1 Psychische Krankheitsbilder Persönlichkeitsstörungen Karl-Heinz Menzen 2015 2 Inhalt Teil I Inhalt Teil II Seite Seite 3 f. Definitorisches 31 Borderline 8 Systemisches und Familienpsychologisches 36 Angststörung 10 Neuro-/biologisches 41 Panik-Attacken 11 Narzissmus 43 Phobie 13 Histrionische Störung 44 Sozialphobie (eh. Hysterie) 15 Passiv-aggressive Persönlichkeitsstörung 45 Zwangsstörung 16 Mutismus 48 Schizoidie 17 Dependente Persönlichkeitsstörung 50 Dissoziale Persönlichkeitsstörung 18 Depression 25 Posttraumatische Stressreaktion 51 Anm.: Paranoische Persönlichkeitsstörung 29 Hypochondrie 52 Anm.: Schizotypische Persönlichkeitsstörung 53 Anm.: Psychose 3 Persönlichkeitsstörungen erfassen die für das Individuum typische, stabile und beherrschende Verhaltensweisen, die sich als rigide Reaktionsmuster in unter-schiedlichsten Lebenssituationen manifestieren und mit persönlichen Funktionseinbußen und/oder sozialem Leid einhergehen. Der Begriff und das Fach „Persönlichkeitsstörungen“ haben sich gegenüber dem der „Neurosenlehre“ durchgesetzt, seitdem systemisches Denken die bloße Orientierung an den intraindividuellen Konflikten abgelöst und den Blick auf die psychosozialen Zusammenhänge gelenkt hat. 0 Störung der frühkindlichen Bindung Bindung (engl.: attachment), so wikipedia, “ist die Bezeichnung für eine enge emotionale Beziehung zwischen Menschen. Das Neugeborene entwickelt eine spezielle Beziehung zu seinen Eltern oder anderen relevanten Bezugspersonen. Die Bindung veranlasst das Kleinkind, im Falle objektiv vorhandener oder subjektiv erlebter Gefahr (Bedrohung, Angst, Schmerz), Schutz und Beruhigung bei seinen Bezugspersonen zu suchen und zu erhalten. Das Bindungsverhalten besteht aus verschiedenen beobachtbaren Verhaltens-weisen wie Lächeln, Schreien, Festklammern, ZurMutter-Krabbeln, Suchen der Bezugsperson usw“. – und kann gestört werden: Distanzlosigkeit, Anklammerung, wahllos freundliches Verhalten gegenüber Erwachsenen, Aufdringlichkeit, übermäßiges Ansprechen auf Zuwendung, aufmerksamkeitssuchendes Verhalten, Störung des Sozialverhaltens und unterschiedlichste leidvolle Beziehungsstörungen gehören dazu. 1 Narzisstische Störung Frustration des kleinkindlichen Bedürfnisses nach Zuwendung führt zur Abspaltung des Zuwendungswunsches, in der Folge zu Idealisierungen, Größenphantasien, Überflutungsängsten, Wutzuständen, Leere, Störung des Identitätsgefühls 2 Histrionische Störung Charakteristisch für Histrioniker ist der Wunsch, im Mittelpunkt zu stehen. Betroffene sind meistens extravertiert, sozial ungezwungen und kontaktfreudig, haben aber nicht selten auch einen Hang zur Aggressivität. Das Selbstwertgefühl ist eher schwach ausgeprägt. Entsprechend wichtig ist für Histrioniker die Bestätigung durch das Umfeld. Um diese Bestätigung zu erreichen, neigen sie zur exzessiven, oft theatralischen Selbstdarstellung. 3 Passiv-aggressive Störung Die Betroffenen ertragen nicht Autoritätspersonen, die ihnen etwas auferlegen möchten. Nur in der Unabhängigkeit bewahren sie ihre Selbstachtung. In der Anpassung geben sie sich auf. Eine aggressive Grundstimmung soll sie schützen 4 Mutistische Störung Erzieherisch oder psychisch bedingte Antwort auf Überforderung beispielsweise Traumatisierung. Verstummen und Sprachlosigkeit als Folge 5 Dependente Störung Pathologische Antwort auf ein fundamentales Bedürfnis nach Versorgung, das sich selbst abwertet, um die Nähe und den Schutz der stärkeren Person einzuhandeln. 6 Depressive Störung Pathologische Antwort auf Verlusterlebnis (Personen oder Objekte auf die ich mich bezogen habe). In der Folge Abspaltung des emotionalen Erlebens und autoaggressiver Rückzug/Beschränkung wie Verdrängung des oral-besitzen-Wollens 7 Depressive Störung mit psychosomatischer Reaktion Über Tast- und Greiferlebnisse in frühen Jahren werden einprägsame Gefühle und Beziehungen angebahnt. Die Unterbindung affektiver Ausdrücke führt zu Hautaffektionen, die eine Verunsicherung in den grundlegenden Selbst- und Objektrepräsentanzen wiederspiegeln. Unterschiedliche Entwicklungsphasen können nach Recherchen der Ulmer Hautklinik betroffen sein und Regression und Abwehr können unterschiedlich ausfallen. 8 Hypochondrische Störung Wenn infolge von Vernachlässigung und Affekt-Entzug das/der eigene Selbst/wert in Gefahr ist, wird der Feind im eigenen Körper gesucht, gefunden und abgewehrt. Alles Denken und Handeln dreht sich um das eigene Selbst 9 Borderline-Störung Bezugspersonen werden als inkompatibel erlebt und in der Folge werden die Personanteile gespalten. Der Trennung in gute und böse Anteile folgen Idealisierungen, Projektionen, Leugnungen und polymorphes Verhalten 10 Angst-Störung Gestörte frühe Ich-Entwicklung äussert sich in Trennungs- und Verlustangst sowie instabiler Selbstund Objektrepräsentanz. Der Angstzustand tritt ein in der Folge geschwächter Objekt-Konstanz und des Selbstverlustes 11 Phobische Störung Einhergehend mit schweren Angst- und Zwangs-zuständen, in der Folge auch von Depressionen, werden unbewusste Phantasien meist sexueller Art (z.B. nach Missbrauch) gefürchtet, verdrängt, ersetzt, verschoben – auf Orte, Dinge, Tiere, Situationen. 