Zukunftsstudie 2026 Zukunftsstudie 2026 5 Ein Leitfaden, aber kein Rezeptbuch Peter Edelmann, Präsident viscom 6Branchenstrukturanalyse Dr. Thomas Gsponer, Direktor viscom 10 Die künftige Rolle von Print in der Kommunikation 16 Veränderungen in der Unternehmenskommunikation 22 Die Dynamik des technologischen Fortschritts, Fokus Digitalisierung 30 Individualisierte Massenfertigung in der Printindustrie – Es geht! 36 Privat-, Public- und Hybrid-Cloud – Fluch oder Segen? 42 Die Zukunft mit Printed Electronics 48 Big Data als Chance für die Druckindustrie 56 Marketing als Chance für Printunternehmen 66 Geschäftsfeldentwicklungen für Drucksachendienstleister Logistik, Supply Chain 68 Technologische Herausforderungen und die Globalisierung 74 Geschäftsmodellinnovation als Chance für die grafische Industrie 80 Produkte und Dienstleistungen 2026: Experten-Umfrage 92 Professor Dr. Christian Pieter Hoffmann, Universität Leipzig Professor Ruedi Alexander Müller-Beyeler, Fachhochschule Chur Paul Fischer, Chefredaktor viscom p+c Dr. Eduard Neufeld, Geschäftsführer Fogra Professor Andreas Sidler, Fachhochschule Yverdon Professor Dr. Ulrich Moosheimer, Technische Hochschule München Professor Dr. Reinhard Riedl, Fachhochschule Bern Professor Martin Blatter, Hochschule Westschweiz Thomas Wiederkehr, Geschäftsführer IE Graphic Engineering Beat Kneubühler, Vizedirektor viscom Florian Hohmann, Universität St. Gallen Professor Dr. Christian Pieter Hoffmann, Universität Leipzig, Peter Edelmann, Präsident viscom, Professor Ruedi Alexander Müller-Beyeler, Fachhochschule Chur, Stefano Gazzaniga, Vizedirektor viscom Kundenbefragung Gegenwart und Zukunft Print Rudolf Lisibach Zukunftsstudie 2026 Ein Leitfaden, aber kein Rezeptbuch — Peter Edelmann Es gehört zum Wesen von uns Menschen, dass wir uns mit der Zukunft befassen. Dabei tun wir gut daran, nicht zu vergessen, dass Vorhersagen die lästige Eigenschaft haben, nur selten exakt einzutreffen. Alleine die Dynamik des Fortschritts macht es unmöglich, die Zukunft weiter als ein Jahrzehnt vorherzusagen. Umgekehrt ist es für uns aber auch schlicht unmöglich, Unvorhersehbares vorherzu­ sehen. Oder haben Sie um die Jahrtausendwende etwa damit gerechnet, dass 2016 jeder vierte Mensch auf dieser Erde soziale Netzwerke nutzt? Und hätten Sie es damals für möglich gehalten, dass Sie Ihr mobiles Telefon dereinst nicht nur für Ferngespräche nutzen würden, sondern abseits Ihres Büros auch für das Herunterladen von Daten aus fremden Computern? Wenn man überhaupt etwas mit Gewissheit über die Zukunft sagen kann, dann nur, dass sie uns überraschen wird. Macht unter dieser Prämisse eine Zukunftsstudie über die grafische Industrie der Schweiz überhaupt Sinn? Warum leistet sich viscom diesen Aufwand? Die Zukunft unserer Branche wird durch wesentliche Faktoren geprägt: Einerseits wird uns die Strukturkrise weiter beschäftigen und andererseits fordern uns die vierte industrielle Revolution sowie andere sozioökonomische und demografische Einflüsse in den kommenden Jahren stark heraus. In diesen turbulenten Zeiten sehen wir es als Aufgabe des Verbandes an, unseren Mitgliedern eine Orientierungshilfe zu bieten. Wir haben deshalb namhafte Persönlichkeiten aus den Disziplinen Marketing, Technolo­ gie und Wissenschaft beauftragt, sich mit der Zukunft unserer Branche auseinander­ zusetzen. Das Ergebnis ist die vorliegende Zukunftsstudie. Sie ist kein Rezeptbuch, sondern sie ist als Leitfaden für Anregungen zur Zukunftsbewältigung zu verstehen. Entscheidend ist und bleibt, dass sich die Unternehmen nicht durch die Zukunft überraschen lassen, sondern den Mut aufbringen, selber Neues auszuprobieren. Dies im Bewusstsein, dass es Fortschritt und Innovation – die letztlich massgebenden Garanten für nachhaltigen Erfolg – nur zum Preis einer mehr oder weniger grossen Unvorhersehbarkeit gibt. Ich wünsche Ihnen eine inspirierende Lektüre! Peter Edelmann 5 6 Branchenstrukturanalyse — Thomas Gsponer Vorbemerkungen Seit dem Jahrtausendwechsel ist die reale Wert­ schöpfung der grafischen Industrie in der Schweiz um 30 Prozent gesunken und seit dem Jahr 2011 weist die Branche jedes Jahr negative Wachstums­ zahlen in der Grössenordnung zwischen -0,5 und 7,5 Prozent aus (vgl. Abbildung 1). Diese Negativ­ entwicklung widerspiegelt sich in einem Rückgang der Beschäftigung und einer rasanten Abnahme der in der Branche tätigen Unternehmen. schen Industrie. Hierbei handelt es sich um eine Momentaufnahme, die allerdings die Wettbewerbs­ dynamik und die mit ihr verbundenen Veränderun­ gen modellbedingt nur unscharf erfassen wird. Das Fünf-Kräfte-Modell als Basis für eine Bran­ chenstrukturanalyse stellt die Marktstruktur in den Mittelpunkt und geht von der Annahme aus, dass die Attraktivität einer Branche durch die Ausprägung der nachfolgenden fünf Wettbewerbs­ kräfte bestimmt wird: Die Branche leidet im Vergleich zum Ausland unter komparativen Kostennachteilen, die den Werkplatz Schweiz allgemein gefährden, und zollt zugleich Tribut für eine rasant fortschreitende Strukturkri­ se, die die gesamte europäische Druckindustrie erfasst hat. Die technologische Revolution in der Kommunikationsindustrie hat das Medienkonsum­ verhalten fundamental verändert und drängt die grafische Industrie mit ihren Produkten und Dienst­ leistungen in eine neue Rolle. Printprodukte werden crossmedial eingesetzt und müssen im Schweizer Markt zugleich hohen Qualitätsansprüchen ent­ sprechen. Schweizer Printbuyer beschaffen Druck­ erzeugnisse auf einem offenen, auch internationa­ len Markt mit einem sinkenden Preisniveau. – R ivalität unter den bestehenden Wettbewerbern innerhalb einer Branche – Bedrohung durch neue Anbieter – Verhandlungsstärke der Lieferanten – Verhandlungsstärke der Abnehmer – Bedrohung durch Ersatzprodukte Der internationale Preiswettbewerb prägt den Schweizer Printmarkt und fordert von den Unter­ nehmen eine hohe Innovations- und Investitions­ fähigkeit. Das bei Schweizer Unternehmen stark ausgeprägte Technologiebewusstsein verbunden mit einer grossen technischen Fachkompetenz auf der Ebene der Mitarbeitenden dürfte sich im Sog einer zunehmenden Digitalisierung und Automa­ tisierung der Druckindustrie als Marktchance für die Schweizer Unternehmen erweisen. Allerdings ist die Branche bei einem tendenziell sinkenden Marktvolumen für Printprodukte auf noch attrakti­ vere wirtschaftliche Rahmenbedingungen und ein zusätzliches Produktivitätswachstum angewiesen. Wettbewerbssituation In der Schweiz ist der Markt der grafischen Indus­ trie gekennzeichnet durch einen intensiven Wett­ bewerb. In der Branche sind rund 1000 Unterneh­ men tätig (vgl. Abbildung 2), die über ähnliche Produktionsmittel verfügen und mit vergleichbaren Produkten und Dienstleistungen auf dem Markt auftreten. Seit Jahren weist die Branche ein Nega­ tivwachstum auf, was den Wettbewerbsdruck unter den Anbietern stetig ansteigen lässt. Investitionen in neue, leistungsfähige Produktionsmittel bedin­ gen zusätzliche Produktionskapazitäten und för­ dern den Preiswettbewerb bei einem sinkenden Marktvolumen. Auf Grund der hohen Branchenka­ pitalisierung bestehen relativ hohe Marktaustritts­ barrieren, was den Konkurrenzkampf unter den bestehenden Wettbewerbern permanent antreibt. Fünf-Kräfte-Modell gemäss Porter Das Fünf-Kräfte-Modell von Porter dient nachfol­ gend als methodische Grundlage zur Bewertung der Wettbewerbsfähigkeit der schweizerischen grafi­ Je stärker die Bedrohung durch die fünf Wettbe­ werbskräfte ist, desto unattraktiver ist eine Bran­ che und desto schwieriger ist es für die Branchenun­ ternehmen, einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil zu erzielen. Branchenunternehmen sind gefordert, eine Marktposition aufzubauen, die es erlaubt, die fünf Wettbewerbskräfte zum Vorteil der eigenen Wettbewerbsposition zu nutzen. Entwicklung reale Bruttowertschöpfung grafische Industrie Quelle: BAK Basel Economics/Beitrag zur Wertschöpfungsentwicklung in Prozenpunkten Abb. 1 Marktzugang Der Schweizer Printmarkt kennt zwar niedrige Zugangsbarrieren, aber zu Firmenneugründungen und damit zu zusätzlichen Wettbewerbsteilneh­ mern kommt es auf dem Printmarkt eher selten. Neue inländische Anbieter treten vor allem im Digitaldruck auf. Mit neuen Produktionskapazitä­ ten reagieren primär bestehende Unternehmen bei Ersatz-, Erneuerungs- und Erweiterungsinvestitio­ nen auf das Erfordernis, die Unternehmensproduk­ tivität dem veränderten Marktumfeld und den tech­ nologischen Möglichkeiten anzupassen. Bei einer sinkenden Gesamtnachfrage nach Printprodukten in der Schweiz erhöhen sie damit aber den Wettbe­ werbsdruck unter den Anbietern. Der Schweizer Printmarkt wird international beworben (vgl. Abbil­ dung 3). Die offenen Grenzen und das vorherrschen­ de Preisniveau machen den Schweizer Markt für ausländische Produzenten interessant. Neue aus­ ländische Anbieter drängen deshalb, gestützt von Wechselkursvorteilen und Förderprogrammen, auf den Schweizer Markt. Sie profitieren im Vergleich zu den Schweizer Unternehmen von tieferen Pro­ duktionskosten (Lohnkosten, Betriebsmittel, Sub­ ventionen etc.) und bedrohen die inländischen Anbieter. Angesichts ihrer Grösse nutzen ausländi­ sche Unternehmen mögliche Skaleneffekte auf dem Schweizer Markt aus und begünstigen eine Verlage­ rung der Nachfrage ins Ausland, was den Wettbe­ werb auf dem schrumpfenden Binnenmarkt unter den Schweizer Produzenten zusätzlich stimuliert. Zulieferindustrie Die grafische Industrie steht einer starken Zuliefer­ industrie gegenüber. Diese zeichnet sich durch eine grosse Innovationskraft aus. Neue Technologien, Produktionsverfahren und Betriebsmittel, die von der Zulieferindustrie entwickelt werden, charakte­ risieren die Innovationsprozesse in der grafischen Industrie. Innovative Systeme und Technologien werden auf dem Schweizer Markt sehr oft als Welt­ neuheiten eingeführt und getestet. Im Vergleich zum grenznahen Ausland bewegen sich die Beschaffungspreise für die schweizerische grafi­ sche Industrie, je nach Betriebsmittel, zwischen 5 und 25 Prozent über den europäischen Beschaf­ fungspreisen. Diese Diskrepanz lässt sich einerseits mit der Grösse und der Fragmentierung des Schwei­ zer Marktes, den Logistikkosten, den spezifischen Kundenbedürfnissen und den höheren Schweizer Standortkosten erklären und ist andererseits die Folge des geltenden schweizerischen Wettbewerbs­ rechts, das Parallelimporte für KMU mit hohen administrativen Hindernissen verknüpft. Die Bran­ chenunternehmen können in der Schweiz zwischen mehreren Lieferanten auswählen. Die Beschaf­ fungskosten variieren unter den Branchenunter­ nehmen und stehen in Relation zur Grösse und zur 7 8 Betriebszählung Quelle Zahlen bis 2011: Betriebszählung des Bundesamtes für Statistik Quelle Zahlen ab 2013: Berufsbildungsfonds der grafischen Branche Abb. 2 Beschaffungsstrategie der einzelnen Unternehmen. Die Marktmacht der Zulieferindustrie ist trotz eines lückenhaften Importregimes kein entscheidender Wettbewerbsnachteil für die Schweizer Produzen­ ten im Printmarkt. Im Gegenteil, die Schweizern können von den positiven Spillovers der Zuliefer­ industrie einen Marktvorteil erkämpfen. offen, die von tieferen Produktionskosten und von einem höheren schweizerischen Preisniveau für Printprodukte profitieren, also im Vergleich zu den Schweizer Anbietern über Margenspielraum ver­ handeln können. Die Printbuyer kennen die ange­ spannte Markt- und Preissituation und wissen diese Marktkenntnisse zu ihren Gunsten auszulegen. Vor allem bei standardisierten und undifferenzierten Produkten, die eine hohe Preiselastizität aufweisen, herrscht unter der Fuchtel eines stetig anschwellen­ den Importdrucks ein rigoroser Preiswettbewerb. Der Kunde ist gegenüber dem Produzenten auf dem Schweizer Printmarkt in einer günstigeren Position. Es handelt sich beim Schweizer Printmarkt um einen klassischen Käufermarkt. Kundensituation Die Printbuyer verfügen in der Schweiz über eine hohe Marktmacht. Der Schweizer Printmarkt leidet aus Produzentensicht unter Überkapazitäten und einer ungenügenden Auslastung bei einem sinken­ den Marktvolumen. Der Schweizer Markt steht, wie bereits umschrieben, ausländischen Printanbietern Aussenhandel von Druckerzeugnissen Quelle: Eidg. Zollverwaltung 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Ausfuhr 875.96 942.78 775.13 686.73 602.45 528.20 521.45 478.99 413.09 Veränderung gegenüber Vorjahr in % 1.60 7.60 –17.80 –11.40 –12.30 –12.30 –1.30 –8.10 –13.80 Einfuhr 2186.59 2174.50 1936.67 1853.26 1746.80 1737.64 1713.04 1671.50 1506.88 Veränderung gegenüber Vorjahr in % 0.50 –0.60 –10.90 –4.30 –5.70 –0.50 –1.40 –2.40 –9.80 Handelsbilanzsaldo –1310.63 –1231.72 –1161.54 –1166.53 –1144.36 –1209.44 –1191.59 –1192.51 –1093.78 Abb. 3 Entwicklung der Netto-Werbeumsätze 2010–2015 Quelle: Stiftung Werbestatistik Schweiz 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Netto-Werbeumsätze Schweiz (in Mio. CHF gerundet) 4230 4338 4246 **) 4161 5346 **) 5210 Presse 2001 2004 1783 1615 1535 1436 Tages-, regionale Wochen-, Sonntagspresse 1341 1337 1154 1032 978 898 Publikums-, Finanz- und Wirtschaftspresse 425 424 400 367 350 342 Spezialpresse 126 125 118 112 107 99 Fachpresse 108 118 111 104 100 97 Elektronische Medien 839 914 904 936 1489**) 1501 Fernsehen (inkl. Sponsoring) 669 745 726 749 772 749 Radio (inkl. Sponsoring) 135 139 147 157 150 143 Kino 28 24 26 26 28 34 Teletext 7 6 5 4 3 3 Online *) *) *) *) 535 572 Übrige Medien 1390 1420 1559**) 1610 2321**) 2273 Aussenwerbung 371 403 423 422 433 449 Adressverzeichnisse (gedruckt) *) *) 119 102 96 85 Direktwerbung 1019 1017 1017 1086 1059 1047 Werbe- und Promotionsartikel *) *) *) *) 734 692 Abb. 4 *) keine Daten vorhanden **) Daten sind nicht mit dem Vorjahr vergleichbar Substitutionseffekte Print wird unlängst crossmedial eingesetzt. Reine Printkampagnen bilden heute die Ausnahme. Print wird aus der Sicht des Printbuyers dort eingesetzt, wo die grösste Wirkung bzw. der grösste Nutzen erwartet wird. Zweifelsohne hat Print gegenüber den Online-Medien, wie Studien im Bereich des Neu­ romarketings beweisen, gewichtige Vorteile zu bie­ ten. Nichtsdestotrotz sinkt in der Schweiz auf Grund von Substitutionseffekten das Marktvolumen für Printprodukte (vgl. Abbildung 4). Internet und Soci­ al Media verdrängen Printprodukte oder lassen die Auflagen für Print schrumpfen. Das veränderte Medienkonsumverhalten wird den laufenden Struk­ turanpassungsprozess in der Schweizer Printindus­ trie beschleunigen und die Innovationsbereitschaft sowie die Wettbewerbsfähigkeit der Printindustrie vor eine harte internationale Probe stellen. Gesamtbewertung der Branchensituation Die Schweizerische grafische Industrie hat in den vergangenen zwei Jahrzenten nicht nur gesamt­ wirtschaftlich ein Bedeutung verloren. Die Branche hat auf Grund der strukturellen Veränderungen, wie aus der Fünf-Kräfte-Branchenanalyse ersicht­ lich ist, generell an Attraktivität eingebüsst. Dieses düstere Branchenbild lässt sich glücklicherweise nicht auf einzelne Unternehmen übertragen. In der Schweizer Printindustrie sind mehrere Hundert erfolgreich positionierte Unternehmen tätig, die auf Grund ihres Geschäftsmodells die Wettbewerbs­ kräfte in der Branche und am Standort Schweiz zu nutzen wissen und auf den fortschreitenden Struk­ turwandel adäquate Antworten geben. Die hohe Investitionsneigung bei den Schweizer Printunter­ nehmen und die Innovationsstärke der Zuliefer­ industrie werden die angelaufene Digitalisierung, Automatisation, Integration und Vernetzung der Schweizer Printindustrie erfolgreich vorantreiben und die Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich hoch halten lassen. Share Economy und Kooperationen werden sich auch auf dem über­ sichtlichen Schweizer Printmarkt zu einem strate­ gischen Erfolgsfaktor für Printunternehmen entwickeln und als Katalysatoren für höhere Skalenerträge sowie eine verbesserte Unterneh­ mensproduktivität wirken. Mitgetragen wird die erfolgreiche Branchenentwicklung durch einen leis­ tungsfähigen Branchenverband, der die kollektive Intelligenz und die Stärkung des Sozialkapitals (Werte, Verhalten und Vertrauen) gezielt fördert und damit den Branchenunternehmen hilft, in der Dynamik der Marktkräfte auf dem Schweizer Print­ markt die Segel für eine positive Entwicklung richtig zu setzen. 9 10 Die künftige Rolle von Print in der Kommunikation — Christian P. Hoffmann Medien- und gesellschaftlicher Wandel Die wirtschaftlichen und sozialen Umbrüche, die mit der Digitalisierung einhergehen, rufen uns die Bedeutung von Medien in einer Gesellschaft ins Bewusstsein. Medien sind die Grundlage, die Infra­ struktur des gesellschaftlichen Austausches, unse­ rer Information, Meinungsbildung, Koordination und Arbeitsteilung. Medien ermöglichen es uns, mit mehr als nur dem persönlichen Umfeld zu kommu­ nizieren. Sie konstituieren das, was wir als «Öffent­ lichkeit» begreifen – sei es eine Fachöffentlichkeit, eine lokale, nationale oder gar internationale Öffentlichkeit. Ein medientechnologischer Wandel hinterlässt darum immer tiefgreifende Spuren in einer Gesell­ schaft. So war die Entwicklung des Buchdrucks eine Voraussetzung für die Demokratisierung des Wes­ tens, die Herausbildung von Parteien, die Alphabe­ tisierung der Bevölkerung, die Entwicklung eines bürgerlichen Bewusstseins. Der Rundfunk schweisste die Massengesellschaft zusammen und wurde von findigen Propagandisten schnell auch für die Desinformation der Massen miss­ braucht. Rundfunksendungen bewegen bis heute ganze Nationen – von Präsidentschaftsdebatten über Hit-Serien bis Sportgrossereignisse. Kein Wunder also, dass die Digitalisierung viel Gewohntes erschüttert und hinterfragt. Zeitungen sterben und Verlage fusionieren, lineare Rundfunk­ programme verlieren an Bindung und die Nutzer wählen immer gezielter und selektiver ihre mass­ geschneiderte Mediendiät – wann, wie und wo sie es wollen. Ohne Übertreibung kann heute festgestellt werden, dass sich das Internet als das Leitmedium unserer Gesellschaft etabliert hat. Schon 2012 führ­ ten wir eine Befragung unter 1500 Deutschen durch, in der die Bedeutung der Mediengattung für unterschiedliche Zwecke beleuchtet wurde. Für fast 90% der Befragten war schon damals das Internet das wichtigste Medium für die Erfüllung beruflicher Aufgaben. Je ein Drittel nannten Internet und TV als das für sie wichtigste News-Medium. Und für über 60% war das Internet das wichtigste Medium, um vertiefende Informationen zu erhalten – hier erreichte übrigens die Zeitung mit 24% ihren besten Wert. Der Begriff der Konvergenz beschreibt treffend, wie das Internet zentrale Funktionalitäten der frü­ heren Mediengattungen in sich aufsaugt – News, Unterhaltung, Arbeit, Information. Unvermeidlich wirft das die Frage auf: Welchen Zweck erfüllen dann eigentlich noch die «alten» Medien, insbeson­ dere Print? Wird es sie schon bald nicht mehr geben? Wird also die gesellschaftliche Kommuni­ kation vollständig digital? Oder bleiben Nischen, in denen sich auch die guten alten Medien auf absehbare Zeit erhalten können? Wenn ja, welche Nischen könnten das sein? Erkenntnisse der Medienwirkungsforschung Aufschluss über diese Fragen kann nicht zuletzt die Medienwirkungsforschung geben. Denn wenn Print-Medien tatsächlich anders konsumiert wer­ den und/oder anders wirken als digitale Medien, dann bleibt ihnen eine Marktlücke gewiss. Frühere Studien konzentrierten sich naturgemäss vor allem auf den Vergleich von Print- und Rundfunkforma­ ten – meist mit dem Ergebnis, dass audiovisuelle Medien stärkere Wirkungen entfalten. Videoforma­ te fesseln demnach die Aufmerksamkeit des Publi­ kums effektiver, sprechen neben kognitiven auch affektive Verarbeitungsprozesse an und bleiben daher stärker im Gedächtnis haften. Diese Erkenntnis ist wenig überraschend. Wer einmal erlebt hat, wie herumtobende Kinder auf Knopfdruck in gebannte Stille verfallen, sobald der Fernseher angeschaltet wird, kennt die Aufmerk­ samkeitsvorteile dieses Mediums. Auch im Social Web gilt das Video als ein «Muss» für das Anlocken und vor allem auch die Binden des Publikums. Doch die Nachteile der visuellen Medien gegenüber den audiovisuellen sind nicht neu, sie werden im Zeit­ alter der Digitalisierung nur befeuert durch die leichtere Verfügbarkeit von Videoformaten. Teilweise kompensieren können Printmedien ihre Schwäche allenfalls durch eine sinnvolle Verbin­ dung von Text und Bild. Denn auch die kongruente Nutzung von Text und Bild ist förderlich für die Intensität und Dauer von Kommunikationswirkun­ gen (Walma van der Molen & van der Hoort, 2000). Das Online-Spiel wirkte dabei so fesselnd, dass die beworbene Marke kaum wahrgenommen wurde. Auch auf der Website wirkte das Werbeumfeld ablenkend. Die Print-Anzeige wurde dagegen durch das Print-Umfeld weniger intensiv konkurrenziert und blieb daher eher im Gedächtnis (Huh et al., 2015). Auf den Punkt gebracht könnte man also die Stärke des Prints beschreiben mit: «In der Ruhe liegt die Kraft.» Von besonderem Interesse sind solche Erkenntnisse nicht zuletzt im Werbemarkt, wo Konsumenten im Idealfall zu einem Kauf angeregt werden sollen. Eine Studie der University of Minnesota verglich jüngst im Rahmen eines Experiments die Wirkun­ gen einer Medikamentenwerbung in drei Medien­ formen: Print, Website und Online-Spiel («Adver­ game»). Kurzfristig schnitt dabei die Print-Werbung am besten ab – Inhalt und Marke erzielten hier die besten Erinnerungswerte. Die Autoren erklären dies mit den begrenzten kognitiven Kapazitäten der Ziel­ gruppen – einfacher gesagt: mit der begrenzten Energie, die wir für die Aufnahme und Speicherung von Informationen aufzuwenden bereit sind. Wenn schon kein Bewegtbild und Ton, so verfügt Print also vielleicht zumindest über Stärken in der Vermittlung von Text (und Bild). Auch diese Frage beschäftigt die Forschung und so vergleichen verschiedene Analysen das Lesen von Print oder am Bildschirm. In einem schulischen Kontext untersuchte etwa eine norwegische Studie die Lesewirkung eines Textes, der Schülern entweder ausgedruckt oder als PDF am Bildschirm präsentiert wurde. Das Ergebnis war eindeutig: Schüler, die den gedruckten Text lasen, konnten dessen Inhalt deutlich zuverlässiger wiedergeben also solche, die den Text über einen Bildschirm aufnehmen mussten (Mangen et al., 2013). 11 12 leseunfreundlicher oder ablenkender, sie signali­ sieren uns, dass es sich um eine weniger ernsthafte Form der Informationsvermittlung handelt. Um also durch Lesen auf Papier und am Bildschirm identische Effekte zu erzielen, müssten wir unsere Einstellung gegenüber dem Bildschirm verändern. Forscher sprechen hier auch von «Metakognition», also dem Verfolgen klarer Ziele, wiederholtes Lesen bei Nichtverständnis, Selbstkontrolle im Verständ­ nisfortschritt. Verschiedene Erklärungen für dieses Ergebnis bieten sich an: Einerseits ist das Lesen am PC-Bild­ schirm bekanntlich ermüdender – Flickern und suboptimale Beleuchtung spielen etwa eine Rolle. Hardware-Hersteller befinden sich daher in einem Innovationswettlauf mit dem Ziel der Entwicklung immer höher aufgelöster oder indirekt beleuchteter Bildschirme. Aktuelle E-Reader-Modelle kommen im Lesekomfort dem Print tatsächlich sehr nahe. Zum Zweiten erlaubt das Printprodukt aber auch eine sehr individuelle Aneignung: Blättern, Sprin­ gen, Wiederholen. Das Lesen von Buchstaben ähnelt kognitiv dem Aneignen eines physischen Objekts. Bewegung und Perspektivwechsel sind daher hilfreich. Das Auf- und Ab-Scrollen eines PDF-Dokuments kann hier kaum mithalten. Doch auch hier befinden sich responsive Darstell­ ungen in einem Aufholprozess. Schliesslich bleibt die Feststellung: Das Lesen an einem Bildschirm ist eingebettet in ablenkende Signale, welche die Aufnahme und Verarbeitung von Texten erschweren. Ja mehr noch, wir neigen dazu, das Lesen am Bildschirm a priori mit weniger Ehrgeiz oder Aufnahmebereitschaft anzugehen als das Lesen auf Papier. Bildschirme sind nicht nur Eine gemeinsame Studie der Universitäten Mainz, Göttingen und Marburg wollte es ganz genau wissen und analysierte das Lesen auf Papier, am Tablet-PC und am E-Reader, indem Versuchsteilneh­ mer befragt und in Form eines EEGs sowie durch Eye-Tracking untersucht wurden. Papier wurde dabei in aller Regel als die angenehmste Vermitt­ lungsform empfunden, quer durch alle Altersgrup­ pen. Vor allem ältere Teilnehmende fokussierten und konzentrierten sich weniger auf die auf dem Tablet-PC präsentierten Inhalte (Kretzschmar et al., 2013). Die Autoren erklären dies mit den höheren Kontrastanforderungen beim Lesen im Alter. Zugleich stellt die Studie jedoch fest, dass die Erinnerungswerte über die drei untersuchten Formen hinweg nicht massgeblich abwichen – auch dies spricht für die Qualitätsgewinne mo­derner Bildschirme. Nicht alle Abweichungen in der Bequemlichkeits­ einschätzung der Versuchsteilnehmenden scheinen übrigens physische bzw. kognitive Ursachen zu haben. Auch solche Leser, deren EEG- und Eye-Tra­ cking-Daten keinen Unterschied zwischen Print und Bildschirm zeigten, empfanden nach eigener Aussage das Lesen auf Papier als angenehmer. Dies spricht dafür, dass auch kulturelle Variablen eine Rolle spielen – wir reden uns also, vereinfacht gesagt, eine Überlegenheit des Papiers ein, weil wir dieses gewohnt sind und möglicherweise mit einer höherwertigen Leseerfahrung assoziieren. Solche normativen Vorteile des Papiers verschwinden zweifellos nicht über Nacht, aber möglicherweise über Generationen. Experimente zum Lesen auf Papier und am Bildschirm deuten auch an, dass das konzentrierte Lesen am Bildschirm erlernt werden kann – es erfordert eine (andere) Art der Selbstre­ gulierung (Ackerman & Lauterman, 2012). Kulturelle Einbettung Evidenz für die kulturelle Verwurzelung und Ver­ haftung (engl. «stickiness») der Print-Medien findet sich nicht nur in der Medienrezeptionsforschung. Wenngleich internationale Studien zeigen, dass die Bürger westlicher Länder immer weniger Zeit in die Nutzung von Printmedien investieren (insbe­ sondere Zeitungen und Bücher), hinterfragte jüngst ein israelisches Forscherteam die These vom Absterben der Printprodukte (Nossek et al., 2015). Ihre Überlegung: Nicht alle Funktionen der Print­ medien können ohne Weiteres von digitalen Medien übernommen werden. Tatsächlich fand die Befra­ gung von über 10 000 europäischen Bürgerinnen und Bürgern heruaus, dass im Durchschnitt etwas unter 20 Minuten pro Tag in die Lektüre einer physi­ schen Zeitung investiert werden und etwas über 20 Minuten in das Lesen eines physischen Buches. Mehr als die Hälfte der Befragten gab an, regelmäs­ sig Printme­d ien zu konsumieren. Die Vorliebe für das gedruckte Medium ist dabei nicht alleine oder primär eine Frage des Alters – auch Bildung und Einkommen spielen eine Rolle. Die Autoren spekulieren, dass gedruckte Qualitäts­ medien ebenso wie gedruckte Bücher eine Signa­ ling-Funktion erfüllen, also den Mitmenschen einen gehobenen sozialen Status signalisieren. Die NZZ unter dem Arm oder das Buch in der Hand – das soll uns zeigen: Hier haben wir es mit einer gebildeten, intelligenten oder auch ökonomisch gefestigten Person zu tun. Ganz abgesehen also von der Bequemlichkeit des Lesens bieten Printmedien möglicherweise kulturell verankerte Distinktions­ potenziale. Wer was auf sich hält, liest auf Papier. Die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» bewirbt ihr Produkt seit Jahren mit dem Slogan: «Dahinter steckt immer ein kluger Kopf.» Geschickt wird damit auf den bildenden Charakter, also die inhaltli­ che Qualität der Zeitung angespielt, zugleich setzt die Kampagne aber beinahe schon schamlos auf die Distinktionsfunktion der Qualitätszeitung. Im Mar­ keting ist längst bekannt, dass wir bisweilen Pro­ dukte erwerben nicht etwa, weil wir tatsächlich einen Wunsch nach diesen verspüren, sondern weil wir soziale Anerkennung beim Kauf des «richtigen» Produktes erhalten. Neben der Qualität eines Produkts stellt sich daher immer auch die Frage nach seiner sozialen Erwünschtheit. Also Migros 1996 die Billiglinie M-Budget lancierte, wurden die Produkte bewusst mit grellen und eher unästhetischen Signalfarben markiert. Wenn der Kunde schon zum Billigprodukt greift, muss er sich zumindest der Missbilligung seiner Mitmenschen aussetzen. (Ironie der Geschichte: Die abschrecken­ de Wirkung dieses Bekenntniszwangs führte phasenweise dazu, dass vor allem selbstbewusste Besserverdienende nach den grellgrünen-orang­ farbenenen Packungen griffen.) Vielleicht haben auch Sie am Kiosk einmal verschämt nach der NZZ oder dem «Tagesanzeiger» gegriffen, obwohl Sie doch eigentlich lieber die saftige Schlagzeile des «Blicks» erkundet hätten? Kurzum: In der Bewertung von Medienprodukten spielt nicht alleine deren Qualität eine Rolle – Bequemlichkeit, Lesefreundlichkeit, Haptik oder Ästhetik – sondern auch ihre kulturelle Einbettung und Aufladung. Daraus lassen sich mindestens zwei bedeutende Stärken der Printmedien ableiten: Zum einen ihre Fähigkeit, Inhalte in Ruhe, klar und dem individuellen Leseverhalten angepasst zu vermitteln, zum anderen ihre kulturell bedingte Funktion als Statussignal. Basierend auf diesen komparativen Vorteilen lässt sich abwägen, welche Rolle Printprodukte im Kommunikationsmix von Organisationen spielen können. Wann lohnt es sich also, auf Print statt Digital zu setzen? Print im Medienmix Eine einfache Daumenregel könnte lauten: Für die schnelle Übermittlung übersichtlicher Informationen wähle digitale Medien für die Ver­ mittlung umfassender oder komplexer Informatio­ nen, gib Print eine Chance. Diese Daumenregel entspricht den zentralen Erkenntnissen der Medien­ wirkungsforschung hinsichtlich der Vorteile von Papier gegenüber Bildschirmen. Sie erklärt auch den beispiellosen Siegeszug der E-Mail, mit der täglich milliardenfach kurze Updates versandt und einfa­ che Fragen geklärt werden. Andererseits erklärt sie auch, warum das papierlose Büro bis heute Utopie geblieben ist – Material, mit dem sich Mitarbeitende intensiv auseinandersetzen müssen, wird zu oft noch ausgedruckt. Eine zweite Daumenregel liesse sich aus den Überlegungen zur kulturellen Einbettung gedruck­ ter Medien ableiten: Wertvolle und wichtige Informationen für ein geschätztes Publikum ver­ dienen eine gedruckte Form. Das Überreichen einer gedruckten Visitenkarte wird vermutlich nicht so schnell durch die elektronische Signatur ersetzt – selbst wenn das Papier häufig unmittelbar nach der Begegnung in den Mülleimer wandert. Die Pro­ duktbroschüre signalisiert dem Kunden: Hier findest du die relevanten Daten und Fakten. Und: Gerne wollen wir dir auch noch etwas mitgeben. Der gedruckte Jahresbericht besagt: Hier stellt sich unser Unternehmen vor. Und: Wir sind stolz auf uns und unsere Leistung. 13 14 Beide Daumenregeln stehen in einem gewissen Spannungsverhältnis, denn bei einem aus Prestige­ gründen gedruckten Instrument steht eben nicht die erfolgreiche Informationsvermittlung im Vor­ dergrund. Oft spielt es sogar keine Rolle, ob das Ins­ trument wirklich angeschaut/gelesen wurde oder nicht. Es handelt sich um eine Art Metakommuni­ kation, die Aussagen über die Bedeutung eines Inhalts und/oder die Würdigung einer Beziehung vermittelt. Ironischerweise ist dennoch gerade hier die Qualität des Print-Produkts von grosser Bedeu­ tung – je höher die Wertigkeit des Mediums, desto stärker das signalisierte Prestige. Eine Visitenkarte aus billigem Papier oder eine schlecht gedruckte Unternehmensbroschüre wirken kontraproduktiv, völlig unabhängig davon, wie korrekt oder zuver­ lässig die enthaltenen Inhalte sind. Aus Sicht des Kommunikationsmanagements empfiehlt sich nicht zuletzt eine Prozessbetrach­ tung: Welche kommunikativen Berührungspunkte passieren die Zielgruppen, bis sie dort angelangen, wo die Kommunikationsstrategie sie gerne hätte? Der Kommunikationsmix umfasst dann Instru­ mente, die der Gewinnung von Aufmerksamkeit, ersten Berührungspunkten oder der Kontakt­ aufnahme, der Information und Erklärung, der Überzeugung, dem Abschluss oder der Bindung dienen. Häufig springt die Reise (engl. «Journey») dabei zwischen Mediengattungen – Website, Print, Video, Social Media wirken im Idealfall synerge­ tisch. Bei aller Relevanz der Instrumentenwahl und -gestaltung sollte also nicht vergessen werden, dass ein Instrument nur als Teil einer guten Strategie die richtigen Wirkungen entfaltet. Gelegentlich harmonieren beide Daumenregeln jedoch auch: Wird etwa vor einem Meeting oder Workshop eine Tischmappe verteilt, so dient dies einerseits tatsächlich der Vermittlung von Inhalten – komplexe Daten und Fakten können auf Papier nachvollzogen werden, wenn sie in der Power­ Point-Präsentation untergingen. Gleichzeitig stellt die Mappe aber auch eine Art Begrüssungsgeschenk dar und signalisiert Anerkennung durch die Mühe einer individuellen Vorbereitung. Die Bedeutung der Veranstaltung wie auch der Teilnehmenden wird so aufgewertet. Ähnlich können auch Broschüren und Formulare im Vertrieb wirken, wenn diese mit dem (potenziellen) Kunden durchgesprochen und anschliessend übergeben werden. Funktion und Symbolik wirken hier kongruent. Das systematische Management von Inhalten und deren multimediale Verbreitung stellen an Organisationen bisweilen hohe Anforderungen und erzwingen den Aufbau neuer Kompetenzen. Sie sind jedoch ein unvermeidliches Resultat des Medienwandels: Tatsächlich springt die Unter­ nehmens- und Organisationskommunikation im­ mer häufiger in jene Lücken, die das Zeitungsster­ ben und die Krise des Journalismus hinterlassen. Während Redaktionen schrumpfen, rüsten PR-­Abteilung auf. Schlagzeilen wir «Content Mar­ keting», «Corporate Publishing» und «Corporate Journalism» zeigen, wohin die Reise geht: Grosse Konzerne gleichen heute kleinen Medienhäusern. Sie verfügen über eine Vielzahl an Medienplatt­ formen, die professionell bespielt werden müssen – Websites, Social-Media-Präsenzen, Microsites und Corporate Blogs, Corporate TV/Videos, Kundenund Mitarbeiterzeitschriften, Intranet, Onlineund Print-Geschäftsberichte, Apps, Produktbro­ schüren, Newsletter und und und. Über all diese Kanäle hinweg spricht das Unternehmen Zielgrup­ pen an, baut Communities auf und pflegt Bezie­ hungen, betreibt Agenda Setting und Storytelling. Sowohl als auch Wenngleich so die Stärken oder Nischen der Printprodukte deutlich werden, führt doch die Gegenüberstellung von Print und Digital in dieser Einfachheit in die Irre. Dies beginnt damit, dass auch Printprodukte ihr Leben als digitale beginnen. «Digital first» heisst, dass Texte, Bilder und Gra­ phiken digital erstellt, geteilt, bearbeitet und gesetzt werden, bevor sie gegebenenfalls auf Papier gebannt werden. Nicht selten leben Inhalte – auf Denglisch auch «Content» oder «Media Assets» – ohnehin in beiden Sphären: Für manche Zwecke und Zielgruppen werden sie gedruckt, gleichzeitig werden sie jedoch auf Websites, in Blogs oder Online-Magazinen eingebunden. Das «Digital Media Asset Management» sammelt die organisational verfügbaren Inhalte, verwaltet diese, um sie leicht auffind- und kombinierbar zu halten und so vielfachen Nutzungszwecken zuzuführen. Branchenstudien deuten darauf hin, dass Print­ medien in diesem Aufgabenfeld und Instrumenten­ mix auf absehbare Zeit eine wichtige Rolle spielen werden (ECC, 2013). Eine Herausforderung dabei ist jedoch die Überbrückung des Medienbruchs, also der Sprung zwischen Print und Digital. Insbesonde­ re in der Erfolgskontrolle, der Verfolgung der Ziel­ gruppen-«Journey» ist esoft schwierig zu evaluie­ ren, an welcher Stelle ein Printprodukt zum Einsatz kam – während die digitalen Medien eine unüber­ sichtliche Masse an Nutzungsmetriken ausspucken. Die Sparsamkeit gebietet, dass Printinstrumente seltener, weil selektiver dort Einsatz finden, wo sie wirklich einen Mehrwert bieten. Gleichzeitig erwartet die Praxis aber, dass gedruckte Instru­ mente in der Tendenz teurer werden, worauf mit steigenden Budgets reagiert wird. jektive Wertigkeit von Print kann im Zeitverlauf abnehmen. Eine postmaterielle Kultur könnte eine Abneigung gegen physische Instrumente entwickeln, eine digital vernetzte Kultur empfindet das Übergeben von Datenträgern möglicherweise eines Tages als rückständig oder gar unhöflich. Blick nach vorne Mark Twain wird der weise Ausspruch zugeschrie­ ben: «Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen.» Ein so dynamisches Umfeld wie der gegenwärtige Medienwandel erschwert die Prognose zudem, da es von einer techno-sozialen Interdependenz geprägt ist. Was heisst das? Technologien passen sich dem Gewünschten und Machbaren an, das Mach- und Wünschbare wiederum ändert sich in Abhängig­keit von der Technologie. Die hier skizzierten Vorzüge der Printmedien sind vor diesem Hinter­ grund nicht in Stein gemeisselt. Analog zu den beschriebenen Daumenregeln sind vor allem zwei Entwicklungen im Auge zu behalten, um die Rolle von Printprodukten über die nächsten fünf Jahre hinaus einschätzen zu können: Endgültige Entwarnung für den Druck kann also nicht gegeben werden. Aber wohl doch temporäre. Auf Sichtweite sprechen die verfügbaren Studien zur Mediennutzung und -rezeption, aus Psychologie und Soziologie, und auch moderne Modelle des strategischen Kommunikationsmanagements im digitalisierten Medienumfeld für einen vielfältigen und gezielten Einsatz des gedruckten Wortes (und Bildes). Da ist einmal die technologische Entwicklung, insbesondere der so genannten Schnittstellen (engl. «Interfaces»). Zu diesen gehören die Bildschirme digitaler Produkte. Wie beschrieben, werden erheb­ liche Summen in deren Verbesserung investiert. Mit steigender Qualität (v.a. Auflösung, Kontrast und Beleuchtung), Nutzer- und Bedienungsfreund­ lichkeit sind die Abnehmer eher bereit, auch um­fassende und komplexe Informationen digital aufzunehmen. Zu erwarten sind aber auch qualita­ tive Brüche, etwa durch die Entwicklung von Head-Mounted-Displays, also am Kopf getragener Ausgabegeräte. Sehr wenig ist bisher bekannt über die mögliche Aufnahme-/Lesequalität solcher «Brillen», die virtuelle Räume eröffnen. Unsere Gesellschaften befinden sich in einem kollektiven Lernprozess hinsichtlich der angemes­ senen Nutzung digitaler Medien. Es ist daher zum Zweiten durchaus denkbar, dass wir im Zuge des technischen Fortschritts unsere Einstellungen gegenüber Bildschirmen, unseren Umgang mit digi­ talen Inhalten verändern. Eine verbesserte Meta­ kognition, also ein kontrollierteres, gezielteres, auf­ merksameres Aufnehmen von Text am Bildschirm, wird möglicherweise schon in einigen Schuljahr­ gängen erlernt. Die Kulturtechnik des Lesens passt sich der Technik an – und damit auch die Kultur. Denn nicht zuletzt die kulturell verwurzelte sub­ Quellen: Ackerman, R., & Lauterman, T. (2012). Taking reading comprehension exams on screen or on paper? A metacognitive analysis of learning texts under time pressure. Computers in Human Behavior, 28(5), 1816–1828. EEC E-Commerce-Center Köln (2013). Einsatz und Bedeutung von Printmedien im Kommunikationsmix – Status quo und crossmediale Trends. http://www.prinovis.com/wp-content/uploads/2015/07/ECC_Whitepaper_ Printmedien_Juli-2013.pdf (01.09.2016) Huh, J., Suzuki-Lambrecht, Y., Lueck, J., & Gross, M. (2015). Presentation matters: Comparison of cognitive effects of DTC prescription drug advergames, websites, and print ads. Journal of Advertising, 44(4), 360–374. Kretzschmar, F., Pleimling, D., Hosemann, J., Füssel, S., Bornkessel-Schlesesky, I., & Schlesewsky, M. (2013), Subjective impressions do not mirror online reading efforts: Concurrent EEG-eyetracking evidence from the reading of books and digital media. PLOS ONE, 8(2), online only. Mangen, A., Walgermo, B. R., & Bronnick, K. (2013). Reading linear texts on paper versus computer screen: Effects on reading comprehension. International Journal of Educational Research, 58, 61–68. Nossek, H., Adoni, H., & Nimrod, G. (2015). Is print really dying? The state of print media use in Europe. International Journal of Communi­ cation, 9, online only. Walma van der Molen, J., & Van der Voort, T. H. A. (2012). Children’s and adults’ recall of television and print news in children’s and adult news formats. Communication Research, 27(2), 132–160. 15 16 Veränderungen in der Unternehmenskommunikation — Ruedi Alexander Müller-Beyeler Die Welt ändert sich – politisch, technisch, gesellschaftlich Die Erfindung des Buchdrucks hat die mittelalter­ liche Welt neu geordnet. In einem Mass, das wir uns heute kaum mehr vorstellen können. Denn die Ver­ änderungen, die das gedruckte Buch ausgelöst hat, sind für uns längst selbstverständlich geworden. So selbstverständlich, dass man meinen könnte, die Welt könne anders gar nicht sein. Sie war aber nicht immer so. Und sie wird wieder anders sein. Erst die Drucktechnik hat zum Beispiel regionale Sprachund Dialektgemeinschaften gezwungen, sich über­ regional auf gemeinsame Hochsprachen zu einigen. Standardisierte Sprachen also, die Reichweite mög­ lich machten. Al Gore, ehemaliger Vizepräsident der USA und Friedensnobelpreisträger, behauptet in seinem Buch über die Zukunft sogar, die Hochspra­ chen hätten dazu geführt, dass sich zum ersten Mal überregionales Identitätsempfinden herausbilden konnte, was schliesslich zur Gründung von Natio­ nalstaaten geführt habe. Der Nationalstaat als mehr oder minder direkte Folge der Erfindung einer Maschine, eben der Buchdruckmaschine. Eine ver­ kürzte Sicht, die nicht erklären kann, warum bei­ spielsweise die viersprachige Schweiz eine Nation ist. Aber sie macht doch anschaulich, wie eine technische Innovation auf gesellschaftlicher und politischer Ebene Veränderungen in Bewegung set­ zen kann, die kein Erfinder vorausahnen konnte. Die Welt heute verändert sich schnell und sicher mindestens so grundsätzlich wie nach der Erfin­ dung von Gutenbergs Druckmaschine. Und auch heute ist eine technische Innovation – neben vielen anderen Faktoren – Auslöser und Taktgeber des Wandels: Die elektronische Vernetzung der Welt stellt – wie damals, als Bücher und Zeitungen sich zu verbreiten begonnen haben – vieles in Frage, was lange selbstverständlich gewesen ist. Nicht nur Druckereien verschwinden, ganze Branchen sind bedroht, ja selbst der Nationalstaat verlierte, seine im Buchdruck begründete Vormachtstellung als Folge der neuen, vernetzten Technologien in der Kommunikation, meint Al Gore. Das «Globale Dorf», das Marshall McLuhan schon in den 1960er-Jahren visionär vorausgesehen hat, wird Realität, auch wenn wir noch nicht so recht wissen, wie wir uns darin organisieren und damit leben sollen. Denn die Technik ist noch sehr jung und bei weitem nicht ausgereift. Aber so viel können wir schon erkennen: So wie der Buchdruck zu überregionaler Sprach­ übereinkunft zwang, zwingt uns das Internet und damit verbundene Apparate auch heute wieder, neue Formen der Kommunikation zu finden. Und auch heute werden – diesmal allerdings rund um die Welt – Veränderungen gesellschaftlicher und politi­ scher Natur mit dem technischen Wandel verbun­ den sein, die wir uns noch nicht vorstellen können. Auch das Kommunikationsverhalten hat sich verändert und verändert sich weiter Wir erleben aber schon heute hautnah, wie sich innerhalb weniger Jahre das Kommunikationsver­ halten im Kleinen wie im Grossen verändert. Und weil Menschen schon immer dazu neigten, Veränderungen abzulehnen, weil dadurch Gewohn­ tes in Frage gestellt oder gar hinfällig wird, liest und hört man auch viel Kritisches über Facebook, WhatsApp und Co. So können wir uns beispiels­ weise darüber empören, dass viele junge Menschen sich auf solchen Kanälen weniger um Sprachnor­ men kümmern, Rechtschreibung vernachlässigen und in ihren Chat-Räumen Dialekt statt Schriftspra­ che schreiben. Schnell sind wir dann dabei mit unseren Urteilen über ein marodes Bildungssystem, faule Kinder und schlechte Lehrer. Dass Sprache nicht mehr streng genormt als «Hoch­ sprache» geschrieben wird, könnte aber auch ein­ fach ein Indiz dafür sein, dass das gedruckte Buch nicht mehr das Leitmedium unserer Kultur ist. Dank der neuen technischen Infrastruktur können sich im Internetkleinere Sprachgemeinschaften herausbilden, die keine genormte Übereinkunft brauchen, um sich verständigen zu können. Nicht mehr geographisch begrenzt durch Täler und Regio­ nen wie Dialekte vor der Ära Gutenberg, dafür aber in virtuellen Chatrooms und Facebook-Com­ munities. In den Sozialen Medien wird nicht nicht mit Blei gesetzt, sondern schnell und flüchtig in die Tastatur gehackt. Inhalte manchmal visuell schlüssiger vermit­telt werden. Einfacher als mit geschriebener oder gesprochener Sprache. Dass als Folge der globalen Vernetzung gleichzeitig auch der Bedarf nach einer neuen, im digitalen Zeitalter weltweiten Verständigungsübereinkunft wächst, liegt nahe. Aber wird das jetzt eine globale Hochsprache sein? Eine Weltsprache, vielleicht Englisch, die rund um die Erde gepflegt wird? Und kann eine solche Weltsprache, wenn sie für die meisten Menschen Fremdsprache sein wird, auf vergleichbar hohem kulturellen und literarischen Niveau wie die alten Hochsprachen lebendig wer­ den? Oder werden vielleicht Roboter bald einmal so intelligent und schnell, dass sie als perfekte Dolmetscher live und synchron zwischen uns vermitteln, so dass wir uns gar nicht mehr darum kümmern müssen, welche Sprache unser Gegenüber schreibt und spricht? – Wir wissen es noch nicht. Wahrscheinlich aber und schon erkennbar ist, dass sich eine visuelle Kommunikationskultur entwickelt. Die Technik macht es zum ersten Mal in der Geschichte möglich. Und für die globale Kommunikation hat das Vorteile: Visuell lässt sich sprach- und in gewissem Mass auch kulturüber­ greifend kommunizieren. Zudem können komplexe Visuelles wird immer wichtiger, im Netz und auch im Print Visuelles wird wichtiger, so viel können wir ganz sicher schon sehen. Im Netz wie im Print. Auf YouTube wie in «20Minuten». Für banale Inhalte genauso wie für anspruchsvolle. Sprache wird dadurch nicht weniger wichtig, sie lebt nur anders, wird vielfältiger genutzt in der Kommuni­ kation und eben auch auf sehr vielen unterschie­ dlichen, oft elektronischen Kanälen. Weniger Sprachverständigung nach den Regeln des Duden als Folge des World Wide Web bedeutet also nicht, dass junge Menschen nicht mehr schrei­ ben können. Es bedeutet nur, dass viele nicht mehr alle Normen einhalten, weil diese nicht mehr technisch notwendig sind, wie für die Produktion der Massenmedien Buch und Zeitung. Menschen können heute in unserer modernen digitalisierten Welt individueller leben. Und sie tun es auch. In die eine wie in die andere Richtung. Die einen lesen vielleicht weniger, andere viel mehr. Ich treffe in meiner Lehrtätigkeit im Bereich Multimedia 17 18 Und die Nutzer wollen interagieren. Sie wollen Einfluss nehmen und sei es nur, um selbst bestim­ men zu können, wann und wie lange sie sich einen Film am Fernsehen ansehen wollen. Kommuni­ kationsrituale verändern sich dadurch. Nach­ richtensprecher beispielsweise versammeln die Familie nicht mehr vor dem Bildschirm wie der Geschichten­erzähler den Stamm ums Lagerfeuer. Dafür steuern heute Kinder mit ihren kleinen Wischefingern den Verlauf von Spielen und Geschichten auf Papas Smartphone, noch bevor sie «Mama» sagen können. Von oben nach unten funktioniert nicht mehr: Augenhöhe ist Pflicht in der Kommunikation Diese Kinder werden später selbstverständlich auf jeden Inhalt reagieren und mit dem Absender interagieren wollen. Denn erst durch Interaktion wird Kommunikation richtig echte Kommunikation. Rückkanäle sind deshalb erfolgskritisch geworden, gerade auch in der Unternehmenskommunikation. Produzenten und Nutzer von Content sind oft nicht mehr klar auseinanderzuhalten. Eine Bezeichnung dafür gibt es auch schon: Prosument. Und der kommuniziert auf Augenhöhe. Production beispielsweise immer wieder auf junge Menschen, die weit belesener und sprachgewandter sind, als ich es in ihrem Alter war. Es gibt eben in einer weniger genormten Welt von Vielem mehr und gleichzeitig weniger vom immer Gleichen. Oder mit den Worten des deutschen Journalisten Richard Gutjahr: «Medien in Massen statt Massenmedien.» Für die Unternehmenskommunikation sind hetero­ gene Zielgruppen eine Herausforderung. Eine von vielen neuen Herausforderungen. Denn gleichzeitig mit dem Aufkommen einer Vielfalt an neuer Kom­ munikationstechnik hat die Menge an produzierten Inhalten bekanntlich exponentiell zugenommen und nimmt weiter zu. Manchmal könnte man den Eindruck haben, es gäbe heute bereits mehr Produ­ zenten von Inhalten, als es Empfänger dafür gibt. Und so landen nicht nur Abermillionen von Selfies im digitalen Nirgendwo, noch bevor sie ein einziger Freund geliked hat, sondern auch Abertausende von Unternehmensmagazinen im Altpapier, noch bevor die Versandhülle davon entfernt wurde. – Ja, es wird noch gedruckt, viel sogar, aber wahr­ scheinlich mehr als je zuvor direkt für die Entsor­ gung. Auch deshalb, nämlich um trotzdem noch Aufmerksamkeit zu bekommen, ist Kommunikation heute visueller als früher – mehr Bilder, mehr Grafi­ ken und mehr Filme. Wo früher informiert und propagiert wurde, wer­den heute immer öfter Geschichten ausgetauscht – multimedial und oft spielerisch. Faktenvermitt­ lung, Storytelling, Gamification und Dialog greifen ineinander über. Das ist anspruchsvolle Kommuni­ kation, die sich mit der Technik schnell weiterent­ wickelt. Kaum haben wir das Gefühl, Facebook und Instagram verstanden zu haben, kommt schon Snapchat, eine multimediale Mischung aus Nach­ richtenkanal und Spiel. Und das ohne Tutorial für den Kommunikationschef im Unternehmen! Denn Spielen heisst auch: entdecken. Das alles macht noch einmal deutlich, dass die Ziel- oder Anspruchsgruppen von Unternehmen nicht mehr normierte Massen sind, die demogra­ phisch beschrieben und mit einheitlichen psycho­ logischen Tricks und genormter Sprache zum Konsum verführt werden können. Die Anspruchs­ gruppen sind heterogener geworden und können oft nicht mehr mit einer einzigen, für alle gültigen Werbebotschaft­en abgeholt werden. Auch wenn es den Customer Insight im besseren Fall noch gibt, erwarten Nutzer, dass sie in ihrer Sprache ange­ sprochen werden und wollen den Dialog als Gleich­ berechtigte führen. Deshalb erfüllt klassische Werbung in Print, Radio, Fernsehen und online ihren Zweck nicht mehr immer und nicht mehr im gleichen Ausmass wie im 20. Jahrhundert. Das bekommen dann auch die klassischen Medienhäu­ ser zu spüren. Aber nicht nur die Geschäftsmodelle der klassi­ schen Medienbranche – Zeitungen, Zeitschriften, Radio und Fernsehen – sind bedroht, Unternehmen aller Wirtschaftszweige stehen vor neuen Heraus­ forderungen, wie sie ihr Zielpublikum noch errei­ chen können. Es gibt sie natürlich immer noch, die klassische Anzeigenwerbung im Print, im Fernse­ hen und im Netz als Banner. Und dahinter die raffinierte Beeinflussung der öffentlichen Meinung durch PR der Unternehmen. Aber so einfach und elegant funktionieren sie nicht mehr und vor allem nicht mehr immer. Gerade Corporate Publishing, gedruckte