Theodor W Adorno Philosophische Terminologie Zur Einleitung

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Theodor W Adorno
Philosophische Terminologie
Zur Einleitung
Band 1
Theodor W. Adorno wurde am II. September 1903 geboren und
starb am 6. August 1969.
"Wenn ich meine, daIS es berechtigt ist, eine Einlei tung in die Philosophie als eine Einleitung in die Terminologie zu geben, so leitet
mich dabei ein Gesichtspunkt , der vielen von Ihnen wahrscheinlich
gar nicht fremd ist und der im ubrigen in den verschiedensten Bereichen des gegenwartigen philosophischen Denkens hervorgehoben
wird. Der Philosophie ist ihre Sprache wesentlich, die philosophischen Probleme sind weitgehend Probleme ihrer Sprache, und die
Abgehobenheit der Sprache von der Sache, die Sie in den sogenannten positiven Wissenschaften vorfind en, gilt nicht in derselben
Weise fur die Philosophie.«
Suhrkamp
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Herausgegeben von R udolf zur Lippe
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CIP-Titelaufnahme der Deutsmen Bibliothek
Adorno, Theodor W.:
Philosophisme Terminologie: zur Einleitung /
Theodor W. Adorno. [Hrsg. von Rudolf zur Lippe] . Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Bd. 1. - 6. Auf!. - 1990
(Suhrkamp-Tasmenbum Wissensmafl; 23)
ISBN 3-518-27623-9
NE:GT
suhrkamp tasmenbum wissensmaft 23
Erste Auflage 1973
@ Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1973
Suhrkamp Tasmenbum Verlag
Alle Remte vorbehalten, insbesondere das des
offentlimen Vortrags, der Obertragung durm
Rundfunk und Fernsehen sowie der Obersetzung,
aum einze1.ner Teile.
Druck : Nomos Verlagsgesellsmaft, Baden-Baden
Printed in Germany
Umsmlag nam Entwlirfen von
Willy Fleckhaus und Rolf Staudt
6 7 8 9
10 II -
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Philosophische Terminologie
I
Die Vorlesung, die wir heute beginnen, tragt den Untertitel "Zur
Einleitung« oder »Zur Einfuhrung«. Dieser Untertitel ist doppeldeutig, denn man kann sich darunter ebenso gut vorstelIen
»Zur Einleitung in die philosophische Terminologie« wie »Zur
Einleitung in die Philosophie «. Dieser Doppelsinn ist beabsichtigt. Der Zweck dieser Vorlesung 5011 sein, Ihnen sowohl Zugang
zu der philosophischen Terminologie zu verschaffen, worauf ein
jeder, der mit dieser Wissenschaft sich befalSt, ein Anrecht hat,
wie auch, Sie durch die Erorterung der Termini auf eine vielIeicht
ein wenig neuartige und ungewohnte Weise in die Philosophie
selbst einzufiihren. Der philosophische Ansatz, mit dem ich Sie
vertraut machen mochte, liegt in einem Denken, das nicht im
herkommlichen Sinn an Systematik sich bindet; denn wenn man
eine Einleitung in die Philosophie gibt, indem man sich an einzelne Worte und Begriffe anschlielSt, so wird offensichtlich auch
die ZufalIigkeit und Isoliertheit dieser Worte oder Begriffe mit
in den Kauf genommen. AlIerdings bin ich, da ich das ausspreche,
Ihnen sogleich auch schuldig, dem hinzuzufugen, daIS diese Isoliertheit seIber ein Schein ist, daIS also in Wirklichkeit die philosophischen Worte nicht nur miteinander, sondern auch mit der
Sache zusammenhangen. Wenn ich meine, daIS es berechtigt ist,
eine solche Einleitung in die Philosophie als eine Einleitung in
die Terminologie zu geben, so leitet mich dabei ein Gesichtspunkt, der vielen von Ihnen wahrscheinlich gar nicht fremd ist
und der im ubrigen in den verschiedensten Bereichen des gegenwartigen philosophischen Denkens hervorgehoben wird. Der
Philosophie ist ihre Sprache wesentlich, die philosophischen
Probleme sind weitgehend Probleme ihrer Sprache, und die Abgehobenheit der Sprache von der Sache, die Sie in den sogenannten positiven Wissenschaften vorfinden, gilt nicht in derselben
Weise fur die Philosophie. Ich brauche nur daran zu erinnern,
daIS in der westlichen, in der angelsachsischen Welt, ein geradezu
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uberwaltigendes Mag der philosophischen Arbeit uberhaupt zum Guten oder zum Schlechten - der Arbeit und der Kritik an
der philosophischen Sprache gilt. Die Richtungen, die man fruher Semantik genannt hat und die man neuerdings analytische
Philosophie zu nennen liebt, sind allesamt sprachkritischer Art.
