3. Symphoniekonzert Saison 2011|2012

Werbung
3. Sy m
phonie
kon zer
Saison
t
2011 | 2
012
Charle
s Dutoi
t Dir ig
Yuja W
ent
ang K l
av
ier
o r ts w e c h s e l .
3. Sy m
phonie
kon zer
Saison
t
2011 | 2
012
Besuchen Sie den Ort, an dem Automobilbau zu
einer perfekten Komposition wird: die Gläserne
Manufaktur von Volkswagen in Dresden.
w w w.g l a e s e r n e m a n u fa k t u r . d e
PA R T N E R D E R
S TA AT S K A P E L L E D R E S D E N
Christi
Chef
an Thie
d ir ig
Sir Coli
Ehre
leman
n
ent a
b 201
2
n Davis
Nd ir ig
ent
s o 2 0 .11 .11 11 U h r
S e mp e r o p e r
|
m o 2 1 .11 .11 2 0 U h r
|
d i 2 2 .11 .11 2 0 U h r
3. Symphoniekonzert
Dir igent
Charles Dutoit
K l av i e r
Yuja Wang
Programm
Sergej Prokofjew
(18 9 1-19 5 3 )
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 3 C-Dur op. 26
1. Andante – Allegro
2. Tema con variazioni. Andantino
3. Allegro ma non troppo
Pau s e
Claude Debussy
(18 6 2 -19 18 )
Yuja Wang statt Martha Argerich
Leider musste Martha Argerich ihre Mitwirkung am 3. Symphoniekonzert
kurzfristig aus gesundheitlichen Gründen absagen. An ihrer Stelle spielt nun
die junge chinesische Pianistin Yuja Wang, die damit erstmals in den Konzer­
ten der Staatskapelle zu erleben ist. Statt der ursprünglich angekündigten
Werke von Weber und Beethoven erklingt nun im ersten Konzertteil das dritte
Klavierkonzert von Sergej Prokofjew. Der Rest des Programms bleibt unverän­
dert. Wir bitten um Ihr Verständnis und wünschen Ihnen ein schönes Konzert.
Kost en lose Ei n f ü h ru ngen j e w ei ls 4 5 M i n u t en vor Begi n n
i m Op e r n k e l l e r d e r S e mp e r o p e r
»La Mer« (Das Meer), Drei symphonische Skizzen
1. De l’aube à midi sur la mer (Von der Morgendämmerung bis zum Mittag
auf dem Meer). Très lent
2. Jeux de vagues (Spiel der Wellen). Allegro
3. Dialogue du vent et de la mer (Zwiesprache von Wind und Meer).
Animé et tumultueux
Ottorino Respighi
(18 7 9 -19 3 6 )
»Pini di Roma« (Die Pinien von Rom)
1. P ini di Villa Borghese (Die Pinien der Villa Borghese).
Allegretto vivace
2. Pini presso una catacomba (Pinien bei einer Katakombe). Lento
3. I pini del Gianicola (Die Pinien auf dem Janiculum). Lento
4. Pini della Via Appia (Die Pinien der Via Appia). Tempo di marcia
Au fzeich n u ng du rch M DR F ig a ro.
S e n d e t e r m i n : 2 9 . N o v e mb e r 2 0 1 1 , 2 0 . 0 5 U h r
2
3
3. SYMPHONIEKONZERT
Charles Dutoit Dirigent
C
harles Dutoit gehört zu den großen Pultstars unserer Zeit. Der­
zeit amtiert er als Chief Conductor des Philadelphia Orchestra
sowie als Artistic Director und Principal Conductor von dessen
Sommerfestival in Saratoga. Darüber hinaus leitet er seit 2009
als Artistic Director und Principal Conductor das Royal Philhar­
monic Orchestra in London sowie das Verbier Festival Orchestra.
Legendär ist seine Zeit als Artistic Director des Montreal Sympho­
ny Orchestra, mit dem er in 25 Jahren den Großteil seiner annähernd 200
Aufnahmen einspielte. Weitere Chefpositionen verbanden ihn mit dem
Orchestre National de France in Paris sowie mit dem NHK Symphony Or­
chestra in Tokyo. Er war Artistic Director des Sapporo Music Festival in
Japan und steht derzeit in gleicher Funktion dem Miyazaki International
Music Festival vor.
Charles Dutoit arbeitet regelmäßig mit den führenden Klangkörpern
in den USA und in Europa. Seit seinem Debüt an der Wiener Staatsoper mit
Anfang 20, das auf Einladung Herbert von Karajans erfolgte, dirigierte er
regelmäßig am Royal Opera House Covent Garden in London, an der Deut­
schen Oper Berlin und an der New Yorker Metropolitan Opera. Seit 2003
leitete er Wagners »Fliegenden Holländer« und den gesamten »Ring« am
Teatro Colón in Buenos Aires.
Für seine musikalischen Verdienste wurde Charles Dutoit vielfach
ausgezeichnet. Der gebürtige Schweizer – er wurde in Lausanne geboren –
bereiste alle 195 Staaten dieser Erde und lebt derzeit in der Schweiz, in
Paris, Montreal, Buenos Aires und Tokyo.
Am Pult der Sächsischen Staatskapelle Dresden ist er seit 2004
regelmäßig zu erleben, zuletzt im November 2009 mit Werken von Hector
Berlioz, Maurice Ravel und Gustav Holst.
4
5
3. SYMPHONIEKONZERT
Sergej Prokofjew
* 1 1 . ( 2 3 . ) Ap r i l 1 8 9 1 a u f G u t S o n z o w k a ( J e k a t e r i n o s l a w , Uk r a i n e )
† 5. M ä r z 195 3 i n Mosk au
Aufbruch und Heimweh
Zu Sergej Prokofjews drittem
Klavierkonzert
Die Reise in den Westen
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 3 C-Dur op. 26
1. Andante – Allegro
2. Tema con variazioni. Andantino
3. Allegro man non troppo
e n tsta n de n
Besetz u ng
zwischen 1917 und 1921 in
St. Petersburg, London und Paris;
Abschluss der Komposition 1921
im bretonischen Badeort Saint
Brévin-les-Pins
Klavier solo; 2 Flöten, 2 Oboen,
2 Klarinetten, 2 Fagotte, 4 Hörner,
2 Trompeten, 3 Posaunen, Pauken,
Schlagzeug (1 Spieler), Streicher
Anfang Mai 1918 verließ der 27-jährige Sergej Sergejewitsch Prokofjew die
Sowjetunion – in einer Zeit, in der viele Künstler und Literaten in roman­
tischer Aufbruchstimmung und im Elan einer »neuen Zeit« schwelgten.