und elektronische Unternehmensmaga­ zine,stehen im harten Kampf um Aufmerksamkeit, die knapp und deshalb wertvoll geworden ist. Mit «Brand Journalism» die Zielgruppen emotionalisieren Der Königsweg, so liest man jetzt oft, heisst «Brand Journalism». Ein zynisch anmutender Begriff, war doch Journalismus im 20. Jahrhundert die unab­ hängige vierte Gewalt im Staat, die mit dafür ver­ antwortlich war, dass Demokratie in der westlichen Welt funktionieren konnte. Unabhängig aber ist Unternehmenskommunikation nie. Gemeint ist des­ halb mit «Brand Journalism» nicht Journalismus, gemeint ist Kommunikation, die sich des gleichen Handwerks bedient, wie es echter Journalismus schon immer getan hat: Kommunizieren mittels Geschichten und im Kontext des Geschehens im und um das Unternehmen. Im Unterschied zur Wer­ bung spielen in solcher Kommunikation vorder­ gründig das Unternehmen und seine Produkte oft nur noch als Absender im Abspann eine Rolle. Die Verbindung zwischen der Geschichte und dem Unternehmensangebot soll der Nutzer im Idealfall selbst herstellen und so eine emotionale Bindung zum Unternehmen entwickeln. Denn wichtiger als Hardselling ist für ein Unternehmen heute, die Menschen emotional zu berühren. Zum Beispiel mit einer Geschichte, die erzählt, wie eine Mutter in Mumbai eine Mahlzeit zubereitet im Glauben, die­ ser mütterliche Liebesbeweis werde zu ihrem Sohn, derseit vielen Jahren fern seiner Heimat arbeitet, nach New York geflogen werden. Und wie man dann als Zuschauer miterlebt, wie eben dieser junge Mann in Mumbai aus dem Flugzeug steigt und sei­ ner Mutter von Angesicht zu Angesicht begegnen darf. Bei einer solchen Geschichte bleibt kaum ein Auge trocken. Und der Zuschauer ist noch ganz benommen, wenn er ganz am Ende des Films erfährt: Das alles konnte nur geschehen dank British Airways, die dem jungen Mann den Flug ermöglicht hatte. Die Unternehmenskommunikation wird umstrukturiert und neu organisiert Die Verwandtschaft dieser neuen, erzählerischen Form von Unternehmenskommunikation mit ech­ tem Journalismus ist offensichtlich, liegt aber tat­ sächlich nicht nur beim Handwerk alleine – der Art des Schreibens, Filmens und Vertonens. Sie liegt auch in der Art, wie Themen gesucht, recherchiert, in Bezug gesetzt und zu Geschichten aufbereitet werden. Es ist redaktionelle Arbeit, wie sie früher nur Journalisten in Medienhäusern kannten. Und diese Art von redaktionellem Arbeiten unter­ scheidet sich fundamental von PR und Werbung. Während werbliche Botschaften gut in hierar­ chischen Strukturen konzipiert und produziert werden können, funktioniert eine Redaktion nur in flachen Strukturen, mit viel freiem Entschei­ dungs- und Handlungsraum für die Produzenten. Nicht nur muss deshalb das Unternehmen mit heterogenen externen Zielgruppen auf Augenhöhe kommunizieren lernen, auch intern im Unterneh­ men ist, wenn redaktionell gearbeitet werden soll, nicht mehr Befehlsausgabe von oben nach unten angesagt. Vom CEO über den CCO zu den Kommuni­ kations- und Marketingfachleuten. Moderne Unter­ nehmenskommunikation verlangt vielmehr ein hohes Mass an Unabhängigkeit einer Redaktion: Welche Themen sie aufgreift, wie sie Beiträge gestaltet und wie sie Geschichten crossmedial verteilt. Das Prinzip redaktionellen Arbeitens basiert auf Freiraum – immer im Dienst des Unter­ nehmens und seiner Marke natürlich. Viele Unternehmen haben in der Kommunikation schon damit begonnen, solche Redaktionen auf­ zubauen. Multimedial ausgestattet, natürlich. Und oft als «Newsroom» bezeichnet. Es geht aber nicht um den Raum, es geht um Struktur und Organisa­ tion, die idealerweise durch den Raum abgebildet wird. Eine Gruppe von Unternehmensjournalisten und -journalistinnen, die schreiben, filmen und vertonen können, auf der Basis von Recherchieren, Einordnen und Zuweisen von Themen. Verteilt wird über klassische Kanäle und online, aber eben auch mittels Sozialer Medien, einschliesslich Applika­ tionen wie beispielsweise Snapchat, die dann schon ganz nah beim Gaming angesiedelt sind. 19 20 Die Lösung heisst: «Redaktionelle Markenführung» Handlungsweisend sind für diese «Journalisten» im Dienst des Unternehmens nicht mehr ein gesell­ schaftspolitischer Auftrag und die Suche nach Wahrheit wie bei echten Journalisten. Der Rahmen, in dem Unternehmensjournalisten arbeiten, ist vielmehr gegeben durch ein vertieftes und verin­ nerlichtes Verständnis der Unternehmensmarke eines jeden Einzelnen. Die Marke und die damit verbundenen Werte und Haltungen grenzen das Spielfeld ein, auf dem sich Unternehmensjournalis­ ten frei bewegen können müssen. Ich bezeichne diese Arbeitsweise deshalb als«Redaktionelle Markenführung». Beispiele davon gibt es schon einige. Allen vorab «Red Bull», die nicht nur ein eigenes «Red Bull Media House» führen, sondern viele Events, über die berichtet wird, gleich selbst ausrichten. Den Stoff für ihre Geschichten also selbst produzieren. Das Projekt «Stratos», bei dem der Base-Jumper Felix Baumgartner aus der Stratosphäre auf die Erde sprang, ist nur das bekannteste von vielen. «Redaktionelle Markenführung» ist eng mit Storytelling verbunden. Also mit dem Prinzip, dass Fakten, Marken- und Produktbotschaften in Geschichten verpackt dargeboten werden. Geschichten liegen uns Menschen. Wir hören ihnen gern zu, verstehen Dinge besser, wenn sie als Geschichten daherkommen und können uns mit­ tels Geschichten metaphorisch erklärte Zusammen­ hänge und Fakten leichter merken. Und – auch hier mag der Trend zur Globalisierung mit eine Rolle spielen – die Struktur und der Aufbau von Geschich­ ten ist kulturübergreifend und weltweit derselbe, wie Joseph Campbell herausgefunden hat. Die Hel­ denreise, wie er sie nannte, findet überall Anklang. Sie ist in uns angelegt. Und weil Marken und (Gross-) Unternehmen oft weltweit aktiv sind und eine Führungsrolle bei der Etablierung einer Weltkultur einnehmen, wird Storytelling nach diesem global gültigen Muster heute in der Unternehmenskom­ munikation gern eingesetzt. Weil eine Redaktion nur funktionieren kann, wenn sie selbständig Themen aufgreifen und daraus Geschichten entwickeln darf, kann sie nicht im herkömmlichen Sinn hierarchisch geführt, sondern muss funktional organisiert werden. Sie steht aber natürlich immer im Dienst des Unter­ nehmens und seiner Ziele. Weshalb ihre Beiträge und Geschichten immer darauf ausgerichtet sind – aber oft nur sehr indirekt. Und die Unternehmens­ führung kann auf die Markenredaktion nicht mehr zugreifen wie auf den Pressesprecher, der im Wesentlichen als direktes Sprachrohr der Un­ternehmensleitung dient. Eine Markenredaktion muss immer frei arbeiten können, Inhalte und Botschaften des Unternehmens in eine Beziehung zur Welt und zum Geschehen in der Welt bringen und daraus interessante multimediale Geschichten, oder eben: «Stories» generieren. ICH-Marken, nicht Praktikanten prägen in Zukunft starke Kommunikation Journalisten in einer Markenredaktion sind also nicht mehr Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im herkömmlichen Sinn. Sie warten nicht auf An­weisungen und führen diese dann aus. Sie müssen selbständig und oft rasch Entscheidungen fällen und sofort kommunizieren, gerade auch im Bereich der Sozialen Medien. So wie die Nutzer auf Augen­ höhe mit dem Unternehmen kommunizieren wollen, sind deshalb Markenjournalisten, wenn sie publi­ zieren, auf Augenhöhe mit der Unternehmensfüh­ rung, obwohl sie dieses Unternehmen nicht selbst führen, sondern im Dienste seiner Marke kommuni­ zieren. Keine Mitarbeiter also im klassischen Ver­ ständnis von Angestellten. Aber was sind sie dann? Erklären könnte man die Rolle von Markenre­dak­toren vielleicht mit der Analogie der Marken­ partnerschaft. Markenredaktoren können als ICH-Marken im Dienst des Unternehmens verstan­ den werden. Sie haben sich vielleicht mit eigenen Veröffentlichungen positioniert und sind bekannt geworden. Und ihre ICH-Marke passt zum Marken­ kern des Unternehmens. Als Markenpartnerschaft zwischen Unternehmen und Markenjournalist kann«Brand Journalism» also verstanden werden. Agenturen bieten redaktionelle Dienstleistungen an Markenjournalisten sind in diesem Sinne keine Mitarbeiter mehr, sondern freie Markenpartner des Unternehmens. Aber nur grosse Unternehmen können sich eigene Markenredaktionen leisten, denn eine Redaktion braucht einen minimalen per­ sonellen Bestand, damit alle Rollen besetzt werden können. Drei bis fünf Multimedia-Produzenten sind die untere Grenze. Kleinere Unternehmen können sich das nicht leisten und müssen deshalb redaktio­ nelle Dienste von aussen zukaufen. «Brand Journa­ lism» wird deshalb auch zum Geschäftsmodell für spezialisierte Agenturen. Wie gefragt ihre Leistung ist, beweist beispielsweise der Erfolg der Agentur «C3 – Creative Code and Content», die mit rund 400Mitarbeitenden, wovon angeblich 100 «Journa­ listen» sind, zu den Grossen in der Branche zählt. Oder «Vice», ein grosses Medienhaus, das ein klu­ges zweiseitiges Geschäftsmodell zwischen echtem Journalismus und «Brand Journalism» betreibt und damit junge Zielgruppen erreicht. Begehrter «Content» für viele Unternehmen. Egal ob Print oder im Netz, mit «Redaktioneller Markenführung» rückt die Marke ins Zentrum der Kommunikation. Marke ist höchst verdichtete Kommunikation – effizient und effektiv und lang­ fristig wertbeständig. Und deshalb sind Marken in der Ökonomie der Aufmerksamkeit so wertvoll wie Gold in der Ökonomie des Kapitals. 21 22 Die Dynamik des technologischen Fortschritts, Fokus Digitalisierung — Paul Fischer Mensch, Maschine, Digitalisierung, künstliche Intelligenz: So kann man den technologischen Fortschritt der letzten 200 Jahre zusammenfassen. Mittendrin die grafische Industrie, deren Ursprünge weit ins vorindustrielle und digitale Zeitalter rei­ chen. Ist das vor dem Hintergrund des Themas «Die Dynamik des technologischen Fortschrittes, Fokus Digitalisierung» überhaupt wichtig? Ja, es ist ein zentraler Punkt bei der Betrachtung. Die grafische Branche ist ein Wirtschaftszweig, der nicht nur virtuelle, sondern physikalisch vorhandene Leis­ tungen erbringt. Sei es auf Papier, auf Karton oder auf anderen Materialien. Auch in Zukunft wird deshalb die grafischen Industrie, oder wie man sie dann auch immer nennen wird, Maschinen einset­ zen und auf manuelle Arbeitskraft zurückgreifen. Parallel dazu war die grafische Industrie aber auch eine der ersten Wirtschaftszweige, die bereits relativ früh von der Digitalisierung erfasst wurden. Mittlerweile sind digitalen Daten als Ausgangsbasis praktisch jeglicher Tätigkeit in dieser Branche unverzichtbar. Die grafische Industrie bewegt sich damit an der Schnittstelle zwischen Virtuellem und Haptischem. Egal wie sich grafische Unterneh­ men in der Zukunft weiterentwickeln, welche Techno­logien sie einsetzen oder wie die Qualifi­ kationen ihrer Mitarbeiter aussehen: Alle Lösungs­ konzepte und Geschäftsmodelle werden sich an diesem Umstand orientieren. Die traditionelle, über hunderte von Jahren bestehende Symbiose zwi­ schen Informationsaufbereitung/-vermittlung und bedrucktem Papier hingegen wird sich in den nächsten beiden Jahrzehnten völlig auflösen. Natürlich werden auch in Zukunft grafische Un­ternehmen Kreativdienstleistungen erbringen oder ihren Kunden bei der Informationsvermit-­ tlung unterstützen. Doch das Basisgeschäft ist und bleibt der Umgang mit «Material». Das gilt es bei der Erör­terung des Themas «Die Dynamik des techno­logi­schen Fortschrittes, Fokus Digitalisie­ rung» immer zu berücksichtigen. Digitale Revolution Gemäss Wikipedia wird die digitale Revolution wie folgt beschrieben: «Der Begriff Digitale Revo­lution (auch dritte industrielle Revolution oder Elektro­ nische Revolution) bezeichnet den durch die Digi­ talisierung und Computer ausgelösten Umbruch, der seit Ausgang des 20. Jahrhunderts einen Wandel sowohl der Technik als auch (fast) aller Lebensbe­ reiche bewirkt und der in die Digitale Welt führt, ähnlich wie die Industrielle Revolution 200 Jahre zuvor.» Und weiter gemäss Wikipedia: «Die digitale Revo­lu­t ion basiert auf der Erfindung des Mikrochips (Integrierter Schaltkreis) und dessen stetiger Leistungssteigerung (Moor’sches Gesetz), der Einführung der flexiblen Automatisierung in der Produktion und dem Aufbau weltweiter Kommuni­ kationsnetze wie dem Internet. Eine wichtige Rolle spielte dabei auch die allgemeine Computer­i­ sierung. Dieser Begriff bezeichnet einen gegen Mitte des 20. Jahrhunderts einsetzenden Trend, Arbeitsprozesse mithilfe von Computern zu rationa­ lisieren bzw. zunehmend zu automatisieren. In den 1980er-Jahren begannen Computer nicht nur in Beruf und Forschung, sondern auch im privaten Bereich Anwendung zu finden, teilweise kamen grafische Benutzeroberflächen zum Einsatz, die den herkömmlichen Schreibtisch imitierten. Der Com­ puter ist heute am Arbeitsplatz, in Wissenschaft, Erziehung und vielen weiteren Arbeits- und Hand­ lungssystemen selbstverständlich geworden. Eine entscheidende Rolle nehmen dabei die so genannten digitalen Güter (Software und digitale Informatio­ nen) ein. Diese unterscheiden sich von klassischen, materiellen Produkten (z. B. Hardware) dadurch, dass sie beliebig oft benutzt oder kopiert werden können, ohne sich zu verbrauchen, und unabhängig davon, wie viel Arbeit in ihnen steckt. Digitale bzw. nachträglich digitalisierte Güter lassen sich vor allem über das Internet kostengünstig und direkt verteilen oder an Kunden verkaufen.» Man könnte der Definition von Wikipedia jetzt noch genügend weitere Abhandlungen und Definitionen zum The­ ma «Digitale Revolution» anhängen. Bleiben wir aber bei jemanden, der diese Revolution wohl am umfassendsten und gleichzeitig einfachsten erklärt hat: den israelischen Technologie-Pionier Benny Landa, Gründer von Indigo, einem der ersten Her­ steller von mit Digitaldrucktechnologie arbeitenden Druckmaschinen. Vor über 20 Jahren stellte er, sinn­ gemäss, fest: «Alles was digital gemacht werden kann, wird irgendwann auch digital gemacht wer­ den.» Schlussfolgerung: Die Digitalisierung ist ein umfassender Prozess, der Dinge erst möglich macht, vereinfacht und stark beschleunigt. Digitalisierung heisst auch, und immer mehr, komplette Vernet­ zung, Integration. Also total und revolutionär. Digitalisierung bis 2016 hiess enorme Beschleuni­ gung und Automatisierung der verschiedenen Arbeitsprozesse entlang der Wertschöpfungskette. Ab 2016 gehen wir über in eine Entwicklung, die totale Vernetzung und Integration jeglichen Arbeitsschrittes eines Unternehmens, totale Ver­ netzung und Intergration von Beschaffung und Vertrieb, totale Vernetzung und Integration in der Kundenbeziehung mit sich bringt. Die Digitalisie­ rung ist das zentrale Narrativ für jeden grafischen Betrieb, sofern er 2026 noch tätig sein will. Neben traditionellen Fragen wie «Welches Geschäftsmo­ dell verfolge ich?» oder «Wer sind meine Kunden und was biete ich ihnen an?» muss sich jedes Unter­ nehmen die Frage stellen: «Wie bette ich mich in ein volldigitalisiertes Marktumfeld ein?» Nicht jedes grafisches Unternehmen wird beispielsweise den Weg einer Online-Druckerei gehen müssen. Eine Handbuchbinderei dürfte beispielsweise auch in zehn Jahren kaum digitale Arbeitsprozesse auf­ weisen. Doch es kann durchaus sein, dass Hand­ buchbindereien ohne vollautomatisierte digitale Distributionsprozesse dannzumal nicht mehr an ihre potentiellen Kunden kommen. Technologische Aspekte Nachfolgend einige Angaben zur Entwicklung der digitalen Revolution gemäss Wikipedia, das selbst ein interessantes Produkt dieser Revolution dar­ stellt: «Es wird angenommen, dass es der Mensch­ heit im Jahr 2002 das erste Mal möglich war, mehr Informationen digital als im Analogformat zu spei­ chern, was deshalb als der Beginn des «Digitalen Zeitalters» gesehen werden kann. Die fast vollstän­ dige Digitalisierung der weltweit gespeicherten Informationsmenge vollzog sich in weniger als 10 Jahren, während des Jahrzehnts um die Millenni­ umswende. Es wird geschätzt, dass im Jahr 1993 lediglich 3% der weltweiten Informationsspeicher­ kapazität digital waren, während es 2007 bereits 94% waren. Die weltweite Telekommunikations­ kapazität (bidirektionaler Informationsaustausch) war bereits 1986 zu 20%, 1993 zu zwei Dritteln (68%) und im Jahr 2000 zu 98% digitalisiert. Die globale Broadcast- und Rundfunkkapazität hingegen (unidirektionale Informationsübermitt­ lung), hinkt deutlich hinterher. Im Jahre 2007 waren erst 25% digital. Die Digitalisierung von Informations- und Kommunikationsprozessen hat zu einer Informationsexplosion geführt. Vor allem die weltweite Telekommunikations- und Informationsspeicherkapazitäten pro Kopf sind in den zwei Jahrzehnten zwischen 1986 und 2007 zwischen 23% und 28% pro Jahr gewachsen.» Die komplette Digitalisierung ist das eine. Wie wir sehen, waren zumindestens die westlichen Natio­ nen bereits 2007, was Content betrifft, «durchdigi­ talisiert». 2007, das war das Jahr, als Apple sein erstes iPhone vorstellte und damit eine neue Phase der digitalen Revolution mit Smartphones und Tablets einläutete. Doch es sind nicht diese Geräte alleine, welche als Treiber der Entwicklung fungie­ ren. Die Digitalisierung von Informationen ist die Basis, und es braucht die richtige Hardware dazu. 23 24 Doch absolut zentral sind Geschwindigkeit und Kapazität der Datenkommunikation, abseits inter­ ner Netzwerke. Das Stichwort heisst Breitbandtech­ nologie. Die Definition gemäss Wikipedia: «Ein Breitband-Internetzugang (auch Breitbandzugang, Breitbandanschluss) ist ein Zugang zum Internet mit verhältnismässig hoher Datenübertragungsrate von einem Vielfachen der Geschwindigkeit älterer Zugangstechniken wie der Telefonmodem- oder ISDN-Einwahl, die im Unterschied als Schmalband­ techniken bezeichnet werden. Die Internationale Fernmeldeunion (ITU) definiert einen Dienst oder ein System als breitbandig, wenn die Datenüber­ tragungsrate über 2048 kBit/s (entspricht der Pri­ märmultiplexrate im ISDN) hinausgeht. Die USA nennen in ihrem Nationalen Breitbandplan von 2010 einen minimalen Downstream von 4 MBit/s sowie einen minimalen Upstream von 1 MBit/s. Im Jahr 2015 hat die FCC diese Mindestwerte auf 25 und 3 MBit/s erhöht.» «Neben Telefonnetz, Kabelfernsehen, Glasfaseroder Stromnetz sind mittlerweile terrestrische Funk­technologien eine wichtige Möglichkeit, breitbandigen Datenaustausch zu vollziehen. Die Stichwörter heissen Wireless Internet Access Provider und Wireless Metropolitan Area Networks (WMAN), die einen schnellen Internetzugang erlauben. Dabei kommen unterschiedliche Techno­ logien zum Einsatz, darunter der speziell entwickel­ te WiMAX-Standard, WLAN-Technologien sowie verschiedene funkbasierende Einzellösungen. Mehr oder weniger breitbandige Datendienste können auch Mobilfunkstandards wie LTE, HSDPA, UMTS oder EDGE bieten.» Breitbandkommunikation ist also das nächste grosse «Ding» in der digitalen Revolution. Als Kon­ sument hat man beispielsweise die Möglichkeit, im Live-Stream-Modus Filme oder TV-Sendungen auf seinem Samrtphone oder Tablet aus dem fahren­ den Auto oder Zug zu verfolgen. Vor zehn Jahren noch undenkbar. Breitbandkommunikation hat aber auch gerade für Unternehmensprozesse enorme Bedeutung: Sie erst ermöglicht problemloses funk­ tionierendes Cloud Computing. Und Cloud Compu­ ting ist erst recht das «grosse Mega-Ding», welches die nächste Stufe der digitalen Revolution zündet. Cloud Computing Was sagt uns die «Bibel» der digitalen Revolu­tion, die Kombination aus Google/Wikipedia zum Cloude Computing? «Unter Cloud Computing (deutsch Rechnerwolke) versteht man die Aus­ führung von Programmen, die nicht auf dem loka­ len Rechner installiert sind, sondern auf einem anderen Rechner, der aus der Ferne aufgerufen wird (bspw. über das Internet). Technischer formuliert umschreibt das Cloud Computing den Ansatz, IT-­ Infrastrukturen (z. B. Rechenkapazität, Datenspei­ cher, Netzkapazitäten oder auch fertige Software) über ein Netz zur Verfügung zu stellen, ohne dass diese auf dem lokalen Rechner installiert sein müssen. Angebot und Nutzung dieser Dienstleis­ tungen erfolgen dabei ausschliesslich über techni­ sche Schnittstellen und Protokolle sowie über Browser. Die Spannweite der im Rahmen des Cloud Computings angebotenen Dienstleistungen umfasst das gesamte Spektrum der Informationstechnik und beinhaltet unter anderem Infrastruktur (z.B. Rechenleistung, Speicherplatz), Plattformen und Software.» Einen detaillierten Überblick zu technologischen Details und Chancen und Risiken dieser Technolo­ gie lesen Sie im Text «Privat-, Public- und Hybrid-­ Cloud – Fluch oder Segen?» von Andreas Sidler. Im Zusammenhang mit dem Thema «Die Dynamik des technologischen Fortschrittes, Fokus Digitalisie­ rung» interessieren vor allem die konkreten Aus­ wirkungen auf die Unternehmen der grafischen Industrie. Cloude Computing wird hier gerade von grösseren Unternehmen bereits schon seit längerer Zeit praktiziert. Ein Beispiel ist die NZZ-Gruppe, eine Partnerin der viscom swiss print & communi­ cation assocation im Rahmen der verlegerischen Dienstleistungen des Verbandes. Bei der NZZ-Grup­ pe arbeiten heute alle Mitarbeiter via Cloud Compu­ ting. Konkret, auf keinem der eingesetzten PCs oder Laptops sind Arbeitssoftware-Applikationen installiert. Ob Word-, SAP-, Redaktionssystem oder Telekommunikations-Applikation: Jeder Mitarbei­ ter, greift via Cloud auf die zentral betreuten Applika­t ionen zu. Mitarbeiter die ausserhalb des firmen­eigenen Netwerkes arbeiten, haben via Citrix-­Remote- Access-Software zur Cloud einen Zugang. Lizenzverwaltung, Software-Updates und viele weitere IT-Dienstleistungen konnten so zent­ ralisiert und vereinfacht werden. Ein anderes, für grafische Unternehmen spannen­ des Beispiel ist die Fratelli Roda S.A. aus dem Tes­ sin. 2015 nahm sie ein Update bei ihrem Agfa-Apog­ ee-Workflow vor. Man entschied sich, als eine Weltpremiere, für eine Cloude-Version von Apogee. Die alten Server vor Ort wurden abgebaut, und der Zugang zum Cloud-Workflow erfolgt über Breit­ bandkommunikation. Alle Arbeits- und Kundenda­ ten lagern physikalisch auf einem Zentralrechner des Agfa-Konzerns im belgischen Mortsel. Das Sys­ tem arbeitet problemlos, und zur Drupa 2016 wurde Apogee-Cloud offiziell zum Verkauf freigegeben. Qualifikation der Mitarbeiter, Beziehung zu den Kunden und weitere wichtige Faktoren einer Unter­ nehmensentwicklung werden sich bis 2026 eben­ falls radikal ändern. Praktisch alle Anbieter von Worklow- und Gesamt­ lösungen in der grafischen Industrie bieten mittler­ weile Teil- oder Komplettlösungen für Cloud Compu­ ting an. Obwohl alle, die heute ein Smartphone haben, in irgendeiner Form tagtäglich mit Cloud Computing zu tun haben, ist die Skespis gegenüber dieser Technologie relativ gross. Gerade KMU-Un­ ternehmen bekunden noch Mühe mit dem Gedan­ ken, alles, was an digitalen Daten vorhanden ist und verwendet wird, in fremde Hände bzw. Server zu geben. Die grossen Fragezeichen beziehen sich auf die Faktoren Datensicherheit und Kosten. Was heisst digitale Revolution für Unternehmen? Unabhängig von der Frage, welche Strategie grafi­ sche Unternehmen in den nächsten zehn Jahren verfolgen, oder auf welche Produktionstechnologi­ en man setzen wird: Die digitale Revolution, welche im Tempo wohl noch zunehmen wird, stellt, glaubt man den Apologeten des digitalen Wandels, her­ kömmliche Denkweisen in Frage. Unter den unzäh­ ligen Thesen, die zu diesem Thema im virtuellen Raum schwirren, überzeugen die Ausführungen der Digitalagentur «denkwerk» aus Köln. Oder viel­ leicht liegt es auch am guten Google-Listing, was die Gedankengänge noch glaubwürdiger machen würde. Im «Manifest für digitalen Wandel» findet man, unter anderem, folgende spannende Thesen: «Die digitale Revolution verändert Gesellschaft und Alltagsleben mindestens so nachhaltig wie zuvor die industrielle Revolution. Das Internet darf für niemanden Neuland sein, denn es ist bereits zum Betriebssystem von Gesellschaft und Wirtschaft geworden. Wer das ignoriert, verliert Gestaltungs­ möglichkeiten.» Zum Thema Datensicherheit sei auf den Text von Andreas Sidler verwiesen. Zum Thema Kosten kann man folgende Schlussfolgerung ziehen: Cloud Com­ puting als Alternative zu auf im eigenen Betrieb und auf eigenen Servern installierten Lösungen ist nicht grundsätzlich billiger. Doch Cloud Compu­ ting ermöglicht interessante Perspektiven. Appli­ kationenweiterentwicklung und entsprechende Updates machen es für alle an einer Cloud-Lösung partizipierenden Unternehmen einfacher und flexi­ bler. Das ermöglicht gerade KMU-Betrieben, die heute finanziell gar nicht in der Lage sind, auf allen Ebenen in der IT-Weiterentwicklung an vorderster Front mitzuhalten, neue Möglichkeiten. Abgesehen davon: Es ist gar nicht die Frage, ob die grafischen Unternehmen der Schweiz am Trend des Cloude Computing partizipieren wollen oder nicht. Schaut man sich die aktuellen Lösungen an und überblickt die Ankündigung der Zulieferindust­ rie, sei es bei Anbietern von Software, aber auch von Anbietern von Druckmaschinen/Digital­ drucksystemen, kann es nur eine Schlussfolgerung geben. Die Branche wird bis 2026 vollständig mit Cloud Computing arbeiten, weil sie von der Zulieferindus­t rie dazu gezwungen wird. Aus der Sicht der derer sind die Vorteile des Cloud Compu­ tings einfach zu lukrativ. Mehr Details dazu im Abschnitt «Die Ideen der Zulieferindustrie». Das heisst aber noch etwas anderes: Ob sie es aktiv planen oder nicht, die gra­f ischen Unternehmen von 2026 werden noch viel mehr als heute von der digitalen Revolution verändert. Dabei geht es nicht nur um technologi­ sche Fragen und Arbeitsprozesse. Organisation, «Digitale Tools, Services und Plattformen kön­nen gravierende Veränderungen in allen Bereichen eines Unternehmens bewirken. Um Digitalisie­ rungsinitiativen erfolgreich umzusetzen, ist es besonders wichtig, fachliche Segregation und damit einhergehende Zuständigkeitssilos zu überwinden. Eine erfolgreiche Digitalstrategie ist immer inter­ disziplinär.» «Mit dem Internet der Dinge erreichen wir die nächste Stufe der digitalen Revolution – sie wird vor allem das produzierende Gewerbe betreffen.» «Natürlich hat der digitale Wandel auch Einfluss auf die Geschäftsmodelle etablierter Unternehmen, denn digitale Innovation betrifft keinesfalls nur Internetunternehmen. 75 Prozent des weltweiten Online-Umsatzes von 1,5 Billionen US-Dollar wird von Unternehmen generiert, die ihre Wurzeln nicht im Netz haben.» «Wir müssen verstehen, dass digital kein Marke­ tingbegriff ist. Dass das Internet kein Kanal ist, auf dem Werbebotschaften verbreitet werden. Digital ist keine Sparte, kein Programm. Es muss vielmehr zum Betriebssystem eines erfolgreichen Unterneh­ 25 26 mens werden. Markenstrategie, Produktstrategie, Vertriebsstrategie – alle Aspekte eines Unterneh­ mens sind vom digitalen Wandel betroffen. Oft wer­ den Digitalisierungsinitiativen noch immer isoliert in eigenen Abteilungen oder Projekten gebündelt. Zusätzlich führt ein über Jahrzehnte aufgebautes Rollen- und Hierarchieverständnis dazu, dass ver­ schiedene Abteilungen eines Unternehmens nicht an einem Strang ziehen. Was dabei leicht verloren geht, ist die übergreifende Vision für den digitalen Wandel des Unternehmens.» Weitere Thesen kommen von TRENDONE GmbH. Das Unternehmen ist gemäss eigenen Aussagen Europas Marktführer in der Analyse von MicroTrends und Schlüsseltechnologien in schnelllebigen Branchen. Deren Gründer und Geschäftsführer Nils Müller empfiehlt Entscheidern von grafischen Unternehmen, über den eigenen Tellerrand zu schauen. Die Zukunft von Print basiere eben nicht auf dem Medium Papier selber, sondern vielmehr auf der Erweiterung von digitalen Technologien, der Konvergenz von Print mit diesen Technologien, was völlig neue Geschäftsmodelle erfordern wird. Man muss die Ausgangslage ganzheitlich betrach­ ten und endlich aufhören, immer in den Rückspiegel zu schauen. Das Geschäftsmodell Print, so wie man es in der Vergangenheit betrieben hat, hat kein grosses Entwicklungspotenzial. Doch das ist in den Augen Müllers kein Unglück, sondern vielmehr eine Riesenchance. Print hat eine grosse Zukunft als Konvergenzmedium vor sich, welches Haptik und Elektronik miteinander vereint. Print bietet Riesen­ chancen und ungeahnte Möglichkeiten. Megatrends zur Zukunft von Print Nils Müller sieht fünf wichtige Megatrends als bedeutsam für Print. Der erste Trend heisst «Atten­ tion Economy», präziser Aufmerksamkeitsökono­ mie. In einer digital vernetzten Welt entstehen immer mehr Marken. Die Start-up-Kultur war noch nie so stark wie heute. Jeder kann zum Entrepreneur werden und Marken erfolgreich lancieren. Doch das heisst, der Kampf um die Aufmerksamkeit der Kunden wird immer wichtiger. Da hat Print spezifische Stärken. Wer schaut heute noch eine E-Mail-Marketing-Aktion an? Warum haben sich beispielsweise Amazon oder Zalando entschieden, für ihre Kundschaft, die rein über das Internet bestellt, gedruckte Kundenmagazine zu publizie­ ren? Warum bieten hippe Blogs auf einmal Print­ ableger? Im Fokus steht die Strukturierung im Content-Dschungel, aber auch das Zeigen von Wert­ schätzung. Ein weiterer wichtiger Trend gemäss TRENDONE ist die Konvergenz, konkret: Print wird Teil eines konvergenten Medienmixes. Man weiss, Print ist ein gutes Medium, um einen Kaufentscheid auszulösen. Doch mit Print alleine kann man diesen Entscheid nicht direkt umsetzen. Da gibt es Techno­ logien, die genau das ermöglichen, wie gedruckte Elektronik, Augumented Reality, QR-Code. Auch für die Verpackung bieten konvergente Strategien erst recht riesige Chancen, wie beispielsweise die Elektrolumineszenz Technology an. Trend Nummer drei aus der Sicht von TRENDONE ist die Visualisierung: Das ist die grosse Möglich-­ keit für den Digitaldruck, denn wir leben in einem Zeitalter, wo Kommunikation immer personali­ sierter und individualisierter wird. Hier gibt das Internet mit der 1:1-Kommunikation den Takt vor. Viel Potenzial bietet auch der 3D-Druck mit seinen fast endlos erscheinenden Möglichkeiten und Materialien. Als nächster Trend manifestiert sich das Outernet: sprich, das Internet «springt auf die Strasse». Früher brauchte man, um das Internet zu verwen­ den, einen Browser und einen Computer. Heute findet man das Internet im Kühlschrank, in der Smartwatch, im unter der Haut implantierten Chip. Dadurch verändern sich traditionelle Verhaltens­ weisen dramatisch. So ist beispielsweise das Tele­ fonieren bei den Smart­phone-Benutzern nicht mehr unter den Top Ten der benutzten Applikationen zu finden. Alle Produkte sind vernetzt. Je weiter sich das entwickelt, umso grössere Chance sehe ich da für konvergente Printlösungen. Als fünften Trend kann man die smarten Geräte und Technologien, die immer neue Wege eröffnen, ansehen. Im Hintergrund spielt hier künstliche Intelligenz, die fast nichts mehr kostet, eine wich­ tige Rolle. In diesen Trend können Anwendungen wie IBM Watson, das selbstfahrende Google-Auto oder Smart-Barbie eingeordnet werden. Auf die Frage, was diese fünf Megatrends für gra­ fische Unternehmen bedeuten würden, empfiehlt TRENDONE Folgendes: Digitale Kompetenz gehört zum Kerngeschäft eines grafischen Betriebes, und dementsprechend muss jeder Betrieb das so hand­ haben. Digitale Kompetenz ist langfristig ohnehin wichtiger als Printkompetenz. Heute herrschen im Markt solche Überkapazitäten, dass es für jeden grafischen Betrieb eigentlich kein Problem dar­ stellt, die Herstellung von Druckaufträgen auszula­ gern. Dieser Trend wird sich in den nächsten zehn 27 Jahren noch akzentuieren. Grafische Betriebe sollten sich deshalb wirklich gut überlegen, ob sie ihr ganzes Geld in neue Druckmaschinen inves­ tieren wollen oder doch lieber in Digitalisierung und Konvergenz. Auch müssen sich Druckereien organisatorisch und prozesstechnisch verändern, sprich Abteilungsgrenzen runterreissen, die Mit­ar­beiter aus dem Vertrieb und der Technik aktiv zusammenführen, Quereinsteiger unterstützen, crossmediales Denken fördern. Aber es ist natürlich klar: Jeder Betrieb muss seine eigenen Geschäftsmo­ delle und Lösungen finden. Auch darf man Ideen wie «nicht mehr in den Druck zu investieren» nicht pauschalisieren. Für alle gilt aber gleichermassen: vernetzt denken, die Digitalisierung als Kernauf­ gabe des Unternehmens begreifen und Mittel und Wege finden, sich in der Konvergenz-Wert­ schöpfungskette zu positionieren. Industrie 4.0/Internet der Dinge In den letzten zwei Jahren hat sich in der Diskussion um die Zukunft der grafischen Branche ein weiterer Begriff breitgemacht: Industrie 4.0/Internet der Dinge. Für viele ist es das grosse Zukunftsthema. Doch was meint man eigentlich mit dem Begriff genau? Dr. Sonja Meyer, Scientist für die Eidgenös­ sische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) in der Gruppe «Technologie und Gesell­ schaft» am Standort St. Gallen, beschäftigt sich in ihren Forschungsbereichen mit Themen wie «Inter­ net der Dinge» und «Geschäftsprozessmanage­ ment». Sie hat die Denkfabrik zum jährlichen Schwerpunkt «Print Medien» und «Industrie 4.0» als Dozentin begleitet. Ihre Kurzanalyse zeigt auf, dass Industrie 4.0/Inter­ net der Dinge ein Teilelement der digitalen Revolu­ tion darstellt. Und da dieses Teilelement vor allem für produzierende Unternehmen eine Bedeutung hat, ist es auch wichtig für die grafische Industrie. Für sie ist «Internet der Dinge» die Anwendung des Internets als Plattform für unsere physikalische Welt. Das zentrale Konzept des «Internets der Din­ ge» sind die Dinge selbst, zum Beispiel eine her­ kömmliche Kaffeetasse, die mit dem Internet mit­ hilfe von kleinsten Geräten verbunden werden können. Diese Geräte verfügen über Kommuni­ kationsfähigkeiten (z.B. WLAN) und sind mit soge­ nannten Sensoren, welche Eigenschaften wie die Temperatur der Kaffeetasse messen, oder Aktuato­ ren, welche die Eigenschaften der Kaffeetasse ver­ ändern, ausgestattet. Alltägliche Dinge werden so zu «smarten» Dingen, die miteinander kommunizie­ ren können, zum Beispiel die Kaffeemaschine mit 28 der Kaffeetasse. Wendet man das Konzept des «Internets der Dinge» in einem Fabrikumfeld an, spricht man auch von «industriellem Internet», von der Industrie 4.0 oder gar von der «vierten industriellen Revolution». Prognosen sagen, dass es im Jahr 2020 vierzig Mal so viele Geräte wie Menschen geben wird. Die Industrie 4.0 macht auch vor der grafischen Industrie nicht halt und kann Printme­d ien viele Neuerungen bringen. Im Rahmen eines Beratungsauftrags hat die Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) für die grafische Industrie zwei Hauptkategorien mit Innovationspotenzial identifiziert: 1. Produkte und 2. Geschäftsprozesse. Der Bereich der Produkt­ innovationen wurde beispielhaft anhand des Wegs des Buchs 2.0 zum Buch 3.0 skizziert. Neue Techno­ logien erlauben auf diesem Weg, herkömmliche Objekte zu intelligenten Teilnehmern des Internets zu machen. Eine wichtige Rolle spielen Mittel zur eindeutigen Identifizierung der Objekte wie QR-Code, RFID und NFC-Chips. Am Ende der Evo­ lution wird das intelligente Objekt «Buch» gleich­ zeitig Teil der digitalen und der physischen Welt, so dass das Buch nicht nur seine Leser kennt, sondern sogar die Leseumgebung (Licht dimmen, Fernsehapparat ausschalten) anpassen kann. Die Objekte können auch Produkte wie Eintrittsoder Visitenkarten umfassen, die durch die unsicht­ bare Integration von Chips plötzlich intelligent werden. Oder Poster können in Kombination mit iBeacons, die auf Bluetooth-Technologie basieren, Werbebotschaften im Umkreis von 40 Metern aus­ senden. Facebook, das derzeit als eine der grössten Plattformen des «Internets der Dinge» gehandelt wird, kann zum Netzwerk von klassischen Print­ medien werden. Neben Produktinnovationen kann das «Internet der Dinge» der grafischen Industrie vor allem Neue­ rungen für herkömmliche Produktions- und Geschäftsprozesse bringen. Grafische Produkte können ein Gedächtnis haben und wissen, wie sie gefertigt werden, ihren Zustand und ihre Auf­ tragstasche beinhalten, oder sie können Maschinen anweisen, sie auf eine bestimmte Art zu verarbei­ ten. Hier werden die Druckmaschinenhersteller enorm unter Zugzwang gebracht: Sie müssen vor­ handene Maschinen um die neue Internettechnik ergänzen oder neue Maschinen mit der aktuellen Technik ausstatten. Potenzielle Optimierungs­ szenarien für Prozesse ergeben sich häufig erst bei der Betrachtung des Gesamtprozesses, der von einer Vielzahl von Maschinen, die seit Jahren im Einsatz sind, abhängen kann. Die Ideen der Zulieferindustrie Digitalisierung, Cloud Computing, Internet der Dinge, Industrie 4.0. Befasst man sich mit der Thematik, besteht das Risiko, sich schnell einmal in Schlagwörtern zu verlieren. Generelles Wissen um technologische Trends ist zwar wichtig, doch Entscheider von grafischen Betrieben wollen konkret wissen, wie und wo sie genau in zehn Jah­ ren stehen sollten. Hierbei muss man realistisch bleiben. Exakte Prognosen für die digitale Revolu­ tion sind nicht machbar. Blenden wir zehn Jahre zurück: Breitbandkom­ munikation war damals ein viel diskutiertes The­ ma, doch in einem «Zeitalter» ohne Smartphone konnten sich nur die wenigsten darunter etwas vorstellen. Hätte man 2006 jemanden gefragt,was eine «App» sei, hätte man nur Schulterzucken als Antwort erhalten. Hätte jemand prognostiziert, dass Nokia 2016 keine Mobiltelefone mehr herstelle und sich im Healthcare-Bereich betätige, wäre man für verrückt erklärt worden. Doch genau das ist das Tempo der digitalen Revolution. Darum: Wie sich die Situation konkret im Jahre 2026 für grafische Betriebe darstellt, kann man heute nur anhand der aktuellen Trends erahnen. Mehr nicht. Um trotzdem einen möglichen Ausblick zu liefern, hier konkrete Lösungen und Ideen von einem Unternehmen aus der Zulieferindustrie: Die Heidelberger Druckma­ schinen AG. Sie wurde für das Beispiel ausgewählt, weil sie neben Software auch Druckmaschinen und Weiterverarbeitungsgeräte anbietet. Man hätte auch eine Agfa, HP, Kodak, KBA oder Komori neh­ men können. All diese Unternehmen stellten an der Drupa cloudbasierende Konzepte vor, die bereits heute eine Vorahnung für die Druckwelt des Jahres 2026 ermöglichen. Aus Platzgründen mussten wir uns aber auf das konkrete Beispiel beschränken. Smart Print Shop von Heidelberg Heidelberger Druckmaschinen AG hat für ihre Kun­ den eine klare Vision: Eine industrielle Produktions­ kette, die sich so einfach bedienen lässt wie das Smartphone in der Tasche. Gemäss Heidelberg hält die totale Digitalisierung Einzug in die Industrie – und verwandelt komplexe Prozessabläufe in eine intelligente Produktion. Auch im Printbereich. Der Schlüssel heisst Vernetzung. Wo bislang in vielen industriellen Produktionsbereichen noch Datensilos und Einzelsysteme dominieren, bringt der digitale Wandel in der Druckindustrie elementare Verände­ rungen mit sich. Der Smart Print Shop von morgen zeichnet sich durch die vollständige Integration ganzer Prozessketten und ein intelligentes Manage­ ment aus. Komplexe Vorgänge regeln sich einfach selbst. Individualität, Flexibilität und autonome Intelligenz sind die Kernbotschaften des digitalen Strukturwandels. Kurze Lieferzeiten und niedrige Stückzahlen – das sind die Werte, an denen sich künftig alle Branchen messen lassen müssen. Prinect, der Druck- und Medien-Workflow von Hei­ delberg, versteht sich als Herzstück der industriel­ len Druckproduktion. Damit lassen sich integrierte Prozesse entlang der gesamten Wertschöpfungskette umsetzen, und zwar anwendungsübergreifend und gleichwertig zwischen Offset und Digital. So entsteht ein stabil funktionierendes System aus Maschine, Workflow, Anwendungstechnik, Verbrauchsmaterialien und Serviceleistungen mit dem Ziel, intelligente Lösun­ gen zu schaffen. Eine elementare Rolle spielen dabei Daten. Nur wer sämtliche Informationen in Echtzeit zur Verfügung hat, kann seine Prozesse optimal steuern und nachvollziehbare Entscheidun­ gen treffen. So stehen Software, Support oder Dokumentationen via Cloud Services jederzeit im Heidelberg- Kundenportal zum Abruf bereit. Auf der anderen Seite liefern integrierte Maschinensen­ soren, die miteinander kommunizieren, ständig Informationen. Die richtige Auswertung macht aus «Big Data» Daten mit Mehrwert. Dazu verbindet das Heidelberg Remote Services-Netzwerk mehr als 10 000 Maschinen und 15 000 Softwareprodukte zu einem industriellen Internet der Dinge. Diese Ba­ sis ist dabei entscheidend für die Qualität der ein­ zelnen Service-Produkte und Produktivitäts-Emp­ fehlungen. Damit hilft Heidelberg ihren Kunden bei der Verfüg­ barkeit ihrer Druckmaschinen, aber auch bei der Steigerung der Produktivität. Eine integrierte Kom­ munikation entlang der gesamten Prozesskette, gepaart mit intelligenter Automation – das ist die Zukunft der industriellen Digitaldruckproduktion. Mit intelligenten Systemen, einer durchgängigen Vernetzung der Produktion sowie leistungsfähiger Soft- und Hardware wird Drucken in Zukunft künf­ tig viel vernetzter sein als heute. Digitale Revolution verstehen Ist Ihnen etwas aufgefallen? Im ganzen Kapitel «Die Dynamik des technologischen Fortschrittes, Fokus Digitalisierung» wurde überhaupt nicht auf die Fra­ ge, in welche Drucktechnologien die grafischen Betriebe investieren sollen, eingegangen. Das war bewusst. Nicht weil die Herstellung von Printpro­ dukten im Jahr 2026 obsolet sein wird, im Gegenteil. Doch wer sich mit dem technologischen Fortschritt vertieft befasst, erkennt, dass nicht die richtige Drucktechnolgie, sondern die «digitale Revolution» die Hauptherausforderung für grafische Unterneh­ men in den nächsten zehn Jahren darstellt. Im Kapitel wurde versucht, die Herausforderungen und die Konsequenzen der digitalen Revolution auf­ zuzeigen. Nur die wenigsten grafischen Unterneh­ men sind heute genügend auf diese Herausforde­ rung vorbereitet. Doch man kann sich trösten: Nur eine Minderheit aller Unternehmen in der Schweiz in allen Wirtschaftszweigen wäre heute in der Lage, sich in der digitalen Welt von 2026 zu behaupten. Es bleiben immerhin noch 10 Jahre. Doch gedank­ lich sollte man sich sehr schnell mit den Herausfor­ derungen des totalen digitalen Wandels vertraut machen. Heute ist es selbstverständlich, in den grafischen Betrieben einen technischen Verant­ wort­l ichen, einen Finanzcontroller, oder einen Innendienstmitarbeiter zu beschäftigen. Zwingend bräuchte es ebenfalls einen Verantwortlichen für die «digitale Revolution», der den Unternehmen hilft, sich in dem schnellen Veränderungsprozess zurechtzufinden. Dabei stehen wir an der Schwelle einer Entwicklung, die noch viel mehr Veränderun­ gen mit sich bringen könnte. Siehe 3D/4D-Druck oder künstliche Intelligenz. Doch es wäre unredlich, hierzu aus der heutigen Perspektive irgendwelche verbindliche Aussagen zu machen. 29 30 Individualisierte Massenfertigung in der Printindustrie – Es geht! — Eduard Neufeld Individualisierung und Komfort Seit geraumer Zeit ist die Individualisierung als gesellschaftliches Phänomen erkennbar. Mit wach­ sendem Wohlstand offenbart sie sich in einem zunehmenden Grad individualisierter Produkte, die oftmals mit einer persönlichen Komfortsteigerung einhergehen. Dieser Trend folgt der berühmten «Bedürfnispyramide» des US-amerikanischen Psy­ chologen Abraham Maslow, die die Hierarchie menschlicher Bedürfnisse beschreibt. Ihr zufolge gewinnen Individualisierung und Selbstverwirkli­ chung für Menschen an Bedeutung, wenn zuvor die elementaren Grundbedürfnisse nach Nahrung und Sicherheit sowie die seiner sozialen Integration weitgehend befriedigt sind. Die fortschreitende Individualisierung und das Streben nach Selbstverwirklichung sind folglich keine Modeerscheinung einzelner Kulturkreise, sondern ein dauerhafter und mit dem Wachstum des Bruttoinlandprodukts verbundener Trend. Hochkonsolidierte Industrien haben diesem Phäno­ men frühzeitig Rechnung getragen. Als besonders eindrucksvolles Beispiel mag die Autoindustrie die­ nen, für die noch in den 1970er-Jahren langanhal­ tende Gewitterwolken aufzogen. Allenthalben war von der Ölkrise die Rede, zwischen den Metropolen entstanden sehr schnelle Zugverbindungen, im Selbstverwirklichung ( z.B. kulturelle, ) Individualbedürfnisse ( z.B. Anerkennung, ) Soziale Bedürfnisse ( z.B. Gemeinschaft, Kommunikation) Sicherheitsbedürfnisse (z.B. Wohnen, Versorgungssicherheit) Physiologische Bedürfnisse ( z.B. Essen Trinken) Darstellung der Bedürfnishierarchie nach Maslow. Laufe der Zeit wurden Flüge billiger und seit den späten 1990er-Jahren musste man auch noch befürchten, dass die Zunahme von Videokonferen­ zen das berufliche Reisen insgesamt eindämmen würde. Die Autoindustrie reagierte mit bemerkens­ werter Entschlossenheit. Es wurden gigantische Anstrengungen unternommen, um – auf einen Nenner gebracht – Autos individueller und komfor­ tabler zu gestalten oder sie gar zum Gegenstand der Selbstverwirklichung zu erheben. Die Konfigu­ ration von Wagenfarbe, Motorisierung, Radfelgen, Sitzleder usw. wurde ebenso individuell möglich wie die der persönlichen Komfortmerkmale: Navi­ gationssystem, Klimaanlage, beheizbare Sitze, Ein­ parkhilfe etc. Freilich wäre diese Strategie, sofern sie durch eine Rückkehr zur Manufaktur erkauft worden wäre, für sich noch nicht so bemerkenswert. Der entscheidende Schritt lag vielmehr in einem Paradigmenwechsel hin zur individualisierten Massenfertigung (engl. mass customization), also der Herstellung jeweils einzigartiger Fahrzeuge unter Beibehaltung kostenreduzierender Skalen­ effekte. Die Schwierigkeiten, derart kundenspezifi­ sche Autos im Rahmen einer Massenproduktion herzustellen, sind nicht hoch genug einzustufen und trieben sowohl die Automobilhersteller als auch die Zulieferindustrie bis an ihre Grenzen. Im Ergebnis fahren heute mehr Autos denn je auf unseren Strassen. Die höchsten Margen werden gerade mit der Sonderausstattung erzielt, also mit den kundenindividuellen Merkmalen. Auch in anderen, dem Print- und Medienbereich thematisch vielleicht näher liegenden Industrien wie dem Musikmarkt wurden fundamentale Schrit­ te in Richtung einer zunehmend individualisierten Gesellschaft unternommen. Und auch hier war zunächst eine Untergangsstimmung zu verzeich­ nen, nachdem mit dem MP3-Format der kostenlose, wenn auch meist illegale Tausch von Musikdateien übers Internet im grossen Stil begann. Unter jungen Menschen galt es teilweise geradezu als antiquiert, für Musikdateien zu bezahlen. In Deutschland, um ein Beispiel zu nennen, sank der Umsatz alleine in den Jahren 2000 bis 2004 um 30%. Mit der Ein­ führung von iPod und iTunes gelang eine Trendum­ kehr bzw. Stabilisierung der Musikumsätze. Und wieder war es der Schritt hin zu einem individuali­ sierten und von hohem Komfort gekennzeichneten Massenangebot, der den Durchbruch brachte. Playlists konnten nunmehr völlig individuell auf Kleinstabspielgeräten eingerichtet und die zuge­ hörigen Musikstücke bequem durch Anklicken gekauft werden. Offensichtlich waren die gleichen Menschen, die zuvor nicht mehr für Musik bezahlen wollten, sehr wohl bereit, für erhöhten Komfort und Individualität Geld auszugeben. Allerdings ist anzumerken, dass die Gewinner dieser Entwicklung nicht die Musikproduzenten waren, sondern die Technologie- bzw. Plattform­ anbieter mit Endkundenbeziehung. Aktuell wird dieses «geschlossene Ökosystem Apple», wie es in der Szene genannt wird, durch Streamingdienste wie Spotify & Co angegriffen, was Apple wiederum zu eigenen Streaming-Angeboten veranlasst hat. Aus Konsumentensicht geht es hierbei nicht darum Geld zu sparen, sondern erneut um eine Steigerung des persönlichen Komforts und der Flexibilität, sich nicht durch Käufe festlegen zu müssen, sondern jeden Tag und jede Stunde eine völlig individuelle Musikauswahl treffen zu können. Druckindustrie im Zeitalter von Industrie 4.0 Auch im Bereich der Medien tritt eine immer feinere Aufspaltung in Druck, Radio, TV, Internet und Sozi­ alen Netzwerken auf. In der Druckindustrie nehmen wir die Transformation durch aufwändigere Verpa­ ckungen und kleiner werdende Auflagen bis hin zu individualisierten Produkten schon seit vielen Jah­ ren wahr. Wir brauchen uns nur beispielhaft zu ver­ gegenwärtigen, wie viele Varianten ein Supermarkt etwa im Kosmetikbereich zu Zeiten unserer Kind­ heit geführt hat und wie viele es heute sind. Ohne der Kosmetikindustrie zu nahe treten zu wollen, wird wohl niemand annehmen, dass sich die Inhalte tatsächlich derart stark unterscheiden, wie es die wohldifferenzierten und kunstvoll gedruckten Ver­ packungen glauben machen sollen. Dennoch haben wir, so selbstkritisch sollten wir sein, bei Weitem nicht den Reifegrad der oben geschilderten Beispiele erreicht. Die Daten, die den Druckauftraggebern 31 32 Traditionelle Druckerei Auftraggeber Einfache Individualisierung: – Anrede – Adresse – Losnummer (Lotterie) – etc. – nal ptio –O Manuell Auftragsannahme Oder: proprietär elektronisch Vorstufe: Datenaufbereitung Sammelformmanager Druckform: Offset, Flexo MIS, Workflow-SW Druck Druckweiterverarbeitung Logistik MIS, Workflow-SW Traditionelle Druckerei: Der Auftraggeber übergibt seine Daten in der Regel «manuell» in Form von E-Mails, FTP-Transfer etc. Dadurch sind entweder dem Grad der Individualisierung oder der Massenfertigung Grenzen gesetzt. (Optionale Bestandteile sind gestrichelt.) vorliegen, werden nur bis zu einem sehr geringen Grad dazu genutzt, Endkunden gezielt und individu­ ell über Printmedien anzusprechen. Beispielsweise werden Sie auch heute noch oftmals von Touristik­ unternehmen einen umfangreichen Reisekatalog ins Haus geschickt bekommen, obwohl das Unter­ nehmen bereits von der Reise aus dem Vorjahr weiss, dass Sie auf Grund Ihrer Kinder auf die Ferien eines bestimmten Kantons oder Bundeslands ange­ wiesen sind und ein charakteristisches Budget für den Urlaub zur Verfügung haben, folglich also nur ein Bruchteil des Angebots für Sie relevant ist. Wer sich hierüber als Drucker freut, weil ein umfangrei­ cher Katalog doch besser sei als ein dünnes, perso­ nalisiertes Angebot, übersieht vielleicht die Gefahr, bald schon vollständig von gezielter arbeitenden Medien verschiedenster Art substituiert zu werden. Den grössten Teil der heutigen Druckdienstleister würde man – im Sinne der Einordnung nach indus­ triellen Revolutionen – zur Industrie 3.0 zählen. Ihr konstituierendes Merkmal ist ein hoher Automa­ tisierungsgrad. Aus den ursprünglich kleinen Handwerksbetrieben wurden nach industriellen Mass­stäben arbeitende Unternehmen, die Prozess­ standards anwenden und eine gleichbleibend hohe Qualität ebenso wie eine hohe Kosteneffizienz gewährleisten. Gewiss hat auch die Fogra beispiels­ weise mit dem ProzessStandard Offsetdruck (PSO), dem ProzessStandard Digitaldruck (PSD) sowie den Methoden des Colour Managements massgeblich zu dieser standardisierten Arbeitsweise beigetragen. Die Zulieferbetriebe haben ihrerseits IT-gestützte Arbeitsabläufe und Druckmaschinen mit immer grö­ sserem Durchsatz bereitgestellt. Ohne Frage wird dieses