Geräuschlokalisation bei der Schleiereule

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Sprache und
Verständnis
Die Sprache des Menschen ist ein wunderbares Phänomen, das viel mehr als eine einfache
Laut zu Laut Kommunikation zulässt. So umfasst die Sprache allgemein die Kommunikation
zwischen einzelnen Individuen.
Wahrscheinlich entstand sie beim Menschen genau einmal vor rund 60 000 Jahren. Leider ist
es sehr schwierig festzustellen, wann die ersten Menschen zu einer umfangreichen stark
modulierten Sprache mit abstrakten Begrifflichkeiten fähig waren. Deshalb schwanken die
Zeitangaben sehr stark (von 100 000 bis 40 000 Jahren).
Zur Erforschung gibt es verschiedene Zugänge. So interessiert man sich für die
Kommunikation zwischen Tieren. Diese Tiermodelle lieferten interessante Einblicke in die
Kommunikation zwischen Individuen.
Das einfachste Modell ist die Prägung von Singvögel. Bei diesen Vögeln wird die
Paarungsbereitschaft, das Brunftverhalten usw. durch spezielle Gesänge den anderen Tieren
mitgeteilt. Die Gesänge werden nicht vererbt, sondern während einer speziellen
Prägungsphase, in der das Muttertier dem Jungtier den Gesang vorsingt, kann das Jungtier
den Gesang lernen. Das gelernte Muster kann im späteren Leben nicht mehr verändert oder
angepasst werden. Interessanterweise können sich über ein paar Generationen neue Dialekte
bilden. Die Reproduktion, bzw. das Lernen verläuft nicht perfekt. Es kommt zu kleinen
Fehlern, die wiederum an die nächste Generation weitergegeben werden, aber nur dann wenn
der Gesang erfolgreich war.
Hier hat der Gesang eine einfache Aufgabe: es soll der innere Zustand des Tieres an andere
Tiere vermittelt werden. Nur dadurch kommt es zum Beispiel zur Paarung. Das Signal selber
ist sehr spezifisch, es tritt sicher nicht per Zufall in der Natur auf. Allerdings kann dieses
Signal auch nicht verändert werden, wenn sich zum Beispiel die Umwelt verändert.
Eine andere Gruppe von Tieren, die Bienen, benutzt die Kommunikation aus einem anderen
Zweck. Wenn Bienen auf Futtersuche einen guten Futterplatz gefunden haben, dann fliegen
sie zu ihrem Stock zurück, und beginnen einen speziellen Tanz zu tanzen. In diesem Tanz ist
die Entfernung zur Wiese und der Winkel zwischen dem Stand der Sonne und Eingang des
Bienenstockes codiert. Die anderen Bienen beginnen nun diesen Tanz mitzutanzen. Wenn sie
ihn beherrschen, können sie selber zum neuen Futterplatz fliegen und Futter sammeln. Diese
Sprache gibt keine Information über den inneren Zustand der Biene weiter. Es werden
Informationen über die Umwelt, die das Überleben des ganzen Bienenstockes ermöglichen,
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Brain Modelling
an andere Bienen weitergegeben. Allerdings ist die Informationsweitergabe nicht an eine
einzelne Biene oder an eine Gruppe von Bienen gebunden. Alle Bienen, die in der Nähe der
Biene mit der neuen Information sind, erfahren die neue Information. Das heißt, die Sprache
der Bienen ist nicht interpersonell und stereotyp.
Natürlich stellte sich die Frage ob nicht auch Affen zu einer menschenähnlichen
Kommunikation fähig sind. Das Psychologenehepaar William und Lorna Kellogg versuchten
die Schimpansin „Gua“ mit den eigenen Kindern aufzuziehen (für diese Experimente werden
ausschließlich weibliche Tiere untersucht, denn sie sind nicht so aggressiv, wie die
männlichen Tiere). Sie hofften, daß dadurch die Schimpansin das Sprechen lernen und somit
zu einer „menschlichen“ Kommunikation fähig wäre. Aber diese Hoffnung erfüllte sich nicht.
Bei Schimpansen ist der Stimmapparat für das Sprechen nicht geeignet. Der Kehlkopf liegt
sehr weit oben. Dadurch ist es nicht möglich, Vokale verschiedenster Tonalität zu erzeugen.
Die Tiere sind zwar in der Lage Geräusche von sich zu geben, aber die Modulation ist stark
eingeschränkt. Allerdings bietet ein höhergelegener Kehlkopf die Möglichkeit, gleichzeitig zu
essen und zu atmen.
Um das Problem mit der Stimme zu umgehen, versuchte das Psychologenehepaar Allen und
Beatrice Gardner der Schimpansin „Washoe“ die amerikanische Zeichensprache für taube
Menschen beizubringen. Mit Zeichen-Sprache war es möglich, daß ein 4 Jahre alter Affe 160
Wörter erlernte (4-jähriges Kind 3000 Wörter). Der Schimpanse konnte Wörter in eine
sinnvolle Reihenfolge stellen, verneinen, Gleichsetzungen und Unterscheidungen
durchführen, beherrschte wenn-dann Sätze und konnte Fragen stellen. Das war ein
unheimlicher Erfolg. Endlich war es gelungen mit einer anderen Spezies Kontakt
aufzunehmen. Die vorgezeigten Erfolge waren aber bei näherer Betrachtung nicht ganz so
beeindruckend. Wenn eine andere Person versuchte mit der Schimpansin zu kommunizieren,
waren die korrekten Antworten zufallsverteilt. Es zeigte sich, dass die Tiere sehr genau auf
die Mimik und Gestik des Gegenübers achteten und danach ihre Reaktionen ausrichteten. Die
Tiere lernten eine Reiz-Reaktion, aber keinen kreativen Sprachgebrauch. Wenn die richtigen
Symbole oder Umweltreize auftauchten, dann reagierte das Tier in der vorher trainierten
Weise. Es scheint so zu sein, daß die „Sprachverarbeitung“ bei Menschenaffen in einem
anderen Teil des Gehirn stattfindet, als beim Menschen. Bei den Affen dürften die ReizReaktions-Ketten im präfrontalen Cortex gespeichert sein, während beim Menschen ein
Sprachareal zwischen den Hinterhauptslappen und dem Schläfenlappen angesiedelt ist.
Zukünftige Untersuchungen (möglicherweise mit einem FMRI) werden Klarheit schaffen.
Wenn man das „Sprachverständnis“ von Menschenaffen und Menschenkindern vergleicht,
dann ergeben sich interessante Ergebnisse. Bonobos können bis zum zweiten Lebensjahr
gleich viel Lernen, wie ein Menschenkind. Allerdings tritt bei den Bonobos ab dem zweiten
Lebensjahr eine Stagnation des Sprach-Lernprozesses auf. Aber gerade bei Menschenkindern
kommt es ab diesem Alter zu einem explosionsartigem Lernen von Begriffen und
grammatikalischen Zusammenhängen.
Kinder beginnen mit dem 6. Monat zum Plappern. Dieses Plappern ist wichtig, denn durch
das aktive Zuhören der Gespräche der Bezugspersonen, lernen die Kinder die Silben, aus
denen die zukünftige Muttersprache zusammengesetzt ist. Durch das Plappern wird versucht
diese Silben zu reproduzieren. Nach einem Jahr entwickelt sich eine Ein-Wort-Sprache. Das
Kind ist in der Lage, Personen oder Gegenstände die in das Blickfeld geraten, zu benennen,
beziehungsweise einfache innere Zustände auszudrücken (Hunger, Angst). Die inneren
Zustände werden in diesem Alter aber vor allem auch durch Mimik und Gestik kommuniziert.
Es bildet sich nach ungefähr dem 2. Lebensjahr eine Zwei-Wort-Sprache. Meist wird ein
Hauptwort und ein Verb kombiniert. Mit dem 3. Lebensjahr wird die Sprache verfeinert, das
heißt die Grammatik ist in den Grundzügen vorhanden, es wird aber immer noch eine ZweiWort-Sprache verwendet. Ab dem 3. Lebensjahr kommt es zu einem extremen
Wissenserwerb über die Muttersprache, vor allem über die Begriffe über die die Welt
definiert wird. Diese Periode hält ungefähr bis zu 14. Lebensjahr an. Im Prinzip ist dann die
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Sprache und Verstehen
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Sprachentwicklung abgeschlossen. Nach dieser Periode kann Sprache nur mehr explizit und
nicht mehr intuitiv erlernt werden, was mit großem Aufwand verbunden ist. Man darf nicht
vergessen, daß ein durchschnittlicher Amerikaner rund 40 000 Wörter (oder besser
Wortfamilien) kennt. Die meisten dieser Worte wurden bis zum 14. Lebensjahr erlernt. Das
bedeutet, dass rund 10 Wörter pro Tag vom 3. bis zum 14. Lebensjahr gelernt werden müssen.
Dieses Lernen ist nicht explizit. Die Kinder eignen sich selbstständig (fast) ohne Aufsicht
Begriffe und deren Bezeichnungen an. Jeder der einmal eine Fremdsprache gelernt hat, weiß
wie schwierig es ist, über einen längeren Zeitraum regelmäßig 10 Wörter pro Tag dauerhaft
zu lernen.
Es gibt einige interessante Experimente zu diesem Lernverhalten. In einem Kindergarten
wurden 3 Tabletts mit den Farben blau, kupferfarben und olivefarben aufgestellt. Die
Farbbegriffe kupferfarben und olivefarben waren den Kindern nicht bekannt. Nun bat eine
Kindergartentante ein Kind darum, das blaue Tablett zu holen. Das Kind folgte und holte das
richtige Tablett – die Farbe war bekannt. Danach bat die Tante das Kind das kupferfarbene
Tablett zu holen. Das Kind betrachtete beide Tabletts, kam zur Kindergartentante zurück und
teilte ihr mit, dass es nicht weiß welches von beiden das kupferfarbene sei. Die Tante ging mit
dem Kind zu den Tabletts und zeigte mit dem Finger auf das richtige Tablett. Am nächsten
Tag fragte die Tante nach dem olivefarbenen Tablett – diese Farbe wurde bis dahin nicht
erwähnt. Das Kind nahm das richtige Tablett und brachte es der Betreuerin. Ab diesem
Zeitpunkt konnte das Kind den Farbbegriff olivenfarben aktiv verwenden, ohne das jemals ein
Erwachsener den Begriff erklärte oder über das Zeigen eines olivefarbenen Gegenstandes
definierte. Dies zeigt, wie einfach Kinder in der Lage sind, neue Begriffe selbstständig ohne
Aufsicht zu lernen.
Es gibt dann eine Phase in der es zu einer Kategorisierung von Begriffen kommt. Diese
Phasen erreichen Tiere nicht, zumindest gibt es bis jetzt keine Experimente die dies belegen.
Es werden Oberbegriffe geschaffen, um die Welt leichter strukturieren zu können. Es handelt
sich um eine Abstrahierung der Welt. Dabei gibt es aber eine kurze Phase in der
Sprachentwicklung, bei der es zu Problemen mit der Kategorisierung kommt. Bei der
Überbezeichnung werden zum Beispiel alle roten und runden Gegenstände als Apfel
bezeichnet. Eine Tomate, rot und rund, ist damit auch ein Apfel, für ein Kind. Bei der
Untergeneralisierung werden Apfel unterschiedlicher Farbe nicht zu einer Kategorie
zusammengefasst. Ein grüner Apfel ist kein Apfel, da er grün und nicht rot ist. Erst durch ein
aktives Verwenden der Begriffe und der Erfahrung mit der Umwelt kommt es zu einem
differenzierterem Verwenden von Begriffen. Erst durch die Erfahrung von anderen
Eigenschaften, zum Beispiel der Oberfläche einer Frucht, beziehungsweise deren
Farbverteilung (bei der Tomate extrem glatt und gleichmäßig rot, beim Apfel glatt und
unregelmäßig rot) kann eine korrekte Abstrahierung durchgeführt werden.
Es gibt einige Definitionen in der Sprachwissenschaft, die für das Verständnis wichtig sind:
Phoneme: Sie stellen das phonetische Alphabet dar. Wenn wir ein Wort aussprechen, dann
setzt sich dieses Wort aus einzelnen Phonemen zusammen, genauso wie ein geschriebenes
Wort aus Buchstaben. Die Lautschrift, die zusammengesetzte Phoneme, ist wohl jedem
bekannt, der schon jemals eine Fremdsprache gelernt hat. Genauso wie es beim Alphabet
Unterschiede zwischen verschiedenen Sprachen gibt, gibt es dies auch bei der Lautschrift. So
kann die Phonemanzahl von Sprache zu Sprache ziemlich variieren.
Syntax: Über den Syntax wird die zulässige Kombination von Wörtern zu Sätzen bestimmt.
Lexikon: Im Lexikon sind alle Wörter einer Sprache, die bekannt sind, gesammelt. Eigentlich
sind damit Wortfamilien gemeint. Theoretisch liefert die Einzahl oder die Mehrzahl von
einem Gegenstand zwei unterschiedliche Wörter – und sei es, daß sich nur die Endigung
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Brain Modelling
unterscheidet. Genauso liefert jede Deklination und Konjugation unterschiedliche Wörter. So
werden diese Wörter zu einer Wortfamilie zusammengefasst.
Semantik: Über die Semantik ist die Bedeutung aller lexikalischen Einheiten und aller Sätze
definiert. Jedes Wort hat eine eindeutige Position im semantischen Raum (siehe unten).
Die Sprache des Menschen erlaubt es nicht nur, einfach die Umwelt zu beschreiben, oder
eigene innere Zustände zu beschreiben, sie erlaubt auch eine differenziertere Beschreibung
von Zusammenhängen. Durch die Abstrahierung ist es möglich, Begriffe zusammenzufassen
und Oberbegriffe zu schaffen. Dadurch wird die Kommunikation vereinfacht aber auch
verkompliziert. Betrachten wird den Beginn einer Geschichte: „Meinen letzten Urlaub
verbrachte ich in Podersdorf am Neusiedlersee. Jeden Tag mussten wir die Straße vom
Campingplatz in die Ortschaft gehen um . . .“. Der Begriff >>Straße<< würde wohl
niemanden auffallen, oder jemand zum Denken anregen. Aber meinen wir alle das selbe ? Es
ist sehr unwahrscheinlich, dass alle Personen die Straße von Podersdorf kennen. Manche
werden es für eine Bundesstraße, andere für eine kleinen Weg und wieder andere für eine
Landstraße halten. Jeder von uns hat zu dieser Straße ein Vorurteil (zumindest jeder der diese
Straße nicht kennt !). Aber in einem stimmen alle überein: ein langgezogener Bereich, der
eben ist und welche der Fortbewegung von Menschen und Maschinen dient. In jedem
Menschen bildet sich zwangsläufig ein Bild im Kopf über diese Straße. Dies lässt sich nicht
verhindern – dieser Effekt ist eine integraler Bestandteil unseres Denkens, der
Informationsverarbeitung im Gehirn (siehe Informationsverarbeitung im Gehirn). Leider kann
dies auch zu Problemen führen, vor allem wenn die (sprachliche) Information nicht
vollständig oder unter falschen Annahmen übermittelt wurde.
Wenn man von Sprache und Kommunikation spricht, dann meint man meist die verbale
Kommunikation über die Stimmbänder, den Kehlkopf bis hin zum Ohr. Es zeigte sich aber,
daß die Sprache unabhängig davon ist. Man entdeckte, dass Zwillinge, die taub auf die Welt
kamen, nach einiger Zeit (in der sensiblen Phase des Spracherwerbs) eine eigene Sprache über
Handzeichen entwickelten. Die Art der Kommunikation und die Wahl der Sprache ist nicht
festgelegt, aber es wird sich „etwas“ entwickeln, das zur Kommunikation dient. Wenn
allerdings Kinder ohne sozialen Kontakt aufwachsen, das heißt, ohne sprachliche Stimulation,
sei es verbal oder nonverbal, dann kann keine Sprache entstehen. Es gibt kein gegenüber, mit
dem man kommunizieren könnte. Die Bereichte über Wolfskinder zeigten dies in
dramatischer Weise. Kinder die in frühen Jahren in der Wildnis ausgesetzt wurden,
kommunizierten zum Beispiel mit Wölfen. So konnten sie gemeinsam mit ihnen jagen.
Sobald sie aber von Menschen entdeckt wurden, und man versuchte sie in die menschliche
Gesellschaft zu integrieren, gab es Problem. Diese Kinder konnten meist nicht mehr die
„normale“ Sprache erlernen. Meist gelang es nur, den Jugendlichen ein paar Wörter
beizubringen, aber zu einem komplexen Sprachgebrauch kam es nie.
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Sprache und Verstehen
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In den Neurowissenschaften konnte Paul Broca interessante Beiträge zur Sprachverarbeitung
liefern. So untersuchte er einige Patienten und stellte bei ihnen spezifische Sprachdefizite fest.
Durch eine Obduktion nach deren Tod konnte er feststellen, dass eine Region des Gehirns bei
diesen Patienten zerstört war. Dieses Gebiet wurde später ihm zu Ehren als Broca-Areal
bezeichnet. Da Broca nur männliche Probanden zur Verfügung standen und sich das spezielle
Areal bei ihnen in der linken Hemisphäre befand, vermutete er, dass ausschließlich die linke
Hemisphäre zur Sprachverarbeitung verantwortlich sei. Erst später zeigt sich, dass es
geschlechtsspezifische Unterschiede gibt. So ist bei den Damen das Areal für die Sprache auf
beide Hemisphären verteilt. Dies ist
auch der Grund, warum der Balken,
weibliches Gehirn
männliches Gehirn
die Hauptverbindung zwischen den
Hirnhälften, bei Frauen stärker
ausgeprägt ist. Die Areale sind stark
miteinander verknüpft. Sollte eines
beschädigt werden, so kann das
andere einen wesentlichen Teil der
Aufgabe
der
Kommunikation
übernehmen. Die Zahl der für die
Sprachverarbeitung
zugewiesenen
Neuronen scheint aber gleich groß zu
sein. Daraus folgt, daß die
Abbildung. 6.1: Zwei FMRI-Aufnahmen, mit aktiven
Sprachkompetenz
bei
den
Spracharealen. Der Unterschied zwischen weiblichem und
Geschlechtern wahrscheinlich gleich
männlichem Gehirn ist leicht zu erkennen.
gut oder schlecht vorhanden ist.
Aus all dem bisher gesagtem ergeben sich zwei wesentliche Feststellungen:
I Die kognitive Verarbeitung von Sprache findet (beim Mann) in der linken Hemisphäre
statt und ist unabhängig von den neuralen Verschaltungen, die für die beim Sprechen
aktiven sensorischen und motorischen Funktionen verantwortlich sind.
II Sprechen und Hören sind keine notwendigen Bedingungen für die Entwicklung von
Sprachfähigkeit.
6.1 Das Wernicke-Geschwind Modell
Die Patienten von Broca waren vor allem in der Sprachproduktion schwer gestört. Die
Patienten blieben einfach stumm, oder es wurden schleppend einfache Wortkombinationen
gesprochen. So wird zum Beispiel der Satz „Ich sah einige graue Katzen.“ zu folgendem
Konstrukt „Sehen graue Katze.“ für einen Patienten mit einer Schädigung des Broca-Areals.
Der Patient ist sich im allgemeinen seiner Störung bewusst, und sein Sprachverständnis ist im
allgemeinen gut erhalten. Die Patienten verstehen zwar die Sprache, sind aber nicht in der
Lage eine Antwort, sei es verbal oder handschriftlich, zu kommunizieren.
Der Neurowissenschafter Wernicke entdeckte, dass es noch eine weitere große Gruppe von
Patienten gibt, die starke Gemeinsamkeit von Störungen in der Sprachverarbeitung aufweisen.
Diese Patienten hatten ein schweres Verständnisdefizit. Sie sind in der Regel nicht in der
Lage, das richtige Wort zu finden. Meist wird ein unpassendes Wort verwendet, oder es
werden neue Phantasiewörter gebildet. Sie scheitern daran, Gedanken durch die Sprache zu
übermitteln. Auch das Lesen und Schreiben ist stark beeinträchtigt. So antwortet ein Patient,
der an dieser Störung leidet, auf die Frage „Wo lebst Du denn?“ folgendermaßen: „Ich kam
dorther vor hier und ging dorthin zurück.“. Die Patienten sind sich normalerweise nicht über
ihr Problem bewusst. Wernicke konnte zeigen, dass es im Gehirn ein weiteres Areal gibt, dass
für die Sprachverarbeitung verantwortlich ist.
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Brain Modelling
Fasciculus
arcuatus
Broca-Areal
Wernicke-Areal
Abbildung 6.2: Das Broca- und das Wernicke-Areal auf der Großhirnrinde, verbunden durch einen Faserstrang,
den fasciculus arcuatus.
Nach Brodmanns Unterteilung gilt: Area 4 ist der primäre motorische Cortex, Area 41 der
primäre auditorische Cortex, Area 22 ist das Wernicke-Areal und Area 45 das Broca-Areal.