12 Sozialphobische Störung Obwohl akuter gesellschaftlicher Rückzug Jungen und Mädchen gleichermaßen zu betreffen scheint, sind es überwiegend männliche Personen, die mit ihrem Verhalten Besorgnis oder Aufmerksamkeit erregen. Hinter dem Rückzug vermuten die Psychologen schwere soziale Phobien - die Angst, sich zu blamieren oder den Ansprüchen anderer nicht gerecht zu werden. Angst vor anderen Menschen. 13 Ängstlich-vermeidende Störung Die betroffene Person zieht sich gerne und schnell aus sozialen Zusammenhängen zurück, wenn eine unangenehme Situation wie z.B. Kritik oder Zurückweisung drohen 14 Zwangsstörung Die magische Kindheitsphase, in der gewöhnlich eine Stabilisierung des Weltbildes erfolgt, ist gestört. In der Folge ist das stabile selbst und Weltbild gefährdet, wird durch Zwänge (Sammel-, Wasch-, Zähl-, Grübel-, Sauberkeits-) aufrecht gehalten. Ängste, Affekt-Verzichte etc. sind die Folge 15 Schizoide Störung Als Folge emotionaler Vernachlässigung geschieht ein Rückzug von affektiven, sozialen und anderen Kontakten mit übermäßiger Vorliebe für Phantastereien, einzelgängerischem Verhalten und eine in sich gekehrte Zurückhaltung. Die Betroffenen verfügen nur über ein begrenztes Vermögen, Gefühle auszudrücken und Freude zu erleben. 16 Dissoziale Störung Soziale Regeln werden nicht mehr eingehalten. Versprechungen, Schulden, Verpflichtungen werden ignoriert. Was Andere über mich denken ist unwichtig. 17 Paranoische Störung Aus Vorsicht vor den anderen Menschen muss ich acht geben, dass sie mich nicht ausbeuten und kleiner machen als ich bin 18 Schizotypische Störung Ich habe eine seltsam verzerrte, exzentrische Wahrnehmungs-, Denk-, Sprech- und Verhaltensweise. Ich bin ein Niemand in einer fremden Umgebung und Welt. So wie ich mich unwohl in Gegenwart der Anderen fühle, so werden sie mich auch erleben. Wir werden im folgenden die wichtigsten dieser Störungen thematisieren. 4 5 Seelische Erkrankungen und psychosoziale Probleme sind häufig und nehmen in allen Industrienationen ständig zu. Circa 30 % der Bevölkerung leiden innerhalb eines Jahres an einer diagnostizierbaren psychischen Störung. Am häufigsten sind Depressionen, Angststörungen, psychosomatische Erkrankungen und Suchterkrankungen. Der Anteil psychischer Erkrankungen an der Arbeitsunfähigkeit nimmt seit 1980 kontinuierlich zu und beträgt inzwischen 15 – 20 %. Der Anteil psychischer Erkrankungen an vorzeitigen Berentungen nimmt kontinuierlich zu. Sie sind inzwischen die häufigste Ursache für eine vorzeitige Berentung. Psychische Erkrankungen und Verhaltensprobleme bei Kindern und Jugendlichen nehmen kontinuierlich zu. Psychische Störungen bei älteren Menschen sind häufig und nehmen ständig zu. Nur die Hälfte der psychischen Erkrankungen wird richtig erkannt, der Spontanverlauf ohne Behandlung ist jedoch ungünstig: Knapp 1/3 verschlechtert sich und knapp die Hälfte zeigt keine Veränderung, chronifiziert also ohne Behandlung. Persönlichkeitsstörungen erfassen die für das Individuum typische, stabile und beherrschende Verhaltensweisen, die sich als rigide Reaktionsmuster in unter-schiedlichsten Lebenssituationen manifestieren und mit persönlichen Funktionseinbußen und/oder sozialem Leid einhergehen. Der Begriff und das Fach „Persönlichkeitsstörungen“ haben sich gegenüber dem der „Neurosenlehre“ durchgesetzt, seitdem systemisches Denken die bloße Orientierung an den intraindividuellen Konflikten abgelöst und den Blick auf die psychosozialen Zusammenhänge gelenkt hat. Definition "Persönlichkeitsstörungen" erfassen für das Individuum typische stabile und beherrschende (pervasive) Verhaltensweisen, die sich als rigide Reaktionsmuster in unterschiedlichsten Lebenssituationen manifestieren und mit persönlichen Funktionseinbußen und/oder sozialem Leid einhergehen. Diese Definition beinhaltet, dass die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung in der Adoleszenz aufgrund der noch vorhandenen Entwicklungspotenziale zurückhaltend gestellt werden sollte. Andererseits lässt sich bei einigen Persönlichkeitsstörungen ein eindeutiges Kontinuum zwischen den Verhaltensmustern in Kindheit und Jugend und denen des Erwachsenenalters nachweisen, sodass auch aus klinischpraktischen Erwägungen die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung in der späten Adoleszenz sinnvoll sein kann. Persönlichkeitsstile und –störungen in einem bedürfnisorientierten Polaritätenraum 6 7 Das DSM-IV ordnet die spezifischen Persönlichkeitsstörungen drei übergeordneten Clustern zu: Cluster A beinhaltet die paranoide, die schizoide und die schizotypische Persönlichkeits-störung, die sich durch sonderbares, exzentrisches Verhalten auszeichnen. Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung aus Cluster A sind misstrauisch und wirken affektarm bis gefühlskalt. Bei vermeintlichen Kränkungen und Bedrohung kann die Stimmung rasch in Wut umschlagen. Sie leben isoliert und haben kaum zwischenmenschliche Kontakte. Cluster B umfasst die antisoziale, die Borderline-, die histrionische und die narzisstische Persönlichkeitsstörung, die emotionales, dramatisches oder launisches Verhalten zeigen. Weitere charakteristische Merkmale sind Impulsivität, starke Wut und Unfähigkeit, diese zu kontrollieren. Das Verhalten in Beziehungen ist geprägt von einer Tendenz zur Idealisierung und Entwertung sowie Schwierigkeiten im Umgang mit Nähe und Distanz. Selbstschädigende und suizidale Verhaltensweisen sind typisch, bei der narzisstischen und der antisozialen Persönlichkeitsstörung auch Fremdaggressivität. Gemeinsam liegt allen Persönlichkeitsstörungen dieses Clusters ein wenig ausgeprägtes Selbstwertgefühl zugrunde, so dass bei berechtigter und unberechtigter Kritik Gefühle wie Wut, Scham oder Demütigung aufkommen. Cluster C subsumiert die vermeidend-selbstunsichere, die dependente und die zwanghafte Persönlichkeitsstörung, also die Menschen, die sich als ängstlich und furchtsam beschreiben lassen. Zentrale Gefühle bei diesen Menschen sind neben einer Anspannung und Besorgnis Gefühle von Hilflosigkeit und Abhängigkeit. Sie sind leicht verletzbar durch Kritik oder Ablehnung und leiden unter massiven Trennungsängsten. Bei übermäßiger Gewissenhaftigkeit sind sie wenig flexibel und tendieren zu passiver Aggressivität. Gruppe A Gruppe B Gruppe C 8 Familienpsychologische wie sozialisatorische Grundlagen und Reaktionen Leitsymptome Persönlichkeitsstörungen beginnen in der Kindheit und Jugend, nehmen eine lebenslange Entwicklung und manifestieren sich in typischer Form im frühen Erwachsenenalter. Aufgrund des Entwicklungsaspektes einer psychischen Störung im Kindes- und Jugendalter darf in der ICD-10 die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung vor Abschluss der Pubertät, d.h. vor dem 16.-17. Lebensjahr nur dann gestellt werden, wenn die geforderte Mindestzahl der Kriterien für die jeweilige Störung erfüllt ist und die Verhaltensmuster bereits in diesem Alter andauernd, durchgehend und situationsübergreifend auftreten. Die Stabilität der Diagnose einer Persönlichkeitsstörung im Jugendalter ist geringer als im Erwachsenenalter. Die Zustandsbilder der Persönlichkeitsstörungen dürfen nicht auf andere psychiatrische Störungen zurückzuführen sein und nicht als Folge einer organischen Schädigung oder Erkrankung auftreten. Sie sind gekennzeichnet durch: - Beeinträchtigungen mehrerer Bereiche wie Affektivität, Antrieb, Impulskontrolle, - Wahrnehmung und Denken sowie der sozialen Interaktion - Lange zeitliche Dauer der Verhaltensstörung - Tief greifende Verwurzelung der Verhaltensweisen und situationsübergreifendes Auftreten - Einschränkung der sozialen, schulischen und beruflichen Leistungsfähigkeit - Persönliches Leid des Betroffenen, das aber in vielen Fällen erst im Erwachsenenalter auftritt; im Jugendalter ist eine ego-dystone Symptomatik seltener als beim Erwachsenen. 9 10 Belastete Psyche und neurobio-/logische Grundlagen und Reaktionen Neurotransmitter GLUTAMAT = lern- und gedächtnisorientiert, pyramidal erregend ACETYLCHOLIN = erregend, sympathischparasympathisch, muskulär-signalhaft wirkend DOPAMIN = erregend, emotionale und geistig, bewegungsentwurfshaft wirkend SEROTONIN = im Hirnstamm und Hypothalamus wirkend, ausgleichende Gefühle erzeugend NORADRENALIN = sympatikushaft erregend, orientierend, reaktiv bei Stress GABA = interaktiv mit Dopamin, bei Depression reduziert, bei Angst indiziert, reizselegierend und –einschränkend 11 Narzisstische Störung Narzissmus Frustration des kleinkindlichen Bedürfnisses nach Zuwendung führt zur Abspaltung des Zuwendungswunsches, in der Folge zu Idealisierungen, Grössenphantasien, Überflutungsängsten, Wutzuständen, Leere, Störung des Identitätsgefühls 12 13 Geschichte der Hysterie Histrionische Persönlichkeitsstörung Sigmund Freud 1856 - 1939 Freud an Fließ ... das Krankheitsphänomen der Zeit (Hysterie), ein „Zerrbild der Kunstschöpfung“, das es wieder zu entzerren gelte. Histrionische Störung Charakteristisch für Histrioniker ist der Wunsch, im Mittelpunkt zu stehen. Betroffene sind meistens extravertiert, sozial ungezwungen und kontaktfreudig, haben aber nicht selten auch einen Hang zur Aggressivität. Das Selbstwertgefühl ist eher schwach ausgeprägt. Entsprechend wichtig ist für Histrioniker die Bestätigung durch das Umfeld. Um diese Bestätigung zu erreichen, neigen sie zur exzessiven, oft theatralischen Selbstdarstellung. 