Herbert Willi Stück für Klarinette solo

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UNIVERSITÄT FÜR MUSIK UND DARSTELLENDE KUNST GRAZ
Herbert Willi
Stück für Klarinette solo
Wissenschaftlicher Betreuer
O.Univ.Prof Mag.art Richard Dünser
Künstlerischer Betreuer
Univ.Prof. Mag.art Bertram Egger
Institut für Komposition, Musiktheorie, Musikgeschichte und Dirigieren
Künstlerische Masterarbeit
Februar 2015
Daniel Lässer, BA BA
Matrikelnr.: 0673125
Studienkennzahl: V066725
Kurzfassung
Herbert Willi komponierte das Werk Stück für Klarinette solo im Jahr 1985 für
Alois Brandhofer, dem damaligen Soloklarinettisten der Wiener Philharmoniker.
Um den Komponisten und seine Arbeit besser verstehen zu können, beschreibe
ich die etwas ungewöhnliche Herangehensweise von Herbert Willi zum
Komponieren. Nach einer gründlichen Analyse des Werkes gliedere ich das
Stück in fünf verschiedene Abschnitte. Außerdem werden die Motive und
Charaktereigenschaften jedes einzelnen Teiles mit Hilfe von Notenbeispielen
veranschaulicht und beschrieben.
Abstract
Herbert Willi wrote the composition Stück für Klarinette solo 1985 for Alois
Brandhofer, the former principal clarinetist of the Vienna Philharmonic. For a
better understanding of his works, I describe Herbert Willi’s unusual way of
composing. The analysis of this composition shows five different sections.
Furthermore I will describe the motives and the individual character of each
section.
1
Inhaltsverzeichnis
1.0
Einleitung..................................................................................................................3
2.0
Herbert Willi.............................................................................................................3
3.0
2.1
Lebenslauf...................................................................................................3
2.2
Vom Wandern zur Komposition......................................................5
Stück für Klarinette solo...................................................................................8
3.1
Werkanalyse...............................................................................................8
3.1.1 Teil A................................................................................................11
3.1.2 Teil B................................................................................................12
3.1.3 Teil C................................................................................................13
3.1.4 Teil D................................................................................................15
3.1.5 Teil E................................................................................................17
4.0
Interview..................................................................................................................19
5.0
Zusammenfassung...........................................................................................25
6.0
Literaturverzeichnis..........................................................................................26
2
1.0
Einleitung
Das erste zeitgenössische Stück für Klarinette (Musik nach 1945) mit dem ich in
Berührung kam war ein Werk von Herbert Willi, Stück für Klarinette Solo. Im
Rahmen eines Klassenabends des Vorarlberger Landeskonservatoriums durfte
ich zum ersten Mal eine Komposition aufführen, welche keine Taktstriche hat.
Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, welche Passagen mir nicht ganz
sauber und gut gelungen sind. Das erste Werk einer Gattung ist in meinen
Augen immer etwas Besonderes, deshalb habe ich mich dafür entschieden
meine künstlerische Masterarbeit über Herbert Willi und seine Kompositionen
für Klarinette zu schreiben. Da dieses zeitgenössische Werk nicht unbedingt
einfach zu interpretieren ist, versuche ich im Rahmen dieser künstlerischen
Masterarbeit mehr über dieses Werk zu erfahren.
Ich werde diese Komposition in einzelne thematische Abschnitte gliedern, diese
analysieren um schlussendlich eine gelungene Interpretation zu erarbeiten.
2.0
Herbert Willi
2.1
Lebenslauf
Herbert Willi wurde am 7. Jänner 1956 in Bludenz/Vorarlberg geboren. Er
studierte Schulmusik und Theologie an der Universität in Innsbruck und
gleichzeitig Fagott und Klavier am Konservatorium in Innsbruck. Am Mozarteum
in Salzburg studierte er ab 1983 Komposition zuerst bei Helmut Eder und
danach bei Boguslaw Schaeffer. Im Jahr 1988 lernte er Olivier Messiaen
kennen.
Unter anderem komponierte er für die Salzburger Festspiele und das Cleveland
Orchestra ein Orchesterstück, das Konzert für Orchester (1991). Ebenfalls
schrieb
er
zur
150
Jahr
Feier
der
Wiener
Philharmoniker
eine
Auftragskomposition namens Begegnung für Orchester (1997/98). 2007
vollendete er den Zyklus Montafon, mit Äon, Konzert für Horn und Orchester.
Der Zyklus umfasst insgesamt vier Kompositionen. Neben Äon komponierte er
die Werke Eirene, ein Konzert für Trompete und Orchester (2001), …geraume
3
Zeit… ein Konzert für Flöte, Oboe, und Orchester (2002/03) und ego eimi,
Konzert für Klarinette und Orchester (2006). Im Auftrag des Opernhauses in
Zürich komponierte er die Oper Schlafes Bruder. Dieses Werk entstand in
Zusammenarbeit mit dem Autor Robert Schneider, dessen gleichnamiger
Roman als Vorlage zum Libretto diente, zum Jubiläum „1000 Jahre Österreich“.
2008 überarbeitete Herbert Willi die Oper Schlafes Bruder, welche am
Stadttheater in Klagenfurt uraufgeführt wurde.
Seine Werke wurden unter anderen in New York, Tokio, London, Wien, bei den
Salzburger sowie den Bregenzer Festspielen und in Berlin aufgeführt.
