Neuroplastizität „Nicht wir machen Erfahrungen, sondern unsere Erfahrungen machen uns!“ Eugen Ionesco Praxisanleitung als wichtiges und stärkendes Element für die Herausforderungen in den Einrichtungen – Erkenntnisse aus der Resilienzforschung und der Traumapädagogik von Regina Miehling Dipl. Soz.päd. / Traumapädagogin nach Lutz-Ulrich Besser, Traumatherapeut und Kinder-und Jugendpsychiater, Leiter des zptn Neuroplastizität Neuroplastizität Neuroplastizität • Die Hirnentwicklung ist ein sich selbst organisierender, durch Interaktion mit der Außenwelt gelenkter Prozess. • Keine andere Spezies, nur Menschenkinder kommen mit einem so wenig genetisch vorstrukturierten Gehirn und instinktmäßig festgelegten Reaktions- und Verhaltensmustern zur Welt. Neuroplastizität Genetisch determiniert, angeboren sind nur: • Geschlecht und wesentliche Körpermerkmale • Wachstumspotential • Fähigkeit zur Strukturbildung • Bindungsbedürfnis • Erkundungsbedürfnis • Basale Funktion und Regulation der körperlichen Vitalfunktionen und Überlebensreaktionsmuster (Flucht- , Kampfreaktion, Dissoziation) Neuroplastizität Die Verschaltung bzw. „Verdrahtung“ von Milliarden von Nervenzellen zu neuronalen Netzen (Funktionseinheiten) geschieht in Abhängigkeit von den Nutzungsbedingungen und Erfahrungen. Es ist besonders in der Kindheit • der sensorische „Input“, • die psycho-sozialen Erfahrungen mit Bindungspersonen und Umwelt, die die Neuronen in unserem Gehirn „verdrahten“ und damit unsere • kognitiven, emotionalen, körperlichen und sozialen Fähigkeiten, • unser Wesen, unsere Persönlichkeit nach und nach formen. Neuroplastizität Wir bestehen also als Persönlichkeit (auf dem Nährboden unseres genetischen Potentials) mit • Wahrnehmung • Denken (Sprache, Wissen, Wertvorstellungen, Normen) • Fühlen • Körperlichen Empfindungen und Reaktionen • Handeln / Verhalten aus der Summe unserer • positiv-förderlichen und • negativ-beeinträchtigenden Erfahrungen und den erprobten Reaktionen darauf Neuroplastizität „Es ist sinnvoll die Schale der positiven Erfahrungen aufzufüllen, damit wir daraus die Kraft schöpfen, um die schlimmen Erfahrungen auszuhalten.“ Luise Reddemann Neuroplastizität Aus ursprünglich schmalen Pfaden (geknüpften neuronalen Verbindungen) werden je nach Häufigkeit, Dauer und emotionaler Intensität der Nutzung dieser vernetzten Funktionseinheiten im Gehirn: • Trampelpfade • Wege • Straßen • Autobahnen d.h. schließlich feste Strukturen (gebahnte Fähigkeiten, Gewohnheiten, Muster, neuronale Netzwerke, „innere Bilder“, die nun häufig vom Individuum genutzt bzw. „befahren“ werden oder auch wieder „verfallen“. Neuroplastizität • Stress und Angst stören die Informationsverarbeitung unseres Gehirns und behindern die Nervenzellen beim „Verdrahten“. Lernen wird dadurch erschwert. • Für optimales Lernen braucht es angemessene Herausforderungen, die erfolgreich zu bewältigen sind. • Dies verstärkt die positiven Erwartungen und die Entdeckerfreude wächst. Neuroplastizität Selbstwirksamkeit ist der Schlüssel zur Entwicklung Trauma Traumata sind Ereignisse, die durch ihre • Plötzlichkeit („aus heiterem Himmel“) • Heftigkeit (zerstörerische Kräfte / Gewalt, Natur, Verkehr, Kriege, emotionale, körperliche, sexuelle Gewalt in Familie u. Gesellschaft) • Ausweglosigkeit (hilflos, ohnmächtig, ausgeliefert) • Dauer (zeitl. Ablauf, einmalig, wiederholt, immer wiederkehrend über Tage, Wochen, Monate, Jahre) gekennzeichnet sind. Trauma Ein Trauma liegt immer vor bei: • Krieg • Flucht • Vertreibung • Naturkatastrophen, Unfällen • Vergewaltigung, sexuellen Übergriffen • Gewalt in psychischer und physischer Form • Vernachlässigung in der Kindheit und Jugend • Bedrohlichen Krankheiten • Plötzlichem Verlust vertrauter Menschen und sozialer Sicherheit Dies gilt für selbsterlebte Ereignisse u. Augenzeugenschaft. Trauma Emotionale Schocksituationen mit Verwirrung