14 Hysterie … und die Katharsis Die histrionische Persönlichkeitsstörung (HPS) (von englisch histrionic „schauspielerisch; theatralisch, affektiert“ zu lateinisch histrio „Schauspieler“) ist gekennzeichnet durch egozentrisches und theatralisches Verhalten. Als Bezeichnung für eine Persönlichkeitsstörung hat HPS den veralteten Begriff Hysterie abgelöst Charakteristisch für Histrioniker ist der Wunsch, im Mittelpunkt zu stehen. Betroffene sind meistens extravertiert, sozial ungezwungen und kontaktfreudig, haben aber nicht selten auch einen Hang zur Aggressivität. In Stresssituationen reagieren sie oft mit Schuldabwehr und Selbstbemitleidung, aber auch mit aggressivem Verhalten. Nicht selten suchen sie in derartigen Situationen zudem nach Selbstbestätigung und zeigen deutlich ein Bedürfnis nach sozialer Unterstützung. Das Selbstwertgefühl ist eher schwach ausgeprägt. Sie können die eigene Bedeutung nur schlecht einschätzen, haben dafür aber ein sehr ausgeprägtes Gespür, wie andere auf ihr Auftreten reagieren. Entsprechend wichtig ist für Histrioniker die Bestätigung durch das Umfeld. Um diese Bestätigung zu erreichen, neigen sie zur exzessiven, oft theatralischen Selbstdarstellung. Histrioniker sind extrem suggestibel. Leicht werden sie durch andere beeinflusst, wobei sie meist nach Übereinstimmung streben und Positionen des Gegenüber übernehmen. Gleichermaßen findet eine Anpassung an das jeweilige Umfeld statt, wobei sich die Persönlichkeit deutlich ändern kann. Die Betroffenen sind angeblich sehr leicht zu hypnotisieren und fallen gelegentlich auch allein in Trance. Sie suchen ständig nach Neuem und nach Stimulation. Dadurch können sie sich leicht in gefährliche Situationen begeben. Sie können schnell enthusiastisch Interesse an etwas gewinnen und es ebenso schnell wieder verlieren. Auch sprachlich wechseln sie das Thema. Ihr Sprachstil ist dabei oberflächlich, detailarm und zuweilen impressionistisch. Sie sind offen für oft wechselnde sexuelle Beziehungen. Das fällt ihnen leicht, da sie sich in Szene zu setzen wissen und viel Zeit und Geld in körperliche Attraktivität investieren. Typischerweise besteht ein ausgeprägter innerer Drang, zu flirten und sich (sexuell) verführerisch zu verhalten. Dabei ist vordergründig die umfassende Liebe der Zielperson das Motiv, weniger die sexuelle Befriedigung. Innerhalb einer heterosexuellen Beziehung weicht anfängliche, überschwängliche Begeisterung oft gar nicht viel später der Enttäuschung, wobei die jeweiligen Partner nicht viel mehr als Objekte der emotionalen Manipulation sind und keinen Einfluss auf den Gefühlsumschwung haben. Es sollte aber beachtet werden, dass viele Histrioniker in monogamen Beziehungen oder ganz ohne Partner lebenPromiskuität ist kein sicheres Symptom. Innerhalb der Partnerbeziehungen werden immer wieder Liebesbeweise gefordert, was in extremen Fällen zu Spannungen führt. Recht bedrohlich für die Betroffenen sind Selbstmordversuche, deren Motiv ebenfalls die Beachtung und Liebe durch das soziale Umfeld ist. Gelegentlich sind erpresserische Drohungen damit verbunden, die ernst genommen werden sollten. 15 Passiv-aggressive Persönlichkeitsstörung Passiv-aggressive Persönlichkeitsstörung Dem Narzißten und Histrioniker verwandt: Die Betroffenen ertragen nicht Autoritätspersonen, die ihnen etwas auferlegen möchten. Nur in der Unabhängigkeit bewahren sie ihre Selbstachtung. In der Anpassung geben sie sich auf. Eine aggressive Grundstimmung soll sie schützen 16 Apathisches Verstummen: Mutismus Mutismus Erzieherisch oder psychisch bedingte Antwort auf Überforderung beispielsweise Traumatisierung. Verstummen und Sprachlosigkeit als Folge 17 Dependente Persönlichkeitsstörung Dependent Pathologische Antwort auf ein fundamentales Bedürfnis nach Versorgung, das sich selbst abwertet, um die Nähe und den Schutz der stärkeren Person einzuhandeln. 