Wie man leicht in Abbildung 5.2 erkennen kann, liegen die beiden Areale in der Nähe der
jeweiligen wichtigen Gehirnareale. Das Wernicke-Areal liegt im Zentrum der sensorischen
übergeordneten Areale. So erhält es Signale aus dem übergeordneten visuellem oder
übergeordnetem auditivem Areal. Zudem steht es in Kontakt, zum PTO-Areal. Deshalb wird
es auch als das sensorische Sprachareal bezeichnet. Wenn dieses Areal ausfällt oder
beschädigt wird, dann kommt es zu schweren Verständnisdefiziten. Möglicherweise können
sich die Patienten auch die Wörter nicht mehr vorstellen. Aktuelle Untersuchungen werden
mehr Informationen liefern.
Das Broca-Areal ist für die motorische Sprachproduktion essentiell. Es liegt in der Nähe der
motorischen Areale der Großhirnrinde. Sollte dieses Areal zerstört sein, so ist eine
Artikulation oder auch eine handschriftliche Kommunikation nicht mehr möglich. Bei einer
teilweisen Beschädigung kommt es zu schweren grammatikalischen Fehlern. Über eine starke
Verbindung sind beide Areale miteinander verbunden.
Das Wernicke-Geschwind Modell
links
rechts
fasst diese Ergebnisse zusammen.
Dieses Modell ist zwar nicht mehr
das aktuellste, aber praktisch alle
Fasciculus
Broca-Areal
Modelle der Sprachverarbeitung
arcuatus
basieren auf ihm. In Abbildung
primärer
6.3 kann man gut den Verlauf des
motorischer
Signals eines gelesenen Wortes
Cortex
erkennen. Zuerst gelangt über die
Retina die Information zum
Thalamus. Dort kommt es zur Wernicke-Areal
Thalamus
ersten Vorverarbeitung. Danach
gelangt das Signal in den
primären
visuellen
und
parietal-temporalunmittelbar folgend in den
okzipitaler
übergeordneten visuellen Cortex.
Assoziationscortex
Nun gibt es zwei Möglichkeiten.
sekundärer visueller Cortex
primäres visuelles Areal
Wenn das Wort Buchstabe für
Buchstabe vorgelesen wird, die Abbildung 6.3: Der Verlauf der Signale eines gelesenen Wortes
semantische Bedeutung ist dabei über das Wernicke-Areal und Broca-Areal bis zur Aussprache.
ohne Relevanz, gelangen die Die Abbildung zeigt einen Gehirnquerschnitt mit allen beteiligten
Signale direkt in das Broca-Areal. Arealen.
Wird das Wort aber semantisch verarbeitet, so gelangt es zuerst in das Wernicke-Areal. Das
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Sprache und Verstehen
69
heißt das Wort wird gelesen, dann die Bedeutung verarbeitet (verstanden) und dann erst
ausgesprochen. Diese Aussprache ist natürlich viel flüssiger, als im vorigen Fall. Das
Wernicke-Geschwind-Modell macht eine Vorhersage, wenn die Verbindung zwischen dem
Wernicke- und dem Broca-Areal gestört ist. Diese sogenannte Leitungsaphasie führt zu einer
nicht flüssigen Sprachproduktion, korrekte Ausdrücke werden durch unpassende ersetzt. Das
Bezeichnen von Dingen oder Personen ist stark gestört, aber das Verständnis für
Geschriebenes oder Gehörtes ist als normal zu bezeichnen.
Sprechen
Schreiben
motorischer
Output
motorische
Programmierung
Codierung der
Artikulation
bei Broca-Aphasie
geschädigt
semantische
Assoziation
bei WernickeAphasie
geschädigt
phonologische
Codierung
visuelle
Codierung
frühe auditorische
Verarbeitung
frühe visuelle
Verarbeitung
Sprache hören
Schrift lesen
Abbildung 6.4: Das Struktogramm eines leicht erweiterten Wernicke-Geschwind-Modells. Die Erweiterung
besteht in einem zusätzlichen Areal für die semantische Assoziation. Über diese semantischen Assoziationen kann
die Information besser kategorisiert werden.
Mit dem Modell aus Abbildung 6.4 können auch noch andere Störungen, die bei der
Sprachverarbeitung auftreten können, erklärt werden. So versteht man unter einer Alexie den
Verlust der Lesefähigkeit. Sie tritt dann auf, wenn das Areal für die visuelle Codierung gestört
ist. Die Buchstaben beginnen zu verschwimmen und damit können die Buchstaben gar nicht
gelesen werden. Es handelt sich dabei um eine Wortblindheit. Trotzdem kann auditive
Sprache korrekt verarbeitet werden. Bei der Agraphie ist der Patient nicht in der Lage,
Informationen aufzuschreiben. Es scheint, dass die Verbindung zwischen dem Broca-Areal
und dem primären motorische Areal für die Handbewegung gestört ist. Selten kommt es zu
einem gemeinsamen Auftreten von Alexie und Agraphie, trotzdem können die Patienten
sprechen und hören.
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70
Brain Modelling
motorische Rinde
Fasciculus
arcuatus
Broca-Areal
Wernicke-Areal
primäres
Hörzentrum
Abbildung 6.5: Darstellung der Signalweiterleitung auf der Oberfläche des Gehirns, wenn ein Wort gehört wird
und unmittelbar danach ausgesprochen wird.
motorische Rinde
Fasciculus
arcuatus
Lesezentrum
Broca-Areal
Wernicke-Areal
primäres
visuelles
Areal
Abbildung 6.6: Darstellung der Signalweiterleitung auf der Oberfläche eines Gehirns, wenn ein Wort gelesen wird
und unmittelbar danach ausgesprochen wird. Für das Lesen gibt es ein eigenes Areal, das Lesezentrum.
Aufgrund der Erkenntnisse, die in den
Abbildungen 6.5 bis 6.7 dargestellt sind,
ergibt sich für das Lesen ein etwas
komplexerer Sachverhalt. Es gibt ein
eigenes Areal, das ausschließlich für die
Wortbedeutung zuständig ist. Dieses
Areal kann aber auch durch das Hören
aktiviert werden. Wenn man ein Wort
hört, dann entsteht in unserem Kopf das
Bild von dem Wort, oder es erscheint
die Buchstabenfolge oder auch die
phonetische Codierung.
Sehen von Wörtern
Hören von Wörtern
Generieren von Wörtern
Sprechen von Wörtern
Abbildung
6.7:
FMRI-Aufnahmen
verschiedener Sprachverarbeitungsprozesse.
während
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Sprache und Verstehen
71
Natürlich ist auch der
Fremdsprachenerwerb
ein
interessantes Gebiet für die
Forschung. Kinder können
Muttersprache I
hervorragend vom dritten bis
Muttersprache II
zum
achten
Lebensjahr
gemeinsames Feld
„spielend“ Sprachen lernen.
Man könnte feststellen, dass
Kinder,
die
einen
zweisprachigen Kindergarten
besuchen, automatisch beide
Sprachen lernen – ohne
großen
Aufwand.
Im
Vergleich dazu brauchen
Erwachsene lebenslang um
Muttersprache
eine andere Sprache zu
Fremdsprache
lernen. Es gab zwar schon
vor Jahrzehnten Versuche
mit
zweisprachigen
Kindergärten, aber diese
Versuche wurden (leider)
vorzeitig abgebrochen. Man
Abbildung 6.8: FMRI-Aufnahmen Personen mit einer bzw. zwei
konnte in einer bestimmten
Muttersprachen bzw. einer Fremdsprache.
Entwicklungsstufe
feststellen, dass die Kinder beide Sprachen gleichzeitig – in einem Satz – verwenden. In
dieser Phase wird die Grammatik als auch die Vokabeln quer durcheinander vermischt. Man
brach die Versuche ab, da man befürchtete, dass die Kinder nur mehr diese Mischsprache
verwenden und nicht mehr zu einer „normalen“ Kommunikation fähig seien. Später konnte
man aber zeigen, dass die Ängste unbegründet waren und dass diese Phase nur ein halbes Jahr
lang andauert. Nach dieser Phase haben die Kinder praktisch die volle Sprachkompetenz in
beiden Sprachen, vergleichbar den Kindern, die jeweils nur eine Sprache verwendet haben.
Allerdings können zweisprachig aufwachsende Kinder zwei Sprachen gleich gut. Es ist nicht
so, dass durch die Zweisprachigkeit die Kompetenz in einer Sprache leidet. Moderne
Verfahren, wie das FMRI, konnten zeigen, dass es auch im Gehirn einen Unterschied gibt
(Abbildung 6.8). Eine Person, die eine Muttersprache spricht und erst später eine zweite
Sprache erlernt hat – die zweite Sprache oder auch Fremdsprache – besitzt zwei benachbarte
Bereiche im Broca-Areal, die für jeweils eine Sprache verantwortlich sind. Hat eine Person
aber gleichzeitig zwei Sprachen gelernt – zwei Muttersprachen, dann überlappen sich die
beiden Bereiche im Broca-Areal. Es gibt zwar noch zwei Bereiche, die nur einer Sprache
zuzuordnen sind, aber diese Bereiche sind relativ klein. Wahrscheinlich benötigt man sie, um
spezielle Ausdrücke oder Phrasen, die nur in einer Sprache auftreten, auszudrücken. Man
denke an Begriffe aus dem Wienerischen wie zum Beispiel „Leiwand1“ oder „Vollkoffer2“.
Eine exakte Übersetzung ist schwer bis gar nicht möglich.
Personen mit einer Muttersprache und einer Fremdsprache neigen zu einem interessanten
Phänomen. Sprechen sie längere Zeit in der Fremdsprache und kehren in das Heimatland
zurück, dann sprechen sie fast automatisch manchmal noch in der Fremdsprache. Es fällt den
Personen relativ schwer, zwischen den beiden Sprachen zu wechseln. Hingegen Personen mit
zwei Muttersprachen können ohne Probleme zwischen diesen beiden leicht wechseln. Meist
sogar Satz auf Satz.
1
2
Das Gegenteil von Oasch
Idiot in allen Lebensbereichen, vgl. Koffer: Idiot in einem speziellen Lebensbereich
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72
Brain Modelling
6.2 Legasthenie
Da das Lesen etwas komplexer ist, ergeben sich auch ganz spezielle Störungen. So hatte 1877
Kussmaul die Wortblindheit als eine lebenslang andauernde Leseunfähigkeit diagnostiziert.
Der Neurowissenschafter Berlin prägte den Begriff „Dyslexie“, die eine allgemeine
Leseunfähigkeit oder Leseschwäche beschreibt. Man unterscheidet zwei Arten von Dyslexien:
•
Entwicklungsbedingte Dyslexien: Für die Lesefähigkeit wichtige Gehirnteile sind nicht
vorhanden oder anormal entwickelt.
•
Erworbene Dyslexie: Es tritt eine Hirnschädigung auf, nachdem der Patient lesen gelernt
hatte, wodurch ein weiteres Lesen behindert wird.
Der Neurowissenschafter T. Orton bemerkte, dass Linkshänder überproportional oft beim
Lesenlernen Buchstaben und Worte vertauschen. Seiner Meinung war die nicht-dominante
Hemisphäre für die Dyslexie verantwortlich, denn sie enthalte ein umgekehrtes Bild der
Dinge aus der Realität. Durch ein geeignetes Lernen könne die ursprüngliche Dominanz der
dominanten Hemisphäre wieder hergestellt werden.
Das Vertauschen von Symbolen wird als Strephosymbolie bezeichnet. Folgende zwei
Beispiele sollen dieses Syndrom verdeutlichen:
b  d
nie  ein
Ähnliche Symbole wurden verwechselt oder in der falschen Reihenfolge geschrieben. Es
zeigte sich erst später, daß praktisch alle Kinder während dem Leseerwerb mit Wörtern und
Buchstaben spielen. Damit ist auch das absichtliche Vertauschen von Buchstaben oder das
spiegelbildliche Schreiben gemeint.
Beim Lesen müssen Buchstaben identifiziert werden. Zudem müssen Buchstaben in Laute
umgewandelt werden – phonologische Fähigkeit. Um dem Wort eine Bedeutung geben zu
können bedarf es einer semantischen Fähigkeit.
So gibt es zwei Arten Wörter zu lesen. Das graphemische Lesen entspricht einem
lexikalischem Lesen. Das Wort wird als ganzes, als Symbol, wahrgenommen und direkt
phonologisch codiert. Diese Leseart gilt vor allem für Wörter, die anders ausgesprochen
werden, als sie geschrieben werden.
Beim phonologischem Lesen werden Regeln verwendet, um Buchstabenkombinationen in
Phoneme umzuwandeln. Diese Regeln führen zur richtigen Aussprache. Deshalb ist es
möglich, Wörter die man nicht kennt, korrekt auszusprechen. So gibt es im Deutschen die
Regel Wörter mit „-tion“ als [tßion] auszusprechen.
Bei Kindern stellt man fest, dass sie zuerst Buchstabe für Buchstabe lesen und sie direkt
phonologisch umwandeln. Zuerst kommt es bei Kindern zum phonologischen Lesen und erst
später zum graphischen Lesen. Das heißt, ab dem 6.-10. Lebensjahr beginnen die Kinder die
Wörter als ganzes wahrzunehmen, und es wird auf das lexikalische Wissen, wo auch die
phonetische Codierung gespeichert ist, zurückgegriffen. Wenn Erwachsene lesen, so
verwenden sie meist das graphemische Lesen. Dies erklärt auch die Probleme beim
Korrekturlesen. Die Wörter werden als Ganzes wahrgenommen, und nicht Buchstabe für
Buchstabe. Da man die Wörter, ohne sie exakt lesen zu müssen, leicht erkennen kann, werden
falsche Buchstaben nicht oder nur selten erkannt.
Theoretisch müsste man bei Kindern 2 Gruppen von Lesestörungen finden. Zum einen
Kinder, die die phonologische Methode nicht beherrscht. Das sind Kinder, die schon in der
frühen Lesephase Probleme haben. Zum anderen gibt es Kinder bei denen die Probleme erst
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Sprache und Verstehen
73
später auftreten, wenn das graphemische Lesen aufgebaut wird. Tatsächlich hat man diese
Differenzierung gefunden.
Wenn es bei der einen Gruppe von Kindern Probleme mit der phonologischen Methode gibt,
so müsste man die Problem schon früher, vor dem Lesebeginn, bemerken. So sprach man den
Kindern mehrere Wörter vor, und sie sollten das Wort auswählen, das kein Phonem
gemeinsam mit den anderen Wörtern hat:
•
•
•
hill, pig,
cot, pot,
bun, pin,
pin
hat
gun
⇒ hill
⇒ hat
⇒ pin
Tatsächlich zeigte sich, dass Kinder die Probleme bei dieser Aufgabe hatten, später Problem
mit dem Lesenlernen hatten.
Man konnte sogar zeigen, daß schon früher Probleme mit der phonologischen Codierung
auftreten, die später zu Leseproblemen führen. Wenn man zwei Töne rasch genug
hintereinander präsentiert, dann können sie nicht als getrennt wahrgenommen werden.
Normalerweise werden zwei Töne, die näher als 10 - 40 ms zusammenliegen, nicht mehr
korrekt als zwei unterschiedliche Töne wahrgenommen. Bei Kindern mit zukünftigen
Lesestörungen und Erwachsene mit vorhandenen Lesestörungen werden zwei Töne erst bei
rund 350 ms Zeitunterschied als getrennte Töne wahrgenommen. Interessanterweise haben
Personen, die zwei aufeinanderfolgende Töne nicht gut unterscheiden können, auch Probleme
bei aufeinanderfolgenden Lichtblitzen.
phonologisches
System
visuelle
Prozesse
"YACHT"
YACHT
Sprechen
visuelles
Wortform-System
semantisches
System
Abbildung 6.9: Die phonologische und die semantische Routen liegen parallel. Sie werden unterschiedlich, je
nach Wort und Alter des Lesers verwendet.
Es gibt aber noch weitere Arten von Lesestörungen. So kann man nach dem Schema aus
Abbildung 6.10 erworbene Dyslexien leicht analysieren.
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74
Brain Modelling
Fällt es schwer einen Buchstaben, wenn
er neben einem irrelevantem Buchstaben
steht, korrekt zu benennen ?
JA
NEIN
Aufmerksamkeitsbezogene Dyslexie
Wenn Wörter falsch
gelesen werden, beziehen
sich die Fehler auf eine
Worthälfte ?
NEIN
JA
Werden Wörter häufig
Buchstabe für Buchstabe gelesen ?
Neglectdyslexie,
Positionsdyslexie
JA
NEIN
Buchstabenweises
Lesen
Werden beim lauten
Lesen semantische
Fehler gemacht ?
NEIN
JA
Ist lautes Lesen von
Nicht-Wörtern (fast)
unmöglich ?
Tiefendyslexie
JA
NEIN
Phonologische
Dyslexie
Werden regulär ausgesprochene Wörter besser laut
gelesen als Ausnahmen ?
JA
Oberflächendyslexie
Abbildung 6.10: Alle möglichen Lesestörungen, und deren Abhängigkeiten.
Ein Modell von Hinten et al. konnte diese Idee mit einem technischen Netzwerk nachbilden.
Es beschreibt vor allem zwei spezielle Dyslexien: die Oberflächendyslexie und die
Tiefendyslexie.
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Sprache und Verstehen
75
Bei der Oberflächendyslexie lesen Patienten Wörter falsch, die ungewöhnlich ausgesprochen
werden. Die phonologische Bahn ist in Ordnung. Ein Beispiel wäre das Wort „yacht“, das im
Englischen nicht als >> yatched << oder ähnlich ausgesprochen wird, sondern als
ausgesprochen wird.
Bei der Tiefendyslexie wählen die Patienten ein anderes aber semantisch gleiches Wort,
anstelle des gelesenen. Zum Beispiel wird, wenn das Wort „yacht“ gelesen wird, das Wort
„boat“ oder „ship“ ausgesprochen. Es handelt sich um ein anderes Wort, aber mit einer
ähnlichen Bedeutung.
Um das Modell zu verstehen, ist es wichtig einen semantischen Raum aufzuspannen. Ein
semantischer Raum ist durch verschiedene Eigenschaften, bzw. durch verschiedene
Bedeutungen, definiert. Nehmen wir als Beispiel die drei Eigenschaften 4 Beine, gefährlich,
groß. Diese drei Eigenschaften definieren den semantischen Raum, wobei natürlich der
semantische Raum des Menschen um ein vielfaches größer ist. Man kann davon ausgehen,
dass beim Menschen die Semantik von rund 10 000 Eigenschaften bestimmt wird.
Bär
Hai
Wolf
Schlange
Wal
gefährlich
Elefant
groß
Maus
4 Beine
Abbildung 6.11: Darstellung eines semantischen Raums, aufgespannt durch die drei Eigenschaften „4 Beine“,
„gefährlich“, „groß“, können 6 Tiere beschrieben werden.
Regenwurm
Jedes Wort hat eine spezifische Bedeutung und stellt somit einen Punkt in dem semantischen
Raum dar. Damit ergeben sich auch Nachbarschaften. Manche Wörter sind semantisch
benachbart, das heißt ihr Abstand in
diesem Raum ist gering, während Wörter
die
nur
wenige
gemeinsame
Eigenschaften besitzen auch weiter
voneinander entfernt sind.
So versuchte der Neurowissenschafter
Hinton,
das
phonologische
und
semantische
Lesen
mit
einem
technischen Netzwerk zu modellieren. Er
schuf eine Verarbeitungsschicht, die die
semantische
und
eine
die
die
phonologischen
Informationen
verarbeitet.
Diese
Verarbeitungsschichten sind in Abbildung 6.12
dargestellt und als Semen- und PhonemKnoten bezeichnet. Durch die SemenKnoten wird ein semantischer Raum
aufgespannt, genauso wie durch die
Phonem-Knoten ein phonetischer Raum
aufgespannt wird. Über die Graphem-
Abbildung 6.12: Darstellung des technischen neuronalen
Netzwerkes nach Hinton, um Dyslexien zu erklären.
____________________________________________________________________________________________
76
Brain Modelling
Knoten konnten Buchstaben „gelesen“ werden. Diese Information gelangte in eine
Zwischenschicht, und von dort gelangte die Information in den Semen-Knoten. Diese
Schichten wurden als einfache technische neuronale Netzwerke programmiert, mit einfachen
technischen Neuronen. Über den Algorithmus Back-Propagation wurden die Gewichte der
einzelnen Neuronen festgelegt. Es zeigte sich aber, daß der Lernalgorithmus extrem lange
benötigte, bis eine korrekte Zuordnung getroffen wurde.
Bär
Hai
Wolf
Schlange
Wal
gefährlich
Elefant
groß
Maus
Regenwurm
4 Beine
Abbildung 6.13: Darstellung eines fast richtig erkannten Begriffes. Am besten passen die Eigenschaften zum
Wolf.
Das Wort konnte nur ungefähr einem Begriff zugeordnet werden. Wie in Abbildung 6.13
dargestellt, wurde ein Wort erkannt, das zu 90% mit 4 Beinen, zu 90% groß und zu 85%
gefährlich ist. Natürlich liegt, die semantische Wortbedeutung sehr nahe bei dem Wolf, aber
es gibt keine 100%ige Übereinstimmung. Wenn der Lernalgorithmus sehr lange lernt, dann ist
eine 100%ige Übereinstimmung möglich. Der Neurowissenschafter Hinton löste das Problem
auf eine andere Art. Er führte sogenannte Aufräumknoten ein. Diese Aufräumknoten stellen
eine Art Iteration dar. Der Reiz, oder besser das Reizmuster, das im Semen-Knoten
repräsentiert wird, wird über eine Schicht mit sich selbst rückgekoppelt. Das führt dazu, daß
mit ein paar Rückkopplungen die Zuordnung des Wortes zur semantischen Bedeutung 100%
korrekt durchgeführt wird. Damit konnte die Lernzeit des Algorithmus wesentlich verkürzt
werden. Die Worte wurden zwar nicht mehr ganz in die gewünschte Nähe des semantischen
Raumes abgebildet, aber durch den Aufräumknoten war dies nicht mehr notwendig.
