Mehr Redezeit für Senioren mit Schwindel

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Medizin
Medical Tribune · 47. Jahrgang · Nr. 44 · 2. November 2012
Mit strukturierter Anamnese und einfachen Tests zur Diagnose
Mehr Redezeit für Senioren mit Schwindel
Wenn ältere Menschen in der
Praxis über Schwindelbeschwerden
klagen, gilt es zunächst, den Betroffenen genau zu zuhören: „In den ersten 90 Sekunden erzählen die Patienten meist mehr, als man durch
Dr. Uso Walter:
In den ersten
90 Sekunden
erzählen die Patienten mehr als
man erfragen
kann.
langes Fragen herausbekommen
kann“. Dies verdeutlichte Dr. Uso
Walter, HNO-Praxis, Duisburg, auf
dem Medical Tribune Forum CME.
Anhand der Schilderungen des Patienten sind meist schon Rückschlüsse
auf die Ursache möglich. Ob es sich
z.B. um einen Dreh-, Schwank- oder
Liftschwindel handelt oder ob eher
Gefühle von Unsicherheit und Taumeligkeit dominieren, deutet auf
ganz unterschiedliche Erkrankungen
hin. Auch zeitliche Charakteristika
sollten erfasst werden:
Dazu zählen z.B. Vorerkrankungen
des Bewegungsapparats, des HerzKreislauf-Systems oder psychische
Seminar der
Auffälligkeiten. Auch ein reduzierter
Medical Tribune
Allgemein- oder Ernährungszustand
CME-Fortbildung
kann Schwindelsymptome auslösen.
Gleiches gilt für Nebenwirkungen
in Hannover
oder Interaktionen der Medikation.
Somit sind abgesehen von klasU Treten die Beschwerden täglich, sischen Untersuchungen der vewöchentlich, monatlich oder eher stibulären Funktionen auch orthopädische, augenärztliche und
selten auf?
U Dauern die Symptome Sekunden, psychische Befunde zu erheben, hob
Minuten, Stunden oder mehrere der HNO-Experte hervor. Die vestiTage an?
bulären Funktionen können in der
Klinisch relevant sind auch Be- hausärztlichen Praxis mit einfachen
gleitsymptome, z.B. Übelkeit, Er- Tests beurteilt werden. Als spezibrechen, Sehstörungen, Licht- und fische Basisdiagnostik eignen sich:
Geräuschempfindungen. Hörge- U Koordinationsprüfungen: Beim
Romberg-Stehversuch und Unräusche, Hörminderungen oder ein
terberger-Tretversuch finden
Druckgefühl im Ohr weisen auf eine
periphere Ursache (Innenohr) hin.
sich gerichtete Abweichungen zur
kranken Seite, wenn ein peripherEinfache Tests erlauben
vestibulärer Schwindel vorliegt.
Basisdiagnostik
U Nystagmus (Frenzel-Brille)
Gleichermaßen sollten Faktoren, U Kopfimpulstest: Patienten mit
die den Schwindel auslösen, bei der
peripher-vestibulärer SchwindelAnamnese erfragt werden. Wenn
ursache zeigen eine deutlich sichtbeispielsweise eine Seniorin berichbare Einstellsakkade.
tet, dass sie nachts beim Umdrehen U Neuro-Screening
auf die linke Seite einen heftigen, Se- U Timed-up-and-go-Test: Dabei bitkunden andauernden Drehschwintet man die Senioren vom Stuhl
del bekomme, weist diese Angabe
aufzustehen, etwa drei Meter nach
bereits auf einen Lagerungsschwinvorne zu gehen, sich umzudrehen,
del hin. Dies verdeutlichte der Exzum Stuhl zurückzulaufen und
perte auf der vom Unternehmen
sich wieder hinzusetzen. Dauert
Hennig Arzneimittel unterstützten
diese Aktion länger als eine halbe
Fortbildung.
Minute oder müssen Betroffene
Auch altersassoziierte Problegestützt werden, ist von einem
me kommen neben Störungen
hohen Sturzrisiko auszugehen
der Gleichgewichtsregulierung
(ggf. Hilfsmaßnahmen wie Rollaals Schwindelursache in Betracht.
tor oder Gleichgewichtstraining).