Prokofjew hatte die Monate des Revolutionsjahres 1917 vorzugsweise ab­
seits von St. Petersburg, dem Zentrum der Unruhen, zugebracht. Er sah sich
mußevoll die Sterne durch ein Teleskop an, das er gekauft hatte, las Kant
und Schopenhauer und fuhr mit einem Dampfschiff auf Wolga und Kama.
Die Kompositionen, die Prokofjew damals vollendete – die »Symphonie
classique«, das erste Violinkonzert, die dritte und vierte Klaviersonate –
vermitteln auch nicht den geringsten Eindruck politischer Umwälzungen:
kein Reflex der historischen Ereignisse, kein Widerhall von Umbruch und
Umsturz ließe sich in diese Musik hineininterpretieren. Als Prokofjew am
8. (21.) April 1918 in St. Petersburg die kaum beachtete Uraufführung sei­
ner »Klassischen Symphonie« dirigierte, spürte er – nicht zum letzten Mal in
seinem Leben –, dass er fehl am Platze war. Wenige Tage danach brach er zu
einer Reise in den Westen auf, für einige Monate nur, wie er glaubte.
V e r l ag
u r au f g e f ü h r t
am 16. Dezember 1921 in Chicago
(Solist: Sergej Prokofjew;
Chicago Symphony Orchestra,
Dirigent: Frederick Stock)
6
7
Boosey & Hawkes – Bote & Bock,
Berlin
Im Exil
Dau e r
Doch als Sergej Prokofjew im Frühjahr 1920 in London mit Landsleuten zu­
sammentraf und vom Ausmaß des wirtschaftlichen Niedergangs in Russland
erfuhr, musste er erkennen, dass sich seine »Reise« in einen langfristigen
ca. 27 Minuten
3. SYMPHONIEKONZERT
Aufenthalt verwandeln würde. Den Sommer 1921 verlebte der mittlerweile
30-jährige Komponist in St Brévin-les-Pins, einem Badeort in der Bretagne.
Der Tagesablauf unterlag einer strengen Ordnung, ganz wie es Prokofjews
Naturell entsprach. Die Mahlzeiten, die Klavierübungen, die Schachpartie,
die Erholung beim Schwimmen – alles folgte einer pünktlichen und sys­
tematischen Regelmäßigkeit. »Ich stehe auf um 8.30 Uhr«, erzählte er in
einem Brief. »Nachdem ich eine heiße Schokolade getrunken habe, sehe ich
nach, ob der Garten noch da ist, wo ich ihn vermute. Dann setze ich mich an
die Arbeit: Ich schreibe gerade das dritte Klavierkonzert.«
Rückblicke
Trotz allem konnte und wollte Prokofjew die Brücken in seine Vergangenheit
nicht niederreißen. Bei der Komposition seines C-Dur-Konzerts verarbeitete
er, gewissermaßen als »Rückversicherung«, eine Reihe älterer Skizzen:
Aufzeichnungen von 1911 zu einem »sehr passagenreichen Klavierkonzert«,
das Andantino-Thema einer Variationenfolge von 1913 und dazu zwei Varia­
tionen von 1916/17, zwei Themen für den Eröffnungssatz (darunter die von
den Klarinetten exponierte Einleitungsphrase) aus denselben Jahren und
schließlich musikalisches Material, das ursprünglich für das Experiment
eines sogenannten »weißen Quartetts« bestimmt war, d.h. einer Komposi­
tion, deren Übertragung auf das Klavier ausschließlich die weißen Tasten
benötigt hätte. Auch wenn die Detailanalyse des dritten Klavierkonzerts das
eine oder andere dem heimatlichen Volkslied entlehnte Merkmal zu entde­
cken vermag, etwa im Hauptthema des Finalrondos, kann insgesamt von
einer »russischen« Musik kaum die Rede sein: Im Jahr 1921 empfand das
Prokofjew noch nicht als einen Mangel …
Krise und Heimkehr
E n fa n t t e r r i b l e m i t H e i m w e h : S e r g e j P r o k o f j e w ( u m 19 2 0 )
8
9
Einige Jahre später war die Situation eine vollständig andere. Die Urauf­
führung seiner zweiten Symphonie im Jahr 1925 in Paris hatte Prokofjew in
eine schöpferische Krise und heftigste Selbstzweifel gestürzt: »Der Erfolg
war mittelmäßig, wenn auch ein Rezensent von einem siebenstimmigen
Kontrapunkt begeistert war. Aber die Freunde schwiegen betreten. Es war
vielleicht der einzige Fall, dass mir die Befürchtung kam, die Rolle eines
Komponisten zweiten Ranges zu spielen.« Zwei Jahre danach gastierte er
zum ersten Mal seit seiner Ausreise wieder in der Sowjetunion, und der
Enthusiasmus, der ihn dort empfing, unterschied sich so erheblich von
den meist lauen, mitunter gar feindseligen Reaktionen in Westeuropa und
Amerika, dass der Gedanke an eine Heimkehr Prokofjew zunehmend be­
herrschte. Die Begegnung mit alten Freunden, mit Orten der Kindheit und
3. SYMPHONIEKONZERT
Jugend, die Herzlichkeit des russischen Publikums verbanden sich mit einer
(Selbst-)Erkenntnis, die den Komponisten nicht mehr loslassen sollte: Nur in
Russland, das wurde ihm mit jedem Tag deutlicher, konnte er sich befreien
aus der »Sackgasse«, in die er sich und die ganze westliche Musikwelt ver­
rannt glaubte.
