SS 2009 Chemische Übungen für Biologen (300030 UE, 4 Stunden, 8 ECTS) Chemische Übungen für Lehramt Biologie und Umweltkunde (300441 UE, 3 Stunden, 3 ECTS) Chemische Übungen für Lehramt Haushaltsökonomie und Ernährung (330045 UE, 3 Stunden, 3 ECTS) 3. Abschnitt: Kurstag 10 Praktischer Teil: Naturstoffchemie 1. Nachweis von Aminosäuren durch Dünnschichtchromatographie a) Laufmittel .................................................................................................... 2 b) Chromatographietrog .................................................................................. 2 c) Auftragung auf DC-Folie ............................................................................. 2 d) Durchführung der Dünnschichtchromatographie ........................................ 2 e) Entwicklung des Chromatogramms ............................................................ 3 2. Quantitative Bestimmung von Vitamin C a) Durchführung .............................................................................................. 4 b) Bestimmung des Gehaltsfaktors ................................................................. 5 c) Berechnung der Vitamin C Menge .............................................................. 5 Theorie 1. Aminosäuren, Peptide, Proteine 1.1. Allgemeines ...................................................................................................... 6 1.2. Stereochemie ................................................................................................... 6 1.3. Säure-Base Eigenschaften ............................................................................... 7 1.4. Physikalische Eigenschaften ............................................................................ 8 1.5. Reaktion mit Ninhydrin ..................................................................................... 9 1.6. Wichtige α-Aminosäuren ................................................................................ 10 1.7. Peptide und Proteine a) Synthese und Spaltung ............................................................................. 11 b Analyse ...................................................................................................... 12 c) Einteilung und Raumstruktur ..................................................................... 12 2. Vitamine 2.1. Allgemeines .................................................................................................... 14 2.2. Vitamin C ........................................................................................................ 15 3. Trennmethoden bzw. Reinigungsverfahren 3.1. Dünnschichtchromatographie ......................................................................... 16 3.2. Papierchromatographie .................................................................................. 18 3.3. Säulenchromatographie ................................................................................. 18 3.4. Ionenaustausch .............................................................................................. 18 Fragen ......................................................................................................................... 20 2 Naturstoffchemie 1. Nachweis von Aminosäuren durch Dünnschichtchromatographie Ein Gemisch aus drei Aminosäuren soll mittels Dünnschichtchromatographie analysiert werden. Aus dem Vergleich der Rf-Werte zwischen eigener Probe und den Vergleichsaminosäuren sollen die Aminosäuren identifiziert werden. a) Laufmittel Als Laufmittel wird ein Gemisch aus n-Butanol, konz. Essigsäure und Wasser im Verhältnis 4 : 1 : 1 verwendet (selbst herstellen!). b) Chromatographietrog Die Wand des Chromatographiegefäßes wird mit Filterpapier ausgekleidet und das Gefäß wird etwa 5 - 10 mm hoch mit dem Laufmittelgemisch gefüllt. Die Chromatographie wird erst nach ausreichender Durchtränkung des Filterpapiers und Sättigung des Gefäßraums mit den Lösungsmitteldämpfen begonnen. c) Autragung auf DC-Folie Zur Chromatographie verwenden Sie eine 10 x 20 cm große, mit Kieselgel beschichtete Folien (Träger = Aluminium). Berühren Sie die DC-Folien nur am Rand mit den Händen; andernfalls beobachten Sie auch die Aminosäuren im Schweiß Ihrer Handflächen! Das Auftragen erfolgt mittels vorher aus Glasrohr selbst hergestellten feinen Kapillarpipetten. Die aufgetragene Flüssigkeit sollte sich möglichst wenig im Umkreis ausbreiten. Im Falle wiederholten Auftragens muss die vorherige Auftragung unbedingt eingetrocknet sein. Üben Sie das zunächst mit einer alten Dünnschichtfolie! Auf die DC-Folie tragen sie nun die 18 Vergleichsaminosäuren und ihre Probe folgender maßen auf: Bei 1 cm Abstand vom Seitenrand lassen sie jeweils 8 mm Abstand zum Nachbarpunkt. Die eigene Probe wird auf der Folie an 3 Stellen (nicht in der Nähe des Randes der Platte und eher entfernt voneinander) in unterschiedlichen Mengen aufgetragen: "4-fach konzentriert" (4 x kurz auftupfen), "2-fach konzentriert" (2 x), "normal konzentriert" (1 x). Mit Bleistift ziehen sie 1 cm vom unteren Folienrand einen waagrechten Strich und markieren die Auftragpunkte, also die zum Vergleich bereitgestellten Lösungen der α-Aminosäuren von 1-18, dazwischen 3 x ihre Probe. Tragen sie die Vergleichslösungen jeweils 1 x auf; die eigene Probe, wie oben angegeben, 1 x, 2 x und 4 x. Überprüfen Sie vor dem Auftragen die Kapillare