Constanze Mozart - Musik und Gender im internet

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Mozart, Constanze
Constanze Mozart
den und konzertierte zunächst in Wien, dann in Leipzig,
Geburtsname: Constanze Weber
Dresden und Prag. Sie veranstaltete Soireen, bei denen
Ehename: Constanze von Nissen
sie ihren späteren Ehemann, Nikolaus von Nissen kennen lernte. Mit ihm begann sie eine umfassende Mozart-
* 5. Januar 1762 in Zell im Wiesental, Deutschland
Biografie, die sie nach Nissens Tod fertig stellte und her-
† 6. März 1842 in Salzburg, Österreich
ausgab. Mit dieser über 50 Jahre andauernden Tätigkeit
legte sie den Grundstein für die Mozartforschung.
Sängerin, Nachlassverwalterin
Orte und Länder
Letzter Gruß Constanze Mozarts an ihren soeben verstor-
Constanze Mozart wurde als dritte von vier Töchtern
benen Gatten Wolfgang A. Mozart in Form einer Eintra-
Fridolin Webers und seiner Frau Cäcilia in Zell geboren.
gung in sein Stammbuch, notiert auf der Rückseite der
1763 übersiedelte die Familie nach Mannheim. 1779 er-
Eintragung von Dr. Sigmund Barisani, die ihr als Vorlage
folgte der Umzug der Familie Weber nach Wien, wo Aloi-
diente:
sia, die Schwester Constanzes, ein Engagement am Burg-
”Was Du einst auf diesem Blatte an Deinen Freund sch-
theater bekommen hatte. 1781 nahm die verwitwete Cäci-
riebst,
lia Weber den eben aus den erzbischöflichen Diensten
eben dieses schreibe nun Tiefgebeugt an Dich
aus Salzburg entlassenen Wolfgang A. Mozart als Unter-
vielgeliebter Gatte; mir, und ganz Europa unvergeßlicher
mieter auf.
Mozart –
auch Dir ist nun wohl- auf ewig wohl!!!---
Am 4. August 1782 heirateten Constanze Weber und
Um 1, U. nach Mitternacht vom 4te zum 5te Dezember
Wolfgang A. Mozart in Wien, wo das Ehepaar auch wohn-
deß Jahres
haft blieb. Nach Mozarts Tod 1791 trat Constanze Mozart
Verließ er in Seinem 36te Jahre- O! nur allzu frühe! –
wieder in Konzerten auf, am 28. Februar 1796 stand sie
Diese gute- aber undankbare Welt! – O Gott! –
in einer Partie in ”La Clemenza di Tito” sogar auf der
8 Jahre knüpfte uns daß zärtlichste, hienieden unzert-
Bühne des Königlichen Operntheaters zu Berlin.
rennliche Band! –
O! könnte bald auf ewig mit Dir verbunden seyn.
1811 übersiedelte sie mit ihrem am 26. Juni 1809 in Preß-
Deine äußerst betrübte Gattin
burg geehelichten zweiten Ehemann Nikolaus von Nis-
Constance Mozart née ‘Weber”
sen nach Kopenhagen, wo das Ehepaar begann, den musikalischen Nachlass Wolfgang A. Mozarts zu ordnen.
(Faksimile-Abdruck in Arthur Schurig: Wolfgang Ama-
Nach dem Verkauf des Hauses in Kopenhagen übersiedel-
deus Mozart. Sein Leben, seine Persönlichkeit, sein
te das Ehepaar Nissen 1821 nach Salzburg, um die Mo-
Werk, Bd. 2, Leipzig: Insel-Verlag. S. 333. Constanze irrt
zartbiografie zu vollenden. Nach dem Tod Nissens 1826
sich hier in der Zahl der Ehejahre; sie war neun Jahre
führte Constanze Mozart das Werk der Nachlass-Rege-
mit Mozart verheiratet.)
lung in Salzburg zu Ende.