Zahlreiche namhafte Orchester und Dirigenten im In- und Ausland führten seine
Kompositionen auf.
Beim Label Wergo ist eine CD mit einigen Orchesterwerken von Herbert Willi
erschienen. Ebenfalls wurde eine CD mit seinen Kammermusikwerken der
Jahre 1984 bis 2005 veröffentlicht.
Er war Composer in Residence bei den Salzburger Festspielen, in der
Camerata Academia in Salzburg, bei der Gesellschaft der Musikfreunde des
Wiener Musikvereins, des Wiener Concert Vereins und beim Pacific Music
Festival in Sapporo, Japan sowie beim japanischen Kusatsu International
Summer Music Academy & Festival.
Herbert Willi erhielt zahlreiche Preise und Stipendien. 1997 wurde ihm das
Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst verliehen, sowie das
Große Verdienstzeichen des Landes Vorarlberg im Jahre 1998.
Aktuell lebt und arbeitet er als freischaffender Komponist in St. Anton im
Montafon
und
hat
seit
1999
eine
Professur
für
Komponieren
Landeskonservatorium für Vorarlberg in Feldkirch.¹
¹ Vgl: Willi, Herbert: Profil. Online im Internet: Url:
http://www.schott-musik.de/shop/persons/az/herbert-willi/ [Stand 2014-09-08]
4
am
2.2
Vom Wandern zur Komposition
„Komposition hat mit Vertrauen zu tun. In der Stille und Absichtslosigkeit die
Klänge zuzulassen, gehört mit zum Schönsten, das ich mir vorstellen kann“.2
Herbert Willi setzt sich nicht einfach an das Klavier oder den Schreibtisch und
fängt an zu komponieren, sondern hat ganz eigene Herangehensweisen zum
Komponieren. Bis es zur ersten Note auf einem Blatt Papier kommt, finden für
den praktischen Musiker einige ungewöhnliche Prozesse statt. Zu Beginn steht
meist ein Spaziergang oder Wanderung in den heimischen Bergen des
Montafon. Er sucht die Stille. Dies ist für ihn trotz der Abgeschiedenheit
mancher Berge und Täler kein leichtes Unterfangen.
Anfangs versucht er sich von seinen alltäglichen Eindrücken und Zwängen zu
befreien. Sobald er alles verarbeitet bzw. mit sich selbst geklärt hat, wird
irgendwann an einem bestimmten Ort an dem er sich gerade befindet diese
sogenannte Stille für ihn spürbar und auch hörbar. Es ist eine innere Stille, die
es ihm möglich macht „Musik“ zu hören. Was er da hört, ist nicht leicht in Worte
zu fassen, denn es zu beschreiben fällt auch ihm sichtlich schwer. Er spricht
gerne von Strukturen und Formen, die er in seinem Inneren hört. Diese
Hörerlebnisse notiert er immer noch an Ort und Stelle auf einem Zettel.
Manchmal sind es Zeichnungen mit abstrakten Formen und Figuren, ein
anderes Mal schreibt er sich bestimmte Noten auf. Je länger er an diesem
einen Ort verharrt, so wie er sagt „draufbleibt“, bilden sich schon gewisse
Klänge, die er einzelnen Instrumentengruppen zuordnen kann. Beispielsweise
Blechbläser mit Schalldämpfer und dem sog. wow-wow Effekt.
Sobald er den Anfang oder die Idee zu einer Komposition an jenem Ort
gefunden und in sich aufgenommen hat, ist es nicht zwingend notwendig diesen
wieder aufzusuchen. Es gelingt dem Komponisten auch unabhängig von dieser
Stelle nahtlos an seine gewonnenen Eindrücke anzuschließen.
Willi, Herbert in: Kreihsl, Michael: Klavier im Stau. Herbert Willi – ein Portrait. In: Streifzug
Kultur. ORF 2 Sendung vom 22.01.2006
5
Oftmals fehlt es den gehörten Klängen an Klarheit, sodass sie nicht zwingend
diversen Instrumenten zuzuordnen sind. Nun muss er als Komponist
versuchen, diese so gut es geht mit dem Instrumentarium, welches er zur
Verfügung hat, zu realisieren. Leider ist das nicht immer so einfach, denn die
Instrumente die er sich dabei vorstellt, gibt es nicht. Zum Beispiel hörte er
einmal einen Klang, den er einer Oboe zuordnete, die aber nur ca. zehn
Zentimeter lang ist.
Ein anderes Beispiel, wie er zur Idee einer Komposition kommt, ist folgendes:
Herbert Willi wollte zu Hause in Vorarlberg im Montafon über die Straße gehen.
Ihm ist es nicht gelungen, weil kein einziger Autofahrer stehen bleiben wollte.
Währenddessen kam ihm eine musikalische Vision, ein Pianist, welcher über
den Autos Klavier spielt. Dieses Bild hat sich so tief in ihm festgesetzt, dass er
ein Werk für Klavier solo komponierte.
Noch ein interessantes Beispiel zu seiner Arbeitsweise ist die Erschaffung von
zwei Charakteren in der Oper Schlafes Bruder. Als er an der Umsetzung der
Oper arbeitete, erschienen ihm zwei Figuren während einer Wanderung. Auf
übernatürliche Art und Weise waren diese mit Herbert Willi gemeinsam
unterwegs. So gestalteten sich innere Dialoge, die zu der Arbeit zu Schlafes
Bruder wesentlichen Beitrag leisteten.