Konzept, das bisweilen etwas spöttisch durch die Attribute «grösser, breiter, schneller» charakte­ risiert wird, auch in Zukunft manchem Drucker ein hervorragendes Geschäftsmodell bieten, wenn er es schafft, dem hohen Kostendruck durch Skalen­ effekte und Effizienzsteigerungen zu begegnen. Gleichzeitig wird es aber auch für viele Drucker rat­ sam sein, sich zunehmend von der Analogie zur Autoindustrie leiten zu lassen und einen höheren Individualisierungsgrad der Produkte im Rahmen einer hoch-flexiblen (und dadurch weiterhin kosten­ effizienten) Produktion anzustreben. Diese Konzep­ te hängen eng mit dem Vernetzungsgedanken der Industrie 4.0 zusammen. Ihre Umsetzung stellt den Druckdienstleister aus Sicht des Autors technisch wie organisatorisch vor drei zentrale Herausforderungen: – Big Data oder das «Internet der Dinge und Dienste»: Auf Basis einer intelligenten Datengenerierung seitens des Druckeinkäufers – eventuell in Koope­ ration mit dem Druckdienstleister – müssen die Informationen über offene, standardisierte Schnittstellen zum Drucker gelangen. Hier setzen sich XML-basierte Formate durch. Die Qualität der datentechnischen Kundensegmentierung hat erhebliche Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Druckerzeugnisse und die Kosteneffizienz des Prozesses. Mit der (automatisierten) Auftragsannahme ent­ steht ein JDF-Jobticket, das alle Auftrags- und Produktionsdaten einschliesslich logistischer Informationen enthält. Bei Bedarf sind Aspekte der Authentizität, Verschlüsselung sowie Datensicherheit zu berücksichtigen. Der Abarbeitungs­ status des Jobs kann vom Kunden, dem Druckein­ käufer, jederzeit eingesehen werden. Auftraggeber Kundensegmentierung Individualiesierung Moderne Druckerei Onlineshop Sammelformmanager Druckform: Offset, Flexo MIS, Workflow-SW Datengenerierung Marketing-Intelligenz Umfangreiche Kundendatenbasis Vorstufe: Datenaufbereitung Druck Standartisierte DB-Schnittstelle auf Basis XML Druckweiterverarbeitung Logistik MIS, Workflow-SW Moderne Druckerei: Über eine standardisierte, flexible Datenbankschnittstelle können variable Daten vom Auftraggeber jederzeit empfangen werden. Die durch kleinteilige Segmentierung oder Individualisierung besonders geforderten Bereiche sind farblich hervorgehoben. – Horizontale Integration der Geschäftsvorfälle: Der Druckdienstleister bildet die Geschäftsvor­ fälle der gesamten Wertschöpfungskette von der Auftragsannahme bis hin zur Versandlogistik digital ab und richtet seine Technologien ebenso wie die Organisation darauf hin aus. Das Ziel besteht darin, hochflexible Losgrössen, bedruck­ stoffunabhängiges Farbmanagement und eine produktionsbegleitende Qualitätssicherung gewährleisten zu können. Je nach Geschäftsfeld können auch Aspekte der Produktintegrität dazu­ kommen, z.B. bei Verpackungen für Pharmaka oder Lebensmittel. – Vertikale Integration der Fertigungsschritte: Die Produktion wird modularisiert, zum Beispiel im Hinblick auf die Hybridproduktion von Offsetund Digitaldruck oder allgemeiner nach Gesichts­ punkten von Losgrössen. Im Sinne des Internets der Dinge (siehe oben) sind die Maschinen und Geräte untereinander vernetzt, um eine optimale Auslastung zu erreichen. Man kann auch sagen: «Die Jobs suchen sich die Maschine.» Standardisierte Prozesse und Verbrauchsmate­ rialien bilden das Rückgrat einer effizienten Produktion. Beispielhaft sei hier angeführt, dass die Heidelber­ ger Druckmaschinen AG auf der Drupa 2016 unter diesen Gesichtspunkten das Konzept «Push to Stop» vorgestellt hat. Schon mit dem Namen verbindet der Hersteller die Vision voll automatisierter Prozesse und dreht dabei die übliche Vorgehensweise auf den Kopf: Nicht mehr der Drucker soll die Druckpro­ zesse starten, sondern die Maschinen erledigen dies automatisch. Der Drucker greift in diesem Konzept vielmehr als überwachende Instanz nur noch bedarfsweise ein, um beispielsweise den Prozess zu unterbrechen («stop») oder zu steuern. Nach den einleitenden Ausführungen zur Auto­ mobilindustrie wird es den Leser auch nicht weiter überraschen, dass Heidelberg sich in diesem Zusam­ menhang der Paradigmen der Automobilindustrie bedient. So vergleicht man beispielsweise ganz tref­ fend das autonome Fahren mit dem «autonomen Drucken» und spricht von «Intelliguide Navigation», dem Navigationssystem für den Bediener. Man darf gespannt sein, welche Effizienzsteigerungen gerade auch für kleine Losgrössen durch solche Konzepte dieses und natürlich auch anderer Druckmaschi­ nenhersteller sowie sonstiger Zulieferbetriebe mög­ lich werden. Freilich ist es auch in diesem Zusammenhang rat­ sam, über den Tellerrand zu schauen und zu sehen, welche Fortschritte andere produzierende Branchen erzielt haben, etwa beim Einsatz der Robotik. Es verwundert daher nicht, dass progressive Druck­ dienstleister beispielsweise schon damit begonnen haben, programmierbare Robotorsysteme an ver­ schiedenen Stellen des Druck-, Druckweiterverar­ beitungs- und Logistikprozesses einzusetzen. Beispiele innovativer Druckkonzepte Moderne Fotobuchdrucker arbeiten bereits nach den Prinzipien der individuellen Massenfertigung und können in diesem Zusammenhang als Vorreiter angesehen werden. Dabei setzen sie oftmals noch proprietäre (d.h. hauseigene) elektronische Schnitt­ stellen ein, die sie für sich entwickelt haben. Weitere Beispiele finden sich naheliegender Weise auch im Bereich der Social Media, wo grosse, indivi­ 33 34 «Pseudoindividualisierung»: Zunächst mit einer überschaubaren Anzahl von Vornamen gestartet, wurde das Angebot inzwischen (auch auf Kosenamen) drastisch ausgeweitet. Es bleibt jedoch bei der Losfertigung. duelle Datenmengen in Form von Bildern, Texten und Kommunikationspfaden vorliegen. Auf deren Basis können in automatisierter Weise ebenfalls Fotobücher sowie andere vergleichbare Produkte hergestellt werden. Allerdings muss betont werden, dass diese Form vollständiger Individualisierung mit Losgrösse 1 wegen des hohen technischen, logistischen und organisatorischen Aufwands sowie der damit ver­ bundenen Stückkosten nur eine überschaubare Anzahl von Geschäftsmodellen erlaubt. Vielmehr sollte man sich vergegenwärtigen, dass es um die Wahrnehmung durch den Endkunden und nicht um die tatsächliche Losgrösse geht. Das primäre Ziel sollte darin bestehen, dem Endkunden das Gefühl zu vermitteln, er werde individuell behandelt. In der Tat werden vermutlich weit mehr margenträchtige Geschäftsmodelle durch Formen der «Pseudoindivi­ dualisierung» ermöglicht. Damit soll in diesem Arti­ kel das Konzept bezeichnet werden, bei dem Indivi­ duen in geeigneten Gruppen zusammengefasst werden, so dass sie sich immer noch persönlich angesprochen fühlen, während zugleich noch ein kostengünstigerer Auflagendruck möglich ist. Ein ausgesprochen interessantes Beispiel in diesem Sinne lieferte Coca Cola 2013 mit dem bis heute erfolgreichen «Meine Coke»-Konzept, das inzwi­ schen von mehreren anderen Unternehmen (Nutel­ la, Nike etc.) in gleicher oder ähnlicher Weise über­ nommen wurde. Auf einer eigens dafür eingerichteten Internetseite können sich Kunden über das Internet eine Cola-Fla­ sche bestellen, deren Etikett ihren Namen trägt («Trink ‘ne Coke mit …»). Dieses Geschäftsmodell ist Coca Cola so wichtig, dass das Unternehmen erst­ mals in seiner Geschichte aus Platzgründen auf den charakteristischen, geschwungenen Schriftzug auf seinem Etikett verzichtet. Der Grund für diese ausserordentliche Massnahme ist die bemerkens­ wert hohe Marge, die damit erzielt werden kann. Die 0,2-L-Flaschen werden für 1,99 € (zzgl. Pfand und Versand) angeboten. Zum Vergleich sei angeführt, dass Flaschen ohne Individualisierung im Versand­ handel aktuell für ca. 1,09 € (und damit um 90 Cent billiger) angeboten werden. Offenbar scheint vielen Kunden ein derart individualisiertes Produkt den Aufpreis wert zu sein. Tatsächlich aber handelt es sich, und das macht dieses Beispiel spannend, eben nicht um echte Individualisierung. Vielmehr kommt die oben angesprochene Pseudoindividualisierung zum Zuge, bei der einfach die am häufigsten vor­ kommenden Namen auf Vorrat hergestellt werden. Da es für den Kunden in jedem Fall zur selben indivi­ duellen Erfahrung kommt, kann man die Pseudo­ individualisierung als ein geradezu ideales Vehikel zur Steigerung der Kosteneffizienz verstehen, bei 35 dem je nach Losgrössen neben dem Digitaldruck auch konventionelle Druckverfahren ins Spiel kom­ men können. Auch die eingangs angesprochenen Reisekataloge wären ein typischer Anwendungsfall der Pseudoindividualisierung und somit keinesfalls zwingend dem Digitaldruck vorbehalten. Transformation der Druckindustrie Dass das Änderungstempo in der Druckindustrie ein anderes ist als beispielsweise in der Automobil­ industrie und zahlreiche Geschäftsmodelle über lange Zeit nebeneinander bestehen werden, ist bereits in der Branchenstruktur begründet. In der Automobilindustrie existiert ein Oligopol von Unternehmen, die über den Endkundenkontakt ver­ fügen. Die Autohersteller konnten somit, nachdem sie für sich grosse Vorteile in der kundenindividuel­ len Massenfertigung erkannt hatten, die Zulieferer teils mit grosser Härte dazu zwingen, den von ihnen ersonnenen Weg mitzugehen. Betriebe, die das nicht schafften, blieben dabei auf der Strecke. In der Druckindustrie gibt es eine unüberschaubare Menge von Auftraggebern und Druckdienstleistern. Grossunternehmen im Sinne eines Oligopols mit erheblichen Forschungs- und Entwicklungsbudgets findet man vor allem auf der Zulieferseite, insbeson­ dere bei den Druckmaschinenherstellern. Diese können, wie oben am Beispiel des «Push-to-Stop»Konzepts aufgezeigt, verschiedene Lösungen in Richtung kundenindividueller Massenfertigung und Industrie 4.0 anbieten, werden sie ihren Kun­ den, den Druckdienstleistern, aber natürlich nicht aufzwingen. Der Druck für die Transformation der Geschäftsmodelle geht in der Regel aber von den Unternehmen aus, die den Endkundenkontakt hal­ ten. Moderne Druckdienstleister sind daher gut beraten, alle Chancen zu nutzen, um mit den Ent­ scheidern der für sie relevanten Druckauftraggeber (und nicht alleine mit den «Einkäufern») in Kontakt zu kommen, um neue Ideen und Konzepte zu disku­ tieren. Versteht der Druckdienstleister die Endkun­ denstrategie seines Auftraggebers, kann er auch die richtigen Geschäftsideen verfolgen und die damit verbundenen technischen, organisatorischen und logistischen Anpassungen rechtzeitig vornehmen. Fazit Zusammenfassend kann man sagen, dass es gefähr­ lich wäre, sich mit Blick auf einen nachhaltigen Druckumsatz alleine auf die «Liebe zum Körperli­ chen», also auf die ästhetischen und haptischen Vorzüge des Gedruckten zu verlassen und weiterzu­ machen wie zuvor. Zwar wird auch in Zukunft der nicht-individualisierte Druck den Löwenanteil aus­ machen und somit für zahlreiche Druckereien wei­ terhin ein erfolgreiches Modell darstellen, sofern sie mit den kleinen Margen bzw. dem hohem Kosten­ druck klarkommen. Jedoch werden diese Druckerei­ en mit einer Vielzahl anderer, bereits existierender oder vielleicht noch entstehender Medienformen konkurrieren müssen. Als Konstante über die Zeit hat sich erwiesen, dass derjenige Marktspieler gewinnt, der das Bedürfnis des Konsumenten nach Individualität und Komfort befriedigt. Die drei zentralen Herausforderungen Big Data, horizontale Integration und vertikale Inte­ gration können als Prüfsteine für eine zielgerichtete Umsetzung dieser Strategie dienen. 36 Privat-, Public- und Hybrid-Cloud – Fluch oder Segen? — Andreas Sidler Alleine in der Schweiz gibt es mittlerweile Hunder­ te Firmen, welche Cloud-Dienstleistungen anbie­ten. Wer heute das Internet nutzt, ist täglich mit Cloud-Diensten verbunden, auch wenn sich dessen nicht immer alle bewusst sind. Im Tram auf dem Handy die Zeitung lesen, im Facebook ein neues Foto hochladen und anschliessend noch einen Tisch im Restaurant reservieren, das alles ist heute dank Cloud-Diensten möglich. Cloud-Dienste sind also keine Zukunftsmusik, sondern Realität und werden omnipräsent angeboten und genutzt. Wo Privatper­ sonen aller Altersstufen keine Mühe mit der Nut­ zung von Cloud-Dienstleistungen haben, tun sich viele Unternehmen eher schwer, obwohl solche Dienstleistungen insbesondere auch aus wirt­ schaftlicher Sicht äusserst attraktiv sind. Grund dafür sind oft Vorurteile sowie fehlende und falsche Informationen. Die nachfolgenden Ausführungen sollen aufzeigen, welche Vorteile, Nachteile, Chancen und Risiken mit der Nutzung von Cloud-Dienstleistungen beste­ hen und welches die aktuellen und künftigen Ein­ satzgebiete sind bzw. sein werden. Cloudund Cloud Computing? Diese Begriffe werden zwar oft genutzt, sind aber nicht normiert. Nachfolgend eine Definition, die kurz beschreibt, worum es hier eigentlich geht. Mit Cloud Computing wird das Anbieten und Nutzen von Dienstleistungen über ein Datennetz bezeich­ net. Sowohl Angebot als auch Nutzung dieser Dienstleistungen erfolgen dabei dynamisch und decken praktisch alle Bereiche der Informations­ technologie ab. Mehrheitlich steht hinter Cloud Computing der Zweck, Speicherkapazitäten, Software, Rechenleistung wie auch ganze ITInfra-strukturen als dynamisch nutzbare Dienste (so genannte Services) im Internet anzubieten oder zu beziehen. Diese Angebote stehen in der Regel den Nutzenden unterbruchfrei, das heisst rund um die Uhr 24/7/365, zur Verfügung. Weshalb wird von Cloud gesprochen? Die Wolke wurde oft für IT-Schemen als Zeichen für die «Aussenwelt», bspw. das Internet angewandt. So hat sich der Begriff «Cloud Computing» entwickelt und bedeutet heute übersetzt Rechenleistung aus der Wolke (engl. Cloud). Wozu Cloud Computing? Cloud Computing verfolgt unterschiedliche Zielset­ zungen. Ein wichtiger Aspekt für ein Unternehmen ist, dass sich dieses dank Cloud Computing auf das Kerngeschäft konzentrieren kann, ohne sich um IT- oder Software-Belange kümmern zu müssen. Die gewünschten IT- und Software-Ressourcen werden nicht mehr mit eigenen Infrastrukturen und eige­ nem Personal betrieben, sondern bei einem Anbieter in der Cloud gemietet. Dank klar definierter Verein­ barungen, so genannten «Service Level Agree­ ments» (SLA), sind die Kosten kalkulier- und damit auch planbar. Zudem ergibt sich in dieser Konstella­ tion auch eine willkommene Flexibilität für das Unternehmen, da Cloud-Dienste bei Bedarf erwei­ terbar sind, aber auch reduziert werden können. Eine Flexibilität, welche mit In-House-Infrastruk­ turen und eigenem Personal ausgeschlossen ist. Beim «Cloud Computing» ist zudem das Endgerät des Nutzers (PC, Tablet, Smartphone …) nicht mehr relevant. Es genügt eine Verbindung zum Internet, um die gewünschten Dienste nutzen zu können. Welche Dienstleistungen können aus der Cloud bezogen werden? Es lassen sich im Wesentlichen drei Modelle unterscheiden: – « Software-as-a-Service» (SaaS) Mit SaaS wird Software, das heisst bestehende Programme, zur Verfügung gestellt. Diese Programme laufen beim Anbieter auf Servern in der Cloud. Der Kunde muss sich weder um Installation und Server-Hardware noch um den Betrieb kümmern. Er greift mit dem Webbrowser über das Internet auf die gewünschte Software zu. Beispiele: MSFT Office 365, Google Talk (Telefonie), WordPress (CMS). – «Platform-as-a-Service» (PaaS) Mit PaaS wird neben der Hardware- und Betriebssystem-Basis auch die Anwendungsinfrastruktur oder die gesamte Entwicklungsplattform im Mietmodell bezogen. Der Kunde kann diese nutzen, muss sich aber nicht mit der technischen Umsetzung dieser Services befassen. Beispiele: Eine Testumgebung zeitlich beschränkt aufbauen, um eine Software zu testen. Eine Backup-Plattform in der Cloud nutzen. – «Infrastructure-as-a-Service» (IaaS) Mit IaaS wird eine virtualisierte IT-Infrastrukturumge­ bung über ein öffentliches oder privates Netzwerk zur Verfügung gestellt. Kunden nutzen so Server, Netzwerk und Rechenleistung als virtualisierten Service über das Internet. Es lassen sich so voll­ ständige Rechenzentren in einer Cloud in wenigen Minuten bzw. Stunden betriebsbereit konfigurie­ ren, was in den eigenen Räumlichkeiten Wochen und Monate in Anspruch nehmen würde. Der Kun­ de muss also keine Investition in die Hard- und Software tätigen. Beispiel: Rechenzentrum in der Cloud aufbauen und nutzen. Cloud-Modelle. – P ublic Cloud: Wenn die Dienstleistungen von der Öffentlichkeit oder einer grossen Gruppe genutzt werden können, wird von einer Public Cloud gesprochen. – Community Cloud: In einer Community Cloud werden die Cloud-Dienstleistungen von mehreren Kunden geteilt, die ähnliche Interessen haben. Im Prinzip handelt es sich hier um ein Derivat der Private Cloud. – Hybrid Cloud: Die hybride Form ist eine Mischung zweier oder mehrerer Varianten. Dabei bleiben die unterschiedlichen Clouds eigenständige Einheiten, die miteinander verbunden werden. Eigenschaften von Cloud-Dienstleistungen Alle Cloud-Dienstleistungen weisen immer folgende Eigenschaften auf: Cloud-Computing-Service-Modelle. So können Cloud-Dienstleistungen bezogen werden Unabhängig von IaaS, SaaS oder PaaS, jeder Cloud-­ Kunde kann die Bezugsform frei wählen. Das Ange­ bot umfasst Private Cloud, Public Cloud, Communi­ ty Cloud und Hybrid Cloud. Mischformen sind nicht selten, da es sinnvoll sein kann, einen Teil der Cloud-Dienste aus einer Private Cloud und einen anderen Teil aus der Public Cloud zu beziehen. – P rivate Cloud: Wie der Name sagt ist eine Private Cloud exklusiv nur für einen Kunden sichtund nutzbar. – Das Bestellen der Ressourcen (z. B. Rechenleis­ tung, Speicher) läuft online und automatisch ohne Interaktion (Telefon, E-Mail) mit dem CloudDienst­leister ab. – Die Services werden mit Standard-Mechanismen (Protokolle etc.) über das Datennetz angeboten und sind damit nicht an einen bestimmten Kunden gebunden. – Die Ressourcen des Anbieters liegen in einem so genannten «Pool» bereit, aus dem sich die Kunden bedienen können. In der Regel wissen die Kunden nicht, wo sich die Ressourcen befinden. Bei Bedarf können aber Cloud-Standorte (Land) vertraglich festgelegt werden. – Die Dienstleistungen können schnell und elas­ tisch (Mehrleistungen/Reduktion) zur Verfügung gestellt werden. Das geht in der Regel sogar auto­ matisch. Aus Sicht des Kunden scheinen die Ressourcen daher grenzenlos zu sein. 37 38 – Die Ressourcennutzung kann präzise gemessen, überwacht und auch verrechnet werden. In der Regel werden nur die Ressourcen bezahlt, die auch tatsächlich in Anspruch genommen wurden (engl. Pay per Use Model). Es gibt aber auch so genannte Flatrate-Angebote. dass die (ungeschriebenen) Regeln, welche für diese Cloud-Dienste gelten, eingehalten werden. Mit anderen Worten: Wer keine Erfahrungen mit Facebook & Co. hat, sollte keine Experimente wagen. Es lassen sich heute einfach Spezialisten finden, welche hier kompetent Hilfe bieten können. Welche Nutzen bringen Cloud-Dienstleistungen? Die Vorteile dieser Dienstleistung sind: – Schnell und mit wenig Kosten aufbaubar – Hohe Reaktivität möglich – Ständig verfügbar (in der Regel 24/7/365) – ( Fast) unerschöpfliches Potential an möglichen Kunden Cloud-Dienstleistungen (Anwendungen) Bekannte Beispiele für Nutzungen von Cloud-Diens­ ten sind Skype, FaceTime, Instagram, Facebook, LinkedIn, Twitter, Google-Search … Es gibt sie zu Tausenden und sie lassen sich sowohl für private Zwecke wie auch professionell nutzen. Das Nutzen ist denkbar einfach: Es wird ein Computer (PC, Tablet, Smartphone) benötigt, welcher mit dem Internet verbunden ist. Als Zugangssoftware genügt ein Browser (Safari, Firefox, IE, Opera …). Zahlreiche Dienste sind für die Nutzung kostenlos, wobei die Finanzierung mit Werbung erfolgt, welche geschickt eingeblendet wird. Es ist kein Zufall, dass für viele Firmen die Cloud zum Geschäftsmodell geworden ist. Ein zentrales Element ist dabei die Kommunikation vom Anbieter zum Kunden. Wer in der Cloud eine Dienstleistung anbietet, der erreicht damit potenziell Millionen von Personen. Was bedeutet das? Eine Mitteilung wird praktisch gleichzeitig von einem heterogenen Publi­ kum mit unterschiedlichem Alter, Geschlecht, aber auch Herkunft gelesen und interpretiert. Bekannt­ lich entsteht die Kommunikation beim Empfänger. Wer nicht aufpasst, der kann mit mangelhafter Kommunikation eine Negativwerbung auslösen, welche nachhaltige Folgen haben kann. In der Vergangenheit konnten wir beispielsweise in der Schweiz erleben, dass ein Text auf einem Plakat schlecht übersetzt wurde. Das hat dann in der Regel zu Kopfschütteln oder einem müden Lächeln geführt, wurde aber schnell vergessen. Macht heute eine Firma auf Facebook Werbung, welche bspw. ethnische Gruppen verletzt, kann das in kurzer Zeit zu einem so genannten Shit Storm führen, welcher zur Folge hat, dass die Facebook-Seite der Firma während Tagen nicht mehr erreichbar ist. Handelt es sich um ein Hotel oder eine Fluggesellschaft, welche Buchungen über Facebook anbietet (das gibt es tatsächlich), dann hat das natürlich unangeneh­ me Auswirkungen. Gleiches kann auch einem Medi­ enbetrieb geschehen, der Dienstleistungen (Abon­ nemente, Produkte etc.) via Facebook anbietet. Das ist eine gute Idee, sollte aber so konzipiert werden, Die Nachteile dieser Dienstleistung sind: – Erfolgreiche Werbung setzt voraus, dass die Charakteristiken und das Publikum des Mediums bekannt sind und beachtet werden. Programme/Lizenzen Es gibt schon seit längerer Zeit eine grosse Auswahl von Programmen, welche in der Cloud genutzt werden können. Das Angebot ist jetzt schon riesig und wächst jeden Tag. Es reicht von Büromatikpro­ grammen bis zu ganzen Server-Systemen (Hosted Exchange, SAP …) und auch Content Management Systemen (CMS) für Webeauftritte inkl. OnlineShops. Die Vorteile liegen darin, dass sich Program­ me nutzen lassen, ohne sich um deren Installation oder Betrieb sorgen zu müssen. Die Programme sind rund um die Uhr verfügbar und der Anbieter kümmert sich um die Installation, Updates, Daten­ sicherung etc. Grossfirmen haben diese Option schon lange entdeckt und nutzen sie seit Jahren erfolgreich. Wer Software in der Cloud nutzt, der hat keine Sorgen mehr mit Verfügbarkeit und Aktualisierung der Programme. Vollkostenrech­ nungen zeigen, dass die Miete von Programmen in der Cloud gegenüber lokal installierten Versionen deutlich günstiger ist. Für Softwareanbieter wie Adobe und Microsoft ist das Modell, die Programme nur noch in der Cloud anzubieten, sehr interessant. Es wird erwartet, dass schon mittelfristig Program­ me nur noch in der Cloud verfügbar sein werden. Was bedeutet, dass die Zeiten, als Programme in einer Schachtel mit Datenträger und Lizenzschlüs­ sel verkauft wurden, wohl bald vorbei sind. Die Vorteile dieser Dienstleistung sind: – Schnell verfügbar und immer aktuell – Ständig verfügbar (in der Regel 24/7/365) – Betriebskosten deutlich tiefer als für lokal installierte Versionen – Geräteunabhängige Nutzung der Lizenzen Die Nachteile dieser Dienstleistung sind: – Abhängigkeit von der Verfügbarkeit/Performanz des Internets und des Cloud-Anbieters IT-Infrastrukturen Des Bestellen und Nutzen von Infrastrukturen in der Cloud ist heute sehr einfach geworden. Es spielt keine Rolle, ob Server oder Speichersysteme bestellt werden, alles geschieht immer menügesteu­ ert am Bildschirm. Das Angebot ist sehr vielfältig und umfasst auch unterschiedliche Betriebssyste­ me. Windows und Linux können bei Bedarf auch gemischt werden. Es lassen sich so ganze Rechen­ zentren mit mehreren hundert oder gar tausend Servern und Dutzenden Terra-Byte in der Cloud einrichten und nutzen. Auch bei dieser Dienstleistung gelten die Modi Public, Private bzw. Hybrid. Dass hier oft die Pri­vate Cloud im Vordergrund steht, liegt auf der Hand. Interessant sind insbesondere auch die Kosten. Diese liegen für Cloud-Infrastrukturen gegenüber einer vergleichbaren internen Lösung mit einem eigenen Rechenzentrum um Faktor 10-100 tiefer. Zudem ergibt sich im Betrieb eine Kostentranspa­ renz. In der Schweiz sind es heute eher grössere Firmen, welche den Schritt in Richtung Cloud wagen. Der Wechsel von intern zu extern muss gut vorbereitet sein und nebst den technischen Aspek­ ten auch die organisatorischen abdecken. Es emp­ fiehlt sich, solche Paradigmenwechsel schrittweise zu vollziehen, das heisst die IT-Infrastrukturen werden sukzessive in der Cloud auf- und anschlie­ ssend intern zurückgebaut. Die Vorteile dieser Dienstleistung sind: – Einfach und relativ schnell aufbaubar – Ständig verfügbar (in der Regel 24/7/365) – Reduktion von Betriebskosten – Hohe Flexibilität: Sehr schnell skalierbar, wenn mehr oder weniger Ressourcen benötigt werden – Es besteht Kostentransparenz für die Verwendung der Ressourcen Die Nachteile dieser Dienstleistung sind: – Verlust der Kontrolle; keine eigenen Infra­ strukturen mehr – Abhängigkeit von der Verfügbarkeit/Performanz des Internets und des Cloud-Anbieters. Als Folge der Einsparungen bei den Betriebskosten können diese Risiken minimiert werden, indem die Verbindung über Mietleistungen und redun­ dant erfolgt. Was unterscheidet Cloud Computing von «klassischem IT-Outsourcing»? Die vorgängigen Ausführungen lassen an klassi­ sches Outsourcing denken. Beim Outsourcing werden Arbeits-, Produktions- oder Geschäftspro­ zesse eines Betriebs ganz oder teilweise zu externen Dienstleistern ausgelagert. Dies ist ein bekanntes Modell und Bestandteil heutiger Organisationsstra­ tegien. Das bekannte IT-Outsourcing ist so organi­ siert, dass die komplette gemietete Infrastruktur 39 40 exklusiv von einem Kunden genutzt wird, auch wenn Outsourcing-Dienstleister in der Regel mehre­ re Kunden haben. Zudem werden Outsourcing-­ Verträge meistens über längere Laufzeiten (Jahre) abgeschlossen. Die Nutzung von Cloud-Dienstleistungen ist dem klassischen Outsourcing ähnlich. Es sind aber folgende Punkte zu beachten: – Aus wirtschaftlichen Gründen teilen sich in einer Cloud oft mehrere Kunden eine gemein­ same Basis-Infrastruktur, ohne dass dies zu technischen oder organisatorischen Problemen führen kann. – Cloud Services sind dynamisch und dadurch innerhalb viel kürzerer Zeiträume nach oben und unten skalierbar. So können Cloud-basierte Angebote schnell und spezifisch an die realen Bedürfnisse des Kunden angepasst werden. – Die Steuerung der in Anspruch genommenen Cloud-Dienste erfolgt in der Regel mittels einer Webschnittstelle durch den Cloud-Nutzer selbst. So kann der Kunde die genutzten Dienste auf seine Bedürfnisse zuschneiden. – Durch die beim Cloud Computing genutzten Techniken ist es auch möglich, die IT-Leistungen dynamisch über mehrere Standorte zu verteilen. Rechtliche Aspekte Im Zusammenhang mit der Nutzung von Cloud-­ Diensten sind selbstverständlich die rechtlichen Aspekte zu beachten. So stellt sich insbesondere die Frage, wo die Daten gespeichert werden und wer auf diese Zugriff hat. In der Schweiz gibt es viele Cloud-Anbieter, welche damit werben, dass die Infrastrukturen sich integral in der Schweiz befin­ den (Swissness). Auch wenn dies einfach zu über­ prüfen ist, darf angenommen werden, dass dies tatsächlich zutrifft. Es gilt jedoch, Folgendes zu beachten: Wenn die Infrastrukturen in der Schweiz stehen, aber die Firma, welche diese betreut, ausländische Wurzeln hat, dann kann dies problematisch werden. Ist diese Firma beispielsweise dem «USA Patriot Act » unterstellt, dann können die Daten auch in die USA abfliessen, wenn die Infrastrukturen in der Schweiz stehen. Kritischer Erfolgsfaktor für Cloud-Dienste: Die IT-Sicherheit Das Cloud Computing ist gleichzustellen mit einem Paradigmenwechsel für den IKT-Markt und dessen Kunden. Die oben beschriebenen Kostenvorteile sowie auch die hohe Flexibilität sprechen für sich. Bekanntlich gibt es in der IKT zwar zahlreiche Sicherheitsempfehlungen, Standards, Zertifikate und Zertifizierungen. Trotzdem gibt es noch keine allgemein anerkannte Basis-Linie für die IT-Sicher­ heit im Cloud Computing. Als Folge davon ist es deshalb für Kunden schwer zu beurteilen, ob ein Cloud-Dienstangebot die nötige Sicherheit bietet. Es wurde schon erwähnt, dass viele Grossunter­ nehmen Cloud-Dienste seit Jahren erfolgreich nut­ zen. Zu diesen gehören auch Banken und Versiche­ rungen, welche den Umgang mit sensiblen Daten gewohnt sind und die damit verbundenen Risiken sehr gut kennen. Diese haben aber auch erkannt, dass es nicht zwingend weniger Risiken gibt, wenn die Daten intern gespeichert werden, im Gegenteil (siehe Fall HSBC in Genf). Viel wichtiger sind bekanntlich die Definition von Prozessen und das Festlegen von Direktiven, welche mit dem Spei­ chern von Daten im Zusammenhang stehen. Das ist natürlich auch im Interesse der Cloud-Dienstleis­ tungsanbieter. Diese machen viele Anstrengungen, damit die Kunden Vertrauen in ihre Dienstleistun­ gen haben. Aus diesem Grund ist es Standard, dass die Daten vor Übertragung und Speichern ver­ schlüsselt werden. Das allein genügt natürlich nicht, um von einem sicheren Cloud-Dienst zu sprechen, ist aber sicher eine gute Basis. Ein wichti­ ges Element für Kunden ist der Zugang auf so genannte Log-Daten beim Anbieter. In diesen Daten werden systematisch alle Zugriffe auf Daten und Dokumente gespeichert. Cloud Computing als Katalysator für geschäftliche Innovationen Cloud Computing bietet sowohl seitens der Anbieter als auch seitens deren Kunden ein hohes Potenzial zu geschäftlichen Innovationen. Es ist keine Kris­ tallkugel notwendig, um zu erkennen, dass das Cloud Computing die Möglichkeiten für das Erbrin­ gen von Dienstleistungen in der Informationswirt­ schaft nachhaltig verändert. Obwohl schon lange existent, befindet sich Cloud Computing nach wie vor in einer frühen Phase der Marktdurchdringung und -akzeptanz. Es gilt aber als sicher, dass schon in wenigen Jahren ein grosser Anteil traditioneller 1 Auswirkungen auf den Schutz personenbezogener Daten und geistigen Eigentums. Die Bestimmungen des «PATRIOT Act» erlauben US-Behörden wie dem FBI, der NSA oder der CIA nicht nur den Zugriff ohne richterliche Anordnung auf die Server von US-Unternehmen. Auch ausländische Töchter sind nach dem US-Gesetz verpflichtet, Zugriff auf ihre Server zu gewähren; selbst dann, wenn lokale Gesetze dies untersagen. IT-Dienstleistungen durch Cloud-basierte Services ersetzt wird. Trotz der bekannten Risiken ist das Verbesserungspotenzial schlicht und einfach riesig und unwiderstehlich: – Die bisher ständig steigenden Kosten für IT-­ Infrastruktur und -Dienste werden transparent und können (endlich) durch eine hohe Standar­ disierung der IT-Erbringung nachhaltig reduziert werden. – Die Kostenstrukturen verändern sich: Aus (permanenten) Investitionskosten werden stabile Betriebskosten. – Die Verrechnung erfolgt im Verursacherprinzip. Nur was genutzt bzw. benötigt wird, generiert auch Kosten. – Neue Geschäftsprozesse lassen sich schneller und flexibler umsetzen. Eine Reorganisation eines Unternehmens, bspw. im Rahmen von Zusammen­ schlüssen, wird erleichtert. – M it der Nutzung von Cloud-Diensten werden in Betrieben Ressourcen frei, welche für deren Kerngeschäft genutzt werden können. Cloud Computing und Medienunternehmen Selbstverständlich können/sollten auch Medien­ unternehmen als Kunden von den Cloud-Dienst-leis­ tungen profitieren. Ungeachtet deren Grösse und Ausrichtung sollten Angebote in den Bereichen SaaS, PaaS und IaaS (wenn nicht schon geschehen) so schnell wie möglich evaluiert werden! Mit ein paar Click lässt sich feststellen, dass viele Schweizer Medienunternehmen mit der Anwen­ dung von Cloud-Diensten vertraut sind. Instagram, Twitter und Facebook gehören zum Standardange­ bot, auch wenn diese oftmals kaum sichtbar sind. Interessant ist jedoch, dass sich im Allgemeinen das Informationsangebot etwas verhalten präsentiert. Interessenten erhalten den Eindruck, dass es sich eher um eine Alternative als um eine ergänzende Informationsplattform handelt. Wer den Internet­ auftritt kennt, erhält nicht den Eindruck, dass hier mehr Informationen zu finden sind. Das ist insofern entscheidend, dass der Anreiz mässig ist, diese Angebote näher kennen zu lernen. Cloud Computing hat aber weit mehr Potenzial. Zu vermerken ist, dass die relativ einfache Erreich­ barkeit von zahlreichen Zielpersonen noch zu verhalten genutzt wird. Wissenswert ist, dass sich die Sichtbarkeit und die Anzahl von «Likes» bei eini­ gen Diensten käuflich verbessern lässt, was kaum überrascht. Medienbetriebe, welche über Informationsarchive verfügen, können als Beispiel die Inhalte mit einem vertretbaren Aufwand in die Cloud stellen und diese so einem breiten Publikum zur Verfügung stellen. Wahrscheinlich wäre in diesem Fall auch eine Such­ maschine dienlich, was aber keine Hürde darstellt. Das Angebot an Suchdiensten für Datensammlun­ gen in der Cloud ist gross. Neue Geschäftsideen lassen sich in der Cloud viel schneller umsetzen, als dies zuvor mit eigenen Infrastrukturen der Fall war. Schneller heisst aber nicht schlechter, im Gegenteil. Dafür sind die Betriebskosten eher tief. Ist die Geschäftsidee erfolgreich, dann sind mit wenigen Clicks ggf. die benötigten zusätzlichen Kapazitäten abrufbar. Trifft das Gegenteil ein, das heisst die Geschäfts­ idee findet beim Publikum keinen Anklang, dann lassen sich alle Dienste in der Cloud sehr kurz­ fristig kündigen und abstellen. Auf diese Weise lassen sich dank Cloud-Diensten vom Web-Shop bis zum Video-Streaming Projekte schnell umsetzen und real testen. IT-Infrastruktu­ ren, welche in der Anschaffung und im Betrieb aufwändig und teuer sind, gehören der Vergangen­ heit an. Die IT-Zukunft spielt sich mit Sicherheit in der Cloud ab. 41 42 Die Zukunft mit Printed Electronics — Ulrich Moosheimer Erste Schritte Die Entdeckung von organischen Materialien mit halbleitenden Eigenschaften markierte in den späten 1940 Jahren den Beginn der organischen und gedruckten Elektronik [1]. Der Schlüssel lag in der Löslichkeit der halbleitenden organischen Materialen, so dass diese für das Drucken der Basis­ materialien der gedruckten Elektronik, wie Isolato­ ren, Halbleitern und leitfähigen Schichten, auf flexible Substrate, wie Papier oder Kunststofffolien, entwickelt werden konnten. Durch mehrlagige Druckaufbauten entstehen die Basisbausteine der Halbleiter­i ndustrie, wie – leitfähige Linien oder Flächen, – Isolatoren, – Widerstände, – Kondensatoren und – Transistoren [2]. Die weltweiten Forschungsaktivitäten des letzten Jahrzehnts mündeten in der Entwicklung verbes­ serter oder neuartiger Druckpasten und Substrate, so dass – zumindest im Labor – folgende elektroni­ sche Bauteile drucktechnisch hergestellt werden konnten: – Batterien und Akkus – Organische Solarzellen (OPV) – Organische LEDs (OLED) – Elektrolumineszente Displays (EL) – Elektrochrome Displays (EC) – RFID- bzw. NFC-Antennen – Sensoren zur Messung von Temperatur, Druck, Glukose … – Speicher – Einfache Controller Vision Der Vorteil der Drucktechnologie liegt in seiner hohen Produktivität, z.B. bei Druckgeschwindigkei­ ten von 900 m/min werden auf einer Druckbreite von mehreren Metern mehr als hunderttausend Quadratmeter flexibles Substrat pro Stunde mit zehn Farben bedruckt. Hierbei liegt die Auflösung im Bereich von wenigen Hundertstel und somit unterhalb der Auflösung des menschlichen Auges. Die Form der gedruckten Rasterpunkte verschmilzt optisch zu Linien bzw. Flächen. Die Farben neben­ einander liegender Rasterpunkte vermischen sich und werden in Verbindung mit der Substratfarbe als ein Farbton wahrgenommen. Prinzipiell können alle elektrischen Basisbausteine auf flexible Substrate gedruckt werden. Der Aus­ stoss einer Druckmaschine in Bezug auf Quadrat­ meter pro Stunde liegt um eine Grössenordnung über dem der Halbleiterindustrie. Letztere fertigt standardmäss ig auf 6 Zoll grossen starren Silizium­ wafern. Beide Argumente führen zur Vision der gedruckten Elektronik: Des grossflächigen und kos­ tengünstigen Drucks von leichter, flexibler, dünner und nachhaltiger Elektronik. Somit öffnen speziell die Produktanforderungen, wie flexibles – auch transparentes – Substrat, grosse Flächen, dünner Produktaufbau oder Nach­ haltigkeit, die Tür für gedruckte Elektronik. Wie weiter unten aufgeführt, kommt bei einfachen Anwendungen, wie Leiterbahnen, die Realität die­ ser Version sehr nahe, jedoch besteht bei anderen, wie Solarzellen oder flexibles OLED, ein langfristi­ ger Entwicklungsbedarf. Die technologischen Gren­ zen erreicht das Drucken bei integrierten Schaltun­ gen und Punktlichtquellen. Markt- und Produktentwicklung Marktvolumen 2015 hatte der Markt der organischen und gedruckten Elektronik einen Umfang ca. 24 Mrd. US-Dollar. Die IDTechEx prognostiziert ein stetiges Wachstum mit einem Volumen im Jahr 2023 von über 80 Mrd. US-Dollar, wobei 25 % drucktechnisch produ­ziert werden. Roadmap der OE-A OE-A Roadmap [3] für organische und gedruckte Elektronik für die Jahre 2015 bis 2023 mit für Akzidenzien und Verpackungen relevante Felder. Organic and Printed Electronic Association Einen sehr guten Produktüberblick zum Stand der Technik und den Entwicklungen der nächsten Jahre gibt die im Zwei-Jahres-Zyklus erscheinende Roadmap der OE-A [3]. Die OE-A (Organic and Printed Electronic Associa­ tion) ist die Industrievereinigung für organische und gedruckte Elektronik. Ihre mehr als 200 Mit­ gliedsunternehmen und -institute in mehr als 30 Ländern decken die gesamte Wertschöpfungskette von Materiallieferanten, Maschinenbauern, Produ­ zenten und Endverbrauchern ab. Diese arbeiten eng mit den Universitäten und Forschungsinstituten zusammen, welche zwei Fünftel der Mitglieder stel­ len. Die Vision der OE-A ist ein Brückenbau zwi­ schen Industrie und Forschungsinstituten, um das Marktwachstum der organischen und gedruckten Elektronik zu fördern. Märkte Die OE-A identifizierte für die Technologie der orga­ nischen und gedruckten Elektronik die Märkte – Automotive – Konsumelektronik und Weisse Ware – Pharmazie und Healthcare – Verpackung und Werbung Hier wird der obige Markt «Werbung» um Produkte, wie interaktive Bücher, auf den Markt «Akzidenzi­ en» erweitert und zum Markt «Akzidenzien und Verpackung» zusammengefasst. Oftmals lassen sich in den verschiedenen Märkten bereits gedruck­ te Komponenten finden. So verwendet die Automo­ bilindustrie bereits gedruckte – Antennen, – Sensoren für Radar oder Anwesenheit, 43 44 – Heizschlangen zum Fensterenteisen, – elektrochrome Abblendflächen in Rückspiegel und gedruckte und tiefgezogene bzw. hinterspritzte Touchschalter in Armaturenbrettern. Ohne explizit auf die eingesetzte Drucktechnologie hinzuweisen, setzen die Hersteller in den anderen Märkten ähnliche Produkte ein. Oftmals wird sogar das Drucken aus Wettbewerbsgründen geheim gehalten. Im Bereich der weissen Ware finden seit kurzem gedruckte und transparentleitfähige Schichten in geformten Displays ihre Anwendung. Die Pharmazie- und Healthcare-Industrie produziert schon seit Jahren Diagnosestreifen für Glukose oder Cholesterin. Weitere wichtige Anwendungen sind Elektroden für die Therapie bzw. Labortests oder SmartBlisters zum Aufzeichnen der Tablettenein­ nahme. Die Attraktivität von Verpackungen und Akziden­ zien steigern in ausgewählte kleinere Auflagen integrierte Beleuchtungen. In fünf Kategorien wer­ den die Produktebereiche und in vier Jahresspalten die Zeitachse gegliedert. Bereits verfügbare Produk­ te werden in der 2015er-Jahresspalte aufgeführt. Die weiteren Jahresspalten listen kurz-, mittel- und langfristig zu erwartende Produkte auf. OLED-Beleuchtung OLED-Beleuchtungen zeichnen sich durch ein homogenes Licht über eine grössere – auch geformte – Oberfläche aus. Die flächigen Strahler besitzen bei geringem Gewicht und Dicke eine hohe Energie­ effizienz und lassen sich einfach in Lampen oder Gebäude integrieren, wie Anwendungen in hoch­ preisigen Designerlampen zeigen. Die zukünftigen Entwicklungen sollen die Feuchte- und Sauerstof­ fempfindlichkeit des Leuchtmaterials so weit reduzieren, dass die starre Glaseinkapselung durch transparente Hochbarrierefolien ersetzt werden kann. Dann dürften sich die Kosten auch wett­ bewerbsfähig zu den punktförmigen LEDs entwick­eln. Organische Solarzellen Die weltweite Produktion von Solarzellen domi­ nierten im Jahre 2015 mit 93% die Silikonwafer­ basierten. Die meisten dieser Solarzellenproduzen­ ten setzen in der Fertigung für Applikation des Ag/Al-Fingerleiters der Rückseite, der vollflächigen Al-Rückseitenbeschichtung und des H-förmigen Ag-Fingerleiters mit Kontaktstellen der Vorderseite den Siebdruck ein. Die Silberpasten besitzen einen Silberanteil von ca. 70 Gewichtsprozent und sind eines der teuersten Materialien in der Wertschöp­ fungskette. Der Markt für organische Solarzellen wird durch die höheren Kosten in Verbindung mit sowohl einem geringeren Wirkungsgrad als auch einer kürzeren Lebensdauer begrenzt. Besonders eignen sich vollständig gedruckte Solarzellen für geformte Anwendungen wie Zeltbeschattung oder die Solarzelle in Form eines Ahornblattes. Mittel- und langfristige Entwicklungsaktivitäten verbessern die Qualität und senken die Produk­ tionskosten der gedruckten Solarzellen. Flexible und OLED-Displays Die Konsumenten wünschen sich seit Jahren flexible oder besser noch aufrollbare Displays. Fernseher im Grossformat mit gebogenem aber starrem Bildschirm sind bereits in jedem Elektro­ nikmarkt zu finden. Flexible Display-Demonstra­ toren auf Basis von der Elektrochromie oder der Elektrophorese (E-Reader) werden bereits auf Messen gezeigt und in erste Produkte integriert. Analog zu den OLED-Beleuchtungen werden roll­ bare OLED-Fernseher erst mittel- bis langfristig mit flexiblen Displays verfügbar sein. Elektronik und Komponenten Die sehr geringe Grösse der gedruckten Speicher reicht für den Schutz gegen Produktpiraterie oder für intelligente Nachfüllsysteme aus. Sie zeichnen sich durch geringe Kosten und hohe Verformbarkeit aus. Mittelfristig sollen NFC-lesbare Speicher zum Auslesen über das SmartPhone entwickelt werden. Eine wichtige Entwicklung der nächsten Jahre liegt auf dem Gebiet der Energieversorgung, speziell für Internet of Things oder elektrisch autarke Produk­ te. Momentan liegt die Performance von gedruckten Batterien in Bezug auf Speicherkapazität und Wie­ deraufladbarkeit weit hinter konventionellen Knopfzellen. Mittelfristig werden dünne und flexib­ le Batterien zur Stromversorgung von SmartSys­ tems mit integrierter Logic, RFID- bzw. NFC-Anten­ nen und Sensoren für die Integration in hochwertige Akzidenzien und Verpackungen zur Verfügung stehen. Die Wertsteigerung durch die gedruckte Elektronik wiegt deren höhere Kosten auf. Gedruckte Superkondensatoren eignen sich für das kurzzeitige Speichern von elektrischer Energie, z.B. bei der Umwelt Energie entziehende Systeme auf Basis gedruckter NFC-Antennen. Integrierte SmartSystems Diese Systeme bestehen aus – einer Energiequelle (gedruckte Batterie, gedruckte RFID/NFC-Antenne), – einer Eingabe (Sensor, Taster) und – einer Ausgabe (Display, Lautsprecher, Vibrator, drahtlose Kommunikation). Zusätzlich können noch logische Bauteile zur Datenverarbeitung eingebaut werden. SmartSys­ tems überwachen bereits die Temperatur entlang der Transportkette. Neu auf dem Markt ist ein Tem­ peraturpflaster für Kleinkinder. Für 24 Stunden misst es die Körpertemperatur und speichert die Daten zwischen. Die gemessenen Werte werden drahtlos mittels App auf ein SmartPhone übermit­ telt. Bei einfachen Anwendungen verbinden gedruckte Leiterbahnen über einen Schalter LEDs mit einer Stromquelle. Anforderungen an den Produktionsprozess Von der Ferne betrachtet gleicht der grafische Druck dem Drucken von Elektronik. In beiden Fällen wer­ den Flüssigkeiten, wie Farben oder Lacke, mithilfe einer Druckmaschine appliziert und getrocknet. Vorstufe Beim Drucken von Elektronik darf die im grafischen Druck eingesetzte Rastertechnologie nicht verwen­ det werden. Zum Beispiel müssen bei Leiterbahnen die einzelnen Punkte nicht nur optisch, sondern elektrisch leitfähig verbunden sein. Analog dazu dürfen nebeneinanderliegende Leiterbahnen einen optischen, jedoch keinen elektrischen Kontakt besitzen. Werden, wie bei Touch-Bildschirmen, eine hohe Anzahl von Leiterbahnen auf einer kleinen Fläche gefordert, werden bei Linienbreiten und Abständen von kleiner 50 µm die Auflösung und das Register des grafischen Siebdrucks erreicht. Deshalb entwickelten Anlagenbauer und Drucker den gesamten Druckprozess von Vorstufe über Druck bis hin zur Weiterverarbeitung mit dem Ziel einer höheren Druckqualität ständig weiter. Im Siebdruck können so Auflösungen im Bereich von 15 µm und im Tiefdruck von 2 µm realisiert werden. Im Gegenzug sinkt aufgrund schmälerer Bahnbrei­ ten und langsamerer Druckgeschwindigkeiten die Produktivität. Deshalb unterscheiden sich Anlagen für gedruckte Elektronik stark von konventionellen Akzidenz- oder Verpackungsdruckmaschinen. Drucktechnik Trotz der weiterentwickelten Prozesstechnik können die in der Halbleiterindustrie gängigen Auflösungen im Bereich millionster Millimeter verfahrensbedingt nicht erreicht werden. Bei Transistoren bedeuten kleinere Strukturen schnel­ lere Schaltzeiten und somit zum einen schnellere als auch kleinere Prozessoren. Die Leistungsunter­ schiede lassen sich sehr gut am Beispiel eines gedruckten Speichers der Firma Thinfilm zeigen. Das wiederbeschreibbare Speichervolumen von 36 Bit, d.h. 0,0000000045 Bytes, ist im Vergleich zu gängigen Speicher-USB-Sticks vernachlässigbar, aber die 68 Milliarden Datenpunkte reichen zum Schutz gegen Produktpiraterie aus. Die Xerox Corporation eröffnete für diese und weitere Anwen­ dungen im Jahre 2016 eine Produktionsstätte in Webster, New York, mit einer jährlichen Kapazität für den Druck von 1,3 Milliarden Speicheretiketten. In Bezug auf das Leistungspotenzial liegen somit Welten zwischen der gedruckten und der silizium­ basierten konventionellen Elektronik. Substrate Die gedruckte Elektronik stellt an die Substrat­ materialien oftmals neue oder verschärfte Anfor­ derungen, wie kein Schrumpf bei Trocknungstem­ peraturen von 130 °C für hohe Passergenauigkeit über den gesamten Druckbogen oder extrem glatte Oberflächen für hohe Leitfähigkeiten von gedruck­ ten Leiterbahnen. Um diese Anforderungen zu erfüllen, werden Folien beim Folienproduzenten thermisch stabilisiert oder Papiere mit einem keramischen Lack bestrichen. Drucklacke Diese speziell entwickelten Substrate liegen in den Kosten weit über grafischen Materialien. Funktionslacke können in den Kosten um einige Zehnerpotenzen über denen für grafische Farben liegen. Dies führte im Bereich gedruckter Elektronik zu einer Anlagentechnik mit einer sehr geringen Makulatur und niedrigen Mindestfüllmengen von Druckwerken. Druckhilfsmittel Die Schlüsselparameter, wie Volumen, Elektro­ nendichte und -mobilität, bestimmen die elektri­ sche Eigenschaft der Leitfähigkeit. Bei Leitern soll sie möglichst hoch, bei Isolatoren nahe null und bei Widerständen sicher vorhersagbar sein. Für den Druckprozess bedeutet dies konstante und homogene Schichten in Bezug auf Dicke, Form und elektrische Eigenschaften. Letztere hängen direkt von den eingesetzten Lacken und deren Tole­ ranzen, wie Viskosität, Feststoffanteil, Partikel­ verteilung und Homogenität, ab. Die Zugabe von Druckhilfsmitteln an der Maschine beeinflusst die elektrischen Eigenschaften und muss im Vorfeld abgestimmt werden. 45 46 Qualitätskontrolle Ein weiterer Unterschied zwischen grafischer und gedruckter Elektronik liegt in der anschliess enden Qualitätsprüfung. Beim grafischen Druck werden oftmals nur Stichproben optisch per Auge oder Kamera geprüft. Bei der gedruckten Elektronik muss zusätzlich die elektrische Funktion geprüft werden. Gedruckte Leiterbahnen können perfekt aussehen, wenn deren elektrischer Widerstand jedoch zu hoch ist, fliess t kein oder ein zu geringer Strom. Eine andere Fehlfunktion sind optisch kaum sichtbare Kurzschlüsse, z.B. an nicht sauberen Kan­ ten. Da die elektrische Funktion und nicht die Optik im Vordergrund stehen, wirken sich bereits geringe Schwankungen im Produktionsprozess auf die Funktionsfähigkeit der gedruckten Teile aus. Des­ halb werden meist die elektrischen Eigenschaften zu 100 % geprüft und die Qualitätskontrolle stellt einen nicht unerheblichen Kostenblock dar. Produktionsumfeld Die Viskosität der Lacke und deren Farbannahme können durch schwankende Lufttemperatur und -feuchtigkeit negativ beeinflusst werden. Die Dicke und Homogenität der gedruckten elektronischen Strukturen variiert und somit auch deren elektroni­ schen Eigenschaften. Zusätzlich dazu können Staubpartikel zu Fehlstellen, insbesondere Pinholes in Isolationsschichten, und Kurzschlüssen führen. Konstante elektrische Qualitäten fordern kontrol­ lierte Umgebungsbedingungen, wie Temperatur und Luftfeuchtigkeit, und im optimalen Fall eine Staubfreiheit. Zur Vermeidung von Umwelteinflüs­ sen werden die Druckwerke gekapselt oder gesamte Anlagen inklusive Weiterverarbeitung in klimati­ sierten Sauber- oder Reinräumen aufgestellt. Personal Bei der Produktentwicklung von gedruckter Elektro­ nik steht neben dem Design die elektrische Funktion im Vordergrund. Kenntnisse der Elektrotechnik und Elektronik werden in Verbindung mit der Drucktech­ nik benötigt. Meisten werden Teams mit umfangrei­ chem Wissen aus den Bereichen der Materialwissen­ schaften, der Physik, der Chemie, der Elektrotechnik und der Drucktechnik gebildet. Die Anforderung an das Know-how der Mitarbeiter in der Vorstufe, im Druck und in der Weiterverarbeitung steigt. Reines Wissen vom grafischen Druck reicht nicht aus. Zusammenfassung der Anforderungen Das Drucken von Elektronik ist wesentlich komple­ xer als nur der Ersatz von grafischer Farbe durch elektrische Lacke. Je nach Anwendung werden – umfangreiches elektronisches Know-how, – spezielle Substrate und Drucklacke inkl. abge­ stimmten Druckhilfsmitteln, – optimierte Vorstufen-, Druck- und Weiterver­ arbeitungsanlagen und geeignete Produktions­ räumebenötigt. Sowohl die Anlagen als auch die Prozesstechnik unterscheiden sich deutlich von den im Akzidenzund Verpackungsdruck üblichen. Einstieg in die gedruckte Elektronik Interaktive Akzidenzien Die hauptsächlich in den Kategorien «Electronics & Components» und «Integrated SmartSystems» aufgeführten Anwendungen sind von besonderem Interesse für konventionelle Drucker. Zum Beispiel können die gedruckten elektronischen Komponen­ ten in Akzidenzien und Verpackungen integriert werden. Der einfachste Weg geht über SmartSys­ tems, d.h. auf Etiketten befindet sich die gesamte Elektronik und diese Etiketten werden in der Wei­ terverarbeitung in das Druckprodukt eingespendet. Bereits 2013 entwickelte die Hochschule München eine LED-Beleuchtung für den Umschlag eines Messekataloges. Auf Knopfdruck leuchteten drei rote LEDs auf und illuminierten ein Fahrradrück­ licht. Auf dem SmartSystem versorgte eine gedruckte Batterie über gedruckte Leiterbahnen die konventionellen LEDs. Eine auf die Leiterbah­ nen aufgeklebte Schnappscheibe funktionierte als Taster. Die elektronischen Komponenten wurden in Form eines SmartSystems produziert und beim Binden eingelegt. Mit der gleichen Technologie erleuchteten vier LEDs den Umschlag der 5. Auflage der OE-A-Bro­ schüre [4]. Acht Mitglieder der OE-A fertigten unter der Leitung der Hochschule München hierfür 8000 SmartSystems, welche der OE-A-Hausdrucker in die Broschüren einklebte. Leuchtende Verpackung Als Beispiel für gedruckte Elektronik in Ver­ packungen ist der oft prämierte Karton der Bom­ bay-Sapphire Flasche von Karl Knauer zu nennen. Beim Hochheben der Verpackung versorgt ein konventioneller Schalter einen Controller mit Energie und dieser aktiviert ein aufsteigendes Leuchten. Die gedruckte Elektronik des Displays beruht auf der Elektrolumineszenz. Kauflust durch SmartSystems Bei der Berliner Sparkasse bewirkte ein Aufsteller mit Wackelbildern in Verbindung mit einer End­ losfaltkarte, dass der Kreditkartenabsatz innerhalb von drei Monaten dem Absatz des Vorjahres ent­ sprach[5]. Der Erfolg lag im multisensorischen Marketing. Eine ähnliche Wirkung könnten mit SmartSystems ausgestattete Akzidenzien oder Verpackungen entfalten. Zum Beispiel klickt beim Öffnen einer Verpackung ein Magnetschalter spür­ bar und die angehende Beleuchtung lenkt die Augen auf deren Inhalt [5]. Bei einem anderen Beispiel beginnt der Werbeflyer nach dem Öffnen zu blin­ ken. Letzter landet nicht sofort im Abfall, sondern weckt die Aufmerksamkeit und das Interesse des Adressaten. So animierte Werbeflyer heben sich stark von der Masse an Werbungen ab. Der einfachste Weg für einen Akzidenz- oder Ver­ packungsdruck zur Herstellung solcher Produkte führt über die Kooperation mit einem Entwickler von SmartSystems. Gemeinsam designen sie das animierte Produkt und in der Entwicklungsphase übernimmt der Entwickler den Prototypenbau. Bei der Vorserien- und Serienproduktion stimmen sich Drucker und SmartSystem-Entwickler über den Produktionsablauf ab. Meist produziert ein Partner des Entwicklers die SmartSystems und der Drucker spendet sie in seinen Flyer, seine Broschüre, sein Plakat oder seine Verpackung ein. Es entfallen beim Drucker Investitionskosten für neue Druckmaschi­ nen und sowohl der Aufwand als auch das Risiko des Druckers zum Einstieg in die gedruckte Elektro­ nik sind überschaubar. Fazit Gedruckte Elektronik wird bereits in zahlreichen Produkten eingesetzt, wobei oftmals die drucktech­ nische Herstellung nicht offensichtlich ist. Anspruchsvolle Branchen, wie Automobil, Pharma­ zie und Healthcare, setzen gedruckte elektronische Massenprodukte erfolgreich ein. Mittel- und lang­ fristige Entwicklungen führen zu verbesserten und weiteren wettbewerbsfähigen Produkten auch in weiteren Branchen. Kooperationen mit Entwicklern erleichtern den Ein­ stieg von Akzidenz- und Verpackungsdruckern in die gedruckte Elektronik und senken das Risiko. Literatur [1] D imitrakopoulos, C. D/Malenfant, P. R.L: Organic thin film transistors for large area electronics. In: Advanced Materials, 14(2002)2, S. 99. [2] Garnier, Francis et al.: All-Polymer Field-Effect Transistor Realized by Printing Techniques. In: Science, 265(1994)5179, S. 1684–1686. [3] H ecker, Klaus et al.: OE-A Roadmap for Organic and Printed Electronics. Organic Electronics Association (OE-A). 