Profil
Biografie
Die ausgebildete Sängerin Constanze Mozart war für Mo-
Constanze Mozart wurde am 5. Januar 1762 in Zell, im
zart eine gute Zuhörerin und engste Vertraute. Auf den
schwarzwäldischen Wiesenthal geboren, als zweitjüngste
zahlreichen Reisen (z.B. Prag 1787 und 1791) Sie begleite-
Tochter von Fridolin Weber und seiner Frau Maria Cäci-
te sie nicht nur ihren Ehemann, sondern übernahm zu-
lia. Ihr Vater, der in Freiburg Jura studiert hatte, wurde
nehmend die Reiseorganisation. Obgleich sich ihre Ehe
als Amtmann in Zell 1763 gekündigt. Die Familie Weber
mit Mozart als immer schwieriger gestaltete, hatte sie bis
übersiedelte nach Mannheim, in die Geburtsstadt von Cä-
zum Tode Mozarts, allen negativen Vorurteilen Leopold
cilia Weber, was für die Familie einen sozialen wie auch
Mozarts zum Trotz, um die Gunst ihres Schwiegervaters
finanziellen Abstieg mit sich brachte. Fridolin Weber
gerungen.
musste in der Folge seine Familie mit Gelegenheitsjobs
als Sänger, Souffleur und schlecht bezahlter Notenkopist
Nach Mozarts Tod war Constanze aus finanziellen Grün-
mühsam über Wasser halten.
den gezwungen, selbst wieder musikalisch aktiv zu wer-
–1–
Mozart, Constanze
Trotzdem (oder gerade deswegen) war er bemüht, seinen
1787 und 1791.
Töchtern die beste Erziehung angedeihen zu lassen. Die
gute Schulbildung seiner Töchter lässt auf deren Unter-
Während ihrer Ehe mit Wolfgang A. Mozart gebar sie
richt in der Katholischen Schule der Congregation von
sechs Kinder, von denen zwei überlebten. Die wachsende
Notre Dame schließen. Alle vier Mädchen hatten nämli-
Geldnot in den letzten Ehe-Jahren mit Mozart, die vielen
ch ausgezeichnete Kenntnis der französischen Sprache in
Quartierwechsel und anstrengenden Geburten zehrten je-
Wort und Schrift. Die Musikausbildung musste der Vater
doch derart an ihren Kräften, dass sich Constanze ver-
wohl selbst übernommen haben, da alle Töchter eine vir-
mehrt in die Kuren nach Baden-Baden begab.
tuose Koloraturtechnik besaßen und exzellent Klavier
spielten. So hatte Wolfgang A. Mozart sicher recht, wenn
Der Tod Wolfgang A. Mozarts am 5. Dezember 1791 traf
er die Familie Weber mit seiner eigenen verglich:
die erst 29-jährige Witwe abrupt und sollte ihr Leben
“...ihr Vatter wie meiner, und die ganze famille wie die
von Grund auf verändern. Die finanziellen Sorgen und
Mozartische.”
die Sorge um ihre Söhne, den siebenjährigen Carl Tho-
Bei dem Gesangsunterricht, den Constanzes Schwester
mas und den fünf Monate alten Franz Xaver Mozart
Aloisia Weber zwischen Oktober 1777 und März 1778 von
zwangen Constanze, auch selbst musikalisch wieder ak-
Wolfgang A. Mozart erhielt, war meistens auch Constan-
tiv zu werden. Die ausgebildete Sängerin konzertierte zu-
ze anwesend. Auch Constanze verrichtete nach eigenen
nächst in Wien, später auch in Leipzig, Dresden und
Angaben täglich ihre Stimm- und Gesangsübungen. Drei
Prag. Am 28. Februar 1796 stand sie sogar in einer der
der Töchter, nämlich Aloisia, Sophie und Josepha (Mitg-
Partien in ”La Clemenza di Tito” auf der Bühne des Kö-
lied der Theatertruppe von E. Schikaneder) übten später
niglichen Operntheaters zu Berlin. Um jedoch zu regel-
den Musikerberuf als Sängerinnen und Pianistinnen aus.
mäßigen Einnahmen zu kommen, beschloss sie, Unter-
Die wahrscheinlich talentierteste von ihnen, Aloisia,
mieter in ihre Wohnung zu nehmen.
konnte ab ihrem 19. Lebensjahr die gesamte Familie ernähren und auch deren gesellschaftlichen Status wieder
Constanze bezog also eine geräumige Wohnung im obers-
heben.