Nicht nur die Täler und Berge des Montafons sind für ihn eine große Quelle der
Inspiration, sondern auch andere Regionen. Ganz etwas Besonderes ist für ihn
die Toskana. Als Herbert Willi zum ersten Mal in der Toskana aus dem Auto
stieg, hat es ihn sprichwörtlich erschlagen. Man kann es damit vergleichen, wie
wenn eine Person lange Zeit in einer entlegenen Region Tibets gelebt hat und
plötzlich am Times Square in New York steht. In seinen Worten beschreibt er es
wie folgt: „Es hat mich also quasi erschlagen…diese totale Fülle!“ Im Montafon
und auch anderswo auf der Welt hörte er immer nur einen ganz bestimmten
Frequenzbereich in seinem Inneren.3
3
Vgl. Kreihsl, Michael: Klavier im Stau. Herbert Willi – ein Portrait. In: Streifzug Kultur. ORF 2
Sendung vom 22.01.2006 (etwa 45 min)
6
Am einfachsten ist dies mit folgender Grafik (sie Abb.1) darzustellen und zu
erklären. Herbert Willi spricht vom sog. Urton, welcher für ihn der tiefste Klang
ist, den es gibt. Natürlich ist seine Grenze nach oben auch irgendwo festgelegt.
In der Toskana hört er den kompletten Klang vom tiefsten Ton bis zum
höchsten Ton. Währenddessen er bisher zum Beispiel im Montafon nur einen
Ausschnitt der „totalen Fülle“ gehört hat, in diesem Fall den Bereich von 65 bis
80.
Es gibt auch gewisse Täler im Montafon, die diesen Bereich etwas ausdehnen
können. Diese Grafik dient nur zum besseren Verständnis und beruht nicht auf
wissenschaftlichen Messungen.
Vom höchsten Ton (100) bis zum
tiefsten Urton (0)
120
100
80
60
Frequenz
40
20
0
Toskana
Montafon
gewisse Täler des
Montafon
Abb.1
Persönlich beschreibt Herbert Willi seine Kompositionstechnik folgendermaßen:
„Arbeitsprinzip: INNERES HÖREN
Komponieren bedeutet für mich INNERES HÖREN.
Ausgehend von einem Impuls, der in mir das Sichtbarwerden einer
Komposition auslöst, kommt es nach einer gewissen Zeit der
Verdeutlichung
zur
schriftlichen
Fixierung.
Sehr
oft
entstehen
Kompositionen so, daß ich geometrische Formen sehe, die irgendwann
in Bewegung übergehen, die Farben annehmen, bis diese Farben
schließlich Töne, Klänge usw. entstehen lässt.“4
4
Willi, Herbert: Stück für Klarinette solo. Seite 6. Doblinger Wien – München 1988
7
3.0
Stück für Klarinette solo
Dieses Werk für Klarinette entstand im Jahr 1985. Zu dieser Zeit studierte
Herbert Willi bereits seit zwei Jahren bei Helmut Eder in Salzburg Komposition.
Im
selben
Komponisten.
Jahr
erhielt
Herbert
er
Willi
das
Österreichische
widmete
das
Staatsstipendium
Stück
dem
für
damaligen
Soloklarinettisten der Wiener Philharmoniker, Alois Brandhofer, dem späteren
Soloklarinettisten der Berliner Philharmoniker. Heute ist er Professor für
Klarinette am Mozarteum in Salzburg.
Außerdem komponierte Herbert Willi ein kammermusikalisches Werk für
Klarinette und Klavier. Froher Gesang wurde 1983 komponiert und 1984 von
Alois Brandhofer und Eugen Jakab in Bludenz uraufgeführt. Weiters schrieb er
2006 ego eimi ein Konzert für Klarinette und Orchester, welches aus dem
Zyklus „Montafon“ stammt. Dies wurde von Sharon Kam und dem RSO Wien
bei den Salzburger Festspielen 2006 uraufgeführt.
3.1 Werkanalyse
„Während der Komposition hatte ich das Bild eines, [sic] ausgelassen
dahinspielenden Schafhirten vor Augen, [sic] und erst als er nicht mehr da war,
haben alle nach ihm gefragt.‘“5
Auf den ersten Blick fallen einem bei der Analyse des Werkes die fehlenden
Taktstriche auf, als Konsequenz fällt so die logische Betonung weg. Als Beispiel
wäre hier ein Dreiviertel-Takt zu erwähnen, dieser wird durch die erste Zählzeit
charakterisiert. Ebenso ist die musikalische Gestaltung durch den Wegfall des
Taktes erschwert. Beispielsweise ist sowohl die Phrasierung, als auch die
logische Gliederung, wie zum Beispiel bei einer Liedform mit A – B – A‘ nicht
genau definierbar.