durch Auftupfen auf ein Streifchen Filterpapier. Schreiben Sie gleichzeitig mit dem Auftragen auf die Platten die Abfolgen der aufgetragenen Punkte in Ihr Laborjournal (für Buchstabencodes vgl. Seite 10). d) Durchführung der Dünnschichtchromatographie Die Dünnschichtfolie wird so in das Gefäß gestellt, dass sie möglichst nur an Ober- und Unterkante angelehnt steht. Chromatographietrog DC-Folie Laufmittel 3 Die Trogabdeckung soll während des Entwicklungsvorgangs nicht abgehoben werden, um eine Sättigung der Kammeratmosphäre mit dem Laufmittel zu gewährleisten. Ist die Laufmittelfront bis etwa 1 cm an den oberen Rand der Folie herangekommen (Dauer ca. 1,5 Stunden), ist die Chromatographie beendet. e) Entwicklung des Chromatogramms Die Folie wird herausgenommen, sofort die Lage der Laufmittelfront markiert, die Folie im Luftstrom des Abzugs getrocknet und mit Ninhydrin-Lösung ausreichend besprüht (0.2% Ninhydrin in n-Butanol : 0,5 N CH3COOH = 19:1; Lösung wird bereitgestellt). Das besprühte Chromatogramm wird im Trockenschrank etwa 5 Minuten lang auf 105°C erhitzt. Die Aminosäuren geben eine Farbreaktion (siehe Seite 9). Zentren und Umrisse der Flecken werden sofort mit Bleistift gekennzeichnet, und die Färbung der Flecken im Laborjournal notiert (Gefahr des Ausbleichens). Beispiel: Dünnschichtchromatogramm von Aminosäuren PROTOKOLLFÜHRUNG: Protokollieren Sie Ihre Arbeitsweise; im Ergebnisblatt die Laufstrecke vom Start zur Laufmittelfront, in den Tabellen die Namen der in der Probe aufgefundenen Aminosäuren; Laufstrecken, Rf -Werte und Färbungen nach Reaktion mit Ninhydrin. Da dieses Beispiel in Zweiergruppen ausgeführt wird, geben Sie bitte im Protokollheft den Namen des Partners / der Partnerin an. Die Protokollierung muss durch jeden Partner selbständig durchgeführt werden. 4 2. Quantitative Bestimmung von Vitamin C Im folgenden Beispiel soll der Vitamin-C-Gehalt von Säften aus Früchten bestimmt werden. Die Früchte können selbst gewählt werden, müssen aber zu einem Saft gepresst werden können (Zitronen, Orangen, Grapefruit, Kiwi...). Fruchtsäfte werden von den Assistenten ausgegeben. In allen Fällen wird die benötigte Saftmenge (ausreichend für zwei Bestimmungen) vorher filtriert. Das Prinzip der Bestimmung beruht auf der Reduktion des gefärbten 2,6-Dichlorphenolindophenols (2,6-DCPI) durch die Ascorbinsäure zur farblosen Leukobase. In basischer Lösung erfolgt der Farbumschlag von Blau nach Farblos, in saurer Lösung von Rot nach Farblos. Die quantitative Bestimmung der Ascorbinsäure durch Titration mit 2,6-Dichlorphenolindophenollösung wird durch die im Obst vorhandenen Säuren bzw. Zucker nicht gestört. a) Durchführung: Es werden zwei Bestimmungen ausgeführt. Vorbereitung der Bürette (vergleiche Abschnitt 1!): Prüfung der Funktionstüchtigkeit; Spülen mit Wasser; 2-mal Spülen mit je 5 ml Titrationslösung. Luftblasenfreie Füllung der Bürette mit Titrationslösung (0,001 N 2,6-Dichlorphenolindophenollösung; für das gesamte Beispiel benötigen Sie etwa 40 ml). Für jede Bestimmung wägt man 1 bis 2 g Fruchtsaft sorgfältig ein (kleiner, trockener Erlenmeyerkolben) und versetzt mit 5 ml Wasser und 1 Tropfen Essigsäure. Titration: Unterlegen eines weißen Papierblatts erleichtert die Farberkennung. Zunächst erfolgt Entfärbung des 2,6-DCPI. Man titriert bis zu einer bleibenden schwachen Blaubzw. Rosafärbung. Die Titrationslösung ist nicht exakt 10–3 N; man verwendet daher einen Gehaltsfaktor f. Dieser wird vom Assistenten ermittelt und angegeben. 5 b) Bestimmung des Gehaltsfaktors (durch den Assistenten): In einem 100 ml Meßkolben werden 0,088 g (0,5 Millimol) Ascorbinsäure (MG 176) gelöst und auf 100 ml aufgefüllt (→ 0,005 molare bzw. 0,01 normale Lösung). Etwa 0,16 g 2,6-DCPI (Natriumsalz; 2 Kristallwasser: MG 326) werden in einem 1 L-Meßkolben gelöst und auf 1000 ml aufgefüllt; die resultierende Lösung ist etwa 0,0005 M bzw. 0,001 N. Mit dieser Lösung wird ein Gemisch aus 1 ml der 0,01 N Ascorbinsäurelösung, 10 ml Wasser und 1 Tropfen konz. Essigsäure bis zur bleibenden Rosafärbung titriert. Da am Äquivalenzpunkt die Zahl der Val Ascorbinsäure gleich der Zahl der Val 2,6-DCPI sein muss (vergleiche Abschnitte 1), gilt: V1 · c1 = V2 · c2 · f V1 c1 V2 c2 f das Volumen Ascorbinsäurelösung (0,001 Liter) die Konzentration der Ascorbinsäurelösung (0,01 N); dabei nimmt man an, dass die Ascorbinsäure exakt eingewogen wurde (Urtitersubstanz) das Volumen der verbrauchten 2,6-DCPI-Lösung (in Liter) die Äquivalentmengenkonzentration der 2,6-DCPI-Lösung (0,001N) der zu ermittelnde Gehaltsfaktor c) Berechnung der Vitamin C Menge: Die Berechnung der Menge Vitamin C in der eingewogenen Fruchtsaftmenge erfolgt ganz analog zu oben: Äquivalente Ascorbinsäure (mval) = V2´ · c2 · f (V2´ ist der ermittelte Verbrauch an 2,6-DCPI-Lösung in Milliliter) [1] [2] (n ist die Zahl der von der Ascorbinsäure abgegebenen Elektronen; das sind 2) [3] Masse der Ascorbinsäure (in Milligramm) = mmol · MGAscorbinsäure (MG Ascorbinsäure ist (siehe oben) 176). Der Vitamin-C-Anteil im Saft wird dann auf 1 g Ausgangsmaterial bezogen (mg/g). Dies entspricht der Angabe in Promille. Unverbrauchte reine Titrationslösung wird in einem besonders bezeichneten Gefäß gesammelt und nach neuerlicher Konzentrationsbestimmung wiederverwendet. PROTOKOLLIEREN SIE: Versuchsbeschreibung, Reaktionsformel, Berechnung des Vitamin-C Gehalts Ihrer gewählten Probe. Eintragung der Daten in das Ergebnisblatt. 