ten Stockwerk des Michaelerhauses. Dort arrangierte sie
musikalische Soireen, die von vielen durchreisenden
Nach seiner unbeantwortet gebliebenen Liebe zu Aloisia
Künstlern, die Mozart kannten, besucht wurden. Einer
hatte Wolfgang A. Mozart für Constanze erst ein Auge,
der Stammgäste dieser Soireen war in der Saison
als er nach seinem Hinauswurf aus der Salzburger Hof-
1797/98 Nikolaus Nissen, welcher, selbst hochmusikali-
musik Anfang Mai 1781 nach Wien übersiedelte und bei
sch, ein glühender Verehrer der Werke Wolfgang A. Mo-
der mittlerweile in Wien ansässigen Witwe Cäcilia We-
zarts war. Es traf sich gut, dass der als sympathisch, klug
ber als Untermieter einzog. In einem Brief vom 15. De-
und hochgebildet geltende dänische Legationssekretär
zember 1781 gesteht Mozart seinem Vater bereits seine
auf Wohnungssuche war. Bald zog Nikolaus Nissen in
Liebe zu Constanze. Leopold Mozart verwehrte seine Ein-
die geräumige Wohnung Constanzes ein. Er übernahm
willigung zur Eheschließung bis zum letzten Moment
für die verwaisten Kinder die Vaterrolle und auch den
und ließ sich erst durch die Fürsprache der die Lieben-
Unterricht in Latein, Französisch und Algebra.
den unterstützenden Baronin Waldstetten umstimmen.
Noch bevor sein briefliches Placet eintraf, hatten Wolf-
Auch wenn die Hochzeit von Constanze Mozart und Niko-
gang und Constanze sich am 4. August 1782 trauen las-
laus Nissen erst am 26. Juni 1809 stattfand – im Martins-
sen.
dom zu Preßburg – bestand, nach allem was wir wissen,
schon seit längerem eine ernsthafte Liebesbeziehung zwi-
Je mehr sich die Beziehung zwischen Wolfgang A. Mo-
schen beiden.
zart und seiner Salzburger Familie, also seinem Vater
und seiner Schwester Nannerl distanzierte, umso näher
Wegen der angeschlagenen Gesundheit Nissens besch-
wurde ihm seine geliebte Constanze. Constanze Mozart
loss das Ehepaar in die Heimat des Gatten zu übersie-
galt mit ihren damals 20 Jahren als lebenslustig und war
deln. Zehn Jahre lang lebten sie in der Lavendelgasse in
sicher auch in musikalischen Dingen eine gute Zuhöre-
Kopenhagen: Dort führte das Paar ein finanziell sorgenf-
rin, später auch immer wichtigere Ratgeberin. Sie wurde
reies Leben und Nikolaus von Nissen begann auf der Ba-
Mozarts Begleiterin auf den wichtigen Reisen nach Prag
sis von Erzählungen seiner Frau mit seinem Lebenswerk,
–2–
Mozart, Constanze
dem Schreiben der Mozart-Biografie.
Verständnis für die hohen Ideale Wolfgang A. Mozarts.
1828 gibt Constanze Mozart die Mozart-Biografie ihres
1821 reifte beim Ehepaar Nissen anlässlich eines Kuraufenthaltes in Gastein der Wunsch, sich in Salzburg niederzulassen. In ihrem neuen Haus am Nonnberg setzte Niko-
zweiten Mannes, Nikolaus von Nissen, heraus.
Rezeption
laus von Nissen mit Hilfe Constanzes sein Alterswerk
Constanze Mozart wird in den meisten der gängigen Mo-
fort. Ferner unterstützte sie ihn bei der anstrengenden
zart-Biografien als dem Genie ihres Mannes nicht ge-
Reise nach Deutschland, die dem Aufsuchen von mit Mo-
recht werdenden Ehefrau beschrieben. In der biografi-
zart verbundenen Stätten und Personen gewidmet war.
