la tipografia
25%
26%
Un altro tipo di agenzia si occupa del contatto con
la tipografia
11%
11%
Un agente specializzato (broker) si occupa del contatto
con la tipografia
  4%
 3%
I prodotti stampati sono acquistati direttamente in internet
  9%
13%
Esempio di lettura: 82% dei clienti intrattiene un contatto diretto con la tipografia. Tra 5 anni saranno ancora il 78%.
– Oltre l’80% dei clienti intrattiene un contatto diretto con la tipografia.
Nei prossimi 5 anni questa percentuale si ridurrà, ma rimarrà ancora
al 78%.
– 73% dei clienti si forniscono per i loro servizi d’acquisto tramite
le agenzie pubblicitarie oppure altri tipi di agenzie.
– L’importanza di internet come canale per gli acquisti aumenterà
nei prossimi anni.
– Agenti specializzati giocano un ruolo marginale che andrà a diminuire
ulteriormente d’importanza.
145
Richiesta soddisfacente
per le prestazioni «classiche»
—
Prestazioni che stanno guadagnando d’importanza per il settore «stampa» – 1
Quali servizi aggiuntivi richiedete alla
vostra tipografia?
Attualmente
Prestampa
67%
Spedizione, logistica e trasporto
53%
Consulenza e progettazione
37%
Trattamento immagine
34%
Gestione del magazzino
18%
Design, creazione, messa in pagina
18%
Correzione
16%
Soluzione di banca dati
12%
Tra 5 anni
➚
➚
➚
➘
➘
➘
➘
➘
Esempio di lettura: 67% dei clienti sollecita delle prestazioni nella prestampa: anche in futuro la richiesta di tali prestazioni
aumenterà tendenzialmente (freccia verde). 34% dei clienti sollecita delle prestazioni nell’ambito di trattamento immagine; in
futuro questa richiesta diminuirà (freccia rossa).
– 67% dei clienti richiede alle tipografie delle prestazioni di prestampa.
– Una buona richiesta è anche in ambito della spedizione, della logistica
e trasporti; più di un cliente su due richiede questo servizio.
– Consulenza e progettazione sono servizi apprezzati da oltre un terzo
dei clienti.
146
Richiesta in diminuzione
di prestazioni supplementari
«digitali»
—
Prestazioni che stanno guadagnando d’importanza per il settore «stampa» – 2
Quali servizi aggiuntivi richiedete
alla vostra tipografia?
Attualmente
Consulenza crossmediale
 7%
Sistemi di pubblicazioni tecniche
 5%
Produzione film/video
 4%
Prodotti 3D
 4%
Servizi redazionali
 4%
Gestione indirizzi
 4%
Website, Intenet
 3%
Allestimento POS
 1%
Nessuna informazione
15%
TTra 5 anni
➚
➘
➘
➘
➘
➘
➘
➘
➘
Esempio di lettura: 7% dei clienti sollecita consigli in ambito crossmediale. In futuro questa richiesta aumenterà
in modo tendenziale (freccia verde).
– Solo una piccola parte dei clienti richiede servizi digitali (3% a 7%).
– Inoltre, l’utilizzo di questi servizi aggiuntivi diminuiranno in futuro.
147
Termine di consegna
e il prezzo sono i criteri di
decisione dominanti
—
Criteri di decisione per la scelta di una tipografia – 1
Quali sono per voi i principali criteri di decisione
per la scelta di una tipografia?
Attualmente
Rispetto termini di consegna
84%
Prezzi
84%
Specializzata per la stampa personalizzata
51%
Competenza nella consulenza
50%
Relazione personale
49%
printed in switzerland
47%
Vicinanza geografica
38%
Certificazione FSC
38%
Stampa in modo neutrale
29%
Fornitore globale per la stampa
26%
Tra 5 anni
➚
➚
➚
➚
➚
➚
➚
➚
➚
➚
Esempio di lettura: Il rispetto del termine di consegna è un criterio fondamentale di decisione per l’84% dei clienti.
Per il futuro, l’importanza di questo criterio aumenterà tendenzialmente (freccia verde).
– Termine di consegna e il prezzo sono i criteri essenziali per la scelta
della tipografia.
– La competenza per la consulenza è un criterio di decisione per
la metà dei clienti; il 50% sceglie il partner in base alla specializzazione
della stampa.
– «Printed in Switzerland» diventa sempre più importante.
– Un cliente su quattro desidera un fornitore globale per la stampa.
148
Le competenze delle tipografie in
ambito del marketing, online e di
comunicazione aziendale non sono
decisive per la scelta del cliente
—
Criteri di decisione per la scelta di una tipografia - 2
Quali sono per voi i principali criteri di decisione
per la scelta di una tipografia?
Attualmente
Sistema di gestione ambientale ISO 14001
 21%
Sistema di qualità ISO 9001ss
 18%
Rispetto del CCL
 15%
Impegno per la formazione professionale e perfezionamento
 12%
Formazione di apprendisti
  9%
Competenza nel marketing
  8%
Competenza Online, internet, mobile
  7%
PSO-Standard
  4%
Competenza per la comunicazione aziendale
  3%
Tra 5 anni
➘
➘
➘
➘
➘
➘
➘
➘
➘
Esempio di lettura: un sistema di gestione ambientale è un criterio di decisione per il 21% dei clienti. In futuro l’importanza di
questo criterio diminuirà tendenzialmente (freccia rossa).