6 Theorie 1. Aminosäuren, Peptide, Proteine 1.1. Allgemeines Peptide und Proteine spielen bei den molekularen Grundlagen des Lebens eine tragende Rolle. Sie wirken vielfältig: Gerüstaufbau (z. B. Myosin), Stofftransport (z. B. Hämoglobin), Informationsübertragung (z. B. Insulin), Katalyse von Stoffumsetzungen (z. B. Trypsin) etc. Gemeinsam mit den Nukleinsäuren haben sie eine Schlüsselfunktion bei Zellteilung, Fortpflanzung und Vererbung. Peptide und Proteine sind Makromoleküle (mit hoher Molekularmasse), die durch Verknüpfung vieler einzelner Aminosäuren entstehen. Zuerst daher allgemeine Bemerkungen über Aminosäuren: Ein Großteil der natürlich vorkommenden Aminosäuren (Abkürzung: AS) sind α-AS, d.h., die Aminogruppe befindet sich in Nachbarstellung zur Carbonsäurefunktion. Die meisten α-AS haben folgende allgemeine Formel: Wie bereits der Name sagt, besitzen AS zwei charakteristische funktionelle Gruppen: a) Aminogruppe (-NH2) Bei Prolin und Hydroxyprolin ist die Aminogruppe Teil eines Rings und daher eine sekundäre Aminfunktion (vgl. Formeln S. 6) b) Carbonsäurefunktion (-COOH) Etwa 20 AS kommen regelmäßig in Proteinen vor (proteinogene AS). Nach der Natur des Restes R werden sie eingeteilt in 1. AS mit einem unpolaren Rest R, meist einer Alkylseitenkette; 2. AS mit polaren Gruppen: OH, SH, CONH2; 3. "Saure" AS enthalten eine zusätzliche -COOH-Funktion im Rest R; 4. "Basische" AS enthalten (eine) zusätzliche -NHR - Funktion(en) im Rest R. Die Art der Reste ist wichtig für die dreidimensionale Raumstruktur der Proteine (S. 10). Pflanzen und verschiedene Mikroorganismen sind in der Lage, AS aus CO2, H2O, NO3–, NH4–, SO42– aufzubauen. Tiere und der Mensch sind auf die Zufuhr von AS über Proteine in der Form eiweißreicher Nahrung angewiesen. AS, die der Organismus des Menschen und der meisten Tiere nicht selbst aufbauen kann, werden als "essentielle" Aminosäuren bezeichnet. 1.2. Stereochemie Mit Ausnahme der einfachsten AS (R H → Glycin, H2N-CH2-COOH) besitzen alle anderen α-AS (für R ≠ H) mindestens ein Chiralitätszentrum: das α C - Atom ist asymmetrisch substituiert (vier verschiedene Reste sind gebunden). Solche AS können in zwei isomeren Formen (Enantiomere) vorliegen, die sich wie Bild und Spiegelbild verhalten, wobei sie durch keine geometrische Operation zur Deckung gebracht werden können. Dies ist die Voraussetzung für "Optische Aktivität". 7 Als Beispiel die α -Aminopropansäure (Alanin), zunächst in der Fischerschen Projektionsformel, daneben die Transformation zur räumlichen Darstellung: Zur Erinnerung (Kurstag 9): In der L-Reihe zeigt die NH2-Gruppe in der Fischerprojektion nach links. Zur Umwandlung der Fischerprojektion in die räumliche Darstellung werden die horizontalen Substituenten vor, der nach unten stehende Substituent hinter die Papierebene geklappt. Man unterscheidet also zwei Reihen, die L-Reihe und die D-Reihe. Die in den Proteinen vorkommenden AS gehören jedoch fast ausschließlich der L-Reihe an. Die räumliche Darstellung gestattet mit Hilfe der Prioritätenzuordnung nach Cahn, Ingold und Prelog die Ermittlung der Absolutkonfiguration (R oder S; vgl. Kurstag 9). 2 2 COOH COOH C H3C 3 H 4 C H2N NH2 1 L-Alanin entgegen dem Urzeigersinn S-Konfiguration 1 H 4 CH3 3 D-Alanin im Urzeigersinn R-Konfiguration Ermitteln Sie die Absolutkonfigurationen der chiralen Kohlenstoffe der L-Aminosäuren Valin, Threonin und Cystein (Formeln auf Seite 10)! 1.3. Säure-Base Eigenschaften Alle AS (nicht nur α-Aminosäuren) haben auf Grund der gleichzeitig im Molekül vorhandenen Carboxyl-(-COOH) und Amino-(-NH2)gruppe die Eigenschaften von Säure und Base in einem Molekül vereinigt. Solche Stoffklassen bezeichnet man ganz allgemein als Ampholyte (amphos, gr. "beide"; vgl. Abschnitt 1). Die ungeladene Form der AS hat in der -COOH- Gruppe die Funktion eines Protonendonators, die Aminogruppe hat Protonenacceptorfähigkeit. In wässriger Lösung erfolgt eine Säure-Base-Reaktion, die zur Ausbildung eines Zwitterions führt: In Abhängigkeit vom pH-Wert bestehen in wässriger Lösung also folgende Dissoziationsgleichgewichte: 8 Durch Zugabe von Säure (H3O+) wird die -COO–- Gruppe des Zwitterions (Z) protoniert; es entsteht das positiv geladene AS-Kation (K). Im basischen Bereich werden der NH3+-Gruppe H+als Hydroniumionen entzogen; man erhält das negativ geladene ASAnion (A). Man kann sich folgende Merkregel einprägen → 3A-Regel: Aminosäuren liegen im stark alkalischen Bereich vorwiegend als Anionen vor. Ein AS-Molekül liegt in wässriger Lösung in einer dieser drei Formen (K, Z, A) vor, die ungeladene Form kommt praktisch nicht vor. Achtung: bei Aminosäuren mit zusätzlichen sauren oder basischen Funktionen findet die Zwitterionbildung nicht notwendigerweise zwischen benachbartem -COOH und -NH2 statt. Bei einem ganz bestimmten pHWert erreicht die Konzentration an Zwitterionen ein Maximum und übertrifft die hier gleich großen Konzentrationen an kationischer und anionischer Form bei weitem. Dieser pH-Wert wird als "isoelektrischer" Punkt (I.P.) der AS bezeichnet. Die Berechnung des I.P. einer AS geht von der Säurekonstanten (KS, bzw. in der Formel KS1) der Carbonsäurefunktion von K und der Basenkonstanten (KB) der Aminofunktion von A aus. Mit KB hängt die Säurekonstante KS2 der NH3+-Funktion in Z zusammen: KS2 =KW/KB, bzw. pKS2 = 14 - pKB (vergleiche