schen Literatur über Wolfgang Amadeus Mozart gibt es
Constanze führte das von Nissen aufgrund seiner Krank-
genügend Aussagen, die angebliche charakterliche und
heit und Todes am 22. März 1826 unvollendete Projekt
menschliche Mängel Constanze Mozarts herausstrei-
der Mozart-Biografie zu Ende. Constanze holte ihre
chen. Oft sind die Aussagen, wie zum Beispiel bei Wolf-
Schwester Sophie zu sich ins Haus, die am selben Tag
gang Hildesheimer, sogar widersprüchlich: ”Constanze
wie sie ihren Mann verloren hatte. Bis zu ihrem Tod am
war eine leichtlebige, dabei triebhafte Natur, sie gewähr-
6. März 1842 – Constanze starb an einer Lungenläh-
te Mozart – und vielleicht nicht nur ihm – erotische, zu-
mung – stellte sie ihr ganzes Leben in den Dienst der Er-
mindest sexuelle Befriedigung, wäre aber unfähig gewe-
innerung an ihren Mann.
sen, ihm jenes Glück zu spenden, dessen ein geringerer
Würdigung
zu seiner Selbstverwirklichung bedurft hätte. Darin war
Mozart Egozentriker: Der Maßstab allen menschlichen
Constanze Mozart war auf Grund ihrer hervorragenden
Empfindens war ihm das von ihm selbst investierte Ge-
musikalischen Ausbildung in der Lage, die Sopranparti-
fühl, nicht die Erwiderung des Partners, deren mehr
en der Opern ihres Mannes gemeinsam mit ihm durchzu-
oder weniger geringen Grad er nicht wahrnahm oder zu-
arbeiten. Wir wissen, dass Mozart diese anspruchsvolle
mindest: erst dann wahrnahm, wenn er, wie von Aloisia,
Arbeit mit seiner Frau sehr geschätzt hat.
zurückgewiesen wurde. Seine Einsamkeit war zwar extrem, zugleich aber war sie ihm auch Schutz vor Verlet-
Als Mozart im Spätsommer 1783 in Salzburg zu Besuch
zungen seines Ego.” Zunächst bemerkt er völlig richtig:
war, sang er mit seiner Frau und gemeinsam mit Freun-
”Constanze Mozart ist der seltene Fall einer biographi-
den das berühmte Quartett aus dem dritten Akt des ”Ido-
schen Schlüsselfigur, deren Bild wir aus keinem einzigen
meneo”. ”Andrò ramingo e solo”: Er selbst hatte die Par-
Selbstzeugnis
tie des kretischen Königssohnes Idamantes übernom-
nicht, solange sie Constanze Mozart war. Und auch die
men. Der Vortrag des Quartetts erschütterte ihn derart,
Aussagen anderer über sie sind spärlich genug. Wir sind
dass er in Tränen ausbrach und das Zimmer verlassen
beinahe ausschließlich auf die an sie adressierten Briefe
musste. Dies erzählte Constanze Mozart erst fünfzig Jah-
angewiesen, und auf die wenigen, meist unfreundlichen
re später anlässlich eines Besuches 1829 von dem engli-
Andeutungen überlebender Zeitgenossen. Aus ihren acht
schen Verleger Vincent Novello und dessen Frau Mary in
Jahren als Mozarts Frau haben wir kein einziges Doku-
Salzburg. Die Reisetagebücher der Novellos enthalten no-
ment von ihr selbst. Die Briefe an ihren Mann sind ver-
ch mehr Erstaunliches: Einmal habe Mozart seiner Frau
schollen,” und weiter: ”Vielleicht offenbarte sich in ihnen
gestanden, sein Glück sei zu groß, um dauerhaft zu sein.
jene Liebe und Fürsorglichkeit, die sie für ihren Gatten
zusammensetzen
können,
zumindest
empfunden haben will, allzu ungenügend für die registWenige Jahre nach dem Tod ihres Mannes ließ Constan-
rierende Nachwelt. (...) Es ist unwahrscheinlich, daß sie
ze Mozart den Klavierauszug des ”Idomeneo” veröffentli-
jemals psychisch gelitten hat, und auch ihre physischen
chen. In der Ankündigung dieser Ausgabe schrieb sie:
Leiden betrachten wir mehr als willkommenen Vorwand
”Die Liebhaber und Kenner der Mozartischen Musik wer-
zu Badekuren.”