1m d eutschen Bereich kann bereits ein Blick in die Schriften von
Heidegger Sie daruber belehren, dag in diesen Schriften der
sprachliche Ausdruck, die sprachliche Formulierung im Gegensatz zu einem Lehrbuch der Mechanik oder irgendeinem gewohnlichen Geschichtsbuch eine ganz andere, eine zentrale
Rolle spielt. Ich versuche, nicht von festen, fixierten Oberbegriffen auszugehen, sondern diese Einleitung in das philosophische
Denken um einzelne Brennpunkte zu ordnen, wie sie uns gegeben sind in Gestalt der wichtigsten Termini. lch kann selbstverstandlich nicht beanspruchen, Ihnen einen Katalog oder einen
Index aller philosophischen Termini zu geben; nicht nur, weil
sich das nicht bewaltigen liege, sondern weil der Stumpfsinn eines solchen Verfahrens auf der Hand liegt und weil Sie gar nichts
davon hatten. Ich kann nur bestimmte Termini auswahlen, in denen mir Probleme konzentriert erscheinen, und nach der heute
unter dem Namen des exemplarischen Lernens beliebten Methode versuchen, Ihnen daran einiges zu zeigen.
Dag man, urn Philosophie zu verstehen, die Termini kennen und
verstehen mug, die in ihr gebraucht werden, ist plausibel; diese
philosophische Terminologie gilt jedoch als besonders schwierig,
und es werden sehr leicht Zumutungen, die in jeder anderen Einzelwissenschaft geradezu als selbstverstandlich angesehen werden, der Philosophie zum Vorwurf gemacht - Zumutungen bestimmter termini technici, also solcher Ausdrucke, die innerhalb
der Philo sophie als einem besonderen Fachgebiet ihren festgesetzten Platz einnehmen. Wenn dagegen etwa ein Dermatologe
ein derartiges hochst schwieriges und fur den Nicht-Dermatologen unverstandliches Vokabular gebraucht, findet kein Mensch
etwas Boses dabei. lch bin nun gar nicht geneigt, daruber in sentimentale Klagen auszubrechen und zu sagen, was einem Dermatologen recht ist, sollte schlieglich einem Philosophen billig sein.
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Ich meine viel eher, wenn man sich schon philosophisch verhalt,
und Philosophie ist ja nicht so sehr eine Thematik als eine Verhaltensweise des Geistes, eine Verhaltensweise des Bewugtseins,
dann hat man sich einmal daruber Rechenschaft zu geben, woher
dieser Unterschied eigendich ruhrt. Dabei stogt man darauf, dag
die Philosophie seiber ein paradoxes Gebilde ist; gleichzeitig ist
sie ein Fach und kein Fach, und jener spezifische Widerstand gegen die philosophische F achsprache hat sicherlich seinen Rechtsgrund, sein Moment von Wahrheit darin, dag man, wenn man
sich mit Philosophie beschaftigt, etwas anderes erwartet, als einem in den sogenannten positiven Einzelwissenschaften und
Disziplinen gegeben wird. Es soli sich in der Philosophie urn
Dinge handeln, die wesendich, fur jeden Menschen wesendich
sind und die mit der Arbeitsteilung in unserer Gesellschaft und
gar mit der Arbeitsteilung innerhalb der einzelnen Wissenschaften nicht erledigt werden konnen. Das pragt sich in einer Schwierigkeit aus, die zugleich die Schwierigkeit der philosophischen
Terminologie anzeigt. Zwar soli in der Philosophie, die ja nicht
zum geringsten Teil auf die Wissenschaften reflektiert, zur Klarheit gebracht werden, was in den Wissenschaften seiber etwa
noch unklar ist; es wird ein besonderer Anspruch auf Prazision
der Begriffe und damit auch auf Prazision des sprachlichen Ausdrucks fur die Begriffe erhoben - er mug erhoben werden. Auf