2015, S. 21. [4] P rint Projects. Munich Universty of Applied Science. www.print-projects.com. [5] H artmann, Olaf et al.: Touch! Der Haptik-Effekt im multisensorischen Marketing. Haufe Gruppe. München 2016, S. 24 – 25 [6] Moosheimer, Ulrich.: Schalteranordnung. 2016, EP 15 195 211.6 47 48 Big Data als Chance für die Druckindustrie — Reinhard Riedl Big Data schafft grosses Innovationspotenzial für die Wirtschaft. In diesem Beitrag wird erklärt, wie Big Data im Wesentlichen funktioniert, worauf es bei Big Data in der Praxis ankommt und welche Innovationsmöglichkeiten Big Data für die Druck­ industrie bietet. Das «Konzept» von Big Data Es gibt für Big Data viele Definitionen. Im Wesen­ tlichen aber geht es darum, aus Daten Informatio­ nen herauszuholen, die in den Daten implizit verborgen sind. Dabei hat es man oft mit komple­ xen, in sich heterogenen Datenstrukturen und feh­ lerbehafteten oder zweifelhaften Daten zu tun – und natürlich auch mit vielen Daten. Denn das Besondere an Big Data ist unter anderem, dass man dabei ganz bewusst Kraut und Rüben mischt – das heisst: Man führt unterschiedliche Daten zusam­ men – und dass man Korrelationen interpretiert, ohne über ein theoretisches Modell der Wirklichkeit zu verfügen. Das bedeutet, dass häufig die nachgän­ gige Überprüfung der Ergebnisse von Big Data die vorgängige methodische Absicherung ersetzt. Vor allem wenn es nicht um wissenschaftliche, sondern um praktische Anwendungen von Big Data geht. Das Kraut-und-Rüben-Mischen ermöglicht es, Daten aus unterschiedlichen Quellen zusammenzu­ führen und wesentlich grössere Datenmengen zu nutzen. Das optionale Arbeiten ohne Modell, nur mit den «reinen» Daten, vergrössert den potenziel­ len Anwendungsbereich erheblich. Ermöglicht wird beides durch technische und mathematische Inno­ vationen, die aber Anwender in der Regel nicht ver­ stehen müssen, denn dafür gibt es Spezialisten. Verstehen sollte man als Anwender aber die daraus resultierenden Optionen im Umgang mit Daten und wie diese Optionen in der Praxis angewandt werden können. Die vielleicht einfachste Option von Big Data ist das Suchen nach Ähnlichem. Beispielswei­ se kann man bei der Behandlung eines Patienten in der Medizin nach anderen Patienten suchen, die die gleiche Krankheit, ähnliche Gene und ähnliche Biodaten bzw. einen ähnlichen Lebensstil aufwei­ sen. Eine zweite ebenfalls noch relativ einfache Option von Big Data ist das Schätzen geschäftskriti­ scher einzelner Variablen, beispielsweise die Ant­ wort auf die Frage, ob ein Kunde bereit ist, den Anbieter zu wechseln. Mit solchen Methoden hat Obama in seinem zweiten Präsidentschaftswahl­ kampf Wechselwähler identifiziert. Es gibt aber auch komplexere Formen/Optionen von Big Data, wie das Suchen nach unbekannten, aber geschäftsrelevanten Mustern: Vielleicht stellt sich z.B. heraus, dass gewisse Twitteraktivitäten viele Kino- oder Restaurantgäste oder ein Ansteigen der Volatilität der Börsenkurse «vorhersagen». Möglich ist mit Big Data auch das Suchen nach rele­ vanten Informationslöchern. Diese können auf eine nicht befriedigte Nachfrage – z.B. im Tourismus – hinweisen. Et cetera. Häufige und wichtige Anwendungsformen Die technischen Formen von Big Data sind zahl­ reich, die Anwendungsformen in der Praxis noch zahlreicher. Bei aller Vielfalt gibt esaber drei besonders häufige und zugleich wichtige Anwen­ dungsformen – Bessere Suchfunktionen – Personalisierung – Automatisierte Entscheidungen Wie bessere Suchfunktionen mittels Big Data gebaut werden können, habe ich bereits angedeutet. Neben der Suche nach ähnlichen Fällen bzw. Objek­ ten wird auch die Suche nach verteilten Informatio­ nen möglich und die Vernetzung von Informationen kann effektiver genutzt werden. Insbesondere Big Data auf untereinander vernetzten Informatio­ nen bietet spannende neue Möglichkeiten und wird deshalb aktuell sowohl in der Grundlagenforschung als auch in der angewandten Forschung untersucht. Dabei geht es insbesondere darum, die implizit in Datennetzwerken enthaltenen Informationen explizit zu machen und zu nutzen. Die aktuell domi­ nierende Anwendungsform von Big Data ist die Per­ sonalisierung. Mittels Big Data wird es möglich, Angebote oder Leistungen für den Adressaten/ Empfänger masszuschneidern – vom Sonderangebot im Handel über eine personalisierte Dienstleistung im Gewerbe bis zur personalisierten Therapie in der Medizin. Dafür werden Daten einerseits des Kunden (bzw. Patienten) und anderseits Daten anderer Kun­ den (bzw. Patienten) genutzt. Man kann auch sagen: Man lernt vom Betroffenen UND von ande­ ren, was die Interessen des Kunden sind (bzw. was dem Patienten hilft). Das hat den grossen Vorteil, dass die Leistungen für den Betroffenen mehr Wert bieten, und den kleinen Nachteil, dass der Betroffe­ ne seiner eigenen Möglichkeiten zum Lernen teil­ weise beraubt wird, weil er weniger unterschiedli­ che Erfahrungen macht und weniger oft etwas Neues kennenlernt. Er befindet sich nämlich im sogenannten «Filter-Bubble» der Personalisierung. «Big Data rechnet oft gänzlich anders als Menschen denken» Bei den automatisierten Entscheidungen stehen wir erst am Anfang. Die Idee ist hier, mit Big Data menschliches Bewerten und Entscheiden gänzlich zu ersetzen. Big Data ist hierbei eine Spielform der Künstlichen Intelligenz, allerdings eine spezielle. In der (so genannt) Alten Künstlichen Intelligenz versucht man das menschliche Handeln mit Regel­ werken nachzubilden. In der (so genannten) Neuen Künstlichen Intelligenz setzt man mit Neuronalen Netzen auf das Nachbilden von menschlichen Gehirnvorgängen, spekuliert auf eine dem mensch­ lichen Lernen nachempfundene Emergenz von Intelligenz aus sensomotorischen Kontrollzyklen und versucht sich mit der Biologie nachgebaute intelligenter Materialien/Designs. In der auf Big Data basierten Künstlichen Intelligenz geht es dagegen darum, in den Daten Zusammenhänge zu finden, die für intelligentes Entscheiden genutzt werden können. Auch dabei spielt eine digitalisierte Version des menschlichen Lernens eine grosse Rol­ le, aber es wird aus Daten gelernt, die zu gross und zu komplex sind, als dass sie Menschen mit natürli­ cher Intelligenz nutzen könnten. Das Ergebnis ist, dass Computer beim Entscheiden häufig auf gänz­ lich andere Dinge schauen als Menschen. Big Data rechnet oft gänzlich anders als Menschen denken – mit dem Ergebnis, dass auf Big Data basierte auto­ matische Entscheidungen manchmal viel besser sind als Entscheidungen von menschlichen Exper­ ten und manchmal katastrophal schlecht. Die Anwendungsmöglichkeiten für automatisier-­ tes Entscheiden sind schier zahllos, aber bislang noch kaum genutzt: Wartungsmanagement im Maschinenpark, Wasserstandsmanagement von Seen bei zu viel Niederschlägen, Produktdesign und Design von Werbekampagnen (in Hollywood und der Musik­i ndustrie spielen Datenalgorithmen schon lange eine gewichtige Rolle), etc. bis zur Automatisierung der strategischen Führung von Unternehmen. Gerade in Grossunternehmen ist die Automatisierung der Strategiearbeit eine sehr realistische und vielversprechende Option, weil der Computer aufgrund der verfügbaren Daten manch­ mal sehr viel näher am Geschäftsalltag ist als Geschäftsleitungsmitglieder, die primär mit ihres­ gleichen verkehren. Schwächen und Stärken von Big Data In der Praxis sind zwei entgegengesetzte Wider­ stände gegen Big Data beobachtbar. Einerseits haben viele schon das klägliche Scheitern von Big-Data-Projekten gesehen oder die Arroganz derer kennengelernt, die ohne Kenntnis des Anwendungsbereichs meinen, aus den Daten heraus mehr zu wissen als die Spezialisten für den Anwen­ dungsbereich. Andererseits sind klug designte Big-Data-Algorithmen oft tatsächlich imstande, kluge Entscheide vorzuschlagen, was sie bei den Experten unbeliebt macht. Sie demonstrieren damit nämlich, dass sie aus den Daten eine bessere Kenntnis des Anwendungsbereichs abzuleiten vermögen, als die vorgefassten Meinungen in den Communities der Experten, die sich aus Erfahrun­ gen der Vergangenheit herleiten. Die natürliche Schwäche von Big Data ist also, dass ohne Kenntnis und Modell des Anwendungsbe­ reichs Daten häufig falsch interpretiert werden. Und die natürliche Stärke von Big Data ist, dass die richtig ausgewählten Daten den Anwendungsbe­ reich oft sehr präzise abbilden – und so die datenver­ arbeitenden Computer oft «sehr nahe bei den Kun­ den bzw. am Markt sind». Vorerst dominieren in den Marketing-Versprechen die Stärken und in der Pra­ xis die Schwächen. Aber dies wird sich ziemlich schnell ändern, wenn der Umgang mit Big Data pro­ fessioneller wird. Und vor allem dann, wenn die Experten und die Führungskräfte der Anwendungs­ bereiche anfangen, selber mit Big Data zu arbeiten. 49 50 Denn wie genial auch die Algorithmen von Big Data sind, manchmal ist der Mensch einfach in der Datenverarbeitung klüger. Vor allem aus zwei Gründen – das Wissen in den Köpfen der Experten kann nur eingeschränkt in Form von Künstlicher Intelligenz den Computern übertragen werden und in der visuellen Kognition ist die Künstliche Intelligenz noch nicht konkurrenzfähig mit den Menschen. Voraussetzungen für erfolgreiches Big Data Oft schrecken kleine und mittlere Unternehmen vor Big Data zurück, weil sie fürchten, an der Informatik oder der Mathematik zu scheitern, auf der Big Data basiert. Diese Befürchtung ist (fast immer) unbegründet. Mathematik- und Informa­ tikkenntnisse können zugekauft werden. Wichtig ist anderes: 1. E s braucht klare Fragen in Bezug auf das eigene Geschäft, die beantwortet werden sollen. 2. E s braucht Daten UND ein Verständnis von Bedeutung und Qualität der Daten, die verwendet werden sollen. 3. Die Daten müssen für die Fragen gut passen. Der dritte Punkt ist sicher der kritische aus objekt­ iver Problemsicht. In der Praxis scheitern aber viele Big-Data-Projekte – auch solche mit siebenstelligen Kosten – vor allem und zuallererst am ersten Punkt. Wenn ein Unternehmen von Big Data profitieren will, muss es wissen, was es gerne wüsste – und das wissen viele nicht! «Das richtige Fragenstellen ist die eigentliche Kunst» Big Data beginnt in der Wirtschaft also stets mit unternehmerischer Erfahrung und mit unter­ nehmerischer Kreativität, die gebraucht werden, um die richtigen Fragen zu stellen. Das richtige Fragen Stellen ist die eigentliche Kunst bei der Anwendung von Big Data. Wer allerdings langfristig und nachhaltig auf Big Data setzen will, der sollte einen Schritt weiterge­ hen und eine Datenstrategie entwickeln. Diese Stra­ tegie sollte beantworten, wie ein Unternehmen in Zukunft zu den Daten kommt, die es benötigt, um die anvisierten geschäftskritischen Fragen zu beantworten. Denn auch wer die richtigen Fragen für Geschäftsinnovationen hat, scheitert bisweilen daran, dass ihm die Daten zu ihrer Beantwortung fehlen. Zu obigen Erfolgskriterien gibt es zwei Ausnahmen: Zum einen kann das Suchen nach unbekannten Mustern auch ohne klare Fragen zum Erfolg führen, wenn es von jemandem durchgeführt wird, der den Geschäftsbereich sehr gut kennt und deshalb beobachtete Muster interpretieren kann. Es ist allerdings nicht erfolgversprechend und sinnvoll, diese Suche an Big-Data-Spezialisten ohne spezifische Kenntnisse der Branche und der aktuel­ len Marktsituation outzusourcen. Sie muss von den Experten des Anwendungsbereichs bzw. den Führungskräften des Unternehmens selber durch­ geführt werden und diese müssen über eine Big-Da­ ta-Ausbildung verfügen. Zum anderen ist es möglich, die eigenen Daten für andere zur Verfügung zu stellen, entweder direkt als Daten oder als Dienstleistungen. Die Daten aus dem eigenen Geschäft enthalten möglicherweise wertvolles Wissen über das Geschäft der anderen. Auch hier braucht es aber klare Fragen in Bezug auf das Geschäft anderer, um den Wert der eigenen Daten zu erkennen. Zudem ist das im Datenschutz enthaltene Verbot des Kontextwechsels bei der Datenverarbeitung bei der Nutzung der eigenen Daten für das Geschäft besonders einschneidend und deshalb muss besonders genau hinterfragt wer­ den, ob hier keine Datenschutzverletzung vorliegt. Ein weiteres Hindernis ist, dass es bislang nur in Teilbereichen, z.B. der Medizin mit amerikanischen Datenanbietern, einen Markt für Daten gibt und dass es sehr wertvolle Daten braucht um als eigen­ ständiger Dienstleister von Big-Data-basierten Diensten im Markt aufzutreten. Bisherige Erfolge, zukünftiges Potenzial und Schlüsselkompetenzen Bislang gab es spektakuläre Erfolge von Big Data – wie etwa die zweite Präsidentschaftskampagne von Obama oder Nate Silvers Datafizierung des amerikanischen Baseball-Sports –, aber auch eben­ so spektakuläre Flops. Google Flu Trends schien imstande, aus Suchabfragen sehr präzise Vorher­ sagen über das Ausmass der erwartbaren Grippe­ verbreitung treffen zu können, hat aber vorläufig den Betrieb eingestellt, weil sich herausstellte, dass die Prognosen doch nicht so einfach machbar sind, wie man in der ersten Euphorie dachte. Trotzdem ist Big Data der Hauptgrund für den gros-­ s­en Wert von Google und Facebook. Beide besitzen grosse Datenmengen ihrer kostenfreien Nutzer, beide verfügen über Topforscher im Big-DataBereich, beide valorisieren ihre Daten schon jetzt als Empfehlungen für Zahlkunden. Und der Markt schätzt das Potenzial von datenbasierten Dienstleistungen bei beiden als zukünftig extrem hoch ein. Ein Bereich, in dem das Potenzial unbestritten ist, in dem sich aber die grossen Herausforderungen von Big Data klarer als anderswo zeigen, ist die persona­ lisierte Medizin. Das Arbeiten mit Daten – ob man dies dann Big Data nennt oder nicht – ist beispiels­ weise eine wichtige Tätigkeit in der Onkologie. Dabei zeigt sich, dass Big Data noch mehr als bisher die interdisziplinäre Zusammenarbeit einfordert – von den Mathematikern bis zu den Klinikern. Plötz­ lich taucht so auf der Wunschliste der Innovatoren wieder das längst entsorgt geglaubte Profil des Uni­ versalgelehrten auf, der alle Spezialisten miteinan­ der vernetzt. Es braucht zwar nicht mehr, sondern weniger Generalisten, aber die wenigen sollten ide­ alerweise Universalgelehrte und am besten noch genial sein. Zusätzlich gewinnen bei allen Spezialis­ ten in der praktischen Anwendung von Big Data die Kommunikationsfähigkeiten enorm an Bedeutung. Big Data ist ein Teamspiel, in dem es darauf ankommt, selber verständlich zu kommunizieren UND andere verstehen zu wollen. Big Data in der Druckindustrie In der Druckindustrie spielt Big Data vorerst nur eine marginale Rolle. Will man das Potenzial ergründen, so muss man sich die Fragen stellen, a) w ie die oben beschriebenen Anwendungsmög­ lichkeiten von Big Data in der Druckindustrie und im Geschäft rund um die Druckindustrie einge­ setzt werden könnten, b) ob der Markt dies jeweils honorieren würde und c) o b die notwendigen Daten und die notwendigen Fähigkeiten zur Nutzung dieser Möglichkeiten vorhanden sind oder zumindest mit vernünftigem Aufwand aufgebaut werden können. Konkret interessant ist in Bezug auf a) w elche Personalisierung möglich sind, wo bei der Nutzung von Big Data Druckprodukte Anwen­ dung finden werden und wo es Möglichkeiten gibt, den Betrieb und möglicherweise das Maschi­ nendesign zu optimieren. Dies nicht nur für 51 52 Druckereien, sondern auch für deren Kunden und die Endkunden. Zusätzlich sollte man fragen, ob die Daten der Druckindustrie nicht wertvolle für andere enthalten. Eine erste Einschätzung ergibt, dass durch die digitale Transformation ganz allgemein und durch Big Data im Besonderen sich mittelfristig das Geschäft der Druckereihauptkunden verändern wird, dass der Bedarf nach gedruckten Big-Data-­ Visualisierungen steigen wird, dass einige Drucke­ reien ihr Kunden- und Mitarbeitermanagement optimieren werden, dass einige Druckereien ihre Druckanlagen-Steuerung optimieren werden und dass eventuell Big Data auch zu Innovationen bei den Druckanlagen genutzt werden wird. Unklar ist das Potential der Nutzung der Daten aus der Druckindustrie für Big-Data-Dienstleistungen. Big Data und die Kunden der Druckindustrie In der Druckindustrie wird Big Data vor allem Kun­ den der Druckereien betreffen. Sie erhalten einer­ seits mit Big Data die Möglichkeit, ihr Verhältnis zu ihren Kunden, Auftraggebern und Konsumenten, zu verbessern. Denn sie werden in Zukunft mehr über ihre Kunden und deren Bedürfnisse wissen als bis­ her, so dass sie diesen personalisierte Angebote machen werden können – bis hin zu den Angeboten personalisierter, individuell zusammengestellter Produkte für die Konsumenten. Beispielsweise wird ein Teil der Bücher in Zukunft komplimentär zu den eBooks angeboten werden, wobei eBook und Buch nicht notwendigerweise die gleichen Inhalte aus­ weisen werden. Und ein Teil der Bücher wird über­ haupt nur mehr für einen Kunden produziert werden – nicht nur bei den digitalen, sondern auch bei den gedruckten Büchern. Ähnliches gilt für Zeitschrif­ ten und Werbebroschüren. Darüber hinaus werden die Formen variieren und z.B. bei Büchern sich nicht notwendigerweise immer an der Bibliothekskompa­ tibilität orientieren. Mit diesen Individualisierun­ gen werden die Kunden der Druckereien für ihre Kunden mehr Wert schaffen und dies valorisieren, sofern sie die Prozesse als Ganzes beherrschen. Anderseits könnten die Kunden der Druckereien stark unter Druck geraten – unter anderem durch das Entstehen neuer Plattformen und durch die Umsetzung aktueller, aber nicht ganz realitätsfer­ ner Utopien, beispielsweise eines Direktmarkts zwi­ schen Autoren und Lesern oder eines Liquid Pub­ lishing, in dem Inhalte von selbstorganisierten Communities erstellt werden. Die Digitalisierung droht beispielsweise im Verbund mit Big Data das Fachwissen von Verlagen und Zeitungen zu erset­ zen und selbst der Wert einer guten Beziehung zwischen Verlag und seinen Autoren ist in Gefahr in einer Liquid-Publishing-Welt, in der Crowds den Ton angeben. In der Summe wird sich das Geschäft der Verlagskunden voraussichtlich stark verändern. Wobei die Geschichte von der besseren Verhand­ lungsposition dank besserer Kenntnis der Ge­ schäftspartner durch Big Data sich vermutlich als marktverschärfend für alle Involvierten erweisen wird. Konsumenten als Veränderungstreiber Treiber vieler Veränderungen im Geschäft der Kunden der Druckindustrie werden die Endkunden sein – so steht zu erwarten –, indem sie auf die einen Umsetzungen der neuen Möglichkeiten bei der personalisierten Produktgestaltung sehr positiv reagieren werden und auf die anderen nicht. Diese Forderung wird voraussichtlich verbunden sein mit jener nach besonders hoher Qualität der Druck­ produkte und gleichzeitig (und scheinbar wider­ sprüchlich) mit einer grüneren Entsorgung der Druckprodukte. In einigen Bereichen werden die ökologische Nachhaltigkeit des Druckens und die schnelle und schadstofffreihe Abbaubarkeit der Druckprodukte grosse Bedeutung gewinnen. Für die Druckindustrie bedeutet dies, dass sich die Aufträge an sie ändern werden. Sie wird kleinere Serien und individualisierte Produkte drucken und dabei werden Qualität und andere Aspekte eine noch stärkere Rolle als bisher spielen. «Big Data hat sehr viel mit visuell-ästhe­ tischen Aspekten zu tun» Die Veränderungen in den Märkten ihrer Kunden bietet aber auch den Unternehmen der Druckindus­ trie die Möglichkeit, dass sie ihr Geschäft ausdeh­ nen und das Geschäft ihrer Kunden integrieren. Dort wo dies nicht geschieht, werden die Druckerei­ en teilweise neue Kunden bekommen, die ihrerseits das Geschäft ihrer früheren Kunden übernehmen werden. All das ist ambivalent, weil es nicht nur neue Zukunftschancen in Form neuer Geschäfts­ modelle bietet, sondern dadurch potenziell auch Konflikte zwischen Auftragnehmern und Kunden schürt und am Ende auch zu einer Marktbereini­ gung bei den Kunden führen könnte und dadurch die Preise in der Druckindustrie noch weiter unter Druck setzen könnte. Big-Data-Visualisierung Bei der Nutzung von Big Data spielt Kommunikation eine zentrale Rolle, wie ich oben ausgeführt habe. Das gilt für eng zusammenarbeitende Big-Data­ Teams ebenso wie für den organisationsweiten Ein­ satz von Big Data. Big Data ist deshalb in der Praxis nicht nur «Number Crunching», sondern hat auch viel mit visuell-ästhetischen Aspekten zu tun. Zum einen können Computer manche Dinge viel schlech­ ter rechnen als sie Menschen sehen, mit ihrer visu­ ellen Kognition ist es noch nicht weit her. Zum anderen sind Zahlen als Ergebnis von Big Data für Menschen oft schwierig zu verstehen und damit schwer zu kommunizieren. Zum Dritten sind Bilder oft glaubwürdiger als Zahlen. Darum spielt die Datenvisualisierung bei Big Data eine Schlüssel­ rolle. Komplexe bzw. grosse Datenmengen müssen meist visualisiert werden, damit sie Menschen ana­ lysieren können, verstehen können und glauben. Zwar gab es auch Versuche der Sonifikation von Daten zu analogen Zwecken, doch waren diese nur in Spezialbereichen erfolgreich. Die Druckindustrie besitzt viel Kompetenz in der visuellen Kommunikation. Eine Option wäre, diese Kompetenz als Dienstleistung anzubieten und so die Geschäftstätigkeit auszuweiten. Darüber hinaus wird Bedarf entstehen an kurzfristig ad hoc produ­ zierten gedruckten Datenvisualisierungen in den unterschiedlichsten Formaten. Hier werden einfache Bestellbarkeit und Schnelligkeit der Dienstleistung ebenso eine Rolle spielen, wie die hohe Qualität der Produkte (trotz deren eventuellen Wegwerfcharakter) und potentiell auch das Angebot von Unterstützung bei Produktion der Visualisierung. Der Einstieg ins Geschäft mit der Visualisierungs­ beratung könnte gerade über Ad-hoc-Dienstleistun­ gen für Endkunden gelingen. Warum nicht Big-­ Data-Visualisierungen anbieten? Konkret: Warum nicht anbieten, dass Kunden nur die Daten liefern und Form und Zahl der Endprodukte bestimmen, während die Druckerei fachkompetent die Visuali­ sierung vornimmt und so dem Kleinkunden eine Arbeit abnimmt, die dieser vielleicht gar nicht sel­ ber leisten könnte und die aufgrund eines ad hoc 53 54 entstehenden Bedürfnisses sehr kurzfristig getan werden muss? Optimiertes Kundenmanagement Die Druckindustrie kann Big Data natürlich wie andere Branchen auch zur Optimierung des Kun­ denmanagements verwenden. Big Data wird ihr ermöglichen, ihre Kunden besser zu verstehen und Bedarfsänderungen zu antizipieren. Allerdings ist das Handlungspotenzial in einem engen Markt gering. Überdies ist die Möglichkeit, mittels Big Data Mehrwert durch spezielle Angebote zu schaf­ fen, gering, wenn sich auch ohne Big Data Anbieter und Kunden gut kennen. Hier wird nur das prakti­ sche Anwenden von Big Data zeigen, wie gross das Potenzial tatsächlich ist. Big Data hilft vor allem dort, wo die Kunden wenig bekannt sind und der Markt noch nicht gesättigt ist. Das heisst in diesem Fall, wenn es darum geht, neue Kunden zu gewin­ nen, beispielsweise Endkunden, die sich massge­ schneiderte Druckprodukte wünschen, konkret z.B. Visualisierungen von Open Government Data (OGD) oder den Druck von anderem offen verfüg­ baren Inhalt. Big Data wird also überall dort eine wesentliche Hilfe bieten, Kunden besser zu verste­ hen, wo der Versuch gemacht wird, die bisherige Geschäftstätigkeit auszuweiten. Im etablierten Geschäft ist das Nutzenpotenzial dagegen deutlich geringer und sein tatsächliches Vorhandensein muss konkret erprobt werden. Optimierung von Anlagensteuerung, Mitarbeitermanagement und Anlagendesign Für grosse Druckereien bietet Big Data auch die Möglichkeit, den Betrieb der Anlagen zu optimie­ ren, ebenso wie das Mitarbeitermanagement. Anla­ genoptimierung gibt es an sich schon lange, aber Big Data ermöglicht es, den zukünftigen Bedarf zu prognostizieren und so die Anlagen effizienter zu fahren, die Wartung in Bezug auf das Kosten-Risi­ ko-Verhältnis zu optimieren und die Arbeitskosten zu minimieren. Leider sind für kleinere Druckereien die Optimierungsmöglichkeiten eng beschränkt. Sie können allenfalls bei Investitionsentscheidun­ gen Big-Data-basierte Trendprognosen nutzen. Analoges gilt für das Thema Mitarbeiterführung. Datenbasiert wird es in Zukunft möglich sein, die Produktivität von Mitarbeitenden besser einzu­ schätzen. Wobei dies «vernünftig» zu machen eine grosse Herausforderung darstellt, weil sich Leis­ tung nicht immer leicht einschätzen lässt. Dazu kommt, dass eine Mitarbeiterüberwachung in der Schweiz anders als in den USA selten praktiziert und nicht wirklich akzeptiert wird und dass auch die datenbasierte Einschätzung der Mitarbeiterpro­ duktivität bei kleinen Druckereien, in denen der Chef alle Mitarbeiter gut kennt, kaum Nutzen bringt. Auch wenn also Big Data im HR Controlling in vielen Unternehmen einziehen und vor allem in Grossunternehmen die Mitarbeiterführung signifikant verändern wird, so ist es eher unwahr­ scheinlich, dass dies in der Druckindustrie eine grosse Rolle spielen wird. Eine grosse Unbekannte ist das Big-Data-Potential im Engineering von Druckanlagen. Wenn man schon die Anlagensteuerung optimieren kann, warum nicht gleich das Anlagendesign? Gerade in Zusammenhang mit veränderten Wünschen der Kunden und Konsumenten ergibt sich hier ein Potenzial für Innovationen. Doch wie in anderen Fällen auch ist unklar, ob das wirklich Big Data ist, was benötigt wird, oder ob ein fachliches Verständ­ nis der veränderten Bedürfnisse ausreicht. Insofern Big Data aber auch Anteil an den veränderten Bedürfnissen hat, hat es mindestens Auswirkungen auf zukünftige Engineering-Innovationen. Big-Data-Angebote aus der Druckindustrie Wie anderswo auch häufen sich in der Druck­indus­t rie Geschäftsdaten an, in denen implizit Wissen über die Interessen der Kunden und die Inte­ ressen der Kunden der Kunden enthalten ist. Diese Daten können zum einen wie oben beschrieben für die Optimierung und/oder Erweiterung der eigenen Geschäftstätigkeit genutzt werden, konkret z.B. wenn Erkenntnisse über Endkunden genutzt werden. Sie können aber zum anderen auch von anderen genutzt werden, wenn sie als Big-Data-Dienstleistungen angeboten werden. Wert wird dabei beispielsweise geschaffen, wenn die Sicht unterschiedlicher Kunden zusammen­ gefasst wird und das Resultat die Marktentwick­ lung besser wiederspiegelt als die Sicht eines einzigen Kunden. Umgekehrt kann die Druckindustrie selber Daten anderer nutzen, um das eigene Geschäft besser zu verstehen. Sie läuft aber auch Gefahr, dass ihre Geschäftspartner – z.B. Logistikdienstleister – Daten über sie und ihre Kunden nutzen, um ihrer­ seits ihr Geschäft auszudehnen und als Konkurren­ ten aufzutreten. Die Digitalisierung verändert letztlich die Märkte für alle und macht es schwer, etablierte Geschäftsmodelle unverändert weiter­ zuführen. Zusammenfassung Big Data wird die Druckindustrie verändern, weil es den Markt verändern wird. Unternehmen in der Druckindustrie sollten sich verschiedene Frage stel­ len: Ist die Ausweitung des Geschäftsbereichs eine Option? Drohen wir unseren Wissensvorteil im Bereich Kenntnis des Markts und der Kunden durch Big Data zu verlieren und von grossen Anbietern geschluckt zu werden? Sind neue Dienstleistungen für Endkunden eine Option? Macht es Sinn, auf Kompetenzen im Bereich visuelle Kommunikation zu setzen? Und als grosse Unternehmen: Können wir die Anlagensteuerung mit Big Data optimieren? Dort wo Big Data selber eingesetzt wird oder Visua­ lisierungsdienstleistungen angeboten werden, steht fast nie Big Data selber im Vordergrund, sondern das Stellen der richtigen geschäftskriti­ schen Fragen, für sich oder für die Kunden. Denn bei der Nutzung von Big Data geht es in der Praxis nicht so sehr um Daten und Algorithmen – die entspre­ chenden Expertisen können eingekauft werden –, sondern um kreative Innovationen im eigenen Geschäftsbereich. Big Data wird hier einiges ermög­ lichen, aber seine Nutzung ist in der Praxis nicht einfach. 55 56 Marketing als Chance für Printunternehmen — Martin Blatter Marketing heisst Kunden gewinnen und vor allem halten. Damit ist klar: Wer in einem Verdrängungs­ markt und damit in Zukunft überleben will, der kommt nicht am Marketing vorbei. Denn die Zukunft wird in der Gegenwart gestaltet. Die Zitate im Artikel sind von Brancheninsidern, welche ihre Erfahrungen und Marketinggrundsätze weiterge­ ben und einen Blick in die Zukunft werfen. Das Marketing wird in vielen Printunternehmen oft stiefmütterlich behandelt. Grund: «Eine traditio­ nelle Druckerei stellt das Handwerk in den Mittel­ punkt. Alles dreht sich um die eigenen Maschinen, die eigenen Abläufe und wie man den Kunden irgendwie in diese Prozesse einbinden kann.»1 Lieber eine neue Druckmaschine kaufen statt ins Marketing investieren. Dies ist typisch für hand­ werklich orientierte Branchen: «Bei der Maschine sehe ich wenigstens was, bei den Investitionen ins Marketing sehe ich nichts», ist die oft gehörte Begründung. Nur: Solche Aussagen zeigen das Marketing-Missverständnis. Denn die Anschaffung einer neuen Druckmaschine hat viel mit Marketing zu tun. Marketing ist weit mehr als Werbung. «Vermutlich stand in den goldenen Zeiten des Druckwesens die technische Denkweise vor der betriebswirtschaftlichen.»2 «Bei den technischen Investitionen sehe ich eine niedrige Fehlerquote. Es gibt sehr gute Erfahrungs­ berichte, zudem stehen heute die Hersteller zur Seite und verkaufen nicht einfach jedermann die neuste Technologie. Vielmehr sehe ich Gefahren durch die Fehleinschätzung des Marktes.»3 Tipp: Gute Chefs planen jeden Tag im Schnitt 30 Minuten für Marketingaktivitäten ein. Allerdings wirkt Marketing selten über Nacht. Wirkung zeigt ander­ seits nur eine gute Marketingplanung. «Just in einem Verdrängungsmarkt überleben nur die mit der richtigen Strategie. Unternehmen, die ‹auf gut Glück› in die Zukunft gehen, leben gefährlich. Harte Arbeit allein genügt heute nicht mehr. Es braucht eine strategische Planung.» 4 Kommissar Zufall hat keine Zukunft Bei Kleinbetrieben regiert oft Kommissar Zufall. Schon Seneca 5 meinte, es gebe keine günstigen Winde für jenen, der nicht wisse, wohin er segeln wolle. Gerade im Marketing ist es eine Kunst, die richtigen Winde zu spüren und dann hart am Markt zu segeln. Fingerspitzengefühl hat im Marketing nach wie vor seine Daseinsberechtigung, wie ein erfahrener Seebär beim Segeln die Windverhältnis­ se in seinem siebten Sinn hat. Oft besteht der Marketing-Plan aus ein paar «losen» Ideen im Kopf des Chefs. Dabei ist ein Marketing­ plan ohne viel Aufwand machbar. Gründe für das Fehlen von Marketingplänen: Im Stress des Tages­ geschäftes bleibt keine Zeit zur Planung. Nur: Wer plant, delegiert und kontrolliert, setzt mehr um! «Da sich der Markt so schnell verändert, müssen wir heute fast alle drei Jahre die Strategien anpassen.6 » Eine gute Marketingplanung ist dynamisch, wie die Abbildung unten zeigt. Zuerst braucht es eine genaue Analyse, die heute immer wieder gemacht Analyse SWOT / Konkurrenz Erfolgskontrolle: Zielüberprüfung und Anpassungen Massnahmen: Was? Wie? Wann? Wer? Zielgruppen Zielpersonen Ziele und Strategien festlegen Marketing-Mix: Einsatz der 7 P wie Product, Price, Place, Promotion, People, Physical Evidence, Process Abb. 1 In einem Verdrängungsmarkt ist das konzeptio­nelle Vorgehen mit einer dynamischen Planung entscheidend. werden muss. «Das Kundenverhalten ändert sich mit den Neuen Medien im Jahresrhythmus.»7 Strategische Erfolgsposition SEP Nach der Analyse werden die Zielgruppen sowie Zielpersonen bestimmt, klare Ziele formuliert und die Strategien gesetzt: «Die strategische Planung bildet die Grundlage für den unternehmerischen Erfolg. Es ist die Grundlage für das unternehmeri­ sche Handeln und ermöglicht das Festlegen und Erreichen der unternehmerischen Ziele.» 8 Ziele und Strategien, welche nur der Chef im Kopf hat, brin­ gen kaum Erfolg. «Eine Strategie ist der Weg zum Ziel. Jedes noch so kleine Unternehmen muss sich diesen Richtungsentscheiden stellen. Nur schrift­ lich festgehaltene Ziele und Strategien können spä­ ter auch überprüft werden. Wer das Soll nicht fest­ legt, der wird dies auch nicht erreichen.»9 Bei den Strategien braucht es eine klare Positionierung. Beispiel: Wer ein Mineralwasser einkauft, ist bereit für ein Produkt mehr zu bezahlen, wenn es das Gesundheits-Image hat. Für einen Durstlöscher wird weniger Geld ausgegeben. Im Marketing-Jar­ gon: Jedes Produkt hat ein ganz bestimmtes Image, ist in den Köpfen der Kunden ganz anders positio­ niert. Dabei zählt nur die Positionierung, welche im Kundenkopf ist. Deshalb verlangt eine Positio­ nierung eine professionelle Werbung. Wer Marketing betreibt, muss sich auch in Zukunft an einige Grundregeln halten. Wie der Autofahrer gewisse Signale beachten muss, darf die Marke­ ting-Frau oder der Marketing-Mann auch nicht blindlings durchstarten. Eine Regel haben wir mit der Positionierung schon gesehen. Eine andere wich­ tige Marketingregel ist die Suche nach einer Einzig­ artigkeit. Im Marketing-Jargon nennt sich das USP (Unique Selling Proposition, einzigartiger Produkte­ vorteil). Machen wir mal einen kleinen Test: Schlie­ ssen Sie die Augen und stellen Sie sich einen typi­ schen Schweizer Berg vor. Wetten, Sie haben das … Am Schluss des Artikels sehen Sie die Lösung (vgl. Nachtrag 1). Es ist diese Einzigartigkeit, die den klei­ nen Unterschied zu den anderen ausmacht. Ein star­ ker USP, der kaum kopiert werden kann, wird auch als Strategische Erfolgsposition SEP umschrieben. Uniques statt Preisdumping Glücklich, wem die Natur ein USP gibt, die anderen müssen eines kreieren. Dabei lohnt sich das Kreie­ ren mehrerer Einzigartigkeiten, weil die besten Ide­ en gerne kopiert werden. Machen Sie sich auf die Suche nach AAAA-Angeboten, welche Anders Als Alle Anderen sind. Solche Einzigartigkeiten können beispielsweise in der Werbung sein. Machen wir wieder mal einen kleinen Test: Schliessen Sie die Augen und stellen Sie sich eine Plakatwerbung von einer Schweizer Versicherung vor! Wetten, Sie haben … Die Auflösung sehen Sie am Schluss dieses Artikels. (vgl. Nachtrag 2) Solche Einzigartigkeiten werden im Marketing als UAP (Unique Advertising Proposition, einzigartige werbliche Alleinstellung) bezeichnet. Es gibt noch andere Uniques. Gewisse Unternehmen schreiben sich gar ein UMP (Unique Marketing Pro­ position) zu. Beispiele sind hier Apple oder Redbull. Wie auch immer: Wer ein Unique hat, der hat es auf dem Markt leichter. Wer keine Einzigartigkeit hat, der kann sich nur noch im Preis unterscheiden. «Heute muss jedes Druckunternehmen sein eigenes Geschäftsmodell aufspüren und entwickeln, sonst wird es zwischen Internet und Online-Druck zer­ drückt.»10 Ein anderer Brancheninsider formuliert es so: «Wenn ich mich in der grafischen Branche umschaue, dann sehe ich langfristig zwei Arten von Firmen. Solche, welche Lösungen für Kommunikati­ onsbedürfnisse bieten. (…) Daneben wird es Unter­ nehmen geben, die sich völlig auf die Produktion konzentrieren und dort die besten und effizientes­ ten sind. Dazwischen dürfte es nicht mehr viel Raum für andere Strategien haben.»11 Richtigen Weg (Strategie) wählen Die Strategie ist der Weg zum Ziel. In einem Verdrän­ gungsmarkt müssen neue Wege gesucht werden. «Mit dem ‹Weitermachen wie bisher› wären wir im Verdrängungswettbewerb innerhalb der Druck­ industrie gegen die Wand gefahren. Da waren neue Strategien gefragt. Wir mussten neue Wege beschrei­ ten. Für uns war klar: Wir können uns nicht allein durch Produkte oder Produktionsverfahren differen­ zieren. Wir müssen Wettbewerbsvorteile vor allem durch Dienstleistungen und Kundenservice erzielen.»12 Neue Wege lassen sich nicht in den 1 viscom print & communication | Nr. 6 | 18. März 2014 2 viscom print & communication | Nr. 12 | 21. Juni 2016 3 viscom print & communication | Nr. 12 | 21. Juni 2016 4 viscom print & communication | Nr. 6 | 15. März 2016 5 Lucius Annaeus Seneca († 65 n. Chr.) war ein römischer Philosoph, Dramatiker, Naturforscher, Politiker und als Stoiker einer der meistgelesenen Schriftsteller seiner Zeit. 6 viscom print & communication | Nr. 8 | 19. April 2016 7 viscom print & communication | Nr. 6 | 15. März 2016 8 viscom print & communication | Nr. 6 | 15. März 2016 9viscom print & communication | Nr. 8 | 19. April 2016 10 viscom print & communication | Nr. 8 | 19. April 2016 11 viscom print & communication | Nr. 1/2 | 27. Januar 2015 12 viscom print & communication | Nr. 8 | 19. April 2016 57 58 Return on Ivestment (ROI) Differenzierung Kostenführerschaft «zwischen den Stühlen» Marktanteil Abb. 2 Die Zeiten der eierlegende Wollmilchsau sind auch in der Printbranche vorbei. Konkret: Eine Druckerei, die nur Vorteile hat, alle Bedürfnisse befriedigt und allen Ansprüchen genügt, gibt es in Zukunft nicht mehr. Nach Porter stellt sich folgende Strategie-Entscheid: Entweder Massenhersteller oder Spezialist. (nach Porter 1999) Abendstunden finden. Es braucht zuerst den Blick in die weite Ferne – sprich eine Vision. «Wir haben uns neue Visionen gegeben. Wir wollen einerseits der Technologie-Führer im Offsetdruck sein, stellen dabei die Mitarbeitenden ins Zentrum und suchen mit besonderen Serviceleistungen die Kundennähe. Der Weg zu diesen Visionen beziehungsweise Zielen ist ja bekanntlich die Strategie.»13 Die Vision blickt weit in die Zukunft und sollte nicht zu detailliert sein. Der Horizont ist mit der Vision in Sicht. Jetzt müssen die Wege zum Horizont gesucht werden. Wer sich im Leitbild als Technologie-Pionier sieht, der muss am Ball bleiben: «Wir suchen immer nach den neusten Technologien. Beispielsweise haben Gesamtmarkt Teilmarkt Zielmarkt Strategischer Vorteil Besondere Produktemerkmale Kostenvorsprung Differenzierung Kostenführerschaft Nischenstrategie Abb. 3 Eine der Strategien mit Zukunft ist laut Wirtschaftsexperten die soge­ nannte Nischenstrategie. Mit dieser Strategie ist nur erfolgreich, wer Kosten senkt, die richtige Zielgruppe erreicht und zufriedenstellt sowie ein unverwechselbares Profil hat. (Strategien nach Porter 1999) wir dank der neuen Speedmaster XL 75 LED neben den besseren Druckergebnissen auch eine breitere Materialvielfalt. Wir können heute auf Naturpapier ein richtiges Weiss drucken.» 14 Erfolgsrezept: Den Horizont nicht aus den Augen verlieren und dabei ständig nach neuen Wegen Ausschau halten: «Die Triebfeder für unser Geschäftsmodell war die Annahme eines kontinuierlichen Wandels in unse­ ren Branchen. Dafür müssen wir offen, neugierig und suchend bleiben. Trotzdem werden wir nie genau wissen, wann ein nächster, geschäftlich rele­ vanter Wandel ansteht.» 15 Die Richtung, welche in der Vision eingeschlagen wurde, muss allerdings beibehalten werden. «Die Grundidee bleibt. Unser Erfolgsfaktor ist, dass wir uns seit dem Anfang auf ein Marksegment und ein Angebotspaket konzent­ riert und spezialisiert haben. Noch heute unter ste­ tigem technologischem Wandel tun wir fast unver­ ändert das Gleiche wie beim Start. Die Vision war damals wohl richtig.» 16 Nischenstrategie Druckereien bieten oft gleichartige Produkte und Dienstleistungen an. Wer das anbietet, was alle machen, der bleibt im Mittelfeld und unterscheidet sich meist nur noch im Preis. Wer sich intensiv mit Marketing beschäftigt, wird folgerichtig eigene Ideen und Kreativität entwickeln. «Genau in den betreffenden Problemlösungen finden wir unsere Nischen und erreichen so eine höhere Kundenbin­ dung. Oft zeigen wir dem Kunden auch neue Mög­ lichkeiten auf, an die er nicht einmal denkt.»17 Spe­ zialisierung ist beispielsweise ein guter Weg für mehr Wirkung. «Das erreichen wir, indem wir dem Druckprodukt zum Beispiel durch das Verknüpfen mit den Online-Medien oder durch spezielle Ausfüh­ rungen etwa mit einem Relieflack zusätzlichen Anwendernutzen und Wert verleihen», folgert ein Mitarbeiter einer Druckerei, welche auf Cross­ media-Angebote setzt.18 Spezialisierung kann sich auch auf das Dienstleis­ tungs-Marketing beziehen, vgl. Abb 4. 4 P versus 5 K. Die Zukunft gehört den Unternehmen mit unver­ wechselbaren Dienstleistungen. Dienstleistungen können aber nur mit den Mitarbeitenden MA zusammen gestaltet werden. Grund: Dienstleistun­ gen entstehen zwischen MA und Kunden. Hierzu ist eine gute Unternehmenskultur Voraussetzung. Fol­ gende Bemerkungen sind in einer guten Dienstleis­ tungskultur verpönt, haben keine Zukunft: «Das macht man heutzutage so!» Oder: «Die anderen machen das auch so!» Erfolgreiche Unternehmen brauchen echtes Alleinstellungsmerkmale. Aller­ 4 P versus 5 K K P immer die billigste Lösung anbieten, aber wir kön­ nen unseren Kunden die beste Lösung für das jewei­ lige Bedürfnis zur Verfügung stellen. Hier können wir unsere Stärken ausspielen.»21 Re Ko s m ei erva fort nf ac tion h? / B u P Prodkukt und Dienstleistung haf K Ver steh Komm t de r Ku unikat io nde die n Bot sc e P K di Preis ch un g K P ht 4P versus 5K ? t wer unden den K Kun s dem te ring Promotion Public Relation/Werbung Verkaufsförderung/Verkauf Place/Vertrieb Ge b Was t? Kundensicht Sprechen wir die richtigen Kunden an? ie W em p K n en e st r d Ko et e d fin ei Pr s? Abb. 4 Die 4 Ps müssen in Zukunft noch vermehrt Product: Druckerei ist Dienstleistungs-Marketing «Massgebend für den Kunden ist, dass er ein ein­ wandfreies Produkt dann erhält, wann er es will. In diesem Zusammenhang können wir von einem Optimalfall dann sprechen, wenn wir jene Kunden ansprechen, die zu uns passen. In einer Beziehung zwischen Lieferant und Kunde geht es im Prinzip darum, dass beide Parteien etwas voneinander wol­ len. Am Ende sollte also nicht nur der Kunde glück­ lich sein. Der Unternehmer sollte es auch sein. Geld­ verdienen gehört nun mal dazu, um längerfristig das tun zu können, was einem Freude bereitet. Das geht bekanntlich nur, wenn wir gut sind in dem, was wir tun»22, so ein Gründer und Geschäftsführer einer kleinen Druckerei. mit den Augen des Kunden gesehen werden. Aus den 4 Ps werden 5 Ks. (Idee nach Kotler 2006) dings: «In der Schweiz stösst Neues immer zuerst auf Skepsis» 19, stellt ein Mitarbeiter einer Druckerei fest. Ein Geschäftsführer sieht seine Einzigartigkeit wie folgt: «In unserem Fall sind wir als reiner Digitaldruck-Anbieter entsprechend ausgerichtet für kleine und mittlere Auflagen und wollen unse­ ren Kunden in diesem Bereich einen Mehrwert bie­ ten, indem wir Qualität in Bezug auf Beratung, Dienstleistungen und Druckprodukte anbieten. Es ist nicht unser Ziel, mit einem Offsetauftrag von 10 000 Broschüren mithalten zu wollen. Das ist betriebswirtschaftlich nicht möglich.» 20 Der richtige Instrumenten-Mix In der strategischen Planung wird das Zusammen­ spiel der Marketing-Instrumente definiert. Wie bei einer Musikband müssen die Instrumente aufeinan­ der abgestimmt werden. Der Mix muss stimmen, muss harmonisch wirken wie in einer Musikband, in der beispielsweise nicht das Schlagzeug die anderen Instrumente übertönt. Im Marketing haben wir 4Ps: Product, Price, Place (Vertrieb) und Promotion. Beim Dienstleistungsmarketing, und dazu gehören auch die meisten Druckereien, kommen noch die 3 Ps hinzu – vgl. weiter unten. Erfolgreiche Unter­ nehmen brauchen in Zukunft ein ausgeklügeltes «Marketing-System», mit dem Kunden mit den ver­ schiedensten Angeboten und Instrumenten gezielt zum Kauf geführt werden. «Wir können nicht Drucken ist Handwerk. Der Kundenkontakt aller­ dings ist eine Dienstleistung. «Eine Druckerei ist kein Gewerbe- oder Industriebetrieb mehr wie frü­ her, sondern ein Dienstleistungsunternehmen. Das heisst, wir drucken nicht für unsere Kunden, son­ dern wir befriedigen ihre Kommunikationsbedürf­ nisse. Ich glaube, das haben viele traditionelle Dru­ ckereien bis zum heutigen Tag nicht richtig verstanden»23, meint ein Inhaber einer Druckerei. Deshalb sollten Druckereien auch Dienstleis­ tungs-Marketing betreiben. Zu diesem Schluss kommt auch Mitinhaber einer Druckerei: «Wir sehen uns in erster Linie als Dienstleister, welcher weit über das Drucken hinausgeht. Mit unseren Leistungen wollen wir Menschen, vorzugsweise unsere Kunden, begeistern. Der Kundenservice ist für uns zentral. Der Kunde muss sich bei uns vom ersten Kontakt bis zur Auslieferung wohlfühlen.»24 Ein Branchen-CEO: «…wir haben uns vom industri­ ellen Produzenten zusätzlich zum Dienstleister 13 viscom print & communication | Nr. 8 | 19.April 2016 14 viscom print & communication | Nr. 8 | 19.April 2016 15 viscom print & communication | Nr. 9 | 3.Mai 2016 16 viscom print & communication | Nr. 9 | 3.Mai 2016 17 viscom print & communication | Nr. 9 | 3.Mai 2016 18 viscom print & communication | Nr. 15/16| August 2015 19 viscom print & communication | Nr. 15/16| August 2015 20 viscom print & communication | Nr. 1/2 | 27. Januar 2015 21 viscom print & communication | Nr. 15/16| August 2015 22 viscom print & communication | Nr. 1/2 | 27. Januar 2015 23 viscom print & communication | Nr. 6 | 18. März 2014 24 viscom print & communication | Nr. 8 | 19.April 2016 25 viscom print & communication | Nr. 15/16| August 2015 59 60 Abb. 5 Im Marketing-Mix genügen in Zukunft die 4 Ps – Product, Price, Place, Promotion – nicht mehr. Grund: Viele Druckereien können sich nur noch durch ihre Dienst­ leistungen unterscheiden. Im Dienstleistungsmarketing müssen daher die Mitarbeiter/innen durch internes Marketing richtig motiviert, mit dem interaktiven Marketing die Prozesse zu den Kunden optimiert und die richtigen Signale gesetzt werden. People Product/Place Price/Promotion r te ne s M ar t ke in g Wenn sich die Stammkunden-Bedürfnisse ändern, dann muss ich mein Angebot auch ändern. «Die Hotels könnten ihren erheblichen Jahresbedarf an Drucksachen auch mit ausländischen Anbietern abdecken, wenn es nur um den Einkauf von Druck­ produkten ginge. Doch mit unseren Beratungs- und Agenturdienstleistungen helfen wir ihnen direkt, sich markttechnisch gut zu positionieren. Die damit verbundenen Druckaufträge sind eher ein Folgeund Nebeneffekt.»26Das Erkennen der Kundenbe­ dürfnisse ist das A und O im Marketing. «Wer sich Unternehmen Ex gewandelt.»25 Bei den Dienstleistungen spielen drei neue Instrumente mit: People (Menschen), Physical Evidence (Beweis durch Augenschein) und Process (Ablauf). Bei Dienstleistungen ist unter anderem das interaktive Marketing wichtig. Konkret: Der Austausch zwischen Druckerei-Mitarbeitenden MA und Kunden. Dabei ist das Auftreten der Firma und der MA (Physical Evidence) sehr wichtig. Hinzu kommt wie der Kunde den Beratungs-Ablauf (Pro­ cess) empfindet. Bei den Dienstleistungen spürt der Kunde sofort, ob der MA «gut drauf» ist. Deshalb sollte das interne Marketing richtig funktionieren. Wenn sich der MA schon morgens wegen falscher oder fehlender Informationen aufregt, dann könnte auch der Prozess zum Kunden darunter leiden. g Interaktives Marketing in Process Kunden fragen oft gezielt nach bestimmten Leis­ tungen. Fragen Sie nach den dahinterstehenden Bedürfnissen und Wünschen. Unternehmen kennen nicht genau die Bedürfnisse, Wünsche und Anfor­ derungen ihrer Kunden. Ich unterstelle: Die Kunden wissen oft selbst nicht so genau, was sie wollen. Ein Geschäftsleiter und Inhaber einer Druckerei: «Unser Fokus liegt darin, die Bedürfnisse unserer Kund­ schaft zu befriedigen. Genau hinhören und spüren, was der Kunde will – so einfach ist das –, denn nur daraus entwickeln sich nachhaltige Erfolgskonzep­ te, egal ob dabei an Vermarktungskanäle oder Print­ produkte gedacht wird.» 29 Um sich vom Wettbe­ werb abzuheben, müssen Sie genauer als der Wettbewerb den Bedarf ermitteln und dann bedarfsgeleitet bieten. Die Unternehmen, welche es verstehen, die Bedürfnisse der Kunden genau zu erkennen und zu befriedigen, steigern die Erfolgs­ quote erheblich. Ein Mitarbeiter einer Druckerei: «Indem wir unseren Kunden Marketinglösungen anbieten, gewinnen wir Druckaufträge.» 