Abschnitt 1!). pH(I.P.) = ½ . (pKS1 + pKS2) Diese pH-Berechnung gilt nur für Aminosäuren, die keine weiteren sauren oder basischen Funktionen besitzen. Geringe pH-Abweichungen vom I.P. führen natürlich nicht zu einem Überwiegen der kationischen (K) oder anionischen (A) Form der AS gegenüber der zwitterionischen Form (Z). Es handelt sich ja um Puffersysteme (Säure K mit korrespondierender Base Z, bzw. Säure Z mit korrespondierender Base A). Erst bei pH < pKS1 liegt überwiegend die saure Form K, bei pH > pKS2 überwiegend die basische Form A vor. 1.4. Physikalische Eigenschaften Die zwitterionische Natur der AS spiegelt sich in einigen physikalischen Eigenschaften wieder: Zwitterionen sind stark polare Substanzen, bei denen die intermolekulare elektrostatische Anziehung zu ziemlich stabilen Kristallgitterstrukturen führt. Somit sind die Schmelzpunkte der AS im Allgemeinen hoch, von allen Carbonsäuren zeigen AS die höchsten Schmelzpunkte. Die meisten AS zersetzen sich jedoch, statt zu schmelzen. Einige AS sind nur schwer in Wasser löslich; auch eine Folge der starken intermolekularen Kräfte im Kristallgitter. 9 Die Löslichkeit in Wasser hängt stark von pH und Temperatur ab. Am isoelektrischen Punkt ist die Löslichkeit der einzelnen AS ein Minimum. Der Grund dafür ist die verhältnismäßig schlechte Solvatation: In einer dipolaren zwitterionischen Verbindung, deren Ladungen genügend weit voneinander entfernt sind, können beide ionischen Zentren normal solvatisiert sein (so als befänden sich die Ladungen in verschiedenen Molekülen). Sobald aber die Ladungen dicht beieinander sind, wird die Solvatation weniger wirksam. In der Abbildung sind die Lösungsmitteldipole (a) und (b) für normale Solvatation verantwortlich; (c) und (d) aber werden von der gleichnamigen Ladung abgestoßen. In Alkoholen sind die meisten AS weniger löslich als in Wasser. In unpolaren Lösungsmitteln sind AS praktisch unlöslich. 1.5. Reaktion mit Ninhydrin Die Ninhydrinreaktion wird für die Detektion von AS in Dünnschichtchromatogrammen verwendet. Die beim Erwärmen mit der Trioxo-Verbindung Ninhydrin ablaufenden Reaktionen führen zu einer blau-violett gefärbten Schiffschen Base (Imin). Versuchen Sie, Ninhydrin einer Verbindungsklasse zuzuordnen! Erinnern Sie sich, dass zwei OH-Gruppen an einem C üblicherweise nicht stabil sind (vgl. Kurstag 7; Alkohole). Beachten Sie, dass nur das N-Atom der AS in dem Produkt erscheint, welches für die violette Farbe verantwortlich ist, wobei die Farbnuancen für die einzelnen AS durchaus unterschiedlich sein können (siehe Chromatogramm auf Seite 3). Welche der Aminosäuren auf Seite 10 werden die vorstehend abgebildete Reaktion mit Ninhydrin nicht eingehen können? Sie geben über eine andere Reaktion eine unterschiedliche Farbe, welche? 10 1.6. Wichtige α-Aminosäuren 1 2 Name Glycin Alanin Abkürzung Gly Ala essentielle AS Gesamtstruktur angegeben, da sie von der üblichen abweicht Rest R- I.P. 5,97 6,02 pKa Werte 2,34 / 9,60 2,35 / 9,69 Valin 1 Val 5,97 2,32 / 9,62 Leucin 1 Leu 5,98 2,36 / 9,60 Isoleucin 1 Ile 6,02 2,36 / 9,68 Prolin 2 Pro 6,10 1,99 / 10,60 Hydroxyprolin 2 Hyp 5,83 1,82 / 9,65 Phenylalanin 1 Phe 5,98 1,83 / 9,13 Tryptophan 1 Try 5,88 2,38 / 9,39 Methionin 1 Met 5,75 2,28 / 9,21 Asparaginsäure Asp 2,87 2,09 / 9,82 / 3,86 Asparagin Asn 5,41 2,02 / 8,84 Glutaminsäure Glu 3,22 2,19 / 9,67 / 4,25 Glutamin Gln 5,65 2,17 / 9,13 Lysin 1 Lys 9,74 2,18 / 8,95 / 10,79 Arginin Arg 10,76 2,17 / 9,04 / 12,48 Histidin His 7,58 1,82 / 9,17 / 6,04 Serin Ser 5,68 2,21 / 9,15 Threonin 1 Thr 6,53 2,63 / 9,10 Tyrosin Tyr 5,65 2,20 / 9,11 / 10,07 Cystein Cys 5,02 Cystin 2 (Cys)2 5,06 1,71 / 10,78 / 8,33 1,65 / 2,26 / 7,85 / 9,85 11 1.7. Peptide und Proteine a) Synthese und Spaltung Zwei AS können eine Kondensationsreaktion (unter Wasseraustritt) zwischen der Aminogruppe der einen und der Carboxylgruppe der anderen AS eingehen. Dabei entsteht ein Säureamid. Im Fall zweier Aminosäuren spricht man von einem Peptid, genauer von einem Dipetid. Auf diese Weise können sich sehr viele AS in einer Polykondensationsreaktion zu Makromolekülen (Peptide, Proteine) zusammenschließen. Die Spaltung der Amid- bzw. Peptidbindung erfolgt in Umkehrung der Bildungsreaktion. Sie kann sauer oder basisch katalysiert sein (ähnlich der Esterspaltung). Versuchen Sie Mechanismen zu formulieren! Allerdings weicht der überwiegende Mechanismus der sauer katalysierten Spaltung von dem der Esterspaltung ab: wahrscheinlich erfolgt direkte Verdrängung der protonierten Aminofunktion. Im Organismus erfolgt die Spaltung der Peptidbindung überaus effizient durch Enzymkatalyse (Peptidasen). Das Gleichgewicht der Peptidbildungsreaktion liegt allerdings ganz auf Seite der Ausgangsstoffe (der AS), da die -COOH -Gruppe als solche zu wenig reaktiv ist. Sie muss daher zuerst in eine reaktionsfähigere Form gebracht werden. In biologischen Reaktionen wird die Carboxylgruppe durch Veresterung unter Verbrauch von ATP durch Bindung an die Transfer-RNS aktiviert. Bei Laboratoriumssynthesen erfolgt die Aktivierung der -COOH-Gruppe durch chemische Umwandlung z.B. in Säurehalogenide. Auch die direkte Amidbildung aus -COOH und -NH2 ist bei Zusatz von wasserentziehenden Mitteln möglich. Neben dem Problem der geeigneten -COOH-Aktivierung ist auch noch das Problem der sog. Schutzgruppentechnik zu erwähnen. Da bei der Reaktion unterschiedlicher AS durch