der anderen Seite enttauscht die Philosophie immer wieder gerade an dieser Stelle; man kann eben nicht in derselben Weise eine
einfache Liste der philosophischen Bedeutungen vorlegen, wie
das in den positiven Einzelwissenschaften moglich ist. Man
konnte als ein naiv aus dem einzelwissenschafdichen Betrieb an
die Philosophie sich begebender Mensch mit gesundem Menschenverstand fragen, und es sind vielleicht nicht wenige unter
Ihnen, die zu dieser Frage geneigt sind: Warum tut Ihr nicht ganz
einfach das, was man in anderen Wissenschaften auch zu tun
pflegt, warum definiert Ihr nicht einfach die Grundbegriffe? Zunachst ist die Forderung nach der Definition, die dabei erhoben
wird, seiber gar nicht so einfach, wie es Ihnen vielleicht scheint,
und dann werde ich zeigen, dag man uberhaupt mit der definito9
nich t durc hko mm t. In dem
rischen Met hod e in der Phil osop hie
wah rend des Drit ten Reiches
Wer k uber die Def initi on meines
und e gegangenen Freu ndes
unte r sehr trau rige n Ums tand en zugr
nein ande r vier Leh ren uber die
Wal ter Dub islav find en sich nebe
die Unte rsch eidu ng abso lut
Defi nitio n zusa mme ngef aih ' . Ob
hier wen iger wich tig als sein
bun dig ist, die Dub islav trifft, ist
s noch unte r Defi nitio n geHinw eis dara uf, wie Verschiedene
eht in der Hau ptsa che, also
dach t wird : "a) Eine Defi nitio n best
mun g oder Sacherklarung.«
wes entli ch, aus eine r Wes ensb estim
dessen, was das zu Defi ung
Wir wur den sagen, aus der Best imm
von seinen meh r neb eng
ehun
nier ende wes entli ch sei, unte r Abs
nden Best imm unge n.
hsel
wec
sachlichen oder akzi dent ellen oder
Hau ptsa che aus eine r Begriffs"b) Eine Defi nitio n best eht in der
bzw . Zerg liede rung . c) Eine
best imm ung, Beg riffs kons truk tion
che aus eine r Fest stell ung der
Defi nitio n best eht in der Hau ptsa
bzw . der Verw endu ng, die
Bed eutu ng, die ein Zeic hen besi tzt,
rakt erist ik der Defi nitio n unes findet.« Diese sehr einfache Cha
eine r phil osop hisc hen Rich ter (c) trifft ziem lich genau, was in
al geho rt habe n, nam lich in
tung geschieht, von der Sie aile einm
tung hat es sich in ihre r klassider Phan ome nolo gie. Diese Rich
zur Auf gabe gesetzt, die Besche n Form ulie rung durc h Hus ser!
arbe iten , mit dene n ein Aus deut unge n festz uste llen, hera uszu
. Und schlieElich: "d) Eine
druc k im allgemeinen gebr auch t wird
eine r Fest setz ung, nich t
aus
Defi nitio n best eht in der Hau ptsa che
einz ufuh rend en Zeineu
s
eine
Fest stell ung, uber die Bed eutu ng
eines Zeichens, das
ung
Setz
iche
chens.«2 Sie ist dam it die willkur!
den solI. Kein anwer
t
auch
gebr
von nun an so und nich t anders
ere Form der Defi nitio n fur
dere r als Kan t hat gerade diese letzt
eigentlich
bei ihm folgt,
die allein mogliche erkl art, wor aus
defi nier t werd en kann . Dies e
uber haup t nur in der Mat hem atik
che von Ihne n uber rasc hen, die
Ans icht Kan ts wird vielleicht man
beschaftigt habe n und an die
sich bish er nich t mit Phil osop hie
diese
artu ng hera ngeh en,
Phil osop hie gera dezu mit der Erw
haftigt.
wes entli ch sich mit Defi nitio n besc
ini ents pric ht wes entli ch
Term
den
r
nube
gege
n
Uns er Vor gehe
Exp lika tion der vers chie dene n
der dritt en Mog lich keit , also der
IO
hte aber den vier Typ en der
Bed eutu ngen von Begriffen. Ich moc
n Unte rsch ied hinz ufug en.