»Ihre Lieder, meine Lieder«
»Ich muss zurück. Ich muss mich wieder in die Atmosphäre meines Hei­
matbodens einleben«, gestand Prokofjew. »Ich muss die russische Sprache
in meinem Ohr widerhallen hören, ich muss mit den Leuten reden, die von
meinem eigenen Fleisch und Blut sind, damit sie mir etwas zurückgeben,
was mir hier fehlt: ihre Lieder, meine Lieder.« Und tatsächlich sollte Prokof­
jew dem ästhetischen Ideal einer »Neuen Einfachheit«, das er in zahllosen
Interviews und Artikeln beschwor – Primat des Melodischen, Klarheit der
Satztechnik, »Licht im Dickicht« der Kompositionsstruktur –, erst auf dem
Heimweg nach Russland nahe kommen. In den folgenden Jahren hielt er
sich denn immer häufiger und länger in der Sowjetunion auf, um schließlich
1936 definitiv seinen Wohnsitz in Moskau zu nehmen. Für seine Arbeit war
die Rückkehr segensreich – politisch jedoch sollte sie ihm zum Verhängnis
werden.
W o l f g a n g S t ä h r
l i n k s : D i e O r c h e s t r a H a l l ( h e u t e S y mp h o n y c e n t e r ) i n C h i c a g o ,
H e i m s t ä t t e d e s C h i c a g o S y mp h o n y O r c h e s t r a
Hier fand 1921 mit Prokofjew als Solisten die Uraufführung des dritten Klavierkonzertes statt. Im gleichen Jahr kam in Chicago außerdem Prokofjews Oper
»Die Liebe zu den drei Orangen« zur Weltpremiere.
10
11
3. SYMPHONIEKONZERT
Yuja Wang Klavier
S
pätestens seit der Aufführung von Sergej Prokofjews drittem Kla­
vierkonzert im Eröffnungskonzert des Lucerne Festival 2009 unter
der Leitung von Claudio Abbado weiß die Musikwelt, dass sich das
chinesische Klavierwunder auf mehr als zwei Hände verteilt.
1987 in Peking geboren, studierte Yuja Wang zunächst in ihrer
Heimat und ging dann im Rahmen eines Austauschprogramms über
Kanada in die USA, wo sie 2008 bei Gary Graffman am Curtis Institute
in Philadelphia ihr Konzertdiplom ablegte. Im Jahr 2006 erhielt sie den
Gilmore Young Artist Award, im vergangenen Jahr wurde sie mit dem
prestigeträchtigen Avery Fisher Career Grant ausgezeichnet. Bereits 2005
debütierte sie beim National Arts Center Orchestra in Ottawa, schon bald
folgten Einladungen zu den wichtigsten US-Klangkörpern, darunter die
Orchester in New York, Philadelphia, Chicago und Boston.
Auch in Europa zählt Yuja Wang inzwischen zu den gefragtesten
Pianistinnen ihrer Generation und ist bereits mit Orchestern wie dem
Royal Concertgebouw Orchestra Amsterdam, dem Orchestre de Paris und
der Berliner Staatskapelle unter Dirigenten wie Daniel Barenboim, Charles
Dutoit, Daniele Gatti und Lorin Maazel aufgetreten.
Im März 2011 musizierte sie an drei Abenden mit Stimmführern
der Berliner Philharmoniker in der Salle Pleyel in Paris. Erst vor wenigen
Wochen wurde ihr der ECHO Klassik in der Kategorie »Nachwuchskünst­
lerin des Jahres« verliehen. Die Jury zeigte sich in ihrer Begründung vor
allem davon beeindruckt, wie »radikal kraftvoll, wie risikobereit, wie kom­
promisslos die zierliche Chinesin ihr Repertoire umsetzt«.
Diese Eigenschaften dürften ideale Voraussetzungen für ihr nun
anstehendes Debüt bei der Sächsischen Staatskapelle Dresden sein.
12
13
3. SYMPHONIEKONZERT
Claude-Achille Debussy
* 2 2 . A u g u s t 1 8 6 2 i n S a i n t- G e r m a i n - e n - L a y e
† 2 5 . M ä r z 19 18 i n Pa r i s
»La Mer« (Das Meer), Drei symphonische Skizzen
1. De l’aube à midi sur la mer (Von der Morgendämmerung bis
zum Mittag auf dem Meer). Très lent
2. Jeux de vagues (Spiel der Wellen). Allegro
3. Dialogue du vent et de la mer (Zwiesprache von Wind und
Meer). Animé et tumultueux
e n tsta n de n
Besetz u ng
zwischen 1903 und 1905;
vollendet am 5. März 1905
in Eastbourne
2 Flöten, Piccolo, 2 Oboen,
Englischhorn, 2 Klarinetten,
3 Fagotte, Kontrafagott, 4 Hörner,
3 Trompeten, 2 Kornette,
3 Posaunen, Tuba, Pauken,
Schlagzeug (3 Spieler),
Glockenspiel (Celesta), 2 Harfen,
Streicher
u r au f g e f ü h r t
am 15. Oktober 1905 in Paris
(Orchestre Lamoureux,
Dirigent: Camille Chevillard)
V e r l ag
Edwin F. Calmus, Florida
Dau e r
ca. 25 Minuten
14
15
»Heimgesucht von der
See-Seh-Krankheit«
Zu Claude Debussys »La Mer«
Meer am Morgen
Herrlich schäumende Salzflut
im Morgenlicht,
die tiefen Bläuen
in weißen Stürzen auskämmend,
hin
über grünere Seichten
zur Küste stürmend –
ausrollend dich nun,
die Felsen hochauf umleuchtend!
Metallgrün
stehen die runden rauschenden Büsche
vor deinen fernher schwärzlichen Böen,
und rötlich milchige Wolken
strecken sich lang
in den zärtesten Himmel
darüber.
Nicht nur Dichter wie Christian Morgenstern, von dem das hier abgedruckte
Gedicht stammt, haben sich vom Meer, seiner Weite und seinen im Tageslicht
changierenden Farben, der salzigen Luft und der frischen Brise angezogen
gefühlt; in der Malerei bildet das sogenannte »Seestück« gar ein eigenes
Genre. Auch zahlreiche Komponisten haben sich von der spiegelnden Wasser­
oberfläche, dem Spiel der Wellen oder gar stürmischen Fluten inspirieren las­
sen – allen voran Richard Wagner, der im Sommer 1839 bei seiner Überfahrt
von Pillau (Ostpreußen) nach London auf dem kleinen Schoner »Thetis« einen
lebensgefährlichen Sturm im Skagerrak erlebte, dessen pfeifender Wind und
fliegende Gischt noch heute im nur etwas später entstandenen »Fliegenden
Holländer« nachwirkt. Es mag daher auch kaum ein Zufall sein, dass sich vor
allem jene Komponisten vom Meer als einem Ort menschlicher Sehnsucht
und brodelnder Urgewalten faszinieren ließen und schöpferisch auseinander­
setzten, die mit ihm in direkte Berührung gekommen waren: So stammen die
einschlägigen symphonischen Werke zumeist aus Skandinavien, wie von Kurt
3. SYMPHONIEKONZERT
Atterberg (Symphonie Nr. 3 »Westküstenbilder«, 1914/16), Uuno Klami (»See­
bilder« op. 7, 1930/32) und Gösta Nystrœm (»Sinfonia del mare«, 1947/48),
oder aus England, wie von Edward Elgar (»Sea Pictures«, 1899), Frank Bridge
(»The Sea«, 1910), Ralph Vaughan Williams (»A Sea Symphony«, 1910) und
Benjamin Britten (»Four Sea Interludes«, 1945).