– La stampa in modo neutrale per il clima è più importante di un
sistema di gestione ambientale certificato.
– Il rispetto del CCL, l’impegno nella formazione professionale
e nel perfezionamento, giocano un ruolo marginale nella scelta
di una tipografia.
– Come pure solo una piccola parte dei clienti si aspetta che le
tipografie abbiano esperienza nel marketing, nella comunicazione
e nel settore online e mobile.
Le tipografie non giocano un
ruolo dominante nella produzione
dei documenti di stampa
—
Produzione dei documenti di stampa
Chi elabora i documenti per la stampa per
i vostri prodotti stampati?
Attualmente
La nostra agenzia pubblicitaria
 63%
Realizziamo noi stessi i documenti per la stampa
 61%
Un grafico realizza i documenti di stampa
 46%
Questo lavoro è realizzato dalla nostra tipografia
 21%
Tra 5 anni
➚
➚
➚
➘
Esempio di lettura: 61% dei clienti realizzano loro stessi i documenti per la stampa. In futuro questa percentuale
aumenterà tendenzialmente (freccia verde). Il 21% dei clienti lasciano realizzare i documenti direttamente alla tipografia
e in futuro questa percentuale diminuirà in modo tendenziale (freccia rossa) .
– Oltre il 60% dei clienti realizzano loro stessi i propri documenti
per la stampa. Le agenzie con servizi prestampa sono sollecitate da
un’analoga percentuale.
– Un cliente su cinque lascia realizzare i propri documenti di stampa
presso la tipografia. Tale quota diminuirà tendenzialmente in futuro.
149
150
Approvvigionamento maggiore
in Svizzera – Ma un cliente su
quattro acquista all’estero
—
Approvvigionamento di prodotti stampati
Dove acquistate i vostri prodotti stampati?
Attualmente
Presso una tipografia della zona
 74%
Presso una tipografia in Svizzera
 63%
Presso una tipografia nelle nazioni limitrofe
 24%
Presso una tipografia estera
  3%
TTra 5 anni
➚
➚
➘
➘
Esempio di lettura: 74% dei clienti acquista i propri prodotti stampati nelle vicinanze. Tale quota aumenterà
tendenzialmente in futuro (freccia verde). IL 24% dei clienti stampa nei paesi stranieri limitrofi. In futuro tale quota diminuisce
tendenzialmente (freccia rossa).
– La maggioranza dei clienti acquista nelle vicinanze oppure in Svizzera.
Tale quota aumenterà in futuro.
– Più di un cliente su quattro acquista i propri prodotti stampati presso i
paesi stranieri limitrofi. Questa quota diminuirà in futuro.
La maggior parte dei
clienti collaborano con due
o più tipografie.
—
Collaborazione con le tipografie
Con quante tipografie lavorate?
Attualmente
Tra le due e le 5 tipografie
 67%
Con più di cinque tipografie
 25%
Con una sola tipografia
  8%
Tra 5 anni
➚
➘
➘
Esempio di lettura: 8% dei clienti lavora con una sola tipografia. In futuro questa percentuale diminuirà tendenzialmente
(freccia rossa).67% dei clienti lavora con 2 fino a 5 tipografie. In futuro questa percentuale aumenterà tendenzialmente
(freccia verde).
– 8% dei clienti collabora esclusivamente con una sola tipografia.
– Due clienti su tre collabora con due o più tipografie.
– 25% dei clienti ha delle relazioni con più di cinque partner di stampa.
– In futuro è tendenzialmente prevedibile una concentrazione
tra 2 e 5 fornitori.
151
152
Citazioni originali dei clienti (estratto)
—
– «Termine di consegna, disponibilità, trasparenza sono
importantissimi».
– «Sono del parere che il prodotto stampato vivrà ancora a lungo
e che noi stamperemo sempre (lo dico come responsabile marketing
di un portale online immobiliare)».
– «La tendenza generale è verso la comunicazione online, tuttavia
tutti gli strumenti di marketing non sono appropriati per questo
canale. Sarà sempre richiesto alle tipografie di offrire dei prodotti
e dei servizi ad alto valore aggiunto».
– «Vedo una grande sfida per la misurazione dell’impatto dei
prodotti stampati, per il fatto che sono difficili da misurare al
contrario delle pubblicità online».
– «Saranno sempre più decisivi per il luogo di produzione in Svizzera
la competitività e la differenziazione. Una cattiva consulenza,
un servizio arrogante per l’allestimento di piccoli ordini, porterà
a ridurre i prezzi».
– «La decisione per la scelta di una tipografia dipende da tanti criteri.
Primo su tutti il contatto personale molto più importante del prezzo».
– «Sarà sempre più difficile avere dei prodotti stampati …».
– «L’investimento per i prodotti stampati, sarà sicuramente inferiore
fra 5 anni».
– «I prodotti stampati saranno per noi sempre meno importanti».
– «La qualità avrà un ruolo decisivo anche in futuro».
– «Molti potranno abbassare i prezzi, ma pochi potranno offrire
un’ottima qualità».
– «La competenza nella consulenza, il rispetto dei termini di consegna
e la fiducia costituiscono le fondamenta di una collaborazione
a lungo termine».
– «Ordini di stampa sono generalmente in declino a causa della
crescente digitalizzazione».
– «Penso che i media stampati resteranno uno strumento importante
di marketing, concepiti a dipendenza del target di riferimento».
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