Foto: thinkstock
HANNOVER – Viele ältere Patienten klagen über Schwindelsymptome und Gleichgewichtsstörungen – auch ihr
Sturzrisiko ist erhöht. Doch es
gibt einfache diagnostische
Tests und effektive Therapieoptionen, z.B. Schwindeltraining und Antivertiginosa.
Aktuell
Zu langsam im Timed-upand-go-Test? Sturzgefährdete Patienten können von
Rollator oder Gleichgewichtstraining profitieren.
Für vestibuläre Störungen sprechen akutes Auftreten, klassischer
Drehschwindel mit Übelkeit, horizontaler Nystagmus, Lagerungsnystagmus und pathologischer
Kopfimpulstest. Liegt hingegen ein
unsystematischer Schwindel vor und
wird über neurologische Begleitsymptome geklagt, ist weiterführende
Diagnostik nötig. Auch eine ungerichtete Abweichung, ein vertikaler
Nystagmus und eine differente Augenachse weisen auf neurologische
Störungen hin.
Schwindel-Medikation
darf nicht sedieren
Therapeutisch werden die jeweiligen Grunderkrankungen angegangen, etwa Seh- und Hörstörungen,
orthopädische und psychovegetative
Probleme. Falls bei der Medikamentenanamnese Schwindel auslösende
Pharmaka gefunden wurden, ist die
Medikation abzuändern.
Bei älteren Patienten mit vestibulärem Schwindel sind sedierende
Pharmaka kontraindiziert. Vielmehr
sollte auf Arzneimittel zurückgegriffen werden, die zentrale Kompensationsvorgänge nicht beeinträchtigen,
z.B. die Kombination aus Dimenhydrinat und Cinnarizin (Arlevert®).
Wie aus einer Metaanalyse zur Therapie von Schwindel unterschiedlicher Genese hervorgeht, erreichte
diese Fixkombination den höchstmöglichen Evidenzgrad 1a.
Auch Alltagstraining zur Mobilisierung von Betroffenen gehört zur
Therapie. Und nicht zu vergessen:
Eine Beratung zur altersgerechten
Gestaltung der Wohnung, damit
keine Stolperfallen oder andere Hindernisse zum Sturzrisiko werden. Dr. Elisabeth Nolde
Hinweise auf Kardioprotektion und Nierenschutz
Hypothyreose begleitet gern Uro-Leiden
Senkt die GLP-1-basierte Therapie
das Herzrisiko bei Diabetikern?
Männer mit Phimose:
Nach Hashimoto suchen
BERLIN – Die letzten Jahre haben viele Ärzte verunsichert:
Ändert die Blutzuckerkontrolle
gar nichts am kardiovaskulären Risiko des Typ-2-Diabetikers? Doch, meint Professor Dr.
Husain Mansoor, wenn man die
Hyperglykämie richtig zähmt.
GRAZ – Hinter einer Phimose
im Erwachsenenalter steckt
häufig ein Lichen sclerosus oder
planus. Bei Betroffenen lohnt
es sich, auch Schilddrüse und
Magen im Auge zu behalten.
Die Hyperglykämie hat sich immer wieder als robuster Marker des
Herz-Kreislauf-Risikos bestätigt, die
Arteriosklerose verläuft bei Diabetikern aggressiver und schwerer als bei
Stoffwechselgesunden. Zuletzt ergab
eine Metaanalyse der Studiendaten
von über 20 000 Patienten, dass
knapp jede zehnte makrovaskuläre
Komplikation ausbleibt, wenn der
HbA1c um 0,9 % gesenkt wird. Auf
die Sterblichkeit hatte dies allerdings
keinen Einfluss.