Selbstkondensation und durch verschiedenste gekreuzte Kondensationen eine Vielzahl von Produkten entstehen kann, ist es für eine gezielte Peptidsynthese unerlässlich, -NH2 und -COOH-Gruppen so zu schützen, dass die Kondensation nur auf eine einzige Art möglich ist. 12 Nach der Peptidbildung müssen die Schutzgruppen wieder unter sehr milden Bedingungen abgespalten werden können. Alle nicht-cyclischen Peptide oder Proteine enthalten schließlich eine freie -NH2-Gruppe (→ N-terminal) und eine freie -COOH Gruppe (→ C-terminal): b) Analyse Neben der Art und der Zahl der AS, die ein Peptid (Protein) aufbauen, ist auch die Reihenfolge entscheidend, mit der sie untereinander verknüpft sind. Dies bezeichnet man als die Aminosäure-Sequenz. In der Praxis ist eine direkte Sequenzanalyse einer langen Peptidkette durch stufenweisen AS-Abbau und AS-Analyse kaum gangbar. Man wendet meist das Prinzip der "überlappenden Spaltung" an: Einige der Peptidbindungen des Peptids (Proteins) werden spezifisch (also nur zwischen ganz bestimmten AS) gespalten, die Spaltstücke (kurzkettige Peptide) anschließend chromatographisch aufgetrennt, gereinigt und analysiert. Anschließend wiederholt man diesen Vorgang (Spaltung anderer Spezifität und wieder Analyse der nun erhaltenen Spaltstücke). Durch Kombination der Informationen mehrerer Versuche kann man nun die richtige Sequenz ableiten. Zur spezifischen Spaltung dienen bei dieser Methode unterschiedliche Enzyme (z. B. das Verdauungsenzym Trypsin), oder Bromcyan (BrCN). Zur Analyse der Spaltstücke (bzw. kurzkettiger Peptide) setzt man heute meist sogenannte AS-Analysatoren ein, die mit chemischen Methoden vom Kettenende beginnend, AS für AS automatisch abbauen und chromatographisch bestimmen. Manche Peptide sind von großer biologischer Bedeutung, so z.B. Glutathion, ein an Redoxvorgängen des Organismus beteiligtes Tripeptid; oder Insulin, ein Peptidhormon der Bauchspeicheldrüse, welches den Blutzuckerspiegel senkt. Der Übergang von Peptiden zu Proteinen ist fließend, die Grenze ist willkürlich. Allgemein spricht man bis zu 100 AS von Peptiden (Molekülmasse bis etwa10.000), darüber von Proteinen (Molekülmassen von etwa 10.000 bis zu einigen Millionen). c) Einteilung und Raumstruktur Man kann die Proteine in zwei große Gruppen unterteilen: Skleroproteine (Faserproteine) Sie treten hauptsächlich als Gerüststoffe auf, haben langgestreckte Struktur und sind in Wasser meist völlig unlöslich. Beispiele dafür: Seidenfibroin, Keratin (Haare, Nägel, ...), Kollagen (in Knorpeln, Sehnen, ...); Myosin (im Muskel). Globuläre Proteine (Kugelproteine): Bei ihnen sind die Polypeptidketten zu kompakten, kugelförmigen Einheiten aufgefaltet; in Wasser sind sie teilweise kolloidal löslich. Beispiele sind: Proteine von Antikörpern, Enzymen und Lipoproteinen im Blutplasma, Albumin; Hämoglobin. 13 Unter Primärstruktur der Proteine versteht man ihre Sequenz. In der Aufeinanderfolge der AS treten keine Regelmäßigkeiten auf. Die Sequenz ist erblich fixiert. Unter Sekundärstruktur und Tertiärstruktur versteht man die Anordnung eines Proteins im Raum (gestreckte Ketten, ungeordnete Knäuel, Schrauben,...). Die beiden Begriffe sind nicht scharf voneinander abzugrenzen (siehe unten). Für die räumliche Anordnung sind Bindungskräfte verantwortlich, welche zwischen verschiedenen Peptidketten oder innerhalb ein und derselben Kette auftreten können. Diese Kräfte kommen meist dadurch zustande, dass die AS im Proteinmolekül oft zusätzliche funktionelle Gruppen tragen. Folgende Bindungen und Wechselwirkungskräfte können auftreten: a) Disulfidbindungen: zwischen zwei S-Atomen aus zwei -SH-haltigen AS. b) Ionenbeziehungen: zwischen -NH3+ - und -COO– -Gruppen. c) Wasserstoffbrückenbindungen: zwischen einer -C=O- Gruppe und dem Proton einer OH- bzw. NH-Gruppe. d) Hydrophobe Bindungen: nichtpolare bzw. hydrophobe Gruppen neigen dazu, sich untereinander durch Van der Waals Kräfte anzuziehen. Schema der Bindungen und Wechselwirkungskräfte: Als Sekundärstrukturen werden bestimmte regelmäßige Raumanordnungen von Peptid- oder Proteinketten bezeichnet, die das Grundgerüst betreffen. Aminosäuren können für die Ausbildung von Sekundärstrukturen förderlich oder hinderlich sein. Die Ringstruktur von Prolin wirkt besonders störend. β-Faltblattstruktur: Eine mehr oder weniger flache Anordnung der Peptidketten, bei der jeweils >NH und >C=O Gruppen verschiedener Ketten einander gegenüber liegen, ist wegen der Raumbeanspruchung der Seitenketten nicht möglich. Daraus resultiert eine Auffaltung, wobei die Seitenketten abwechselnd nach oben oder nach unten stehen. Diese βFaltblattstruktur tritt beim β-Keratin und Seidenfibroin auf. α-Helix: Wasserstoffbrücken können aber auch zwischen >C=O und >NH-Gruppen von Windung zu Windung schraubenförmig angeordneter Peptid- oder Proteinketten auftreten. Dies ist die sehr verbreitete α-Helix, welche z.B. im α-Keratin vorkommt (3,7 AS je Windung). Die Seitenketten sind nach außen gerichtet. Die Sekundärstrukturen kommen einmal durch die Abfolge flacher (der CO-NH-) und tetraedrischer Strukturelemente (der α-C-Atome), und durch die Wasserstoffbrückenbindungen (siehe oben, c) zwischen verschiedenen Peptidbindungen zustande. Zwischen Abschnitten mit Sekundärstrukturen liegen Bereiche mit ganz bestimmten, scheinbar regellosen Raumstrukturen ("random coil"), die auf Seitenkettenwechselwirkungen und auch die unterschiedliche Raumerfüllung der unterschiedlichen Seitenketten zurückgehen. Die gesamte räumliche Struktur eines Peptids oder Proteins nennt man Tertiärstruktur. 