D efini tion noch einen ganz einfache
egen wart igen , ist es imm er
U rn irge ndei nen Begriff sich zu verg
spezifisch entg egen gese tzgut, ihn abzu gren zen gegen den ihm
es zwe i Typ en der Bestimgibt
ten Begriff. Unt er diesem Asp ekt
lich erstens Begriffe benam
nen
mun g von Begriffen. Sie kon
Defi nitio n,
exak ten Sinn
stirn men durc h Begriffe. In diesem
ff, best imm en durc h anSie eine n Begriff, den Sub jektb egri
seine Best irnm ung ein fur aldere Begriffe, durc h Prad ikat e, die
en soil en. Dies em Verf ahre n
lemal bun dig und voll stan dig leist
igtes das deik tisch e Verf ahgege nube r steh t als ein gleichberecht
chischen OELXVUf.t(
ren; das Wor t kom mt von dem grie
en. Wen n Sie also jema nden
was so viel bede utet wie etwas zeig
dann nutz t es Ihne n gar
des sen vers iche rn woll en, was rot
ifflich zu best imm en such en.
nich ts, wen n Sie das irge ndw ie begr
Sie dabei reku rrier en auf die
Es nutz t Ihnen auch nich ts, wen n
statt habe n; denn Sie kon nen
Rot -Gru n-Pr ozes se, die im Aug e
chie dene n Farb proz esse im
noch so scho n die The orie der vers
ind sind , kon nen Sie desh alb
Auge kenn en, wen n Sie farb enbl
und grun nich t wah rneh men .
trotz dem den Unte rsch ied von rot
riff rot, wen n ande rs das ein
Urn also eine m Men sche n den Beg
eutli chen , mus sen Sie zum
verd
zu
Begr iff im prag nant en Sinn ist,
hind eute n, die einige der in
Beispiel auf eine n der rote n Jum per
en, und mus sen sagen : also
dem Saal anw esen den Dam en trag
Zon e - in der sie sich abdiese Farb e inne rhal b eine r gewissen
violett und auf der ande rn
gren zt, etwa auf der einen Seite von
rot. Dieses deik tisch e Verfahvon oran ge - vers tehe n wir unte r
ahre n grun dsat zlich unte rren ist das dem defi nito risch en Verf
n dagegen ist jedesmal und
schieden e, der Bereich der Defi nitio
durc h Begriffe. Vielleicht
imm er die ErkI arun g eines Begriffs
mit der Ford erun g nach
es
kon nen Sie scho n dara n sehen,
der Wis sens chaf tlich griff
Defi nitio n, die Ihne n oft als der Inbe
saub eren Begriffen
en,
klar
mit
keit p rase ntie rt wird - "ma n
wen n Sie einen Ben
Den
ist.
e
arbeiten« -, kein e so einfache Sach
t es sich, ob diese Begriffe
griff durc h Begriffe defi nier en, frag
defi nier ten Begriff gem eint
selb st den Geg enst and, der mit dem
II
ist, angemessen bezeich nen. Es gehort zu dieser adaquat en, angemessenen Bezeich nung im Begriff dazu, daB man schlieBlich
auf die Sache selbst so rekurrie rt, wie sie uns in der unmitte lbaren
Anschau ung, in der unmitte lbaren Erfahru ng gegeben ist. Dadurch komme n eben Schwierigkeiten und Kompli kationen herein von denen man sich bei dem allherrs chenden Abergla uben
an die Definiti on wenig traumen laBt. Ich lege deshalb so groBen
Wert darauf, weil Sie von vornher ein sehen muss en, daB es nicht
etwa eine Laxheit oder ein Mangel an Prazisio n der Philo sophie
im Vergleich zu den Einzelw issensch aften ist, wenn ich mit Ihnen hier Begriffe erortere , indem ich Ihnen - urn mit Kant zu reden - Begriffe teils expliziere und teils exponie re, aber nur sehr
selten definiere. 1m Gegenteil, gerade dadurch , daB man uber die
einzelw issensch aftlichen Prozedu ren nachden kt, kommt man
dazu, solchen Verhalte nsweise n. die innerhal b der Einzelwissen schaften fur schlecht erdings gultig und vorgege ben angesehen
werden, nicht so ohne wei teres sich anzuver trauen. Diese Reflexion, diese Besinnu ng auch uber die Mittel der geistigen und der
wissens chaftlich en Arbeit, ist zwar sicher nicht das Ganze, nicht
einmal das Wesentl ichste der Philoso phie, aber sie ist ein Moment der Philoso phie, das von ihrem eigenen Begriff nicht weggedacht werden kann.