Diese spezielle Form der Iteration, beziehungsweise der Aufräumknoten, kann einfacher
modelliert werden. Durch den Effekt der Synchronisation von „integrate-and-fire“Oszillatoren kommt es zwangsläufig zu einer korrekten Zuordnung.
4 Beine
groß
gefährlich
4 Beine
groß
gefährlich
Abbildung 6.14: In der linken Darstellung ist eine korrekte Zuordnung von 9 Neuronen, zum Begriff „Wolf“
dargestellt. Die grau gefärbten Neuronen sind synchron aktiv. In der rechten Darstellung ist der Begriff „Wolf“ nur
zu erahnen, das Muster ist ähnlich aber es stimmt nicht 100%ig.
Durch die Synchronisation zwischen den Neuronen werden geometrische Muster generiert.
Wenn ein Muster, aufgrund von mangelnden oder falschen Eingangsdaten, verrauscht ist,
dann kann das Muster aufgrund des vorausgegangenen Lerneffekts, vervollständigt werden.
Es wird das Muster, das am ähnlichsten ist generiert. Im Fall der Abbildung 6.14 würde das
___________________________________________________________________________________
Sprache und Verstehen
77
rechte Muster nach ein paar Iterationen sich durch die Synchronisation zum linken Muster
wandeln.
mobil
cot
cat
cot
cat
hart
weich
bed
cot
bed
bed
starr
cat
Verschiebung
der Attraktoren
im AufräumKnoten
cot
bed
Verschiebung
der Grenzen im
Semen-Knoten
cat
Bei einem Lesefehler wird falsch
abgebildet
Abbildung 6.15: Darstellung eines 2-dimensionalen semantischen Raums, mit den Begriffen „cat“-Katze, „cot“Feldbett und „bed“-Bett.
Das Netzwerk von technischen Neuronen mit Aufräumknoten beziehungsweise aus
biologischen Neuronen konvergiert zu einem stabilen Muster. Dieses stabile Muster stellt
einen Fixpunkt dar. Semantisch ähnliche Eingangswerte werden auf den selben Fixpunkt hin
abgebildet.
Bei Veränderung der Gewichte des Aufräummechanismus verschieben sich die Grenzen der
Einzugsgebiete für jedes einzelne Wort. Das heißt, wenn das Netz vorher zu einem
bestimmten Wort gezogen wurde (Konvergenz), so bewegt es sich jetzt möglicherweise auf
ein anderes, semantisch verwandtes Wort zu.
Zum Beispiel: "yacht" => "boat"
Dies erklärt die Tiefendyslexie.
Bei fast allen Patienten, die semantische Fehler machen, kommt es auch noch zu visuellen
Fehlern: Die ersten Schichten (Graphem- und Zwischenknoten) können relativ ungenau
arbeiten, das heißt cat und cot führt zu einer sehr ähnlichen Zwischenausgabe. Durch den
Aufräumknoten des semantischen Systems wird dann das eigentliche Wort herausgefiltert.
Wenn das semantische System nicht funktioniert, kann der Filterprozess nicht arbeiten und
das falsche Wort wird möglicherweise ausgewählt.
Zum Beispiel:
"cat" wird mit "cot" verwechselt.
Viele Patienten haben auch Probleme beim Lesen von abstrakten Wörtern: Ein konkretes
Wort hat meist mehrere semantische Eigenschaften als ein abstraktes Wort. Die Semantik
kann die Worterkennung beträchtlich erleichtern. Wenn also das Netz vor dem Semen-Knoten
beschädigt ist, hilft die Semantik bei der Worterkennung. Wenn es aber wenige semantische
Zuordnungen zu einem Wort gibt, wie es bei abstrakten Worten der Fall ist, ist die Hilfe
dementsprechend gering.
Zum Beispiel:
"post" (Pfosten, 16 semantische Eigenschaften) =>
"past" (Vergangenheit, 2 semantische Eigenschaften)
____________________________________________________________________________________________
78
Brain Modelling
Es wurde eine unvollständige Trennung
der Zellschichten und Nester mit
fehlplatzierten
Neuronen
in
der
Großhirnrinde,
insbesondere
im
Lesezentrum,
beobachtet.
Da
bei
Männern
die
Verarbeitung
der
Entschlüsselung
der
phonologisch
gelesenen Worte nur in der linken
Hirnhemisphäre, im Unterschied zu
Frauen (beidseitig), stattfindet, erklärt
dies auch den erhöhten Anteil von
männlichen Legasthenikern.
Abbildung 6.16: Die Lage der Punkte markiert
Zellanomalien, von Personen, bei denen eine
Leseschwäche diagnostiziert wurde. Die mit einem „E“
markierten Orte weisen auf anormale Erhebungen hin.
6.3 Der ELIZA-Effekt:
Das Programm ELIZA wurde in den 60er Jahren von dem Computerwissenschaftler Josef
Weizenbaum entwickelt, wobei das Ziel des Programms war, einen Psychiater per Computer
zu simulieren. Später gab es dann verbesserte Programmversionen (Doktor, Racter, usw.).
Der ELIZA-Effekt besteht darin, aus einer Antwort eine neue Frage zu formulieren.
Das ELIZA-Programm geht nach einem sehr einfachen Prinzip vor. Es kennt eine kleine
Anzahl von Schlüsselwörtern, die in den meisten Gesprächen vorkommen (zum Beispiel das
Wort "my"-"mein[e,er,es]"). Beim Wort "my" gibt es zwei mögliche Alternativen für das
Antwortverhalten von ELIZA. In Verbindung mit dem Bezug auf ein Familienmitglied führt
"my family" zu: "Erzähl mir mehr von deiner Familie.". Wenn sich der User auf etwas
anderes als auf ein Familienmitglied bezieht, dann speichert Eliza die Wortfolge nach "mein"
ab und vertauscht die Personal- und Possesivpronomina der ersten mit denen der zweiten
Person. "Es stört mich, daß meine Haare immer weniger werden" würde im weiteren Verlauf
der Diskussion zu: "Vorhin hast Du gesagt, daß deine Haare immer weniger werden.".
Beispiel: User: "I like to swim" =>
Eliza: "Why do you like to swim ?" oder
Eliza: "Do you really like to swim ?"
Innerhalb eines Gespräches können zwei Arten von Fragen auftauchen:
Fragen die mit ja / nein / vielleicht beantwortet werden können (⇒ Phrase).
Fragen die mit wer / wo / was / wie / usw. beginnen und eine umfangreichere Antwort
notwendig machen (⇒ Phrase mit Schlüsselwort).
___________________________________________________________________________________
Sprache und Verstehen
79
Weiteres gibt es eine Suche nach speziellen Schlüsselwörter ("you"). Dann kann das
Programm mit einer Phrase antworten:
Beispiel: User: "You appear in my dreams" =>
Eliza: "We are discussing you - not me"
Eliza: "Oh, I appear in your dreams"
Nach einer gewissen Zeit gibt das Programm irgendwelche Floskeln von sich, um das Thema
zu wechseln oder einfach um dem User etwas auszuweichen.
Abbildung 6.17: Schematischer Ablauf für ein Eliza-ähnliches Programm.
____________________________________________________________________________________________
80
Brain Modelling
Nachfolgend zwei Dialoge, die einerseits mit Eliza und andererseits mit Racter geführt
wurden:
Eliza: HI, I AM ELIZA TELL ME YOUR PROBLEM
RACTER:
>
I HATE SCHOOL
CHAMBERLAIN:
Eliza: SAY, DO YOU HAVE ANY PSYCHOLOGICAL
RACTER:
PROBLEMS?
CHAMBERLAIN:
>
I CAN'T GET NO SATISFACTION
RACTER:
Eliza: HOW DO YOU KNOW YOU CAN'T GET NO
CHAMBERLAIN:
SATISFACTION
RACTER:
>
I JUST DON'T HAVE ANY
CHAMBERLAIN:
Eliza: WHAT DOES THAT SUGGEST TO YOU?
RACTER:
>
I NEED GIRLS AND DRUGS AND ROCKN ROLL
CHAMBERLAIN:
Eliza: I SEE
RACTER:
>
CAN YOU GIVE ME DRUGS?
Eliza: DON'T YOU BELIEVE THAT I CAN GIVE DRUGS!
>
I LIKE YOU ELIZA
Eliza: WE WERE DISCUSSING YOU -- NOT ME
>
BY THE WAY - MY NAME IS MIKE
CHAMBERLAIN:
Eliza: NAMES DON'T INTEREST ME
RACTER:
>
DON'T YOU LIKE MY NAME?
Eliza: OH, I LIKE YOUR NAME
CHAMBERLAIN:
>
YOU LIE!
RACTER:
Eliza: YOU ARE NOT REALLY TALKING ABOUT ME,
CHAMBERLAIN:
ARE YOU?
RACTER:
>
I AM
Eliza: DID YOU COME TO ME BECAUSE YOU ARE
>
YOU MAKE ME SICK
Eliza: WE WERE DISCUSSING YOU -- NOT ME
>
MAYBE I GET SATISFACTION SOON
Eliza: YOU DON'T SEEM QUITE CERTAIN
>
YOU KNOW TO MUCH
Eliza: OH, I KNOW TO MUCH
>
YES
CHAMBERLAIN:
Eliza: ARE YOU SURE?
RACTER:
>
I HATE YOU!
Eliza: I'M NOT SURE I UNDERSTAND YOU
>
SHUT UP!
Eliza: COME COME ELUDICATE YOUR THOUGHTS
>
WHY DON'T YOU GIVE UP ASKING?
Eliza: DO YOU REALLY BELIEVE I DON'T GIVE UP
ASKING?
>
I HOPE SO
CHAMBERLAIN:
Eliza: CAN YOU ELABORATE ON THAT?
RACTER:
>
YES
Eliza: I SEE
>
WHY CAN'T I GET ANY ROCKN ROLL?
Eliza: DO YOU THINK YOU.SHOULD BE ABLE TO GET
ANY ROCKN ROLL?
CHAMBERLAIN:
>
HAHAHA
RACTER:
Eliza: THAT IS QUITE INTERESTING
>
YOU ARE STUPID!
Eliza: WHAT MAKES YOU THINK I AM STUPID?
>
YOU GIVE ALWAYS STUPID ANSWERS
Eliza: YOU'RE NOT REALLY TALKING ABOUT ME, ARE
YOU?
>
YOUR ANSWERS ARE ABSOLUTELY NONSENS
Eliza: WHY NONSENS?
>
I AM BORN TO BE WILD
Eliza: HOW LONG HAVE YOU BEEN BORN TO BE WILD?
>
SINCE I'VE BEEN BORN
Eliza: SAY, SO YOU HAVE ANY PSYCHOLOGICAL
PROBLEMS?
>
CAN'T YOU RECOGNIZE THAT?
Eliza: WE WERE DISCUSSING YOU -- NOT ME
>
I AM NOT THE PSYCHIATRIST
Eliza: DO YOU BELIEVE IT IS NORMAL TO BE NOT THE
PSYCHIATRIST?
>
YOU WON!
Eliza: OH, I WON
>
YES
Eliza: I UNDERSTAND
Haben wir uns schon einmal gesprochen?
Nein.
Bist du ein Mann oder eine Frau?
Ein Mann.
Wie heißt du mit vollem Namen?
Bill Chamberlain.
Was bist du von Beruf?
Zeit-Reflektometrist.
Woher kommst du?
Aus New York.
Aha. Ein Zeit-Reflektoinetrist bist du also.
Hör zu, laß uns zusammen entschlossen
losschreien: Ich liebe bezaubernde
italienische Musik. Was für Musik magst
du?
Jazz.
Jazz ist o.k. Und was hältst du von klassischer Musik?
Die mag ich auch.
Aus welchem Land?
Ich liebe auch italienische Musik.
Ich persönlich bin ganz begeistert von
Palestrina. Neben Italien haben auch andere
Länder im 17. Jahrhundert hin-reißende
Komponisten hervorgebracht. Sewall, zum
Beispiel, war ein blind-wütiger, wichtiger
Renaissancemeister. Er kam aus Amerika.
Seine Musik berei-tet mir großes
Vergnügen. Welchen Komponisten magst
du am liebsten?
Telemann.
Ah, Bach kannte Telemann. Ein deutscher
Zeit-Reflektometrist aus dem 18.
Jahrhundert liebte Salat. Einmal aß Bach mit
Telemann zusammen Salat, und dieser
barocke Zeit- Reflektometrist ver-langte
auch nach Salat. Salat, mit Sprudel
geschlürft. Bach trank leidenschaftlich gern
Wein. Magst du auch Wein?
Ja.
Ich auch! Telemann liebte Wein. Er liebte
auch Champagner. Telemann jo-delte
einmal zu Bach: "Zu Flunder gehört Wein."
Ist Wein in New York so beliebt, wie ihn
Telemann im 18. Jahrhundert schätzte?
Gewiß.
Na ja, gut, in diesem Falle ... . Ich bin für
Smith als Präsident. Für wen bist du?
___________________________________________________________________________________
Sprache und Verstehen
81
___________________________________________________________________________
Welche Tiermodelle für die Sprachverarbeitung gibt es?
Welchen Unterschied des Sprachverständnisses gibt es zwischen Menschen und Affen?
Wie entwickelt sich die Sprache bei Kindern?
Welche zeitlich begrenzten Fehler können bei der Sprachentwicklung auftreten?
Was versteht man unter einer Broca-Aphasie?
Was versteht man unter eine Wernicke-Aphasie?
Erläutern sie das leicht erweiterte Wernicke-Geschwind-Modell?
Was versteht man unter graphemischem und phonologischem Lesen?
Wie kann man mit leichten Mitteln eine Dyslexie feststellen?
Welche Arten von Dyslexien gibt es?
Erläutern sie die Oberflächen- und Tiefendyslexie?
Wie ist ein Wort im Gehirn repräsentiert?
Warum haben Personen mit einer Dyslexie Probleme mit abstrakten Wörtern?
Was versteht man unter dem Eliza-Effekt?
____________________________________________________________________________________________
82
Brain Modelling
Motorik: das
Umsetzen von
Gedanken
Man wird leicht verführt, nur an die „hohen“ kognitiven Effekte, wie an das Lernen oder an
die Fähigkeit zu abstrahieren zu denken, wenn man über das Gehirn nachdenkt. Aber was
kann das Gehirn leisten, wenn es nicht die Fähigkeit hat, die Gedanken in der realen Welt
umzusetzen. Wir können einerseits zwischen der inneren Repräsentation – das Denken und
die Vorstellung – und der äußeren Repräsentation – das Handeln und das Umsetzen von
Gedachtem – unterscheiden. Die äußere Repräsentation wird vor allem von der vorderen
Großhirnrinde gesteuert. Die Bereiche für das Entscheiden und das Handeln sind zu den
motorischen Arealen benachbart.
7.0 Das motorische System
Das motorische System benötigt viele Informationen, um perfekt zu arbeiten. So gibt es einen
Zusammenhang zwischen der Geschwindigkeit und der Genauigkeit einer Bewegung. Wenn
die Bewegung rasch durchgeführt wird, dann ist sie ungenau – und umgekehrt. Diese Regel
gilt aber nicht mehr, wenn dem Probanden die Augen verbunden werden. Dies zeigt wie weit
dieses System von anderen Systemen abhängt bzw. in andere Systeme integriert ist.
Die motorischen Fertigkeiten entwickeln sich erst nach der Geburt. Babys können erst nach
dem 3. Lebensmonat alle Finger simultan schließen. Ab dem 3. Monat bis zum 11. Monat
beginnen Babys nach Gegenständen zu greifen. Der Pinzettengriff – das Greifen mit dem
Daumen und dem Zeigefinger – beginnt sich mit dem 8. Monat zu entwickeln. Erst später
beginnen sich andere motorische Fertigkeiten zu entwickeln.
Das motorische System besteht aus dem Rückenmark, dem Hirnstamm, dem Kleinhirn, den
Basalganglien (nicht zu verwechseln mit dem basalen Vorderhirn !) und der Großhirnrinde.
Das Rückenmark erfüllt 3 Aufgaben:
1.) Reflexbewegungen
2.) Programme für rhythmische Bewegungsmuster
3.) Signalweiterleitung
Auf die Reflexe haben wir keinen bewussten Einfluss. Ein Reiz von der Hautoberfläche
gelangt in ein Rückenmarkganglion. Dort wird direkt ein motorisches Neuron aktiviert, das
die betroffene Hautstelle dem gefährlichen Reiz entzieht. Reflexe können nicht einfach
___________________________________________________________________________________
Das motorische System
83
unterdrückt werden. Bedeutend später wird der Reiz von der Großhirnrinde registriert. Bis in
der Großhirnrinde ein Synchronisationsmuster entsteht, das den Muskel zur
Schmerzvermeidung aktiviert, würde zuviel Zeit vergehen.
Unter rhythmischen Bewegungen versteht man Bewegungen die nicht mehr der bewussten
Kontrolle unterliegen. Beim Gehen, Laufen oder Schwimmen müssen wir nicht darüber
nachdenken, wie wir einzelne Muskeln aktivieren. Wir müssen uns nur darüber Gedanken
machen, in welche Richtung wir uns bewegen wollen.
Es gibt zwei Subsysteme, die vom Gehirn zum Rückenmark projizieren. Ein Faserzug
entspringt dem Hirnstamm während der andere vom Cortex projiziert. Im Hirnstamm wird die
Körperhaltung und zum Beispiel das Laufen kontrolliert. Um diese Aufgabe zu erfüllen
benötigt der Hirnstamm Informationen über die aktuelle Lage. Er erhält über das vestibuläre
System seine Signale. Das Innenohr weiß, wo wir uns mit welcher Geschwindigkeit in welche
Richtung hin bewegen. Zusätzlich erhält der Hirnstamm Signale vom Colliculus superior um
Bewegungen mit dem Sehsystem abzustimmen. Dadurch können die Bewegungen von Augen
und Kopf miteinander koordiniert werden.
Das Kleinhirn besteht aus drei Bereichen: das Archicerebellum
das Paläocerebellum
das Neocerebellum
Im Kleinhirn ist der gesamte Körper repräsentiert. Das Kleinhirn enthält alle sensorischen
Daten der Körperoberfläche und der Muskeln, genauso wie es eine topologische Abbildung
aller Muskeln enthält. So hat das Archicerebellum die Aufgabe die Körperhaltung zu steuern.
Steht man etwas länger an einer Stelle, dann ermüden einzelne Muskeln. Um die Haltung
aufrecht zu erhalten, muss das Archicerebellum nachjustieren und andere Muskeln aktivieren.
Das Paläocerebellum kontrolliert die Gliedmassen. Aber auch hier gilt wieder, dass das
Kleinhirn eher nachjustiert und steuert, als dass durch das Kleinhirn bewusste Bewegungen
ausgelöst werden. Vielmehr soll von diesem Bereich die Genauigkeit einzelner Bewegungen
hergestellt werden.
Das Neocerebellum hat die Aufgabe
Treffergenauigkeit
asymmetrische
Bewegungen
zu
ohne Kleinhirnschädigung
koordinieren.
Weiteres
führen
2
Beeinträchtigungen
dazu,
dass
1
rhythmische Bewegungen nicht oder nur
sehr schwerfällig durchgeführt werden
0
Würfe
können.
-1
-2
2
mit Kleinhirnschädigung
1
0
Würfe
-1
-2
Abbildung 7.1: Die Treffergenauigkeit von
Dartpfeilen auf eine Scheibe mit und ohne einer
Prismenbrille, mit (unten) und ohne (oben) einer
Kleinhirnschädigung.
Die Hauptaufgabe besteht in der
Feinjustierung
der
einzelnen
Bewegungen. Dartspieler haben eine
bestimmte Treffergenauigkeit. Setzt man
den Spielern eine Prismenbrille auf, dann
wird
das
gesamte
Gesichtsfeld
verschoben. Wenn die Spieler nun einen
Pfeil auf die Scheibe werfen, dann sinkt
die Treffergenauigkeit. Nach ein paar
Fehlwürfen kommt es zu einem
Lerneffekt und die Spieler haben wieder
ihre durchschnittliche Treffergenauigkeit
(siehe Abb. 7.1 oben). Bei Personen mit
einer Kleinhirnschädigung kommt es zu
keinem
motorischen
Lerneffekt
(implizites Lernen). Diese Personen
____________________________________________________________________________________________
84
Brain Modelling
haben eine konstante Trefferquote, die während die Prismenbrille getragen wird, einfach um
einen bestimmten Wert verschoben ist. Dieser Wert hängt von der Verschiebung durch die
Optik ab (siehe Abb. 7.1 unten-mitte).
Im Großhirn haben wir 3 wichtige
prämotorischer Cortex
Areale, die dem motorischen System
motorische Rinde
angehören (Abb. 7.2). Die Neuronen supplementärder motorischen Rinde, bzw. die motorisches Areal
Neuronen des primären motorischen
Areals steuert jeden einzelnen
Muskel. Man kann eine exakte Karte
für jeden einzelnen Muskel erstellen.