5
Willi, Herbert in: Alex Ladstätter, Keiko Hattori. Open Spaces. CD. ORFV und VMS 2013. S. 3
8
Bei einer genaueren Ansicht der Notenschrift kann man eine Abfolge von Tönen
erkennen, die im ganzen Werk mehrmals wiederholt wird. Dieses Leitmotiv
(Abb. 2) steht ganz am Anfang des Stückes und besteht aus den ersten drei
Noten. Im Laufe des Stückes wird es gut wahrnehmbar in verschiedenen
Variationen wiederholt. Geprägt ist das Motiv durch eine auftaktartige
sechzehntel Note zur Hauptnote mit einem Intervall von einer nach oben
gerichteten kleinen Sekund. Die Ausnahme ist das Leitmotiv – A‘‘‘‘ welches
sofort nach dem Leitmotiv – A‘‘‘ kommt und am Ende des Stückes steht. Hier
haben wir eine große Septim als Auftakt.
Nach der Hauptnote fällt das
Leitmotiv A um eine große Sekund nach unten. Dieses fallende Intervall ist von
Motiv zu Motiv unterschiedlich. Bei A‘ eine reine Quart, bei A‘‘ eine kleine Terz,
bei A‘‘‘ eine große Terz und bei A‘‘‘‘ wieder eine reine Quart.
Abb. 2
9
Besonders
in
der
ersten
Phrase
wird
dieses
Motiv
sofort
in
zusammenhängender Weise und in Variationen wiedergegeben (siehe Abb.3).
Abb.3
Da keine Taktstriche in diesem Werk vorhanden sind habe ich versucht mit der
Hilfe vom musikalischen Charakter der Dynamik und den Tempobezeichnungen
das Werk in verschiedene Abschnitte zu gliedern und diese zu analysieren.
Teil A:
Anfang Notenzeile 1 bis Ende Zeile 8
Teil B:
Anfang Zeile 9 bis Mitte Zeile 15
Teil C:
Mitte Zeile 15 bis Ende Zeile 19
Teil D:
Zeile 20 bis Ende Zeile 25
Teil E:
Zeile 26 bis Ende Zeile 34
10
3.1.1 Teil A
Den ersten Teil von Zeile eins bis zum Ende der achten Zeile habe ich
deswegen so gewählt, weil der Charakter des Abschnittes über den ganzen
Zeitraum ungefähr gleich bleibt. Natürlich gibt es keine klaren Teile, wie bei
einem klassischen oder romantischen Konzert mit verschiedenen Sätzen.
Vielmehr geht zum Beispiel der erste Teil fließend in den zweiten Teil über.
Herbert Willi stellt dem Stück für Klarinette solo „Etwas frei“ an den Anfang. Ob
er nun damit die freie und individuelle Interpretation eines Ausführenden fördern
möchte, oder nur damit sagen will, dass manche Rhythmen nicht genauestens
auszuführen sind, bleibt zu hinterfragen.
Das Tempo 96 ergibt einen fließenden, dennoch ruhigen Charakter. Obwohl der
Teil A sehr rhythmisch geprägt ist, sollte dennoch die Weise des
„Dahinspielens“, wie im oben angeführten Zitat, angestrebt werden und auf
keinen Fall vertikal gespielt werden. Vielmehr sollte darauf geachtet werden,
dass lange Melodiebögen entstehen.
Abb.4
Obwohl das Werk über keine Taktart verfügt, kann man die erste Phrase am
Anfang des Stückes trotzdem sehr gut wahrnehmen (siehe Abb. 4). Besonders
das erste Motiv wird öfters im Stück auf ähnliche Weise wiederholt.
11
3.1.2 Teil B
Das kleine g leitet eine sehr ruhige Phase in diesem Werk ein. Anfangs wird
diese Ruhe noch von fallenden punktierten Viertelnoten gestört. Nach und nach
kommen wir der Stille ganz nahe.
Nach einer erneut fallenden Figur vom h‘‘ bis zum as‘ und mit mp und einem
decrescendo versehen, kommen wir beim kleinen g im vierfachen pianissimo
an. Dieser Ton spielt eine wesentliche Rolle im B-Teil. Das kleine g im
vierfachen pianissimo, welches ich schon zuvor erwähnt habe, leitet wieder
heraus aus dieser sehr ruhigen Stelle. Zuerst wird das kleine g auf sieben
Schlägen ausgehalten, die Dynamik steigert sich nach einer viertel Pause auf
ein dreifaches pianissimo mit vier Schlägen. Zuletzt wird das kleine g nach einer
achtel Pause zwei Schläge lang ausgehalten. Der noch sehr ruhige Charakter
dieses Teiles wird immer dichter und unruhiger. Weiters verläuft die Melodie mit
einem kleinen crescendo etwas in die Höhe um dann wieder mit einem
decrescendo beim kleinen g zu landen. Nach einer Pause geht es weiter mit
einem kleinen g im piano, welches durch einen kleinen „Schlenzer“ (siehe Abb.
5) wieder zurück ins kleine g geht. Und plötzlich kommt das g‘ – as‘ Motiv des
Anfangs wieder um langsam die rhythmische Gestaltung des A-Teiles wieder zu
erreichen. Trotzdem endet der Teil B mit einer Figur, die vom kleinen g startet
und wiederum über einen „Schlenzer“ beim kleinen g landet und in einen neuen
Teil überleitet.
Abb.5
12
Dynamisch nützt der Komponist im leisen Abschnitt des Teil B vom vierfachen
pianissimo alle Stufen bis zum mezzopiano aus. Dies zeigt, dass auch die Stille
unterschiedliche Energien und Intensitäten haben kann.