Ich glaube, ich bin es Ihnen nun auch schuldig , die drei wichtig sten Kategor ien der allgemeinen Logik wenigst ens grundsa tzlich
zu erlauter n. Ich lasse mich dabei nicht auf deren unendlic h verzweigte Problem atik ein; ich gebe Ihnen nur diese logische n
Grundk ategorie n selber, damit Sie bei dem notwend ig unausge setzten Gebrauc h dieser Kategor ien zunachs t einmal im Sinn einer ganz schlicht en und unprate ntiosen Verstan digung wissen,
was Sie darunte r sich zu denken haben. (!?er Begriff ist die meist
sprachli che Fixierun g, die fur die Einheit all der Gegenst ande, die
unter den Begriff fallen, steht, durch die deren einheitliche
Merkma le ausgesp rochen werden] Die zweite dieser logische n
Grundk ategorie n ist das !Vrtei!l das wir gewohn lich, wenn es
sprachli che Gestalt hat, auch als Satz bezeich nen; im allgemeinen, allerdings sehr formalis tisch, bezeich net man das Urteil als
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die61erb indung eines Subjektbegriffs mit einem Pradika tsbegrif f
durch eine Kopul-;J Das ist verhaltnismaBig auBerlich, namlich
allzuseh r an der Gramm atik orientie rt und gilt uberhau pt nur fur
den satzbild enden Typus von Sprache n und nicht etwa fur Sprachen, die in einzelne n Charakt eren bestehen. Ich begnuge mich
hier damit, Ihnen eine andere, eine frappan t einfache Definiti on
von Urteil zu nennen. Sie hat den Vorzug, daB es gar nicht leicht
ist, eine bessere und schlagendere zu finden, und stammt von
3
meinem alten Lehrer Hans Corneli us : Urteil ist ein Tatbesta nd,
auf den die Frage nach seiner Wahrhe it oder seiner Unwahr heit
sinnvoll angewa ndt werden k{ nn. Die letzte dieser drei logische n
Grundfo rmen ist der chlu£U im allgemeinen versteht man darunter die Verbind ung von zwei Urteilen oder Satzen in der Art,
daB aus diesen beiden Satzen oder Urteilen ein dritter Satz mit
dem Anspru ch auf Wahrhe it hervorg eht. Das ist ganz grob die
Struktu r der Grundb egriffe der formale n Logik, die wir hier voraussetzen muss en fur die Verwen dung der Termini , mit denen
wir zu tun haben.
Ich habe Ihnen gesagt, daB wir mit Definiti onen in der Philoso phie nicht auskom men. Ich mochte Ihnen das an einer eigenen,
sehr fruhen Erfahru ng demons trieren; ich kann mir vorstelle n,
daB viele von Ihnen die gleiche Erfahru ng gemach t haben und
daB sie sogar bei vielen von Ihnen etwas wie ein Vorurte il, wie
einen Widerst and gegen die Philoso phie hervorg ebracht hat, der
dann in Ironie sich maskier en mag. Eines der ersten philosop hischen Bucher, an die ich als halbwuc hsiger Junge geraten bin, war
die »Ethik« von Spinoza4 • Wenn Sie das erste Buch aufschlagen
und anfangen, uber Gott zu lesen, dann werden Sie sofort - wie
auch in den folgend en Buchern des Werkes - eine Unmeng e von
Definiti onen finden. Diese Definiti onen stehen dort gleich am
Beginn, weil es ja die Absicht Spinoza s war, die Ethik more geometrico , also aus wenigen Grunds atzen in streng mathem atischer
Weise, zu entwick eln. Urn dieser Strenge willen, ganz so, wie Ihnen die Forderu ng strenger Definiti on begegne t, hat also Spinoza
diese Definiti onen an den Anfang gestellt. Ich muB Ihnen gestehen, ich habe vor dies en Definiti onen gestand en, wenn Sie mir