14 Schließlich kennt man noch den Begriff der Quartärstruktur. Dabei handelt es sich um die Assoziation und die dadurch bedingte räumliche Anordnung mehrerer Proteinketten. Tertiär- und Quartärstruktur sind wesentlich für die spezifische biologische Funktion von Proteinen; ihre vorübergehende oder dauernde Änderung oder Zerstörung ("Denaturierung") kann durch Erwärmung oder chemische Reaktion (Umsetzung mit Harnstoff etc.) bewirkt werden. 2. Vitamine 2.1. Allgemeines Vitamine sind organische Verbindungen, die für bestimmte Lebewesen zur Aufrechterhaltung der normalen Zellfunktionen in kleinsten Mengen erforderlich sind, jedoch nicht selbst synthetisiert werden können. Sie müssen daher mit der Nahrung zugeführt werden. Neben den essentiellen Aminosäuren und Fettsäuren sind die Vitamine unentbehrlicher Bestandteil der menschlichen Ernährung. Man unterscheidet die wasserlöslichen Vitamine (B und C, wobei B acht unterschiedliche Verbindungen bezeichnet; "Vitamin-B-Komplex") und die fettlöslichen Vitamine (A, D, E, K). Man kann annehmen, dass alle wasserlöslichen Vitamine als Coenzyme (das ist der Nicht-Protein-Teil von Enzymen) fungieren. So findet man Nicotinsäureamid und Vitamin B2 als Bestandteil der Coenzyme der wasserstoffübertragenden Enzyme. Vitamin B6 ist die Vorstufe des Pyridoxalphosphats. Vitamin B1 ist in der Cocarboxylase, Pantothensäure im Coenzym A enthalten. Pteroinsäure ist ein Bestandteil der Folsäure. Beide Verbindungen enthalten p-Aminobenzoesäure. Diese wird von manchen Organismen als Vitamin benötigt. Gibt man diesen Organismen das ähnlich aufgebaute Sulfanilamid (= Amid der p-Aminosulfonsäure), so bauen sie dieses in die Folsäure ein, die dadurch unwirksam wird. Dies erklärt die wachstumshemmende Wirkung von Sulfonamiden auf Mikroorganismen. Das fettlösliche Vitamin A spielt eine Rolle beim Sehvorgang, es ist der wesentliche Bestandteil eines lichtempfindlichen Farbstoffs, des Rhodopsins (vgl. Kurstag 11, Carotine). Ein Überangebot an fettlöslichen Vitaminen kann zu Krankheiten, den sogenannten Hypervitaminosen führen. Bei wasserlöslichen Vitaminen besteht dieses Problem nicht, da sie mit dem Harn ausgeschieden werden. Wichtiger sind die Erkrankungen, die bei einem Unterangebot an Vitaminen auftreten (Hypovitaminosen). Diese Mangelerkrankungen führten nach vielen Irrtümern letztlich zur Entdeckung der Vitamine (C. Funk, F.G. Hopkins, 1912): Vitamin B1: Beriberi, Vitamin C: Skorbut, Vitamin D: Rachitis etc. Funk nahm an, dass alle diese lebenswichtigen Stoffe Amine seien, daher Vitamine. Als später die Unrichtigkeit dieser Annahme erkannt wurde, ließ man den Buchstaben e weg: Vitamin. 15 2.2. Vitamin C Im Anschluss an die Diskussion der Saccharide (Kurstag 9) ist es interessant, auf einen Abkömmling der Kohlenhydrate, eben das Vitamin C, näher einzugehen. Die Mangelerkrankung Skorbut wurde beobachtet, wenn sich Menschen lange Zeit von konservierten Lebensmitteln ernähren mussten, vor allem bei lang dauernden Seereisen: 1497 verlor Vasco da Gama bei seiner Reise um das Kap der Guten Hoffnung von seiner hundertsechzigköpfigen Besatzung hundert durch diese Erkrankung. Vitamin C wurde als antiskorbutischer Wirkstoff aufgefunden und isoliert; daher auch der Name Ascorbinsäure. Die wichtigsten Symptome der Vitamin-C-Mangelkrankheit Skorbut sind Blutungen, Zahnfleischentzündung und eine allgemein geringe Infektionsabwehr. 1928 isolierte Szent-Györgyi erstmals Vitamin C, 1934 synthetisierte Tadeus Reichstein die Verbindung. Der Vitamin-C-Bedarf des Menschen ist im Vergleich zu anderen Vitaminen groß. Täglich sollten mindestens 60 mg aufgenommen werden. Auch Mengen im Grammbereich werden von manchen Wissenschaftlern empfohlen (Steigerung der Infektionsabwehr, Krebsprophylaxe). Hohe Dosen können bei längerfristiger Einnahme zur Ausbildung von Oxalatsteinen führen. Für die meisten Säugetiere ist Ascorbinsäure kein Vitamin; sie decken den Bedarf durch Eigensynthese aus Glucose. Ascorbinsäure tritt in zahlreichen Früchten und Gemüse auf (Zitronen, Orangen, Grapefruit, Kiwi, schwarze Johannisbeeren, Paprika etc.). Außerdem wird Ascorbinsäure in großem Maß synthetisch hergestellt und vielen Getränken zugesetzt. Die heutige industrielle Erzeugung folgt immer noch der Synthese von Reichstein. D-Glucose wird zuerst zum Zuckeralkohol D-Sorbit reduziert. Im entscheidenden enzymkatalysierten Schritt wird dann durch Oxidation des ursprünglichen C-5 aus diesem dann die Ketose L-Sorbose. Durch Oxidation des nunmehrigen C-1 (ist das ursprüngliche C-6 in der D-Glucose) erhält man die 2-Keto-L-gulonsäure. Formulieren Sie Fischersche Projektionsformeln für diese Reaktionsfolge: D-Glucose → D-Sorbit → L-Sorbose → 2-Keto-L-gulonsäure! Ascorbinsäure ist das Lacton (der "innere Ester") der 2-Keto-L-gulonsäure. Gulose ist eine Aldohexose. Bei einer -onsäure ist die Halbacetalfunktion der Aldose zu einem Lacton dehydriert (bzw. in der offenkettigen Form die Aldehydfunktion -CHO zur Carbonsäure -COOH oxidiert). Im Gegensatz dazu ist in einer -uronsäure der Zucker nicht an der Aldehydgruppe (C-1), sondern an der CH2OH-Gruppe (C-6) oxidiert. 