3.1.3 Teil C
Der Teil C fängt inmitten der Zeile fünfzehn mit einer neuen Tempobezeichnung
an. Mit 112 Schlägen pro Minute wird das Tempo erhöht. Mit der Zeile
neunzehn und einer markanten staccato Passage endet der Teil C.
Am Anfang des 3. Teiles sind sprunghafte Figuren die Leitfigur der Melodie.
(siehe Abb.6) Die Abstände zwischen den einzelnen Noten werden jedoch im
Verlauf immer kleiner, bis der Melodiebogen nur noch schrittweise erfolgt.
(kleines f und e). Zusätzlich sind die dynamischen (piano bis sfz und dreifaches
fortissimo) und metrischen Wechsel (rit., accelerando) in diesem Teil nicht zu
vernachlässigen.
Abb.6
Den noch ruhigeren Anfang des Teil C unterbricht der Komponist mit einer
wilden aufsteigenden staccato Passage im dreifachen fortissimo um danach für
ganz kurze Zeit im Charakter des ersten Teiles wiederum zu verweilen. Im
Anschluss führt der Komponist den Teil C durch einen schneller werdenden,
aufsteigenden Lauf zum Höhepunkt (siehe Abb.7).
13
Abb.7
Dieser Lauf startet beim kleinen g mit Akzent, weiter zum g‘ (mit a‘-Vorschlag),
weiter zum d‘‘ (mit cis‘‘-Vorschlag), danach zum g‘‘ und dann zum b‘‘‘.
Anschließend endet der Lauf vom c‘‘‘ chromatisch bis zum fis‘‘‘. Ausgehend
vom kleinen g entsteht somit eine Obertonreihe mit den ersten vier Teiltönen.
Würde man beim b‘‘ das Versetzungszeichen weglassen, bekäme man noch
einen weiteren Oberton mit dem h‘‘ dazu.
Danach wird der Lauf chromatisch weitergeführt und geht über in einen wilden,
sehr sprunghaften staccato Abschnitt. Anfänglich noch über mehrere Noten
verteilt, pendelt sich das Staccato nach und nach zwischen dem f‘‘ und dem h
ein. Das Intervall der Duodezim ist für die Klarinette nicht unwichtig, denn sie
überbläst nicht wie bei den meisten Blasinstrumenten um eine Oktave sondern
um eine Duodezim. Dieses Intervall wird öfters wiederholt um schlussendlich
mit einem ritardando im h‘ zu enden.
14
3.1.4 Teil D
Weil der Teil E ganz klar endet und danach etwas Neues kommt, war die
Definition des D Teiles relativ einfach. Er fängt mit der Zeile zwanzig an und
endet auch wieder ganz klar in einem fünffachen pianissimo am Ende der Zeile
25.
Der Großteil dieses Abschnittes hat relativ wenig thematische Dichte und nimmt
in den ersten Zeilen einen rhapsodischen Charakter an (siehe Abb.8) Es gibt
zwar wieder lange legato Bögen zu spielen, aber die Phrasenbildung ist nicht
mehr eindeutig wahrzunehmen, wie noch im Teil A. Herbert Willi wechselt stark
unregelmäßig zwischen einzelnen punktierten Viertelnoten, Viertelnoten,
punktierten Achtelnoten, Achtelnoten und auch einzelnen Sechzehntelnoten ab.
Diese Rhythmik wird manchmal durch schnelle Läufe unterbrochen. Das
gleiche gilt für die Dynamik. War in den Teilen A, B und C, die Dynamik noch
eher über weitere Abschnitte gut verteilt, wechselt sie jetzt in kurzen
Abschnitten sehr sprunghaft.
Abb.8
Kurz vor der Zeile 23 ändert sich der Charakter. Das Sprunghafte und das
Unregelmäßige von den Zeilen davor verschwindet und wird durch den
Charakter des ersten Teiles ersetzt. In weiterer Folge endet der Teil D ähnlich
wie der vorangegangene Teil.
Dieses Mal führt nicht mehr ein Lauf mit einem molto crescendo zu wilden
staccato Noten. Da jetzt zwei virtuose Figuren in einem forte enden, treten die
sofort anschließenden leisen staccato Achtel sehr überraschend auf (siehe
Abb.9) Man kann sagen, dass vorher die staccato Noten vorbereitet waren und
in diesem Fall die kurzen Achtelnoten wieder etwas Ordnung in den Verlauf des
15
Werkes
bringen.
War
bisher
im
Teil
D
die
Sprunghaftigkeit
und
Unregelmäßigkeit vorhanden, haben wir jetzt plötzlich einen konstanten
Rhythmus, ein langsames Abflachen der Dynamik und nur noch drei
verschiedene Töne (e‘‘, b‘, f‘) über einen längeren Bereich.
In diesem Fall
bekommt man beim Zuhören und beim Spielen das Gefühl, als ob alles andere
plötzlich verdrängt wird nur um danach in einem fünffachen pianissimo
auszuklingen, welches noch dazu den stillsten und spannendsten Moment in
diesem Stück darstellt.
Abb.9
16
3.1.5 Teil E
Der Teil E beginnt nicht in der Zeile der neuen Tempobezeichnung (Zeile
achtundzwanzig), sondern schon nach der Fermate in Zeile fünfundzwanzig,
weil die Zeilen sechsundzwanzig und siebenundzwanzig als Überleitung für den
letzten Teil gedacht sind.