den unakademischen Vergleich gestatten, wie die Kuh vor dem
neuen Tor. Ich wuBte liberhaupt nicht, was mit dies en Definitionen anzufangen ist, und ich glaube, wenn diejenigen von Ihnen,
die noch nicht Geschichte der Philosophie betrieben haben und
vor allem noch nichts von Descartes gehort haben, sich diese Definitionen ansehen, wird es ihnen ganz ahnlich ergehen. Das
heiBt, in Wirklichkeit sind diese Definitionen - das hat bereits
Johann Eduard Erdmann in seiner Geschichte der Philosophie,
die ich Ihnen warms tens empfehlen mochte 5, mit auBerordentlicher Scharfsicht an Spinoza erkannt- nur zu verstehen von ihrem
l1erminus ad querciJaus, also von dem aus, was an Absichten hinter
ihnen steh!1 Wenn zum Beispiel Gott eine unendliche Anzahl
von Attributen zugesprochen wird, so hat das nur dann einen
Sinn, wenn diese unendliche Substanz Gott mit den unendlich
vielen Attributen als eine Konzeption verstanden wird, die Spinoza der Zwei-Substanzen-Lehre des Descartes entgegengesetzt
hat, und wenn man weiB, daB sie dazu dient, die beiden Substanzen, die bei Descartes als durch einen Abgrund voneinander getrennt auftreten - namlich die ausgedehnte Substanz, die res extensa, und die denkende Substanz, die res cogitans -, als
verschiedene Bestimmungen derselben Substanz zu vereinigen,
so daB sie sich als deren Attribute darstellen. Und so ist es mit
allen anderen philosophischen Definitionen. Sie entfalten in
Wirklichkeit meist bereits die Intentionen der ganzen Philosophie. GewiB ist richtig, wie es das allgemeine BewuBtsein so unterstellt, daB man eine Philosophie nur dann verstehen kann,
wenn man ihre Termini versteht; dazu korrelativ gilt aber auch,
daB man die Termini im allgemeinen nur dann wird verstehen
konnen, wenn man die Philosophie als ganze versteht, in der sie
auftreten, und darliber hinaus noch, wenn man die spezifischen
Funktionen versteht, die die Termini in dieser Philosophie zu erflillen haben. Es ist ohne wei teres deutlich, daB diese Oberle gungen, die ja bereits recht komplexer Natur sind, mit dem einfachen
definitorischen Verfahren nicht durchgeflihrt werden konnen.
Darliber hinaus gibt es in der Philosophie selbst eine ganze
Menge von Begriffen, die ihrerseits sich liberhaupt gar nicht defi-
nieren lassen. Machen Sie einmal den ganz einfachen Versuch,
den Begriff Raum oder den Begriff Zeit zu definieren, ohne daB
Sie bei der Definition seIber bereits Begriffe voraussetzen, die
sich ihrerseits schon auf Raumliches oder auf Zeitliches beziehen,
also ohne dabei in einen Zirkel zu geraten. Sie werden wohl nicht
leugnen, daB Raum und Zeit, denen schlieBlich Kant einen der
geschichtlich wirkungsvollsten Abschnitte der »Kritik der rein en
Vernunft« gewidmet hat, wesentliche philosophische Begriffe
sind; aber sie sind eben ihrer eigenen Art nach konstitutiv dem
Verfahren der Definition entzogen. Und wenn Sie einem heute,
ich muB sagen, leider sehr im Schwange befindlichen Begriff wie
dem des Seins in ahnlicher Weise nachfragen, wenn Sie versuchen
wlirden, den Begriff des Seins zu definieren, dann wlirden Sie
ohne aile Frage auf ganz ahnliche Schwierigkeiten stoBen. Urn in
die philosophische Terminologie einzuflihren, reicht das definitorische Verfahren nicht zu.