Französische Perspektiven
Doch auch in der französischen Musikgeschichte ist um die Wende zum
20. Jahrhundert eine bisweilen starke Affinität zum Meer zu beobachten. Sie
ist vor allem im kompositorischen Œuvre von Claude Debussy dokumentiert:
zunächst in verschiedenen Liedern, dann auch in Klavierstücken wie »En ba­
teau« (»Im Boot«, aus der »Petite Suite« von 1889), »L’Isle Joyeuse« (»Die Insel
der Freude«, 1904) und schließlich den »Reflets dans l’eau« (»Reflektionen im
Wasser«, aus den »Images I«, 1904/05). Ein noch rauschhafterer Klang findet
sich im letzten Satz der »Nocturnes« (1897/99), der mit dem Titel »Sirènes«
auf eine Episode aus Homers »Odyssee« Bezug nimmt und vom Komponisten
kommentiert wurde: »Das ist das Meer und seine unerschöpfliche Bewegung;
über die Wellen, auf denen das Mondlicht flimmert, tönt der geheimnisvolle
Gesang der Sirenen, lachend und in der Unendlichkeit verhallend.«
Debussy, der nach dem ursprünglichen Wunsch der Eltern als Ma­
trose angeheuert hätte, wenn nicht Jahre zuvor seine außerordentliche mu­
sikalische Begabung entdeckt worden wäre, hatte seine offenkundige Vor­
liebe zum Meer gleichwohl kontinuierlich entwickelt und gepflegt. Überlie­
fert ist eine in diesem Sinne beispielhafte, wenn nicht gar richtungweisende
Begebenheit aus dem Jahre 1889, die in der Bretagne spielt und durch Auf­
zeichnungen von René Peter (1872-1947) überliefert ist. Demnach hatte eine
Gruppe von Künstlern und Literaten eine kleine Seefahrt von Saint-Lunaire
nach Cancale (in der Nähe von Mont St. Michel gelegen) unternommen. Den
allermeisten war schon bei der Umrundung der gefährlichen Landzunge von
Pointe de Grouin elend zumute, als auch noch ein Sturm aufkam. Wind und
Regen ließen das Schiff wie eine Nussschale auf den Wellen tanzen. Debus­
sy soll daran vollkommen Gefallen gefunden haben, während der Skipper
sich darüber erboste und ihn fragte, ob er denn des Nervenkitzels wegen
das Leben aller riskieren wolle. Debussy aber entgegnete: »Es gibt ein mäch­
tiges Gefühl, das ich bisher noch nicht erlebt habe: das Gefühl der Gefahr.
Es ist nicht ganz unangenehm. Ich lebe!« Endlich angelandet soll sich De­
bussy später von der Gruppe für eigene Erkundungen entfernt und einen
Zettel hinterlassen haben: »Ich bin nicht von der See-Krankheit heimgesucht
worden, wohl aber von der See-Seh-Krankheit.«
In Kenntnis dieser Vorgeschichte ist es nur ein kleiner Schritt zu den
ersten Skizzen von »La Mer«, an denen Debussy allerdings in Bichain, einem
16
17
K e i n e A n g s t vo r d e n G e fa h r e n d e s M e e r e s : C l au d e D e b u s s y ( u m 19 10 )
3. SYMPHONIEKONZERT
kleinen Ort in Burgund, die Arbeit aufnahm. So heißt es bezeichnender­
weise in einem Brief vom 12. September 1903 an den befreundeten Kompo­
nisten und Dirigenten André Messager (1853-1929): »Sie wussten vielleicht
nicht, dass ich für die schöne Laufbahn eines Seemanns ausersehen war,
und dass nur die Zufälle des Daseins mich auf eine andere Bahn geführt
haben. Nichtsdes­toweniger habe ich für sie [die See] eine aufrichtige Lei­
denschaft bewahrt. Sie werden nun sagen, dass der Ozean nicht gerade die
burgundischen Rebhügel umspült …! und das Ganze einem Atelierstück
ähnlich werden könnte; aber ich habe unzählige Erinnerungen – meiner
Ansicht nach ist das mehr wert als eine Wirklichkeit, deren Zauber ja im
allgemeinen recht auf unserem Denken lastet.«
Drei Seestücke und mehr
Gleich den nur wenige Jahre zuvor entstandenen »Nocturnes« (1897/99) hat
Debussy auch die Partitur zu »La Mer« als eine Folge von drei Sätzen angelegt,
diese aber mit einem Untertitel versehen, der gleichermaßen einen vorläufigen
Entwurf wie einen gattungsspezifischen Anspruch in sich aufnimmt: »Trois
esquisses symphoniques« (Drei symphonische Skizzen). Widersprüchlich
erscheint dabei auf den ersten Blick der explizit symphonische Anspruch im
Hinblick auf die einzelnen Satzüberschriften, die jedoch auf den zweiten Blick
lediglich als charakteristische Titel, nicht aber als simples Programm aufzu­
fassen sind. Vielmehr gewinnt man tatsächlich den Eindruck eines übergeord­
neten dreisätzigen symphonischen Zyklus mit einem exponierten Kopfsatz,
einem klanglich leichteren Scherzo und einem gewichtigen Finale, zumal die
beiden Ecksätze thematisch deutlich aufeinander Bezug nehmen: So wird in
der Einleitung des dritten Satzes das markante Thema aus der Introduktion
des Kopfsatzes gleich zweimal aufgenommen (Trompete); zudem kehrt auch
ein anderes Thema wieder (Hörner). Mit dieser strukturellen Verschränkung
nimmt Debussy zweifelsohne kompositorische Verfahren auf, die sich – auf
den französischen Traditionsraum bezogen – auch bei César Franck und Vin­
cent d’Indy (etwa in dessen zweiter Symphonie op. 57, 1902/03) finden.