18 Depression - images - 19 Depression Pathologische Antwort auf Verlusterlebnis (Personen oder Objekte auf die ich mich bezogen habe). In der Folge Abspaltung des emotionalen Erlebens und autoaggressiver Rückzug/Beschränkung wie Verdrängung des oral-besitzen-Wollens Depressiv (lat. deprimere „niederdrücken“) bezeichnet umgangssprachlich einen Zustand psychischer Niedergeschlagenheit. In der Psychiatrie wird die Depression den affektiven Störungen zugeordnet. Im gegenwärtig verwendeten Klassifikationssystem psychischer und anderer Erkrankungen (ICD 10) lautet die Krankheitsbezeichnung depressive Episode oder rezidivierende (wiederkehrende) depressive Störung. DieDiagnose wird allein nach Symptomen und Verlauf gestellt. Zur Behandlung depressiver Störungen werden nach Aufklärung über die Ursachen und den Verlauf der Erkrankung Antidepressiva eingesetzt, aber auch reine Psychotherapie ohne Medikation, wie z. B tiefenpsychologi-sche oderverhaltenstherapeutische Verfahren Klassifikation nach ICD-100F32.0 Leichte depressive Episode (Der Patient fühlt sich krank und sucht ärztliche Hilfe, kann aber trotz Leistungeinbußen seinen beruflichen und privaten Pflichten noch gerecht werden, sofern es sich um Routine handelt.) F32.1Mittelgradige depressive Episode (Berufliche oder häusliche Anforderungen können nicht mehr oder - bei Tagesschwankungen - nur noch zeitweilig bewältigt werden). F32.2Schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome (Der Patient bedarf ständiger Betreuung. Eine Klinik-Behandlung wird notwendig, wenn das nicht gewährleistet ist). F32.3Schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen (Wie F.32.2, verbunden mit Wahngedanken, z. B. absurden Schuldgefühlen, Krankheitsbefürchtungen, Verarmungswahn u. a.).F32.8Sonstige depressive EpisodenF32.9Depressive Episode, nicht näher bezeichnetICD-10 online (WHO-Version 2006). 20 21 Sucht nach Trauer Neurobiologische Faktoren Als gesichert gilt, dass bei jeder bekannten Form der Depression das serotonale und/oder noradrenale System gestört ist, das heißt, der Spiegel dieser Neurotransmitter ist zu hoch oder zu niedrig, oder die Resorption/Reizbarkeit der Synapsen ist verändert. Unklar ist jedoch, ob die Veränderung des Serotoninspiegels eine Ursache oder eine Folge der depressiven Erkrankung ist. Im Blut und Urin von Depressiven lassen sich in der Regel überhöhte Mengen des Stresshormons Cortisol nachweisen online (WHO-Version 2006) 22 Neurobiologische Faktoren Chronischer Stress führt über eine andauernde Stimulation der Hypothalamus Hypophysen-Nebennieren-Achse (HHN-Achse) zu einer übermäßigen Ausschüttung von Glucocorticoiden ins Blut. Bei Depressiven lassen sich überhöhte Mengen des Stresshormons Cortisol m Blut und Urin nachweisen. Deshalb wurde schon früh ein Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Depressionen und Stress vermutet. Die Steuerung der Glucocorticoidsekretion erfolgt zentral durch die parvozellulären neurosekretorischen Neuronen aus dem Nucleus paraventrikularis des Hypothalamus. Das Corticotropin Releasing Hormone (CRH), welches von diesen Neuronen gebildet wird, stimuliert zunächst die Bildung und Ausschüttung des adrenocorticotropen Hormons (ACTH) aus der Adenohypophyse. ACTH führt über eine Aktivierung der Nebennierenrinde zu einer Ausschüttung von Gluco- und Mineralocorticoiden. Die bei Depressionen beschriebene Dysregulation der HHN Achse zeigt sich in einer erhöhten basalen Sekretion von ACTH und Cortisol, in einer verminderten Suppression von Cortisol im Dexamethason-Hemmtest und in einer verminderten ACTH-Sekretion nach Gabe von CRF. Relativ neu ist die Erkenntnis, dass durch die erhöhte Ausschüttung von Glucocorticoiden bei Stress empfindliche Regionen des Gehirns selbst geschädigt werden können. Besonderes Interesse findet in diesem Zusammenhang in der neueren Forschung der zum limbischen System gehörende Hippocampus. Geist&Gehirn 9, 2008 23 Differenzierung 24 Bauchweh und Durchfall, Wärmeflaschen, KirschkernSäckchen und fencheltee – das alles kennt er zur Genüge Bis zum 18. Geburtstag haben 5 Prozent der Jungen, 8,9 Prozent der Mädchen eine psychosomatische Störung. Sie malen düstere Bilder von ihren Schmerzen, fröhliche von den Zuständen, wo es ihnen wieder gut geht. Stress und seine Folgen (Hüther 2001) • Bei den Primaten und insbesondere beim Menschen wurden Sicherheit-bietende Bindungen zur entscheidenden Voraussetzung für die Ausbildung lernfähiger, plastischer Gehirne. • Nichts erzeugt soviel unspezifische Erregung im Hirn (und vor allem in den emotionalen Zentren) eines Kleinkindes, wie das plötzliche Verschwinden der Mutter. • Offenbar ist der Verlust der bis dahin vorhandenen, Sicherheit-bietenden Bezugsperson die bedrohlichste und massivste Störung, die das sich entwickelnde Gehirn treffen kann (Gunnar 1998). 