30 Diese Bedürfnisse sind die Qualitätsstandards, die jedem Mitarbeitenden bekannt sind. Beispiele: Eine Mail-Anfrage wird am gleichen Arbeitstag beant­ ke t Internes Marketing Physical Evidence Promotion ar People Price sM Place ne Product te r Externes Marketing allein auf den Druck festlegt, der wird es nicht ein­ fach haben in Zukunft. Wir haben heute die drei Geschäftszweige Media, Druck und Logistik. Konkret haben wir unsere Wertschöpfungskette verlängert.»27 Wie in anderen Branchen geht der Weg möglicherweise vermehrt hin zum Dienstleis­ tungsunternehmen: «Vielleicht müssen auch Off­ setdruckereien in Zukunft vermehrt Servicemög­ lichkeiten und weniger die Technik verkaufen.»28 In Die sieben Ps im Dienstleistungsmarketing Interaktives Marketing Mitarbeiter Physical Evidence/Process Kunden Abb. 6 Dem Dienstleistungsmarketing gehört die Zukunft. Dies ist allerdings anspruchvoll, da neben dem externen vor allem das interne wie auch interaktives Marketing betrieben werden müssen. (nach Kotler/Bliemel 2001) Place/Vertrieb: Wie kommt meine Dienstleistung zum Kunden? Bekanntlich führen verschiedene Wege nach Rom. Einige Betriebe haben den Inter­ net-Kanal entdeckt. Ein wichtiger Kanal bei vielen Druckereien ist nach wie vor der persönliche Kon­ takt und hier wiederum bestehende Kunden. Meist ist es einfacher, den Umsatz mit Stammkunden zu entwickeln, als einen neuen Kunden zu gewinnen. Dabei gilt folgender Grundsatz: Zufriedene Kunden kommen wieder. Begeisterte Kunden «verkaufen» zudem das Unternehmen durch Weiterempfehlun­ gen. «Mit unseren Produkten wollen wir Wirkung erzielen und unsere Kunden und natürlich auch deren Kunden begeistern», so ein CEO34. Auch verlo­ ren gegangene Kunden der letzten Jahre können eventuell wieder aktiviert werden. Mut und gute Vorbereitung vorausgesetzt, stehen die Chancen meist nicht schlecht. Stammkunden sind zudem ein ideales Potenzial fürs Weiterempfehlungs-Marke­ ting. Viele Kunden empfehlen gerne und müssen dazu lediglich motiviert werden. Für Unternehmen, die durch zu wenig Umsatz eine unbefriedigende Gewinnsituation haben, ist diese Marketingmass­ nahme überlebenswichtig. Wer alle Kunden gleich behandelt, der begeht einen Marketing-Fehler, der den Gewinn massiv reduzie­ ren kann. Marketing der Spitzenklasse betreibt, wer Preisstrategien Preisniveau hoch Matrix mit Hochpreis-, Tiefpreis- und wertorientierter Preisstrategie Hochpreisstrategien: Ausrichtung auf bestimmte Kunden durch hohes Preisniveau. Hochpreisstrategien Wertorientierte Preisstrategien: Preise der angebotenen Leistung entsprechen genau dem Kundenwert. Wertorientierte Preisstrategien gering wortet. Price: Wer keine Unterschiede in den anderen Mar­ keting-Instrumenten hat, der unterscheidet sich meist im Preis. Dabei wird oft kurzsichtig entschie­ den und das böse Erwachen folgt später. «Die gröss­ te Sorge ist ein zu geringer Cashflow aufgrund von Überkapazitäten und des damit verbundenen Preis­ druckes. Dadurch wird das Geld für künftige Inves­ titionen fehlen.» 31 Auch hier gilt wieder der Marke­ tinggrundsatz des Vorausschauens. «Aus meiner Sicht überlebt die Druckerei, die ihre Finanzen im Griff hat und heute genügend Cashflow erzielt, um die künftigen Investitionen zu tätigen. Investitio­ nen wohlgemerkt, die nicht nur finanziell machbar sind, sondern durch eine profunde Unternehmens­ strategie vorgegeben werden.» 32 Ein Mitinhaber einer Druckerei formuliert wie folgt: «Die Prozess­ optimierung ist für jede Druckerei ein Alltagsge­ schäft. Beispiel: Auch bei uns sinken die Auflagen. Damit müssen wir die Anzahl Aufträge pro Tag erhöhen, für die gleiche Auflagemenge erhalten. Dies können wir nur durch die Optimierung des Workflows erreichen. Das heisst nichts anderes als noch vermehrt automatisieren und standardisieren, damit die Kosten sinken.»33 61 Tiefpreisstrategien gering Leistung (Kundenwert) Tiefpreisstrategien: Traditioneller Ansatz mit Produktion zum möglichst niedrigsten Preis. hoch Abb. 7 Die richtige Preisstrategie zu finden, ist wohl eine der grössten Management-­Herausforderungen für die Zukunft. Dabei liegt das Augenmerk auf den Cashflow, damit das Geld für künftige Investitionen vorhanden ist. die Kundenliste sorgfältig segmentiert. Fazit: Mit den A-Kunden werden Sie häufiger und auf besonde­ re Art und Weise kommunizieren. Auch das Datum des letzten Auftrages ist ein wichtiges Kriterium bei der Selektion. Ein Kunde, der regelmässig bei Ihnen druckt, wird eher reagieren als ein Kunde, dessen Auftrag zwei Jahre zurückliegt. Beide Kunden müs­ sen verschieden und vermutlich mit anderen Wer­ beträgern angesprochen werden. Einige Unterneh­ men haben leider keine eindeutige Kern-Zielgruppe, keine klare Zielgruppenausrichtung und arbeiten nach der Streu-Methode und verpulvern buchstäb­ lich Geld. Ein Insider: «Man soll eben nicht nur immer das machen, was im Markt nachgefragt wird, sondern man muss versuchen, Dienstleistungen und Produkte zu verkaufen, von denen die Kunden bislang gar nicht wussten, dass sie die brauchen.»35 Promotion: «Als Drucker bin ich in einer Art das Medium zwischen Unternehmen und User, wie es im heutigen Jargon heisst. Da muss ich immer schauen, wie sich das Medienverhalten ändert, und dies dem Kunden sagen können.»36 Das war früher einfacher, da die Kunden weit weniger Medien zur 26 viscom print & communication | Nr. 1/2 | 27. Januar 2015 27 viscom print & communication | Nr. 8 | 19. April 2016 28 viscom print & communication | Nr. 9 | 3. Mai 2016 29 viscom print & communication | Nr. 1/2 | 27. Januar 2015 30 viscom print & communication | Nr. 15/16| August 2015 31 viscom print & communication | Nr. 12 | 21. Juni 2016 32 viscom print & communication | Nr. 12 | 21. Juni 2016 33 viscom print & communication | Nr. 9 | 3. Mai 2016 34 viscom print & communication | Nr. 15/16| August 2015 35 viscom print & communication | Nr. 6 | 18. März 2014 36 viscom print & communication | Nr. 9 | 3. Mai 2016 Faktoren der Dienstleistungsqualität Höflichkeit Zuvorkommenheit Respekt Freundlichkeit Verfügbarkeit Leistungsbereitschaft Bekanntheitsgrad Richtige und rechtzeitige Leistungserstellung Beschwerdeverhalten Kenntnisse des Kundenverhaltens, Fingerspitzengefühl Materielles Umfeld Gebäude, Ausstattung und Hilfsmittel Bekanntheitsgrad Erscheinungsbild Referenzen Auszeichnungen Kontaktbequemlichkeit Einfache Erreichbarkeit, kurze Wartezeiten, günstige Lage Kommunikation Informationsbereitschaft und -fähigkeit Fachkompetenz Ausbildung Fähigkeiten Dauerhaftigkeit Nachhaltigkeit Sicherheit Finanzielle und materielle Sicherheit, Vertraulichkeit Verständnis Bedürfnisse der (Stamm-)Kunden kennen Auftreten Mitarbeiter Persönlichkeit Aussehen Zuverlässigkeit Schnell und pünklich, Anfragen sofort erledigen Glaubwürdigkeit Ehrlichkeit, Ruf Vertrauenswürdigkeit Die Dienstleistungsqualität kann in einer Pyramide dargestellt werden. Fehlt ein Baustein oder ist er schwach, leidet die Stabilität und damit die Dienstleistungsqualität. (nach Kobjoll, 2006) Information nutzten. Da genügte oft ein Plakat oder ein kleiner Prospekt. In der heutigen Medienvielfalt braucht es schon ein eigens geschaffenes Orchester, um auf dem Markt gehört zu werden. Im Klassikjar­ gon: Früher und teilweise auch noch heute genügt ein Kammerorchester. In Zukunft will der Kunde mit einem Sinfonieorchester «beschallt» werden. ) ns it n it io be ne be at a r i n r el s h na R eit ac e ic hk n m n bl lic en sam die Pu ent tion Zu Me ff a , n (Ö rm sen de fo s it In au m d un P di er r e üb k sön er ter lic T Ku ele Ku her nd fon nde Ve en o nk rk se der on au lb b ta f er ei kt m PromotionInstrumente n ) io g ot run ine om de he Pr ör sc n s sf t ie le uf Gu äm Sa ka e, pr er tt e (V aba reu R T Fl y A er, nz P ei ro W ge sp e , e r Ki Ins kt, bun no er In g w at, ter er W n bu e et, ng rbe Pl br ak i e at f, , 62 Die klassischen Promotion-Instrumente werden heute mit diversen Online-Medien erweitert. Dies verlangt heute und vor allem in Zukunft ein professionelles Vorgehen, damit die vielen Instrumente aufeinander abgestimmt werden und sich gegenseitig unterstützen. Der Unterschied ist klar: Im Kammerorchester wer­ den in der Regel die Instrumente nur einfach, also solistisch besetzt. Das wird sich ändern. Nur: Ein Sinfonieorchester braucht einen Dirigenten, welcher diese Instrumente richtig dirigiert. Es würde den Raum dieses Artikels sprengen, wenn wir hier die Vor- und Nachteile der einzelnen Promo­ tion-Instrumente unter die Lupe nähmen. Sehen wir uns hier ein Medium an, welches in der Printbran­ che oft falsch eingesetzt wird: das Internet. Heute nutzt vermutlich auch noch die kleine Druckerei das Internet als Medium zu bestehenden wie neuen Kunden. «…wir erkannten viel früher als der Rest, welche Bedeutung das Internet im Beschaffungs­ prozess bekommen hat», meint ein Insider. Ein Blick auf einige Druckerei-Webseiten zeigt ein ernüch­ terndes Bild: Die Printidee wird oft auf die Website übertragen. 37 Promotion im Internet Ein Blick in einige Webseiten bringt ein nüchternes Fazit. Mögliche Gründe: Viele Marketing- oder Werbeentscheidungen beruhen auf dem eigenen persönlichen Geschmack und Erfahrungen. Just im kreativen Umfeld pflegt man gerne seinen persönli­ chen statt Kunden-Stil. Prospekte, Inserate und Websites sollten die Werbebotschaften vermitteln, sonst besteht die Gefahr, «in Schönheit zu sterben». Der grosse Vorteil im Online-Marketing ist die Erfolgskontrolle. Grundvoraussetzung sind klare Zielsetzungen und der Blick in die Besucherstatistik der Website. Bei Newslettern sind neben den Öff­ Was? Basis, USP, reason why Wann? Werbezeit Wem? Zielpublikum Wo? Streugebiet Womit? Medium Wie? Stil, Psychologie, Tonalität der Werbeansage Wie viel? Budget Eine gute Kommunikationsplanung wird in Zukunft immer wichtiger und gibt Antworten auf 7 W-Fragen. Herausforderung ist die Antwort auf die Frage «Womit?» nungsraten die Klickraten entscheidend. Wissen Sie genau, welche Marketing-/Werbemassnahmen erfolgreich sind? Oder beurteilen Sie die Werbung wie viele Unternehmen nach «cool», «lustig», «edel», aber nicht nach Umsatzsteigerung? «Der Wurm muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler», ist eine Marketingregel. Konkret: Die Werbung Suchmaschinen: SEM, SEO, SEA etc. Klassische Medien: Flyer, Prospekt, Werbebrief, Inserate etc. Social Media: SMM, SMO etc. Kunden In der Kommunikations-Planung in Zukunft braucht’s eine klare Antwort auf die Frage «Womit?». Schon heute steht dem Unternehmen eine Vielzahl von Medienkanälen sowie Mög- muss dem Kunden gefallen und nicht Ihnen oder Ihren MA. Wie muss der Wurm nun aussehen, damit Sie mit Ihrer Website Erfolg haben? Es braucht drei verschiedene Köder je nach Fisch. Da ist mal der Köder für die Stammkunden. Diese werden sich an bestimmten Bereichen der Website bewegen. Dies sind NEWS, aber auch Kundenlogins. Einen weiteren Köder werfen Sie für die neuen Kunden aus. Ideal sind hier kurze und klare Vorteile, welche das Unternehmen mir als Kunde bringt. Als Kunde bin ich natürlich auch an Produktbeispie­ len wie auch Dienstleistungen interessiert. Dabei glaube ich anderen Kunden mehr als dem Unterneh­ men. Konkret: Referenzstimmen überzeugen mich als Neu-Kunde. Promotion mit Suchmaschinen Neu-Kunden werden vermutlich über die Suchma­ schinen auf Ihre Website kommen oder sich dort informieren. Wenn Ihnen die Besucherstatistik ein anderes Bild zeigt, dann kann das Suchmaschi­ nen-Marketing vermutlich optimiert werden. Was bringt Ihnen eine schöne Website, die von den Such­ maschinen nicht erfasst wird? Aus diesem Grund werfen Sie viele kleine Köder für die Robots oder Spider aus. Das sind Programme der Suchmaschi­ nen, welche das Web automatisch nach neuen Sei­ ten durchsuchen. Diese Seiten werden letztlich indexiert und die Verweise gespeichert. Nun sollten Sie wissen, auf welche Köder die Robots oder Spider ansprechen. Wir wollen hier nicht ins Detail gehen, dafür gibt es die Suchmaschinen-Optimierer. Wich­ tig ist, dass diese Köder nicht schön sein müssen, da die Robots bezüglich Bilder blind oder kurzsichtig sind und vor allem den Text zum Bild sehen. Robots sind auch etwas begriffsstutzig und brauchen einen klar strukturierten Text. Wenn Ihre Website von den Suchmaschinen gefunden werden soll, dann sollten Sie diese mit dem richtigen Text füttern und zwar mit dem richtigen Aufbau (klare Über- und Untertitel, welche auch im Webseitencode so defi­ niert wurden), damit die Robots «anbeissen». Versetzen Sie sich in Ihre neuen Kunden hinein und überlegen Sie sich, nach was die Kunden suchen könnten. Mit verschiedenen Tools können Sie über­ prüfen, welche Keywords je nach Region mehr oder weniger genutzt werden. Die wichtigsten Keywords legen Sie in die betreffenden Titel beziehungsweise in den Text der Homepage (Einstiegsseite). Sicher gehören hier die SEP beziehungsweise die Uniques (vgl. oben) auf die Homepage. Fazit: Die Webseiten- lichkeiten zur Verfügung. Hier eine kleine Auswahl. Das wird sich in den kommenden Jahren zu einem grossen Orchester ausweiten, das nur von Profis dirigiert werden kann. 27 viscom print & communication | Nr. 6 | 18. März 2014 63 64 Texte unterscheiden sich ganz klar von schönen Prospekttexten, denn das Internet ist ein Informa­ tions-Medium, das von den Besuchern und vor allem von den Robots nur ganz kurz angeschaut wird. Werfen Sie mal einen Blick auf die Beschreibung bei den Suchergebnissen. Bei den meisten Suchmaschi­ nen können Sie diese Beschreibung selber kreieren. Hierzu braucht es nur die richtige Description. Ein sehr guter Köder für die Robots sind externe Links von themenrelevanten Webseiten auf Ihre Seite (Backlinks). Je mehr externe Links auf Ihre Website verweisen, desto grösser ist die Chance einer guten Indexierung und einer besseren Platzierung bei der Suchmaschine. Wie auch immer: Der Promotion-­ Dirigent muss in Zukunft vor allem die Online-Ins­ trumente richtig dirigieren können. rung entscheidend. Dann braucht die Druckerei den richtigen Maschinenpark. Zum Schluss, aber nicht zuletzt braucht es die richtigen Mitarbeiter/ innen. Wichtig ist die Kombination dieser Fakto­ ren.» 41 – «Wer nur druckt, hat keine Zukunft. Drucken allein ist kein Geschäftsmodell mehr.» 42 – «Für uns ist klar: Wer heute am Ball bleiben will, der muss im Schnitt alle acht Jahre den techni­ schen Bereich erneuern.» 43 – «Aber heute gehen viele Druckereien durch das Tal der Tränen, da gibt es ohne konsequente Finanz­ planung keine Aussicht auf Besserung.» 44 Zukunfts-Fazit Am Schluss kommen wieder die Branchenkenner/ innen zu Worte. Hier einige Kernsätze von Inhaber/ innen, Geschäftsführer/innen sowie Mitarbeiter/ innen mit dem Blick in die Zukunft der Printunter­ nehmen: Nachtrag 2: 8 von 10 Teilnehmenden sehen die Werbung der Mobiliar-Versicherung. – «Der Standard-Drucker hat es heute sehr schwer, allein mit dem Druckergeschäft genügend Geld für künftige Investitionen zu verdienen. Verstehen Sie mich richtig: Ich glaube an den Druck. Aller­ dings wird in Zukunft weniger gedruckt. Die Auf­ lagen kommen runter. Dafür gibt es aber qualitativ hochstehende Druckerzeugnisse. Ich denke bei­ spielsweise an Veredelungen. Zudem müssen wir kostengünstiger produzieren, was letztlich mit neuen Technologien möglich ist. Weiter braucht es eine klare Marktorientierung und eine klare Posi­ tionierung bei den Dienstleistungen, also auch ausserhalb des Prints.»38 – « Zudem erleben wir heute einen Kosten- und Preis­ druck, den wir noch nie erlebt haben. All dies erfordert von den Unternehmen vermehrtes stra­ tegisches Denken, konsequentere Ausrichtung auf Kundenbedürfnisse, mehr Innovationen, effekti­ veres Marketing und vor allem die Konzentration auf Stärken.»39 – «Natürlich wird es dann noch immer Druckereien in der Schweiz geben. Doch diese Druckereien müssen noch viel stärker als heute auf die Kunden­ bedürfnisse zugeschnitten sein. Das Drucken als Handwerk dürfte es mit Ausnahme von Nischen nicht mehr geben.» 40 – «Die Druckerei muss die richtige Kundenstruktur haben, die zu ihr, ihren Mitarbeitern, ihren Maschinen und ihrem Leistungsangebot passt. Damit ist aus Marketingsicht die klare Segmentie­ Nachtrag 1: Ein Beispiel eines USP ist der Ferienort mit dem einzigartigen Berg – Matterhorn. Quellenverzeichnis Kobjoll, K. (2006). Virtuoses Marketing. Orell Fuessli Kotler, Ph. et al. (2007). Marketing-Management. Pearson Kotler, Ph. et al. (2006). Grundlagen des Marketing. Pearson Kotler, Ph. / Bliemel, F. (2001). Marketing-Management. Schäffer-Poeschel Porter, M.E. (1999): Wettbewerbsstrategie, 10. Aufl., Campus 38 viscom print & communication | Nr. 8 | 19. April 2016 39 viscom print & communication | Nr. 6 | 15. März 2016 40 viscom print & communication | Nr. 6 | 18. März 2014 41 viscom print & communication | Nr. 12 | 21. Juni 2016 42 viscom print & communication | Nr. 9 | 3. Mai 2016 43 viscom print & communication | Nr. 8 | 19. April 2016 44 viscom print & communication | Nr. 12 | 21.Juni 2016 66 Geschäftsfeldentwicklungen für Drucksachendienstleister Logistik, Supply Chain — Thomas Wiederkehr Das klassische Geschäftsmodell der Betriebe der graphischen Industrie genügt nicht mehr. Der Markt verlangt vom Drucksachendienstleister ver­ mehrt nach umfangreicheren Angeboten und muss sich selbst an neue Abläufe für den eigenen Bedarf anpassen. Die bereits erfolgten Geschäftsfelderwei­ terungen von Druckdienstleistern vermögen die Erwartungen des Marktes nicht mehr zu genügen. Eine Vernetzung der Prozesse muss sich zwangsläu­ fig auf die gesamte Produktionskette, von der Bestellung und Ressourcenbeschaffung, über die Fertigung wie den Vertrieb beziehen. Markterwartungen/Marktbedürfnisse Der Drucksachendienstleister und der Kunde (Ver­ braucher) werden enger miteinander verbunden sein müssen. Eine «kundenspezifische» Automati­ sierung der Abwicklungsprozesse im B2B soll die Abläufe vereinfachen und beschleunigen sowie in einer Kostenoptimierung resultieren. Der Drucksa­ chendienstleister übernimmt nicht nur die reine Drucksachenherstellung, sondern denkt mit, bzw. für den Kunden voraus und erweitert sein Dienst­ leistungsangebot mit Zusatzleistungen, wie Online­ bestellungen ab Standardvorlagen, Datenmanage­ ment, Drucksachen-Lagerverwaltung, Logistik, prozessgerechte Vorkommissionierung, Integration von Zusatzprodukten etc. In Kooperationen mit Partnerbetrieben in einem engen Netzwerk erfolgt die geforderte Erweiterung der Produktionspalette. Er sieht sich folgenden Kundensegmenten mit deren zukünftig geänderten unterschiedlichen Anforde­ rungen und Erwartungen gegenübergestellt. Siehe Tabelle auf folgender Seite. Supply Chain für den Drucksachendienstleister In der Konsequenz des Wettbewerbs muss der Druck­sachendienstleister ein effizientes Supply Chain Management anstreben müssen. Automati­ sierte, auf der Produktionsplanung basierende Lieferungen von Produktionsmaterialien und Über­ nahme von Logistikdienstleistungen sichern eine schnelle und kostengünstige Produktion, reduzie­ ren Materiallager und entlasten die produktions­ bedingte Administration. Mittels einer engen Vernetzung zwischen Lieferanten, Produktions­ partnerbetrieben und Logistikunternehmen sind Effizienzsteigerungen und Kostenoptimierungen anzustreben. Die Produkte müssen umfassend standardisiert und mittels Workflow automatisiert sein, aber dem Kunden «hochflexibel» und variabel erscheinen. Diese Anforderung ist im jeweiligen Portfolio zwingend zu lösen. Endkunde Drucksachenbedarf Markterwartungen Produzierende Industrie – Geschäftsdruck­sachenWerbemittel – einfacher Bestellvorgang (B2B-online) basierend auf Standards, individualisierte Information – Vernetzung mit Kundenlogistik und so automatisierte Lieferung abhängig vom Bestand beim Kunden – umfassendes Leistungsangebot nicht nur für Drucksachen (Vollservice) – kurze Lieferzeiten und bedarfsorientierte Mengen: print and delivery on demand 24/7 – Elimination von Überproduktion durch geeignete Wahl des Druckprozesses (z.B. Digitaldruck) – Verpackungen – Entwicklung innovativer Verpackungslösungen inkl. Optimierung des Verpackungsdesigns, und/oder Verpackungsmaterialien – den Produktionsprozessen angepasster Vorbereitungsstand der Verpackung – minimale Lager beim Kunden dafür Lieferung «just in time» ab Druckerei in Abhängigkeit der Produktionsplanung des Endkunden ➜ Echtzeit Datenintegration/Automatisierung – Logistikaufgaben – Optimierung für den Kunden – Lagerhaltung für den Kunden – automatische Lieferungen «just in time» in Abhängigkeit der Produktionsplanung des Endkunden – Übernahme von Logistikaufgaben z.B. Inhouse Services, oder Abtransport der verpackten Waren zum Vertriebszentrum – Geschäftsdruck­ sachen, Werbemittel – Bereitstellen von Gestaltungsvorlagen für Onlinebestell­ abwicklungen – automatisierte Lieferung abhängig vom Bestand beim Kunden – umfassendes Leistungsangebot, nicht nur Drucksachen (Vollservice) – Abwicklung der Herstellung von verschiedenen Produkten innerhalb des Netzwerkes von Partnerbetrieben – kurze Lieferzeiten: print and delivery on demand 24/7 – Individualisierung/Lokalisierung von Produkten bzw. innerhalb der Medien basierend auf Kundenvorgaben – Elimination von Überproduktion durch geeignete Wahl des Druckprozesses (z.B. Digitaldruck) – Verpackungen – dem Verbrauch angepasste Verpackung und Reduktion von unnötigem Verpackungsmaterial für Lagerartikel (vielleicht besser: Nachhaltige Material- und Verpackungskonzepte) – Fulfilment-Service/Lettershop/Marketingservice – Kommissionierung zusammen mit Zusatzprodukten – Versandaufbereitung – Logistikaufgaben – Lagerhaltung für den Kunden und Lieferung «just in time» – Adress- und Aboverwaltung für Versandaufträge – Endkundenservices – Versandabwicklung Dienstleistungs­ betriebe, Verlage Werbeagenturen 67 68 Technologische Herausforde­ rungen und die Globalisierung — Beat Kneubühler Das Kapitel Berufsbildung dieser Zukunftsstudie thematisiert den Wandel in der Arbeitswelt und zeigt auf, welche Trends für die Berufsentwicklung von Bedeutung sind. Daneben werden institutio­ nelle Aspekte zum Schweizer Bildungssystem the­ matisiert, die für die Weiterentwicklung der Berufs­ felder ebenso von Bedeutung sind, so dass Angebote an Berufslehren und Anforderungen der Arbeits­ welt auch in Zukunft möglichst gut überein­ stimmen. ist sie hier am stärksten verwurzelt. Auf der ande­ ren Seite der Skala stehen industriell produzierende Unternehmen. Im Zuge der sich intensivierenden internationalen Arbeitsteilung ist der Druckstand­ ort Schweiz einem permanenten Druck ausgesetzt. Routinetätigkeiten werden früher oder später an einen günstigeren Standort verschoben oder auto­ matisiert. Daraus leitet sich ab, dass die grafische Industrie ein Ausbildungskonzept braucht, das beiden Situationen gerecht wird. Die Berufsbildung geniesst in der Schweiz hohes Ansehen und hat eine grosse wirtschaftliche Bedeutung. Die Praxisnähe der Lehre wird als unersetz­l icher Vorteil wahrgenommen. Trotzdem stösst das Schweizer Modell in der internationalen Bildungspolitik auf wenig Gegenliebe. Gerade Ver­ treter der angelsächsischen Bildungstradition erachten den tiefen Anteil von Hochschulabgän­ gern in der Schweiz als problematisch. Es ist für Amerikaner oder Briten kaum nachvollziehbar, war­ um ein Polygraf vier Jahre brauchen soll, um sein Handwerk zu erlernen. Das Pendant zur Lehre ist nach ihrem Verständnis ein «training on the job» oder «learning by doing». Lernkonzepte, die nicht als Bildung im eigentlichen Sinn verstanden wer­ den, sondern schlicht den Anfang einer Arbeiter­ karriere bezeichnen. Nicht zuletzt aufgrund solcher Missverständnisse und angesichts der fortschrei­ tenden Globalisierung gerät das duale Bildungssys­ tem von vielen Seiten unter Druck. Die Erfolgsge­ schichte Berufslehre steht in den kommenden zehn Jahren vor grossen Herausforderungen. Die grafischen Berufe sind zwar nicht direkt den Globalisierungstendenzen ausgesetzt, doch sie sind indirekt betroffen. Denn sie stehen in Konkurrenz zu allen anderen Segmenten des Lehrstellenmark­ tes. Die Wahrnehmung besserer Verdienst- und Kar­ rieremöglichkeiten in den mehr globalisiert ausge­ richteten Bereich des Arbeitsmarktes schmälert die Basis der grafischen Berufe. Ein Beispiel dafür sind die Klagen von Buchbindereien, dass kaum noch geeignete Bewerber für den Beruf des Printmedien­ verarbeiters zu finden seien. Auswirkungen auf die grafische Industrie Die grafischen Lehrbetriebe als Teil des Industrie­ sektors sind unterschiedlich von den daraus resul­ tierenden Auswirkungen betroffen. Binnenorien­ tierte Unternehmen weisen eine deutlich weniger verflochtene Wertschöpfungskette auf. Sie bedie­ nen eine lokale oder regionale Kundschaft. Hier bil­ det die Berufslehre die Basis hoher Qualität von Produkten und Dienstleistungen. Dementsprechend Technologische Neuerungen bringen neue Anforderungen mit sich Die grafische Arbeitswelt wird immer stärker auto­ matisiert. Das zeigt vor allem die zunehmende Durchdringung mit Informations- und Kommunika­ tionstechnologien. Dabei wird Wissen selbst zur zentralen ökonomischen Ressource. Wissensarbei­ ter werden zum Motor der grafischen Industrie. Die­ se Entwicklung eröffnet je nach betrieblicher Aus­ richtung Beschäftigungsmöglichkeiten für Fachleute mit einer klassischen Ausbildung im ICT-Sektor. Kontinuierliches Lernen sowie ein Anpassungsver­ mögen an neue Situationen und Probleme zählen in diesem Umfeld zu den zentralen Fähigkeiten, die unabhängig von der Ausbildungsform sichergestellt werden müssen. Viele Prozesse werden zukünftig in Teams erbracht. Der Polygraf muss beispielsweise mit dem Systemverantwortlichen, dem Program­ mierer einer Website oder dem Informatiker, der eine Datenbank mit Adressen erstellt hat, kommu­ nizieren können. Sozialkompetenzen, Team- und Kommunikationsfähigkeiten werden zu Schlüssel­ qualifikationen. Die Erwartungen an die Berufs­ leute steigen, das Profil verändert sich durch die fortschreitende Technologisierung der Branche. Es entstehen neue Berufe. Bildungsniveau Gemäss einer Studie des Bundesamtes für Statistik (BFS) verfügt bis in zehn Jahren die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung über einen Tertiärab­ schluss. Je nach Szenario wird die 50-Prozent-Marke zwischen 2023 und 2035 geknackt. Rund 30 Prozent dieser Zunahme kämen von Personen mit einem Migrationshintergrund. Gemäss dem Referenzsze­ nario des BFS werden die Hochschulabsolventinnen und -absolventen die Gruppe mit der grössten Zunahme darstellen. Ihr Anteil bei den 25- bis 64-Jährigen dürfte von 26 Prozent im Jahr 2015 auf 39 Prozent im Jahr 2030 ansteigen. Internationale Nivellierung Aufgrund der wachsenden Mobilität steigt auch das Bedürfnis nach internationaler Vergleichbarkeit beruflicher Qualifikation. Analog zur Bologna-Re­ 69 form auf Hochschulebene wurde daher der Kopen­ hagen-Prozess gestartet, der die Berufsbildung international vergleichbar machen will, was fak­ tisch einer Normierung gleichkommt. Die im Bil­ dungssystem eines Landes erworbenen Kompeten­ zen und Qualifikationen sollen auf ausländischen, insbesondere auf europäischen Arbeitsmärkten sowie in anderen Berufs-Bildungssystemen ohne Barrieren verwertbar werden. Zum Tragen kommt das im Nationalen Qualifikationsrahmen (NQR). Für das duale Modell ist der Kopenhagen-Prozess Chance und Risiko zugleich. Es ermöglicht uns, die Funktionsweise und Vorzüge unseres Berufsbil­ dungssystems zu erklären und bekannt zu machen. Andererseits droht die Schweizer Berufslehre damit überstimmt und international unter Wert verkauft zu werden. Die duale Berufsbildung Die Schweizer Berufsbildung lebt nach dem dualen System. Diese Dualität äussert sich in mehreren Dimensionen: Lernende werden im Betrieb und der Berufsfachschule gleichzeitig ausgebildet. Sie erwerben zeitgleich praktisch-betriebliche Fertig­ keiten sowie Allgemein- und theoretisches Wissen. Betriebe und Verbände entscheiden über die berufs­ spezifischen Inhalte, staatliche Instanzen sind für Bildungsniveau der 25- bis 64-jährigen Bevölkerung der Schweiz: Tertiärstufe Szenarien 2015–2045 für die Bevölkerungsdichte. Quelle: BFS = Bildungsperspektiven. Szenarien Stand Juni 2015 Szenarien 50% 40% 30% Beobachtungen Hochschulen Höhere Berufsbildung Szenario «hoch» Hochschulen Höhere Berufsbildung 20% Szenario «Referenz» Hochschulen Höhere Berufsbildung 10% Szenario «tief» Hochschulen Höhere Berufsbildung 0% 1996 2000 2005 2010 2015 2020 2025 2030 2035 2040 2045 70 den schulischen Teil und regulatorische Aspekte verantwortlich. Schule und Betrieb bilden dabei zwei komplementäre Lernorte. Fast zwei Drittel aller Schulabgänger durchlaufen in ihrer Bildungskarriere eine Berufslehre. Tradi­ti­onell ähnlich verbreitet ist die Berufslehre nur in Deutschland und Österreich. Die duale Berufsbil­ dung gilt als Erfolgsmodell. Dank ihr, so scheint es, ist die Jugendarbeitslosigkeit bedeutend tiefer als etwa in Frankreich, Spanien oder Italien, wo man nur die vollschulische Ausbildung kennt. Wissen­ schaftler warnen zwar davor, die duale Berufs­ bildung als einzigen Grund für die tiefe Quote zu betrachten. Dennoch scheint das Interesse am Schweizer Modell in der Krise auch im Ausland zu wachsen, nachdem die Schweiz von der OECD lange Zeit für die tiefe Akademikerquote kritisiert und die höhere Berufsbildung dabei schlicht übersehen worden war. Doch was gut ist, muss nicht automatisch gut bleiben. Eine Arbeitsgruppe der Akademie der Wis­ senschaften Schweiz hat 2009 ein umstrittenes Buch herausgegeben. Das darin entworfene Sze­ nario sieht vor, dass im Jahr 2030 rund 70 Prozent der Schweizer Bevölkerung einen Abschluss auf Hochschulniveau haben müssen, um für die Arbeitswelt gerüstet zu sein. Beliebt haben sich die Autoren mit dieser Aussage nicht gemacht. Tatsächlich aber entwickeln sich selbst handwerk­ liche Berufe immer mehr zu Wissensberufen. Es stellt sich die Frage, ob dieses Wissen in einer Lehre ausreichend vermittelt werden kann. Einiges deutet zudem darauf hin, dass die duale Berufslehre immer unbeliebter wird, vor allem in städtischen Gebieten. Eltern und Schulabgänger bevorzugen die gymnasiale Bildung. Hauptgrund ist das mangelnde Prestige der Lehre. Dass man auch mit einer Lehre zu einem Hochschulabschluss kommen kann – sei es über die Berufsmatur oder dank der sogenannten Passerelle –, geht häufig vergessen. Der Druck auf das duale Bildungssystem nimmt also von allen Seiten zu. Es muss sich weiterent­ wickeln, um nicht vom Erfolgsmodell zu einem Auslaufmodell zu verkommen. Spannungsfeld grafische Lehrberufe Der Zahlenmässig grösste Lehrberuf der grafischen Industrie – der Polygraf – zeigt sich überaus hetero­ gen. Die Ausbildung steht im Spannungsfeld der Interessen verschiedener betrieblicher Ausrichtun­ gen. Dabei unterscheiden sich die Ansprüche teil­ weise fundamental: Während für den einen nur die Datenaufbereitung wichtig ist, setzen andere auf Typografie und Bildbearbeitung oder Produkte für elektronische Medien. Obwohl man diesen Unter­ schieden im Rahmen der Bildungsverordnung Rechnung trägt, tut sich ein Widerspruch auf zwi­ schen dem Bestreben des Bundes, die Berufsbilder zu spezialisieren, und der Tendenz der Branche zu flexibilisieren. Es braucht für die grafische Indus­ trie für alle Berufe weiterhin flexible Konzepte mit breit angelegten Lehrgängen, die eine hohe beruf­ liche Flexibilität für die spätere Erwerbskarriere ermöglichen und den Grundstein für ein lebens­ langes Lernen legen. Die Spezialisierung erhöht nur in wenigen industrialisierten Betrieben den Nutzen der Lernenden. Kosten Lernende nur? Angebot und Nachfrage beeinflussen den Lehr­ stellenmarkt stark. Nur wenn auf beiden Seiten genügend Marktteilnehmer vorhanden sind, kann der Markt langfristig überleben. Die Frage, warum Unternehmen überhaupt Lernende ausbilden,be­ trifft einen heiklen Punkt des dualen Systems. Der ökonomische Anreiz, Lernende auszubilden ,ist eine zwingende Voraussetzung für das Funktionieren eines Lehrstellenmarktes. Es gibt zwei Motivatio­ nen, um auszubilden: Erstens stellt die Lehre eine langfristige Investition in die Erhaltung von Fach­ wissen und Kompetenz in der Branche dar. Zweitens lohnt sich Ausbilden auch finanziell. Nur Bran­ chen,die ausbilden, sind überhaupt zukunftsfähig. Unternehmen, die Lernende ausbilden, werden durch ihr spezifisches Wissen nachweislich produk­ tiver. Anspruchsvolle 4-jährige Lehren zahlen sich erst im letzten Jahr aus. In den ersten beiden Jahren ver­ ursachen Lernende Nettokosten, im 3. Jahr fliessen die ersten Erträge zurück. Bei den 2- und 3-jährigen Lehren erbringen die Lernenden schon zu Anfang Ertragsüberschüsse für den Betrieb. Das verleitet dazu, Lerninhalte und Kompetenzen exakt auf die betrieblichen Erfordernisse anzupas­ sen, um die Kosten-Nutzen-Bilanz weiter zu verbes­ sern. In den Berufen der grafischen Industrie, mit einem traditionell sehr raschen Wandel der Berufs­ bilder, führt dieser Gedanke der extremen, betriebs­ spezifischen Spezialisierung jedoch unweigerlich zu Problemen. Die Spezialisierung dient beiden Seiten nur solange das Arbeitsverhältnis fortbesteht. Im Durchschnittliche Nettokosten einer Lehre Quelle: Mühlemann und Wolter 2007 Lehrjahre/Lehrdauer 1. Jahr 2. Jahr 2 Jahre –6019 –7322 3 Jahre –2012 –3831 –6407 4 Jahre 7407 3299 –4211 Falle der Auflösung droht hier ein erheblicher Ver­ lust für alle Parteien. Die Entwicklung der viscom-Berufe Die Wurzeln der viscom-Berufe reichen beinahe bis zur Erlassung des ersten Berufsbildungsgesetzes zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Zu dieser Zeit erlebte die grafische Industrie einen Aufschwung, der durch den technischen Fortschritt und die Industri­ alisierung hervorgerufen wurde. Gut ausgebildetes und qualifiziertes Personal wurde benötigt, um mit der Nachfrage schritthalten zu können. Da lag es auf der Hand, solches Personal selber auszubilden. Durch die ie rasante technische Entwicklung im 20. Jahrhundert entstanden immer wieder neue Berufe, bis die digitale Revolution zu Beginn der 70er-Jahre einen strukturellen Wandel in der Beschäftigung herbeiführte. Mit dem verstärkten Strukturwandel in den 90er-Jahren verschwanden zunehmend Spezialberufe oder gingen in grösseren Berufsfeldern auf. Künftige Herausforderungen Eichhorst und Buhlmann (2015) skizzieren in einer Studie zu den künftigen Herausforderungen für die Arbeitswelt vier Triebkräfte, die den Wandel prä­ gen. Diese vier Kräfte sind der technische Fort­ schritt, die Globalisierung, der demografische Wan­ del und der institutionelle Wandel. Unter dem technischen Fortschritt verstehen sie die Digitali­ sierung und Vernetzung der Arbeitswelt durch das Internet sowie den Gebrauch der Robotik und der künstlichen Intelligenz. Diese Veränderungen kennt man auch unter den Namen Industrie 4.0 und Internet der Dinge. Die Branche nimmt dieses The­ ma dankend auf und kreiert unter dem Schlagwort Print 4.0, das auch die Drupa 2016 prägt, einen eige­ nen Begriff für die Automatisierung. Die Auswir­ kungen des technologischen Fortschritts auf die Arbeitsplätze ist nicht ganz klar, da die Automati­ sierung Arbeitsplätze sowohl substituiert als auch komplementiert. Frey und Osborne (2013) formulie­ ren für den Drucktechnologen eine Automatisie­ 3. Jahr 4. Jahr Total –13341 –12251 –8594 –2099 rungswarscheinlichkeit von 83 Prozent. Solche Aussagen sind jedoch auch mit einer gewissen Dis­ tanz zu betrachten. Nach Aussagen verschiedener Druckmaschinenhersteller ist die Automatisierung bereits weit vorangeschritten. Es ist aber in jedem Fall davon auszugehen, dass die Qualifikations­ anforderungen an die Arbeitnehmenden steigen werden. Die Globalisierung geht einher mit dem tech­nischen Fortschritt und steigert den Wettbewerbs­ druck auf die Unternehmen der grafischen Industrie weiter. Der Dialog mit ausländischen Partnern und Zulieferbetrieben, aber auch Kunden nimmt zu. Der demografische Wandel als dritte Triebkraft beschreibt einen gegenläufigen Trend. Auf der einen Seite schrumpft das inländische Arbeitskräf­ tepotenzial wegen geburtenschwacher Jahrgänge und der Alterung heutiger Arbeitskräfte. Anderer­ seits werden immer mehr potenzielle Arbeitskräfte wie Frauen, Migranten und ältere Personen rekru­ tiert. Gelingt es nicht, genügend Arbeitskräfte zu mobilisieren, wird sich der Fachkräftemangel in der grafischen Industrie akzentuieren. Der Wandel der institutionellen Rahmenbedingungen als vierte Triebkraft ist geprägt durch die Beschäfti­ gung von Frauen und älteren Arbeitskräften. Stichworte dazu sind etwa der Ausbau von Kinder­ betreuung usw. Mit flexiblen Arbeitsbedingungen schaffen Unternehmen zudem Anreize für poten­ zielle Arbeitskräfte. Grafische Berufe 2020+ Was bedeuten die vier Triebkräfte für die grafischen Berufe konkret? Zusammenfassend lässt sich fest­ halten, dass in der Branche neue Berufe entstehen werden. Beratung, Innovation und Kreativität wer­ den generell wichtiger. Bei den vorhandenen Beru­ fen werden auch Nicht-Routine-Tätigkeiten und Dienstleistungen automatisiert. Die Globalisierung der Wirtschaft hat für die Grundbildung der grafi­ schen Berufe mindestens eine konkrete Folge: Englisch muss zur Pflicht werden. Schliesslich muss auch der prognostizierten Höher­ 71 72 Welche Berufe am meisten betroffen sein könnten Automatisierungswahrscheinlichkeit in % werden und man die Systeme steuern kann. Hohes Fachwissen ist dort gefordert, wo Entscheide gefällt werden müssen. Spezialfälle und Störungen werden weiterhin manuell bearbeitet. Wissen über elektronische Ausgabekanäle nimmt zu. Der Polygraf ist aufgrund der sehr heterogenen Betriebsstrukturen zunehmend ein Medien-Genera­ list, der den Spagat Industriekunde, KMU-Kunde, Printprodukt, Screenprodukt, Datenerstellung usw. beherrschen muss. Grafische Produkte und zum Teil auch Prozesse entstehen vor einem visuellen Hintergrund. Diese Sinneswahrnehmung und damit verbundene Entschiede sind mindestens vorläufig nicht automatisierbar. Short-Facts – Der Polygraf ist ein Medien-Generalist – Automatisierung nimmt zu – Fachwissen ist gefragt – Korrekturen am Berufsbild sind nötig, um der Heterogenität der Unternehmen zu begegnen qualifizierung Rechnung getragen werden. Die berufliche Grundbildung ist der notwendige erste Schritt in die Arbeitswelt. Das reicht nicht, um sich ein Leben lang à jour zu halten. Zusatzausbildun­ gen, Berufsprüfungen und höhere Bildung auf der Tertiärstufe werden für alle Arbeitnehmenden unserer Branche notwendig. Die grafische Industrie hat sich schon immer darauf verstanden, für jede Zeit die passenden Berufe zu entwickeln. Technolo­ gische Übergangphase haben teilweise sehr kurz­ lebige Berufe hervorgebracht. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Polygraf IT-Wissen wird für den Polygrafen wichtiger. Die Automatisierung der Prozesse nimmt zu. Das bedingt, dass die Systemparameter beherrscht Drucktechnologe Wie schnell sich das Berufsbild des Drucktech­ nologen wandelt, hängt stark von der Investitions­ bereitschaft der Branche ab. Der Offsetdruck wird in den kommenden zehn Jahren nicht verschwin­ den. Aber der Digitaldruck – auch in Form von Hybridsystemen – wird sich weiter stark verbreiten. Die hier gestellten Anforderungen lassen sich mit der Ausbildungsphilosophie des klassischen Druck­ technologen nur bedingt vereinbaren. Es braucht neue Ausbildungskonzepte und eine Generalisten­ ausbildung. Im Bereich Offsetdruck wird der Automatisie­r ungsgrad zunehmen. Die Beherr­ schung der Technologie und Mechanik bleibt von zentraler Bedeutung. Automatisierung im Offset­ druck hat aber auch zur Folge, dass die Maschinen anfälliger werden. Dadurch steigen die Anforderun­ gen an die Hersteller, was die Unterstützung angeht, immer weiter. Zu den Massnahmen der Her­ steller zählt u.a. die Fernwartung, die bei allen gro­ ssen Herstellern bereits Standard ist. Das Verstehen und Beeinflussen der Prozesse und des Druckver­ fahrens gewinnt an Bedeutung. Faktoren wie Papier, Farbe, Wasser usw. bleiben entscheidend und können nicht automatisiert werden. Der Umgang mit diesen Materialien erfordert hohe Fachkenntnisse. Der Digitaldruck hält Einzug in den Drucksaal. Short-Facts – Die Automatisierung nimmt zu, der Drucktechno­ loge wird noch mehr zum Prozessüberwacher – Fachwissen ist gefragt – Digitaldruck wird auch eine Disziplin des klassi­ schen Drucktechnologen – Der Drucktechnologe wird in einer neu zu schaf­ fenden Generalistenausbildung aufgehen Weiterverarbeitung und das digitale Finishing. So genannte Closed-Loop-Workflows sind zum Beispiel im Transaktionsdruck bereits heute schon die Regel. Dort gibt es vom Druck bis zum Couvert keinen menschlichen Eingriff mehr. Printmedienverarbeiter Kein Berufsbild der grafischen Industrie ist ähnlich heterogen zusammengesetzt wie jenes des Print­ medienverarbeiters. Im Gegensatz zu allen anderen Berufen ist hier eine sehr handwerkliche Speziali­ sierung einzelner Unternehmen und damit auch der Berufe erhalten geblieben. Für diese Betriebe neu ist der Umgang mit dem Digitaldruck. Arbeitsschritte wie beispielsweise das Ausdrucken einer Dissertati­ on und das anschliessende Binden haben Einzug in die Handbuchbindereien gehalten. Trotzdem wer­ den diese Unternehmen keinen printlastigen Gene­ ralisten ausbilden, weil die Kerntätigkeit das Buch­ binden bleibt. Diesem Umstand kann im Moment nur mit freiwilliger Weiterbildung begegnet wer­ den. Andere Berufe, wie etwa der Versandraum­ technologe, fallen relativ rasch weg. Die Automati­ sierung, das hat die Drupa 2016 gezeigt, macht diese Fachrichtung überflüssig. Dem Umgang mit variablen Daten kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. In der Produktion verlangt der Digitaldruck IT-Kompetenzen. Eine Trennung zwischen klassischen Druckverfahren und dem Digitaldruck gibt es in einen neuen Beruf nicht mehr. Hybridsysteme, wie sie im Rahmen der Drupa 2016 von Heidelberg oder KBA gezeigt wurden, verlangen nach vertieften Kenntnissen beider Prozesse. Zudem bestehen markante Unter­ schiede zwischen industriellem Digitaldruck und Copy-Shop-Aufträgen. Die Prozesse im Offset­ druck sind im Vergleich zum industriellen Digital­ druck grundsätzlich unterschiedlich, der Digital­ druck erfordert zudem eine höhere Flexibilität von den Mitarbeitenden. Dieses neue Berufsfeld lässt die Branche potenziell attraktiver werden für Neueinsteiger, die in einer ausschliesslich digita­ len Welt aufgewachsen sind. Die neuen Dienstleis­ tungen und die zusätzliche Funktionalität eines digitalen Drucksystems lässt ein wesentlich facet­ tenreicheres Arbeitsumfeld entstehen. Interessant ist die Fachrichtung Druckausrüstung, die auf eine lange, beinahe abenteuerliche Geschichte zurückblickt. Auch hier verändert die Ausrichtung der Unternehmen und der technologi­ sche Fortschritt das Berufsbild. Eine eigene Fach­ richtung ist nicht länger gerechtfertigt. Die Lernen­ den verteilen sich künftig auf die industrielle Produktion, auf die zweijährige EBA-Ausbildung und teilweise sicher auch auf eine neu zu schaffende Generalistenausbildung. In der industriellen Fach­ richtung des Printmedienverarbeiters prägt die Automatisierung analog dem Drucktechnologen die Zukunft des Berufes. Die Anforderungen an das Fachwissen nehmen weiter zu. Die Entwicklung wird ähnlich dem Drucktechnologen verlaufen. Der Generalist Die grafische Industrie braucht aufgrund der verän­ derten Marktbedingungen und neuer Technologien ein Berufsbild, das entlang der Wertschöpfungsket­ te flexibler eingesetzt werden kann als dies mit den heutigen Berufsbildern möglich ist. Statistische Produktionswerte in der Druckindustrie belegen, dass der Digitaldruck den Office-Bereich längst ver­ lassen hat und sich in die Druckindustrie mit ihren grösseren Auflagen und klassischen Druckproduk­ ten hineinbewegt. Die Tätigkeiten im Digitaldruck umfassen neben der Datenaufbereitung auch die Schulische Grundbildung Aufgrund tendenziell sinkender Lernenden­zahlen wird es im Bereich der schulischen Ausbil­ dung zu einer Marktbereinigung kommen. Auf der Achse Bodensee–Genfersee konzentriert sich die Berufsbildung auf drei Deutschschweizer Standorte in den Ballungszentren St.Gallen, Zürich und Bern. Die kantonalen Bildungsbudgets werden kleiner und die damit verbundenen Vorga­ ben bezüglich der Klassenmindestbestände an die Berufsfachschulen verschärfen sich. Das Grund­ wissen der grafischen Berufe gleicht sich mehr und mehr an. Darum bietet es sich auch aus den oben erwähnten Gründen an, die Lernenden über die Berufsgrenzen hinweg mindestens zu Beginn gemeinsam zu beschulen. Quellen: Maurer, Gonon; Herausforderungen für die Berufsbildung in der Schweiz; hep Verlag Schöchli; Dringend gesuchte Techniker; NNZ 2014 Schellenbauer, Walser, Lepori, Hotz-Hart, Gonon; Die Zukunt der Lehre; Avenir Suisse Gratwohl; Wenn der Roboter Arbeitskollegen ersetzt; NZZ 2015 Widmer; Berufsbildung Schweiz – praxisnah und zukunftssicher?; Die Volkswirtschaft 2014 Schmid, Debelle, Bröhm; Was taugt die Lehre?; Beobachter 2014 73 74 Geschäftsmodellinnovation als Chance für die grafische Industrie — Oliver Gassmann Karolin Frankenberger Florian Homann Executive Summary Die grafische Industrie der Schweiz unterliegt der­ zeit einem starken Wandel. Der Preisdruck durch neue Konkurrenz aus dem Ausland, der weiterhin starke Franken und das veränderte Konsumenten­ verhalten setzten die bestehenden Geschäftsmodel­ le stark unter Druck, weshalb Innovationen von Nöten sind, um langfristigen Erfolg sicherzustellen. Wichtig sind dabei ein ganzheitlicher Blick auf Innovation – von der Idee bis zum Markterfolg – und ein Umdenken, weg von Forschung und Entwick­ lung, hin zu Forschung und Innovation. Das Denken in Geschäftsmodellen fördert die ganzheitliche Sicht auf Innovation durch die Betrachtung der vier Kernaspekte eines jeden Geschäftsmodells: Kunde, Nutzenversprechen, Wertschöpfungskette und Ertragsmechanik. Es hilft Unternehmen, der oftmals vorherrschen-­ den Konzentration auf immer anspruchsvollere technologische Nischenmärkte zu entkommen. Durch die Hinterfragung der bestehenden Bran­ chenlogik und die Konfrontation des eigenen Geschäftsmodells mit existierenden, branchen­ fremden Geschäftsmodellmustern können Unternehmen Ideen für neue Geschäftsmodelle generieren und sich die Chance eröffnen, aus bestehenden Denkmustern auszubrechen. Der vorliegende Artikel zeigt die Möglichkeiten auf, die Geschäftsmodellinnovation für die grafische Industrie in der Schweiz bringen kann. Zunächst werden das Geschäftsmodellkonzept sowie die Methodik des St.Galler Business Model NavigatorTM in der Theorie erläutert. Im Anschluss verdeutlicht die Erfolgsgeschichte der CEWE die Möglichkeiten, die Geschäftsmodellinnovation für Unternehmen der grafischen Industrie bringen kann. Einleitung Mit 1200 Betrieben und 125 000 Arbeitsplätzen kann die grafische Industrie als eine der Schlüsse­ lindustrien der Schweiz bezeichnet werden. Seit mehreren Jahren unterliegt diese jedoch einem starken Wandel: Innerhalb von 10 Jahren gingen 40 Prozent der Arbeitsplätze verloren, die Wert­ schöpfung ist jährlich um 7 Prozent geschrumpft (Ständerat, 2014). Durch den gestiegenen Preisdruck infolge neuer, immer stärker werdender Kon­ kurrenz aus dem Ausland, dem weiterhin starken Franken und einem veränderten Konsumentenver­ halten sind die traditionellen Geschäftsmodelle der Schweizer Druckereibranche stark unter Druck geraten (Gassmann & Frankenberger, 2014). Diesen Entwicklungen muss die grafische Industrie mit Innovationen entgegenwirken, um ihre Zukunftsfähigkeit zu sichern. Unterstrichen wird dies von einer von Bain & Company durchgeführten Befragung von Führungskräften, bei der drei Viertel dieser bestätigten, dass Innovationen für langfristigen Erfolg wichtiger sind als Kostenreduk­ tionen (Rigby & Bilodeau, 2015). Damit die schwei­ zerische Druckereiindustrie vom Wachstum durch Innovation profitieren kann, reicht die einfache Erhöhung der Investitionen in Forschung und Ent­ wicklung jedoch nicht aus. Wichtig ist, dass Unter­ nehmen ihre Ressourcen intelligent nutzen und einen ganzheitlichen Innovationsansatz – von der Idee bis zum Markterfolg – verfolgen. In den Unter­ nehmen muss ein Umdenken, weg von Forschung und Entwicklung, hin zu Forschung und Innovati­ on, stattfinden. Unternehmen müssen damit begin­ nen, die bestehende Branchenlogik und ihr eigenes Geschäftsmodell permanent zu hinterfragen. Dies bietet ihnen die Chance, neue Märkte zu kreieren, Eine Innovation ist die Implementierung eines neuen oder signifikant verbesserten Produktes, Prozesses oder einer Methode. (OECD & Eurostat, 2005) aus bestehenden Denkmustern ihrer Branche aus­ zubrechen und aus ihrer Konzentration auf immer anspruchsvollere Nischenmärkte zu entkommen. Tatsächlich sind viele Erfolgsgeschichten auf die Entwicklung innovativer Geschäftsmodelle zurückzuführen: Xerox gelang es mit der Verlea­ sung seiner hochpreisigen Kopierer und der Abrechnung pro Seite, die Umsätze von 30 Millionen in 1959 auf 2,5 Milliarden US-Dollar 1972 zu erhöhen. Flyeralarm ist heute, 14 Jahre nach der Gründung, einer der europäischen Marktführer der Online-­ Druckereien und setzt mehr als 300 Millionen Euro um. Obwohl das methodische Grundwissen zu Geschäftsmodellinnovation in der Schweiz mit dem an der EPFL entwickelten Business Model Canvas und dem an der Universität St. Gallen entwickelten Business Model Navigator sehr stark entwickelt ist und es zahlreiche technologisch führende Produktund Prozessinnovatoren in der Schweiz gibt, sind Schweizer Beispiele erfolgreicher Geschäftsmodell­ innovationen, wie das Flottenmanagement von Hilti oder Nespresso von Nestlé, selten. Nestlé revolutionierte den Kaffeemarkt mit dem Angebot von Maschinen nahezu zum Selbstkosten­ preis und dem Verkauf hochpreisiger Kapseln, mit Kaffee zum Kilopreis von je nach Sorte 60 bis 90 Franken. Doch dieses Geschäftsmodell war keines­ wegs neu, bereits Ende des 19. Jahrhunderts wurde es von der Standard Oil Company mit dem Verkauf günstiger Petroleumlampen in Kombination mit teurem Lampenöl genutzt und seit über 100 Jahren wird es von Gillette für Rasiergeräte und dazugehö­ rige Rasierklingen genutzt. Auch im Umfeld der gra­ fischen Industrie findet es seit vielen Jahren in Dru­ ckern und Patronen, erstmalig von Hewlett-Packard 1984, Anwendung. Grundlegend neu war jedoch die Anwendung dieses Prinzips im Kaffeemarkt, die Nespresso so gut gelang, dass der Umsatz aktuell, 30 Jahre nach der erstmaligen Einführung, schät­ zungsweise bei 5 Milliarden Franken liegt. Dieses Beispiel zeigt sehr gut, dass die Hinterfragung des eigenen Geschäftsmodells durch die Konfrontation mit den Geschäftsmodellen anderer Unternehmen und Branchen helfen kann, Innovationen zu ent­ wickeln. Insbesondere fördert das Denken in Geschäftsmodellen die holistische Sichtweise auf Innovationen. Wichtig ist dabei, dass diese nicht als einmaliges Ereignis, sondern als kontinuierlicher Prozess gesehen wird. Unternehmen müssen aus Veränderungen des externen Umfelds lernen und basierend auf diesen Einflüssen neue Konzepte für Geschäftsmodelle entwickeln, die sowohl zum eige­ nen Unternehmen, als auch zum externen Umfeld passen (Gassmann, Frankenberger, & Csik, 2013). Das Ziel des vorliegenden Artikels ist es, die Mög­ lichkeiten, die Geschäftsmodellinnovation für Unternehmen bringen kann, sowohl theoretisch als auch praktisch aufzuzeigen. Der folgende Abschnitt erläutert die Theorie des Denkens in Geschäftsmo­ dellen und stellt die Methodik des St. Galler Busi­ ness Model NavigatorTM vor. Der dritte Abschnitt beschreibt die Entwicklungen der CEWE als erfolg­ reiches Beispiel für die kontinuierliche Innovation des eigenen Geschäftsmodells in der grafischen Industrie. Der vierte und letzte Abschnitt fasst die Kernaussagen zusammen und zieht ein Fazit. Denken in Geschäftsmodellen Die Grundelemente eines Geschäftsmodells Ein Geschäftsmodell beschreibt, wie ein Unter­ nehmen durch das Zusammenspiel vier verschie­ dener Aspekte – Kunde, Nutzenversprechen, Wertschöpfungskette und Ertragsmechanik – Wert für sich selbst sowie seine Partner, Kunden und andere Marktteilnehmer schafft und wie das Unter­ nehmen einen Teil des geschaffenen Wertes für sich sichert. Ein Geschäftsmodell beantwortet dabei integrativ vier Fragen. Siehe Abbildung 1, Gass­ mann et al., 2013): 1. D er Kunde – wer sind unsere Zielkunden? Für den Aufbau eines erfolgreichen Geschäfts­ modells muss ein Unternehmen ein genaues Verständnis für die relevanten Kundensegmente, die es adressieren möchte, entwickeln. Immer und ohne Ausnahme steht der Kunde im Zentrum eines jeden Geschäftsmodells. 