und massiven Erschütterungen können auch bei sog. Small-T Traumata auftreten. Dies sind: • Erschrecken und Angst • Demütigungen und Erniedrigungen • Große Peinlichkeit, Scham, Rat- und Hilflosigkeit Trauma Traumata sind plötzliche, einmalige oder lange anhaltende oder sich wiederholende, objektiv oder subjektiv existenziell bedrohliche und ausweglose Ereignisse, bei denen Menschen in die Schutzlosigkeit der sog. „T r a u m a t i s c h e n Z a n g e “ geraten: Bedrohung - Angst – Schmerz - Ekel (Stress) Körperl. Erregung • Keine Fluchtmöglichkeit (no Flight) Hilflosigkeit • Keine Kampfmöglichkeit (no Fight) Ohnmacht • Erstarrung (äußerlich / innerlich) (....Freeze) Ausgeliefert sein In dieser Situation des „inescapable shock“ arbeitet (reagiert, verarbeitet und speichert) unser Gehirn anders als bei sonstigen Erfahrungen und Erlebnissen. Trauma Jedes Ereignis, Erlebnis braucht zusammen mit den verschiedenen sensorischen Sinnesmodalitäten (Input) eine Struktur mit Anfang - Verlauf - Ende – Bedeutung um vom Gehirn sicher registriert und zusammen gesetzt werden zu können und als ganzheitliche Erfahrung, Erinnerung abgespeichert zu werden. Trauma Die verschiedenen sensorischen Eingänge und Wahrnehmungskanäle sind: Optisch Bilder Akustisch Töne, Geräusche, Klänge, (später) Sprache Olfaktorisch Gerüche Gustatorisch Geschmack Taktil Berührung, Druck, Schmerz, Temperatur, Lage Viszeral-vegetativ Körper- Binnenwahrnehmung (innere Organsysteme) Motorik Muskulatur, Bewegungsimpulse, Bewegungen Kognitionen Gedanken, Bewertungen, Erklärungen Emotionen Gefühle (Freude, Stolz, Glück, Angst, Ärger, Wut, Neid..) Beziehungsaspekt wer ist bei dem Erlebnis dabei und wie beteiligt Trauma Die fragmentierte Speicherung traumatischer Erlebnisse in sensorische, emotionale und kognitive Aspekte Trauma Symptome der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS): • Belastendes Wiedererleben des Geschehenen im Wachen und im Schlafen (Flashbacks, Alpträume…) • Vermeidung von Situationen, Handlungen und Dingen, die an das Geschehene erinnern (nicht darüber sprechen, vermeiden bestimmter Orte…) • Emotionale Taubheit und negative Zukunftsperspektiven (Depressionen …) Trauma Symptome der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS): • Allgemein erhöhtes Erregungsniveau (Ein- und Durchschlafschwierigkeiten, erhöhte Reizbarkeit, Schreckhaftigkeit, Störungen der Konzentration und des Gedächtnisses, ADHS, erhöhte Aggressivität…) • Angststörungen und Phobien • Sucht (Essstörungen, Alkohol…) • Kontakt- und Beziehungsstörungen Trauma Konzept des „Guten Grundes“ Was von der präsentierten Symptomatik im: • Denken • Fühlen • Verhalten • Körper(reaktionen) • Beziehungsebene könnte fragmentarischer Teil eines Traumas oder eine Reaktion darauf sein, eine damals normale Reaktion auf ein „unnormales“ Erlebnis sein ? – Enträtseln !!! Resilienz • ursprünglich Begriff aus der Physik: o Die Fähigkeit eines Werkstoffes, sich verformen zu lassen und dennoch in die ursprüngliche Form zurückzufinden. • übertragen auf die psychologische Ebene: o Die Fähigkeit eines Menschen, Krisen zu meistern und an ihnen zu wachsen. Resilienz Schutzfaktoren, die uns helfen, Krisen zu meistern: • Die Selbstwirksamkeitsüberzeugung • Ein wertschätzendes Umfeld und gute Bindungen • Akzeptanz, anzunehmen was geschehen ist • Optimismus • Verantwortung für sich und die eigenen Grenzen übernehmen (die Opferrolle verlassen können) • Netzwerkorientierung • Religiosität, dem Leben einen Sinn geben können • Gute Stress-Coping Mechanismen Resilienz Resilienz ist nichts, was man hat oder nicht! • Sie kann in jedem Lebensalter erlernt und ausgebaut werden oder • abgebaut und verloren gehen. Deshalb kontinuierliche Arbeit an der Stärkung der eigenen Ressourcen! Neuroplastizität, Trauma und Resilienz Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit ! noch Fragen ?