In dieses rein musikalische Konzept passen sich die einzelnen Satz­
überschriften nahtlos ein und zeichnen – nun gleichsam aus impressionis­
tischer Perspektive – jeweils einen atmosphärischen Aggregatzustand vor. So
scheinen sich in dem mit »De l’aube à midi sur la mer« (Von der Morgendäm­
merung bis zum Mittag auf dem Meer) überschriebenen Kopfsatz die dichten
grauen Nebelschleier erst allmählich über einer ruhigen Wasseroberfläche
zu lichten (Einleitung), bevor das imaginäre Boot mit dem Komponisten
langsam Fahrt aufnimmt und heiter zu gleiten beginnt, spätestens mit einem
zweiten Thema, das durch die vierfach geteilte Cellogruppe einen besonderen
klanglichen Reiz entfaltet. Die abschließende, fast apotheotische Coda wendet
18
19
» D i e g r o SS e W e l l e « , h o l z s c h n i t t v o n K a t s u s h i k a H o k u s a i ( u m 1 8 3 0 )
Einen Ausschnitt dieses Holzschnittes wählte Debussy als Titelmotiv für die
Erstausgabe von »La Mer«.
den zunächst auf h-Moll intonierten Satz in gleißendes Des-Dur – eine fas­
zinierende Aufhellung und tonartliche Fixierung eines mitunter nur schwer
greifbaren Verlaufs. Auch der als dreiteiliges Scherzo gestaltete mittlere Satz
(nahezu durchwegs im ¾-Takt) beginnt mit einer langsamen Einleitung;
in diesem Fall ist mit ihr eine kurze Phase des motivisch-harmonischen
Einschwingens verbunden. Wie nahe liegend die von Debussy gewählte
Satzbezeichnung »Jeux de vagues« (Spiel der Wellen) für einen derartigen
Satzcharakter ist, der mithin eher einen allgemeinen als einen speziellen (pro­
grammatischen) Anspruch in sich trägt, zeigt der entsprechende Satz in Max
Regers Vier Tondichtungen nach Arnold Böcklin op. 128 (1913), der sich mit
»Im Spiel der Wellen« auf das Treiben der Najaden bezieht. Das dem Modell
eines Rondos verpflichtete Finale bezeichnet Debussy schließlich als »Dialo­
gue du vent et de la mer« (Zwiesprache von Wind und Meer) und nimmt damit
den Wechsel der unterschiedlich bewegten, dynamisch gesteigerten und
verdichteten Abschnitte auch in den Titel auf. Eine der sonst so wirksamen
musikalischen Sturm-Darstellungen bleibt indes aus – erst in der Coda inten­
siviert sich das differenzierte Farbspektrum zu einem mächtigen, wie befreit
klingenden dreifachen Forte des Orchesters.
Michael Kube
Ottorino Respighi
* 9. J u l i 18 7 9 i n B o l o g n a
† 1 8 . Ap r i l 1 9 3 6 i n R o m
»Pini di Roma« (Die Pinien von Rom)
1. Pini di Villa Borghese (Die Pinien der Villa Borghese).
Allegretto vivace
2. Pini presso una catacomba (Pinien bei einer Katakombe).
Lento
3. I pini del Gianicola (Die Pinien auf dem Janiculum).
Lento
4. Pini della Via Appia (Die Pinien der Via Appia).
Tempo di marcia
e n tsta n de n
Besetz u ng
1923/24 in Rom
3 Flöten (3. auch Piccolo), 2 Oboen,
Englischhorn, 2 Klarinetten,
Bassklarinette, 2 Fagotte, Kontra­
fagott, 6 Hörner, 4 Trompeten,
3 Posaunen, Tuba, Pauken, Schlag­
werk (5 Spieler), Celesta, Harfe,
Klavier, Orgel, Streicher, Tonband;
Bühnenmusik: 2 Trompeten,
2 Posaunen, 2 Baritone
u r au f g e f ü h r t
am 14. Dezember 1924 im Teatro
Augusteo in Neapel (Orchester der
Accademia di Santa Cecilia,
Dirigent: Bernardino Molinari)
V e r l ag
Ricordi, Mailand
Dau e r
ca. 22 Minuten
20
21
Inspiriert durch die ewige Stadt
Zu Ottorino Respighis
»Pini di Roma«
Dass Ottorino Respighi nicht mit Bühnenwerken (etwa »Belfagor« und »La
fiamma«), sondern mit symphonischen Dichtungen, vor allem der soge­
nannten »Römischen Trilogie« wie auch der an älterer Musik orientierten
Suite »Antiche danze ed arie« in die Musikgeschichte einging, muss mit
Blick auf die große, zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch lebendige italie­
nische Operntradition überraschen. Diese Eigentümlichkeit ist freilich aus
historischer Perspektive durch die ungewöhnliche Abfolge biographischer
Stationen leicht zu erklären. So war Respighi zwar nach seinem Studium
in Bologna beim Symphonieorchester der Stadt angestellt, doch nahm er
für die Saison 1900/01 vertretungsweise die Stellung des Solobratschers
der italienischen Operntruppe im entfernten St. Petersburg an und reiste
1902/03 nochmals in die russische Metropole. Hier lernte er nicht nur eine
weitgehend unbekannte, slawisch geprägte Tradition kennen, sondern nahm
auch Kompositionsunterricht bei Nikolai Rimski-Korsakow, dessen außer­
gewöhnlicher Sinn für Klangfarben in der bekannten »Scheherazade« zu
bewundern ist. Dieser Zeit entstammt u.a. Respighis »Fantasia Slava« für
Klavier und Orchester, mehr aber noch seine ebenso virtuose wie perfekte
Kunst einer Instrumentation, durch die ein ganzes Orchester zum Leuchten
gebracht wird. Zurück in Italien keimte bei Respighi das Interesse an Musik
längst vergangener Epochen auf (zu der er bereits während seines Studiums
durch Giuseppe Martucci einen Zugang gefunden hatte). Aus seinen Auf­
enthalten in Bibliotheken und Archiven, bei denen er Musik des 17. und
18. Jahrhunderts für sich entdeckte, gingen zahlreiche Orchesterbearbei­
tungen hervor, u.a. von Monteverdis »Lamento d‘Arianna«, später dann
auch der Oper »L‘Orfeo« und von Bachs »Passacaglia«.