25 Stress und seine Folgen (Hüther) - Je früher die Trennung erfolgt, desto globaler ist die Retardierung des Gehirns auch noch im erwachsenen Zustand ausgeprägt. - Am stärksten wird diejenige Hirnregion betroffen, die sich zum Zeitpunkt des Verlustes der Mutter in einer sog. „growth spurt“ Phase befindet, in der also besonders komplexe Wachstums- und Differenzierungsprozesse besonders rasch ablaufen. - Immer wird nachfolgend auch die Entwicklung all derjenigen Strukturen und Subsysteme beeinträchtigt, die erst später reifen und deren Komplexitätsgrad vom jeweils erreichten Komplexitätsgrad der bereits entstandenen, älteren Strukturen und Subsysteme abhängig ist (frontaler Cortex, monoaminerge Systeme). - Manches läßt sich nach einer solchen Störung später noch aufheben und kompensieren, anderes nicht. Die menschliche Entsprechung dieser „maternal deprivation“ ist die frühkindliche Traumatisierung. Psychische Traumatisierung - Was abläuft … Was abläuft … Trauma-Stimulation - beteiligte Areale Visueller Cortex Stammhirn 26 27 Während traumatische Informationen Teile des Gehirns übererregen, bleiben andere wie paralysiert z.B. Scheidungszahlen und neurologische Reaktionen 28 z.B. Missbrauch, Gewalt und neurologische Reaktionen Spektrum d Wiss, Dossier 2, 2006, 49 ACC Broca-Arreal Areale, die in traumatischen Situationen interagieren oder aber ihre Verbindung einstellen. • der Hippocampus fährt seine gedächtnisanimierende Tätigkeit herunter • der Cinguläre Cortex storniert seine Gefühls-Handlungs-Vermittlung • die Amygdala bleibt infolge ihrer Informationen in höchstem Masse erregt • der Hypothalamus und die Hypophyse regulieren die Stresshormone • das Broca-Areal schaltet sich ab und legt keinen Erzähl-Kontext mehr an • der ACC Anteriore Cinguläre Cortex stellt seine Tätigkeit ein 29 Hypochondrische Gefühlsausdrücke Hypochondrie Wenn infolge von Vernachlässigung und AffektEntzug das/der eigene Selbst/wert in Gefahr ist, wird der Feind im eigenen Körper gesucht, gefunden und abgewehrt. Alles Denken und Handeln dreht sich um das eigene Selbst 30 31 Borderline Störung Borderline-Störung Bezugspersonen werden als inkompatibel erlebt und in der Folge werden die Personanteile gespalten. Der Trennung in gute und böse Anteile folgen Idealisierungen, Projektionen, Leugnungen und polymorphes Verhalten 32 Emotionalität Affektive Instabilität Betroffene leben in einer extremen und auch labilen Gefühlswelt. Äußern kann sich das in kurzwelligen Stimmungsschwankungen und in tiefen emotionalen Krisen. Die Reizschwelle liegt niedrig. Bereits kleine Ereignisse können starke Gefühlsimpulse auslösen, und bestimmte Reize können nur schwer verarbeitet werden. So kann es leicht vorkommen, dass sich negative Erfahrungen wie z. B. Kränkungen oder Blamagen emotional und gedanklich festsetzen. Sie tauchen als Flashbacks wieder auf und wandeln sich erst lange Zeit später zu normalen Erinnerungen. Unabhängig von solchen Empfindlichkeiten erleben Betroffene äußerst quälende und diffuse Spannungszustände, wobei sie unterschiedliche Emotionen nicht differenziert wahrnehmen. Zu anderen Zeitpunkten werden solche diffusen Spannungen durch Gefühle von innerer Leere kontrastiert. Durch die extreme Gefühlswelt ergeben sich hartnäckige Schlafstörungen. Nicht jeder Betroffene hat diese Probleme permanent und gleich stark, aber jeder hat früher oder später damit zu kämpfen. Impulskontrolle Die geringe Impulskontrolle führt zu einem Muster intensiver Verhaltensstörungen. Dieses Verhalten ist in erster Linie selbstschädigend, es kann aber auch fremdschädigend sein. Die Betroffenen versuchen in charakteristischer Weise, ihre Impulse zu unterdrücken, das unterscheidet sie von antisozialen Persönlichkeiten. Trotzdem wirken sich die Impulse auf Denken und Sozialverhalten aus. Neurobiologie der BPS Die Amygdala (Mandelkern) und der Hippocampus sind zwei zusammenwirkende Funktionseinheiten des limbischen Systems. Mit Magnetresonanztomographie und Positronen-Emissions-Tomographie konnte festgestellt werden, dass bei BPS-Patienten die Amygdala sowohl verkleinert als auch übererregbar ist (Bohus 2004). Die Amygdala ist ein zentraler Teil des stressverarbeitenden Systems und mit dem Furchtgedächtnis verbunden. Nach Heller und Van der Kolk ist der Hippocampus, der für Gedächtnisabspeicherungen eine wichtige Rolle spielt, bei BPS-Patienten sogar noch stärker degeneriert als die Amygdala. Die Schäden der Borderline-Patienten sind im Übrigen identisch wie bei Patienten mit schweren Posttraumatischer Belastungsstörungen (Bohus, Heller, Van der Kolk). Die Defizite stören die Gefühlsverarbeitung, intensivieren das Emotionsgedächtnis und machen Patienten überempfindlich für Reize. Zudem wird das System durch intensive unangenehme Gefühle, wie Scham, Ärger und Angst, weiter beeinträchtigt, wodurch eine Abwärtsspirale entstehen kann. Amygdalae Hippocampi 33 Neurobiologie der BPS Man konnte in mehreren Studien belegen (Koenigsberg, Siever 2001), dass sowohl bei Borderline-Patienten als auch bei Patienten mit anderen Persönlichkeitsstörungen eine verminderte Gesamtaktivität des serotogenen Systems besteht. Es besteht eine Verbindung zwischen dem serotogenen System und impulsiver Aggression, was sowohl gegen sich selbst gerichtete Aggressionen betrifft (z. B. SVV und Suizidversuche) als auch Fremdaggressionen (z. B. Wutausbrüche oder Gewalt). Die serotogene Gesamtaktivität kann gemessen werden, indem