den darinn alle die Schönheiten und Vorzüge seiner Kunst, welches jedes Werk Mozarts vor allen andern aus-
Auch Heinz Gärtners Abhandlungen über Constanze Mo-
zeichnet vielleicht in noch höherm Grade beysammen fin-
zart enthalten unzählige übelwollende Nachreden, wobei
den, weil der Stoff heroisch ist, und Mozart’s Geist im
viele Fakten, die gegenteiliges beweisen, einfach ver-
Großen und Erhabenen am herrlichsten glänzte.” Dieser
schwiegen werden. Dass Constanze Mozart die Mozart-
Ausspruch zeugt von der Bewunderung und auch dem
forschung erst nach dem Tod ihres zweiten Ehemannes
–3–
Mozart, Constanze
Nikolaus Nissen in Gang gebracht hat, wird häufiger ih-
sie sich auch als Tochter ihres Vaters, eines professionel-
ren geldsüchtigen Ambitionen zugeordnet, als der Liebe
len Notenkopisten.
zu ihrem Mann Wolfgang A. Mozart, die immer die Basis
für die Arbeit am künstlerischen Nachlass bildete.
Im Herbst 1795 organisierte Constanze eine DeutschlandTournee, auf der sie gemeinsam mit Aloisia und dem Pia-
Diesen eher negativen Darstellungen steht die erste Mo-
nisten Anton Eberl in Programmen mit Werken Mozarts
zart-Biografie von Franz Niemetschek gegenüber, die
auftrat. Die Konzerte der Witwe Mozarts und ihrer
Constanze in einem sehr ansprechenden und sehr realis-
Schwester Aloisia, die als eine der berühmtesten Sänge-
tischen Bild erscheinen lässt. In den Beschreibungen für
rinnen ihrer Zeit galt, wurden vom Publikum in Berlin,
den englischen Musikverleger Vincent Novello, der Cons-
Leipzig und Hamburg enthusiastisch aufgenommen. Au-
tanze 1829 in Salzburg besuchte, dürfte sich mehr “Dich-
ßerdem trugen sie damit nicht unwesentlich zu einer Ver-
tung” als Wahrheit in Constanzes Lebensgeschichte ge-
breitung der Werke Wolfgang A. Mozarts in Deutschland
mischt haben.
bei. Im “Reisegepäck” dürften neben den Liedern auch
Arien aus den Opern ihres verstorbenen Mannes gewe-
Die heutige Musikwissenschaft entdeckt in der Persönlichkeit Constanzes immer mehr Charakterzüge, die ihre
Rolle als nächster und wichtigster Mensch für das Genie
sen sein.
Mehr zu Repertoire
Wolfgang A. Mozart, der sie, wie er so oft betonte, in-
Zur Entstehung der c-Moll Messe, KV 427, weichen die
nigst liebte, in neuem Licht erscheinen lassen. Sie zeu-
Darstellungen von Wolfgang A. Mozart und seiner Frau
gen von der Entwicklung des “innig geliebten Weib-
Constanze zwar geringfügig voneinander ab, bringen je-
chens” zu einer gefestigten Persönlichkeit, die in den Wir-
doch weitgehend dasselbe zum Ausdruck: Constanze be-
ren und Schwierigkeiten der letzten Ehejahre der Mo-
richtet dem englischen Ehepaar Novello anlässlich eines
zarts neben einer umsichtigen Haushaltsleiterin auch zur
Besuches der Bewunderer ihres verstorbenen Mannes in
engsten musikalischen Beraterin ihres Mannes wurde.
Salzburg, dass die Messe ihre Entstehung einem Gelübde
Mozarts in Hoffnung auf die gesunde Geburt ihres ersten
Ihre Mitwisserschaft der Zugehörigkeit Mozarts zu dem
gemeinsamen Kindes entsprang.
geheimen und von Staat und Kirche verfolgten Orden
Obwohl Mozart die Messe nie vollendet hat, zeugt ihre
der “Illuminati” lässt sie noch mehr als engste Vertraute
großartige Konzeption und die auf Constanze maßgeschn-
und Kennerin auch der geheimsten Gedankengänge und
eiderte Führung der Sopranstimme von seiner großen
progressiven Weltanschauung ihres Mannes erscheinen.