16 O OH O C C O C O C Lactonbildung HO C H H C OH HO C H HO O Tautomerisierung HO H C HO C H O H HO C H HO C H CH2OH O CH2OH CH2OH 2-Keto-L-gulonsäure Ascorbinsäure Eigenschaften: Die Ascorbinsäure ist ein wasserlösliches Vitamin. Die wässrige Lösung reagiert sauer auf Grund einer Vinylogie-Beziehung (die Hydroxylgruppe am dritten CAtom ist mit der C=O-Gruppierung über eine Doppel- und eine Einfachbindung in Wechselwirkung) und auch auf Grund der Endiol-Anordnung (zwei Hydroxylgruppen an einer Doppelbindung). Diese Gruppierung macht die Ascorbinsäure auch zu einem starken Reduktionsmittel; sie geht durch Abgabe von Wasserstoff in die L-Dehydroascorbinsäure über. Die Reaktion ist reversibel: Vitamin C gehört daher zu den biochemischen Redoxsystemen. HO O O O - 2H HO O H HO C H O + 2H CH2OH L-Ascorbinsäure O H HO C H CH2OH L-Dehydroascorbinsäure Die reduzierenden Eigenschaften von Vitamin C sind beispielsweise durch die Reaktion mit Tollens-Reagens nachweisbar (ammoniakalische Silbernitratlösung); ein Silberspiegel scheidet sich ab (siehe Kurstag 7). 3. Trennmethoden bzw. Reinigungsverfahren 3.1. Dünnschichtchromatographie Die Dünnschichtchromatographie (DC) dient meist analytischen Zwecken. Flexible Aluminium- oder Kunststofffolien oder Glasplatten sind dünn mit Adsorbenspulver (Kieselgel, Aluminiumoxid; Cellulose oder Polyamid für Spezialprobleme) beschichtet. Auf diese (entweder selbst gestrichenen oder kommerziell erhältlichen) Folien oder Platten trägt man mit Kapillaren sehr geringe Mengen der zu trennenden Substanzmischung in verdünnter Lösung mit (ca. 2 - 3 cm) Abstand zum unteren Rand auf. Die Folie wird nun in ein Glasgefäß ("Trog") gestellt, dessen Boden mit Lösungsmittel (ggf. LM-Gemisch) befüllt ist. Die Öffnung des Trogs wird mit einer Glasplatte verschlossen. 17 Das Lösungsmittel saugt sich auf Grund der Kapillarkräfte der Schicht über die Sub-stanzflecken hinweg und lässt die Komponenten als Teile der mobilen Phase verschieden weit nach oben wandern ("Entwicklung"). Es kommt zu einer Auftrennung durch die verschieden starke Adsorption bzw. die verschieden gute Löslichkeit in der stationären Phase einerseits und die verschieden gute Löslichkeit in der mobilen Phase andererseits. Wenn die Lösungsmittelfront den oberen Rand der Folie nahezu erreicht hat, wird die Folie aus dem Trog genommen und die gesamte LM-Front sofort markiert (bevor das Lösungsmittel verdampft). Falls die interessierenden Komponenten keine Eigenfarbe aufweisen, müssen sie mit bestimmten Detektionsmethoden sichtbar gemacht werden. a) Betrachtung unter UV-Licht Manche Moleküle zeigen Fluoreszenz, d.h. sie absorbieren ultra-violettes (UV) Licht und senden sichtbares Licht aus. Eine größere Anzahl von Substanzen absorbiert zwar UV-Licht, fluoresziert aber nicht. Wenn die Adsorbensschicht eine fluoreszierende Verbindung enthält, die nicht mit dem Lösungsmittel wandert, so wird an Stellen, an denen UV-absorbierende Moleküle die Folienschicht bedecken, weniger Licht zu diesem "Fluoreszenzindikator" gelangen: es erfolgt "Fluoreszenzlöschung"; diese Substanzflecken erscheinen dunkel auf fluoreszierendem Grund. Die Flecken sind nur solange sichtbar, wie das UV-Licht einwirkt; sie müssen daher unter der Lampe mit einem spitzen Bleistift umrissen werden. b) Sprühreagenzien Sprühreagenzien sind oft substanzklassenspezifisch. Wird zum Beispiel eine Folie mit saurer Lösung von 2,4-Dinitrophenylhydrazin besprüht, so werden Substanzen mit Carbonylgruppen stark orangegelb gefärbt (siehe Kurstag 7). Ninhydrinlösung reagiert mit Aminosäuren (siehe Seite 5). Es gibt eine große Zahl derartiger Sprühreagenzien. c) Iod Die Folie wird in einen Trog mit wenigen Körnchen Iod gestellt. Die meisten organischen Verbindungen geben mit den bei Raumtemperatur in der Trogatmosphäre vorliegenden Ioddämpfen gefärbte Additionsverbindungen. Da die Flecken meist rasch ausbleichen, muss man sie sofort nach Entnahme der Folie aus dem Trog mit einem spitzen Bleistift umreißen. Nach Sichtbarmachung und Markierung der Flecken werden die Rf-Werte ermittelt (Rf: "Ratio of fronts", "Relation zur Front", "Retention factor"). Lösungsmittelf ront Rf = b a b a1 a Abstand Startlinie bis zur Mitte des Substanzflecks b Abstand Startlinie bis zur Lösungsmittelfront a2 Startlinie Ref erenz 1 Probe Beachte: Rf-Werte sind immer ≤ 1 ! Ref erenz 2 18 Die Wanderungsstrecken der chromatographierten Verbindungen allein finden kaum Anwendung. Dies liegt an der Schwierigkeit, die Versuchsbedingungen bei der DC exakt zu standardisieren. Nützlicher sind die dimensionslosen Rf-Werte, aber auch ihre Reproduzierbarkeit ist beschränkt. Wie viele Kommastellen sind bei der Angabe wohl sinnvoll? Zur sicheren Identifizierung aller Komponenten einer Mischung trägt man daher am besten auf der Folie auch Lösungen der reinen Verbindungen als Vergleichssubstanzen auf. 3.2. Papierchromatographie Die Lösung des Substanzgemisches wird auf speziellem Filtrierpapier aufgetragen. Der Streifen wird dann in ein (meist organisches) LM in einem Trog eingetaucht. Die Stoffe trennen sich nach Maßgabe ihrer Löslichkeit in Wasser (auf dem Papier) und dem organischen Lösungsmittel. Die Technik wurde weitgehend durch die Dünnschichtchromatographie abgelöst. 