Das Hauptaugenmerk des Teil D liegt auf virtuosen, wellenartigen Läufen, die
durch crescendi und decrescendi unterstützt sind. In Zeile dreißig greift der
Komponist auf ein Motiv aus dem Teil C zurück, welches zwar nicht genau
gleich wiedergegeben wird, das aber den Charakter auf jeden Fall imitiert (siehe
Abb.10).
Abb.10
Durch ein auskomponiertes accelerando und ein crescendo intensiviert, gipfelt
dieser Lauf in einer kurzen, durch große Sprünge gekennzeichneten staccato
Passage. Danach nimmt der Komponist den vorangegangenen Charakter mit
einem steigenden Lauf vom tiefen bis zum hohen Register der Klarinette wieder
auf (siehe Abb.11) Den Höhepunkt erreicht dieser Lauf mit einer wellenartigen
sich wiederholenden Figur zwischen fis‘‘ und cis‘‘‘ um dann wieder zum h‘ zu
kommen.
Abb.11
17
Dieser langen Melodieführung folgt sofort ein schneller werdendes Tremolo
zwischen h‘ und f‘‘ welches dann durch einen steigenden Lauf mit einem
sforzando auf dem f‘‘‘ endet. Anschließend geht die Aufgeregtheit und
Virtuosität der letzten Zeilen zurück zur Ruhe. Das Motiv des Anfanges wird
wiederholt um danach im Klang des Chalumeauregisters der Klarinette im
Nichts zu versinken (siehe Abb. 12)
Abb.12
18
4.0
Interview
Das Interview mit Herbert Willi wurde am Montag, den 26. Jänner 2015 in
Feldkirch am Landeskonservatorium für Vorarlberg von mir durchgeführt. Mit
der Erlaubnis von Herbert Willi habe ich das Gespräch mit einem Audiorekorder
aufgezeichnet.
DL:
Warum und aus welchem Grund haben sie das Werk Stück für Klarinette
solo geschrieben?
HW: Also ich weiß es nicht mehr ganz genau, es gibt ja das Stück Froher
Gesang für Alois Brandhofer. In dem Zusammenhang ist die Idee entstanden,
dass ich für ihn ein neues Stück schreibe. Das ist eigentlich der Grund warum
ich es geschrieben habe.
DL:
Im ORF Porträt über sie wird gezeigt, wie sie dem damaligen
Soloflötisten der Wiener Philharmoniker erklären und zeigen, wie und wo es zu
der Idee zum Solowerk für Flöte kam. Gibt es eine ähnliche Begebenheit, die
für das Klarinettenwerk zutrifft.
HW: Da gibt es nicht wirklich eine Geschichte dazu. Aber es gibt das Bild des
Hirten, der auf einem Hügel steht. Für mich gab es dort das Bild, dass auf
einem Hügel oben, eine Klarinette spielt. In meinem Text über das Werk
schreibe ich Schafhirte, ich hab kein besseres Wort gefunden. Ganz gefällt es
mir nicht, aber es ist egal.
DL:
Also kann man Schafhirte mit der Klarinette gleichsetzen?
HW: Genau, dort oben spielt eine Klarinette, was immer es ist und unten
gehen Menschen vorbei. Da ist ein Weg und da gehen immer Menschen vorbei
und der (Schafhirte) spielt immer für sich. Der spielt und spielt und niemand hört
ihm zu. Niemand bleibt stehen und hört ihm zu und irgendwann hört er auf zu
spielen. Dann bleiben alle stehen und wundern sich warum er nicht mehr spielt.
Aber als er gespielt hat, hat ihm keiner zugehört.
19
DL:
Also gibt es für ihren Text - Während der Komposition hatte ich das Bild
eines ausgelassen dahinspielenden Schafhirten vor Augen, und erst als er nicht
mehr da war, haben alle nach ihm gefragt - auch ein richtiges Bild dazu?
HW: Nein, das ist ein Bild das in mir präsent gewesen ist, als ich das Stück
geschrieben habe. Es geht darum, dass der (Schafhirte) einfach für sich spielt,
weil wenn du das (Anfang vom Stück für Klarinette solo) anschaust, (singt die
ersten paar Noten des Stückes) da spielt er für sich und hat eine große Freude
dabei. Der stellt nicht einmal Fragen. Die Freude am spiel reicht ihm. Der ist
einfach zufrieden und spielt und das ist das Bild, der spielt und spielt, (singt
wieder die ersten paar Noten) und spielt dahin und spielt dahin. Nicht mehr und
nicht weniger.
Und unten sind die Leute vorbei gegangen aber niemand ist stehen geblieben
und hat ihm zugehört. Und plötzlich, wie gesagt, hört er auf zu spielen und dann
bleiben sie stehen und fragen warum der nicht mehr spielt.
Und dort setzt das Klarinettenkonzert (ego eimi) an, dass ich für die Salzburger
Festspiele komponiert habe. Es fängt ähnlich an, dann hört er, der Solist auch
auf zu spielen. Das Konzert fängt mit der Kadenz an, die kommt nicht irgendwo,
sondern die Kadenz ist am Anfang. Der Solist spielt und niemand hört ihm zu,
dann hört er auf und dann fragt das Orchester und das Publikum: „Warum
spielst du nicht mehr?“ Dann sagt der Solist: „Ja ok, dann spiele ich weiter und
lade euch ein um mit mir gemeinsam zu spielen.“ Dann spielt das Orchester
mit. Die Geschichte vom Orchester ist lang, die lass ich jetzt weg.
