Folgen psychischer Belastung und Traumajsierung Akute

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05.06.2012
Akute Belastungsreak6on (F43.0) Folgen psychischer Belastung und Trauma6sierung Prof. Dr. med. V. Köllner Fachklinik für Psychosoma9sche Medizin Bliestalkliniken, 66440 Blieskastel [email protected] •  Unwillkürliche Erinnerungsbilder an das Trauma, emo6onale Unausgeglichenheit, SchreckhaFigkeit usw. sind in den ersten Stunden bis Tagen nach einem Trauma häufige Symptome. •  Die Prognose ist gut, sie klingen bei der Mehrzahl der Betroffenen binnen weniger Tage (max. 4 Wochen) wieder ab. •  Spezifische Therapie ist nicht erforderlich. Hinweise zum Umgang mit Traumabetroffenen I Verlauf und Prognose •  Die Symptome treten meist sofort auf, bei 10 -­‐ 20% freies Intervall von Wochen bis Monaten. •  Entscheidender Risikofaktor für die Entstehung einer PTB sind ausgeprägte Gefühle von Todesangst, Hilflosigkeit und Ausgeliefertsein, die die psych. Verarbeitungsfähigkeit in der Trauma6schen Situa6on übersteigen. •  Es bildet sich ein Trauma-­‐Gedächtnis, in dem das Ereignis so erinnert wird, als ob es gerade wieder geschähe. •  Folgekomplika6onen sind Alkohol-­‐, Drogen-­‐ oder Medikamentenabhängigkeit, Depression bis zum Suizid, schlechte Lebensqualität und ein schlechterer Verlauf körperlicher Erkrankungen. •  Versichern in den ersten Tagen, daß die Symptome eine "normale Reak9on auf ein nicht normales Erlebnis" sind und eine gute Prognose haben. •  Ermu6gen Sie sie, über das Erlebte zu sprechen und bieten Sie an, psychologische Beratung zu vermiVeln, wenn dies gewünscht wird. •  Seien Sie sparsam mit Schlaf-­‐ und Beruhigungs-­‐miVeln, um keine Abhängigkeit zu bahnen. •  Fragen Sie im weiteren Verlauf, ob die Symptome abklingen. Modell der PTB nach Ehlers u. Clark, 1999 Kurzdauernde trauma6sche Ereignisse (Typ I -­‐ Traumata) • 
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Naturkatastrophen Techn. Katastrophen Unfälle Verbrechen, GewalVaten Ereignisse im Rahmen körperlicher Erkrankungen 1
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Längerdauernde, wiederholte Trauma6sierung (Typ II -­‐ Traumata) •  GeiselhaF, Folter, Krieg, KZ-­‐HaF •  wiederholte körperliche oder sexuelle Mißhandlung in der Kindheit. Hier häufig komplexe PTB mit zusätzlichen Symptomen  dissozia6ve Störungen  Persönlichkeitsstörungen  Somatoforme Störungen In den USA wurden 2002 fast 900.000 Kinder (1,5%) Opfer schwerer Mißhandlung oder Vernachlässigung, 1.400 starben daran. Trauma6sche Ereignisse bei körperlichen Erkrankungen •  Hirnorganische Durchgangssyndrome •  Todesangst bei Dyspnoe •  Todesangst bei bewußt erlebten diagnos6schen oder therapeu6schen Eingriffen •  MiVeilung einer bedrohlichen Diagnose PTB -­‐ Häufigkeit nach verschiedenen Traumata: Vergewaltigung
50%
Krieg (egal ob Soldaten oder Zivilisten)
38%
Folteropfer
bis zu 100%
Gewaltopfer
10%
Mißhandlung in der Kindheit
35%
Vernachlässigung in der Kindheit
20%
Unfälle
8%
Zeuge von Unfällen, Gewalttaten
7%
Naturkatastrophen
4%
Organtransplantation
10%
AICD-Implantation, Herzoperation
etwa 5%
ARDS mit Langzeitbeatmung
etwa 25%
Rettungssanitäter, Pflegepersonal
bis zu 40%
Bedeutung der PTB für die Medizin •  Häufige Folgekomplika6on in der Noiall-­‐ und ReVungsmedizin •  Mögliche Folge lebensbedrohlicher körperlicher Erkrankungen •  Vergewal6gungsopfern wird zu selten spezifische Hilfe angeboten, insbesondere im Bereich Gyn./Geburtshilfe verdient das Thema mehr Beachtung •  Die Störung wird häufig übersehen, weil die Betroffenen selten von sich aus berichten (Scham, Vermeidungsverhalten) •  Eine PTB verschlechtert die Lebensqualität und teilweise auch die Lebenserwartung (z. B. nach Herztransplanta6on). Das Trauma löschen??? gibt es schon: Der MIB Neuralizer.......