man serotogene Substanzen verabreicht und dann die Prolaktinfreisetzung misst, die bei BPS-Patienten geschwächt ist. Des Weiteren konnte man bei BPS-Patienten nachweisen, dass das cholinerge System empfindlicher ist (Koenigsberg, Siever). Durch diese Empfindlichkeit wird ein Mensch emotional sensibler und stimmungslabiler. Außerdem spielt das cholinerge System eine Rolle bei der Regulierung des REM-Schlafes. Borderline-Patienten haben eine verminderte und stärker schwankende REMPhase. Beziehungen Beziehungsverhalten ist ein Hauptmerkmal bei Persönlichkeitsstörungen, und gerade bei der BPS spielt es eine prägende Rolle (Huber 2005). Beziehungen haben eine große Bedeutung für Betroffene, sie sind jedoch beziehungsgestört. Partnerschaften verlaufen hier sehr individuell und sie können auch gut funktionieren. Jedoch wirken die negativen Impulse oft verheerend. So kann es durchaus vorkommen, dass die Partner geschädigt aus Beziehungen herausgehen. In manchen Fällen werden die Beziehungspartner so stark belastet, dass sie nach längerer Zeit selber psychologische Unterstützung benötigen, insbesondere wegen leichterer Traumatisierungen durch traumatische Übertragungen Besonders problematisch sind Verhältnisse von Betroffenen untereinander, weil es hier unterschiedliche Bindungstypen gibt, weil beide sensibler sind und weil sich die Störfaktoren akkumulieren. Es ergeben sich teils langwierige und schwierige Beziehungen mit häufigen Trennungen und Wiederannäherungen. Wie solche Beziehungen ablaufen, hängt eben auch vom Bindungstyp des Partners ab. Grundsätzlich lässt sich sagen: je ähnlicher, desto besser. Daher können auch Beziehungen unter Betroffenen gut funktionieren. 34 Emotionalität Emotionale Dynamik Die charakteristischen Gefühle der BPS sind Angst, Wut und Verzweiflung, ferner auch Schuldgefühle und Depression (resp. Trauer, Leere, Resignation). Intensive Gefühle werden teils bewusst erlebt, sie können aber auch unterschwellig bestehen. Die emotionalen Aspekte greifen in die Dynamik von Macht und Ohnmacht, die sich wie ein roter Faden durch die Persönlichkeitsmerkmale zieht. Ohnmacht entspricht dabei Hilflosigkeit und ist mit Verzweiflung assoziiert, Macht ist das Gegenteil und bedeutet Kontrolle. Angst und Wut (und als deren Hauptfolge Aggression) befinden sich zwischen diesen Gegensätzen. Verzweiflung ist ein Extrem im menschlichen Gefühlsspektrum und steht auf dem negativen Pol. Die Angst (resp. Panik) und Wut (resp. Aggression) resultieren aus Verzweiflung (resp. aus Ohnmachtsgefühlen) und ziehen in Richtung des vermeintlich positiven Pols. Nach den meisten Schulen ergibt sich Aggression aus dem Gefühl einer existenziellen Bedrohung, insbesondere aus einer empfundenen Bedrohung der Ich-Struktur. Daher wird Aggression durch Angst verursacht. Aus dem Zusammenhang können sich bewusste oder unbewusste Kontrollzwänge sowie Gewaltpotential und kranker Ehrgeiz ergeben. Das kann sich auf die eigene Persönlichkeit und die eigene Organisation beziehen, es kann aber genauso in sozialen Zusammenhängen stehen, auch in Verbindung mit der gestörten Objektbeziehung. Psychodynamische Klassifikation der Persönlichkeitsstörungen im Spektrum der Borderline-Persönlichkeitsorganisation (aus Kernberg, 2000). Auf diese Weise sollen die klinisch relevanten Beziehungen zwischen den einzelnen Persönlichkeitsstörungen verdeutlicht werden 35 36 AngstStörung Angst-Störung Gestörte frühe Ich-Entwicklung äussert sich in Trennungs- und Verlustangst sowie instabiler Selbst- und Objektrepräsentanz. Der Angstzustand tritt ein in der Folge geschwächter Objekt-Konstanz und des Selbstverlustes. 37 Für Schulkinder gibt es verschiedene Quellen von Stress. Sie können sich überfordert oder unter Druck gesetzt fühlen oder Versagensängste haben. „Die Schule stellt ein Bewertungssystem auf, an dem sich Eltern und Kinder mehr oder weniger orientieren. Hat ein Kind ein schwaches Selbstwertgefühl, kann es das Gefühl entwickeln, nur so viel Wert zu sein, wie es auch Leistung erbringt. Dieser Druck wächst weiter, wenn Eltern ihre Zuneigung überwiegend an schulische Erfolge koppeln [17.02.2011] Gereiztheit, Bauch- oder Kopfweh sind bei Schülern Ausdruck von Stress Schulverweigerung, Nervosität, Ängste, Stimmungsschwankungen und Unkonzentriertheit können ebenso wie körperliche Beschwerden auf Schulangst hinweisen. Neben Schlafstörungen haben betroffene Kinder und Jugendliche dann oft auch Kopf- und Rückenschmerzen oder Magenbeschwerden. „Beobachten Eltern derartige Stresssymptome beim Nachwuchs, sollten sie ein ungezwungenes, offenes Gespräch mit dem Kind suchen. Oftmals fehlt den Kindern der Mut, von sich aus über ihre Sorgen und Belastungen zu sprechen“ rät Prof. Frank Häßler von der Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP) in Berlin. Haben sich die schulischen Leistungen verschlechtert, sollten Eltern Vorwürfe vermeiden. „Kinder und Jugendliche sollten das Gefühl haben, dass sie auch Fehler machen und Schwächen haben dürfen - und dass sie mit dem Problem nicht allein sind. Eltern sollten Hilfe anbieten, gemeinsam mit dem Kind nach Lösungen suchen, anstatt das Kind auszuschimpfen oder zu bestrafen. Andernfalls laufen Eltern Gefahr, dass sich ihr Nachwuchs ihnen nicht mehr anvertraut und Probleme künftig verschwiegen werden.