Das Augenmerk richtet sich seit
einiger Zeit auf das Inkretinhormon
GLP-1, dem potenziell kardio- und
gefäßprotektive Effekte zugeschrie-
ben werden, wie Prof. Mansoor, Direktor des General Hospital Research
Institute der Universität Toronto,
ausführte. GLP-1 hat allerdings unter physiologischen Bedingungen
nur eine Halbwertszeit von zwei Minuten, deshalb erreichen bestenfalls
10 % der im Darm ausgeschütteten
Menge die systemische Zirkulation:
„Entweder es wirkt in sehr geringer
Konzentration oder gar nicht“, so
der Experte. Er selbst neigt zu ersterer Auffassung.
DPP-4-Hemmer günstig
für Blutdruck und Lipide
Dafür spricht, dass GLP-1-Rezeptoren sich z.B. auch in Endothel
und Myokard finden. Experimentell
ließ sich zeigen, dass GLP-1 die koronare Durchblutung steigert, dass
es, vor einem Infarkt gegeben, Reperfusionsschäden verhindern kann
und dass es die Nierenfunktion verbessert. „Positive Ergebnisse konnten teilweise auch am Menschen
reproduziert werden“, berichtete
Prof. Mansoor beim Europäischen
Diabetes-Kongress.
Post-hoc-Analysen klinischer
Studien zeigten, dass unter GLP-1Analoga und DPP-4-Hemmern die
Serum-Lipide und der Blutdruck
sanken. Zudem besserte sich die
Endothelfunktion, GFR und Natriurese nahmen zu. Ischämiebedingte
Verschlechterungen der Ventrikelfunktionen während der PTCA
bildeten sich unter der Gabe eines
GLP-1-Analogons zurück und bei
Infarktpatienten verringerte sich die
Nekrosezone um ein Viertel.
Was bedeuten diese Ergebnisse
für die Praxis? Momentan noch
nichts, erklärte der Experte – leider.
Bis die Ergebnisse großer Endpunktstudien vorliegen, wird es noch zwei
bis drei Jahre dauern. Immerhin darf
man hoffen, dass mit den GLP-1Analoga und DPP-4-Hemmern ein
Wirkmechanismus gefunden wurde,
der das kardiovaskuläre Risiko des
Typ-2-Diabetikers nachhaltig senken
kann. ara
Forscher der Medizinischen Universität Graz rekrutierten 280 Patienten mit Lichen sclerosus (LS) bzw.
Lichen planus (LP) für ihre Studie.
Alle hatten sich wegen einer Phimose einer Zirkumzision unterzogen.
Im Rahmen der Untersuchung wurden Autoantikörper gegen Thyreoperoxidase, Thyreoglobulin und Parietalzell-Autoantikörper bestimmt.
Bei 35 der 220 Patienten, die zur
Nachsorge kamen, entdeckten die
Forscher eine Hashimoto-Thyreoiditis, was einer Prävalenz von 17 %
entsprach, dreimal mehr als in der
Normalbevölkerung. Jeder zweite
Patient brauchte Schildrüsenhormone. Die okkulte HashimotoThyreoiditis kann sich hinter den
Symptomen einer Midlife-Crisis
verstecken, so Dr. Yas Razmara von
der Universitätsklinik für Urologie
in Graz und ihre Kollegen in der
Zeitschrift „Der Urologe“.
Auch die Wahrscheinlichkeit für
eine Autoimmungastritis war beachtlich. 36 Männer (16 %) warteten
mit pathologisch erhöhten Antikörpern gegen Parietalzellen auf. Bei 31
wurde nach Gastroskopie und Biopsie die Diagnose Autoimmungastritis gestellt. Bei 16 dieser Patienten
lag bereits eine Anämie vor, acht
hatten eine Thrombozytopenie und
elf einen Vitamin-B12-Mangel.
Eine Prävalenz von 16 % für eine
Autoimmungastritis ist beträchtlich,
so die Autoren. Ernst zu nehmen ist
die Erkrankung auch, weil sich auf
ihrem Boden ein Magenkarzinom
entwickeln kann. Die Kollegen fordern deshalb ein entsprechende
Kontrolle für Patienten mit Lichen
sclerosus bzw. planus.
SD
Yas Razmara et al., Urologe 2012; Supplement
1: 114-115
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