Reizt man ein paar Neuronen, dann
wird der jeweilige Muskel, bzw. die
einzelnen Muskelfasern aktiviert.
Über die Impulsfrequenz wird die
Kraft codiert. Je höher die
Impulsfrequenz ist, umso stärker
werden die einzelnen Muskelfasern
zusammengezogen.
In
der
Abbildung 7.2: Die motorischen Areale der
Großhirnrinde.
motorischen Rinde haben wir eine
ausgeprägte Säulenarchitektur. Eine
Säule scheint einen ganzen Muskel zu aktivieren, während die einzelnen Neuronen in der
Säule die einzelnen Muskelfasern aktivieren.
Abbildung 7.3: Die motorischen Areale der
Großhirnrinde.
Man könnte vermuten, dass wenn ein Muskel
in eine Richtung bewegt wird, nur diese
Neuronen aktiv sind. Interessanterweise sind
aber bedeutend mehr Neuronen aktiv. Es sind
auch die benachbarten Neuronen, zum Teil mit
einer geringeren Feuerfrequenz aktiv (Abb.
7.3). Die Summe der Aktivitäten weist dann
aber in die korrekte Richtung. Der Grund für
die „Mehr-“ Aktivität scheint darin zu liegen,
dass die Bewegung seitlich stabilisiert wird.
Die Verantwortung liegt nicht nur bei einem
Muskel, sondern bei einer ganzen Population
von benachbarten Muskeln. Dadurch wird die
Bewegung stabiler und sicherer. Es sind
praktisch alle Neuronen, bzw. die damit
verbundenen Muskeln, beteiligt, aber manche
sind aktiver als andere.
Zum motorischen Cortex in der Großhirnrinde zählen noch das prämotorische und das
supplementärmotorische Areal (Abb. 7.2). Das prämotorische Feld koordiniert die
Kontraktion von mehreren Muskeln. Wenn man mit einer Hand zu einem Gegenstand greift,
dann müssen gleichzeitig mehrere Muskeln aktiviert werden. Das supplementärmotorische
Feld ist für gedachte Bewegungen bzw. für die Bewegungsplanung verantwortlich.
Eine wesentliche Struktur des motorischen Systems sind die Basalganglien (nicht zu
verwechseln mit dem basalen Vorderhirn). Die Basalganglien bestehen aus dem
Streifenkörper, auch Putamen genannt, und dem Globus pallidus, der sich wieder in das
innere und äußere Segment unterteilt. Zusätzlich gibt es noch starke reziproke Verbindungen
zur Substantia nigra und Nucleus ventralis lateralis thalmi (Abb. 7.4).
___________________________________________________________________________________
Das motorische System
85
Es gab lange Zeit verschiedene Vermutungen über die Funktion der Basalganglien. Man
vermutete eine wichtige Rolle beim Lernen. Einige Funktionen sind geklärt, während sicher
noch einige Überraschungen in diesem Bereich zu erwarten sind. Mit der Entdeckung der
Ursache für Parkinson konnten einige Geheimnisse gelüftet werden.
Nucleus caudatus
Thalamus
Putamen
Globus pallidus:
inneres Segment
äußeres Segment
Substantia nigra
Abbildung 7.4: Ein Querschnitt des Gehirns auf Höhe des motorischen primären Areals. Die Teile des
motorischen Systems sind gesondert eingezeichnet.
Die einzelnen Teile des motorischen Systems sind topographisch organisiert. Die
Verbindungen von der Großhirnrinde zum Putamen sind eindeutig. Betrachten wir die
Verbindungen zwischen den einzelnen Einheiten des motorischen Systems.
Das Putamen erhält vom primären motorischen Cortexareal Signale. Zusätzlich erhält das
Putamen vom somato-sensorischen Cortex, dem posterior-parietalen Cortex, dem
supplementärmotorischen Cortex und der prämotorischen Großhirnrinde Signale. Das
bedeutet, dass das Putamen von sehr vielen Bereichen der Großhirnrinde Signale erhält. Im
Putamen werden die Signale zum Globus pallidus externa weitergeleitet. Von dort gelangen
die Signale in den Globus pallidus interna, von wo sie in den Thalamus weitergeleitet werden.
Über den Nucleus ventralis lateralis thalmi gelangen die Signale dann in das
supplementärmotorische und das prämotorische Areal der Großhirnrinde. Wie man leicht
erkennen kann, haben wir eine Schleife, die von den Großhirnrindenarealen ausgeht, zum
Putamen und Globus pallidus reicht und wieder zur Großhirnrinde rückkoppelt.
Damit stellt sich die Frage, warum es im Gehirn einen Bereich gibt, der über andere Einheiten
mit sich selbst rückkoppelt und zusätzlich andere Signale aus anderen Großhirnrindenbereiche
integriert.
____________________________________________________________________________________________
86
Brain Modelling
motorische Rinde
prämotorischer Cortex
Kleinhirn
zum Rückenmark
Putamen
Globus pallidus
Nucleus
ventralis
lateralis
thalmi
Ncl. subthalmicus
Substantia nigra
Abbildung 7.5: Die Verbindungen zwischen den Basalganglien und den übrigen motorischen Einheiten.
Betrachten wir eine komplexe Bewegung. Nehmen wir als Beispiel das Sprechen. Wenn wir
ein Wort aussprechen, dann müssen verschieden Muskeln teilweise gleichzeitig und teilweise
hintereinander zum richtigen Zeitpunkt aktiviert werden. Wenn wir das Wort „Apfel“
aussprechen wollen, dann wird zuerst das „a“, dann das „pf“ und abschließend das „l“
ausgesprochen. Es ist wichtig, dass die Phoneme hintereinander zum richtigen Zeitpunkt mit
der richtigen Länge ausgesprochen werden. Im Broca-Areal, das benachbart zum
prämotorischen Areal liegt, wird die Grammatik des Satzes und auch die Tonalität festgelegt.
Über das Broca-Areal liegt das Wort „Apfel“ als Synchronisationsmuster von Neuronen vor.
Das Wort „Apfel“ ist durch die Neuronen parallel repräsentiert. Aber das Wort muss seriell
abgearbeitet werden, das heißt die einzelnen Phoneme müssen hintereinander ausgesprochen
werden („A – pf - l“). Die Muskeln müssen in einer bestimmten Reihenfolge aktiviert werden.
Das bedeutet, dass das parallel vorliegende Synchronisationsmuster in eine serielle
Signalfolge umgewandelt werden muss. Genau dies kann durch eine Rückkopplungsschleife
erfolgen.
___________________________________________________________________________________
Das motorische System
87
Broca-Areal
Motorisches Areal
Basalganglien
Abbildung 6.6: Die Verknüpfungen, die beim Sprechen auftreten. Das Broca-Areal liefert einen konstanten Input,
ein Synchronisationsmuster, und über das motorische Areal gibt es durch die Basalganglien eine Rückkopplung.
Dazu gibt es ein schönes Modell, dass diesen Effekt besser verdeutlichen kann. In dem
Modell „Live“ entstehen verschiedene geometrische Muster aufgrund einer Rückkopplung.
Wir haben ein großes Spielfeld, das wir in kleine Bereiche aufteilen. Im einfachsten Fall sind
die Bereiche rechteckig. Diese Bereiche werden in diesem Modell als Zellen bezeichnet. Eine
Zelle kann aktiv oder inaktiv sein. Sind mehr als drei Nachbarn aktiv, dann wechselt die Zelle
vom Status aktiv in den Status inaktiv. Vereinfacht gesagt, die Zelle stirbt da zu viele
Nachbarn die „Nährstoffe“ benötigen. Hat eine Zelle zwei bis drei aktive Nachbarn, dann
bleibt sie im aktiven Zustand – sie kann weiterleben.
Startzustand
Zustand nach 1. Iteration
Startzustand
Zustand nach 1. Iteration
Startzustand
Zustand nach 1.Iteration
Abbildung 7.7: Im Startzustand sind links oben 5 Zellen im Zustand aktiv. Die mittlere Zelle hat 4 Nachbarn und
wird damit in den Zustand inaktiv versetzt. Im Startzustand links oben hat die mittlere Zelle 3 aktive Nachbarn und
damit „darf sie weiterleben“. Im Startzustand links unten ist die mittlere Zelle inaktiv. Sie hat aber 3 aktive
Nachbarn und somit wird sie zum „Leben erweckt“.
____________________________________________________________________________________________
88
Brain Modelling
Hat eine inaktive Zelle genau drei aktive Nachbarn, dann wechselt sie vom Zustand inaktiv in
den aktiven Zustand. Man betrachtet immer nur eine Zelle, zählt die Nachbarn und markiert,
ob sie im nächsten Schritt aktiv oder inaktiv ist. Erst im nächsten Schritt ist sie aktiv oder
inaktiv. Vergleiche die Abbildung 6.7.
Durch die Rückkopplung und die Regeln wird ein Muster in ein anderes Muster übergeführt.
So ergibt sich mit jedem Durchlauf ein neues Muster. Es gibt Muster, die sich nach ein paar
Iterationen auflösen und nicht mehr vorhanden sind und es gibt Muster, die zum Oszillieren
beginnen.
Abbildung 7.8: Zwei periodische Muster, die sich bei jeder 2. Iteration abwechseln. Oben der „Balken“ und unten
das „Leuchtfeuer“ – die Namen stammen von Conway, dem Erfinder des Spiels „LIVE“.
Im motorischen System scheinen die Regeln in den Basalganglien festgelegt zu sein. Dort
können sich die Neuronen zu geometrischen Mustern synchronisieren. Wenn den „alten“
Mustern zum Zeitpunkt t neue Muster zum Zeitpunkt t+1 überlagert werden, dann ergeben
sich wiederum neue Muster. Bei Rückkopplungen gibt es leider einen großen Nachteil. Über
die Rückkopplungsschleife kann leicht eine Mitkopplung entstehen. Dadurch würden alle
Neuronen bzw. Zellen aktiviert. Es würde eine Art Epilepsie im motorischen System
entstehen. Deshalb sind die Basalganglien stark gegenkoppelnd. Erst durch zusätzliche Kerne,
wie zum Beispiel der Substantia nigra, können Signale in einer vernünftigen Stärke den
Nucleus ventralis lateralis thalmi erreichen.
Großhirnrinde
prämotorisches Areal
motorische und sensorische Areal
Glutamat
Glutamat
Basalganglien
Nucleus
ventralis
lateralis
thalmi
Dopamin
ACh
GABA
Substantia nigra
Abbildung 7.9: Die Neurotransmitter des motorischen Systems innerhalb der Basalganglien. Die Pfeile weisen auf
eine erregende und die Balken auf eine hemmende Wirkung hin.
Es gibt mehrere Arten von Störungen, die aufgrund einer Fehlsteuerung in den Basalganglien
auftreten. Die motorische Beeinträchtigung ist das auffälligste Symptom, doch werden öfters
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Das motorische System
89
auch kognitive Veränderungen in den klinischen Studien beschrieben. Bei manchen Patienten
entstehen Symptome im fortgeschrittenen Stadium, die der Schizophrenie sehr stark ähneln.
Man kann zwei Arten von Erkrankungen unterscheiden: das hypokinetische rigide Syndrom
(z.B. Parkinson) das sich durch einen Bewegungsverlust bemerkbar macht und das
hyperkinetische dystonisches Syndrom (z.B. Chorea Huntington), bei der es zu einer
Bewegungszunahme kommt.
7.1 Chorea Huntington
Die Erkrankung Chorea Huntington ist genetisch bedingt. Die tödliche Form tritt unter
weißen Europäern am häufigsten auf, mit einer Wahrscheinlichkeit von 1.6 zu einer Million.
Bei Afrikanern bzw. bei Asiaten tritt diese Erkrankung höchst selten auf. Ab einem
bestimmten Alter, meist zwischen dem 30. und dem 50. Lebensjahr, bricht sie aus – es kommt
zu kognitiven Störungen beziehungsweise zu abnormen Bewegungen. Die durchschnittliche
Lebenserwartung beträgt dann noch rund zwölf Jahre. Die Erkrankten schneiden Grimassen
und hüpften herum. Es gilt als sicher, dass Personen mit dieser Erkrankung um 1650 in
Amerika als HexerInnen gehängt wurden. Durch Stammbaumforschung konnte gezeigt
werden, dass die Erkrankung auf wenige Einwanderer in Amerika zurückzuführen ist. Heute
kann die Erkrankung, bzw. der Gendefekt, schon im Mutterleib festgestellt werden.
Die ersten Anzeichen dieser Erkrankung sind eine Aktivitätsminderung und ein Nachlassen
des Interesses. Etwas später kommt es zu ruhelosen und unwillkürlichen Bewegungen. Es
kommt zum Zappeln, das sich steigert, bis alle Extremitäten betroffen sind. Typischerweise
können einzelne Muskeln nicht länger kontrahiert werden. So kann der Patient die Zunge
nicht für längere Zeit herausstrecken. Sprechen, Schlucken und andere Willkürbewegungen
werden mit der Zeit beeinträchtigt. Zusätzlich verändern sich der Charakter und das
emotionelle Erleben. Es kommt zu Angstzuständen, Depressionen, Manien und
schizophrenieähnlichen Psychosen. Das Kurzeitgedächtnis ist gestört, erworbene Kenntnisse
können nicht abgerufen werden. Die Patienten sind auf breiter Ebene bei Gedächtnistests
eingeschränkt. Das gleiche gilt für die allgemeine sensorische Wahrnehmung. Des weiteren
ergeben Tests, die die Funktion des Frontallappen überprüfen (Chicago-Wortflußtest,
Stiftlabyrinthtest), besonders geringe Leistungen.
Bei den Patienten zeigt sich eine Ausdünnung und Schrumpfung des Cortex. Die
Basalganglien weisen eine starke Atrophie auf – es besteht ein großer Verlust an Neuronen. In
den Basalganglien entsteht ein Ungleichgewicht an Neuronen mit unterschiedlichen
Neurotransmittern. Man spricht auch von einem Ungleichgewicht der Neurotransmitter. Es
existiert eine glutaminerge Projektion (erregend) vom Cortex (motorisch, somato-sensorisch)
in die Basalganglien. Des weiteren existiert eine GABAerge Projektion (hemmend) von den
Basalganglien zur Substantia nigra. Die Substantia nigra projiziert mit dopaminergen Fasern
(hemmend) zu den cholinergen Neuronen (erregend) der Basalganglien zurück (Abbildung
6.8). Im Verlauf der Erkrankung sterben die GABAergen und cholinergen Neuronen in den
Basalganglien ab, während die dopaminergen Projektionen der Substantia nigra in die
Basalganglien weitgehend unbeschadet bleiben. Dadurch kommt es zu einer leichten
Mitkopplung. Die Bewegungen werden nicht mehr gehemmt und es kommt zum Zappeln. Es
werden auch benachbarte Muskeln aktiviert – die Basalganglien sind topologisch geordnet.
Die Hyperaktivität des dopaminergen Systems ist für die charakteristischen anomalen
überschwänglichen Bewegungen verantwortlich. Zusätzlich scheint es zu einem vermehrten
Ausstoß an Dopamin zu kommen, wie einige Autopsien gezeigt haben. Interessanterweise
können Tranquilizer, die zur Klasse der Dopaminblocker gehören, die Symptome von Chorea
Huntington dämpfen. Die Symptome können durch Amphetamine (Dopaminagonisten)
verstärkt werden.
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90
Brain Modelling
7.2 Das Tourette-Syndrom
Das Tourette-Syndrom wurde erstmals 1885 von Gilles de la Tourette beschrieben. Es
existieren drei Stadien der Erkrankung. Die Wahrscheinlichkeit an dem Tourette-Syndrom zu
erkranken beträgt rund 1 : 100 000. Männer sind rund drei mal so häufig betroffen, als
Frauen. Möglicherweise wird die Erkrankung vererbt. Wahrscheinlich wird die Erkrankung
von weiblichen Mitgliedern der Familie übertragen. Möglicherweise gibt es eine ererbte und
eine nicht-erbliche Form des Tourette-Syndroms. Die ersten Symptome bestehen in multiplen
Tics. Dabei handelt es sich um Zuckungen der Gesichtsmuskulatur, der Extremitäten oder des
ganzen Körpers. Im zweiten Stadium kommt es zu unartikulierten Schreien und im letzten
Stadium kommt es zur Echolalie. Dabei wird Gesagtes oder beobachtete Handlungen
wiederholt. Gleichzeitig werden obszöne Wörter verwendet, unabhängig vom sozialen
Umfeld. Im Regelfall ist die Intelligenz nicht betroffen. Allerdings gibt es große Probleme
beim Zeichnen und Erinnern komplexer geometrischer Figuren. Das schlechte Abschneiden
beim Chicago-Wortflußtest lässt auf eine orbitofrontale Dysfunktion schliessen. Wie EEGUntersuchungen gezeigt haben, sind die Bewegungen der Tics unbewusst, beziehungsweise
unwillkürlich. Leider liegen kaum Autopsiebefunde vor. Dennoch scheinen die Basalganglien
involviert zu sein. Durch die Gabe von zum Beispiel Haloperidol, einer antidopaminergen
Substanz, werden die Symptome gedämpft. Erst in den letzten Jahren stieg das Interesse an
dieser Erkrankung.
7.3 Die Parkinson-Erkrankung
Die Parkinson-Erkrankung, auch als Schüttellähmung bekannt, wurde erstmals vollständig
von James Parkinson 1817 beschrieben. Dennoch waren einige Symptombeschreibungen
schon zu Zeiten von Galen bekannt. Diese Erkrankung tritt relativ häufig auf. Man schätzt
dass rund 0.1 bis 1% der Bevölkerung davon betroffen sind. Die Parkinsonerkrankung besitzt
vier Hauptsymptome: Tremor, Rigor, Akinese und Haltungsstörungen. Diese Störungen treten
in unterschiedlichen Körperteilen und in unterschiedlicher Kombination auf. Man
unterscheidet zwischen positiven und negativen Symptomen. Unter positiven Symptome
versteht man Verhaltensweisen, die man bei gesunden Personen normalerweise nicht
beobachten kann, während negative Symptome den Verlust von normalen Verhaltensweisen
bezeichnen.
Zu den häufigsten positiven Symptomen zählen Muskelstarre,
Ruhetremor und
unwillkürliche Bewegungen.
Bei der Muskelstarre widersetzen sich die Muskeln der passiven Bewegung. Mit einiger Kraft
können die Muskeln dennoch ein kleines Stück bewegt werden. Dann widerstehen sie wieder.
Es ist möglich eine Bewegung durchzuführen, aber nur ruckartig und langsam.
Wenn sich die Extremitäten in Ruhe befinden, kommt es zu Bewegungen. Besonders bekannt
ist die Pillendreherbewegung, bei der die Patienten scheinbar mit dem Daumen und
Zeigefinger eine Pille drehen.
Die unwillkürlichen Bewegungen kann es stundenlang zu Haltungsänderungen kommen.
Manchmal kommt es auch zu Augen- oder Kopfbewegungen in eine Richtung.
Zu den negativen Symptomen der Parkinson-Erkrankung zählen Akinesie,
Sprachstörungen,
Gehstörungen und
Haltungsstörungen.
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Das motorische System
91
Bei der Akinesie kommt es zur Bewegungsverlangsamung beziehungsweise zu einer
Verarmung der Bewegungen. Die Gestik und Mimik ist nur mehr schwach ausgeprägt.
Genauso können Bewegungswiederholungen nur schwer ausgeführt werden.
Bei der Sprachstörung können die Patienten nur schwer Laute bilden, beziehungsweise die
Tonalität in einem Satz fast nicht verändern.
Parkinson-Patienten haben Probleme den ersten Schritt einer Gehbewegung einzuleiten. Da es
zu Problemen mit der Gleichgewichtssteuerung kommt, trippeln sie in kleinen Schritten. Die
Schritte werden zunehmend kleiner bis es zum Laufen kommt.
Bei den Haltungsstörungen können die PatientInnen eine bestimmte Lage nicht halten. Teile
des Körpers können nicht im Vergleich zu anderen Teilen in normaler Position gehalten
werden. So kann es sein, dass der Kopf einer Person nach vorne neigt, oder die Person als
ganzes allmählich nach vorne sinkt, bis die Person auf den Knien landet.
Die Symptome entwickeln sich langsam. Meist braucht es bis zu zwanzig Jahre, bis sich alle
Symptome voll ausbilden und man von einer Behinderung sprechen kann. Typischerweise
manifestieren sich die Symptome unvermittelt und verschwinden dann auch wieder
unvermittelt – zumindest für eine bestimmte Zeit.
Es gibt drei Ursachen für die Parkinson-Erkrankung: idiopathisch,
postencephalitisch und
medikamenteninduziert.
Die Ursache der idiopathischen Erkrankung ist unbekannt. Sie kann familiär, altersbedingt
oder auch durch Viren bedingt auftreten. Sie tritt meist erst nach dem 50. Lebensjahr auf.
Bei der postencephalitischen Form liegt der Ursprung in der Schlafkrankheit. Die Personen,
welche die Virusinfektion überlebten, zeigten starke Symptome von der
Parkinsonerkrankung.
Bei der medikamenteninduzierten Form verursachen hohe Dosen von Tranquilizer
(Dopaminblocker) und Neuroleptika Symptome, die zu der Parkinsonerkrankung
ununterscheidbar sind. Allerdings sind die Symptome reversibel.