3.3. Säulenchromatographie Diese Methode eignet sich zur Auftrennung größerer Mengen (etwa 1 g Probe je 100 g Adsorbes). Ein Rohr aus Glas wird mit einem Brei aus Laufmittel und Adsorptionsmittel ("Adsorbens", meist Kieselgel oder Aluminiumoxid) gefüllt. Oben wird das Gemisch der zu trennenden Verbindungen "aufgegeben". Sie werden anfangs in der obersten Schicht des Adsorbens festgehalten. Man "wäscht" nun mit einem Laufmittel die Säule durch (Eluieren). Je höher die Affinität ist, die eine Verbindung zum Adsorbens aufweist, desto größer wird der Zeitanteil, während dessen ihre Moleküle daran haften, und umso langsamer wandern sie mit dem Eluens mit. Am Säulenende treten die einzelnen Verbindungen meist getrennt aus. (siehe Kurstag 11) 3.4. Ionenaustausch Bei Ionenaustauscherharzen sind über kovalente Bindungen in das Gegenionen binden daran über tauscher sind anorganisch (wie (z.B. substituierte Polystyrole). a) Kationenaustauscher fixe ionische Gruppen (kationische oder anionische) Gerüst einer hochpolymeren Verbindung eingebaut. rein elektrostatische Wechselwirkungen. Die Ausz.B. Zeolithe) oder häufiger organisch aufgebaut Schema der Wirkung eines Kationenaustauschers am Beispiel der Abtrennung von Na+ 19 Die hochpolymere organische Gerüstsubstanz (z.B. Polystyrol) ist mit Sulfonsäuregruppen substituiert, deren Wasserstoffatome sehr stark polarisiert, aber noch kovalent gebunden sind, in wässriger Umgebung als Proton H+ (H3O+) vorliegen und durch einen Überschuss anderer Kationen verdrängt werden kann: (Res „Resin“, Austauscherharz, Polymermatrix Met Metall) + z.B: Die Na -Ionen der Kochsalzlösung verdrängen die H3O+-Ionen des Austauschers, die so aus der Säule gespült werden. Diese Austauschreaktion ist eine Gleichgewichtsreaktion: Aus diesem Grund kann ein Kationenaustauscher nach erfolgter Bindung (und Abtrennung) der Metallionen durch Behandeln mit starker Säure regeneriert werden. b) Anionenaustauscher Sie besitzen fest eingebaute Trialkylammoniumgruppen und das Hydroxylion OH– als bewegliches Gegenion, das gegen andere Anionen ausgetauscht werden kann: Für die Elution der Anionen und die Regeneration des Anionentauscher gilt sinngemäß das gleiche wie bei a): hier wird durch Behandeln mit hohen OH–-Konzentrationen das angelagerte Anion verdrängt und der Austauscher in seine ursprüngliche Form rückgeführt. Schema der Regeneration eines Anionentauschers nach Austausch von Chlorid c) Reinigung von Aminosäuren Man kann die AS z.B. in saurer Lösung als AS-Kationen an einem Kationenaustauscher festhalten. Man könnte sie danach mit hohen Konzentrationen von Mineralsäure wieder verdrängen. Günstiger und schonender aber ist in diesem Fall die Elution (= Herauslösung) mit basischer Lösung (etwa mit verdünntem Ammoniak): dabei werden die AS aus der kationischen in die anionische Form umgewandelt. In dieser Form werden sie vom Kationentauscher nicht zurückgehalten und werden eluiert. Der Kationentauscher wird für eine neuerliche Verwendung dann mit starker Säure regeneriert. Erklären Sie in Analogie dazu Festhalten und Elution einer Aminosäurefraktion an einem Anionenaustauscher! 20 Fragen 1. Erklären Sie den Begriff "Aminosäure" nach chemischen Gesichtspunkten. 2. Beschreiben Sie eine Peptidbindung an Hand der Formel eines Tripeptids aus drei beliebigen unterschiedlichen Aminosäuren in einer Schreibweise, die die korrekte L-Konfiguration der Aminosäuren erkennen lässt. 3. Wie werden Peptide synthetisiert? Wie kann man Peptide spalten? Schlagen Sie für die Spaltung Reaktionsmechanismen vor. 4. Welcher Unterschied besteht zwischen Peptiden und Proteinen? 5. Erklären Sie den Begriff "Zwitterion". Beschreiben Sie einen Zwitterionentyp großer biologischer Bedeutung an Hand der Formel eines Vertreters. 6. Was versteht man unter dem "isoelektrischen Punkt"? Mit Hilfe welcher Beziehung kann er berechnet werden? Berechnen Sie den I.P für eine Aminosäure mit KS der Carboxylgruppe 4,5·10–3 und KB der Aminogruppe 6·10–5. 7. Wie liegt die Aminosäure aus Beispiel 6 in wässriger Lösung vor, wenn der pH-Wert der Lösung (a) 2,05, (b) 2,35, (c) 6,1, (d) 9,8, e) 10,3 ist? 8. Was versteht man unter einer "sauren", was unter einer "basischen" Aminosäure? Geben Sie Beispiele an. 9. Erklären Sie die geringe Löslichkeit von Aminosäuren am isoelektrischen Punkt. 10. Was versteht man unter einer Polykondensationsreaktion? Geben Sie Beispiele für wichtige derartige Reaktionen in der Biochemie. 11. Was versteht man unter Primär-, Sekundär- und Tertiärstruktur von Proteinen? 12. Welche Kräfte sind für die räumliche Anordnung von Proteinen verantwortlich? 13. Mit Hilfe welcher Reaktion kann man Aminosäuren qualitativ nachweisen? Geben Sie die Formel von Reagens und Endprodukt an. 14. Wie sind Ionenaustauscher aufgebaut, welche unterschiedlichen Arten gibt es (Formeln)? Wie werden Ionenaustauscher regeneriert? 15. Wie verhalten sich Aminosäuren an den unterschiedlichen Ionenaustauscher-Typen? Formelunterstützte Erklärung! 16. Was bedeuten die Symbole L, D, R, und S in der Nomenklatur der Aminosäuren und Kohlenhydrate? Erklären Sie an Hand von Formelbildern. 17. Auf welcher Reaktion der Ascorbinsäure beruht ihre quantitative Erfassung mit 2,6-Dichlorphenolindophenol? Bitte formelunterstützte Erklärung! 18. Titration von 1 ml eines Fruchtsafts mit 10–3 M Lösung von 2,6-Dichlorphenolindophenol führt zu einem Verbrauch von 3,2 ml. Wie viel mg Ascorbinsäure sind in 1 Liter des Fruchtsafts enthalten? 19. Die erste Säurekonstante von Ascorbinsäure ist ≈10–4, die zweite Säurekonstante nur 10–11,4. Versuchen Sie eine formelunterstützte Erklärung zu geben.