Mit dem zeitgenössischen symphonischen Repertoire machte sich
Respighi in den Jahren 1908/09 in Berlin bekannt, wo er als Korrepetitor
der ausgezeichneten Sopranistin Etelka Gerster (1855-1920) wirkte. Bereits
1911 wurde Respighi Nachfolger seines Kompositionslehrers Luigi Torchi
am Konservatorium in Bologna, 1913 erhielt er den Ruf an das angesehene
Liceo musicale Santa Cecilia in Rom. 1919 heiratete er seine Kompositions­
3. SYMPHONIEKONZERT
schülerin Elsa Olivieri Sangiacomo, die sich in den folgenden Jahren als
treibende Kraft hinter zahlreichen internationalen Aktivitäten und Kon­
zertreisen nach Nord- und Südamerika erweisen sollte. Die äußere ökono­
mische Freiheit wie auch sein von Arturo Toscanini verbreiteter internatio­
naler Ruhm ermöglichten Respighi Unabhängigkeit gegenüber Mussolinis
faschistischem Regime – eine Unabhängigkeit, die sich vor allem in einem
gleichgültigen Schweigen ausdrückte. Respighi starb 1936 an einer Entzün­
dung des Herzmuskels.
Zwischen den Stühlen
Respighi gehört zu der »generazione dell’80« – jener Generation der um
1880 geborenen Komponisten, die sich neben der Oper auch wieder der In­
strumentalmusik zuwandten, die für nahezu ein Jahrhundert in Italien ver­
nachlässigt worden war. Doch während Alfredo Casella (1883-1947), Gian
Francesco Malipiero (1882-1973) und Ildebrando Pizzetti (1880-1968) in
ihrem Schaffen der 1920er Jahre neue Wege beschritten, verharrte Respighi
in seinem einmal ausgeprägten Personalstil, der in einer eigentümlichen
Synthese einen hochromantisch intensiven Gestus mit impressionistisch
flächiger Farbenpracht vereint. Dennoch blieb an einigen seiner Werke der
Vorwurf des Eklektizismus haften. Nicht wörtliche Entlehnungen, sondern
die verblüffende Nähe zu manchen Ausdruckscharakteren, Klängen und
Techniken, wie man sie in den Kompositionen von Richard Strauss, Claude
Debussy, Maurice Ravel und auch Igor Strawinsky findet, sorgen noch heute
für Verunsicherung. Die Irritationen wären jedoch in doppelter Weise auf­
zulösen: Zum einen durch eine genauere Kenntnis von Respighis gar nicht
so schmalem kompositorischen Schaffen, das neben den symphonischen
Dichtungen auch mehrere Opern, Ballettmusiken, Kammer- und Klaviermu­
sik, vor allem aber Lieder (mit Orchester- oder Klavierbegleitung) umfasst.
Zum anderen ist zu bedenken, dass sich Respighi ganz in der Tradition des
19. Jahrhunderts verankert sah und weder stilistisch noch kompositionstech­
nisch dagegen aufbegehrte. In diesem Sinne attestierte Ihm bereits 1933
Massimo Mila einen »gusto di ieri e non di oggi« (einen Geschmack von ges­
tern und nicht von heute). Doch war dies bereits eine Reaktion auf Res­pighis
Unterschrift unter das 1932 veröffentlichte »Manifest italienischer Musik für
die Tradition der romantischen Kunst des 19. Jahrhunderts«.
Respighi – der symphonische Dichter
i t a l i e n i s c h e s M e l o s u n d i mp r e s s i o n i s t i s c h e F a r b e n p r a c h t :
O t t or i no R e spig h i ( u m 1918)
22
23
Im Bereich der symphonischen Dichtung haben vor allem jene Komponisten
einen deutlichen Abdruck in Respighis musikalischer Sprache hinterlassen,
die die Spielpläne und Programme der nördlich der Alpen gelegenen Musik­
3. SYMPHONIEKONZERT
zentren bestimmten – vor allem Richard Wagner und Richard Strauss, dane­
ben auch Maurice Ravel. Dies gilt zunächst für seine ambitionierte »Sinfonia
drammatica« (1914). Das fast einstündige Werk, in dem sich ein Teil des
bei Rimski-Korsakow erworbenen russischen Erbes widerspiegelt und mit
dem sich Respighi als Komponist von reiner Instrumentalmusik zu positio­
nieren suchte (er bezeichnete das Werk als eine »Herkulesarbeit«), erlangte
indes nicht den erhofften Erfolg. Dieser gelang erst mit den symphonischen
Dichtungen der sogenannten »Römischen Trilogie«, wenngleich die drei
Kompositionen ohne inneren Zusammenhang zu ganz unterschiedlichen
Zeiten entstanden: »Fontane di Roma« (1914/16), »Pini di Roma« (1923/24)
und »Feste romane« (1928). Ein wesentlicher Unterschied zu dem gängigen
Bild einer symphonischen Dichtung besteht jedoch darin, dass sie nicht auf
einem literarischen Vorwurf beruhen, der »erzählt« wird, sondern wie ein
Tableau wirken. Für die »Fontane di Roma« wählte Respighi etwa einzelne
Brunnen mit der dazugehörigen Umgebung aus, ordnete den »Pini di Roma«
verschiedene Zeitalter und Plätze zu und bildete in »Feste romane« das Trei­
ben weltlicher und geistlicher Feiern seit der Antike ab. In allen Fällen die­
ser klanglichen Visualisierung wähnt sich der Zuhörer jeweils »an Ort und
Stelle«. Zugleich versuchte Respighi durch die nahtlose Verbindung der ein­
zelnen Sätze ein größeres Ganzes zu schaffen. Ohne konkret an die Gattung
»Symphonie« und die mit ihr verbundene Viersätzigkeit und Formensprache
anknüpfen zu wollen, war es sein Bestreben, durch fließende Übergänge
den gegensätzlichen und zumeist einfach gebauten Charakterstücken einen
äußeren Halt zu geben – ein vergleichsweise einfaches und dennoch neuar­
tiges Verfahren, das etwa im Gegensatz zu den nach Gemälden von Arnold
Böcklin geformten Vier Tondichtungen op. 128 (1913) von Max Reger steht,
mit deren einzeln ausgeformten Satzcharakteren sich der Komponist (in
einer ganz anderen Richtung) auf dem Weg zur »großen« Symphonie sah.