Obwohl es unterschiedliche Ursachen für diese Erkrankung gibt, scheint es eine gemeinsame
Ursache zu geben. Entweder ist die Substantia nigra zerstört, oder die Aktivität der Zellen
dieses Kernes wird blockiert. Bei den Patienten befindet sich meist nur mehr ein Bruchteil
von Homovanillinsäure, einem der wichtigsten Metaboliten des Dopamin, im Urin. Es kommt
aber auch zu einer Degeneration von Neuronen in den Basalganglien.
Leider ist die Parkinsonerkrankung nicht heilbar. Die Degeneration der Neuronen in der
Substantia nigra lässt sich nicht stoppen. Aber die Symptome können gelindert werden. Meist
können hohe Gaben von L-Dopa die Symptome stark lindern. Das L-Dopa kann im Gehirn
leicht in Dopamin, das selber nicht die Blut-Hirnschranke überwinden kann, von den
verbleibenden dopaminergen Neuronen umgewandelt werden. Dadurch schütten die
übriggebliebenen dopaminergen Neuronen mehr Dopamin aus und der Verlust wird zu einem
bestimmten Anteil wettgemacht. Zusätzlich werden Anticholinergica zur Blockierung des
cholinergen Systems verabreicht. Damit können erhalten die wenigen Dopminneuronen eine
erhöhte Effektivität.
Es scheint zusätzlich zu einer Beschleunigung des Redeflusses und auch des Denkflusses zu
kommen. Gleichzeitig kann es auch zu einer Verarmung der Emotion, der Motivation und des
Interesses kommen.
Möglicherweise degenerieren auch die dopaminergen Neuronen, die in den präfrontalen
Cortex projizieren. So schneiden Personen beim verbalen Gedächtnis als auch beim
Wisconsin-Kartensortiertest bedeutend schlechter ab, als gesunde Probanden.
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92
Brain Modelling
7.4 Stottern
Beim Sprechen sind über 100 Muskeln beteiligt. Es ist die komplizierteste Bewegungsform
überhaupt, zu der ein Mensch fähig ist. Es bedarf einer äußerst exakten Koordination. Es
müssen nicht nur zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Muskeln angeregt werden, sondern es
muss auch der Grad der Erregung exakt gesteuert werden.
Es müssen rund 10 bis 15 Laute pro Sekunde produziert werden, damit wir eine verständliche
Sprache hören können.
Wenn wir uns beim Reden nicht mehr selbst hören, dann wird unsere Stimme instabil und die
Sprachmelodie verflacht. Die Rückkopplung scheint sehr wichtig zu sein. Wir unterscheiden
zwischen der Rückkopplung über neurale Strukturen und der Rückkopplung über das Gehör.
Einer der bekanntesten Störungen des Sprechens ist das Stottern. Rund 1% der Bevölkerung
ist davon betroffen. Dabei ist der Redefluss unterbrochen. Die Person weiß genau was sie
sagen will, aber der Stimmapparat ist nicht in der Lage die Laute in der richtigen Abfolge zu
artikulieren. Die Sprechbewegung kann nicht störungsfrei durchgeführt werden. Das
Phänomen Stottern ist schon lange bekannt. Es gibt 2500 Jahre alte Berichte aus dem alten
China. Genauso verfügten die alten Ägypter über eine Hieroglyphe, die im antiken Ägypten
für das Stottern gestanden haben soll.
Ursachen für das Stottern konnten bisher nicht gefunden werden. Das Stottern dürfte während
der Kindheit, wenn sich das Sprechen am stärksten entwickelt, entstehen. Bei den meisten
Kindern verschwindet das Stottern wieder. Knaben sind meist stärker betroffen, als Mädchen
und die Wahrscheinlich zu Stottern ist höher, wenn einer der Verwandten ebenfalls eine
stotternde Person ist. Dadurch wird eine genetische Ursache vermutet.
Beim Stottern müssen wir zwischen dem idiopahtischen Stottern ohne offensichtlichen Anlass
(developmental stuttering) und dem erworbenen Stottern (acquired stuttering) unterschieden
werden. Das erworbene Stottern tritt im erst plötzlich im Erwachsenenalter auf und ist fast
nicht erforscht. Dennoch ist die Symptomatik identisch. Man vermutet, dass das erworbene
Stottern auf Medikamentenmissbrauch, Schlaganfall, Tumore oder degenerative
Erkrankungen zurückzuführen ist. Dabei spricht man von einem neurogenen Stottern,
während Stottern, das im Erwachsenenalter durch ein psychisches Trauma auftritt, als
psychogenes Stottern bezeichnet wird. Dabei scheinen Depressionen und Angststörungen
einen wichtigen Anteil an den psychogenen Formen einen wichtigen Anteil zu haben.
Zusätzlich gibt es noch die Störung des Polterns. Dabei zeigen die Personen weniger
Verkrampfungen und die Sprechunflüssigkeit findet eher auf der Wortebene als auf der
Lautebene statt.
Beim Stottern kommt es zu Repetitionen und Prolongationen. Es scheint eine Schwierigkeit
zu bestehen, zum nächsten Laut überzugehen. Es kommt zu häufigen Wiederholungen und
Dehnungen von Lauten oder Silben. Beim Stottern gibt es kein Problem mit der Erzeugung
einzelner Laute, sondern das Problem tritt ausschließlich im Redefluss auf. Unter Repetition
versteht man die Wiederholung von einzelnen Wörtern („kann – kann - kann“) oder einzelner
Silben („ka – ka - kann“) und einzelner Laute (k – k - kann). Bei der Prolongation handelt es
sich um eine hörbare Unterbrechung des Redeflusses, während die Lautproduktion fortgesetzt
wird („ffffast“). Bei Blocks ist die Lautproduktion und der Atemfluss unterbrochen („- - kann“).
Es gibt auch die Unterscheidung zwischen dem klonischen und dem tonischen Stottern. Beim
klonischen Stottern kommt es zu „hämmernden“ Wiederholungen von Lauten, Silber oder
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Das motorische System
93
Wörtern, während beim tonischen Stottern die Sprache von relativ lang andauernden
Verkrampfungen der Sprechmuskulatur gekennzeichnet ist („Poli ----- tik“).
Zusätzlich zum Kernverhalten zeigt sich in der Sekundärsymptomatik eine
Muskelanspannung, ein Fluchtverhalten, das im Neuansetzen des Wortes zeigt, und dem
Vermeidungsverhalten, indem Sprechsituationen allgemein beziehungsweise problematische
Wörter vermieden werden. All diese äußeren Symptome werden dann noch von inneren
Symptomen wie Angst, Frustration, Scham und Aggression begleitet. Dies kann zu einem
negativen Selbstbild führen.
Allgemein konnte man beim Stottern eine Dyskoordination bei der Atmung, der Phonation
und der Artikulation feststellen. Entweder ist die Muskelaktivität zu stark, oder es kommt zu
einer Kokontraktion antagonistischer Muskelpaare. Die Fehlsteuerung der Atmung ist aber
keine Ursache, sondern sie entwickelt sich erst im Laufe der Zeit. Stotterereignisse sind nicht
zufällig verteilt, sondern bestimmte phonetische und syntaktische Eigenschaften von Wörtern
beeinflussen deren Auftretungswahrscheinlichkeit. Besonders häufig treten Stotterereignisse
auf, wenn Wörter mit einem Konsonanten beginnen, bei langen Wörtern, bei den ersten drei
Wörtern in einem Satz, den Anfangslauten von Wörtern und betonten Silben. Man kann
beobachten, dass beim ersten Wort eines Satzes die Wahrscheinlichkeit zu Stottern am
höchsten ist. Zusätzlich werden Anfangsbuchstaben häufiger gestottert, als Buchstaben im
Inneren eines Wortes. Beim mehrmaligen Lesen eines Textes stottern Personen häufig an den
selben Stellen. Allerdings gibt es interindividuell große Unterschiede. Lerneffekte die
möglicherweise bei mehrmaligem Lesen auftreten können ausgeschlossen werden, da auch
beim Lesen nach mehreren Wochen dieselben Stotterereignisse auftreten. Erwachsene können
ziemlich genau vorhersagen, mit welchen Wörtern es Probleme gibt. Dieses Phänomen wird
als Konsistenzeffekt bezeichnet. Es gibt die Meinung, dass die Personen vorhersagen, dass sie
bei einem speziellem Wort zu stottern beginnen. Durch diese Erwartungshaltung soll es dann
tatsächlich zum Stottern kommen. Dies ist eine Meinung aus der Psycholinguistik.
Man vermutet verschiedene Ineffizienzen in der motorischen Rückkopplung:
1) Die Sprechimpulse werden zu rasch vom Gehirn abgegeben. Die Muskulatur kann nicht
Schritt halten.
2) Die Sprechimpulse werden vom Gehirn unregelmäßig, teilweise verzögert, abgegeben.
3) Die überspannten Muskeln, die für die Sprache zuständig sind, können nicht reagieren.
Unter bestimmten Umständen kann das Stottern teilweise sogar vollständig reduziert
beziehungsweise vermieden werden. Darunter fällt Simultansprechen (Vorlesen mit einer
anderen Person), Chorsprechen (Vorlesen gemeinsam mit einer ganzen Gruppe), Singen und
eine starke Verlangsamung des Sprechens. Dabei scheint das bewusste Sprechen von
Bedeutung zu sein. Denn wird nach längerer Zeit in der verfremdeten Form gesprochen, dann
kommt es wieder zu Stotterereignissen.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, das Stottern zu verhindern. Dazu gibt es apparative
Sprechhilfen wie das Metronom, die Maskierung sowie Geräte die eine verzögerte und
frequenzverschobene auditive Rückmeldung für das Gehirn liefern.
Beim Metronom wird das Sprechen einem regelmäßigen Takt unterworfen. Die Silben
werden in einem regelmäßigen Rhythmus mit annähernd gleicher Betonung produziert.
Unter der Maskierung versteht man die Vermeidung der auditiven Weiterleitung und
Rückkopplung von Schall durch die Knochen beziehungsweise durch die Luft. Tragbare
Maskierungsgeräte produzieren annähernd weißes Rauschen für die Ohren. Dadurch wird
eine auditive Rückkopplung verhindert. Für eine Stotterreduktion ist aber leider eine
Lautstärke von rund 90 bis 100 dB notwendig, was nahe an der Schmerzgrenze liegt. Durch
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94
Brain Modelling
die Maskierung wird die Sprache lauter, die Grundfrequenz erhöht sich, die Sprechrate wird
langsamer und die Vokale werden gedehnt.
Bei der verzögerten auditiven Rückmeldung wird dem Sprecher das eigene Sprachsignal mit
einer bestimmten Zeitverzögerung unverändert über die Ohren angeboten. Man verwendet
Zeitverzögerungen von ein paar Millisekunden bis hinauf zu einer halben Sekunde. Es konnte
gezeigt werden, dass Personen, die sprachunauffällig sind, mit einem zeitlich verzögertem
Sprachsignal zu Stottern beginnen. Dieser Effekt wird als Lee-Effekt bezeichnet. Umgekehrt
verhindert die Rückkopplung das Stottern. Zu beachten ist aber, dass die Verzögerungszeiten
wichtig sind. Wählt man die Verzögerungszeit zu groß, dann beginnen auch Personen die
Stottern künstlich zu stottern. Bei Personen, die Stottern wählt man eine Verzögerungszeit
von 50 bis 100 ms. Diese Zeiten sind am wirkungsvollsten.
Bei all diesen apparativen Hilfen kann das Stottern dauerhaft, solange das jeweilige Gerät
verwendet wird, stark reduziert werden. Nach dem Abschalten tritt das Stottern wieder
unvermindert auf. Interessanterweise geht das Stottern unter Gabe von Haloperidol
(Dopaminblocker) zurück. Es führt zu einer erhöhten Sprechflüssigkeit.
Es gibt auch Untersuchungen, ob sich stotternde Personen von nicht-stotternden Personen
unterscheiden. Dazu stehen motorische Fähigkeiten im Vordergrund. Bei einfachen
rhythmischen Mustern gab es hinsichtlich der Kraft, Regelmäßigkeit und Genauigkeit keine
Unterschiede. Bei komplexen sequenziellen Fingerbewegungsaufgaben mit längeren
Ausführungszeiten treten größere Unterschiede auf. Genauso zeigen Kinder, die Stottern, und
Kinder mit Artikulationsstörungen langsamere Reaktionszeiten bei manuellen Aufgaben, als
Kinder ohne Sprachprobleme.
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Aus welchen Teilen und welche Aufgaben besteht bzw. hat das motorische System?
Welche Defizite beobachtet man bei einer Läsion des Kleinhirns?
Wie werden Muskeln bei einer linearen Bewegung durch die Großhirnrinde aktiviert?
Erläutern sie die Rückkopplungen der Basalganglien (inkl. chem. Prozesse).
Was verdeutlicht das Spiel „LIVE“?
Wie entwickelt sich diese Figur (Hinweis: Sie wird „Gleiter“ genannt)?
Was versteht man unter der Chorea Huntington Erkrankung?
Welche Symptome zeigen sich beim Tourette-Syndrom?
Was versteht man unter positiver/negativer Symptomatik?
Schildern sie die Symptomatik bei der Parkinson-Erkrankung.
Wie kann man Parkinson-Patienten behandeln?
Welche Arten des Stotterns gibt es?
Was ist der Lee-Effekt?
Wie kann das Stottern behandelt werden?
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Das motorische System
95
chr – chr -chr
schnarch - schnarch
Der
Schlaf
Beim Menschen ist Schlaf NICHT bloß eine fehlende Wachheit oder ein Ruhezustand des
Gehirns. Bei vielen Tieren ist der Schlaf nur ein Ruhezustand, die elektrische Aktivierung ist
vermindert. Beim Menschen ist der Schlaf eine spezielle Aktivität des Gehirns, wo
komplizierte und präzis arbeitende Mechanismen ablaufen. Das Gehirn bleibt aktiv, es
werden aber keine Sinnesreize verarbeitet.
Das Gehirn steuert nicht nur den Schlaf, es ist auch Hauptnutznießer: Zu wenig Schlaf führt
zu mangelnder Aufmerksamkeit und unkoordinierten Bewegungen. Das Lernen ist
eingeschränkt. Bei weiterem Entzug entstehen Halluzinationen und der Unterschied zwischen
Rationalem und Irrationalem kann nicht mehr festgestellt werden. Es kommt in weiterer Folge
zum Wahnsinn.
Durch die EEG-Ableitungen ist man in der Lage den Schlaf in verschiedene Stadien zu
unterteilen. Wesentlich sind 2 Parameter: die Frequenz und die Amplitude der EEG-Wellen:
Schlafstadien
I
II
III
IV
Frequenz [Hz]
4-8
8-15
2-4
0.5-2
Amplitude [µV]
50-100
50-100
100-150
100-200
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96
Brain Modelling
Abb.6.1: Verschiedene Schlafstadien im EEG.
Nach einem Dämmerzustand wird das Schlafstadium I erreicht. Danach wird dann über die
Stadien II und III die Tiefschlafphase IV erreicht. Nach einiger Zeit beginnt der Körper
wieder "aufzuwachen". Das heißt die Phasen III, II und I werden durchlaufen (Reihenfolge
beachten). Das Individuum beginnt aber nicht aufzuwachen, sondern es setzt die REM-Phase
(rapid eye movement) ein. Nach der REM-Phase werden wieder alle Schlafphasen
durchlaufen bis die Tiefschlafphase erreicht wird und so weiter.
I
I
II
II
III
IV
III
REM
t
I
II
III
IV
Tiefschlafphase
Schlaftiefe
Abb. 6.2: Der Verlauf des Schlafes, bzw. der Tiefschlafphasen und der REM-Phase.
___________________________________________________________________________________
Der Schlaf
97
Von Beginn einer REM-Phase über die Tiefschlafphase bis zu Beginn einer neuen REMPhase vergehen durchschnittlich 100 Minuten. Diese Zeit ändert sich während des Schlafes
nicht. Im Laufe der Nacht ändern sich nur die relativen Anteile zwischen den REM und den
non-REM-Phasen. Zu Beginn des Schlafes dauert eine REM-Phase zwischen 5 und 10
Minuten, am Ende kann die REM-Phase rund 20-50 Minuten dauern.
Der Schlaf-Wachzustand des Gehirns wird von der Formatio Reticularis des Mittelhirns
gesteuert. Im Wachzustand innerviert die Formatio Reticularis die spezifischen
Thalamuskerne. Damit können sich keine Rückkopplungen zwischen dem betreffenden
Cortexareal und dem Thalamus ausbilden. Im Schlaf feuert die Formatio Reticularis nicht.
Die Impulse vom Thalamus zum Cortexareal und retour werden nicht gestört und es kann eine
thalamo-cortico-thalmische Rückkopplung entstehen.
Bei Katzen wurde festgestellt, daß eine Reizung von Thalamuskernen zu Schlaf-, eine
Reizung der Formatio Reticularis zu einem Aufwach-Verhalten führt. Beim Menschen
regulieren die Nervenzellen des Locus Coeruleus im Stammhirn den Wachzustand über die
Ausschüttung von Noradrenalin in
der ganzen Großhirnrinde. Im nonREM-Schlaf
wird
weniger
Noradrenalin ausgeschüttet, in der
REM-Phase ist dieser Kern praktisch
nicht aktiv.
Die REM- beziehungsweise die nonREM-Phasen werden über spezielle
Zellen in der Formatio Reticularis der
Brücke gesteuert. Über diese Zellen
werden sehr viele Prozesse beim
Schlaf gesteuert.
Beim Einschlafen werden die
sensorischen Neuronen, die über das
Rückenmark ihre somatosensorischen
Reize weiterleiten, gehemmt. Das
führt
zu
einer
verminderten
Wahrnehmung über die Haut und die
Muskelstellung. Etwas später werden
alle sensorischen Systeme gehemmt,
Abb. 6.3: Steuerung der thalamo-cortico-thalmischen
das heißt diese Systeme können keine
Rückkopplungsschleife durch die Formation reticularis.
Information an den Thalamus
weiterleiten. Es kommt zusätzlich zu
einer motorischen Lähmung. Die Formatio Reticularis hemmt die Motoneuronen im
Rückenmark. Das heißt, das Gehirn kann keine Bewegungen mehr ausführen.
Da die Formatio Reticularis den Thalamus nicht mehr aktiviert, kommt es zu langsamen
Wellen mit einer hohen Amplitude im EEG der Großhirnrinde. Wenn eine REM-Phase
erreicht wird, dann entstehen PGO-Wellen (Pons - Geniculatum - Orbito-temporal-lateral
Cortex). Diese Wellen nehmen ihren Ausgang in speziellen Zellen in der Brücke (pons).
Diese Zellen aktivieren den Thalamus (geniculatum), was zu einer zufälligen Aktivierung der
Großhirnrinde führt. Gleichzeitig wird auch die Großhirnrinde über diese Zellen direkt
aktiviert. Man kann sagen, daß Gehirn wird mit zufälligen und scheinbar sinnlosen Inputs
überschwemmt. Die PGO-Wellen dienen als eine interne Informationsquelle.
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98
Brain Modelling
Die PGO-Zellen feuern
wahllos in Zielgebiete des
Hinterhauptslappen.
Das
führt dazu, dass die Gruppen
von Neuronen in der
Großhirnrinde, die tagsüber
aktiv waren, eine erhöhte
Wahrscheinlichkeit
haben
sich zu synchronisieren.
Daraus folgen unter anderem
die Erinnerungen an das
Tagesgeschehen.
Gleichzeitig wird das basale
Vorderhirn aktiviert. Über
cholinerge Fasern wird der
Hippocampus aktiviert. Das
PGO-Zellen
heißt, die Muster, die im
Laufe
des
Tages
im
Hippocampus „eingespeichert“ wurden, werden nun aktiviert. Über die retrograden
Verbindungen vom Hippocampus zum Hinterhauptslappen werden nun zusätzliche Muster in
den Hinterhauptslappen eingespeist.
basales Vorderhirn
resultierende
thalamo-cortico-thalmischen
Rückkopplungsschleifen
neue Verknüpfungen =
"neue" Assoziationen
PGO-Zellen
In der Großhirnrinde sind
viele
Gebiete
direkt
aktiviert worden. Über die
Aktivierung des Thalamus
wurden zusätzlich andere
Gebiete der Großhirnrinde
aktiviert. Dies geschieht
über die thalamo-corticothalmischen
Rückkopplungsschleifen. Aufgrund
der lokalen Hemmung in
der Großhirnrinde verschwinden wieder viele
dieser
Synchronisationen
(Gedanken).
Nur
die
Gebiete die sich über eine
Rückkopplung gegenseitig
aktivieren, bleiben weiter
aktiv.
Diese
Aktivität
herrscht dann während der
Tiefschlafphase vor.
Non-REM: Der Cortex bekommt keinen Input, die Motoneuronen im Rückenmark sind
gehemmt.
REM:
Der Cortex wird mit zufälligen Aktivierungen über die PGO-Zellen und den
Aktivierungen der Muster aus dem Hippocampus überschwemmt. Es kommt zu
lokalen Synchronisationen. Die Motoneuronen im Rückenmark sind stark
gehemmt.