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Therapie der PTB •  Bei akuter Belastungsreak6on nur Beratung, der Erfolg sog. „Debriefings“ ist zweifelhaF. •  spezifische Therapie der PTB mit  Traumaexposi6on (Traumagedächtnis ↓)  narra6ve Therapie (biogr. Gedächtnis ↑)  kogn. Umstukturierung  imagina6ven Verfahren  ggf. SSRI-­‐An6depressiva bei komplexer PTSD •  Die Prognose ist auch bei schweren, chroni-­‐
fizierten Krankheitsbildern gut, schon wenige Sitzungen Exposi6on können Intrusionen deutlich reduzieren. Hinweise zum Umgang mit Traumabetroffenen II •  Wenn Sie wissen, daß in der Vorgeschichte ein Trauma vorlag, fragen Sie gezielt nach PTB-­‐
Symptomen, da zahlreiche Betroffene sich schämen, von sich aus zu berichten. •  Wenn die Symptome nach 2 -­‐ 3 Monaten noch bestehen, ist traumaspezifische Psychotherapie indiziert. •  Versichern Sie den Betroffenen, daß sie an einer nachvollziehbaren und gut therapierbaren Störung als Folge des Traumas leiden und nicht "verrückt geworden" sind. Anpassungsstörungen (F43.2x) •  entstehen als Reak6on auf belastende Ereignisse, die nicht das Traumakriterium erfüllen •  Häufigste Symptome sind -­‐ Depressivität (F43.20 und .21) -­‐ Ängste (F43.22) -­‐ Vermeidungsverhalten -­‐ Störungen des Sozialverhaltens (F43.24) Protokollbogen zum therapeu6schen Nacherleben: Herr P, 62 Jahre, Ingenieur •  hat über ein Jahr seine Ehefrau versorgt /gepflegt, bis diese vor 4 Monaten an einem Pankreas-­‐Ca verstarb. •  Seitdem geht er kaum noch raus, vernachlässigt soziale Kontakte und seine Firma. •  Er liegt nachts stundenlang wach, dabei hat er Erinnerungen an die glücklichen Jahre mit seiner Frau, was ihn traurig macht. •  Freunde raten ihm, alles zu verbannen, was ihn an die Frau erinnert. Dieser Gedanke macht ihn noch trauriger. •  Auch tagsüber grübelt er viel, auch darüber, ob er seiner Frau nicht besser folgen solle... Therapie von Anpassungsstörungen •  Krankheitsbild nicht unterschätzen, auch hier sind Suizide und Chronifizierung möglich. •  Häufig ist eine Kurztherapie ausreichend (hochfrequenter Beginn). •  Hierbei sollte auf Bewäl6gungsressourcen fokussiert werden. •  Bei Depression können auch An6depressiva indiziert sein. 3
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Andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung (F62.0)/ komplexe PTB Zusätzlich zu PTB-­‐Symptomen: •  Angst (chronische Angst, Angstanfälle) •  Soma6sierungssymptome •  Selbstwertgefühl ⇓ •  Depression, Suizidrisiko ⇑ •  selbstdestruk6ves Verhalten •  dissozia6ve Symptome •  interpersonelle Probleme (Vertrauensverlust, sexuelle Störungen) Hinweise zum Umgang mit Traumabetroffenen III •  Traumabetroffene können heFige Gegenüber-­‐
tragungen von extremer Fürsorge bis Ablehnung auslösen. •  Hinter "schrägem" Verhalten eines Pa6enten kann sich eine komplexe PTB als Folge schwerer Mißhandlung in der Kindheit verbergen. •  Schwer Trauma6sierten kann es in der Therapie zunächst schlechter gehen. Werten Sie die Therapie nicht ab, sondern nehmen Sie im Zweifel Kontakt mit dem Therapeuten auf. Bei einer komplexen PTB kann die Therapie Jahre dauern. Therapieziele: •  Aurau einer vertrauensvollen therapeu6schen Beziehung •  Abbau von selbstdestruk6vem Verhalten •  maladap6ve Überzeugungen (z. B. „Ich habe es so verdient“ oder „ich darf keinerlei Gefühl zulassen“) korrigieren •  überwäl6gende nega6ve Affekte reduzieren (Traumaexposi6on oder „Imagery Rescrip6ng“ gegen Flashbacks, kogn. Umstrukturieren und Verhaltensexperimente gegen Gefühl der Hilflosigkeit) •  Kompetenzen im interpesonellen Bereich aurauen. Zusammenfassung •  Traumata können sowohl zu umgrenzten Störungen (PTB, Anpassungsstörungen) als auch zu Persönlichkeitsstörungen führen. •  Die Bedeutung realer Traumata für die Entstehung psychischer Störungen ist lange unterschätzt worden. •  Frühe Trauma6sierung erhöht auch das Risiko für körperliche Erkrankungen •  Für die PosVrauma6sche Belastungsstörung stehen effek6ve Behandlungsmöglichkeiten (Traumakonfronta6on, kogni6ve Therapie) zur Verfügung. •  Die Wirkung unspezifischer Therapie ist nicht belegt. Literatur: •  A. Ehlers: PosVrauma6sche Belastungsstörung. Hogrefe, Götngen, 1999. •  U. Egle, S.O. Hoffmann P. Joraschky: Sexueller Mißbrauch, Mißhandlung, Vernachlässigung. SchaVauer, StuVgart, 2000. •  A. Maercker: Therapie der posVrauma6schen Belastungsstörungen. Springer, Berlin, 2003. •  L. Reddemann: Imagina6on als heilsame KraF. Pfeiffer, StuVgart, 2001. •  P. C. Claussen: Herzwechsel. Hanser, München 1996 •  J. P. Reemtsma: Im Keller. Rowohlt, 1998 •  V. Frankl: Der Mensch auf der Suche nach Sinn. Herder, Freiburg, 1973 4
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