»Pini di Roma«
Die Geschichte der ewigen Stadt bot Respighi zahlreiche Inspirationsquel­
len. Bei den »Pini di Roma« handelt es sich allerdings nur um Schauplätze,
die erst programmatisch belebt werden müssen – Respighi schildert also
nicht die Pinien selbst (die Stadt- und Landschaftsbild prägende Schirm­
pinie wird bis zu 25 Meter hoch), sondern das, was in ihrem Schatten ge­
schieht. So sind es im ersten Abschnitt die Bäume im weitläufigen Park der
Villa Borghese, unter denen Kinder einen Ringelreihen aufführen, sich am
eigenen Geschrei berauschen, einen Abzählreim aufsagen und schließlich
auseinanderlaufen. Die fast schon ekstatische Inszenierung wie Instrumen­
tierung dieses vor allem rhythmisch geprägten Satzes erinnert sicherlich
nicht zufällig an die Jahrmarktsszene, mit der Strawinsky sein Ballett
24
25
P r o g r a mm z e t t e l d e r D r e s d n e r E r s t a u f f ü h r u n g d e r
»Pi n i di Rom a« u n t e r F r i t z Busc h ( ja n ua r 19 2 6)
Die Aufführung fand bereits ein gutes Jahr nach der Uraufführung in Neapel
statt. Zwei Jahre später, im Februar 1928, stellte der Dresdner Generalmusikdirektor, der sich intensiv für das zeitgenössische Musikschaffen einsetzte,
auch das dritte Klavierkonzert von Sergej Prokofjew mit dem Solisten Eduard
Steuermann erstmals in Dresden vor.
3. SYMPHONIEKONZERT
»Pétrouchka« (1911) eröffnet. Der zweite Abschnitt führt zu den Pinien bei
den Katakomben – jenen kilometerlangen unterirdischen, in den weichen
Vulkanstein gehauenen Gängen und Kammern, in denen die römischen
Christen einst ihre Toten bestatteten. Zunächst entfernt, dann immer näher
kommend, dringt aus ihrer Tiefe ein choralartiger Wechselgesang, der sich
allmählich zu einem feierlichen Hymnus aufschwingt. Hier kommen dann
auch in besonderer Weise die Posaunen zum Einsatz, die in der abend­
ländischen Musikgeschichte durch ihren gedeckten Ton vor allem in der
Kirchenmusik Verwendung fanden, bevor sie im 19. Jahrhundert allmählich
in die Standardbesetzung des Symphonieorchesters vordrangen. – Stehen­
de Klänge beschreiben im dritten Abschnitt die nächtliche Stille auf dem
Janiculum, einer am rechten Ufer des Tibers gelegenen pinienbestandenen
Anhöhe, die allerdings nicht zu den sagenumwobenen sieben römischen
Hügeln zählt. In der Abendstimmung entfaltet sich eine kantable Linie der
Klarinette, die bald von anderen Instrumenten weitergesponnen, bald von
einigen Streichereinwürfen unterbrochen wird, die wie ein schwüler Wind­
hauch erscheinen. Fordert Respighi hier zunächst noch die Vorstellungs­
kraft des Auditoriums, so endet dieser Abschnitt verblüffend realistisch mit
der Einbeziehung des phonographisch festgehaltenen Gesangs einer Nachti­
gall – wirklich »komponierter« Vogelimitationen, wie man sie in Beethovens
»Pastorale« findet, bedurfte es in den 1920er Jahren nicht mehr …
Dem hier gehuldigten Naturalismus ist auch der letzte Abschnitt
verpflichtet. Mit ihm wird der Blick auf die von Pinien und Grabbauten
gesäumte Via Appia gerichtet, einer 312 v. Chr. angelegten, vorwiegend
militärisch genutzten Straße, deren Reste außerhalb der Stadt in idyllischer
Umgebung liegen. Der von Respighi in einer musikalischen Apotheose dar­
gestellte Aufmarsch eines Heeres verweist aber nicht nur auf Historisches,
sondern kann auch als zeitpolitischer Reflex auf Mussolinis »Marsch auf
Rom« (Oktober 1922) gedeutet werden: »Der Dichter sieht im Geist uralten
Ruhm wieder aufleben: Unter dem Geschmetter der Buccinen naht ein Kon­
sul mit seinem Heer, um im Glanze der neuen Sonne zur Via Sacra und zum
Triumph auf’s Kapitol zu steigen.«
PIANO
GÄBLER
Seit 1962 im Dienst des Dresdner
Konzertlebens
Steinway & Sons . Boston . Essex
Klaviere
Flügel
Digitalpianos
Mietinstrumente
Finanzierung
Konzertservice
Michael Kube
26
27
P i a n o - G ä b l e r, I n h . G e r t G ä b l e r
C o m e n i u s s t r. 9 9 . 0 1 3 0 9 D r e s d e n
Tel.: 0351 - 268 95 15 . Fax: 0351 - 268 95 16
email: [email protected] . www.piano-gaebler.de
3. Symphoniekonzert 2011 | 2012
Orchesterbesetzung
1. Violinen
Kai Vogler
1. Konz e rt m e i st e r
Thomas Meining
Michael Frenzel
Volker Dietzsch
Brigitte Gabsch
Johanna Mittag
Jörg Kettmann
Susanne Branny
Birgit Jahn
Henrik Woll
Anja Krauß
Anett Baumann
Roland Knauth
Sae Shimabara
Franz Schubert
Renate Hecker
2. Violinen
Heinz-Dieter Richter
Konz e rt m e i st e r
Matthias Meißner
Annette Thiem
Wolfgang Roth
Stephan Drechsel
Ulrike Scobel
Olaf-Torsten Spies
Alexander Ernst