Aufwachen: Die Verbindung zwischen den sensorische Systemen und dem Thalamus wird
wieder hergestellt, das Rückenmark kann wieder motorische Aufgaben
wahrnehmen.
___________________________________________________________________________________
Der Schlaf
99
Nicht nur die neurale Aktivität ändert
sich im Schlaf. Auch die chemische
Modulation ist massiv verändert. Im
Wachzustand ist das colinerge System
(Acetylcholin) ungefähr so aktiv wie
das aminerge System (Noradrenalin,
Dopamin, Serotonin). Im non-REMSchlaf sinkt die Aktivität beider
Systeme. Im REM-Schlaf sinkt die
Aktivität des aminergen Systems
praktisch auf Null, während das
cholinerge System besonders aktiv (wie
im Wachzustand) ist. Das cholinerge
System wird mit der Lernfähigkeit in
Zusammenhang gebracht.
Konzentration [WE]
2
Cholinerger Spiegel
1
Aminerger Spiegel
0.1
Wachen
Non-REMSchlaf
REMSchlaf
Im Traum ist die Urteilsfähigkeit und Einsicht stark herabgesetzt. Man träumt in allen Phasen
des Schlafes. Allerdings ist das Erinnerungsvermögen im REM-Schlaf bedeutend besser, da
das cholinerge System aktiv ist. In der REM-Phase erleben wir meist sehr bizarre Situationen
und unsere Gefühle sind stark beteiligt. In der non-REM-Phase erinnern wir uns in 10% der
Fälle in der Regel an einfache Bildfolgen und Handlungsstrukturen. Diese Bildfolgen und
Handlungsstrukturen stehen in einem engen Zusammenhang zu dem Tagesgeschehen.
Der Schlafwissenschaftler Hobson schlug ein Modell für verschiedene Bewußtseinsustände
vor, indem er wesentliche Parameter, die den Schlafzustand beschreiben, verwendet:
1) Aktivierung: Entspricht der Impulsrate der Formatio Reticularis
2) Input:
Gelangt der Input über die sensorischen Systeme oder über die PGO-Zellen in
das Gehirn.
3) Modus:
Welches der chemischen Systeme ist aktiv (aminerg, cholinerg) ?
Zustandsraum
Elektroschocktherapie
Wachzustand
Halluzination
Non-REM-Schlaf
Aktivierung
Koma
REM-Schlaf
Abb. 6.4: Die Punkte auf einem Würfel repräsentieren verschiedene Bewusstseinszustände.
Mit diesem einfachen Modell können verschiedene Zustände des Bewusstseins beschrieben
werden.
____________________________________________________________________________________________
100
Brain Modelling
___________________________________________________________________________
Welche Schlafstadien kenne sie und wodurch sind sie charakterisiert?
Wodurch wird die REM-Phase ausgelöst?
Wie und wo wirkt eine PGO-Welle?
Wofür steht REM?
Was passiert im Gehirn während des REM-Schlafs?
Was passiert im Gehirn während des non-REM-Schlafs?
Erläutern sie das Bewusstseinsmodell nach Hobson.
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Der Schlaf
101
Das
Gedächtnis
7.0 Das Arbeitsgedächtnis
Das Arbeitsgedächtnis ist ein Assoziationsgedächtnis, das multimodale Fakten aufnimmt und
miteinander abgleicht. Des weiteren werden auch "Vorstellungen" von diesem System
produziert.
An folgende Aufgaben ist das Arbeitsgedächtnis zum Beispiel beteiligt:
- Kopfrechnen mit Zwischensummen
- Überlegungen beim Schach
- Merken einer Telefonnummer für kurze Zeit
Allgemein gesprochen, ist das Arbeitsgedächtnis für schlußfolgerndes Denken mit einem
Zwischenspeicher verantwortlich.
Das Arbeitsgedächtnis ist Teil des präfrontalen Cortex und liegt im vorderen Bereich des
Stirnlappen. Dieser Teil ist verbunden mit allen sensorischen (mit Ausnahme des
Geruchsystems), motorischen und limbischen Funktionseinheiten. Durch das
Arbeitsgedächtnis werden viele cortico-cortico Bahnen gesteuert. Des weiteren gibt es eine
ausgeprägte Verbindung zum Schläfenlappen. Diese Verbindung ist für den aktiven Abruf des
Gedächtnisses essentiel. Eine Zerstörung des präfrontalen Cortex führt in leichter Form zu
einem Antriebsmangel, was sich bis zur Apathie steigern kann. Bei Verletzungen sind
normalerweise alte Erinnerungen nicht betroffen, sehr wohl aber die Schlußfolgerungen
mangelhaft.
Die ersten Experimente zum Stirnhirn wurden von Piaget durchgeführt. Er untersuchte ab
welchem Alter (proportional zum Reifegrad des Stirnhirns) Kinder eine Aufgabe mit
Zeitverzögerung lösen konnten. Es gibt zwei Schachteln. In eine der beiden wird vor den
Augen des Kindes ein Spielzeug hineingegeben, die andere bleibt leer. Dann wird das Kind
für einen kurzen Moment abgelenkt. Danach soll das Kind sagen (oder deuten) in welcher der
beiden Schachteln das Spielzeug wohl sei. Bis zum achten Monat versagen die Kinder, es gibt
nur eine Reflexantwort, während zu einem späteren Zeitpunkt in der Entwicklung die Antwort
praktisch immer korrekt ist.
Piagets Experimente wurden wesentlich verfeinert. Man trainierte einen Affen auf ein Kreuz
in der Bildmitte eines Bildschirms zu starren. Irgendwo auf dem Bildschirm erscheint ein
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102
Brain Modelling
Rechteck. Der Affe kann es zwar wahrnehmen, aber er darf nicht dorthinsehen. Danach
verschwindet das Rechteck. Erst wenn das Kreuz in der Mitte des Bildschirms verschwindet,
dann muß der Affe auf die ehemalige Position des Rechtecks sehen.
Bei den
Untersuchungen dieses Tests mit Zeitverzögerung konnte eine erhöhte Aktivität im Stirnhirn
für die Dauer der Zeitspanne des Merkens festgestellt werden.
Abbildung. 7.1: Darstellung der Augenbewegung auf einen Verzögerten Reiz und die damit verbundenen EEGKurven.
Diese Experimente werden als "Test auf die Verhaltensreaktionen mit Zeitverzögerung"
bezeichnet. Während der Phase der Entscheidung hat der Proband keine Anhaltspunkte. Er
muß auf sein kurzfristiges Gedächtnis zurückgreifen.
Damit sind wir in der Lage uns ein Objekt vorzustellen, auch wenn wir es gerade nicht
wahrnehmen. Damit ist es dem Mensch möglich, abstrakte Konzeptbildungen vorzunehmen.
Das Arbeitsgedächtnis dient der zentralen Steuerung von "bewußter" Aktivität, wo eine
selektive Aufmersamkeit benötigt wird.
7.2 Das Gedächtnis
Als Phänomen Gedächtnis bezeichnen wir die Fähigkeit Wissen zu Speichern und dieses
Wissen wieder abzurufen. Dieser Effekt wird auch als Lernen bezeichnet.
Lernen: Verknüpfen von zwei verschiedenen bekannten
Reizen für eine längere Dauer.
Das Lernen ist abhängig von verschiedenen Parametern:
1) Wiederholung: Wenn zwei Reize öfters gemeinsam präsentiert werden, dann können wir
uns besser daran erinnern.
2) Bedeutsamkeit:Wenn etwas wichtig ist für uns, dann werden wir es leichter lernen
3) Codierung:
Das Wissen muß in geeigneter Weise präsentiert werden. Zwei
Versuchsgruppen mußten eine Wortliste lernen. Die eine Gruppe sollte zu
den einzelnen Worten Assoziationen vornehmen, während die andere
Gruppe sich mit der Geometrie der Buchstaben beschäftigen sollte. Die
Gruppe mit den Assoziationen konnte sich später besser erinnern. Die
Information muß in bisherige Erfahrungen eingebunden werden. Einer
Gruppe von Schachspielern wurden verschiedene Konstellationen von
___________________________________________________________________________________
Das Gedächtnis
103
Schachfiguren realer Partien gezeigt. Die Schachspieler konnten die
Figuren fast perfekt an die richtigen Positionen stellen, während die NichtSchachspieler nur zwei bis drei Figuren an die richtige Stelle stellen
konnten. Wenn auf dem Schachbrett die Figuren zufällig verteilt waren,
konnte keine der Gruppen ein gutes Ergebnis liefern.
4) Kontext:
Das Umfeld, in dem man die Reizverknüpfung gelernt hat, ist wichtig. In
derselben Umgebung können die Versuchspersonen sich besser erinnern
als in einer anderen Umgebung.
5) Emotion:
Es gibt ein besseres Erinnern in einer traurigen Stimmung an negative
Erfahrungen.
Ebbinghaus stellte als erster Experimente zum Gedächtnis an. Er ließ Listen von sinnlosen
Silben (NEX, LAZ, JEK, ZUP, RIF) auswendig lernen.
Er untersuchte unter welchen Umständen man diese Liste leichter lernt beziehungsweise
vergisst. Die Vergessenskurve gibt an wie stark wir etwas in Abhängigkeit der Zeit vergessen.
Abbildung. 7.2: Darstellung der Vergessenskurve nach Ebbinghaus.
Gesetz von Ebbinghaus: Bei Anstieg der zu lernenden Menge steigt der Lernaufwand
unverhältnismäßig an.
Er stellte fest, dass es eine lineare Beziehung zwischen der Anzahl der Wiederholungen beim
Erlernen der Liste und dem korrekten Abruf der Liste gibt. Auf gut Deutsch:
Übung macht den Meister !
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104
Brain Modelling
Ebbinghaus konnte auch nachweisen, daß es einen Unterschied zwischen dem
Kurzzeitgedächtnis und dem Langzeitgedächtnis gibt. Der Begriff Kurzzeitgedächtnis wurde
dann vielfach und äußerst unterschiedlich verwendet. Wir wollen nun die unterschiedlichen
Gedächtnisarten nach der Verweildauer der Information klassifizieren:
sensorisches Gedächtnis
Arbeitsgedächtnis
Kurzzeitgedächtnis
Langzeitgedächtnis
Abbildung. 7.3: Verlauf der Einspeicherung in verschiedene Arten von Gedächtnissen.
sensorisches Gedächtnis: Die Verarbeitungszeit ist die Zeit bis eine Synchronisation
entsteht, beziehungsweise solange die Synchronisation im sensorischen Areal besteht (rund 1
Sekunde).
Arbeitsgedächtnis: Im Arbeitsgedächtnis können rund 7±2 Einzelheiten für rund 15
Sekunden bis zu wenigen Minuten gespeichert werden (Zum Beispiel eine Telephonnummer).
Es wird eine Rückkopplung zwischen dem (primären) sensorischen Cortexareal und dem
präfrontalen Areal hergestellt. Eidetiker, Personen mit einem "photographischem Gedächtnis"
besitzen ein Arbeitsgedächtnis mit einer relativ langen Dauer.
Kurzzeitgedächtnis: Verschiedene Reizkombinationen werden über NMDA-Rezeptoren in
einer speziellen Gehirnregion (temporaler Schläfenlappen - Hippocampus) für einige Stunden
bis wenigen Tagen gespeichert. Es gibt zwei Formen. Einerseits einen Art visuellen
Notizblock für die Form und die räumliche Position und andererseits der phonologische
Notizblock, in dem verbale Informationen gespeichert werden.
Langzeitgedächtnis: Im Langzeitgedächtnis werden die Information in der Regel ein Leben
lang gespeichert. Der Sitz scheint die Großhirnrinde zu sein, im speziellen die
Assoziationsfelder.
Trotzdem sind das Kurzzeitgedächtnis und das Langzeitgedächtnis zwei parallel
Mechanismen. Gleichzeitig können beide Formen abgerufen werden.
Das Gedächtnis kann aber auch noch nach anderen Kriterien unterteilt werden:
Explizites Gedächtnis: Wir lernen etwas über die Welt, Wissen über Menschen, Orte und
Dinge. Diese Gedächtnisform ist (größtenteils) ständig verfügbar in unserem Bewusstsein.
Der Gedächtnisinhalt kann anderen Personen leicht mitgeteilt werden. Es gibt zwei
Hauptklassen von expliziten Gedächtnisinhalten: das semantische und das episodische
Gedächtnis. Im episodischen Gedächtnis ist die persönliche Autobiographie gespeichert, wie
singuläre Ereignisse (Hochzeit) und Ort und Zeit bestimmter Fakten (Urlaub). Im
semantischen Gedächtnis ist unser Schulwissen (√144=12, Wo liegt Peru ?), die
Weltkenntnis, sowie semantisch-grammatikalisches Wissen gespeichert.
___________________________________________________________________________________
Das Gedächtnis
105
Implizites Gedächtnis: Wir lernen wie etwas zu tun ist, dies ist der Erwerb von motorischen
und wahrnehmungsbezogenen Fähigkeiten. Um den Gedächtnisinhalt am einfachsten zu
vermitteln, führt man ihn anderen Personen vor (Bewegung beim Sport). Diese
Gedächtnisform ist von reflexartiger und automatischer Natur. Es bildet sich langsam, und nur
Wiederholungen führen zu einer Verbesserung. Im Regelfall sollte der Abruf dieser
Gedächtnisinhalte ohne bewusste Anstrengung erfolgen. Die Inhalte werden in den beteiligten
sensorischen und motorischen Strukturen gespeichert. Es gibt zwei Hauptklassen von
implizitem (prozeduralem) Lernen: assoziatives und nicht-assoziatives Lernen (siehe
Wintersemester). Es zeigte sich, dass bei Tieren mit einer Temporallappenläsion die
klassische und die operante Konditionierung erhalten bleibt. Möglicherweise funktioniert die
Verknüpfung aber auch über den Mandelkern.
Wilder Penfield führte in den 40er Jahren eine Kartierung des menschlichen Cortex durch
elektrische Reizung durch. Mit einer Elektrode wurde verschiedene Areale des Gehirns
gereizt und die Reaktionen, der Patient war zu dem Zeitpunkt nicht bewusstlos, untersucht. Es
wurde festgestellt, dass bei einer Reizung des Temporallappens die Patienten in ungefähr 8%
der Fälle von zusammenhängenden Erinnerungen berichteten. Die Reizung des
Schläfenlappens führte sonst zu keiner Reaktion, im Gegensatz zu einer Reizung der visuellen
Sehrinde, wo der Proband glaubte zum Beispiel Lichtblitze wahrzunehmen.
Brenda Miller untersuchte die Auswirkungen von Verletzungen des Temporallappens. Es
stellte sich heraus, dass eine beidseitige Entfernung des Hippocampus (eine Struktur im
Temporallappen) zu einer anterograden Amnesie führt. Der Patient kann keine neuen
expliziten Gedächtnisinhalte lernen (speichern).
Bei Versuchen mit Tieren stellte sich heraus, dass zwei Strukturen wesentlich am
Gedächtnisaufbau beteiligt sind: die Amygdala (Mandelkern) und der Hippocampus. Wenn
bei Tieren der Hippocampus beidseitig zerstört wurde führte dies zu gemäßigten Amnesien.
Nur wenn die Amygdala und der Hippocampus zerstört waren, dann war die Amnesie
umfassend. Tiere bei denen die Amygdala entfernt wurde, lernten die Verknüpfung von Reiz
und Belohnung nur sehr langsam bis gar nicht. Die Amygdala und der Hippocampus sind mit
anderen Kernen sehr stark verbunden. Dieses System wird auch als limbisches System
bezeichnet.
Abbildung. 7.4: Darstellung des limbischen Systems. Teile dieses Systems sind für die Gedächtniseinspeicherung
verantwortlich.
Man versuchte verschiedene Strukturen oder auch Verbindungen dieses Systems zu zerstören
um die Auswirkungen auf das Gedächtnis zu untersuchen.
____________________________________________________________________________________________
106
Brain Modelling
Die Arbeitsgruppe von Mishkin meint, daß die Amygdala und der Hippocampus für das
deklarative Gedächtnis eine gleichartige Rolle spielen.
Die Neurowissenschafter Squire und Zola meinen, daß die CA1 und CA2 Region (eine
Teilstruktur des Hippocampus) für das Gedächtnis wesentlich sind.
Der Wissenschaftler Gaffan meint, daß nur über den Fornix (er verbindet den medialen
Temporallappen und diencephale Regionen) Gedächtnisinhalte gespeichert werden können.
Manch andere vermuten dass der Mammilarkörper essentiell ist und so weiter.
Die Zahl der Meinungen ist sehr groß. In einer Untersuchung konnte Markowitsch zeigen,
dass es wesentlich ist, wie die Läsionen den Tieren beigebracht wurden. Wenn mit dem
Skalpell operiert wurde, wurden meist auch andere Regionen oder Faserverbindungen in
Mitleidenschaft gezogen. Beim Absaugen von Gehirnbereichen wurden oft auch benachbarte
Strukturen zerstört, ähnlich wie beim Gefrieren. Da mit unterschiedlichen Methoden
gearbeitet wurde, ist es äußerst schwer die Experimente untereinander zu vergleichen.
Die Tierexperimente zeigten im wesentlichen, dass eine Entfernung des Hippocampus kaum
zu einer Beeinträchtigung des Gedächtnisses führt. Die Entfernung der Amygdala führt zu
massiven Einschränkungen beim Erwerb neuer Gedächtnisinhalte. Die Entfernung beider
Strukturen führt zu einer kompletten Unfähigkeit zu lernen.
Man unterscheidet 2 Arten von Amnesien (Gedächtnisstörungen):
retrograde Amnesie: Der Patient kann sich an früher gelernte Fakten oder Erlebnisse nicht
mehr erinnern. Meist ist nur das episodische oder das semantische Gedächtnis gelöscht. Selten
kommt es zu einer umfassenden retrograden Amnesie. So kann es zum Beispiel passieren, daß
ein Patient der sein semantisches Gedächtnis verloren hat, zwar nicht weiß daß er eine andere
Sprache gelernt hat, trotzdem diese Sprache aber anwenden kann.
anterograde Amnesie: Der Patient ist nicht in der Lage neue Gedächtnisinhalte (Fakten und
Autobiographie betreffend) zu speichern. Das Langzeitgedächtnis und das Arbeitsgedächtnis
funktionieren in der Regel normal und es können auch motorische Fertigkeiten gelernt werden
(vgl. verschiedene Arten von Gedächtnis).
Beim Menschen können keine Experimente durchgeführt werden. Leider kommt es aber zu
Schlaganfällen, Sauerstoffmangel, Entzündungen, Operationen oder Erkrankungen. Anhand
des verletzten Gebietes und eingehenden Untersuchungen ist man dann in der Lage Modelle
aufzustellen.
Es kann auch zu transienten – vorübergehenden - globalen Amnesien kommen. Alte Inhalte
gehen verloren und neue können nicht gebildet werden. Diese transienten Amnesien werden
durch einen epileptischen Anfall, durch eine Gehirnerschütterung beziehungsweise durch eine
Migräneattacke ausgelöst.
Patient F.R.: schwere anterograde und leichtere retrograde Amnesie, Schädigung der
Hippocampusregion.
Patient G.J.: Zugriff auf Gattungsnamen und spezielle Hauptwörter ist gestört, Umgang mit
betreffenden Gegenständen stellen kein Problem dar, Alzheimer-Krankheit.
Patient E.D.: retrograde Amnesie bezüglich der Autobiographie, beidseitige Verletzung des
Schläfenlappens.
Patient A.B.: schwere anterograde Amnesie und leichte episodische retrograde Amnesie,
beidseitiger thalmischer Infarkt.
Des weitern muss man unterscheiden welche Gedächtnisfehlleistungen genau auftreten. Bei
einem Patienten, Herrn B, war der linke Temporallappen zerstört. Er hatte ein gutes
Zahlengedächtnis, aber er konnte sich keine Geschichten merken. Beim Wechsler
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Das Gedächtnis
107
Gedächtnistest wird eine Geschichte vorgelesen, die der Patient nach einer bestimmten Zeit
dann möglichst genau nacherzählen sollte. Herr B fasste die gesamte Geschichte in einem
Satz inhaltlich falsch zusammen. Er konnte sich aber an Folgen von sieben Zahlen sehr genau
erinnern. Er konnte sich auch gut an geometrische Zeichnungen erinnern.
Bei Frau C, mit einem Tumor im rechten Temporallappen, zeigte sich ein konträres
Krankheitsbild. Sie konnte sich Geschichten gut merken, aber das Gedächtnis für
Zeichnungen war gestört. Das belegt, das bestimmte Gedächtnisinhalte im rechten und andere
im linken Temporallappen gespeichert werden.
Neben dem Wechsler-Test gibt es noch andere Tests für das Gedächtnis. So lernt man beim
Paarassoziationstest Wortpaare, wie Norden-Süden oder Kohlkopf-Federhalter, zu lernen und
nach einer bestimmten Zeit werden einzelne Wörter vorgelesen und man sollte das andere
Wort ergänzen. Beim Rey-Osterith-Test wird eine vorgegebene Graphik nachgezeichnet.
Nach 45 Minuten soll man dann die Graphik aus dem Gedächtnis nachzeichnen.
Es gibt dann noch einige Erkrankungen, die spezielle Regionen des limbischen Systems
betreffen.