2. D as Nutzenversprechen – was bieten wir dem Kunden an? Das Nutzenversprechen beschreibt, was dem Kunden angeboten wird, um ein bestimmtes Bedürfnis zu befriedigen oder ein bestehendes Problem zu lösen. Es fasst alle Leis­ tungen (Produkte und/oder Dienstleistungen) zusammen, die für den Kunden von Nutzen sind. 3. Die Wertschöpfungskette – wie stellen wir die Leistung her? Um das Nutzenversprechen erfüllen zu können, müssen verschiedene Prozes­ se und Aktivitäten durchgeführt werden. Diese müssen dabei nicht zwangsweise vom Unterneh­ men selbst durchgeführt werden, sondern können ebenfalls von einem Netzwerk aus Partnern, Zulieferern und anderen Akteuren übernommen 75 werden. Die Gesamtheit der Prozesse und Aktivi­ täten bilden, zusammen mit den involvierten Ressourcen und Fähigkeiten, die Wertschöp­ fungskette. 4. D ie Ertragsmechanik – wie wird der Wert erzielt? Die Ertragsmechanik erklärt die finanzielle Über­ Was bieten wir dem Kunden an? ec re c ni k Wert? Wie stellen wir die Leistung her? ha Wer? m en ve rs p gs tz tra Wie wird Wert erziel? Er he n Was? Nu 76 Wertschöpfungskette Wie? Wer sind unsere Zielkunden? Abb. 1: Magisches Dreieck mit den vier Dimensionen eines Geschäftsmodells (Gassmann et al., 2013) lebensfähigkeit des Geschäftsmodells. Es bein­ haltet Aspekte wie Kostenstruktur und Umsatz­ mechanismen. Durch die integrative Beantwortung der vier Fragen und die Konkretisierung der Zielkunden, des Nut­ zenversprechens, der Wertschöpfungskette sowie der Ertragsmechanik wird das Geschäftsmodell greifbar und bietet eine Basis für seine Innovation. Eine Geschäftsmodellinnovation liegt vor, wenn mindestens zwei der vier Elemente des Geschäfts­ modells geändert werden (Gassmann et al., 2013; Gassmann, Frankenberger, & Csik, 2014). Der St. Galler Business Model Navigator TM Eine genauere Betrachtung vieler Erfindungen und Innovationen zeigt, dass nur wenige Phänomene grundlegend neu sind. Oft liegt lediglich eine eher geringe Variation von etwas vor, das anderswo bereits vorhanden war, sei es in anderen Regionen oder in anderen Industrien. Ähnliches zeigt sich für Geschäftsmodellinnovationen. Über 90% dieser sind Rekombinationen bereits bestehender Konzep­ te, die in 55 sich wiederholende Grundmuster unter­ teilt werden können. Der St. Galler Business Model NavigatorTM basiert auf dieser zentralen Erkenntnis. Über die kreative Imita­ tion und Rekombination bestehender Grundmuster lassen sich mit Hilfe dieser Methode neue Geschäfts­ modelle entwickeln. Es wird hierbei zwischen der Designphase und der Realisierung der Geschäftsmo­ dellinnovation unterschieden, die aus vier Schritten bestehen (siehe Abbildung 2). Im Folgenden werden die Schritte 1 bis 3 der Designphase erläutert. Schritt 1 – Initiierung: Vor der Entwicklung einer Geschäftsmodellinnovation ist es wichtig, sowohl den Ausgangspunkt, als auch die grobe Stossrich­ tung zu definieren. Um das Denken in Geschäfts­ modellen zu fördern, werden das bestehende Geschäftsmodell sowie relevante externe Akteure und Einflussfaktoren auf Basis des magischen Drei­ ecks (siehe Abb. 1) beschrieben. Ebenfalls dient die Beschreibung des bestehenden Geschäftsmodells dazu, ein gemeinsames Verständnis für mögliche zukünftige Gefahren, für mögliche Chancen, die mit dem bisherigen Geschäftsmodell nicht nutzbar gemacht werden können, sowie für die Notwendig­ keit der Innovation des Geschäftsmodells zu entwi­ ckeln. Dabei sollte neben der statischen Perspektive unbedingt auch auf eine dynamische Betrachtung aus der dynamischen Perspektive geachtet werden. Schritt 2 – Ideenfindung: Die Rekombination bestehender Geschäftsmodellmuster wird genutzt, um aus bestehenden Denkmustern auszubrechen und um neue Ideen für Geschäftsmodellinnovatio­ nen zu generieren. Es gibt zwei Grundprinzipien, wie bestehende Geschäftsmodellmuster zur Ideen­ findung genutzt werden können. Nach dem Ähn­ lichkeitsprinzip wird damit begonnen, Geschäfts­ modellmuster aus ähnlichen Branchen auf das eigene Geschäftsmodell zu übertragen. Erst im laufenden Prozess bewegt man sich in Richtung weniger ähnlicher Branchen. Basierend auf den Geschäftsmodellmustern werden für jedes Muster konkrete Ideen der Auswirkungen dessen auf das eigene Geschäftsmodell entwickelt. Besonders gut geeignet ist das Ähnlichkeitsprinzip für Innovati­ onsprojekte mit spezifischer Problemstellung. Nach dem Konfrontationsprinzip erfolgt die Suche durch die bewusste Konfrontation des eigenen Geschäfts­ modells mit möglichst branchenfremden Geschäfts­ modellmustern. Ausgehend von diesen Extremen werden die jeweiligen Bedeutungen für das derzei­ tige Geschäftsmodell erfasst, wobei man sich diesem schrittweise nähert. Das Konfrontationsprinzip ist gut geeignet für Innovationsprojekte mit offener Problemstellung. Schritt 3 – Integration: In der Regel liegen zu Beginn der Integration eine Reihe potentieller Ideen für neue Geschäftsmodelle vor. Bevor diese jedoch Realisierung Designphase Was? Initiierung Akteure Umfeld analysieren Wer? Wert? Altes Geschäftsmodell Implemen­ tierung Einfluss­ faktoren Plan umsetzen Wie? Iteration Test Ideenfindung Iteration Was? Ähnlichkeitsprinzip Muster adaptieren Wer? Konfrontationsprinzip Wert? Altes Geschäftsmodell Wie? 55 Geschäftsmodellmuster Lernen durch Versuch und Irrtum Anpassung Iteration Was? Integration Geschäftsmodell ausgestalten Interne Konsistenz Externe Konsistenz Wer? Wert? Neues Geschäftsmodell Wie? Abb. 2: Der St. Galler Business Model NavigatorTM (Gassmann et al., 2013) zu überlebensfähigen Geschäftsmodellinnovatio­ nen werden, müssen diese ganzheitlich mit der integrativen Beantwortung der vier Kernfragen Wer – Was – Wie – Wert – bezüglich der internen Anforderungen ausgestaltet werden. Darüber hin­ aus muss das Geschäftsmodell mit dem externen Umfeld in Einklang gebracht werden. Es muss hin­ terfragt werden, inwiefern bestehende Bedürfnisse externer Partner und Kunden befriedigt werden und wie den dynamischen Veränderungen des Marktes und des Wettbewerbsumfelds begegnet wird (Gass­ mann et al., 2013, 2014). CEWE – Ein Beispiel erfolgreicher Geschäftsmodellinnovation Ein sehr interessantes Beispiel für gelungene Geschäftsmodellinnovationen, um dem sich durch die Digitalisierung stark ändernden Umfeld zu begegnen, bietet der Fall von CEWE. Nach der Grün­ dung im Jahr 1961 entwickelte sich CEWE zu einem internationalen Grossunternehmen, das im Jahr 1996 mehr als 2,1 Milliarden analoge Farbfotos ent­ wickelte. Diesen Erfolg verdankte CEWE dem steten Streben nach der Technologieführerschaft, das zu immer weiteren Effizienzsteigerungen und folglich ebenfalls zur Kostenführerschaft führte. CEWEs Wertschöpfungskette war dabei ein klar definierter Prozess: Ein Händler verkaufte die Kameras und Filmrollen an den Endkunden. Nach der Aufnahme brachte dieser die Filmrollen zurück zum Händler, der sie zur Entwicklung in die Fotolabore von CEWE schickte. Anschliessend schickte CEWE die gedruckten Fotos zurück zum Händler, der sie an den Kunden übergab. Mit dem Beginn des digitalen Zeitalters führten die Fortschritte bei Elektronikprodukten sowie der Informations- und Telekommunikationstechnologie zu bedeutenden Veränderungen. In den späten 1990er-Jahren kamen, wenn auch zunächst zu hohen Preisen, die ersten Digitalkameras auf den Markt. Innerhalb weniger Jahre wurde die analoge Fotografie von diesen fast vollständig verdrängt. Bereits 1997 erkannte CEWE die Chancen des sich wandelnden Umfelds und gründete mit der cewe digital GmbH eine eigenständige Geschäftseinheit, Markteinführung 77 78 deren Ziel es war, aktiv an der Kannibalisierung des eigenen Kerngeschäftes mitzuwirken. Um den dazu nötigen Abstand vom Alltagsgeschäft zu erhalten, wurden von der cewe digital fast ausschliesslich neue Mitarbeiter mit digitalen Fachkenntnissen eingestellt. Noch im selben Jahr entwickelte das Spin-Off das erste digitale Fototerminal, von dem der Kunde beim Händler seine digitalen Fotos zum Druck zu CEWE schicken konnte. Ein Jahr später wurde der digitale Service um die Internetplattform «Photoworld» erweitert, auf den Kunden ihre Fotos selbst hochladen und später ausgedruckt beim Händler abholen konnten. Neben dem blossen neuen Kanal, über den Fotos zu CEWE zum Druck gelang­ ten, erkannte das Management weitere Chancen der Nutzung der Digitalisierung: Wenig war bisher über das Verhalten der Kunden bei der Nutzung digitaler Technologien bekannt. Mit dem DigiFilm-Maker begann CEWE im Jahr 2002 damit, das Kundenver­ halten statistisch zu analysieren, um neue Informa­ tionen über das Kundenverhalten zu erlangen. Im Jahr 2004, als das Geschäft mit der Entwicklung von Fotos im freien Fall war, traf das Management von CEWE eine grundlegende Entscheidung: Es erfolgte ein Spin-In der cewe digital GmbH – das digitale Geschäft sollte das traditionelle Geschäft ersetzen. Durch diese Entscheidung konnte das jun­ ge digitale Geschäft von der Managementerfahrung der CEWE profitieren und sich zu einem reifen Unternehmen wandeln. Beide Unternehmen konn­ ten dabei gegenseitig stark von den Erfahrungen des anderen profitieren und die individuellen Fähig­ keiten und Kenntnisse gemeinsam nutzen. CEWE erkannte zwei grundlegende Trends im Umfeld der Fotobranche: Zum Ersten die zunehmen­ de Digitalisierung, und zum Zweiten die stark sin­ kenden Zahlen an gedruckten Fotos. Basierend auf den gesammelten Erkenntnissen zum Kundenver­ halten entschied sich CEWE, die nun gebündelten analogen und digitalen Fähigkeiten gemeinsam in die Entwicklung eines Produktes einfliessen zu las­ sen. Das Resultat war die Einführung des CEWEFotobuchs sowie die dazugehörige Bestellsoftware, die den Kunden bei der Erstellung des Fotoalbums begleitet. Das CEWE-Fotobuch war mit mehr als 3,6 Millionen verkaufen Fotobüchern im Jahr 2009 ein voller Erfolg. Technisch wäre es für CEWE ohne weiteres möglich gewesen, sich vom bestehenden Modell mit Händlern zu lösen und zu einem B2C-­ Geschäft zu wechseln. Aus zwei Gründen jedoch hielt das CEWE-Management am bestehenden B2B2C-Modell fest: Zum Ersten, um den Bruch mit bestehenden Partnern wie Supermärkten und Händlern zu vermeiden, mit dem möglicherweise Chancen für Wettbewerber entstanden wären, und zum zweiten um die bestehende Omnipräsenz für den Endkunden durch maximale Sichtbarkeit zu erhalten. Erweiterungen des sehr saisonalen Foto­ geschäftes erfolgten in den folgenden Jahren durch die Ausdehnung des Fotobuchgeschäftes auf den Druck professionell gebundener Hard- und Softco­ verbücher aus digitalen Kundendaten. Entstanden ist diese Geschäftsidee im unternehmenseigenen Onlineforum, in dem dieser Service von Kunden explizit nachgefragt wurde. Durch diese Erweite­ rung gelang es CEWE, die Auslastung seiner Druck­ maschinen weiter zu erhöhen. Um dem Trend der immer grösseren Verbreitung von Videoaufnahmen durch Smartphones zu begegnen, erweiterte CEWE seinen Fotobuchservice um die Integration von Videos mittels QR-Codes, über die diese auf dem Smartphone oder Tablet aufgerufen und abgespielt werden können. Weiterhin wurde der Service im Jahr 2013 um die CEWE-Fotowelt-App erweitert, um Smartphones und Tablets besser in die bestehende Wert-schöpfungskette zu integrieren. Nichtsdestotrotz birgt die Zukunft viele Herausfor­ derungen, denen CEWE durch weitere Innovationen begegnen muss. Der Fotobuchmarkt ist heute wei­ testgehend gesättigt und zahlreiche Wettbewerber bieten ähnliche Produkte, teilweise in ebenbürtiger Qualität, an. Ebenso gibt es viele unbeantwortete Fragen im Umfeld des Wandels hin zu mobilen Geräten und der stetig steigenden Verbreitung sozialer Netzwerke (Gassmann, Frankenberger, Lee, Sauer, & Meister, 2015; Gassmann, 2013). Zusammenfassung und Fazit Unternehmen unterliegen einem stetigen Wandel ihres externen Umfelds, dem sie mit Innovationen begegnen müssen. Wichtig ist, dass Unternehmen ihre Ressourcen dabei intelligent nutzen und einen ganzheitlichen Innovationsansatz, von der Idee bis zum Markterfolg, verfolgen. In vielen Unternehmen ist ein Umdenken nötig, weg von Forschung und Entwicklung, hin zu Forschung und Innovation. Das vermehrte Denken in Geschäftsmodellen kann dieses Umdenken unterstützen und stellt für die grafische Industrie der Schweiz eine wichtige Chance zur Sicherung der eigenen Zukunftsfähig­ keit dar.Um Geschäftsmodellinnovation zu fördern, müssen Unternehmen ein gutes Verständnis der Thematik entwickeln. Der St. Galler Business Model NavigatorTM kann mit seinem strukturierten Pro­ zess einen methodischen Rahmen darstellen, auf Basis dessen Geschäftsmodellinnovation durch die Betrachtung der vier Kernaspekte (Kunde, Nutzen­ versprechen, Wertschöpfungskette und Ertragsme­ chanik) ganzheitlich angegangen werden kann. Durch die Integration bekannter Grundmuster inno­ vativer Geschäftsmodelle in den Prozess wird das Denken ausserhalb der bestehenden Grenzen der eigenen Branche gefördert – eine der Grundvoraus­ setzungen für erfolgreiche Geschäftsmodellinno­ vation. Viele der bekannten Innovatoren wie Ama­ zon, IKEA, Dell oder Skype unterscheiden sich von Unternehmen der schweizerischen grafischen Industrie stark. Oft führt die Frage «Wie würde IKEA unser Geschäft führen?» deshalb zu einem Lächeln, Kopfschütteln oder zu offener Ablehnung, stellt man diese den Mitarbeitern eines Industrie­ unternehmens. Nichtsdestotrotz zeigt der Fall von CEWE, dass der Blick auf Bereiche ausserhalb der eigenen Kernkompetenzen für die Entdeckung neu­ er Chancen und die Entwicklung neuer Geschäfts­ modelle sehr förderlich sein kann. Literatur Gassmann, O. (2013). Keine halben Sachen. Harvard Business Manager, (Februar 2013), 32–33. Gassmann, O., & Frankenberger, K. (2014). Druckauftrag fehlt. Harvard Business Manager, 77–83. Gassmann, O., Frankenberger, K., & Csik, M. (2013). Geschäftsmodelle entwickeln: 55 innovative Konzepte mit dem St. Galler Business Model NavigatorTM. München: Hanser. Gassmann, O., Frankenberger, K., & Csik, M. (2014). The Business Model Navigator TM. Harlow, UK: Pearson Education. Gassmann, O., Frankenberger, K., Lee, J.-Y., Sauer, R., & Meister, C. (2015). CEWE: Business Model Innovation – When Disruptive Technologies Hit You. OECD, & Eurostat. (2005). Oslo manual: Guidelines for collecting and interpreting innovation data. Oslo Manual (Vol. 3rd ed.). Rigby, D., & Bilodeau, B. (2015). Management Tools & Trends 2015. Bain & Company. Ständerat. (2014). Interpellation Bischof Pirmin. Grafische Industrie. Krise einer staatstragenden Branche. 79 80 Produkte und Dienstleistungen 2026: Experten-Umfrage — Prof. Dr. Christian Pieter Hoffmann Professor for Communication Management University of Leipzig Peter Edelmann, Präsident viscom Prof. Ruedi Alexander Müller-Beyeler, MSc ETH, Instituts- und Studienleiter Multimedia Production, HTW Chur und Berner Fachhochschule BFH Stefano Gazzaniga, Vizedirektor viscom Ressortleiter Innovation, Management, Umwelt ZEITUNGEN Prof. Dr. Christian Pieter Hoffmann Das Zeitungssterben ist eines der sichtbarsten Signale des aktuellen Medienwandels. Digitale Medien verfügen über Stärken in der schnellen Vermittlung von kurzen Nachrichten. Hinzu kommen Kostenvorteile für die digitale Vermittlung. Die Zukunft der gedruckten Zeitung sieht daher eher düster aus. An zwei Polen bestehen weiterhin Chancen für Print: Qualitätszeitungen (symbolische Vorteile) und Pendlerzeitungen/Anzeiger (funktionale Vorteile). Lokale und regionale Zeitungen haben es dagegen schwer («stuck in the middle»). in den westlichen Kulturkreisen rückläufig. Das führt dazu, dass Verlage, die zwar zugeben, dass sie ihr Geld nach wie vor mit den guten alten Printmedien verdienen, ihre Investitionen immer mehr ins Online-Geschäft verschieben. Damit wird der Eindruck erweckt, dass die Verlage selbst ihren eigenen Untergang erwarten, ihren eigenen Printmedien nicht mehr vertrauen und sich deshalb der vermeintlich rentableren digitalen Zukunft zuwenden. Dabei wird oft vergessen, dass Print und Digital bei weitem nicht in jeder Hinsicht in Konkurrenz zueinander stehen. Im Gegenteil, sie können sich auch sinnvoll ergänzen: Das gute alte Papier für die vertiefte Reflexion und das Internet für das Aktuelle und das Archiv. So verbinden sich analoge und digitale Produkte aus ein und demselben Haus. Peter Edelmann, Präsident viscom Schon vor der Jahrtausendwende gab es Stimmen, die den Printmedien den baldigen Tod voraussagten. Heute ist die Digitalisierung von Zeitungen so weit fortgeschritten, dass man vermuten könnte, dass die gedruckten Versionen in naher Zukunft tatsächlich überflüssig würden. Untersucht man jedoch die schon heute bestehende Rollenverteilung zwischen den beiden Gattungen «Digital» und «Print» etwas genauer, kommt man zu einem anderen Schluss: Gedruckte Zeitungen haben durchaus eine Zukunft! Bedrucktes Papier hat immer noch seine Stärken – auch wenn seine Monopolstellung unwiderruflich vorbei ist. Zwar ist die Anzahl gedruckter Zeitungen und anderer regelmässig erscheinenden Publikationen Für das Überleben der Zeitungen und Zeitschriften in Printform sprechen folgende Vorzüge: –P rintprodukte sind abgeschlossene Erzeugnisse, wogegen das Netz eine Informationsquelle ist, die keinen Anfang und kein Ende hat und dadurch die Gefahr besteht, dass man dauernd abgelenkt wird. –P rintprodukte haben eine klare Aufteilung, weisen Inhalten Prioritäten zu und laden ein zum physischen Blättern, zum «Flanieren». Dadurch, dass die Lektüre zwingend offline geschieht, wird eine innere Haltung gefördert, die Zurücklehnen, Entspannung und Distanz aufkommen lässt. –P rintprodukte kann man in die Hand nehmen und geistig in den Inhalt «eintauchen»; eine hochwerti- ge Aufmachung bewirkt beim Leser ein stimmiges Erlebnis. – Werbung in Printmedien hat eine höhere Wirkung, weil sie vom Leser im Vergleich zur Onlinewerbung glaubwürdiger und als weniger störend wahrgenommen wird. Prof. Ruedi Alexander Müller-Beyeler Bezahlte gedruckte Zeitungen haben immer schon mit Journalismus Reichweite bei den Nutzern generiert, um sie dann an die Werbeindustrie weiter – verkaufen zu können. Bezahlte Zeitungen und Zeitschriften haben also schon immer mit einem zweiseitigen Geschäftsmodell gearbeitet. Ein wachsender Teil der Werbegelder fliesst jetzt aber in Online-Kanäle und damit vor allem ins Ausland. Viele Verlage haben darauf reagiert, indem sie die Kosten beim Journalismus gesenkt haben, was natürlich verbunden ist mit Qualitäts- und Relevanzverlust der journalistischen Beiträge. Kurzfristig konnten so zwar Ertragsrechnungen geschönt werden. In einigen Fällen sind die Gewinne vielleicht sogar gestiegen, weil beim Journalismus überproportional mehr Kosten eingespart wurden, als notwendig gewesen wäre, um die wegfallenden Werbeeinnahmen zu kompensieren. Aber mit der Reduktion der journalistischen Qualität wurde gleichzeitig das zweiseitige Geschäftsmodell zerstört – und zwar von den Verlagen selbst. Die Leser springen ab, weil sie keinen journalistischen Mehrwert mehr erhalten, deshalb schrumpft die Reichweite und das Geschäft bricht schliesslich ganz zusammen. Der Schein trügt also. Es ist wie mit einem Auto, das mit 100 km/h auf eine Wand zufährt: Alles läuft doch, wenn man nicht nach vorne blickt – bis die Mauer da ist. Hinzu kommt der Generationenbruch: In den USA lesen laut Ofcom Menschen unter 35 Jahren keine Zeitungen und keine Zeitschriften mehr und nur Menschen über 75 noch relativ viel im Vergleich zu TV, Radio und Online. Mehr als 50% ihres Medienkonsums findet bei den 16- bis 25-jährigen laut der gleichen Studie auf dem Smartphone statt. In der Schweiz dürfte diese Zahl noch höher sein, ist doch hier die Durchdringung mit Smartphones sehr hoch (eine nicht repräsentative Erhebungen an unserem Institut für Multimedia Production [IMP] der HTW Chur besagt, dass bereits 95% aller jungen Erwachsenen Medien primär über Smartphone konsumieren). Stefano Gazzaniga, Vizedirektor viscom Wer blättert noch eine Zeitung durch? Nur wer exklusive Inhalte anbietet, wird digitale Abos in Zukunft kostenpflichtig machen können. News im Sinne von reinen Informationen, sind nicht exklusiv und sehr schnell kopierbar. Journalistische Tätigkeiten müssen interaktiv werden. Die Werbebudgets werden noch stärker im Online-Sektor platziert werden. Die Statistiken sind vorhanden: Diese bestätigen, dass Mediennutzer 107 Minuten am Smartphone, 95 Minuten Online, 85 Minuten am Fernseher verbringen, und nur 31 Minuten für das Lesen von gedruckte Zeitungen aufwenden. Darüber hinaus hat die Online Werbung sehr viel Gestaltungsmöglichkeiten zu bieten wie Interaktive Werbeformen mit Ton und Video. TAGESZEITUNG Prof. Dr. Christian Pieter Hoffmann Die Print-Tageszeitung hat schon heute mehr sym­bolische als funktionale Vorteile gegenüber Digital. Sie eignet sich als Auslage oder Dreingabe. Qualitätszeitungen können daher möglicherweise noch eine Weile eine Print-Nische bespielen. Peter Edelmann Die Tageszeitungen weisen trotz aktueller Schwierigkeiten immer noch eine hohe Vielfalt und eine grosse Abdeckung auf. Die durchschnittliche tägliche Auflage der Deutschschweizer Tageszeitungen inklusive Sonntagszeitungen und Gratispresse beläuft sich auf 2,5 Mio. Exemplare. Diese Tageszeitungen inklusive Sonntagszeitun­gen und Gratispresse werden von 3,4 Mio. Personen ab 14 Jahren gelesen. Die Tageszeitungen haben in unserer komplexen, förderungswürdigen Demokratie auch zukünftig auf drei Ebenen einen wich­tigen Informationsauftrag zu erfüllen. Auf Gemeinde­ebene, kantonal und national. Wir brauchen dieses Kommunikationsmittel gedruckt und elektronisch – als Lotsen in einer unüber­sich­ tlichen, schnellen Zeit. 81 82 Damit ist jedoch das wirtschaftliche Überleben der Tageszeitungen noch nicht gesichert. Die Auflagen fallen, Leser nutzen zunehmend die digitalen Angebote, sind aber nicht bereit, im selben Masse für die Online-Inhalte zu bezahlen, wie sie es für das gedruckte Wort taten. Die Anzeigenumsätze, welche immer noch die wichtigste Einnahmequelle darstellen, gehen zurück. Die Einnahmen durch das Digital-Angebot können diese Einbussen noch nicht kompensieren. Online-Tagesjournalismus. Der Mythos, Konsumenten seien nicht bereit, im Internet für Inhalte zu bezahlen, wird zwar eindrücklich widerlegt durch Erfolge wie beispielsweise der von Netflix. Bezahlt wird jedoch nur für Premium-Content (und für Convenience). Die «New York Times» zeigt auf, wie seit 2014 die Zahlkunden für Premium-Inhalte rasch wachsen. Bedingungen sind: Qualität und Reichweite. Letztere muss für die Schweiz über die Landesgrenzen hinausweisen. Die Zukunft der gedruckten Qualitätszeitung könnte in einem Premium-Angebot für eine anspruchsvolle Leserschaft bestehen, welche bereit ist, für journalistisch überdurchschnittliche Inhalte einen entsprechenden Preis zu bezahlen. Ein solches Nischenprodukt müsste auch für den Werbemarkt so attraktiv sein, so dass das heutige Finanzierungsmodell (Nutzer- und Werbemarkt) auch auf der Basis kleinerer Auflagenzahlen die Wirtschaftlichkeit der Zeitungen garantiert. Stefano Gazzaniga Prof. Ruedi Alexander Müller-Beyeler Laut der Stiftung Werbestatistik Schweiz haben sich die Netto-Werbeumsätze der gedruckten Tageszeitungen zwischen 2007 und 2014, also innerhalb von 7 Jahren, halbiert. Hält dieser Trend weiterhin an, rechne ich damit, dass gedruckte Tageszeitungen in der Schweiz innerhalb der kommenden 5 bis 10 Jahre vollständig verschwinden werden. Mit bezahltem Online-Journalismus lässt sich der wegfallende Ertrag gedruckter Zeitung in der Schweiz aller Voraussicht nach nicht kompensieren. Dies aus zwei Gründen: Erstens wird online nur für Journalismus bezahlt, der gut ist und nicht mit einem Mausklick auch gratis bezogen werden kann. Solcher Journalismus ist heute in der Schweiz nicht mehr weit verbreitet. Zweitens sind die Schweizer Sprachräume zu klein für Online-Journalismus. In Deutschland decken viele regionale Tageszeitungen Gebiete ab so gross wie die ganze deutschsprachige Schweiz. Rheinland-Pfalz beispielsweise – nur eines von 16 Bundesländern in Deutschland – hat 4 Mio. Einwohner. Demgegenüber sprechen in der ganzen Schweiz gerade einmal etwas über 5 Mio. Menschen deutsch. Also kann man regionale Tageszeitungen in der Schweiz nicht mit regionalen Tageszeitungen in Deutschland vergleichen. Ihre Reichweite unterscheidet sich um eine ganze Grössenordnung. Die Schweiz ist zu klein für Bezahlmodelle im Zeitungen erfahren eine ständige Erosion ihrer Abo-Einnahmen aus dem Print-Bereich. Diese Rückgänge können durch die digitalen Abo-Einnahmen nur teilweise wettgemacht werden. Für die Zukunft sind deshalb weitere Fusionen und Verschwinden von Zeitungstiteln zu erwarten. Zeitungen müssten ihre Konzepte ändern, damit sie neue Leser gewinnen können. Die Zeitungsverlage werden künftig ausschliesslich Verlage sein und ihre Printproduktion outsourcen. Damit dürfte es zu einer Konzentration auf sehr wenige Produktionszentren für Print-Zeitungen kommen, um die Produktionskosten und vor allem die Auslastung der Rotationsmaschinen zu optimieren. LOKAL-/REGIONAL-/ ZEITUNGEN/ANZEIGER Prof. Dr. Christian Pieter Hoffmann Lokal- und Regionalzeitungen durchleben massive finanzielle Engpässe, die sie teilweise auf das qualitative Niveau von Anzeigern schrumpfen lassen. (Hyper-)lokale Anzeigen eingebettet in ein wenig lokalen Content ermöglichen vorerst noch die Refinanzierung von Print. Print-Anzeiger haben zudem den simplen Vorteil, physisch verteilt werden zu können und damit in lokalen Märkten eine breite Abdeckung zu erzielen. Fragwürdig ist jedoch ihre tatsächliche Wirksamkeit. Peter Edelmann Lokalzeitungen decken das Informationsbedürfnis über das Geschehen in unmittelbarer Nähe des Lesers ab. Was in der Gemeinde, im Quartier, in der Schule, im Gemeindehaus, im lokalen Sportclub, im Sängerbund läuft, interessiert Jung und Alt. Deshalb werden Lokalzeitungen gelesen. Davon profitieren auch das lokale Gewerbe, die Vereine, die Behörden, welche ihre Dienstleistungen bzw. amtlichen Publikationen bekannt machen können. Nicht selten haben sich gut verankerte Regionalzeitungen dank ihrer «Local Leader»-Stellung in ihrem Verbreitungsgebiet eine gute wirtschaftliche Basis geschaffen. Die Umsatzströme aus Abonnements und Anzeigen reagieren bei dieser Mediengattung weniger anfällig auf die strukturellen Veränderungen, so dass die Überlebenschancen dieser Printgattung gross sind. Prof. Ruedi Alexander Müller-Beyeler Es scheint, als ob lokale und sehr regionale Printprodukte derzeit noch Leser haben und vielleicht noch etwas länger haben werden. Vielleicht auch deshalb, weil lokal-gewerbliche Anzeigen in solchen Medien immer noch geschaltet werden. Mit unseren eigenen Studien am Institut für Multimedia Production (IMP) kommen wir zum über­ raschenden Schluss, dass Jugendliche und junge Erwachsene sich sehr wohl für News interessieren. Aber für nationale und internationale, die sie aber fast ausschliesslich mobile konsumieren. Mobile konsumieren sie im Gegensatz dazu kaum Regio­ nales. Das kann darauf hindeuten, dass sie regionale Neuigkeiten doch immer noch im Printformat lesen. Oder eben gar nicht mehr. Stefano Gazzaniga Regionalzeitungen haben bessere Voraussetzungen um einer digitalen Medienwelt zu überleben. Sie sind meist (aufgrund der geringen Marktgrösse) «regionale Monopolisten» und bieten exklusive Inhalte (Politik, Sport, Aktualität, regionale Highlights). Die Leser haben eine hohe Identifikation mit der Region, was eine gute Voraussetzung für ein Leser-Blatt-Bindung darstellt. Die Regionalzeitungen werden deshalb auch in Zukunft von der regionalen Werbung unterstützt. GRATISZEITUNGEN Prof. Dr. Christian Pieter Hoffmann Pendlerzeitungen bedienen sehr erfolgreich eine funktionale Nische (kondensiertes Infotainment während einiger Minuten ungenutzter Zeit). Für sie gilt ähnlich wie für lokale Anzeiger: Solange das Anzeigenaufkommen die Kosten deckt, spricht vieles für die physische Distribution. Pendlerzeitungen erzielen dabei weniger Streuverluste und sprechen ein breiteres Publikum an als lokale Anzeiger. Peter Edelmann Gratiszeitungen sind ausschliesslich anzeige- und werbefinanziert. Wenn eine Gratiszeitung eine genügend grosse Verbreitung aufweisen kann, ist sie für den Werbemarkt interessant. Spitzenreiter in der Kategorie «Gratiszeitungen» sind eindeutig die Pendlerzeitungen, welche an Verkehrsknotenpunkten wie Bahnhöfen und Haltestellen angeboten und überwiegend von Pendlern auf dem Weg zum Arbeitsplatz gelesen werden. Gemäss Studien wird dieses Angebot zusätzlich zu den herkömmlichen Medien (Tageszeitungen, Online) gut genutzt und dürfte sich demnach auch in Zukunft behaupten. Neben dem Papierprodukt ist insbesondere für die Pendlerzeitung «20 Minuten» der Internetauftritt wichtig. Hier werden neben den Tagesaktualitäten Zusatzinformationen und eigenständige Inhalte angeboten. Damit wird eine vermehrte Leserbindung der (sehr) jungen Kernzielgruppe der 14 bis 29-Jährigen erreicht. Prof. Ruedi Alexander Müller-Beyeler Millennials schauen alle 10 Minuten auf ihr Smartphone, das sie 24 Stunden am Tag in ihrer Nähe haben. Und es ist das Erste, was sie am Morgen checken, wenn sie erwachen. Und wenn heute knapp über 20% des Medienkonsums aller Konsumenten via Handy erfolgen, sollen es laut Ofcom bis 2030 rund 50% sein. Da wird dann auch für gedruckte Gratiszeitungen wenig Raum übrig bleiben. Stefano Gazzaniga Nach dem grossem Aufbruch von Gratiszeitungen hat man auch in diesem Bereich eine Konzentration erlebt. Die Gratiszeitungen entwickeln sich immer mehr in eine direkte Unterstützung des Online-Kanals: Die Inhalte, die man in diesen Zeitungen liest, werden mittlerweile 1:1 parallel online publiziert. 83 84 ZEITSCHRIFTEN Prof. Dr. Christian Pieter Hoffmann Gedruckte Zeitschriften verfügen über symbolische und funktionale Vorteile, warum sie vom «Aussterben» des Print bisher weniger betroffen sind. Die Print-Zeitschrift ermöglicht die vertiefte Lektüre auch längerer oder komplexerer Texte, verbunden mit funktionalen und ästhetischen Abbildungen. Dies erleichtert die Aufnahme. Zugleich stellen Zeitschriften eine Art Genussmittel dar – durch sie gönnt sich der Konsument eine Auszeit. Erst eine deutliche Verbesserung digitaler Interfaces würde die Print-Zeitschrift ernsthaft bedrohen. Peter Edelmann Wenn man den dauerhaften Eigenschaften von Print – Beständigkeit, Verlässlichkeit, Greifbarkeit – Glauben schenkt, dann haben Zeitschriften und Magazine (darunter fallen auch Kundenzeitschriften und -magazine) hohe Zukunftschancen. Gedruckte Erzeugnisse bilden für viele Menschen fortwährend den Gegenpol zum schnelllebigen Digitalen. Das Lesen von Gedrucktem schafft eine besondere Wahrnehmung durch optische und haptische Reize, was auch in Verbindung gebracht wird mit hoher Qualität. Eine zusätzliche Wertsteigerung erfahren Zeitschriften mit der Verbindung zu den «neuen» Medien: Mittels lesbarer Codes oder NFC-Integration kann die Brücke zur digitalen Welt bewerkstelligt werden. Damit stellt das klassische Offlineprodukt «Print» die Attraktivität anderer medialer Zugänge sicher. Diese Kombinationsmöglichkeit von analogen und digitalen Produkten führte dazu, dass vor allem die Zahl der Special-Interest-Titel in den letzten Jahren stetig gestiegen ist. Dieser Trend dürfte sich fortsetzen. Sparte abzuhängen. Gedruckte Pornotitel beispielsweise dürften längst durch das Internet substituiert worden sein. Stefano Gazzaniga Sowohl Zeitungen als auch Zeitschriften wecken Emotionen, aber das alleine reicht nicht mehr. Magazine und Zeitschriften, die auch in die Zukunft erfolgreich sein wollen, müssen sich also vor allem anschauen, was in der Nische passiert. Magazine und Zeitschriften nimmt man in die Hand. Das Erlebnis, das dabei entsteht, muss möglichst stimmig sein. Layout, Papier, Cover – jedes Detail muss sich zu einem hochwertigen Gesamtbild zusammenfügen. Mutige Inhalte: Kommentare, Analysen, Essays, Hintergrundberichte, Satire, Reportagen, Die Inhalte sind die Essenz eines jeden Magazins. Das Onlineprodukt wird in der nächsten Zukunft das Druckprodukt nicht ersetzen, aber es wird ihm helfen, sich im Kommunikationsmarkt zu stärken. GESCHÄFTSBERICHTE Prof. Dr. Christian Pieter Hoffmann Der funktionale Nutzen gedruckter Geschäftsbe­ richte ist sehr klein. Professionelle Zielgruppen müssen mit den Inhalten arbeiten, daher bietet sich eine digitale Form an. Aber: Der symbolische Wert des Print-­Berichts ist hoch. Er signalisiert das Selbst­ bewusstsein und den Erfolg der Organisation und stellt ein geeignetes Mittel der Beziehungspflege dar. Die Übergabe eines hochwertigen physischen Berichts signalisiert Anerkennung. In kleiner Auflage werden gedruckte Berichte daher noch einige Jahre existieren. Peter Edelmann Prof. Ruedi Alexander Müller-Beyeler Als Markenexperte vertrete ich die Hypothese, dass starke Medientitel überlebensfähig sind, wenn sie als Marke gepflegt und profiliert behalten werden (was einige Tagestitel in der Schweiz derzeit vernachlässigen). Grosse Titel wie «Vogue» , wo Qualitätsfotografien im Zusammenspiel mit Werbung für Luxusgüter wichtig sind, werden wohl noch lange einen Markt haben. Andere, die schon vom Inhalt her multimedialer orientiert sind, also beispielsweise Musiktitel haben vielleicht mehr Mühe in Printform. Es scheint also ein bisschen von der jeweiligen In vielen Fällen erfüllen Geschäftsberichte heute noch zwei Funktionen: Einerseits werden damit in den dazu verpflichteten Unternehmungen die gesetzlichen Vorschriften hinsichtlich Jahresberichterstattung und Rechnungslegung an die Share- und Stakeholders abgedeckt. Andererseits wird der Geschäftsbericht gleichzeitig auch als Imagebroschüre eingesetzt. Entsprechend ist die Gestaltung meistens sehr aufwendig. In Zukunft ist damit zu rechnen, dass diese Doppelfunktion nach und nach verschwinden wird. Denn vor allem das oft umfang­ reiche und komplexe Zahlenmaterial, das in erster Linie den Rechnungsprüfern und Finanzanalysten dient, ist wenig geeignet als Werbeinstrument. Zahlreiche Aktiengesellschaften bieten ihren Aktionären den Geschäftsbericht heute schon in digitaler Form an. Dieser Trend wird zunehmen, so dass zwar qualitativ anspruchsvolle Geschäftsberichte weiterhin durch Vorstufenbetriebe digital produziert werden dürften, hingegen nur noch verkürzte Geschäftsberichte in kleinen Auflagen für speziell interessierte Abnehmer gedruckt werden. Prof. Ruedi Alexander Müller-Beyeler Gespräche, die wir am Institut für Multimedia Production (IMP) der HTW Chur mit Kommuni­ kationsverantwortlichen grosser Unternehmen geführt haben, deuten darauf hin, dass viele Unternehmen Geschäftsberichte nur noch so lange drucken werden, wie es andere auch tun, wie es also Branchenusanz ist. Wenn eine kritische Anzahl von Unternehmen ihre jährliche Offenlegung nur noch online publiziert, werden wohl in kurzem zeitlichen Abstand alle rasch folgen. Wann dieser Tipping Point erreicht sein wird, kann ich nicht sagen. Es kann aber zu einem plötzlichen Zusammenbruch des Geschäftes kommen, wenn die Opinion Leaders umstellen. KLEIN- UND GESCHÄFTSDRUCKSACHEN Prof. Dr. Christian Pieter Hoffmann Bisherige Erfahrungen mit dem «papierlosen» Büro zeigen: Klein- und Geschäftsdrucksachen sterben nicht aus. Für diverse Zwecke sind Printmaterialien unverzichtbar oder schlicht nützlich. Hier ist jedoch der Kostendruck erheblich. In wenigen Fällen erfordert die symbolische Funktion der Drucksache eine hohe Qualität (Visitenkarten, Briefpapier, Einladungskarten, etc.). Hier zahlen sich Know-how und Kompetenz durch höhere Margen aus. Peter Edelmann Geschäftsdrucksachen sind Organisationshilfsmittel mit Repräsentationscharakter und müssen deshalb eine gewisse Wertigkeit mit einheitlicher Corporate Identity aufweisen. Für eine Unternehmung, welche auf ihr Erscheinungsbild gegen aussen Wert legt, wird es sich deshalb auch in Zukunft lohnen, für die Herstellung dieser Drucksachen mit einem professionellen Anbieter der grafischen Branche zusammenzuarbeiten. Stefano Gazzaniga Prof. Ruedi Alexander Müller-Beyeler Die Zeiten, in denen die schwergewichtigen, mehrere hundert Seiten umfassenden Publikationen in hohen Stückzahlen versendet wurden, neigen sich dem Ende zu. Die Unternehmen versuchen auch aus Kostengründen, die Auflage ihrer Berichte zu reduzieren und die Informationen im Internet bereitzustellen. Denn immer mehr Stakeholder entdecken den Mehrwert der interaktiven Online-Geschäftsberichte. Es gibt immer wieder Situationen im geschäftli­chen Alltag, wo der soziale Austausch durch kleine Geschäftsdrucksachen erleichtert werden kann. Ich vermute deshalb, dass sich dieses Geschäft noch lange halten wird. Der Austausch von Visitenkarten mag das illustrieren: Gegenseitig die Handys zu schütteln, um die persönlichen Daten zu tauschen, hat sich nie durchgesetzt, obwohl es dafür Apps gibt. Händeschütteln und Übergabe der Karte werden noch heute bevorzugt, obwohl Ersteres logistisch viele Vorteile hätte. Internet ist aber nicht genug: Man braucht ein neues gesamtes Kommunikationskonzept mit mehr Personalisierung für die verschiedene Stakeholder. Stefano Gazzaniga Dabei wird es spannend sein zu beobachten, ob das langfristig dann tatsächlich auch das Aus für die Print-Version bedeutet. Die Firmen stehen laufend vor der Aufgabe, ihre Kommunikationsstrategien zu prüfen und die entsprechenden Kanäle zu bedienen. Visitenkarten, Briefpapier, Briefumschläge und Akzidenzdrucksachen unterliegen der starken Preiskonkurrenz von Web2Print. Die viscom-Umfrage bestätigt, dass die Kunden in den verschiedenen Produktionsphasen beraten werden wollen. Alles, was keine Beratung braucht, wird längerfristig in Web2Print-Lösungen abwandern. 85 86 PLAKATE Prof. Dr. Christian Pieter Hoffmann Plakate bieten gegenüber digitalen Displays weder symbolische noch funktionale Vorteile. Hier ist das Ende des Print daher eine simple Frage der Inves­ titionsrechnung: Ab wann wird die Installation und der Betrieb digitaler Displays günstiger als die Produktion und Distribution physischer Plakate? Peter Edelmann Der Aussenwerbemarkt zeichnet sich weiterhin durch eine hohe Dynamik aus. 67 Prozent der Mobilität unserer Gesellschaft finden auf der Strasse statt, ob zu Fuss oder motorisiert. Millionen von Menschen reisen täglich mit Bahn oder Flugzeug und kommen dabei in Kontakt mit Aussenwerbung. Und sie schätzen diese Form der Ansprache. Vier von fünf Personen in der Schweiz mögen Plakatwerbung. Diese harmonische Beziehung zwischen Konsument und Medium macht den Aussenwerbemarkt zu einer der wirksamsten und wirtschaftlichsten Formen kommerzieller Markenkommunikation überhaupt. Um mobile Zielgruppen effizient zu erreichen, werden die Bereiche Digitalisierung, Konvergenz und Interaktivität laufend ausgebaut. Damit erhalten Werbekunden ein überzeugendes integrales Angebot, welches die Stärken der «Out-of-Home»-Werbeformen und der physischen Präsenz vor Ort ideal kombiniert. Die konventionelle Plakatwerbung dürfte in den kommenden Jahren hingegen an Bedeutung verlieren. Prof. Ruedi Alexander Müller-Beyeler Ich habe wenig Einblick in dieses Geschäft. Vermutlich bleibt es stabil, bis bahnbrechende neue Bildschirmtechnologien, die seit Jahren angekündigt werden, wirklich kommen und die Welt um uns herum noch einmal verändern werden. Stefano Gazzaniga Die Veränderung findet statt: Auf der einen Seite hält das traditionelle Plakat auf dem Markt mit und hat sogar einen leichten Anstieg, aber das interaktive Plakat erfreut sich zunehmender Nachfrage. Plakatflächen werden immer grösser und dank neuer Technologien können auch individuelle Plakate erstellt werden. WERBEMITTEL UND POS-MATERIAL Prof. Dr. Christian Pieter Hoffmann Werbemittel repräsentieren eine Organisation, sie sind auch eine Beigabe an (potenzielle) Kunden. Der symbolische Nutzen übertrifft hier daher häufig den funktionalen, was für qualitativ hochwertige Produkte zum Zweck der Anbahnung und Beziehungspflege spricht. Der Druck, verkaufsunterstützende Materialien zu digitalisieren, ist jedoch aus Kostengründen und aus Gründen der Prozessoptimierung hoch. Insofern deutet sich ein Medienbruch zwischen Materialien in der Anbahnung und der Beziehungspflege einerseits und im Abschluss andererseits an. Gefragt sind hier geschickte Verbindungen zwischen den Medien. Peter Edelmann Bei der Frage nach dem Einsatz von gedruckten Werbemitteln muss erneut an die dauerhaften Vorteile von Print erinnert werden (vgl. unter «Zeitschriften und Magazine»). Zusätzlich verfügt Print über verkaufsfördernde Eigenschaften, vor allem am Point of Sale, wo im Vergleich zu anderen Werbemassnahmen immer noch die meisten Kaufentscheidungen getroffen werden und zwar vorrangig durch Erzeugnisse aus dem Drucksaal, wie z.B. aufmerksame Displays oder Rollups. Gedrucktes Werbematerial gilt als glaubwürdiger im Vergleich zu digitalen (Werbe-)Botschaften. Das liegt auch daran, dass sie vom Leser länger und aufmerksamer betrachtet werden als digitale Anzeigen. Das gilt natürlich im Besonderen auch für die weit verbreiteten und immer besser personalisierten Mailings. Diesen schenkt der Betrachter mehr Aufmerksamkeit als den E-Mails, die entweder in den Spamordner oder auch ungelesen in den digitalen Papierkorb wandern. So kommt es auch, dass die Erfolgsquote bei Angeboten aus gedruckten Mailings um 37 Prozent höher ist als bei den E-Mails. Im Bereich Katalogdruck sind die ganz grossen Auflagen tendenziell rückläufig, hingegen verzeichnen kleinere Auflagen einen Anstieg. Der Grund liegt darin, dass die Werbung erkannt hat, dass gedruckte Kataloge den Onlinehandel ankurbeln. Print ist ein wertvoller Verbündeter im eCommerce-Geschäft, wenn es Teil einer integrierten Multichannel-Kampagne ist. Prof. Ruedi Alexander Müller-Beyeler In diesem Bereich sehe ich vorläufig keine Veränderungen. Bildschirme und mit ihnen Film sind längst am POS angekommen, sie ersetzen aber gedrucktes Werbe- und POS-Material nur partiell. Möglichkeiten in diesem Bereich vorgeschlagen: Synergien zwischen Offset- und Digitaldruck, um Flexibilität der Produktion zu steigern. Die zentralen Herausforderungen sind jedoch nicht die Drucktechnologie, sondern der Umgang mit den Daten und die logistischen Fragen. Stefano Gazzaniga Zwei Drittel der Kunden entscheiden sich für einen Einkauf erst am Point of Sale (POS). Für den stationären Handel hat POS-Werbung trotz wachsender Bedeutung von Onlinewerbung noch immer einen hohen Stellenwert. Das wird wohl auch in Zukunft so bleiben. Aber Werbung am POS wird sich verändern, die Frequenz von Werbe- und Marketingkampagnen wird deutlich ansteigen und die Budgets werden wachsen. Für die Druckerbranche bietet das Perspektiven. Eine kürzere Kampagnendauer und zunehmende POS-Printwerbung dürften ihr ein Auftragsplus bescheren. BÜCHER Prof. Dr. Christian Pieter Hoffmann INDIVIDUALISIERTE DRUCKSACHEN Das physische Buch wird in absehbarer Zeit zu einem reinen Liebhaberobjekt. Die Entwicklung der e-Reader verläuft derart dynamisch, verbunden mit Kosten- und Vertriebsvorteilen, dass auch konservative Leseratten bald den Schritt zum digitalen Buch vollziehen werden. Chancen für gedruckte Bücher bestehen – neben Liebhabernischen – vor allem in Werken, die sich als Präsent eignen (bspw. Bildbände, Kochbücher, etc.). Hier zahlt sich Qualität und Ästhetik aus. Der Fachbuchmarkt erfährt dagegen einen erheblichen Kostendruck, je mehr sich die Lesegewohnheiten «digitalisieren» und digitale Interfaces verbessern. Prof. Dr. Christian Pieter Hoffmann Peter Edelmann Individualisierung oder Personalisierung ist eine wichtige Kompetenz für die Hersteller von Printmaterialien, die vor allem symbolische Funktion aufweisen – also etwa Zielgruppen überreicht werden. Diese Materialien weisen ohnehin eine höhere Qualität (und höhere Margen) auf. Ein Buch ist ein Medium, das oftmals durch verschiedene Hände geht und eine gewisse Zeit überdauern soll. Ein physisches Buch ist immer mehr als der Text, der darin steht. Das kann das eBook schwer leisten und will es auch nicht. Schon länger ist hingegen klar, dass Lehrbücher und Nachschlagewerke ihr Ziel auf elektronischem Wege besser erreichen, allein schon deshalb, weil sie schneller zu aktualisieren sind. Peter Edelmann Das Geschäft mit individualisieren Drucksachen steckt noch in den Anfängen und weist dank des sich rasant ausbreitenden Digitaldruckverfahrens durchaus noch Wachstumschancen auf. Prof. Ruedi Alexander Müller-Beyeler Das dürfte meines Erachtens ein Nischenmarkt bleiben, der aber auch nicht ganz verschwinden wird. Stefano Gazzaniga Das Ziel ist, dem Kunden ein exklusives und personalisiertes Produkt (nicht nur eine Adressierung) zu erstellen. Während der letzten Drupa wurden viele Die Zukunft des Buches ist zunehmend digital. Diese Veränderung geht aber – gerade im Vergleich zur digitalen Revolution in der Musikindustrie – relativ langsam vonstatten. Zudem werden viele Menschen beim Sachbuch weiterhin die Vorzüge des Printbuchs zu schätzen wissen. Zum Beispiel die einfachere Möglichkeit, den Text «durchblättern» oder «querlesen» zu können. Und auch gerade in seiner hochwertigen, schön gestalteten Variante hat das gedruckte Buch eine Zukunft, nicht zuletzt weil es nach dem Lesen im Büchergestell sozusagen weiterlebt und der Leser so bewusst oder unbewusst an den Inhalt erinnert wird. Dagegen wird das Taschenbuch als preiswerte Leseform, die man als 87 88 Vielleser konsumiert, langsam, aber sicher durch das eBook verdrängt. Ein interessantes, stark zunehmendes Marktsegment sind die Fotobücher. Der Grund ist klar: Ein gedrucktes Fotobuch hat eben doch einen anderen Stellenwert als ein paar Bilder auf dem Smartphone oder dem Computer, bei denen das haptische Erlebnis fehlt. zahlen bei den Verlagen und Besucherzahlen aus dem Sortiment rechnen müssen. Kleine Verlage laden mehrere Bücher über die Portale der einzelnen Bibliotheken hoch und wenn der Auftrag aufgegeben wird, wird das Buch produziert. Die Wirksamkeit dieser Produktionssysteme beruht auf der Automatisierung der Produktionsabläufe und die Geschwindigkeit der Lieferung des Buches an den Kunden. Prof. Ruedi Alexander Müller-Beyeler Schon McLuhan, der grosse Medientheoretiker des 20. Jahrhunderts, hat aufgezeigt, dass neuen Medien alte nicht ersetzen, sondern hinzukommen. Und mit seiner viel zitierten Aussage «Das Medium ist die Botschaft» hat er deutlich machen wollen, dass jedes Medium seinen eigenen Charakter hat. Seine Eigenart, die den Inhalt, den das Medium transportiert, anders erscheinen lässt. Diese mediale Erfahrung wird auch treffend «medialer Eigensinn» genannt. Der mediale Eigensinn des Buchs gegenüber einem Kindle beispielsweise ist offensichtlich, weshalb ich kritisch bin gegenüber den Prognosen, die dem elektronischen Buch eine grosse Zukunft voraus­ sagen. Selbst wenn alle rationalen Argumente dafür sprechen. Hingegen glaube ich, dass Gestaltung und Auf­ machung von Büchern an Bedeutung eher gewinnen. Weil das Buch eben Objektcharakter hat, was in einer zunehmend virtualisierten Welt zur Exklusivität wird. Wie ein Buch gestaltet und ausgerüstet wird, wird deshalb wichtiger, was jedoch eine neue und intensive Form der Zusammenarbeit von Autor und Buchgestalter bedingt, die noch nicht sehr verbreitet ist. Im Zusammenhang mit dem Objektcharakter des Buchs, dem ich eine hohe Bedeutung unterstelle, wäre auch interessant, verlässliche Zahlen zu erheben, wie viele der gekauften Bücher eigentlich tatsächlich jemals gelesen werden. Das würde Rückschlüsse auf meine These zum Objektcharakter des Buchs erlauben. Stefano Gazzaniga Die Umsatzrückgänge im Bereich gedrucktes Buch werden durch Umsatzwachstum im Bereich Paid-Content ausgeglichen. Das Fachbuch im allgemeinen Sortiment, die Fachbuchhandlung und die Campus-Buchhandlung werden grösstenteils verschwinden. Die Buchmessen werden mit einem rückläufigen Flächenbedarf der Verlage, Aussteller- SICHERHEITSDRUCK Prof. Dr. Christian Pieter Hoffmann Sicherheitsdruck stellt noch eine attraktive Nische dar, die jedoch absehbar durch Kryptologie und «Wearables» kannibalisiert werden wird. Technisch lässt sich der Sicherheitsdruck heute meist problemlos digital substituieren, nicht in jedem Fall kann aber davon ausgegangen werden, dass alle Zielgruppen über die notwendige Ausstattung verfügen. Voraussichtlich ist dies nur eine Frage der Zeit. Peter Edelmann Das wachsende Bedürfnis nach höchster Sicherheit mit Dokumenten und Wertpapieren in allen Belangen sichert den wenigen, auf diesem Gebiet spezia­ lisierten Unternehmungen auch in Zukunft gute Chancen, auch wenn die ausländische Konkur­renz in den letzten Jahren härter geworden ist. So bestehen heute beispielsweise im Banknotendruck international beträchtliche Überkapazitäten. Für herkömmliche Druckereien ist ein Einstieg in dieses Marktsegment wegen der erforderlichen hohen Investitions- und Entwicklungskosten eher unrealistisch. Prof. Ruedi Alexander Müller-Beyeler Da müsste man mit Experten drüber reden können, wie lange Nationalbanken noch Geld drucken werden. Irgendwann könnte der elektronische Geldverkehr dazu führen, dass gedrucktes Geld vielleicht vollständig verschwindet. Stefano Gazzaniga Themen wie Fälschungssicherheit und Markenschutz gewinnen in der Zeit von zunehmender Produktpiraterie und Fälschungen immer mehr an Bedeutung. Banknoten, Identitätsdokumente und hochwertige Markenprodukte, aber auch Medikamentenverpackungen werden bereits seit Jahren mit verschiedenen Sicherheitsmerkmalen hergestellt, um deren Echtheit nachzuweisen. Im Pharmabereich wird insbesondere die Serialisierung neu umgesetzt, um Medikamentenfälschungen und damit den weltweiten Handel mit illegalen Medikamenten zu unterbinden. VERPACKUNGEN Prof. Dr. Christian Pieter Hoffmann Auch im Falle der Verpackung ist zwischen funktionalem und symbolischem Nutzen zu unterscheiden. Meist sind Verpackungen eine dauerhafte Notwendigkeit und müssen sich daher durch ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis auszeichnen. In manchen Fällen erfüllen Verpackungen jedoch auch einen ästhetischen Zweck – hier zahlen sich erneut eine hohe Kompetenz und Qualität aus. So lange es aber physische Produkte gibt, wird es auch Verpackungen geben. Peter Edelmann Stefano Gazzaniga Verpackungen mit positiven Umwelteigenschaften und flexiblen Konstruktions- und Ausstattungsmöglichkeiten haben das höchste Zukunftspoten­zial, so die zentrale Erkenntnis der aktuellen Studie «Supply Chain 2025». Sie müssten verlässlicher, nachhaltiger und intelligenter werden sowie stärker die Emotionen der Verbraucher ansprechen. Der Studie zufolge ergeben sich aus dem dynamischen Wandel der Supply Chains für Verpackungshersteller neue Aufgaben. Die Rolle der Verpackung als blosse Schutzhülle werde sich ändern. Künftig könne die Verpackung beim Transport hochwertiger Güter eine aktive Gewährleistungsfunktion übernehmen – beispielsweise mit Hilfe einer entsprechenden Sensorik und Kommunikations­ fähigkeit, die den Nutzer über Erschütterungen und daraus resultierende Schäden informiert. ETIKETTEN Prof. Dr. Christian Pieter Hoffmann Der boomende Onlinehandel hat zur Folge, dass die Produktion und Verwendung von massgeschneiderten Verpackungen und Produktkartons weltweit deutlich zugenommen haben. Die Druckbranche profitiert in diesem Zusammenhang von den in den letzten Jahren stark verbesserten Inkjet-Technologien, welche mehr Bedruckungsmöglichkeiten zulassen. Die Anforderungen, Luxusartikel und Lebensmittel angemessen und verbrauchersicher zu verpacken, werden hoch bleiben und das Wachstum im Segment «Verpackungsdruck» wird zunehmen. Dazu kommt, dass zunehmend «intelligente» Verpackungen, auch solche mit sensitiven Beschichtungen, gefragt sein werden. Prof. Ruedi Alexander Müller-Beyeler Ich bin kein Verpackungsexperte, weshalb ich dazu kaum Stellung nehmen kann. Als Markenfachmann weiss ich aber, dass das Markengesicht eines Produktes sehr wichtig ist und sicher nicht an Bedeutung verliert. Auch im Verkaufsregal verschärft sich der Wettbewerb um Aufmerksamkeit eher, als dass er abnehmen wird. Inwieweit Einschränkungen aus ökologischen Gründen die Art von Verpackungsproduktion verändern wird, weiss ich nicht. Etiketten lassen sich ähnlich beurteilen wie Verpackungen. Eine interessante Frage ist, ob sich Etiketten funktional aufwerten lassen (s.a. Personalisierung, Sicherheitsdruck). In diesem Fall könnten innovative Anbieter Margenvorteile erzielen. Peter Edelmann Dieser Nischenmarkt hat ähnliche Zukunftschancen wie der Verpackungsdruck. Zunehmend werden von einer Etikette mehr Funktionen erwartet, als bloss ein Träger von optischen Informationen zu sein. Intelligente Etiketten erkennen das Alter des Produkts, seine Temperatur, die Atmosphäre der Verpackung, die Feuchtigkeit und andere Parameter. Etiketten können elektronische Netzwerke enthalten, die es ermöglichen, Informationen über das Produkt direkt in die Etikette aufzunehmen. Voraussetzung, um auf diesem Markt zu reüssieren, ist umfassendes Knowhow nicht nur über die verschiedenen Druckverfahren (Offset-, Sieb-, Flexo-, Digital-, Tampondruck), sondern zum Beispiel auch über Sender-­ Empfänger-Systeme zum automatischen und berüh­r ungslosen Identifizieren und Lokalisieren von Objekten (RFID-Technik). 