Nachdem diese Begegnung mit dem Orchester stattgefunden hat, ist es für ihn
(Solist/Schafhirte) auch wieder zu Ende. Er spielt nochmal den Anfang von der
Kadenz und verschwindet dorthin wo er immer schon hin wollte. Wo immer das
auch ist, er spielt für sich. Also er macht Musik weil es ihm Freude bereitet,
dorthin geht er dann wieder. Er ist nur zufällig dazwischen in der Öffentlichkeit
gewesen.
DL:
Es ist ihm also auch relativ egal, ob da jemand ist, der ihm zuhört.
20
HW: Genau, er spielt für sich. Erst als er aufhört, bemerkt er, die haben ja
zugehört und dass sie auch weiter ihm zuhören würden. Darum lädt er das
Publikum und das Orchester ein, um mit ihm ein gemeinsames Stück vom Weg
zu gehen. Als dann diese Begegnung stattgefunden hat, gehen die anderen
ihren Weg und er geht auch wieder weiter und spielt für sich, weil er Freude an
der Musik hat und das reicht ihm.
DL:
Inwiefern spielte Alois Brandhofer eine Rolle
im Prozess des
Komponierens?
HW: Der spielt auf jeden Fall eine Rolle. Damals als ich das Stück
geschrieben habe, habe ich ihn mir auch vorgestellt. Ich habe ihn auch schon
persönlich kennengelernt und ich glaube jeder der ihn als Musiker kennt, weiß
was er für Stärken hat und die hab ich natürlich auch versucht zu
berücksichtigen, wobei ich mich aber eher intuitiv auf das eingelassen habe. Ich
hab mir auch das Bild vorgestellt, dass er spielt, weil wenn ich mir sonst
jemanden vorstelle würde wieder eine andere Musik entstehen. So wie ich ihn
als Mensch und als Klarinettist gespürt habe, das läuft natürlich über eine lange
Zeit unbewusst ab, hat er natürlich eine große Rolle gespielt.
DL:
Haben sie zum Beispiel sein virtuoses Staccatospiel in der Komposition
berücksichtigt? Es kommen ja einige schnelle Staccato-Figuren vor.
HW: Zum Beispiel, aber auch besonders der Ton von ihm. Darum sind immer
wieder, ich sag mal vom c2 bis zum d3 hinauf, hab ich immer wieder crescendo
und decrescendo benutzt. (singt kurzer Lauf nach oben und wieder fallend) Dort
wo die Klarinette so richtig gut klingt, das hat so einen eigenen Sound, diese
Fülle, diese Klanglichkeit, das Strahlende, das hab ich auch immer wieder
eingebaut. So wie die crescendi drinnen stehen, die haben den Sinn, dass die
Tonfolgen fast durch diese crescendi und decrescendi ineinander klingen. Fast
wie wenn das Klavier das Pedal drückt. Da entsteht dann eine Klangwolke und
diese Klanglichkeit gefällt mir generell bei der Klarinette, aber auch die Tiefe.
Darum gibt’s auch längere tiefe Passagen. (singt) Diese ganz besonderen
21
Farben der Klarinette spielen eine Rolle und auch im Zusammenhang mit Alois
Brandhofer, der einen ganz speziellen Ton hat, der mich sicher inspiriert hat.
DL: Sie haben das Stück 1985 komponiert. Damals studierten sie am
Mozarteum in Salzburg. Wurden sie von anderen Komponisten inspiriert, oder
spiegeln sich Besonderheiten von anderen Komponisten in diesem Stück?
HW: Ich würds mal so sagen, ich glaube niemand komponiert im luftleeren
Raum, bewusst aber sicher nicht. Aber wie du sagst, ich habe erst mit 25 oder
26 Jahren begonnen Komposition zu studieren. Hab das Stück während meiner
Studienzeit geschrieben und ist eigentlich für mich das Opus eins. Ab dort zähle
ich meine Werke, die davor gibt es zwar, aber die zähle ich nicht mit. Also
insofern hat es eine ganz besondere Rolle. Es ist für mich das erste Stück, das
ich Opus eins nennen würde. Ich habe selber keine Opuszahlen, aber aus
meiner Sicht ist es das erste Stück, also wenn ich es Opus eins nenne, sagt
das viel aus. Es ist ein ganz besonderes Stück in meiner Biographie, drum find
ich es lustig, dass du genau das ausgewählt habe. Ich habe es auch noch nie
zum Thema gemacht, dass das für mich Opus eins ist. Das Flöte-Klarinette
Werk hab ich ja früher geschrieben.
DL:
Das Stück hat in diesem Fall eine große Bedeutung für sie.
HW: Absolut. Darum habe ich auch die Idee mit dem Klarinettenkonzert
weiterentwickelt. Es ist für mich ganz sinnvoll gewesen, weil die Geschichte ja
nicht zu Ende gewesen ist. Der hat aufgehört zu spielen und die anderen fragen
warum spielst du nicht mehr. Und deshalb hat es die Fortsetzung im
Klarinettenkonzert gegeben. Mit dem letzten Ton des Orchesters kommt ein Teil
der Kadenz des Anfanges wieder und er verschwindet fürs Publikum, wohin
wissen wir nicht, aber er spielt ja weiter.