Liebe zu seiner Frau. Besonders die prächtig angelegte
Repertoire
Choral-Fuge (`Cum sancto spirito`) dürfte auf besonderen Wunsch Constanzes entstanden sein, die ihren Mann
Das erste dezidiert von Wolfgang A. Mozart seiner Frau
zum Schreiben von Fugen ermunterte, nachdem sie sich
Constanze gewidmete Werk war die Messe in c-Moll, KV
mit dem von Beiden so bewunderten polyphonen Stil
427 (417a), deren Sopranpartie Constanze bei deren Ur-
von Bach und Händel auseinandergesetzt hatten.
aufführung am 26. Oktober 1783 in der Kirche St. Peter
anlässlich des ersten Besuches des Ehepaares Mozart in
Die Stimmführung des Sopran-Parts zeigt zwar einen im
Salzburg sang.
Vergleich zu Aloisia geringeren Stimm-Umfang (nur bis
zum c´´´), verlangt aber eine virtuose Koloratur-Stimme
Die Uraufführung der Oper “Entführung aus dem Serail”
ebenso wie hohe Expressivität. Jane Glover berichtet in
war am 16. Juli 1782. Drei Wochen später, am 4. August,
ihrem Buch “Mozart’s Women” über spezielle Stimm-
heirateten Wolfgang und Constanze. Nicht nur, dass
übungen, die Mozart im Hinblick auf die nahe Auffüh-
Wolfgang A. Mozart seine Liebesbeziehung und Gefühle
rung der Messe für Constanze geschrieben hat.
zu Constanze in diesem Werk zum Ausdruck brachte. In
der ersten Sendung von Ausschnitten des soeben fertigge-
Die Uraufführung der unvollendet gebliebenen Messe
stellten ersten Aktes an seinen Vater Leopold befand sich
fand am Ende des ersten und letzten gemeinsamen Auf-
auch eine Kopie der Arie “Ach ich liebte, war so glückli-
enthaltes des Ehepaares Mozart in Salzburg statt, am 26.
ch”, in einer Handschrift, die Leopold Mozart unbekannt
Oktober 1783 in der Kirche St. Peter.
war: sie war geschrieben von Constanze! Hiermit bewies
–4–
Mozart, Constanze
Quellen
minaten.” Zürich, Mainz: Atlantis 2006.
Quellen
Arthur Schurig. Wolfgang Amadeus Mozart. Sein Leben,
Bauer, W. A., Deutsch, O.E.. Mozart. Briefe und Aufzeich-
seine Persönlichkeit, sein Werk, Bd. 2, Leipzig: Insel-Ver-
nungen, Kassel 1962-75.
lag. o.J.
Mozart, Constanze. Briefe, Aufzeichnungen, Dokumente.
Unseld, Melanie: Mozarts Frauen. Begegnungen in Mu-
Hrsg. von Arthur Schurig. Dresden: Opal, 1922.
sik und Liebe. Hamburg: Rowohlt-Verlag 2005.
Nissen-Mozart, Constanze. Tagebuch meines Brief Wech-
Valentin, Erich. Das Testament der Constanze Mozart-
sels in Betref der Mozartischen Biographie (1827-1837).
Nissen. In: Neues Mozart-Jahrbuch. Regensburg: Bosse
Internationale Stiftung Mozarteum Salzburg. Rudolph
1942.
Angermüller (Hg.). Bad Honnef: Bock 1999.
Nissen, Georg van. Biographie W. A. Mozarts. Leipzig
Weissenstein, Friedrich. Die Frauen der Genies. Wien:
1828. Neuausgabe mit einem Vorwort von R. Angermül-
Deutiche, 2001.
ler: Hildesheim 1991.
Welsh, Renate. Constanze Mozart. Eine unbedeutende
Frau. München: DTV-Verlag 2004.
Literatur
Forschung
Berger, Ludwig. Die unverhoffte Lebensreise der Cons-
Die widersprüchlichen Äußerungen zur Person Constan-
tanze Mozart. Tübingen: Wunderlich 1955.
ze Mozarts der diversen Mozart-Biografen zeigt, wie
schwierig es ist, zu einer ihr gerecht werdenden Lebens-
Carr, Friedrich. Mozart und Constanze. Stuttgart: Re-
darstellung zu finden.
clam 1986.