SchlieBlich ist zu sagen, daB die Begriffe in der Geschichte der
Philosophie nicht identisch durchgehalten sind, sondern daB sie
wechselnd gebraucht werden. Solcher Wechsel ist nun nicht etwa
eine bloBe Schlamperei der Philosophen, die sich nicht dazu disziplinieren konnen, dieselben Worte in denselben Bedeutungen
zu verwenden; vielmehr laBt sich bis ins einzelne zeigen, wie dieser Wechsel der Termini bedingt ist durch die wechselnden Konstruktionen der Philosophien, in denen sie auftreten. Darin liegt
eine Art von geschichtlicher GesetzmaBigkeit, die auch ihre soziale Seite hat. Selbst in unserer kurzen Geschichte der philosophischen Terminologie wird eine gewisse Tendenz der Philosophie deutlich werden, Termini auch dann festzuhalten, wenn ihr
eigener Lehrgehalt sich wesentlich unterscheidet von dem, was
sie in jener Philo sophie bedeuten, aus der sie von einer folgenden
libernommen werden. Auch das ist keine Laxheit oder Unscharfe, sondern es hat wiederum einen sehr einsichtigen Grund;
wie wir vor allem seir[Hege11wissen, ist die Geschichte der Philosophie nicht einfach eine Art von mehr oder minder zufallig aufeinanderfolgenden Systemen und Erklarungsversuchen. Sie stellt
in sich selbst so etwas wie einen
wie einen durchgehenden Denkzusammenhang dar, so dag man
doch von einer Kontinuitat sprechen kaneJ- freilich nur innerhalb gewisser Grenzen, die durch groge Bruchstellen wie die
nach dem Untergang der antiken Philosophie oder nach dem
Untergang der Scholastik bezeichnet sind. Ein Problem wird von
einer Philosophie an die andere weitergegeben, wodurch vielfach
die Tradition des Problems in Gestalt der Termini bewahrt wird,
wah rend sich die Veranderung, das qualitativ Neue, was geschieht, niederschlagt in dem neuen Gebrauch, in den die Termini kommen. Die Termini treten aber nicht nur bei den verschiedenen Philosophien in verschiedenem Zusammenhang auf;
sie andern sich bereits in sich. Diese Tatsache geht bis auf die Antike zuriick. Das ist zum Teil auch sprachgeschichtlich, nicht allein philosophiegeschichtlich begriindet. Wir wissen zum Beispiel, dag entscheidende terminologische Veranderungen
entstanden sind, indem bestimmte Worte, die in vorsokratischen
Ursprungszeiten der Philosophie noch allgemein gebrauchlich
waren und verstanden wurden, entweder verschwunden sind
oder, was haufiger der Fall ist, im Lauf der Geschichte der Sprache eine viel spezifischere Bedeutung angenommen haben. Fur
das Wort Sache oder Ding, also fiir das lateinische Wort res, gibt
es in dem archaischen Griechisch der Vorsokratiker das Wort
XQiilla. Nun hat XQl11la im klassischen Griechisch, vor allem im
Plural XQiilla"Ca, die Bedeutung von Geld, und es ist klar, dag
man, nachdem ein soleh entscheidender Bedeutungswechsel
sprachgeschichtlich sich vollzogen hat, den Ausdruck XQtllla
nicht mehr wie zuvor hat verwenden konnen. An seine Stelle ist
dann der Ausdruck JtQaYlla getreten. Aber in sehr vielen Formulierungen der Philosophie des klassischen Zeit alters ist sogar
dieser Ausdruck vermieden, namlich dort, wo der Begriff der res,
des Dinges, schon so verblalh ist, dag er nur noch das Etwas, das
Es bedeutet, ohne dag dabei an konkrete, individuierte, in Raum
und Zeit fest bestimmte Dinge gedacht wird - dort wird das Gemeinte einfach syntaktisch umschrieben. Da wir gerade von
JtQaYlla sprechen, mochte ich die Gelegenheit benutzen, unsysterna tisch Sie vor einer terminologischen Verwechslung zu war-
nen, die im Zusammenhang mit diesem Ausdruck im
gegenwartigen philosophischen Deutsch sehr haufig begegnet.
Sie lesen immer wieder, das und das sei aus pragmatischen Riicksichten geschehen. Dabei wird gedacht - Sie konnen sehen, wie
solche Begriffe im Lauf der Zeit sich andern - an den amerikanischen Pragmatismus, also an die Philosophie, die von James und
Schiller begriindet worden ist. Pragmatismus heigt dabei, dag allein mit Riicksicht auf ihre Zweckangemessenheit nach der philosophischen Wahrheit iiberhaupt gefragt werden konnte, pragmatisch wird hier also so verstanden, als ob es so viel wie niitzlich
oder zweckangemessen bedeute. Diese Begriffsbedeutung von
pragmatisch ist nun wirklich falsch, weil pragmatisch seinerseits,
und zwar vor allem auch in der Theorie der Geschichte - das
schliegt an Thukydides an -, eine ganz bestimmte Bedeutung,
namlich die des Sachlichen, des nicht Erfundenen, sondern streng
der Sache Angemessenen hat, die ihrerseits mit der Zweckmagigkeit oder Nutzlichkeit gar nichts zu tun hat. Also unterscheiden
Sie bitte in dies em Sinn zwischen pragmatisch als sachlich oder
sachgerecht und pragmatistisch als fiir irgendwelehe Nutzlichkeitseffekte oder Zweckmagigkeiten in Betracht kommend.