89 90 Stefano Gazzaniga Die Etikettenindustrie ist herausgefordert und muss sich den veränderten Kundenanforderungen anpasssen. Dank des Digitaldrucks hat sich der Markt bereits erheblich verändert und Kleinstproduktionen werden immer mehr zur Regel. Der Trend geht immer mehr in Richtung Nischenprodukte. 3- UND 4D-DRUCK Näher verwandt mit dem Drucken als die individualisierte 3D-Fertigung ist vielleicht die digitale Textildrucktechnik, die seit einigen Jahren auch erlaubt, in die Tiefe von Textilien zu drucken, wofür der Begriff 3D-Druck eigentlich besser passen würde. Das Potenzial dieser Drucktechnik wird meiner Ansicht nach derzeit noch nicht ausgeschöpft. Allerdings werden auch Kleider wohl in absehbarer Zeit mit 3D-Druckern produziert werden können, wodurch sich die Textilindustrie dann auch noch einmal fundamental verändern kann. Stefano Gazzaniga Prof. Dr. Christian Pieter Hoffmann Der 3-/4D-Druck ist ein sehr spannendes und dynamisches Feld, das klar von der Digitalisierung profitiert. Industrielle wie auch private Anwendungen stehen erst am Anfang ihrer Entwicklung und Verbreitung. Der 3-/4D-Druck hat das Potenzial zu einer disruptiven Innovation, die zahlreiche Geschäftsmodelle erschüttern wird. Prof. Ruedi Alexander Müller-Beyeler 3D-Druck ist eigentlich ein irreführender Begriff (und 4D ist lediglich eine Variante davon, die intelligente Komponenten beinhaltet), denn diese Technologie hat mit Drucktechnologie noch weniger zu tun als die Digital- mit der Analogfotografie. 3D-Druck ist eine Fertigungstechnologie, mit der statt industriell gefertigter Massengüter individuell gefertigte Güter für die Massen produziert werden können. Und mit der man zudem Strukturen fertigen kann, wie sie selbst mit mehrachsigen Fräsmaschinen nicht gefertigt werden können. Dadurch werden viele Industriebereiche revolutioniert werden. Die Schweiz ist in diesem Technologiegebiet gut aufgestellt. Aber eine Druckerei, die auf dieses Gebiet umsteigen möchte, müsste das bisherige Geschäft wohl aufgeben und sorgfältig analysieren, welche Stärken sie hat, die andere nicht haben, und wie diese Stärken genutzt werden könnten, um in diesen völlig anderen Markt der 3D-Druck-Techno­ logie einzusteigen. 3D-Druck lediglich zu nutzen, um Gadgets zu pro­ duzieren, die beispielsweise Ansichtskarten oder andere Druckerzeugnisse ersetzen, geht natürlich schon auch, ist aber nicht mehr als eine Begleiterscheinung einer Technologie, die ganze Industrien revolutionieren wird. Was man braucht, druckt man selbst! Heutzutage ist es üblich, über 3- und 4D-Druck zu sprechen. Auch bei der letzten Drupa wurden diese Drucker angeboten. Man kann sich fragen, wie diese Art von Dienstleistung in unsere Branche integriert werden kann. Das dreidimensionale Drucken ist ideal für die Erstellung und den Druck von Objekten, ein Bereich, mit dem sich bisher die «traditionelle» Druckerei nicht befasst hat. Der 3D-Druck wird auch die Schmuckindustrie verändern. 91 92 Kundenbefragung Gegenwart und Zukunft Print — Rudolf Lisibach Zielsetzung, Umfrage und Auswertung Zielsetzung Mit der Kundenbefragung sollen den Mitgliedern von viscom – und weiteren interessierten Kreisen – Orientierungspunkte und Gedankenanstösse zum heutigen Stellenwert sowie zur zukünftigen Entwicklung von «Print» gegeben werden. Umfrage und Auswertung •Für die Umfrage wurde das Segment «Verantwort­l iche für Marketingkommuni­kation» befragt. •Neben Fragen zur aktuellen Situa­t ion, wurden die Befragten gebeten, Einschätzungen zur zukünftigen Entwicklung abzugeben. • Es wurden Fragen zu folgenden Themenkreisen vorgelegt: – Grösse Kommunikationsbudgets – Verteilung Kommunikationsbudgets auf Kommunikationsmittel – Entwicklung Nachfrage Drucksachen – Kontakte zu Druckereien – Dienstleistungen, welche neben «Druck» in Anspruch genommen werden – Entscheidungskriterien bei Wahl einer Druckerei – Herstellung von Druckunterlagen – Beschaffung von Drucksachen – Zusammenarbeit mit Druckereien •Die elektronische Befragung wurde im Sommer 2016 durchgeführt. •Absender der Umfrage war viscom. •Teilgenommen haben Verantwortliche für Marketingkommunikation von insgesamt 76 Unternehmen in der Schweiz. •Die Antworten sind anonym eingegangen und Rückschlüsse auf einzelne Kunden sind nicht möglich. •Die Kommunikationsbudgets jener Kunden, welche an der Umfrage teilgenommen haben, sind relativ hoch und die Bedürfnisse an die Druckereien können sich von jenen anderer Kundengruppen unterscheiden. Zusammenfassung Grösse Kommunikationsbudgets •Die Kommunikationsbudgets wachsen um gut 3% pro Jahr. Verteilung Kommunikationsbudgets auf Kommunikationsmittel •Der Anteil der «drucknahen» Kommunikationsmittel an den Gesamtbudgets der Kunden liegt aktuell bei 53%. Bis in fünf Jahren wird mit einem Rückgang auf 47% gerechnet. Im gleichen Zeitraum wird der Anteil der «Online-Budgets» von 16% auf 26% ansteigen. Entwicklung Nachfrage Drucksachen •Zunehmend im Bereich «Druck» sind: – Werbebeilagen in Zeitungen und Zeitschriften – Direct Mailings (Print) – Zeitungen und Zeitschriften für Kunden («Corporate Publishing») – Verpackungen – Bücher •Stabil im Bereich «Druck» ist: – POS-Material (Plakate, Hänger, Dispenser) •Rückläufig im Bereich «Druck» sind: – Inserate in Zeitungen und Zeitschriften – Plakate – Prospekte, Broschüren, Flyer – Kataloge – Unternehmensbroschüren – Geschäftsberichte Kontakte zu Druckereien 82% der Befragten pflegen Direktkontakte mit den Druckereien. In fünf Jahren werden es immer noch hohe 78% sein. Das Internet als Einkaufskanal für Drucksachen gewinnt an Bedeutung. Der Anteil jener, welche diesen Kanal nutzen, steigt von 9% auf 13%. 93 94 Dienstleistungen, welche neben «Druck» in Anspruch genommen werden •Neben dem Druck werden als Zusatzdienstleistungen vor allem Druckvorstufe, Bildbearbeitung, Korrektorat, Versand, Logistik, Transport, Beratung und Konzeption nachgefragt. •Auf deutlich schwächere Nachfrage stossen Zusatzangebote wie crossmediale Beratung, Publikationssysteme, Film/Video-Produktionen, aber auch Dienstleistun­ gen im Bereich Websites/Internet. Entscheidungskriterien bei Wahl einer Druckerei •Termintreue und Preis stehen bei der Wahl einer Druckerei ganz zuoberst. Ebenfalls Wert gelegt wird auf Partner, welche auf die eigentliche Kernfunktion «Drucken» spezialisiert sind. Auch wichtig – aber weniger ausgeprägt – sind Beratungs­kompetenz, persönliche Beziehungen oder «Printed in Switzerland». •Bei Umweltthemen wird die Fähigkeit eines Unternehmens klimaneutral zu produ­zieren höher eingestuft als die Verfügbarkeit eines zertifizierten Umweltmanage­mentsystems. •Die Einhaltung eines GAV oder Engagements in der Aus- und Weiterbildung sind weniger entscheidungsrelevant. •Auch eher in geringem Ausmass erwarten die Kunden von den Druckereien Kompetenzen in Marketing, Unternehmenskommunikation oder in den Bereichen Online und Mobile. Herstellung von Druckunterlagen •In den allermeisten Fällen werden Druckvorlagen von den Kunden selber oder durch Agenturen hergestellt. •Der Anteil der Kunden, welche Druckvorlagen auch von der Druckerei herstellen lassen, liegt bei 21%. Beschaffung von Drucksachen •Die meisten Drucksachen werden regional bzw. in der Schweiz eingekauft. 27% der Kunden beziehen Drucksachen aber auch aus dem Ausland. 24% davon in angrenzenden Ländern. Zusammenarbeit mit Druckereien •Nur 8% der Kunden beziehen ihre Drucksachen bei einem einzigen Anbieter. Jeder vierte Kunde arbeitet hingegen mit mehr als fünf Druckereien zusammen. 96 Kommunikationsbudgets steigen an — Grösse Kommunikationsbudgets Wie viel beträgt Ihr Budget für die Marketingkommunikation? Aktuell in 5 Jahren über 25 Mio. Franken 3% 4% zwischen 10 und 25 Mio. Franken 11% 14% zwischen 5 und 10 Mio. Franken 17% 20% zwischen 2,5 und 5 Mio. Franken 18% 20% zwischen 1 und 2,5 Mio. Franken 37% 32% zwischen 0,5 und 1 Mio. Franken 9% 4% zwischen 0,1 und 0,5 Mio. Franken 4% 7% weniger als 0,1 Mio. Franken 1% 1% Total 100% 100% Lesebeispiel: 19% des Kommunikationsbudgets werden für Printmedien eingesetzt. In 5 Jahren sind es 12%. – 37% der Kunden verfügen über ein Budget zwischen CHF 1 Mio. und CHF 2,5 Mio. – 3% geben für die Marketingkommunikation mehr als CHF 25 Mio. aus. – Tendenziell nehmen die grösseren Budgets in den nächsten Jahren zu. 97 Ausgaben in «drucknahe» Kanäle gehen zurück – Wachstum bei Online-Kommunikation — Verteilung Kommunikationsbudgets auf Kommunikationsmittel Wie verteilt sich dieses Budget auf die einzelnen Kommunikationsmittel? Aktuell in 5 Jahren Printmedien 19% 12% Aussenwerbung 8% 7% Direktwerbung 10% 10% Verkaufsförderung 12% 12% PR 4% 5% Total «drucknahe» Kanäle 53% 47% Fernsehen, Radio, Kino 15% 12% Online-Werbung (inkl. Mobile, eigene Website, Apps, Social Media u.a.) 16% 26% Sponsoring, Events, Messen 16% 14% Anderes 1% 2% Total «druckferne» Kanäle 47% 53% Lesebeispiel: 19% des Kommunikationsbudgets werden für Printmedien eingesetzt. In 5 Jahren sind es 12%. – Die Ausgaben in «drucknahe» Kommunikationsmittel gehen unter die Schwelle von 50% zurück. – Während der Rückgang bei den Printmedien deutlich ist, können sich Direktwerbung und Verkaufsförderung behaupten. – In fünf Jahren fliesst mehr als jeder vierte Kommunikationsfranken in Online-Medien. 98 Zukunftsstudie Weniger Inserate, Plakate und Prospekte – mehr Werbebeilagen, Direct Mailings und «Corporate Publishing» — Entwicklung Nachfrage Drucksachen – 1 Wie verändert sich in den nächsten fünf Jahren die Nachfrage nach «drucknahen» Kommunikationsmitteln? Tendenz in 5 Jahren Printmedien Inserate in Zeitungen und Zeitschriften Werbebeilagen in Zeitungen und Zeitschriften ➘ ➚ Aussenwerbung gedruckte Plakate e-Boards, adScreens ➘ ➚ Direktwerbung Prospekte, Broschüren Direct Mailings (Print) Flyer Zeitungen und Zeitschriften für Kunden Lesebeispiel: Die zukünftige Nachfrage nach gedruckten Inseraten geht tendenziell zurück, jene nach gedruckten Werbebeilagen nimmt tendenziell zu. ➘ ➚ ➘ ➚ 99 Mehr Verpackungen, stabiles POS-Material – weniger Kataloge, Unternehmensbroschüren und Geschäftsberichte — Entwicklung Nachfrage Drucksachen – 2 Wie verändert sich in den nächsten fünf Jahren die Nachfrage nach «drucknahen» Kommunikationsmitteln? Tendenz in 5 Jahren Verkaufsförderung Kataloge POS-Material (Plakate, Hänger, Dispenser) Verpackungen ➘ ➙ ➚ PR Bücher Unternehmensbroschüren Geschäftsberichte Lesebeispiel: Die zukünftige Nachfrage nach gedruckten Inseraten geht tendenziell zurück, jene nach gedruckten Werbebeilagen nimmt tendenziell zu. ➚ ➘ ➘ 100 Der Grossteil der Kunden pflegt Direktkontakte in die Druckerei – Internet als Einkaufskanal gewinnt an Boden — Kontakte zu Druckereien Die Herstellung dieser Kommunikationsmittel erfolgt in den meisten Fällen durch eine Druckerei. Wie laufen bei Ihnen die Kontakte zur Druckerei? Aktuell in 5 Jahren bei uns bestehen direkte Kontakte der Marketingabteilung zur Druckerei 82% 78% bei uns läuft der Drucksacheneinkauf über die Einkaufsabteilung 37% 37% den Verkehr mit der Druckerei besorgt unsere Werbeagentur 25% 26% den Verkehr mit der Druckerei besorgt eine andere Agentur 11% 11% den Verkehr mit der Druckerei besorgt ein Broker 4% 3% bei uns werden Drucksachen direkt über Internet eingekauft 9% 13% Lesebeispiel: 82% der Kunden pflegen direkte Kontakte in die Druckerei. In fünf Jahren werden es 78% sein. – Mehr als 80% der Kunden pflegen Direktkontakte mit der Druckerei. In den kommenden Jahren wird dieser Anteil abnehmen, bleibt aber mit 78% hoch. – 73% kaufen über die Einkaufsabteilung, Werbeagenturen oder andere Agenturen ein. – Die Bedeutung des Internets als Einkaufskanal wird in den nächsten Jahren zunehmen. – Broker spielen eine eher untergeordnete und abnehmende Rolle. Gute Nachfrage nach «klassischen» Zusatzdienstleistungen — 101 Dienstleistungen, welche neben «Druck» in Anspruch genommen werden – 1 Welche zusätzlichen Dienstleistungen Ihrer «Druckerei» nehmen Sie sonst noch in Anspruch? Aktuell Druckvorstufe 67% Versand, Logistik und Transport 53% Beratung, Konzeption 37% Bildbearbeitung 34% Lagerbewirtschaftung 18% Design, Gestaltung, Layout 18% Korrektorat 16% Datenbank-Lösungen 12% Tendenz in 5 Jahren ➚ ➚ ➚ ➘ ➘ ➘ ➘ ➘ Lesebeispiel: 67% der Kunden fragen Druckvorstufenleistungen nach. Die zukünftige Nachfrage nach dieser Dienstleistung steigt tendenziell (grüner Pfeil). 34% der Kunden fragen Bildbearbeitung nach. Die zukünftige Nachfrage nach dieser Dienstleistung sinkt tendenziell (roter Pfeil). – 67% der Kunden beziehen in der Druckerei auch Vorstufenleistungen. – Auf gute Nachfrage treffen auch Leistungen in Versand, Logistik und Transport; mehr als jeder zweite Kunde greift darauf zurück. – Beratung und Konzeption nimmt gut jeder dritte Kunde in Anspruch. 102 Geringe Nachfrage nach «digitalen» Zusatzdienstleistungen — Dienstleistungen welche neben «Druck» in Anspruch genommen werden – 2 Welche zusätzlichen Dienstleistungen Ihrer «Druckerei» nehmen Sie sonst noch in Anspruch? Aktuell Crossmediale Beratung 7% Technische Publikationssysteme 5% Film-/Video-Produktionen 4% 3-D-Produkte 4% Redaktionelle Dienstleistungen 4% Adressverwaltung 4% Website, Internet 3% Einrichten POS 1% Nichts davon 15% Tendenz in 5 Jahren ➚ ➘ ➘ ➘ ➘ ➘ ➘ ➘ ➘ Lesebeispiel: 7% der Kunden fragen Crossmediale Beratung an. Die zukünftige Nachfrage nach dieser Dienstleistung steigt tendenziell an (grüner Pfeil). – Digitale Dienstleistungen werden von der befragten Kundengruppe nur zu kleinen Teilen (3% bis 7%) nachgefragt. – Zudem ist das Bedürfnis nach solchen Zusatzleistungen in den kommenden Jahren tendenziell rückläufig. Termin und Preis als dominierende Entscheidungskriterien — Entscheidungskriterien bei Wahl einer Druckerei – 1 Welches sind bei Ihnen die wesentlichen Entscheidungskriterien bei der Wahl einer Druckerei? Aktuell Termintreue 84% Preis 84% Spezialisiert auf den eigentlichen Druck 51% Beratungskompetenz 50% Persönliche Beziehung 49% Printed in Switzerland 47% Geogafische Nähe 38% FSC-Zertifizierung 38% Klimaneutral drucken 29% Gesamtanbieter über den eigentlichen Druck hinaus 26% Tendenz in 5 Jahren ➚ ➚ ➚ ➚ ➚ ➚ ➚ ➚ ➚ ➚ Lesebeispiel: Für 84% der Kunden ist die Termintreue ein wesentliches Entscheidungskriterium. Zukünftig steigt die Wichtigkeit dieses Entscheidungskriteriums tendenziell an (grüner Pfeil). – Termin und Preis sind die zentralen Kriterien bei der Wahl einer Druckerei. – Beratungskompetenz ist für die Hälfte der Kunden ein Entscheidungskriterium, ebenfalls 50% wählen Partner, welche auf das Drucken spezialisiert sind. – «Printed in Switzerland» gewinnt an Bedeutung. – Jeder vierte Kunde wünscht sich einen Gesamtanbieter über den eigentlichen Druck hinaus. 103 104 Kompetenzen von Druckereien in Marketing, Online und Unternehmenskommunikation für Kunden kaum entscheidungsrelevant — Entscheidungskriterien bei Wahl einer Druckerei – 2 Welches sind bei Ihnen die wesentlichen Entscheidungskriterien bei der Wahl einer Druckerei? Aktuell Umweltsysteme ISO 14001 21% Qualitätssystem ISO 9001ff 18% Einhaltung GAV 15% Engagement in der Aus- und Weiterbildung 12% Ausbildung von Lernenden 9% Marketingkompetenz 8% Kompetenz Online, Internet, Mobile 7% PSO-Standard 4% Kompetenz Unternehmenskommunikation 3% Tendenz in 5 Jahren ➘ ➘ ➘ ➘ ➘ ➘ ➘ ➘ ➘ Lesebeispiel: Für 21% der Kunden ist ein Umweltsystem ein wesentliches Entscheidungskriterium. Zukünftig sinkt die Wichtigkeit dieses Entscheidungskriteriums tendenziell (roter Pfeil). – Klimaneutral zu drucken ist vorrangig im Vergleich zu einem zertifizierten Umweltsystem. – Die Einhaltung eines GAV, Engagement in der Aus- und Weiterbildung sowie die Ausbildung von Lernenden spielen bei der Wahl einer Druckerei einer untergeordnete Rolle. – Ebenso erwartet nur ein kleiner Teil der Kunden von ihrer Druckerei Knowhow im Bereich Marketing, Unternehmenskommunikation, Online, Internet und Mobile. 105 Bei der Erstellung der Druck­ vorlagen spielen Druckereien keine dominierende Rolle — Herstellung von Druckunterlagen Wer erstellt bei Ihnen die Druckvorlagen für Ihre «Druckprodukte»? Aktuell Dies macht unsere Werbeagentur 63% Wir erstellen die Druckvorlagen selber 61% Dies macht ein Grafiker 46% Dies macht unsere Druckerei 21% Tendenz in 5 Jahren ➚ ➚ ➚ ➘ Lesebeispiel: 61% der Kunden erstellen die Druckvorlagen selber. Zukünftig steigt dieser Anteil tendenziell an (grüner Pfeil). 21% der Kunden lassen die Druckvorlagen durch die Druckerei erstellen. Zukünftig sinkt dieser Anteil tendenziell (roter Pfeil). – Über 60% der Kunden erstellen ihre Druckvorlagen selber. In ähnlicher Grössenordnung werden auch Agenturen mit Druck­ vorstufenleistungen betraut. – Jeder fünfte Kunde lässt seine Druckvorlagen auch durch die Druckerei erstellen. Dieser Anteil nimmt in den kommenden Jahren tendenziell ab. 106 Überwiegend Beschaffung in der Schweiz – jeder vierte Kunde kauft auch im Ausland — Beschaffung von Drucksachen Wo kaufen Sie Ihre «Druckprodukte» ein? Aktuell Bei einer Druckerei vor Ort 74% Bei einer weiter entfernten Schweizer Druckerei 63% Bei einer Druckerei im nahen Ausland 24% Bei einer noch weiter entfernten Druckerei 3% Tendenz in 5 Jahren ➚ ➚ ➘ ➘ Lesebeispiel: 74% der Kunden kaufen Ihre Druckprodukte vor Ort ein. Zukünftig steigt dieser Anteil tendenziell an (grüner Pfeil). 24% der Kunden drucken im nahen Ausland. Zukünftig sinkt dieser Anteil tendenziell (roter Pfeil). – Der Grossteil der Kunden kauft lokal und/oder in der Schweiz ein. Dies wird in Zukunft tendenziell zunehmen. – Mehr als jeder vierte Kunde kauft seine Drucksachen auch im nahen Ausland ein. In den kommenden Jahren wird dieser Anteil tendenziell zurückgehen. 107 Der Grossteil der Kunden arbeitet mit zwei und mehr Druckereien zusammen — Zusammenarbeit mit Druckereien Mit wie vielen Druckereien arbeiten Sie zusammen? Aktuell Mit zwei bis fünf 67% Mit mehr als fünf 25% Mit einer 8% Tendenz in 5 Jahren ➚ ➘ ➘ Lesebeispiel: 8% der Kunden arbeiten mit einer Druckerei zusammen. Zukünftig sinkt dieser Anteil tendenziell (roter Pfeil). 67% der Kunden arbeiten mit zwei bis fünf Druckereien zusammen. Zukünftig steigt dieser Anteil tendenziell (grüner Pfeil). – 8% der Kunden arbeiten ausschliesslich mit einer einzigen Druckerei zusammen. – Zwei von drei Kunden arbeiten mit zwei bis fünf Druckereien zusammen. – 25% der Kunden berücksichtigen mehr als fünf Druckpartner. – Tendenziell zeigt sich in Zukunft eine Konzentration auf zwei bis fünf Druckpartner. 108 Original-Kundenzitate (Auszug) — – «Termine, Zuverlässigkeit, Transparenz sind das A und O.» – «Ich bin der persönlichen Meinung, dass Print noch lange nicht stirbt und dass es Print noch lange geben sollte! (Sage ich als Marketing-Manager eines Online-Immobilienportals.» – «Der Trend allgemein geht Richtung Online-Kommunikation, jedoch sind nicht alle Marketinginstrumente für diesen Kanal geeignet. Es wird weiterhin von den Druckereien erwartet hochwertige Produkte/Dienstleistungen anzubieten.» – «Eine grosse Herausforderung sehe ich in der Wirkungsmessung der Drucksachen, die im Gegensatz zu den Online-Werbemassnahmen kaum messbar sind.» – «Entscheidend für den Standort Schweiz werden zunehmend die Wettbewerbsfähigkeit und Differenzierung sein. Schlechte Beratung, arroganter Service in der Ausführung gerade bei kleineren Aufträgen, dies wird auf Dauer zur Reduktion auf Preise führen.» – «Der Entscheid für eine Druckerei fällt nach diversen Kriterien. Dabei steht der persönliche Kontakt weit vor dem Preis». – «Print wird es immer schwerer haben … » – «Der Aufwand für gedruckte Produkte wird in fünf Jahren sicherlich etwas tiefer sein.» – «Drucksachen sind für uns immer weniger wichtig.» – «Qualität wird auch in Zukunft die entscheidende Rolle spielen». – «Billig können viele. Sehr gute Qualität, welche ihren Preis Wert ist, nur sehr wenige.» – «Beratungskompetenz, Termintreue und Vertrauen bilden die Grundlage für eine langfristige Zusammenarbeit.» – «Druckaufträge sind generell rückläufig aufgrund der zunehmenden Digitalisierung.» – «Ich denke, dass die Printmedien stets ein wichtiges Marketing-Tool bleiben werden und gezielt auf die Zielgruppe konzipiert und eingesetzt werden müssen.» 109 110 Condensé de l’étude prospective viscom 2026 — Évaluation globale de la situation de la branche L’industrie suisse des arts graphiques n’a pas seulement perdu en importance macroéconomique au cours des deux dernières décennies. Elle a globa­ lement perdu de son attractivité en raison des changements structurels, comme on le voit à partir de l’analyse des cinq forces du secteur économique. Heureusement, cette sombre image de la branche ne peut pas être transférée sur des entreprises indivi­ duelles. Dans l’industrie graphique suisse, il existe plusieurs centaines de sociétés actives positionnées avec succès, qui savent contrecarrer l’environne­ ment concurrentiel en raison de leur modèle d’affai­ res et fournir des réponses adéquates au change­ ment structurel progressif. La forte propension à investir dans les entreprises graphiques suisses et les forces d’innovation de l’industrie des fournis­ seurs répondent prématurément et avec succès à la numérisation galopante, à l’automatisation, à l’intégration et à la mise en réseau de l’industrie graphique suisse, favorisant ainsi l’aptitude à main­ tenir la capacité concurrentielle à un niveau élevé en comparaison internationale. L’économie partagée et les coopérations se développent de manière très claire aussi sur le marché de l’impression suisse et constituent un facteur de succès stratégique pour les entreprises graphiques, afin d’agir et d’influer en tant que catalyseurs pour de meilleures économies d’échelle et l’amélioration de la productivité des entreprises. Le développement prospère des affaires est soutenu par une association professionnelle per­ formante qui favorise spécifiquement l’intelligence collective et le renforcement du capital social (valeurs, comportement et confiance), et par conséquent aide les entreprises de la branche à hisser les voiles de manière judicieuse dans la dynamique des forces du marché et à se positionner pour un développement positif sur le marché suisse de l’impression. Regard vers l’avenir Cette citation est attribuée à Mark Twain: «Les pré­ visions sont difficiles, surtout lorsqu’elles concer­ nent l’avenir.» Un tel environnement dynamique comme la mutation actuelle des médias complique aussi la prévision parce qu’il est caractérisé par une interdépendance techno-sociale. Qu’est-ce que cela signifie? Les technologies s’adaptent aux désirs et aux possibilités, et à leur tour les désirs et possibi­ lités varient en fonction et en dépendance de la technologie. Dans ce contexte, les avantages ici décrits des médias imprimés ne sont pas gravés dans la pierre. De manière analogue aux principes de base, il faut avant tout garder à l’esprit deux développements afin de pouvoir évaluer le rôle que peuvent jouer les produits imprimés au cours des cinq prochaines années: Il y a tout d’abord le développement technologique, en particulier ce que l’on appelle les interfaces. Les écrans des produits numériques en font partie et des montants importants sont investis dans leur amélioration. Avec l’augmentation de la qualité (entre autres la résolution, le contraste et l’éclairage), de la convivialité et de la simplification de leur utilisation, les acheteurs sont de plus en plus disposés à acquérir des informations numériques à la fois exhaustives et complexes. Mais il faut s’attendre également à des avancées qualitatives, telles que le développement de «Head-MountedDisplays», en quelque sorte la tête en tant que soutien des dispositifs de sortie. On sait très peu jusqu’à présent au sujet de la possible qualité d’enregistrement et de lecture de telles «lunettes» qui ouvre des espaces virtuels. Nos entreprises sont dans un processus d’apprentis­ sage collectif concernant l’utilisation appropriée des médias numériques. Il est donc tout à fait concevable que nous changions nos attitudes à l’égard des écrans, puis notre utilisation des conten­ us numériques, dans le cadre du progrès technique. Une amélioration de la métacognition, soit une capture mieux contrôlée, plus ciblée et plus attentive du texte à l’écran, sont déjà tout à fait possibles pour l’apprentissage dans quelques niveaux scolaires. La technique culturelle de la lecture ws’adapte à la technologie – et donc aussi la culture. Puis, un point à ne pas négliger, la qualité et la valeur subjective enracinée culturellement de l’impression peut diminuer avec le temps. Une culture post-matérielle pourrait développer une aversion envers les instruments physiques, une culture numérique en réseau rendrait possible un jour le recul voire la suppression de la trans­ mission des supports de données. tournage et la sonorisation. Elle se situe aussi dans la façon dont les sujets sont recherchés, étudiés et fixés avec respect pour en constituer des histoires. C’est là tout le travail éditorial, car auparavant seuls les journalistes occupés dans les maisons de presse le savaient. Et ce genre de travail rédactionnel est fondamentalement différent entre les relations publiques et la publicité. Bien que les messages publicitaires sont bien conçus et fabriqués dans des structures hiérarchiques, une rédaction ne fonctionne que dans des structures planes, avec une grande liberté de décision et un vaste espace d’action pour les auteurs. Par conséquent, non seulement l’entreprise doit apprendre à communiquer avec des publics externes hétérogènes à niveau égal, mais aussi à l’interne de l’entreprise, si l’on veut travailler de manière rédactionnelle et ne pas obéir à des ordres du haut vers le bas. Du directeur général aux spécialistes de la communication et du marketing, en passant par-dessus le directeur commercial. Une communi­ cation d’entreprise moderne réclame dans une bien plus grande mesure un haut degré d’indépendance de la part d’une rédaction: quels thèmes doivent être traités, de quelle manière les contributions sont élaborées et comment les histoires se propagent au travers des différents médias. Le principe du travail rédactionnel est basé sur l’espace de liberté – tou­ jours au service de l’entreprise et de ses marques, bien évidemment. Aucune affirmation définitive concernant l’impres­ sion ne peut donc être livrée. Mais probablement de manière temporaire. À vue humaine, les études disponibles portant sur l’utilisation et la réception des médias, sur la psychologie et la sociologie, ainsi que des modèles modernes de gestion de la commu­ nication stratégique dans l’environnement des médias numérisés, parlent en faveur d’utilisation diversifiée et ciblée du mot (et de l’image) imprimé. De nombreuses entreprises ont déjà débuté dans la communication afin d’établir de telles rédactions. Naturellement équipées en multimédia. Et souvent désignée avec le terme de «newsroom» (salle de presse). Mais cela ne concerne pas que cette salle, cela touche toute la structure et l’organisation, qui est idéalement formée autour de cet espace. Un groupe de journalistes d’entreprise qui écrivent, filment et sonorisent, peuvent sur la base de la recherche classifier et attribuer les sujets. La distribution s’opère par des voies classiques et en ligne, mais aussi par le biais des médias sociaux, y compris des applications telles que Snapchat, qui sont ensuite réglées presque comme un jeu. La communication d’entreprise est en cours de restructuration et de réorganisation La relation de cette nouvelle forme narrative de la communication d’entreprise avec du véritable jour­ nalisme est évidente, mais en réalité non seulement avec le seul travail artisanal – le genre d’écriture, le Dynamique de la numérisation Jusqu’en 2016, la numérisation a connu d’énormes accélération et automatisation des différents processus de travail tout au long de la chaîne de valeur ajoutée. Dès 2016, nous vivons avec un développement qui correspond à la mise en réseau et 111 112 à l’intégration totale de chaque étape de travail d’une entreprise, à la mise en réseau et à l’intégration totale des achats et des ventes, qui apportent avec elles une mise en réseau et une intégration totale de la relation client. La numérisation est le récit central pour chaque entreprise graphique, à condition qu’elle ait toujours l’intention d’être active d’ici 2026. En plus des questions traditionnelles telles que «Quel modèle d’affaires vais-je poursuivre?», ou «Qui sont mes clients et qu’est-ce que je leur offre?», chaque entreprise doit se poser la question: «Comment puis-je assurer ma place dans un environnement de marché entièrement numérisé?». Par exemple, chaque entreprise graphique ne doit pas suivre la voie d’une imprime­ rie en ligne. Une entreprise de reliure artisanale par exemple va probablement survivre dans une dizaine d’années sans avoir établi de processus de travail numérique. Mais il se pourrait bien que de telles entreprises artisanales soient incapables d’atteindre leurs clients potentiels sans processus de distribution numérique entièrement automatisés. Finition de masse individualisée – ça fonctionne! En résumé, on peut dire qu’il serait dangereux de se fier à un chiffre d’affaires d’impression durable qui suffirait à attiser les convoitises, à savoir de penser que les avantages esthétiques et tactiles de l’im­ primé perdureront comme auparavant. Bien que l’impression non personnalisée constituera aussi à l’avenir la part du lion, permettant ainsi la pour­ suite de ce modèle de réussite pour de nombreuses imprimeries, celles-ci devront faire face à de faibles marges, respectivement à des coûts élevés d’impres­ sion. Toutefois, ces imprimeries devront rivaliser avec une quantité d’autres formes de médias, certains peut-être déjà existants ou émergents. leur taille et leur orientation, les offres dans les secteurs SaaS, PaaS et IaaS (si ce n’est pas déjà fait) doivent être évaluées le plus tôt possible! En quelques clics, on peut constater que de nom­ breuses entreprises de médias suisses sont familiè­ res de l’utilisation de services via les applications en nuage («cloud computing»). Instagram, Twitter et Facebook font partie de l’offre standard, même si elles sont souvent à peine visibles. Fait intéressant cependant, l’offre d’informations se présente de manière quelque peu restreinte en général. Les parties intéressées reçoivent l’impression qu’il s’agit tout au plus d’une option de plateforme d’information complémentaire. Quiconque connaît l’accès internet n’obtient pas la certitude que davantage d’informations peuvent être trouvées. Ceci est toutefois décisif car si l’incitation est modérée il y a peu d’envie d’apprendre à connaître ces offres. Mais le cloud computing a beaucoup plus de potentiel. Il faut relever que la disponibilité relativement facile de nombreuses cibles est encore bien peu utilisée. Il faut savoir que la visibilité et le nombre de «J’aime» peuvent être acquis pour certains services, ce qui est peu surprenant. Les entreprises médias qui disposent d’archives de l’information peuvent par exemple fournir du contenu à un coût raisonnable sur le cloud et disposer ainsi d’une plus large audience. Probablement qu’il faudrait dans ce cas utiliser également un moteur de recherche, mais cela ne représente pas un obstacle. L’offre de services de recherche pour la collecte des données est importante sur le cloud. Comme constante au fil du temps, il est prouvé qu’un acteur du marché qui rencontre le succès répond aux besoins des consommateurs sur la base de la personnalisation et du confort. Les trois défis centraux que sont «Big Data», l’intégration horizontale et l’intégration verticale, peuvent servir de pierre d’achoppement pour la mise en œuvre ciblée de cette stratégie. De nouvelles idées d’entreprise peuvent être mises en œuvre sur le cloud beaucoup plus rapidement que ce n’était le cas auparavant avec sa propre infrastructure. Mais plus rapide ne signifie pas plus mauvais, au contraire. Pour cela, les coûts d’exploitation sont plutôt faibles. Si l’idée d’entre­ prise est couronnée de succès, la capacité supplé­ mentaire requise est disponible en option en quelques clics. Si à l’opposé l’idée d’entreprise ne rencontre pas l’approbation du public, tous les services sur le cloud peuvent être annulés et stoppés à très court terme. Cloud computing et entreprises des médias Bien évidemment, les entreprises de médias peuvent/doivent également bénéficier des services en nuage («cloud») en tant que clients. Nonobstant De cette façon, grâce à des services cloud à partir d’un magasin en ligne jusqu’à des diffusions en continu de vidéo, des projets peuvent rapidement être mis en œuvre et testés réellement. Les infrastructures des technologies de l’information, qui sont compliquées et onéreuses à l’achat et à l’exploitation, appartiennent au passé. L’avenir des technologies de l’information s’opère désormais en toute sécurité sur le cloud. Avenir de l’électronique imprimée L’électronique imprimée est déjà utilisée dans de nombreux produits, et bien souvent la production technique d’impression n’est pas évidente. Les industries exigeantes, telles que l’automobile, les produits pharmaceutiques et de santé, exploitent des produits imprimés électroniques de masse avec succès. Les développements à moyen et long termes mènent à des produits améliorés et plus concurren­ tiels également dans d’autres domaines. Les coopérations avec les développeurs facilitent l’accès à l’impression commerciale et d’emballages dans l’électronique imprimée en réduisant le risque. Les opportunités de Big Data Big Data va transformer l’industrie graphique parce que cela va modifier le marché. Les entreprises du secteur de l’imprimerie devraient se poser différen­ tes questions: est-ce l’expansion de la zone d’affaires est une option? Risquons-nous de perdre notre avantage de savoir-faire dans le domaine de la connaissance du marché et des clients par Big Data, et ainsi d’être avalés par des grands prestataires? Est-ce que les nouveaux services constituent une option pour les clients finaux? Est-il judicieux de proposer des compétences en communication visuelle? Puis, en tant que grande entreprise: pouvons-nous optimiser le contrôle des installations avec Big Data? Où Big Data lui-même est utilisé ou que des services de visualisation sont proposés, il n’y a presque jamais de Big Data seul au premier plan, alors que se posent les bonnes questions critiques sur l’entreprise, pour elle-même ou pour les clients. Car avec l’utilisation de Big Data, il n’existe en pratique pas tant de données et d’algorithmes – l’expertise appropriée peut être achetée – mais davantage les innovations créatives dans son propre domaine d’affaires. Big Data est ici tout à fait possible, mais son utilisation dans la pratique n’est pas aisée. La bonne combinaison d’instruments Dans la planification stratégique, l’interaction des outils de marketing est définie. Comme pour une formation musicale, les instruments doivent être accordés. Le mélange doit être homogène, il doit agir harmonieusement et, comme exemple dans un groupe de musique, les tambours ne doivent pas écraser les autres instruments. Dans le marketing, nous utilisons la formule des 4P: «product», «place», «price» et «promotion». Concernant le marketing des services, et ceux-ci comprennent la plupart des imprimeries, nous ajoutons 3P à la formule: «people», «physical evidence» et «process». (Note du traducteur: les 4 premiers P servent au marketing externe, le cinquième concerne le marketing interne et les deux derniers servent au marketing interac­ tif.) Les entreprises qui réussissent auront besoin à l’avenir d’un «système marketing» sophistiqué, qui soit ciblé avec les clients et avec une variété d’offres et d’instruments spécifiques à la vente. «Nous ne pouvons pas toujours offrir la solution la moins chère, mais nous pouvons mettre à disposi­ tion de nos clients la meilleure solution disponible pour les besoins spécifiques. C’est là précisément que nous pouvons placer nos atouts», selon une cita­ tion parue dans viscom p&c N° 15/16 en août 2016. Chaîne d’approvisionnement pour le prestataire de produits imprimés En conséquence de la concurrence, le prestataire en produits imprimés doit lutter pour une gestion efficace de la chaîne d’approvisionnement. Automatisée, basée sur des livraisons de matériaux de production et l’acquisition de services logistiques conformes à la planification de la production, cette gestion assure une production rapide et rentable, réduit le stockage de matières et soulage l’administration liée à la production. Par le biais de la mise en réseau étroite entre les fournisseurs, les entreprises de production partenaires et les entreprises de logistique, des augmentations d’efficience et des optimisations des coûts sont souhaitables. Les produits doivent être entièrement normalisés et automatisés au moyen du flux de production, alors que le client apparait «très souple» et variable. Cette exigence doit absolument être résolue dans le portefeuille concerné. Les prochains défis à surmonter Eichhorst et Buhlmann (2015) esquissent, dans une étude sur les défis futurs pour le monde du travail, quatre forces motrices qui influencent le changement. Ces quatre forces sont le progrès technologique, la mondialisation, l’évolution démographique et le changement institutionnel. Concernant le progrès technique, il comprend la numérisation et la mise en réseau du monde du 113 114 travail à travers internet ainsi que l’utilisation de la robotique et l’intelligence artificielle. Ces changements sont également connus sous le nom d’industrie 4.0 et internet des objets. L’industrie graphique reprend ces thèmes à son compte et en a fait, sous le slogan Print 4.0 qui était aussi martelé lors de la Drupa 2016, son propre concept pour l’automatisation. L’impact du progrès technique sur l’emploi n’est pas tout à fait clair, car l’automatisation des places de travail est à la fois une substitution et un complément. Frey et Osborne (2013) ont formulé pour les technologues en impres­ sion une probabilité d’automatisation de 83 pour cent. Cependant, de telles déclarations doivent être considérées avec une certaine distance. Selon différents fabricants de machines d’impression, l’automatisation est déjà bien avancée. Toutefois, il faut généralement supposer que les exigences de qualification sont en hausse pour les professionnels. La mondialisation est accompagnée par le progrès technique et continue d’accroître la pression concurrentielle sur les entreprises de l’industrie graphique. Le dialogue avec les partenaires et fournisseurs étrangers, mais aussi avec les clients, augmente. Le changement démographique en tant que troisième force motrice décrit une tendance inverse. D’une part, la main-d’œuvre nationale rétrécit en raison de faibles taux de natalité et du vieillissement de la main-d’œuvre actuelle. D’autre part, un potentiel de travailleurs tels que les femmes, les migrants et les personnes âgées sont de plus en plus recrutés. Si nous ne parvenons pas à mobiliser la main-d’œuvre suffisante, la pénurie de travailleurs qualifiés va s’accentuer dans l’industrie graphique. La transformation des conditions cadres institutionnelles en tant que quatrième force motrice est caractérisée par l’occupation des femmes et des travailleurs âgés. Les mots clés sont ici le développement de services de garde des enfants, etc. Avec des conditions de travail flexibles, les entreprises offrent également des incitations pour les travailleurs potentiels. Innovation des modèles économiques L’industrie graphique en Suisse est actuellement en pleine mutation. La pression sur les prix de la nouvelle concurrence étrangère, la force du franc continue et le changement dans le comportement des consommateurs mettent sous forte pression les modèles économiques existants, ce qui explique la nécessité des innovations afin d’assurer le succès à long terme. Mais ce qui est important c’est d’avoir une vision holistique de l’innovation – de l’idée jusqu’au succès sur le marché – et de repenser, loin de la recherche et du développement, à la recherche et à l’innovation. La pensée dans les modèles d’affaires favorise une vision holistique de l’innovation en tenant compte des quatre aspects fondamentaux de tout modèle économique: les clients, les propositions de valeurs, la chaîne de valeur ajoutée et le mécanisme des recettes. Cela aide les entreprises à échapper à l’accent souvent prévalant sur les marchés de niche liés à des technologies plus sophistiquées. En mettant en question la logique de branche existante et la confrontation de son propre modèle d’affaires avec des exemples de modèles écono­ miques d’autres branches, les entreprises peuvent générer des idées pour de nouveaux modèles commerciaux et se procurer une opportunité de rompre la pensée avec les modèles existants. L’article publié dans l’étude prospective montre les possibilités que peut apporter l’innovation des modèles économiques pour l’industrie graphique suisse. Tout d’abord, le concept de modèle d’affaires et la méthodologie du «St.Galler Business Model Navigator™» est décrit de manière théorique être expliquées. Puis le succès du CEWE illustre les possibilités que peut apporter l’innovation des modèles économiques pour les entreprises de l’industrie graphique. Enquête client Présent et avenir du «Print» — Rudolf Lisibach Objectif, enquête et évaluation Objectif Les membres de viscom – et d’autres cercles intéressés – doivent obtenir des moyens d’orientationet des idées directrices quant à la situation actuelle et au développe­ ment futur du secteur «Print». Enquête et évaluation •Le segment «Responsables de la communication marketing» a été sollicité pour cette enquête. •Il a été posé, d’une part, des questions sur la situation actuelle et, d’autre part, il a été demandéaux personnes interrogées d’émettre des évaluations quant au dévelop­ pement à l’avenir. •En tout 13 questions ont été posées sur les principaux thèmes suivants: – Importance des budgets de communication – Répartition des budgets de communication et des moyens de communication – Évolution de la demande en produits imprimés – Contacts avec les imprimeries – Prestations proches du secteur «impression» qui prennent de l’importance – Critères de décision lors du choix d’une imprimerie – Fabrication des documents pour l’impression – Utilisation des produits imprimés – Collaboration avec les imprimeries •L’enquête électronique a été effectuée dans le courant de l’été 2016. •L’expéditeur de l’enquête était viscom. •Les responsables de la communication marketing de 76 entreprises en Suisse ont participéà l’enquête. •Les réponses ont été récoltées de manière anonyme et aucun lien n’est possible avec des clients individuels. •Les budgets de communication des clients qui ont participé à l’enquête sont relativement élevéset les besoins auprès des imprimeries peuvent être différents de ceux d’autres groupes cibles. 115 116 Synthèse Importance des budgets de communication •Les budgets de communication progressent de quelque 3% par année. Répartition des budgets de communication et des moyens de communication •La part des moyens de communication «proches de l’impression» sur le budget global des clientsse situe actuellement à 53%. Au cours des 5 prochaines années, il faut compter avec une diminution à 47%. Simultanément, la part des «budgets en ligne» progressera de 16% à 26%. Évolution de la demande en produits imprimés •Sont en augmentation dans le secteur «Impression»: – Encarts publicitaires dans les journaux et périodiques – Publipostages (imprimés) – Journaux et périodiques pour la clientèle («Corporate Publishing») – Emballages – Livres • Est stable dans le secteur «Impression»: – Matériel PLV (affiches, suspentes, présentoirs) • Sont en régression dans le secteur «Impression»: – Annonces dans les journaux et périodiques – Affiches – Prospectus, brochures, flyer – Catalogues – Brochures d’entreprise – Rapports annuels Contacts avec les imprimeries 82% des personnes interrogées entretiennent des contacts directs avec les imprimeries. Dans 5 ans la proportion s’élèvera encore à 78%. Internet en tant que canal d’acquisition pour les produits imprimés gagne en signification. La part de ceux qui utilisent ce moyen va progresser de 9% à 13%. Les prestations qui prennent de l’importance à côté du secteur «Impression» •Outre l’impression, des prestations supplémentaires sont demandées surtout pour le prémédia, traitement de l’image, correction, expédition, logistique, transport, conseil et conception. •La demande sera nettement plus faible pour les offres supplémentaires concernant le conseil crossmédia, les systèmes de publication, les productions film/vidéo mais également les prestations dans le domaine des sites et des accès internet. Critères de décision pour le choix d’une imprimerie •Le respect des délais et les prix figurent en tête de lise pour le choix d’une imprimerie. L’attentionse porte également sur les partenaires qui sont réellement spécialisés sur la fonction centrale «Imprimer». Sont aussi importantes – mais de manière moins prononcée – les compétences en matière de conseil, la relation personnelle ou le label «Printed in Switzerland». •Concernant les thèmes environnementaux, la capacité d’une entreprise à produire de manièreneutre pour le climat a une plus grande valeur que la disponibilité d’un système de management environnemental certifié. •Le respect d’un CCT ou l’engagement dans la formation et le perfectionnement sont moins pertinents pour la décision. •Les clients attendent aussi dans une moindre mesure de la part des imprimeries des compétencesen marketing, en communication d’entreprise ou dans les secteurs en ligne et mobile. Fabrication des documents pour l’impression •Dans la grande majorité des cas, ces documents sont réalisés par les clients ou par une agence. •La part des clients qui confient la réalisation de ces documents à l’imprimerie s’élève à 21%. Approvisionnement en produits imprimés •DLa plupart des produits imprimés sont achetés à proximité, resp. en Suisse. 27% des clients acquièrent leurs produits imprimés à l’étranger. Dont 24% dans les pays limitrophes. Collaboration avec les imprimeries •NSeulement 8% des clients achètent leurs produits imprimés auprès d’un seul fournisseur. Par contre, un client sur quatre collabore avec plus de cinq imprimeries. 117 118 Les budgets de communication augmentent — Importance des budgets de communication Quelle est l'importance de votre budget pour la communication marketing? Actuellement Dans 5 ans plus de 25 mio francs 3% 4% entre 10 et 25 mio francs 11% 14% entre 5 et 10 mio francs 17% 20% entre 2.5 et 5 mio francs 18% 20% entre 1 et 2.5 mio francs 37% 32% entre 0.5 et 1 mio francs 9% 4% entre 0.1 et 0.5 mio francs 4% 7% moins de 0.1 mio francs 1% 1% Total 100% 100% Exemple de lecture: 3% des clients disposent d’un budget de communication supérieur à 25 mio francs. Dans 5 ans ils seront 4%. – 37% des clients disposent d’un budget entre CHF 1 mio et CHF 2.5 mio. – 3% attribuent plus de CHF 25 mio pour la communication marketing. – La tendance reflète des budgets plus importants au cours des prochaines années. 