DL:
Dann wäre es wieder ein offenes Ende. Werden sie dann als Fortsetzung
ein weiteres Werk für Klarinette schreiben?
HW: E ist ein offenes Ende und es wird sicher eine Fortsetzung geben.
22
DL:
Hat sich die Herangehensweise zum Komponieren seit damals
geändert?
HW: Das ist eigentlich absolut gleich geblieben. Der Unterschied ist der,
Unterschied in Anführungszeichen, früher bin ich eine viel länger Zeit im
Rückzug gewesen, von einem Monat bis zu einem Jahr. Zum Beispiel war ich
lange in der Toskana, viele Monate, das längste am Stück war ein Jahr lang.
Aber auch bei uns in Vorarlberg habe ich mich immer im Rückzug aufgehalten
um die Stille zu suchen. Die Bedeutung der Stille ist gleich geblieben, aber
mittlerweile kann ich sie jederzeit abrufen. Zum Beispiel an einer Kreuzung mit
vielen Autos kann ich den Raum der Stille abrufen, da zieh ich mich zurück. Ich
muss nicht mehr so lange und intensiv um mich herum Stille haben. Die Stille
ist ein Raum geworden, der letztlich immer in mir gewesen ist. Früher war es
so, dass ich die Stille in der Außenwelt gesucht habe, die dann bewirkt hat,
dass es Innen in mir still geworden ist. Inzwischen wage ich zu behaupten, dass
ich von meiner Außenwelt unabhängig bin. Ich konzentriere mich auf mich und
mein Inneres und dann bin ich im Raum der Stille. Die Stille ist geblieben aber
die Vorgangsweise dazu hat sich verändert.
DL:
Ist das Bild des Schafhirten auch aus der Stille heraus entstanden?
HW: Absolut, das entstand dadurch, dass ich damals lange Zeit in der Stille
gewesen bin. Natürlich höre ich immer Musik in mir, aber die interessiert mich
nicht. Ich nenne das Tagebuch. Weil das was am Tag abläuft, erzeugt Klänge
und Musik in mir. Vergleichsweise wie Gedanken, wenn man am Abend nicht
einschlafen kann. Die Gedanken oder die Musik hören nicht auf, aber das ist
das Tagebuch. Deshalb gehe ich in die Stille damit es nach einigen Tagen oder
Wochen irgendwann wirklich still wird. Dann schläfst du ein und es ist still bevor
du einschläfst und dann bleib ich in dieser inneren Stille über Tage und
Wochen. Wenn aus dieser Stille Musik hörbar wird, dann schreibe ich sie auf.
Das ist aber eine andere Quelle, das ist nicht mehr mein Tagebuch. Aus dieser
Quelle kommt natürlich auch das Bild vom Schafhirten.
23
DL:
Ich bedanke mich recht herzlich für dieses Gespräch und dass sie sich
für mich Zeit genommen haben.
HW: Bitte, sehr gerne.
24
5.0
Zusammenfassung
Das Werk Klarinette solo von Herbert Willi habe ich zum ersten Mal in den
Jahren 2004/05 gespielt. Als 18jähriger Klarinettist versuchte ich damals
rhythmisch, dynamisch und technisch perfekt zu spielen. Da es auch mein
erstes zeitgenössisches Werk war, mit dem ich in Berührung gekommen bin,
machte ich mir damals auch nicht besonders viel Gedanken über eine
künstlerische Interpretation. Damals war mein grobes Ziel das Werk fehlerfrei
vorzutragen. Zehn Jahre später sehe ich das ganze Werk mit anderen Augen
und somit haben sich die Ziele auch verändert. Natürlich soll mein Vortrag
technisch, rhythmisch und dynamisch einwandfrei sein, jedoch spielt die
künstlerische Interpretation für mich eine wesentliche Rolle.
Zusammenfassend ergeben sich aus der Analyse des Werkes fünf Abschnitte.
Jeder einzelne davon hat einen bestimmten Charakter, der beispielsweise sehr
ruhig, melodisch oder auch virtuos ist. Außerdem liegt dem Werk ein Leitmotiv
zu Grunde, das sich im ganzen Stück immer wieder auf unterschiedliche Weise
wiederholt.
25
6.0
Literaturverzeichnis
Böhler, Angelika: Studiogespräch mit Herbert Willi – Vorschau auf die Sendung
"Klavier im Stau". In: Vorarlberg Heute. ORF 2 Sendung vom 21.06.1996 (etwa
Dobner, Walter: Angekommen – Herbert Willi und sein Zyklus Montafon. In:
Magazin der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien. (2008) August
Kreihsl, Michael: Klavier im Stau. Herbert Willi – ein Portrait. In: Streifzug Kultur.
ORF 2 Sendung vom 22.01.2006 (etwa 45 min)
Mika, Anna: In der Stille frei werden – Herbert Willi im Gespräch. In:
Österreichische Musikzeitschrift. (2006) Band 8
Sadie, Stanley (Hrsg.): The New Grove dictionary of music and musicians
Volume 27. London 2001
Alex Ladstätter, Keiko Hattori: Open Spaces. CD. ORFV und VMS 2013
Willi, Herbert: Profil. Online im Internet: Url:
http://www.schott-musik.de/shop/persons/az/herbert-willi/ [Stand 2014-09-08]
Willi, Herbert: Stück für Klarinette solo. Doblinger Wien – München 1988
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