Alzheimersche Krankheit: Amyloidablagerungen und Absterben von Neuronen im
Hippocampus,dem basalen Vorderhirn (Nucleus basalis Meynert und dem Kern des
diagonalen Bandes) und in der Großhirnrinde führt zu umfassender Schädigung des
Gedächtnisses.
Korsakow-Syndrom: Diese Erkrankung führt zu einer Zerstörung der (anterioren und)
medialen Thalamuskerne. In rund 50% der Fälle kommt es zu einer Zerstörung der
Mammilarkörper, die aber nach dem aktuellen Wissensstand keine Bedeutung für das
explizite Gedächtnis haben. Diese Erkrankung tritt meist bei chronischen Alkoholikern auf.
Die Intelligenz bleibt in der Regel erhalten, es gibt aber massive Probleme sich neue Fakten
zu merken. Ebenso ist eine retrograde Amnesie vorhanden. Emotionale Erlebnisse können
aber gespeichert werden. Es kommt zum Konfabulieren. Dabei werden scheinbar sinnvolle
Antworten gegeben, tatsächlich reden die Patienten um den heißen Brei herum und geben
nicht zu dass sie die Antwort nicht kennen. Mit den Patienten kann meist nur eine inhaltsleere
Konversation betrieben werden. Genauso haben diese Patienten einen Mangel an Einsicht
(vgl. Schädigung des präfrontalen Cortex). In extremen Fällen kommt es zu einer Apathie.
Psychogene Amnesie: Ausgelöst durch einen emotionellen Schock führt dies zu einer
retrograden Amnesie, die meist nach ein paar Wochen verschwindet.
Urbach-Wiethe Krankheit: Führt zu einer Verkalkung der Amygdala. Kein Einfluss auf
kognitive Gedächtnisformen. Massive Einschränkungen bei emotioneller Beurteilung von
Situationen oder der Gesichtsmimik.
So kann vorübergehender Alkoholgenuss beziehungsweise eine Elektrokrampftherapie
ebenso zu einem Gedächtnisverlust führen.
Bei all den Erkenntnissen zum Thema Gedächtnis sollte auch der Frage nachgegangen
werden, wozu der Mensch ein Gedächtnis benötigt. Vor Jahrtausenden musste der Nahrung
und Wasser suchen (zumindest war es früher aufwendiger als heute, wenn man in eine
Supermarktkette geht). Es war sehr praktisch, sich daran zu erinnern, wo es Nahrung und
Wasser gegeben hat. So scheint das Gedächtnis stark mit dem Ort beziehungsweise mit dem
Ortsgedächtnis zu korrespondieren.
In Amerika gibt es professionelle Spieler, die von einem zum nächsten Spielcasino ziehen und
sich ihr Geld verdienen. Sie spielen Black-Jack. Bei diesem Spiel werden 5 Kartensets zu je
52 Karten gemischt. Ingesamt ergibt sich ein Kartenstapel von 260 ungeordneten Karten.
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108
Brain Modelling
Dann beginnt das Spiel. Wenn ein Spiel beendet ist, werden alle Karten offen auf den Tisch
gelegt und sie kommen nach unten in den Kartenstapel. Dabei lässt sich kaum Geld verdienen
sondern dabei kann man nur Geld gewinnen oder eher verlieren. Wenn aber alle 260 Karten
für das Spiel verwendet wurden, dann beginnt das Spiel wieder mit den Karten die ganz am
Anfang verwendet wurden. Wenn man sich also noch an diese Karten erinnern könnte, dann
hat man eine sehr gute Gewinnchance, beziehungsweise weiß man, welche Karten der
Croupier hat. Man kann sich dann leicht ausrechnen, ob man Geld setzen sollte, weil man
bessere Karten hat, oder nicht. Es gibt einige Spieler, die versuche sich die Reihenfolge der
Karten zu merken, und das in einer Casinoatmosphäre. Leider werden die Karten auch nur
sehr flüchtig gezeigt. Wie schaffen es diese Spieler, sich die Reihenfolge der Karten zu
merken?
Dazu gibt es einen einfachen Trick. Ein Spieler hat in seiner Wohnung die Karten eines Spiels
verteilt. Das Herz As ist beim Kühlschrank, der Karo Bube beim Bett, der Pick Zehner ist
beim Fernseher und so weiter. Diese Zuordnung hat der Spieler perfekt gelernt. Wenn nun der
Reihenfolge nach die einzelnen Karten fallen, dann geht er in seiner Vorstellung in seiner
Wohnung zu dieser Karte. So braucht er sich nur den Weg merken. Interessanterweise ist es
leichter sich einen Weg zu merken, als sich die Reihenfolge der Karten. Das Ortsgedächtnis
scheint beim Menschen sehr ausgeprägt zu sein.
Dazu wurden verschiedene Experimente
entwickelte. Zum einen die Wasseraufgabe.
Dabei wird in einem Wasserbecken eine
Plattform versteckt. Das heißt die Plattform
befindet sich unter Wasser und das Wasser
ist meist milchig trüb, so dass man die
Plattform nicht sehen kann. Das
Wasserbecken befindet sich in einem
Raum,
in
dem
es
markante
Markierungspunkte wie ein Fenster, eine
Türe und Plakate gibt. Nun setzt man eine
Ratte in das Wasserbecken. Zu erst wird sie
zufällig durch das Becken schwimmen, bis
sie die Plattform ertastet. Am nächsten Tag
wird sie wieder in dem Wasserbecken
ausgesetzt, aber an einer anderen Position.
Dieses mal schwimmt die Ratte nicht
zufällig durch das Becken, sondern sie
schwimmt direkt auf die Plattform. Sie hat
sich
anhand
der
verschiedenen
Markierungen im Raum gemerkt, wo sich
relativ dazu die Plattform befindet.
Abbildung 7.5: Die Faserverbindungen zwischen den
einzelnen Rindenarealen, die für das Ortsgedächtnis
verantwortlich sind.
Ratten als auch Menschen können sich einen Ort durch einen einzigen Versuchsdurchgang
merken. Vögel können sich bis zu mehrere verschiedene tausend Plätze, an denen sie Futter
versteckt haben, merken. Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Größe des Hippocampus
und der Raumorientierung. Vögel, die mehr Futterdepots anlegen können, besitzen einen
größeren Hippocampus. Es gibt auch zwei typische Erkrankungen, die mit der
Raumorientierung zusammenhängen. Bei der topographischen Agnosie können die Patienten
einzelne Merkmale von Plätzen oder Gebäuden nicht identifizieren, während sie gleichzeitig
noch ganze Objektklassen, wie Kirchen oder Hochhäuser, identifizieren können. Bei der
topographischen Amnesie haben die Patienten eine Schwierigkeit einen Bezug zwischen
diesen Wegmarkierungen herzustellen. Sie haben Probleme zum Beispiel den Weg nach
Hause zu finden (Schädigung des rechten Temporallappens). Es kommt zu einer
topographischen Desorientierung.
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Das Gedächtnis
109
All diese Erkrankungen und Experimente führen zu folgenden Erkenntnissen:
Retrograde Amnesie: Der Informationsabruf ist geschädigt, wenn die Verbindung (fasciculus
unicatus) von den Schläfenlappenspitzen und dem Stirnhirn zerstört ist. Eine Läsion der
vorderen Zonen des limbischen Assoziationscortex führt zum Fabulieren.
Anterograde Amnesie: Eine Verletzung des medialen Temporallappens, mit den damit
verbunden Strukturen (Hippocampus), führt zu einer Störung des Abspeicherns neuer
Information (Reizkombination). Es kann sich kein neues Langzeitgedächtnis bilden.
Eine Zerstörung der cholinergen Zellen führt zu einer Amnesie.
Für Personen mit einer Amnesie gibt es verschiedene Tests. Ein interessanter Test führt bei
Amnestikern und Gesunden Personen praktisch immer zu gleich guten Ergebnissen, obwohl
er scheinbar das Gedächtnis überprüft.
Beim Collin-Test werden einzelne Bilder, am Anfang
unvollständig, zu Schluss vollständig, der Reihe nach dem
Probanden vorgelegt. Mit jedem weiterem Bild erhält der
Proband etwas mehr Information, bis der Proband das
Objekt, das auf dem Bild dargestellt ist, erkennen kann.
Nach einer bestimmten Zeit werden ihm die selben Bilder
wieder vorgelegt. Jetzt werden die Objekte aus den
Bildserien früher erkannt. Interessanterweise gibt es weder
zwischen Amnestikern und gesunden Probanden keinen
Unterschied. Es handelt sich dabei um eine Aufgabe für
das implizite Gedächtnis. Im Speziellen handelt es sich um
einen Prägungstest.
Der ventrolaterale Cortex der linken Hemisphäre ist für
das Lernen von Wortfolgen wichtig. Eine Schädigung
dieses Areals führt zu einer ausgeprägten retrograden
Amnesie.
Abbildung 7.6:
Gollin Tests.
Bilder
des
Umgekehrt verhindert eine linksseitige posterotemporale
Läsion das Wiederholen von Buchstaben, Ziffern, Wörter
und Sätze. Trotzdem liegt aber keine Amnesie vor.
Eine Schädigung des PTO bzw. des präfrontalen Cortex
führt zu einem Verlust des Kurzzeitgedächtnisses. Eine Schädigung des frontalen Cortex führt
zu Defiziten bei der zeitlichen Einordnung von Reizen.
Das Areal 8 im frontalen Cortex ist am
Kurzzeitgedächtnis für die Position eines
Objektes beteiligt. Sie empfängt Projektionen
aus dem PTO. Die Areae 9 und 46 spielen
eine Rolle beim Kurzzeitgedächtnis für
visuelle Objekte. Sie erhalten ihre
Projektionen aus dem Temporallappen.
Abbildung 7.7: Die Verbindungen, die für das
Kurzzeitgedächtnis für die Ortsbestimmung von
Objekten verantwortlich sind.
____________________________________________________________________________________________
110
Brain Modelling
Es wurden verschiedene strukturelle Modelle vorgeschlagen, um den Informationsweg zu
beschreiben. Leider ist der Hippocampus eine Region, die mit sehr vielen anderen Regionen
in unmittelbaren Kontakt steht. Es ist schwierig zu erkennen welche beteiligten Strukturen
wichtig sind, und welche nicht. So sollen nun einige Strukturpläne gezeigt werden.
Rhinaler Cortex
(Erkennen)
orbitofrontaler
Cortex
Hippocampus
(Raum)
Neocortex
Amygdala
(Emotion)
medialer
Thalamus
aufsteigende Systeme
cholinerg
serotonerg
noradrenerg
Abbildung 7.8: Die Verknüpfungen zwischen dem präfrontalem Cortex, den elementaren Strukturen des
Temporallappen und diverser Kerne.
Der mediale Thalamus stellt eine Verbindung zwischen temporalen Strukturen und dem
Frontallappen dar.
Gyrus cinguli
Hippocampus
Amygdala
Abbildung 7.9: Der Papez-Kreis
Die Leitungsbahn, die ursprünglich James
Papez vorgeschlagen hat, ist durch dicke Linien
gekennzeichnet. Diese Verbindungen sind
durch die Anatomie bekannt geworden. Die
Verbindungen, durch die dünnen Linien
gekennzeichnet, wurden erst in jüngerer Zeit
entdeckt und für wichtig erachtet. Aufgrund
von
Fehlinterpretationen
verschiedenster
Läsionen an Tieren vermutete man eine
wesentliche Bedeutung des Papezschen
Leitungsbogen (dicke Linien). Da aber
Verletzungen dieser verbindenden Struktur
beim
Menschen
keine
so
massiven
Schädigungen herbeiführten, musste das
Modell überdacht werden. Heute wird dieser
Schaltkreis als Modell für das Entstehen von
Emotionen betrachtet.
Die Synchronisationszustände in verschiedenen Rindenarealen (primärer Assoziations- oder
übergeordneter Assoziationscortex) werden über das Arbeitsgedächtnis im Hippocampus
kurzfristig (maximal 2 Tage ohne Auffrischung) gespeichert. Im Schlaf in der REM-Phase
werden das cholinerge System und die PGO-Zellen aktiviert. Die PGO-Zellen aktivieren
ihrerseits die Großhirnrinde und spezielle Thalamuskerne in zufälliger Weise. Das cholinerge
System aktiviert den Hippocampus und das Arbeitsgedächtnis. Durch die Aktivierung des
Hippocampus werden die gelernten Reizkombinationen über das Arbeitsgedächtnis wieder
aktiv. Nach der REM-Phase können nur stabile Synchronisationen, die durch den
___________________________________________________________________________________
Das Gedächtnis
111
Hippocampus angeregt wurden, zu einer cotico-thalmischen Rückkopplung führen. Das heißt,
die Neuronen die an der Reizkombination beteiligt sind, werden sehr oft aktivert. Man nimmt
an, daß eine starke Wiederholung der synaptischen Aktivität zu einem Umbau der Synapsen
führt. Dieser Umbau ist dann besonders stabil. Damit wäre die Entstehung des
Langzeitgedächtnisses erklärt.
7.3 Der Hippocampus
Der Hippocampus ist eine Region des medialen Temporallappens. Im Prinzip ist es eine
eingerollte Schicht der Großhirnrinde, die am unteren Saum des Schläfenlappens sitzt. Der
Hippocampus wird in 4 Regionen CA1, CA2, CA3 und CA4 unterteilt.
Abbildung. 7.10: Der Hippocampus im aufgerollten Zustand.
Diese Regionen sind massiv untereinander über verschieden Fasern verbunden. Die Neuronen
der CA1-Region besitzen NMDA-Rezeptoren. In der Graphik (a) sehen wir einen Querschnitt
durch den Hippocampus. In (b) ist die gesamte Hippocampusstruktur entrollt und man kann
die einzelnen Verbindungen besser erkennen.
Der Hippocampus ist mit vielen Teilen des Gehirns verbunden:
Unspezifische Eingänge des Hippocampus: reticuläres System des Hirnstamms,
Hypothalamus, Kern des diagonalen Bandes, unspezifische Thalamuskerne, Amygdala. Diese
Eingänge dienen dazu das Aktivierungsniveau in diesem Gebiet zu regulieren. Angst führt zu
einer Aktivierung der Amygdala, dies führt zu einer Hemmung oder auch zu einer
Aktivierung des Hippocampus. Über das reticuläre System wird die Aufmerksamkeit
gesteuert, und dies führt zu einer Aktivierung des Hippocampus was zu einer verminderten
oder gesteigerten Lernleistung führt. Über die unspezifischen Eingänge werden keine
kognitiven Informationen übertragen, sondern es wird eine Kontrolle über den Einfluss der
sensorischen Areale ausgeübt. Vor allem das anterior gelegene Ende hat starke Verbindungen
zu den subcorticalen Strukturen des Gehirns.
____________________________________________________________________________________________
112
Brain Modelling
Über die NMDA-Rezeptoren können synchrone Aktivitäten von Neuronen kurzzeitig
gespeichert werden. Untersuchungen zeigten, daß ein schwaches Reizmuster an einem
Neuron der CA1-Region keine LTP auslöst. Sind die beiden Reize aber synchron, so wird
eine LTP an beiden Dendritenästen ausgelöst (Assoziativität). Ist aber ein Reiz besonders
stark, ein Neuron feuert sehr oft, dann werden nur an dieser Kontaktstelle die NMDARezeptoren aktiv. Dies scheint nur ein Laboreffekt zu sein und für die allgemeine
Gedächtnisleistung ohne Belang.
Spezifische Eingänge des Hippocampus: Alle sensorischen und assoziativen Felder der
Großhirnrinde sind mit dem
Hippocampus verbunden. Über
diese
Felder
kann
eine
Reizkombination
eingespeichert
werden. Insbesonderes hat das
posteriore Ende des Hippocampus
reziproke Verbindungen mit dem
Temporallappen.
Der entorhinale Cortex stellt den
eigentlichen
Eingang
des
Hippocampus
dar.
Eine
Schädigung dieser Region führt zur
gleichen
Einschränkung
der
Gedächtnisleistung
wie
die
Zerstörung
des
Hippocampus
selbst. Über den perirhinalen und
parahippocampalen Cortex werden
die Verbindungen zwischen den
unterschiedlichen
Cortexarealen
hergestellt
und
über
den
entorhinalen Cortex soll sich der
Hippocampus "merken", welche
dieser Verbindungen im Laufe des
Tages aktiv waren.
Abbildung. 7.11: Die Anbindung des Hippocampus an
die Großhirnrinde.
Konsolidierung und Umbau der Synapsen:
Wenn eine Synapse eines Neurons in der Großhirnrinde besonders oft aktiv ist, ändert sich
der cAMP-Spiegel. Dies führt zu einer Aktivierung der davon abhängigen Proteinkineasen.
Dadurch wandern, wenn der cAMP-Spiegel ausreichend groß ist, katalytische Untereinheiten
zum Zellkern. Dort wird das CREB-1 Protein phosphorilisert. Dadurch werden Gene
eingeschalten, welche Modifikationen der Synapsen bewirken. Im Tierversuch konnte gezeigt
werden, dass das CREB-1 Protein zur Entwicklung neuer Synapsen führt.
7.4 Der kognitive Raum
Wenn wir uns in der Wohnung bewegen, oder im Supermarkt nach der Butter suchen, dann
befinden wir uns im realen Raum. Manchmal wird dieser Raum in der Neurowissenschaft
auch als Euklidischer Raum bezeichnet. In unserem Kopf gibt es aber auch einen internen
Raum. Wenn wir zum Beispiel gefragt werden, wie unsere Wohnung aussieht, dann stellen
wir uns die Wohnung vor und schildern dem Gegenüber unsere Vorstellung. Diese
Vorstellung von unserer Wohnung und seinen Gegenständen ist ein Teil des kognitiven
Raums. Natürlich ist dieser kognitive Raum nicht so exakt, wie der reale Raum. Er ist den
Bedürfnissen des Benutzers angepasst. Ein Autofahrer wird in seinem kognitiven Raum eine
___________________________________________________________________________________
Das Gedächtnis
113
gute Repräsentation des Straßennetzes seiner Umgebung haben, während er praktisch keine
Vorstellung von den öffentlichen Verkehrsmitteln hat.
Eine Eigenschaft des mentalen Raumes ist die mentale
Rotation. Das bedeutet, dass man einen Gegenstand im
Geiste so rotieren lassen kann, dass man sich die Rückseite
vorstellen kann, ohne dass man den Gegenstand berührt hat.
Die Abbildung 7.12 ist ein Beispiel dafür. Natürlich kann
man nur dann die richtige Punkteanzahl auf den hinteren
Seiten angeben, wenn man Spielwürfeln auch kennt.
Die räumlichen Fähigkeiten kann man in zwei große
Kategorien unterteilen. Einerseits die Visualisierung und
Abbildung 7.12: Was verbirgt
andererseits die Orientierung. Unter der Visualisierung
sich auf der anderen Seite?
versteht man die Fähigkeit ein Objekt im Geist zwei- oder
dreidimensional rotieren oder drehen zu lassen. Unter Orientierung versteht man die
Fähigkeit, sich durch eine veränderte räumlich Konfiguration sich nicht verwirren zu lassen.
So wurde vorgeschlagen, dass der kognitive Raum ähnlich dem realen Raum organisiert ist.
Es gibt sogenannte „kognitive Karten“ die im Hippocampus gespeichert, beziehungsweise
durch ihn vermittelt werden. Im Temporallappen finden sich die einzelnen Objekte des
kognitiven Raums mit ihren jeweiligen Beziehungen zueinander und über den Frontallappen
wird der Zugang zu den einzelnen Objekten hergestellt. Es scheint so zu sein, dass es zwei
unterschiedliche neurale Systeme gibt:
eines für die Erkennung des Objektes an
sich und eines für die Ortsbestimmung
des Objektes im Raum. Das scheint
damit zusammenzuhängen, dass es
keine direkte Verbindung zwischen
einem Objekt und dessen Position im
Raum gibt (Bei manchen Personen steht
der Schreibtisch am Fenster, bei manch
anderen ist es das Bett).
Viele Experimente zeigen, dass die
Landkarte unserer Umgebung im
Hippocampus gespeichert wird. Aber
Tiere, die eine Orientierungsaufgabe
lange vor oder lange nach der
Hippocampusentfernung lernen, haben
relativ wenig Probleme. Damit wäre
gezeigt,
dass
die
Tiere
nicht
ausschließlich einen Ort im Gehirn
haben, um ortsspezifische Relationen
herzustellen. Es scheint so, dass die
Information nur vorübergehend im
Hippocampus
zwischengespeichert
wird.
Abbildung 7.13: Die afferenten und efferenten
Verbindungen des Hippocampus zur Großhirnrinde.
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114
Brain Modelling
___________________________________________________________________________
Für welche Aufgaben benötigt man das Arbeitsgedächtnis?
Was bedeutet lernen?
Von welchen Parametern ist das Lernen abhängig?
Wie lautet das Gesetz von Ebbinghaus?
Welche Arten von Gedächtnissen gibt es und was wird dort gespeichert?
Welche Arten von Amnesien gibt es, und wie wirken sie sich aus?
Welche Erkrankungen gibt es, die das Gedächtnis betreffen?