119 Recul des affectations sur les canaux«proches de l’impression» – Croissance de la communication en ligne — Répartition des budgets de communication sur les moyens de communication Comment se répartit ce budget entre les différents moyens de communication? Actuellement Dans 5 ans Médias imprimés 19% 12% Publicité extérieure 8% 7% Publicité directe 10% 10% Soutien à la vente 12% 12% PR 4% 5% Total des canaux «proches de l'impression» 53% 47% Télévision, radio, cinéma 15% 12% Publicité en ligne (y c. mobiles, propre site, apps, médias sociaux e.a.) 16% 26% Sponsoring, manifestations, foires 16% 14% Autres 1% 2% Total des canaux «éloignés de l'impression» 47% 53% Exemple de lecture: 19% des budgets de communication sont attribués aux médias imprimés. Ce ne seront plus que 12% dans 5 ans. – Les attributions aux moyens de communication «proches de l’impression» diminuent dans l’ensemble et passent sous la barre de 50%. – Alors que le recul des médias imprimés est flagrant, la publicité directe et le soutien à la vente gagnent en importance. – Dans 5 ans plus d’un franc sur quatre en communication sera investi dans les médias en ligne. 120 Moins d’annonces, d’affiches et de prospectus – Davantage d’encarts publicitaires, de publi-postages et de «Corporate Publishing» — Évolution de la demande en produits imprimés – 1 Comment se modifiera la demande en canaux de communication «proches de l'impression» ces 5 prochaines années? Tendance en 5 ans Médias imprimés Annonces dans les journaux et périodiques Encarts publicitaires dans les journaux et périodiques ➘ ➚ Publicité extérieure Affiches imprimées e-Boards, adScreens ➘ ➚ Publicité directe Prospectus, brochures Publipostages (imprimés) Flyer Journaux et périodiques pour la clientèle Exemple de lecture: À l’avenir, la demande en annonces imprimées reculera de manière tendancielle, alors que les encarts publicitaires imprimés connaîtront une progression. ➘ ➚ ➘ ➚ 121 Plus d’emballages, tout autant de matériel PLV – Moins de catalogues, de brochures d’entreprises et de rapports annuels — Évolution de la demande en produits imprimés – 2 Comment se modifiera la demande en canaux de communication «proches de l'impression» ces 5 prochaines années? Tendance en 5 ans Soutien à la vente Catalogues Matériel PLV (affiches, suspentes, présentoirs) Emballages ➘ ➙ ➚ PR Livres Brochures d'entreprise Rapports annuels Exemple de lecture: À l’avenir, la demande en catalogues imprimés reculera de manière tendancielle, alors que le matériel PLV maintiendra ses parts de marché. ➚ ➘ ➘ 122 La grande majorité des clients entretiennent des contacts directs avec l’imprimerie – Internet en tant que canal d’achat gagne en importance — Contacts avec les imprimeries La fabrication de ces moyens de communication est effectuée la plupart du temps par une imprimerie. Comment s'établissent les contacts vers l'imprimerie pour vous-même? Actuellement Dans 5 ans Il existe des contacts directs entre le marketing et l'imprimerie 82% 78% L'approvisionnement en produits imprimés s'effectue par les achats 37% 37% Notre agence de publicité s'occupe des contacts avec l'imprimerie 25% 26% Un autre type d'agence s'occupe des contacts avec l'imprimerie 11% 11% Un agent spécialisé s'occupe des contacts avec l'imprimerie 4% 3% Les produits imprimés sont acquis directement sur internet 9% 13% Exemple de lecture: 82% des clients entretiennent des contacts directs avec l’imprimerie. Ils seront encore 78% dans 5 ans. – Plus de 80% des clients entretiennent des contacts directs avec l’imprimerie. Au coursdes prochaines années cette proportion diminuera mais restera élevée avec 78%. – 73% des clients s’approvisionnent par leur service d’achat, des agences publicitairesou d’autres types d’agences. – La signification d’internet en tant que canal d’achat augmentera ces prochaines années. – Les agents spécialisés jouent un faible rôle qui va encore diminuer en importance. Demande satisfaisante en prestations supplémentaires «classiques» — Prestations qui gagnent en importance à côté du secteur «Impression» – 1 Quelles prestations supplémentaires demandez-vous également à votre imprimerie? Actuellement Prémédia 67% Expédition, logistique et transport 53% Conseil, conception 37% Traitement de l'image 34% Gestion des stocks 18% Design, création, mise en page 18% Correction 16% Solution de banque de données 12% Dans 5 ans ➚ ➚ ➚ ➘ ➘ ➘ ➘ ➘ Exemple de lecture: 67% des clients sollicitent des prestations prémédia; à l’avenir la demande de ce type de prestations va tendanciellement augmenter (flèche verte). 34% des clients sollicitent du traitement de l’image; la demande pour cette prestation va diminuer tendanciellement à l’avenir (flèche rouge). – 67% des clients requièrent également de l’imprimerie des prestations prémédia. – Une bonne demande est également relevée pour les prestations en expédition, logistiqueet transport; plus d’un client sur deux y font appel. – Le conseil et la conception sont appréciés par un bon tiers de la clientèle. 123 124 Demande restreinte de prestations «numériques» supplémentaires — Prestations qui gagnent en importance à côté du secteur «Impression» – 2 Quelles prestations supplémentaires demandez-vous également à votre imprimerie? Actuellement Conseil crossmédia 7% Systèmes de publication technique 5% Production de films et vidéos 4% Produits 3-D 4% Prestations rédactionnelles 4% Gestion des adresses 4% Site et accès internet 3% Développement PLV 1% Aucun avis 15% Tendance en 5 ans ➚ ➘ ➘ ➘ ➘ ➘ ➘ ➘ ➘ Exemple de lecture: 7% des clients sollicitent du conseil crossmédia. À l’avenir la demande de cette prestation augmentera tendanciellement (flèche verte). – Une petite partie seulement du groupe de clients interrogés sollicitent des prestations numériques (3% à 7%). – De plus, le recours à de telles prestations supplémentaires diminue tendanciellement à l’avenir. 125 Délai et prix sont les critères de décision dominants — Critères de décision pour le choix d’une imprimerie – 1 Quels sont pour vous les principaux critères de décision lors du choix d'une imprimerie? Actuellement Respect des délais 84% Prix 84% Spécialisée sur l'impression personnalisée 51% Compétences de conseil 50% Relations personnelles 49% Printed in Switzerland 47% Proximité géographique 38% Certification FSC 38% Impression neutre pour le climat 29% Fournisseur global d'impression personnalisée 26% Tendance en 5 ans ➚ ➚ ➚ ➚ ➚ ➚ ➚ ➚ ➚ ➚ Exemple de lecture: Le respect des délais est un critère de décision primordial pour 84% des clients. À l’avenir, l’importance de ce critèreva tendanciellement augmenter (flèche verte). – Délais et prix sont les critères essentiels pour le choix d’une imprimerie. – La compétence de conseil est un critère de décision pour la moitié des clients; 50% également choisissent des partenaires qui sont spécialisés dans l’impression. – «Printed in Switzerland» prend de plus en plus d’importance. – Un client sur quatre souhaite un prestataire global en matière de propre impression. 126 Les compétences des imprimeries en marketing, services en ligne et communication d’entreprise ne sont pas décisives pour les clients — Critères de décision pour le choix d’une imprimerie – 2 Quels sont pour vous les principaux critères de décision lors du choix d'une imprimerie? Actuellement Système environnemental ISO 14001 21% Système de qualité ISO 9001ss 18% Respect du CCT 15% Engagement dans la formation et le perfectionnement 12% Formation d'apprentis 9% Compétences de marketing 8% Compétences pour services en ligne, internet, mobile 7% Norme PSO 4% Compétences en communication d'entreprise 3% Tendance en 5 ans Exemple de lecture: un système environnemental resprésente un critère de décision pour 21% des clients. À l’avenir l’importance de ce critère diminue tendanciellement (flèche rouge). – L’impression neutre pour le climat est plus importante qu’un système environnemental certifié. – Le respect d’un CCT, l’engagement dans la formation et le perfectionnement ainsi que la formation des apprentis, jouent un rôle secondaire pour le choix d’une imprimerie. – De même, une faible partie seulement des clients attendent de leur imprimerie un savoir-faire dans les domaines marketing, communication, prestations en ligne, internet et sur mobiles. ➘ ➘ ➘ ➘ ➘ ➘ ➘ ➘ ➘ Les imprimeries ne jouent pas un rôle dominant pour la fabrication des documents d’impression — Fabrication des documents d’impression Qui élabore les documents d'impression pour vos propres produits imprimés? Actuellement Notre agence de publicité 63% Nous réalisons nous-même les documents d'impression 61% Un graphiste réalise les documents d'impression 46% Ce travail est effectué par notre imprimerie 21% Tendance en 5 ans ➚ ➚ ➚ ➘ Exemple de lecture: 61% des clients réalisent eux-mêmes les documents d’impression. À l’avenir cette part va tendanciellement augmenter (flèche verte). 21% des clients laissent l’imprimerie réaliser les documents d’impression et cette part va tendanciellement diminuer à l’avenir (flèche rouge). – Plus de 60% des clients réalisent eux-mêmes leurs documents d’impression. Les agences avec prestations prémédia sont sollicitées dans une proportion similaire. – Un client sur cinq laisse l’imprimerie réaliser ses documents d’impression. Cette part va tendanciellement diminuer à l’avenir 127 128 Approvisionnement majoritaire en Suisse – Mais un client sur quatre achète à l’étranger — Approvisionnement en produits imprimés Où achetez-vous vos produits imprimés? Actuellement Dans une imprimerie de la place 74% Dans une imprimerie plus éloignée en Suisse 63% Dans une imprimerie étrangère limitrophe 24% Dans une imprimerie étrangère éloignée 3% Tendance en 5 ans ➚ ➚ ➘ ➘ Exemple de lecture: 74% des clients achètent leurs produits imprimés sur place. Cette part augmente tendanciellement à l’avenir (flèche verte). 24% des clients impriment dans les pays étrangers limitrophes. Cette part diminue tendanciellement à l’avenir (flèche rouge). – La grande majorité des clients achète sur place et/ou en Suisse. Cette part progressera à l’avenir. – Plus d’un client sur quatre achète ses produits imprimés dans les pays étrangers voisins. Cette part diminuera tendanciellement à l’avenir. La grande majorité des clients collaborent avec deux ou davantage d’imprimeries — Collaboration avec les imprimeries Avec combien d'imprimeries travaillez-vous conjointement? Actuellement Entre deux et cinq 67% Avec plus de cinq 25% Avec une seule 8% Tendance en 5 ans ➚ ➘ ➘ Exemple de lecture: 8% des clients travaillent avec une seule imprimerie. À l’avenir cette part va tendanciellement diminuer (flèche rouge).67% des clients travaillent avec deux à cinq imprimeries. À l’avenir cette part va tendanciellement augmenter (flèche verte). – 8% des clients collaborent exclusivement avec une seule imprimerie. – Deux clients sur trois collaborent avec deux ou davantage d’imprimeries. – 25% des clients ont des relations avec plus de cinq partenaires d’impression. – À l’avenir une concentration sur deux à cinq imprimeries est tendanciellement perçue. 129 130 Citations originales de clients (extrait) — – «Délais, disponibilité, transparence sont l’alpha et l’oméga». – «Je suis de l’avis personnel que le Print va vivre encore longtemps et que nous devrons imprimer tout aussi longtemps! (je le dis en tant que responsable marketing d’un portail immobilier en ligne)». – «La tendance générale s’oriente vers la communication en ligne, cependant tous les instruments marketing ne sont pas appropriés pour ce canal. Il sera toujours demandé de la part des imprimeries d’offrir des produits et des prestations à haute valeur ajoutée». – «Je vois un grand défi dans la mesure de l’impact des produits imprimés, car ils sont difficilement mesurables au contraire des démarches publicitaires en ligne». – «Ce qui sera de plus en plus décisif pour le site de production suisse c’est la capacité concurrentielle et la différenciation. Un mauvais conseil, un service arrogant, aussi pour les petites commandes, cela mènera sur la durée à la réduction des prix». – «La décision pour une imprimerie dépend de différents critères. Il y a avant tout le contact personnel avant le prix». – «Il sera de plus en plus compliqué d’obtenir du Print …». – «L’investissement pour les produits imprimés sera certainement plus faible dans 5 ans». – «Les produits imprimés sont de moins en moins importants pour nous». – «La qualité jouera également le rôle décisif à l’avenir». – «Beaucoup peuvent faire bon marché; mais très peu exécutent de la bonne qualité correspondant au rapport prix-valeur». – «La compétence de conseil, le respect des délais et la confiance constituent les fondements d’une collaboration à long terme». – «Les commandes d’impression sont généralement en recul en raison de la numérisation croissante». – «Je pense que les médias imprimés resteront toujours un outil marketing important et qu’ils doivent être spécifiquement conçus et utilisés pour le groupe cible». 132 Riassunto studio delle prospettive viscom 2026 — Valutazione globale della situazione del settore Nel corso degli ultimi due decenni l’industria svizze­ ra delle arti grafiche non ha unicamente perso d’im­ portanza macroeconomica. Ha globalmente perso di attrattività in ragione dei cambiamenti strutturali, come lo si vede a partire dall’analisi delle cinque for­ ze del settore economico. Fortunatamente, questo quadro del settore a tinte fosche non può esser trasferito a delle aziende individuali. Nell’industria grafica svizzera, esistono molte centinaia di società attive posizionate con successo, che sanno contra­ stare l’ambiente concorrenziale in ragione del loro modello d’affari e fornire delle risposte adeguate al cambiamento strutturale progressivo. La forte pro­ pensione a investire nelle aziende grafiche svizzere e le forze d’innovamento dell’industria dei fornitori rispondono prematuramente e con successo alla digitalizzazione galoppante, all'automazione all’integrazione e alla messa in rete dell’industria grafica svizzera, favorendo così l’attitudine a man­ tenere la capacità concorrenziale a un livello elevato rispetto all’estero. L’economia suddivisa e le coope­ razioni si sviluppano in modo molto chiaro anche sul mercato della stampa svizzera e costituiscono un fattore di successo strategico per le aziende grafi­ che, alfine d’agire e influenzare come catalizzatori per migliori economie di scala e di miglioramento della produttività aziendale. Lo sviluppo prospero degli affari è sostenuto da un’associazione professio­ nale performante che favorisce specificamente l’in­ telligenza collettiva e il rafforzamento del capitale sociale (valori, comportamento e confidenza) e di conseguenza aiuta le aziende del settore a issare le vele in modo giudizioso nella dinamica delle forze del mercato e a posizionarsi per uno sviluppo positi­ vo sul mercato svizzero della stampa. Sguardo al futuro Questa citazione è attribuita a Niels Bohr: «Le previ­ sioni più difficili sono quelle che riguardano il futu­ ro». Un tale ambiente dinamico come la mutazione attuale dei media complica anche la previsione poiché caratterizzata da un’interdipendenza tecno-­ sociale. E ciò cosa significa? Le tecnologie si adatta­ no ai desideri e alle possibilità e a loro volta i desideri e le capacità variano in funzione della tecnologia. In questo contesto, i vantaggi qui descritti dei media stampati non sono incisi nella pietra. In modo analogo ai principi di base, dobbiamo prima tenere in considerazione due sviluppi alfine di valutare il ruolo potenziale dei prodotti stampati per i prossimi cinque anni: prima di tutto c’è lo sviluppo tecnologico, in partico­ lare ciò che chiamiamo interfacce. Gli schermi dei prodotti digitali ne fanno parte e cifre importanti sono investite nel loro miglioramento. Con l’aumen­ to della qualità (tra cui la risoluzione, il contrasto e l’illuminazione), della convivialità e della facilità di utilizzo, gli acquirenti sono sempre più disposti ad acquistare informazioni digitali esaustive e com­ plesse. Ma si prevedono anche degli sviluppi qualita­ tivi, come ad esempio lo sviluppo di «Head-Moun­ ted-Displays», schermi montati sulla testa degli spettatori attraverso un casco ad hoc, che possono essere monoculari o binoculari. A oggi sappiamo molto poco riguardo alla possibile qualità di registra­ zione e di lettura di certi «occhiali» che aprono degli spazi virtuali. Le nostre aziende si trovano in un processo di apprendimento collettivo riguardan­ te l’utilizzo appropriato dei media digitali. È quindi abbastanza concepibile che noi cambiamo le nostre attitudini nel guardare lo schermo, poi il nostro uti­ lizzo dei contenuti digitali, in un ambito del progres­ so tecnologico. Un miglioramento della metacogni­ zione, sia questo una cattura meglio controllata, più mirata e più attenta del testo sullo schermo, è già quasi possibile per l’apprendimento in alcuni livelli scolastici. La tecnica culturale della lettura si adatta alla tecnologia e quindi anche alla cultura. Inoltre, un punto da non trascurare, la qualità e il valore soggettivo della stampa radicato culturalmente pos­ sono col tempo diminuire. Una cultura post-mate­ riale potrebbe sviluppare un’avversione contro gli strumenti fisici, una cultura digitale in rete ren­ derebbe possibile un giorno la diminuzione o la sop­ pressione della trasmissione dei supporti dei dati. Nessuna affermazione definitiva concernente la stampa può essere data. Ma probabilmente in maniera temporanea. A vista d’uomo, gli studi disponibili portano sull’utilizzo e la ricezione dei media, sulla psicologia e la sociologia, oltre che dei modelli moderni di gestione della comunicazione strategica nell’ambiente dei media digitali, parlano in favore dell’utilizzo diversificato e mirato della parola (e dell’immagine) stampata. La comunicazione aziendale è in via di ristrutturazione e di riorganizzazione La relazione di questa nuova forma narrativa della comunicazione aziendale con del giornalismo vero è evidente, ma in realtà non solamente con il lavoro artigianale –il genere di scrittura, di riprese e di suo­ no. Si situa anche in modo in cui i soggetti sono ricer­ cati, studiati e fissati con rispetto per costituirne del­ le storie. Questo è tutto il lavoro editoriale, che in precedenza solo i giornalisti impiegati nelle case editrici sapevano fare. Questo genere di lavoro reda­ zionale e fondamentalmente differente tra le relazio­ ni pubbliche e la pubblicità. Malgrado i messaggi pub­ blicitari sono ben conosciuti e costruiti in strutture gerarchiche, una redazione funziona solo in strutture piane, con una grande libertà decisionale e un vasto spazio di manovra per gli autori. Di conseguenza, non solo l’azienda deve imparare a comunicare con dei pubblici esterni eterogenei allo stesso modo, ma anche all’interno dell’azienda, se si vuole lavorare in modo redazionale e non obbedire a degli ordini dall’alto verso il basso. Dal direttore generale agli specialisti della comunicazione e del marketing, passando dal direttore commerciale. Una comunicazione aziendale moderna reclama un alto grado di indipendenza dalla parte di una redazione: quali temi devono essere trattati, in quale modo ven­ gono elaborati i contributi e come le storie si propaga­ no attraverso i diversi media. Il principio del lavoro redazionale è basato sullo spazio di manovra –sempre al servizio dell’azienda e dei suoi marchi, chiaramen­ te. Numerose aziende hanno già debuttato nella comunicazione alfine di stabilire tali reazioni. Natu­ ralmente equipaggiate nel multimediale. Spesso desi­ gnate con il termine di «newsroom» (sala stampa). Ma ciò non riguarda solo questa sala, ciò tocca tutta la struttura e l’organizzazione che è idealmente for­ mata attorno a questo spazio. Un gruppo di giornali­ sti di un’azienda che scrivono, filmano e sonorizzano, sulla base della ricerca possono classificare e attri­ buire i soggetti. La distribuzione si opera tramite del­ le vie classiche e online, ma anche tramite i social media, compreso le applicazioni come Snapchat, che sono in seguito regolate quasi come un gioco. Dinamica della digitalizzazione Fino al 2016, la digitalizzazione ha conosciuto enor­ mi accelerazioni e automatismi di differenti processi di lavoro durante la catena del valore aggiunto. Dal 2016 viviamo con uno sviluppo che corrisponde alla messa in rete e all’integrazione totale di ogni tappa di lavoro di un’azienda, alla messa in rete e all’inte­ grazione totale degli acquisti e delle vendite, che portano con loro una messa in rete e un’integrazione totale della relazione con i clienti. La digitalizzazio­ ne è il perno per ogni azienda grafica, purché abbia sempre l’intenzione di essere attiva entro il 2026. Inoltre alle domande tradizionali come «quale modello di business devo seguire?» oppure «chi sono i miei clienti e cosa gli offro?», ogni azienda deve porsi la domanda: «come posso assicurarmi il mio spazio in un ambiente di mercato interamente digi­ talizzato?». Ad esempio, ogni azienda grafica non deve seguire la via di una tipografia online. Una 133 134 legatoria artigianale, sopravviverà ad esempio una decina d’anni senza aver stabilito dei processi di lavoro digitali. Ma può anche darsi che tali imprese artigianali sono in grado di raggiungere i loro poten­ ziali clienti, senza un processo di distribuzione digi­ tale completamente automatizzato. Finitura di massa individualizzata – funziona! Riassumendo, si può dire che sarebbe pericoloso fare affidamento su una serie di attività di stampa so­­ stenibile ma che sarebbe sufficiente a suscitare passioni, pensando che i vantaggi estetici e tattici della stampa perdureranno come precedentemente. Anche se la stampa non personalizzata costituirà in futuro la parte del leone, permettendo così la conti­ nuazione di questo business per numerose tipografie, dovrà però affrontare bassi margini, rispettivamen­ te alti costi di stampa. Tuttavia queste tipografie dovranno competere con una quantità di altre forme di media, alcune già esistenti o emergenti. Come costante nel tempo, è provato che un attore del mercato che riscontra successo risponde ai biso­ gni dei consumatori sulla base della personalizzazio­ ne del confort. Le tre sfide centrali che sono «Big Data», l’integrazione orizzontale e l’integrazione verticale, possono servire come ostacolo per l’attua­ zione mirata di questa strategia. Cloud computing e aziende dei media Evidentemente, le aziende dei media possono/ devono anche beneficiare di servizi cloud, come pure i clienti. Nonostante le loro dimensioni e l'orien­tamento, le offerte nei settori SaaS, PaaS e IaaS (se non ancora fatto) devono essere valutate nel più breve tempo possibile! Con pochi click, possiamo costatare che molte aziende dei media svizzeri hanno familiarità con l'utilizzo di servizi tramite le applicazioni cloud computing. Instagram, Twitter e Facebook fanno parte del pacchetto standard, malgrado siano spesso poco visibili. È tuttavia interessante notare come l’offerta d’informazione in generale sia un po’ limita­ ta. Gli interessati hanno l'impressione che si tratti piuttosto di una piattaforma d’informazione com­ plementare. Chiunque abbia familiarità con accesso a internet non ha la certezza di poter trovare tutte le informazioni. Questo è però fondamentale perché se l'incentivo è moderato, c'è poca voglia di conoscere queste offerte. Ma il cloud computing ha molto più potenziale. Va notato che la relativamente facile disponibilità di molti obiettivi è ancora poco utiliz­ zata. Si deve sapere che la visibilità e il numero di «mi piace» possono essere acquistati per alcuni ser­ vizi, che non è sorprendente. Le aziende dei media che dispongono di archivi d’informazione posso ad esempio fornire dei conte­ nuti a un costo ragionevole su cloud e disporli a un pubblico più ampio. Probabilmente in questo caso bisognerà utilizzare comunque un motore di ricerca, ma ciò non rappresenta un ostacolo. L’offerta di servizi di ricerca per la raccolta dei dati è importante su cloud. Nuove idee d’azienda possono venir messe in atto su cloud molto più rapidamente rispetto al passato, con la propria infrastruttura. Ma più rapido non significa peggio, al contrario. Per questo, i costi ope­ rativi sono piuttosto bassi. Se l’idea di azienda è coronata dal successo, la capacità supplementare richiesta è disponibile in opzione con alcuni clic. Contrariamente, se l’idea di azienda non riscontra l’approvazione del pubblico, tutti i servizi su cloud possono venir annullati e bloccati in breve tempo. In questo modo, grazie a dei servizi cloud a partire da un magazzino online fino a delle diffusioni in continuo di video, dei progetti possono rapidamente venir realizzati e testati realmente. Le infra­ strutture delle tecnologie dell’informazione, che sono complicate e onerose all’acquisto e allo sfrutta­ mento, appartengono al passato. Il futuro delle tec­ nologie dell’informazione si operano d’ora in poi con tutta sicurezza nel cloud. Futuro della stampa elettronica La stampa elettronica è già utilizzata in numerosi prodotti e molto spesso la produzione tecnica della stampa non è evidente. Le industrie esigenti, come quelle dell’automobile, i prodotti farmaceutici e per la salute, sfruttano dei prodotti stampati elettronici di massa con successo. Gli sviluppi a medio e lungo termine conducono a dei prodotti migliorati e più concorrenziali come in altri ambiti. Le cooperazioni con gli sviluppatori facilitano l’accesso alla stampa commerciale e d’imballaggio nell’elettronica stam­ pata, riducendo il rischio. Le opportunità di Big Data Big Data trasformerà l’industria grafica perché modificherà il mercato. Le aziende del settore della stampa dovranno porsi differenti domande: l’espan­ sione della zona di business è un’opzione? Rischia­ mo di perdere il nostro valore aggiunto nell’ambito della conoscenza del mercato e dei clienti per Big Data e quindi d’essere inghiottiti dai grandi fornito­ ri? I nuovi servizi costituiscono un’opzione per i clien­t i finali? È saggio proporre delle competenze nella comunicazione visiva? Poi, quale grande azien­da: possiamo ottimizzare il controllo delle istallazioni con Big Data? Dove Big Data è utilizzato dove sono proposti dei servizi di visualizzazione, non vi è quasi mai solo Big Data in primo piano, quindi i critici si pongono le domande giuste sull’azienda, per sé o per i propri clienti. Con l’utiliz­ zo di Big Data non esistono praticamente dei dati e degli algoritmi –competenze adeguate possono venir acquistate- ma le innovazioni più creative nel proprio campo di attività. Big Data è assolutamente possibile, ma il suo uso nella pratica non è scontato. La buona combinazione di strumenti Nella pianificazione strategica, l’interazione degli strumenti di marketing è definita. Come per un’or­ chestra, gli strumenti devono essere accordati. La miscela dev’essere omogenea, deve agire armonio­ samente e, come ad esempio in un gruppo musicale, i tamburi non devono schiacciare gli altri strumenti. Nel marketing, utilizziamo la formula della 4P: pro­ dotto, prezzo, promozione e distribuzione. Per il mar­ keting dei servizi, che è quello che riguarda la mag­ gior parte delle tipografie, aggiungiamo 3P alla formula: «people», «physical evidence» e «process». (Nota del traduttore: le 4 prime P servono al marke­ ting esterno, la quinta riguarda quello interno e le ultime due servono al marketing interattivo). Le a­ziende che riescono avranno bisogno in futuro di un «sistema di marketing» sofisticato, che sia mirato ai loro clienti e con una varietà di offerte e strumenti specifici per la vendita. «Non possiamo sempre offrire la soluzione meno cara, ma possiamo mettere a disposizione dei nostri clienti la miglior soluzione disponibile per i bisogni specifici. È proprio qui che siamo in grado di sfruttare i nostri punti di forza», tratto da una citazione apparsa nella rivista viscom p&c n. 15/16, nell’agosto 2016. Catena di approvvigionamento per il fornitore di prodotti stampati Conseguentemente alla concorrenza, il fornitore di prodotti stampati deve lottare per una gestione effi­ cace della catena di approvvigionamento. Automa­ tizzata, basata sulle consegne di materiali di produ­ zione e l’acquisto di servizi logistici conformi alla pianificazione della produzione, questa gestione assicura una produzione rapita e redditizia, riduce lo stoccaggio di materie e allevia l’amministrazione legata alla produzione. Tramite lo stretto collega­ mento in rete tra i fornitori, le aziende di produzione partner e le aziende di logistica, sono auspicati aumenti di efficienza e ottimizzazioni dei costi. I prodotti devono essere completamente standardiz­ zati e automatizzati con il flusso di lavoro, quando compare il cliente «molto flessibile» e variabile. Tale requisito deve essere assolutamente risolto nel rela­ tivo portafoglio. Le prossime sfide da superare In uno studio sulle sfide future per il mondo del lavo­ ro, Eichhorst e Buhlmann (2015) schizzano quattro forze motrici che influenzano il cambiamento. Que­ ste quattro forze sono il progresso tecnologico, la mondializzazione, l’evoluzione demografica e il cambiamento istituzionale. Riguardo al progresso tecnico, esso comprende la digitalizzazione e la mes­ sa in rete del mondo del lavoro tramite internet, ol­­ tre all’utilizzo della robotica e dell’intelligenza arti­ ficiale. Questi cambiamenti sono anche conosciuti sotto il nome di industria 4.0 e internet degli ogget­ ti. L’industria grafica riprende questi temi a suo favore sotto lo slogan Print 4.0, che è stato ampia­ mente propagandato durante Drupa 2016, suo con­ cetto per l’automatizzazione. L’impatto del progres­ so tecnico sull’impiego non è tuttavia chiaro, visto che l’automatizzazione dei posti di lavoro è a volte una sostituzione e un complemento. Per i tecnologi di stampa Frey e Osbonre (2013) hanno formulato una probabilità di automatizzazione dell’83%. Tut­ tavia, tali dichiarazioni devono essere considerate con una certa distanza. Secondo differenti fabbri­ canti di macchine da stampa, l’automatizzazione è già ben avanzata. Tuttavia, bisogna generalmente supporre che le esigenze di qualificazione sono cre­ scenti per i professionisti. La mondializzazione è accompagnata dal progresso tecnico e continua a crescere la pressione concorrenziale sulle aziende dell’industria grafica. Il dialogo con i partner e i for­ nitori stranieri, ma anche con i clienti, aumenta. Il cambiamento demografico come la terza forza trai­ nante descrive una tendenza inversa. Da una parte, la manodopera nazionale si riduce a causa dei tassi di natalità e di anzianità della manodopera attuale. D’altra parte, un potenziale di lavoratori quali le donne, i migranti e le persone anziane, sono sempre più reclutati. Se non riusciamo a mobilitare persona­ le sufficiente, la carenza di lavoratori qualificati si intensificherà nel settore della grafica. La trasfor­ 135 136 mazione delle condizioni quadro istituzionali come quarta forza motrice si caratterizza per l'occupazio­ ne delle donne e dei lavoratori anziani. Qui le parole chiave sono lo sviluppo dei servizi di accompagna­ mento dei bambini, ecc. Con delle condizioni di lavo­ ro flessibile, le aziende offrono anche incentivi ai potenziali lavoratori. Innovazione dei modelli economici L’industria grafica in Svizzera è attualmente in pie­ na mutazione. La pressione sui prezzi della nuova concorrenza straniera, la continua forza del franco e il cambiamento nel comportamento dei consumatori mettono sotto forte pressione i modelli economici esistenti, ciò che spiega la necessità di innovazioni alfine di assicurare il successo a lungo termine. Ma ciò che è importante è avere una visione olistica dell’innovazione – dall’idea fino al successo sul mer­ cato- e di ripensare, lontano dalla ricerca e dallo svi­ luppo, alla ricerca e all’innovazione. Il pensiero nei modelli d’affari favorisce una visione olistica dell’innovazione tenendo conto dei quattro aspetti fondamentali di tutto il modello economico: i clienti, le proposte di valore, la catena del valore aggiunto e il meccanismo delle ricette. Ciò aiuta le aziende a evitare l’enfasi sui mercati di nicchia spesso legati alle tecnologie più sofisticate. Metten­ do la questione della logica del settore esistente e il confronto del proprio modello d’affari con degli esempi di modelli economici di altri settori, le azien­ de possono generare delle idee per dei nuovi modelli commerciali e procurarsi un’opportunità di rompere il pensiero con dei modelli esistenti. L’articolo pub­ blicato nello studio delle prospettive mostra le pos­ sibilità che possono apportare l’innovazione dei modelli economici per l’industria grafica svizzera. Prima di tutto, il concetto del modello d’affari e la metodologia del «St. Galler Business Model Naviga­ tor™» è descritto in modo teorico e dev’essere spie­ gato. Poi il successo del CEWE illustra le possibilità che l’innovamento dei modelli economici può porta­ re alle aziende dell’industria grafica. Sondaggio clienti tra presente e futuro per la stampa — Rudolf Lisibach Obiettivo, sondaggio e valutazione Obiettivo Gli affiliati viscom – e altri enti interessati – devono ottenere delle informazioni d’orientamento e delle idee dirette per quanto concerne la situazione attuale e lo sviluppo futuro del settore della «stampa». Sondaggio e valutazione •Il segmento «responsabili per la comunicazione e del marketing» è stato coinvolto per questo sondaggio. •Sono state poste, in primo luogo, domande circa la situazione attuale e, in secondo luo­ go, è stato chiesto agli intervistati di emettere valutazioni dello sviluppo in futuro. • In totale sono state poste 13 domande sui principali temi seguenti: – Importanza dei budget di comunicazione – Ripartizione dei budget di comunicazione sui media in generale – Evoluzione della domanda nei prodotti stampati – Contatti con le tipografie – Prestazioni vicine al settore «stampa» che aumentano di importanza – Criteri di decisione per la scelta di una tipografia – Produzione dei documenti di stampa – Approviggionamento di prodotti stampati – Collaborazione con le tipografie • Il sondaggio elettronico è stato svolto durante l’estate 2016. • Promotore del sondaggio era viscom. •Hanno partecipato i responsabili per la comunicazione e marketing di 76 aziende svizzere. •Le risposte sono state raccolte in forma anonima e nessun collegamento è possibile con le singole aziende. •I budget di comunicazione dei clienti che hanno partecipato al sondaggio sono relativamente alti e il fabbisogno di stampati può essere diverso da quello di altri gruppi target. 137 138 Sintesi Importanza dei budget di comunicazione • I budget di comunicazione aumentano di circa il 3% all’anno. Ripartizione dei budget di comunicazione sui media generali •La quota per la comunicazione «inerente alla stampa» sul budget globale dei clienti, si attesta attualmente al 53%. Nel corso dei prossimi 5 anni, dovremo contare su una diminuzione al 47%. Allo stesso tempo il «budget online» crescerà dal 16% al 26%. Evoluzione della domanda di prodotti stampati • Sono in aumento per il settore «stampa»: – Inserti pubblicitari nei giornali e riviste – Direct mailing (stampati) – Giornali e periodici aziendali rivolti alla clientela («Corporate Publishing») – Imballaggi – Libri • Stabili per il settore «stampa»: – Materiali POS (manifesti, sospesi, display) • Sono in calo nel settore «stampa»: – Annunci nei giornali e riviste – Manifesti – Prospetti, opuscoli, volantini – Cataloghi – Prospetti presentazione aziendale – Rapporti annuali Contatti con le tipografie •82% delle persone interrogate mantengono un contatto diretto con le tipografie. Nei prossimi 5 anni la percentuale sarà ancora del 78%. Internet quale canale di acquisto per i prodotti stampati acquisisce sempre più importanza. La quota di coloro che utilizzeranno questo canale crescerà dal 9% al 13%. Prestazioni che stanno guadagnando d’importanza per il settore «stampa» •Oltre alla stampa, le prestazioni supplementari richieste sono soprattutto nell’ambito prestampa, trattamento delle immagini, correzione, spedizione, logistica, trasporto, consulenza e progettazione. •La richiesta sarà nettamente inferiore per le offerte concernenti la consulenza crossmediale, sistemi di pubblicazioni, la produzione di film/video, ma anche servizi nel campo dei siti internet e di accesso a internet. Criteri di decisione per la scelta di una tipografia • I l rispetto dei termini di consegna e i prezzi sono in testa alle priorità per la scelta di una tipografia. L’attenzione si sposta anche sulla scelta di un partner che realmente sia specializzato sulla funzione centrale della «stampa». Sono inoltre importanti – ma meno pronunciati – la consulenza, la relazione personale oppure il label «printed in switzerland». •Per quanto concerne le questioni ambientali, la capacità di un’azienda di produrre in modo neutrale ha un valore maggiore rispetto a un sistema di gestione ambientale certificato. •Il rispetto del CCL oppure l’impegno nella formazione professionale e il perfezionamen­ to sono meno pertinenti per la decisione. •I clienti si aspettano da parte delle tipografie anche delle competenze in marketing, comunicazione aziendale o anche nel settore online e mobile. Produzione dei documenti di stampa • Nella maggior parte dei casi, questi documenti sono realizzati dai clienti o da agenzie. •La quota di clienti che affidano la realizzazione di questi documenti alla tipografia è del 21%. Approvvigionamento di prodotti stampati •La maggior parte dei prodotti stampati vengono acquistati nelle vicinanze, rispettivamente in Svizzera. Il 27% dei clienti acquista i propri prodotti all’estero, di cui il 24% nei paesi limitrofi. Collaborazione con le tipografie •Solamente l’8% dei clienti aacquista i propri prodotti stampati da un unico fornitore. Per contro, un cliente su quattro collabora con più di cinque tipografie. 139 140 I budget di comunicazione aumentano — Importanza dei budget di comunicazione quanto ammonta il vostro budget per la comunicazione e il marketing? Attualmente Tra 5 anni Oltre i 25 Mio. di franchi 3% 4% tra i 10 e i 25 Mio. di franchi 11% 14% tra i 5 e i 10 Mio. di franchi 17% 20% tra i 2,5 e i 5 Mio. di franchi 18% 20% tra 1 e i 2,5 Mio. di franchi 37% 32% tra 0,5 e 1 Mio. di franchi 9% 4% tra 0,1 e 0.5 Mio. di franchi 4% 7% Meno di 0,1 Mio. di franchi 1% 1% Totale 100% 100% Esempio di lettura: 3% dei clienti dispongono di un budget di comunicazione superiore a 25mio. di franchi. Nei prossimi 5 anni sarà il 4%. – 37% dei clienti dispongono di un budget da 1mio a 2,5mio di franchi. – 3% attribuiscono più di CHF 25mio. per la comunicazione e il marketing. – L’andamento riflette i budget più importanti per i prossimi anni. Assegnazione di un calo per il canale «stampa» – Crescita per la comunicazione online — Ripartizione dei budget di comunicazione sui media in generale Com’è ripartito il budget all’interno dei differenti mezzi di comunicazione? Attualmente Tra 5 anni Prodotti stampati 19% 12% Pubblicità esterna 8% 7% Pubblicità diretta 10% 10% Promozione vendita 12% 12% PR 4% 5% Totale canali «relativi alla stampa» 53% 47% Televisione, radio, cinema 15% 12% Pubblicità online (incl. Mobile, Web, Apps, Social) 16% 26% Sponsoring, manifestazioni, fiere 16% 14% Altro 1% 2% Totale canali «non inerenti alla stampa» 47% 53% Esempio di lettura: 19% del budget per la comunicazione è attribuito ai media stampati. Tra 5 anni sarà solamente il 12%. – Le attribuzioni ai media «relativi alla stampa» diminuiscono in generale e passeranno sotto la soglia del 50%. – Mentre il calo della carta stampata è evidente, la pubblicità diretta e il supporto alla vendita diventano sempre più importanti. – Fra 5 anni più di un franco su quattro nella comunicazione sarà investito nei media online. 141 142 Meno annunci, manifesti e prospetti – In aumento inserti pubblicitari, direct mailing, giornali e periodici aziendali — Evoluzione della domanda di prodotti stampati – 1 Come si modificherà la richiesta nei canali di comunicazione «relativi alla stampa» nei prossimi 5 anni? Tendenza tra 5 anni Media stampati Annunci nei giornali e periodici Inserti pubblicitari nei giornali e periodici ➘ ➚ Pubblicità esterna Manifesti stampati e-Boards, adScreens ➘ ➚ Pubblicità diretta Prospetti, brossure Direct Mailing (stampati) Volantini Giornali e periodici per la clientela Esempio di lettura: In futuro, la domanda per gli annunci stampati diminuirà in modo tangibile, mentre gli inserti pubblicitari aumenteranno. ➘ ➚ ➘ ➚ 143 Più imballaggi, così come pure materiali per POS – Meno cataloghi, prospetti aziendali e rapporti annuali — Evoluzione della domanda di prodotti stampati – 2 Come si modificherà la richiesta nei canali di comunicazione «relativi alla stampa» nei prossimi 5 anni? Tendenza tra 5 anni Promozione vendita Cataloghi Materiali nei POS (Manifesti, sospesi, espositori) Imballaggi ➘ ➙ ➚ Pubbliche relazioni Libri Prospetti aziendali Rapporti annuali Esempio di lettura: In futuro, la domanda di cataloghi stampati diminuirà in modo tendenziale, mentre i materiali per i POS manterranno la loro quota di mercato. ➚ ➘ ➘ 144 La maggior parte dei clienti mantiene un contatto diretto con le tipografie – Internet come canale di acquisti guadagna sempre più importanza — Contatto con le tipografie La produzione di questi supporti alla comunicazione viene effettuata in molti casi presso una tipografia. Come sono i contatti con le tipografie? Attualmente Tra 5 anni Esiste un contatto diretto tra il reparto marketing e la tipografia 82% 78% L’approvvigionamento di prodotti stampati viene svolto tramite l’ufficio acquisti 37% 37% La nostra agenzia pubblicitaria si occupa del contatto con la tipografia 25% 26% Un altro tipo di agenzia si occupa del contatto con la tipografia 11% 11% Un agente specializzato (broker) si occupa del contatto con la tipografia 4% 3% I prodotti stampati sono acquistati direttamente in internet 9% 13% Esempio di lettura: 82% dei clienti intrattiene un contatto diretto con la tipografia. Tra 5 anni saranno ancora il 78%. – Oltre l’80% dei clienti intrattiene un contatto diretto con la tipografia. Nei prossimi 5 anni questa percentuale si ridurrà, ma rimarrà ancora al 78%. – 73% dei clienti si forniscono per i loro servizi d’acquisto tramite le agenzie pubblicitarie oppure altri tipi di agenzie. – L’importanza di internet come canale per gli acquisti aumenterà nei prossimi anni. – Agenti specializzati giocano un ruolo marginale che andrà a diminuire ulteriormente d’importanza. 145 Richiesta soddisfacente per le prestazioni «classiche» — Prestazioni che stanno guadagnando d’importanza per il settore «stampa» – 1 Quali servizi aggiuntivi richiedete alla vostra tipografia? Attualmente Prestampa 67% Spedizione, logistica e trasporto 53% Consulenza e progettazione 37% Trattamento immagine 34% Gestione del magazzino 18% Design, creazione, messa in pagina 18% Correzione 16% Soluzione di banca dati 12% Tra 5 anni ➚ ➚ ➚ ➘ ➘ ➘ ➘ ➘ Esempio di lettura: 67% dei clienti sollecita delle prestazioni nella prestampa: anche in futuro la richiesta di tali prestazioni aumenterà tendenzialmente (freccia verde). 34% dei clienti sollecita delle prestazioni nell’ambito di trattamento immagine; in futuro questa richiesta diminuirà (freccia rossa). – 67% dei clienti richiede alle tipografie delle prestazioni di prestampa. – Una buona richiesta è anche in ambito della spedizione, della logistica e trasporti; più di un cliente su due richiede questo servizio. – Consulenza e progettazione sono servizi apprezzati da oltre un terzo dei clienti. 146 Richiesta in diminuzione di prestazioni supplementari «digitali» — Prestazioni che stanno guadagnando d’importanza per il settore «stampa» – 2 Quali servizi aggiuntivi richiedete alla vostra tipografia? Attualmente Consulenza crossmediale 7% Sistemi di pubblicazioni tecniche 5% Produzione film/video 4% Prodotti 3D 4% Servizi redazionali 4% Gestione indirizzi 4% Website, Intenet 3% Allestimento POS 1% Nessuna informazione 15% TTra 5 anni ➚ ➘ ➘ ➘ ➘ ➘ ➘ ➘ ➘ Esempio di lettura: 7% dei clienti sollecita consigli in ambito crossmediale. In futuro questa richiesta aumenterà in modo tendenziale (freccia verde). – Solo una piccola parte dei clienti richiede servizi digitali (3% a 7%). – Inoltre, l’utilizzo di questi servizi aggiuntivi diminuiranno in futuro. 147 Termine di consegna e il prezzo sono i criteri di decisione dominanti — Criteri di decisione per la scelta di una tipografia – 1 Quali sono per voi i principali criteri di decisione per la scelta di una tipografia? Attualmente Rispetto termini di consegna 84% Prezzi 84% Specializzata per la stampa personalizzata 51% Competenza nella consulenza 50% Relazione personale 49% printed in switzerland 47% Vicinanza geografica 38% Certificazione FSC 38% Stampa in modo neutrale 29% Fornitore globale per la stampa 26% Tra 5 anni ➚ ➚ ➚ ➚ ➚ ➚ ➚ ➚ ➚ ➚ Esempio di lettura: Il rispetto del termine di consegna è un criterio fondamentale di decisione per l’84% dei clienti. Per il futuro, l’importanza di questo criterio aumenterà tendenzialmente (freccia verde). – Termine di consegna e il prezzo sono i criteri essenziali per la scelta della tipografia. – La competenza per la consulenza è un criterio di decisione per la metà dei clienti; il 50% sceglie il partner in base alla specializzazione della stampa. – «Printed in Switzerland» diventa sempre più importante. – Un cliente su quattro desidera un fornitore globale per la stampa. 148 Le competenze delle tipografie in ambito del marketing, online e di comunicazione aziendale non sono decisive per la scelta del cliente — Criteri di decisione per la scelta di una tipografia - 2 Quali sono per voi i principali criteri di decisione per la scelta di una tipografia? Attualmente Sistema di gestione ambientale ISO 14001 21% Sistema di qualità ISO 9001ss 18% Rispetto del CCL 15% Impegno per la formazione professionale e perfezionamento 12% Formazione di apprendisti 9% Competenza nel marketing 8% Competenza Online, internet, mobile 7% PSO-Standard 4% Competenza per la comunicazione aziendale 3% Tra 5 anni ➘ ➘ ➘ ➘ ➘ ➘ ➘ ➘ ➘ Esempio di lettura: un sistema di gestione ambientale è un criterio di decisione per il 21% dei clienti. In futuro l’importanza di questo criterio diminuirà tendenzialmente (freccia rossa). – La stampa in modo neutrale per il clima è più importante di un sistema di gestione ambientale certificato. – Il rispetto del CCL, l’impegno nella formazione professionale e nel perfezionamento, giocano un ruolo marginale nella scelta di una tipografia. – Come pure solo una piccola parte dei clienti si aspetta che le tipografie abbiano esperienza nel marketing, nella comunicazione e nel settore online e mobile. Le tipografie non giocano un ruolo dominante nella produzione dei documenti di stampa — Produzione dei documenti di stampa Chi elabora i documenti per la stampa per i vostri prodotti stampati? Attualmente La nostra agenzia pubblicitaria 63% Realizziamo noi stessi i documenti per la stampa 61% Un grafico realizza i documenti di stampa 46% Questo lavoro è realizzato dalla nostra tipografia 21% Tra 5 anni ➚ ➚ ➚ ➘ Esempio di lettura: 61% dei clienti realizzano loro stessi i documenti per la stampa. In futuro questa percentuale aumenterà tendenzialmente (freccia verde). Il 21% dei clienti lasciano realizzare i documenti direttamente alla tipografia e in futuro questa percentuale diminuirà in modo tendenziale (freccia rossa) . – Oltre il 60% dei clienti realizzano loro stessi i propri documenti per la stampa. Le agenzie con servizi prestampa sono sollecitate da un’analoga percentuale. – Un cliente su cinque lascia realizzare i propri documenti di stampa presso la tipografia. Tale quota diminuirà tendenzialmente in futuro. 149 150 Approvvigionamento maggiore in Svizzera – Ma un cliente su quattro acquista all’estero — Approvvigionamento di prodotti stampati Dove acquistate i vostri prodotti stampati? Attualmente Presso una tipografia della zona 74% Presso una tipografia in Svizzera 63% Presso una tipografia nelle nazioni limitrofe 24% Presso una tipografia estera 3% TTra 5 anni ➚ ➚ ➘ ➘ Esempio di lettura: 74% dei clienti acquista i propri prodotti stampati nelle vicinanze. Tale quota aumenterà tendenzialmente in futuro (freccia verde). IL 24% dei clienti stampa nei paesi stranieri limitrofi. In futuro tale quota diminuisce tendenzialmente (freccia rossa). – La maggioranza dei clienti acquista nelle vicinanze oppure in Svizzera. Tale quota aumenterà in futuro. – Più di un cliente su quattro acquista i propri prodotti stampati presso i paesi stranieri limitrofi. Questa quota diminuirà in futuro. La maggior parte dei clienti collaborano con due o più tipografie. — Collaborazione con le tipografie Con quante tipografie lavorate? Attualmente Tra le due e le 5 tipografie 67% Con più di cinque tipografie 25% Con una sola tipografia 8% Tra 5 anni ➚ ➘ ➘ Esempio di lettura: 8% dei clienti lavora con una sola tipografia. In futuro questa percentuale diminuirà tendenzialmente (freccia rossa).67% dei clienti lavora con 2 fino a 5 tipografie. In futuro questa percentuale aumenterà tendenzialmente (freccia verde). – 8% dei clienti collabora esclusivamente con una sola tipografia. – Due clienti su tre collabora con due o più tipografie. – 25% dei clienti ha delle relazioni con più di cinque partner di stampa. – In futuro è tendenzialmente prevedibile una concentrazione tra 2 e 5 fornitori. 151 152 Citazioni originali dei clienti (estratto) — – «Termine di consegna, disponibilità, trasparenza sono importantissimi». – «Sono del parere che il prodotto stampato vivrà ancora a lungo e che noi stamperemo sempre (lo dico come responsabile marketing di un portale online immobiliare)». – «La tendenza generale è verso la comunicazione online, tuttavia tutti gli strumenti di marketing non sono appropriati per questo canale. Sarà sempre richiesto alle tipografie di offrire dei prodotti e dei servizi ad alto valore aggiunto». – «Vedo una grande sfida per la misurazione dell’impatto dei prodotti stampati, per il fatto che sono difficili da misurare al contrario delle pubblicità online». – «Saranno sempre più decisivi per il luogo di produzione in Svizzera la competitività e la differenziazione. Una cattiva consulenza, un servizio arrogante per l’allestimento di piccoli ordini, porterà a ridurre i prezzi». – «La decisione per la scelta di una tipografia dipende da tanti criteri. Primo su tutti il contatto personale molto più importante del prezzo». – «Sarà sempre più difficile avere dei prodotti stampati …». – «L’investimento per i prodotti stampati, sarà sicuramente inferiore fra 5 anni». – «I prodotti stampati saranno per noi sempre meno importanti». – «La qualità avrà un ruolo decisivo anche in futuro». – «Molti potranno abbassare i prezzi, ma pochi potranno offrire un’ottima qualità». – «La competenza nella consulenza, il rispetto dei termini di consegna e la fiducia costituiscono le fondamenta di una collaborazione a lungo termine». – «Ordini di stampa sono generalmente in declino a causa della crescente digitalizzazione». – «Penso che i media stampati resteranno uno strumento importante di marketing, concepiti a dipendenza del target di riferimento».