Die Bibliothek der “Internationalen Stiftung Mozarteum”
Diez, Klemens. Constanze – gewesene Witwe Mozart. Ih-
verfügt über eine erhebliche Anzahl von Mozart-Biografi-
re ungeschriebenen Lebenserinnerungen; nach vorwie-
en, die noch nicht vollständig auf Berichte über Constan-
gend authentischen Unterlagen. Wien: Österr. Verl.-An-
ze Mozart ausgewertet sind.
st. [u.a.] 1982.
Forschungsbedarf
Gärtner, Heinz. Mozarts Requiem. Frankfurt am Main/
Das Repertoire Constanzes auf den Konzert-Reisen nach
Berlin: Ullstein, 1989.
dem Tod ihres Mannes in Linz, Graz, Berlin, Leipzig,
Hamburg und Prag ist noch wenig recherchiert.
Glover, Jane. Mozart’s Women: his family, his friends,
his music London: Macmillan 2005.
Die Frage nach den Retouchen in Briefen Mozarts (v.a.
Ausradieren von Namen von Bekannten und Freunden)
Nottelmann, Karsten. Mitteilungen über ,das von gott ge-
können nach dem Erscheinen von Helmut Perls Buch
seegnete Kleeblatt.’ Exegese eines bisher unbekannten
“Der Fall ‚Zauberflöte’. Mozart und die Illuminaten” in ei-
Briefs von Constanze Nissen an Carl Mozart. In: Mozart-
nem neuen Licht gesehen werden. Da Mozart in seinen
Jahrbuch 2003/04, Kassel u.a.: Bärenreiter-Verlag
letzten fünf Lebensjahren selbst dem in vieler Hinsicht
2005, S. 199-225.
radikalen Freimaurer-Zirkel der “Illuminati” sehr nahe
stand, musste er Repressionen seitens des Staates und
Ogris, Werner. Mozart im Familien- und Erbrecht seiner
der Kirche befürchten, die schon viele seiner Freunde er-
Zeit. Verlöbnis – Heirat – Verlassenschaft. Wien: Böhlau
litten hatten. Möglicherweise wollte Constanze mit ihren
1999.
Namens-Retouchen nach Mozarts Tod viele dieser Freunde schützen und nicht der Zensur preisgeben.
Perl, Helmut. “Der Fall Zauberflöte. Mozart und die Illu-
–5–
Mozart, Constanze
Constanze war eingeweiht in die geheimsten Gedankengänge ihres Mannes. Sie wusste, dass Mozart eine neue
Loge mit dem Namen “Grotte” gründen wollte. Laut Helmut Perl (S. 153) schrieb sie am 21. Juli 1800 an den Verlag Breitkopf & Härtel dazu: “Ich leihe Ihnen hiemit zum
Gebrauch für die biographie (...) einen Aufsatz, größtentheils in der Handschrift meines Mannes, von einem Orden oder Gesellschaft die er errichten wollte: Grotta genannt. Ich kann nicht mehr Erläuterung schaffen, der
hiesige hofklarinettist Stadler der ältere, der den Rest geschrieben hat, könnte es, trägt aber Bedenken zu gestehen, daß er darum weiß, weil die Ordens oder geheime
Gesellschaften so sehr verhaßt sind.”
Dies lässt die Schwierigkeiten der letzten Ehejahre der
Mozarts in neuem Licht erscheinen und bedarf neuer Forschungsarbeit.
Normdaten
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Deutsche Nationalbibliothek (GND):
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Library of Congress (LCCN):
http://lccn.loc.gov/n81139238
Autor/innen
Monika Kammerlander, Die Grundseite wurde im
November 2006 verfasst.
Bearbeitungsstand
Redaktion: Nicole K. Strohmann
Zuerst eingegeben am 29.09.2006
mugi.hfmt-hamburg.de
Forschungsprojekt an der
Hochschule für Musik und Theater Hamburg
Projektleitung: Prof. Dr. Beatrix Borchard
Harvestehuder Weg 12
D – 20148 Hamburg
–6–
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