Mechthild von Ryssel
Emanuel Held
Holger Grohs
Kay Mitzscherling
Paige Kearl
Maria Held
Bratschen
Jürgen Knauer
Michael Schöne
Uwe Jahn
Claudia Briesenick
Susanne Neuhaus
Juliane Böcking
Milan Líkař
Friedemann Hecker***
Violoncelli
Isang Enders
Konz e rt m e i st e r
Friedwart Christian Dittmann
Solo
Simon Kalbhenn
Oboen
Uwe Voigt
Solo
Solo ( B)
Sibylle Schreiber
Volker Hanemann
Nicolas Naudot
Klarinetten
Wolfram Große
Solo
Egbert Esterl
Uwe Fritzsching*
Fagotte
Joachim Hans
Solo
Solo
Tom Höhnerbach
Martin Jungnickel
Andreas Priebst
Jörg Hassenrück
Anke Heyn
Matthias Wilde
Michael Peternek*
Hannes Schirlitz
Joachim Huschke
Thomas Berndt
Kontrabässe
Ulrich Berggold*
Solo
Martin Knauer
Helmut Branny
Christoph Bechstein
Fred Weiche
Reimond Püschel
Thomas Grosche
Johannes Nalepa
Flöten
Michael Neuhaus
Sabine Kittel
Solo
Solo
Andreas Schreiber
Stephan Pätzold
Michael Horwath
Bernhard Kury
Jens-Jörg Becker
Posaunen
Sebastian Römisch
Hörner
Jochen Ubbelohde
Solo
David Harloff
Harald Heim
Manfred Riedl
Eberhard Kaiser
Klaus Gayer
Trompeten
Mathias Schmutzler
Solo ( B)
Tobias Willner
Solo
Peter Lohse
Siegfried Schneider ( B )
Volker Stegmann
Sven Barnkoth
Solo
Guido Ulfig ( B )
Jürgen Umbreit
Frank van Nooy
Stefan Langbein* ( B )
Stefan Wagner* ( B )
Tuba
Hans-Werner Liemen
Solo
Pauken
Thomas Käppler
Solo
Schlagzeug
Christian Langer
Frank Behsing
Jürgen May
Dirk Reinhold
Stefan Seidl
Harfen
Astrid von Brück
Solo
Aline Khouri**
Celesta / Orgel
Clemens Posselt
Klavier
Hans Sotin
* als Gast
** a ls Pr a k t ik a nt
*** a ls Subst it ut
( B) Bü h n en musi k R espigh i
28
29
3. SYMPHONIEKONZERT
Vorschau
S o n n t ag 18 .1 2 .11 11 U h r
M o n t ag 19.1 2 .11 2 0 U h r
D i e n s t ag 2 0 .1 2 .11 2 0 U h r
S e mp e r o p e r
Georges Prêtre Dirigent
Franz Schubert
Symphonie Nr. 7 h-Moll D 759
»Unvollendete«
Gustav Mahler
Symphonie Nr. 1 D-Dur »Titan«
Kostenlose Konzerteinführungen jeweils
45 Minuten vor Beginn im Opernkeller der
Semperoper
Thielemann conducts Faust
Wagner: A Faust Overture
Liszt: A Faust Symphony
(DVD)
Photo © Matthias Creutziger
4. Symphoniekonzert
ab 10.10.2011 im Handel
MU S I C TO WATCH
Erleben Sie die schönsten Aufführungen mit Christian Thielemann, der Staatskapelle Dresden
und vielen anderen Stars der internationalen Musikszene in HD-Qualität und mit Surround
Sound:
Im Fernsehen…
I mpr e ss u m
Bildn ac h w e is e
Charles Dutoit: Matthias Creutziger; Orchestra
Hall Chicago: Chicago Symphony Orchestra;
Yuja Wang: Felix Broede; »Die große Welle«:
de.wikipedia.org; alle übrigen Abbildungen:
Archiv der Sächsischen Staatsoper Dresden
Sächsische Staatsoper Dresden
Intendantin Dr. Ulrike Hessler
Spielzeit 2011|2012
Herausgegeben von der Intendanz
© November 2011
R e da k t ion
T e x t n ac h w e is e
UNITEL CLASSICA ist der weltweite Fernsehsender für klassische Musik.
In Deutschland können Sie UNITEL CLASSICA in HD-Qualität und mit Surround Sound
über Telekom Entertain, Unitymedia, Kabel BW und NetCologne sowie in gewohnter
Fernsehqualität über Sky empfangen.
...und auf CD, DVD & Blu-ray
Wolfgang Stähr schrieb seinen Text für die
Programmhefte der Münchner Philharmo­
niker. Die Texte von Dr. Michael Kube sind
Originalbeiträge für dieses Programmheft.
Urheber, die nicht ermittelt oder erreicht
werden konnten, werden wegen nachträglicher
Rechtsabgeltung um Nachricht gebeten.
Tobias Niederschlag
G e s t a lt u ng u nd L ay o u t
schech.net
Strategie. Kommunikation. Design.
Private Bild- und Tonaufnahmen sind aus
urheberrechtlichen Gründen nicht gestattet.
D r u ck
Silvesterkonzert 2010
Renée Fleming
Christopher Maltman
(DVD & CD)
Beethoven:
Missa solemnis
Requiem-Konzert 2010
(DVD & Blu-ray)
ab 14.10.2011
im Handel
ab 11.11.2011
im Handel
Brahms:
Klavierkonzert Nr. 1
Maurizio Pollini
(CD)
Adventskonzert aus der
Dresdner Frauenkirche
Vittorio Grigolo
(DVD, Blu-ray & CD)
Union Druckerei Dresden GmbH
An z e ig e n v e r t ri e b
Keck & Krellmann Werbeagentur GmbH
i.A. der Moderne Zeiten Medien GmbH
Telefon: 0351/25 00 670
e-Mail: [email protected]
www.kulturwerbung-dresden.de
30
w w w. sta at sk a pe ll e-dr esde n.de
Erfahren Sie mehr zum Abonnement und den CD, DVD- und
Blu-ray-Veröffentlichungen von UNITEL CLASSICA unter:
www.unitelclassica.com
UNITEL CLASSICA können Sie in folgenden Ländern empfangen: Deutschland, Österreich, Schweiz, Bulgarien,
Tschechische Republik, Frankreich, Italien, Luxemburg, Slowakei, Spanien, Malta, Japan, Korea, Taiwan, Südafrika.
4
MF
Herunterladen