“ Es ist wichtig, dass Kinder in der Familie die nötige Unterstützung erhalten und dazu motiviert werden, sich von Schwierigkeiten und schulischen Misserfolgen nicht einschüchtern zu lassen. Kritisch ist es, wenn Eltern die Schüler einzig mit hohem Druck und Zwang zu besseren Leistungen und Erfolg anspornen wollen. Auch erweisen sich offene und subtile Vergleiche zu der eigenen Schulleistungen und –karriere oder zu denen von Geschwistern in der Regel als kontraproduktiv. Zum einen haben sich die Zeiten geändert und erlauben keine direkten Vergleiche, zum anderen hat jedes Kind seine eigenen Stärken und Schwächen Badische Zeitung 30.7.07, 19 38 39 Angststörungen im Alter 40 Angstneurose Angstneurose 41 Phobien u Panikattacken Symptome der Panikattacke Symptome der Panikattacke 42 43 44 Phobische Störung Einhergehend mit schweren Angst- und Zwangszuständen, in der Folge auch von Depressionen, werden unbewusste Phantasien meist sexueller Art (z.B. nach Missbrauch) gefürchtet, verdrängt, ersetzt, verschoben – auf Orte, Dinge, Tiere, Situationen. Sozialphobie Obwohl akuter gesellschaftlicher Rückzug Jungen und Mädchen gleichermaßen zu betreffen scheint, sind es überwiegend männliche Personen, die mit ihrem Verhalten Besorgnis oder Aufmerksamkeit erregen. Hinter dem Rückzug vermuten die Psychologen schwere soziale Phobien - die Angst, sich zu blamieren oder den Ansprüchen anderer nicht gerecht zu werden. Angst vor anderen Menschen. Zwangsstörung Zwangsstörung Die magische Kindheitsphase, in der gewöhnlich eine Stabilisierung des Weltbildes erfolgt, ist gestört. In der Folge ist das stabile selbstund Weltbild gefährdet, wird durch Zwänge (Sammel-, Wasch-, Zähl-, Grübel-, Sauberkeits-) aufrecht gehalten. Ängste, AffektVerzichte etc. sind die Folge Klassifikation von Zwangsstörungen nach ICD 10, Kapitel V(F) F4 neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen F40 phobische Störung F41 andere Angststörungen F42 Zwangsstörung F42.0 vorwiegend Zwangsgedanken oder Grübelzwang F42.1 vorwiegend Zwangshandlungen (Zwangsrituale) F42.2 Zwangsgedanken und -handlungen, gemischt F42.8 andere Zwangsstörungen F42.9 nicht näher bezeichnete Zwangsstörung F43 Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen F44 dissoziative Störungen (Konversionsstörugen) F45 somatoforme Störungen F48 andere neurotische Störungen 45 46 Zwang und Neurobiologie Zwangssymptome wurden gefunden bei unterschiedlichen neurologischen Erkrankungen, wie Epilepsien, Schädel-Hirn-Traumata oder Erkrankungen, denen eine Schädigung der Basalgan- glien zugrunde liegt (z.B. Gilles-de-laTourette-Syndrom, Chorea minor, En-cephalitis lethargia). Zwillingsstudien weisen auf eine genetische Prädisposition im Sinne einer erhöhten Vulnerabilität von Erstgradan-gehörigen hin. Diese Beobachtungen deuten auf einen engen Zusammen-hang zwischen neurobiologischen Störungen und Zwangsstörungen hin. Die beiden heute am häufigsten diskutierten Erklärungsmodelle sind die Hypothese einer Störung der funktionalen Interaktion zwischen frontalem Kortex, Basalganglien und limbischem System und die Hypothese einer Störung des serotonergen Systems. Erstere stützt sich auf mehrere Studien mit der Positronen-Emissionstomographie (PET), in denen erhöhte Glukoseutilisationsraten im Bereich des linken orbitofrontalen Kortex, im rechten sensomotrischen Feld und bilateral präfrontal im Nucleus caudatus, sowie im anterioren Teil des Gyrus cinguli gefunden wurden (Hohagen 1992). Zwangshaftigkeit der Handlungen: Der handlungsgesteuerte Regelkreis aus Frontalcortex, Basalganglien und Thalamus ist übererregt, die Gedankengänge können nicht unterbrochen werden. Die Tätigkeit im Frontalhirn ist aber verringert 47 Zwangsneurose Zwangsneurose 48 Ein Vorschlag ... Kunst Therapie E. Kasten (1998, 13/8.1), Einmaleins der psychischen Störungen im Alter. Fachverlag für Altenarbeit Schizoidie 49 Schizoidie Als Folge emotionaler Vernachlässigung geschieht ein Rückzug von affektiven, sozialen und anderen Kontakten mit übermäßiger Vorliebe für Phantastereien, einzelgängerischem Verhalten und eine in sich gekehrte Zurückhaltung. Die Betroffenen verfügen nur über ein begrenztes Vermögen, Gefühle auszudrücken und Freude zu erleben. DISSOZIALE PERSÖNLICHKEITSSTÖRUNG 50 51 52 53