!}ei dem Wandel derTerminihandeltes sichnichtnur urn die von
der Sprachgeschichte her der Philosophie aufgezwungenen Veranderungen der philosophischen Terminologie; sondern diese
Veranderungen sind der Philosophie selbst notwendig, weil die
Begriffe dadurch, dag die Philosophie sich geschichtlich verandert, in ihr umgepragt werdei0.Es mug also daraus die Folgerung
gezogen werden, dag eine Einleitung in die Terminologie immer
einer erganzenden Beziehung auf das Ganze der Philosophien
bedarf, in denen die Termini auftreten. Isolierte Worterklarungen konnen nicht gegeben werden; die W orterklarungen sind nur
ein Zugang und werden erst durch die explizierte Beziehung auf
den Zusammenhang, in dem die Worte stehen, ermoglicht. Man
hat dem vielfach die Wendung gegeben, dag die Begriffe - und
ich wiirde sagen mit Recht, obwohl die Formulierung reichlich
abgeklappert ist-lebendig seien oder gar, dag das Leben der Bedes Begrif§
griffe, bei Hegel heigt es sehr emphatisch
or-
eigentlich dasselbe sei wie die Philosophie. Und ich mochte ihnen
als ein Programm sagen, damit Sie wissen, was Sie zu erwarten
haben :{?ie Aufgabe einer philosophischen Behandlung der philosophischen Terminologie kann eigentlich nichts anderes sein,
als dieses in den Termini, in den Worten geronnene Leben zu erwecken1
Ich moc-hte noch einmal mit einem Wort zuriickkommen auf die
Problematik des Begriffs der Definition. Wahrend im allgemeinen in den Einzelwissenschaften, und gerade heute unter dem
Einflug des logischen Positivismus, der Begriff der Definition in
hohen Ehren steht und wah rend viele von Ihnen, zum Beispiel
die Juristen, sich geradezu einem Postulat gegeniiber finden, mit
genau definierten Begriffen zu operieren, hat die groge Philosophie, und das spricht genau fiir jenes Moment des Lebens der Begriffe, an dem Verfahren der Definition die einschneidendste
Kritik geii bt. Diese Kritik ist geiibt worden von Philosophen der
einander entgegengesetztesten Standpunkte; man konnte beinahe sagen, Philosophie, soweit sie Philosophie ist und nicht
eine bloge Wissenschaftstechnik, werde iiberhaupt dadurch bezeichnet, dag sie dies em Begriff der Definition gegeniiber sich
kritisch verhalt. Das gilt auch bereits fiir Kant. Die Kantische
Philosophie war ja eine Kritik an dem Rationalismus als der Philosophie, die da geglaubt hat, aus reinen Begriffen heraus etwas
iiber die wichtigsten Fragen des Seins ausmachen zu konnen. Auf
unser Problem angewandt bedeutet das, dag die Kantische Philosophie auch Kritik war. Denken Sie nur an das, was ich Ihnen
iiber Spinoza sagte, an sein nun freilich typisch rationalistisches
Verfahren, aus Begriffen, aus begrifflichen Definitionen die
Wahrheit herauszuspinnen. Sie finden die Kantische Kritik des
Definierens in dem zweiten und relativ sehr kurzen Hauptteil der
»Kritik der rein en Vernunft", der im allgemeinen vie! zu wenig
gelesen wird und den ich Ihrer Aufmerksamkeit bei dieser Gelegenheit sehr anempfeh!en mochte ; nicht nur deshalb, wei I er viel
leichter als die iibrigen Teile zu lesen ist, sondern wei! er voll der
produktivsten Formulierung ist. Hier also, in der transzendentalen Methodenlehre, in dem ersten Abschnitt des ersten Haupt18
stiicks von der Disziplin der reinen Vernunft6, wird eine ausgefiih rte Kritik des definitorischen Verfahrens gegeben.
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