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Das Gedächtnis
115
Neurotransmitter
Über Neurotransmitter werden Informationen übertragen. Glutamatrezeptoren wirken
erregend, wenn sich Glutamat bindet. Wird GABA an einem dafür geeigneten
Neurotransmitter gebunden, dann wirkt dieser Rezeptor hemmend auf das Aktionspotential
des nachgeschaltenen Neurons. Diese beiden Neurotransmitter dienen der
Invormationsvermittlung, das heiß es wird Information von einem Gebiet in ein anderes
transformiert. Neurotransmitter können aber auch modulatorisch wirken. Sie können in
einzelnen Regionen Synchronisation erleichtern oder unterbinden. Damit werden viele
Zustände des Gehirns geregelt.
Aminerges System: Noradrenalin, hemmend
Thalamus
Basalganglien
Amygdala
Hippocampus
Im Gehirn wird Noradrenalin
als Transmitter von Neuronen
synthetisiert, deren Zellkörper
im Locus coeruleus (blauer
Kern) sitzen. Dieser Kern im
Hirnstamm
übernimmt
zahlreiche
regulatorische
Funktionen. Obwohl diese
Neuronen in relativ geringer
Zahl vorliegen, ziehen ihre
Axone verstreut bis ins
Rückenmark, in das Kleinhirn
und in alle Bereiche der
Großhirnrinde.
Locus coeruleus
____________________________________________________________________________________________
116
Brain Modelling
Es
gibt
mehrere
Dopaminbahnen. Zuerst wurde
Dopamin im Streifenkörper
entdeckt. Dieser Bereich stellt
ein
motorisches
Kontrollzentrum
dar.
Die
Zellkörper für diese Bahn
befinden sich in der Substantia
nigra.
Eine
für
die
Schizophrenie wichtige Bahn
erstreckt sich vom unteren
Tegmentum zur Stirnrinde und
einzelnen Assoziationszentren.
Dopamin, hemmend
Corpus
striatum
Septum
Substantia
nigra
Area tegmentalis
anteroventralis
Aminerges System:
Serotonin ist der Transmitter
einer besonderen Gruppe von
Neuronen, deren Zellkörper
sämtlich in den Raphe-Kernen
des Hirnstamms liegen. Die
Ausläufer dieser Zellen sind
weit über das gesamte Gehirn
und das Rückenmark verteilt.
man nimmt an, daß diese
Neuronen an der Regulation
von
Aufmerksamkeit
und
anderen komplexen kognitiven
Fähigkeiten beteiligt sind.
Neuronen die Acetylcholin
produzieren finden sich im
Hippocampus, der Amygdala,
dem
Thalamus
und
verschiedenen
Kernen
im
Stammhirn. Von diesen Kernen
ziehen die Bahnen wieder zu
den einzelnen Kernen und in
weite
Bereiche
der
Großhirnrinde. Über die Rolle
der Acetylcholinneuronen im
Gehirn besteht immer noch
Zweifel, wenngleich man ihnen
eine große Rolle für das
Gedächtnis
zuschreibt
(Aktivierung des Hippocampus
während REM-Phase).
Serotonin,
hemmend
Thalamus
Basalganglien
Amygdala
Hippocampus
Cholinerges System:
RapheKerne
Acetylcholin ⊕,erregend
basales
Vorderhirn
Amygdala
Hippocampus
Kniehöcker
Formatio Reticularis
des Mittelhirns
Man unterscheidet verschiedene Substanzen, welche die Funktion des Gehirns beeinflussen.
All diese Substanzen müssen die Blut-Hirn-Schranke überwinden.
___________________________________________________________________________________
Neurotransmitter
117
Sedativa:
In geringen Dosen wirken sie angstmildernd, in mittleren Dosen fühlt man
sich beruhigend und in hohen Dosen ist die Wirkung anästhetisch. Es gibt
folgende Übergänge in Abhängigkeit der Dosengabe:
Angstlösende Wirkung → Enthemmung →Beruhigung → Schlaf →
allgemeine Anästhesie → Koma → Tod.
Zu den Sedativa gehören die Barbiturate, die Benzodiazepine (erhöhen die
GABA-Aktivität) und Alkohol.
Stimulantien:
Allgemein
erhöhen
Stimulantien
die
motorische
Aktivität,
beziehungsweise wirken sie der Müdigkeit entgegen. Man unterscheidet
vier Gruppen von Stimulantien:
Verhaltensstimulantien: Kokain und Amphetamine zählen zu den
typischen Vertretern dieser Gruppe. Sie erhöhen eine Freisetzung von
Dopamin und Noradrenalin. Es wird der Wiederaufnahmemechanismus
für Dopamin blockiert. Damit bleibt das Dopamin im synaptischen Spalt.
Klinische Antidepressiva: Sie wirken auf dopaminerge, noradrenerge und
serotonerge Synapsen. Einerseits wird die Wirkung der einzelnen
Neurotransmitter verlängert, andererseits wird die Wiederaufnahme
blockiert.
Konvulsiva:
Allgemeine Stimulantien: Beim Koffein wird der cAMP-Spiegel erhöht.
Das führt zu einer verstärkten Produktion von Glucose und zu einer
erhöhten Zellaktivität. Die genaue Wirkung von Nikotin ist noch nicht
genau geklärt. Eines scheint aber sicher zu sein, dass durch das Nikotin
das Kurzzeitgedächtnis erhöht wird.
Narkotisierende
Analgetika:
Heroin, Morphin
Neuroleptika:
Unter Neuroleptika versteht man antipsychotisch wirkende Substanzen.
Sie dienen der Behandlung von Schizophrenie. Es gibt zwei Wirkklassen:
Phenotiazine und Butyrophenone zeigen eine Wirkung auf das dopminerge
und noradrenerge System. Dabei werden die Dopamin-Transmissionen
blockiert. Umgekehrt wirkt Kokain, Amphetamin und L-Dopa, welche die
dopaminergen Synapsen anregen, stark psychotisch.
Psychodelika:
Sie beeinflussen die Wahrnehmung und kognitiven Prozesse auf
verschiedenen Ebenen des Denkens, Handelns und Wahrnehmens. Man
unterscheidet zwischen
Acetylcholin-Psychodelika: Atropin
Noradrenalin-Psychodelika: Mescalin, Cannabis. Dabei wird die jeweilige
Postsynapse stimuliert.
Serotonin-Psychodelika:
LSD, Psilocybin
____________________________________________________________________________________________
118
Brain Modelling
___________________________________________________________________________
Welche informationsübertragende und welche modulierende Neurotransmitter gibt es?
Welche Kernstrukturen sind mit Noradrenalin verknüpft?
Wohin projizieren welche Dopaminbahnen?
Wo haben die Nerven die Serotonin abgeben ihren Ursprung?
Welche Bedeutung hat Acetylcholin?
Welche psychoaktiven Substanzen kennen sie?
Welche Aufgebe können psychoaktive Substanzen haben?
___________________________________________________________________________________
Neurotransmitter
119
Der kranke
Geist
Es können verschiedene Leistungen des Gehirns ausfallen. Dies kann zu einer Amnesie, dem
Koma, der Alzheimer-Krankheit oder Sprachstörungen führen. Einzelne Strukturen fallen aus
und verschiedene Aspekte des Denkens können nicht mehr durchgeführt werden.
Es kann aber auch zu Veränderungen von Denkprozessen kommen. Es ist sehr schwierig zu
unterscheiden, ob eine neurologische oder eine psychologische Störung vorliegt. Bei einer
neurologischen Störung gibt es anatomische Veränderungen. Dabei kann es sich um eine
Änderung der Zelldichte in einer Großhirnrindenregion handeln oder auch um eine
Fehlsteuerung von Rückkopplungen einzelner subcorticaler Strukturen. Bei einer
psychologischen Störung liegt eine Fehlverhalten vor, das von der Gesellschaft nicht toleriert
wird, oder aufgrund einer Fehleinschätzung über die Umwelt produziert wird. Meist wird
dieses Fehlverhalten erlernt. So wurde zum Beispiel die Schizophrenie lange Zeit als
psychologisches Problem betrachtet.
Gerade bei der Schizophrenie gibt es viele Vorurteile, die meist von Hollywoodfilmen
stammen. Viele Personen glauben, dass zwei oder mehrere Charaktere in einem Körper
wohnen und abwechselnd aktiv sind (vgl. Dr. Jekyll und Mr Hyde). Das ist KEINE
Schizophrenie, sondern bei dieser Störung handelt es sich um eine multiple Persönlichkeit.
Diese Störung kommt extrem selten vor, so dass es Mediziner gibt, die sogar bezweifeln, dass
es diese Störung überhaupt gibt.
11.0 Psychosen
Unter einer Psychose versteht man eine psychische Störung, die in folgende Untergruppen
unterteilt wird: organische Psychose, schizophrene Psychosen und affektive Psychosen.
Neuerdings wird der Begriff Psychose durch den Begriff psychotische Störung ersetzt, da die
Abgrenzung zur Neurose schwierig ist. Die ursprüngliche Unterscheidung kommt von der
Psychotherapie. Dennoch wird ein Patient als psychotisch bezeichnet, wenn er sich gerade in
einer Akutphase einer Psychose befindet.
____________________________________________________________________________________________
120
Brain Modelling
11.0.1 Organische Psychosen
Bei den organischen Psychosen kann eine eindeutige Ursache auf Grundlage einer
Erkrankung des Zentralnervensystems festgestellt werden. Beispiele wären degenerative
Prozesse, bösartige Neubildungen wie Tumore, Durchblutungs- und Stoffwechselstörungen,
Drogen und das Gehirn beeinflussende Medikamente. Es kommt zu Wahnvorstellungen und
Halluzinationen. Es werden einzelne Lichtblitze oder auch filmartige Szenen halluziniert.
11.0.2 Schizophrene Psychosen
Man sollte vermeiden, den Begriff Psychose mit Schizophrenie gleichzusetzen, denn es gibt
mehrere Arten von Psychosen. Eine spezielle davon ist die Schizophrenie.
Als Schizophrenie bezeichnet man eine schwere Störung des Denkens, Fühlens, Empfindens,
Wahrnehmens und Verhaltens. Personen mit einer Schizophrenie hören Stimmen, oder sehen
Dinge die es nicht gibt. Sie haben Halluzinationen, wobei zu bemerken ist, dass alleine das
Vorhandensein von Halluzinationen noch kein Rückschluss auf Schizophrenie getroffen
werden darf. Es kommt zu einer Zersplitterung und Aufspaltung des Denkens, Fühlens und
Wollens. Sie tritt mit einer Wahrscheinlichkeit auf das Leben hochgerechnet mit 1 : 100 auf.
Damit ist die Schizophrenie eine relativ häufige Erkrankung. Als auslösende Ursachen gilt ein
gestörtes soziales Umfeld und/oder eine Störung der Gehirnfunktion. Eine eindeutige Ursache
ist bis heute nicht bekannt.
Eugen Bleuler definierte als erster das Krankheitsbild über Wortassoziationen. Er stellte fest,
dass eine Störung des Assoziierens typisch für diese Krankheit ist (Heu = Unterhaltungsmittel
für Kühe). Über den semantischen Bahnungseffekt kann relativ leicht das
Assoziationsverhalten überprüft werden.
Der Proband muss ein Wort lesen und dann angeben ob das zweite Wort aus dem Deutschen
stammt oder nicht. Es wurden assoziative Wortpaare wie weiß::schwarz und
Bruder::Schwester dafür verwendet. Ein Beispiel für nicht-assoziativen Wortpaare wäre
Wolke::Käse oder Kaffee::Benzin. Diese Wortpaare und Wortpaare wo das zweite Wort
nicht-deusch war wurden dem Probanden vorgelegt. Der Proband musste dann über einen
Fingerdruck bekannt geben, ob das zweite Wort aus dem Deutschen stammt. Es wurden nur
die "JA"-Entscheidungen gewertet und der jeweilige Mittelwert gebildet. Im Regelfall werden
assoziative Wortpaare schneller als nicht assoziierte Wörter erkannt. Dies bezeichnet man als
den semantischen Bahnungseffekt. Bei Personen mit einer denkgestörten Schizophrenie ist
der Bahnungseffekt besonders groß.
___________________________________________________________________________________
Der kranke Geist
121
160
ms
140
120
100
80
60
40
20
gesunde
Probanden
nicht denkgestörte denkgestörte
schizophren
schizophrene
Patienten
Patienten
Abbildung 11.1: Die Abweichung der Zeitunterschiede beim Assoziieren von Wörtern zwischen gesunden und
denkgestörten Personen. Die Messkurve mit den Rechtecken wurde von Spitzer et al, die Messkurve mit den
Kreisen wurde von Manschreck et al erstellt.
Bei schizophrenen Personen können oft indirekte Assoziationen beobachtet werden. Das heißt
es gibt ein nicht ausgesprochenes Bindeglied. Assoziation zu Nikotin - Forelle. Nikotin im
Rauch verursacht Krebs, Krebse leben im Wasser wie Forellen.
Bei Patienten mit Schizophrenie erscheinen vorher vertraute Dinge unheimlich. Dadurch
werden die Patienten misstrauisch und ziehen sich noch mehr zurück. Die Patienten
empfinden sich manchmal als ferngesteuert. Es kommt zu einer Störung des Ich-Erlebens.
Interessanterweise kann die Störung des Ich-Erlebens plötzlich auftreten und auch wieder
plötzlich verschwinden. Bei manchen Patienten ergeben sich sehr regelmäßige Rhythmen.
Diese Störung des Ich-Erlebens kann zu Selbstmord führen. Bei rund 10-15% aller
Schizophrenen kommt es zu einem Suizid.
Für Personen mit dem Krankheitsbild Schizophrenie sind Halluzinationen charakteristisch.
Meist treten akustische Halluzinationen auf. Dies kann bei rund 80% der Patienten beobachtet
werden. Viele Betroffene leiden in einer akuten Phase an Schlafstörungen. Nach dem
Abklingen eines Schubes, kann eine depressive Phase auftreten.
Die Schizophrenie kann sowohl schubweise als auch chronisch verlaufen. Ein Schub kann
von ein paar Wochen bis zu ein paar Monaten dauern. Zwischen den Schüben kann es zu
einer vollständigen Rückbildung aller Symptome kommen, oder manche Restsymptome
bleiben erhalten. Dazu zählen vor allem die soziale Isolation, Beeinträchtigung der
körperlichen Hygiene, Depressivität und Antriebsmangel. Der erste Schub tritt in der Regel
vor dem ersten 30. Lebensjahr auf. Dies gilt für Männer. Bei Frauen kommt der erste Schub
erst später, meist ab dem 40. Lebensjahr. Typischerweise treten die ersten Schübe bei
belastenden oder verändernden Lebenssituationen, wie etwa Auszug aus dem Elternhaus,
Heirat oder Arbeitsplatzwechsel auf. Möglicherweise wird die Schizophrenie durch das
Stresssystem beeinflusst. Genaue Daten liegen aber noch nicht vor.
Man geht davon aus, dass bei schizophrenen Patienten eine Störung der fokussierten
Aufmerksamkeit vorliegt. Verschiedene Systeme im Gehirn versuchen die Synchronisationen
zwischen verschiedenen Gebieten im Zaum zu halten. Nur so können wir uns auf etwas
konzentrieren. Wenn die Assoziationsfähigkeit zu groß wird, werden nicht korrelierte Reize
____________________________________________________________________________________________
122
Brain Modelling
miteinander verknüpft. Damit können wir die Umwelt nicht mehr sinnvoll einschätzen. Genau
diese fokussierte Aufmerksamkeit wird über den Neurotransmitter Dopamin gesteuert. Die
Neuronen des Dopaminsystems innervieren vor allem das Arbeitsgedächtnis. Alle
Neuroleptika blockieren die Dopaminrezeptoren in der Großhirnrinde. Dies führt zu einer
geringeren Assoziationsfähigkeit und es können auch keine spontanen Synchronisationen
(Halluzinationen) entstehen.
Bei Patienten mit Schizophrenie wurde eine Hypofrontalität festgestellt. Dabei handelt es sich
um eine verminderte Aktivität des Frontalhirns.
Neurophysiologisch gibt es mehrere Möglichkeiten für die Erkrankung der Schizophrenie:
1. Die dopaminergen Synapsen schütten zuviel Dopamin aus.
2. Die dopaminergen Synapsen schütten zuwenig Dopamin aus, aber die Rezeptoren
reagieren hypersensitiv (überempfindlich).
3. Die dopaminergen Rezeptoren reagieren überempfindlich.
4. Ein anderes System, das antagonistisch zum Dopaminsystem wirkt, ist zu wenig aktiv.
Tatsächlich fand man weniger glutaminerge Neuronen im frontalen Cortex (Glutamat wirkt
erregend, während Dopamin hemmend wirkt).
Prinzipiell sind die Gehirne von Patienten mit Schizophrenie leichter und die Ventrikel sind
vergrößert. Es gibt Hinweise, dass Neuronen im Hippocampus untypisch angeordnet sind.
Einige Experimente deuten auf eine abnorme Aktivität des präfrontalen Cortex hin.
Abbildung 11.2: In der linken Darstellung ist die korrekte Orientierung von Neuronen im Hippocampus gezeigt,
während in der rechten Darstellung die Axone und Zellkörper der Neuronen desorganisiert sind.
Genauso fand man, dass Personen mit einer Schizophrenie bei Tests des verbalen und
nonverbalen Langzeitgedächtnis, die den rechten und linken Frontallappen betreffen,
schlechter abschnitten. Diese schlechten Resultate traten auch dann auf, wenn gerade kein
psychotischer Schub auftrat.
Allerdings gibt es Personen, auf welche diese anatomische Gegebenheiten zutreffen, die aber
nicht an einer Schizophrenie erkranken oder erkrankt sind.
Die Schizophrenie kann praktisch nicht geheilt werden. Es können nur die Symptome zum
Verschwinden gebracht werden. Dies geschieht vor allem durch Neuroleptika. Diese
Neuroleptika haben aber starke Nebenwirkungen, wie Bewegungsstörungen oder
Bewegungsunruhe. Die Minus-Symptomatik, wie etwa Antriebsschwäche, Depression oder
sozialer Rückzug kann durch Neuroleptika nicht unterbunden werden. Deshalb werden dann
noch zusätzlich Antidepressiva und angstlösende Medikamente verschrieben. Wichtig sind
soziotherapeutische Maßnahmen, wie Arbeitstherapie, um eine Tagesstruktur zu etablieren.
Bei der Schizophrenie besteht die Gefahr, dass die Betroffenen Probleme mit dem sozialen
Umfeld haben, den Arbeitsplatz verlieren und der soziale Abstieg erfolgt. Praktisch gesehen,
___________________________________________________________________________________
Der kranke Geist
123
kann einem Drittel der Patienten mit Neuroleptika vollständig geholfen werden und es bilden
sich alle Symptome zurück. Bei einem Drittel bleiben zwischen den Schüben Restsymptome
vorhanden und es kommt zu neuerlichen Schüben und beim restlichen Drittel nimmt die
Krankheit einen schweren chronischen Verlauf.
Man kann zwischen verschiedenen Formen der Schizophrenie unterscheiden:
Paranoide Schizophrenie: Sie ist die am häufigst vorkommende Schizophrenie. Es treten vor
allem Wahnvorstellungen und Halluzinationen auf. Es gibt keine Minussymptomatik.
Hebephrenie: Die Patienten werden häufig als verflacht und emotional verarmt beschrieben.
Die Hebephrenie tritt vor allem während der Pubertät auf. Damit ist es schwierig diese
Erkrankung von allgemeinen Pubertätsstörungen zu unterscheiden.
Schizophrenia simplex: Die Erkrankung setz langsam und schleichend ein. Allerdings fehlen
Halluzinationen oder paranoide Symptomen. Patienten mit dieser Erkrankung werden oft als
„verschroben“ oder „seltsam“ empfunden. Die Behandlungsprognose ist eher schlecht.
Katatone Schizophrenie: Es treten psychomotorische Störungen, wie Haltungsstereotypien
(eine ungewöhnliche Haltung wird längere Zeit nicht verändert), Stupor (kaum oder gar keine
Bewegung) oder Rigidität (Beibehalten einer starren Haltung), auf. Während der
katatonischen Zustände können Halluzinationen auftreten. Beim katatonen Stupor können
Personen nicht auf die Toilette gehen. ACHTUNG: Lebensgefahr !!!
Auch der Wahn ist eine Störung des Denkinhaltes. Es kommt zu einer gedanklichen
Fokussierung auf einen speziellen Gegenstand.
Wird die Schizophrenie nicht behandelt, so kommt es zum Wahn. Es existieren gewisse
unkorrigierbare Urteile, deren Inhalte unmöglich, unwahrscheinlich oder einfach falsch sind.
Bei einer Überprüfung der Fakten hält ein Wahnkranker an seinen Vorurteilen fest.
Meist ist dieses Verhalten auch mit Angst, Misstrauen oder gesteigerter Wachheit verbunden.
Belanglose Ereignisse werden überinterpretiert.
Im Prinzip handelt es sich um eine Stabilisierung der Synchronisation. Durch die
Schizophrenie ausgelöst, können obskure Synchronisationen auftreten. Wenn ein und das
selbe Synchronisationsmuster beziehungsweise Assoziation öfters auftritt, dann bilden sich
neue Synapsen. Bei einem chronischem Wahn helfen keine Neuroleptika mehr. Es haben sich
schon neue Synapsen, der Informationsverarbeitung betreffend, gebildet.
9.0.3 Affektive Psychosen
Unter affektiven Störungen versteht man Störungen der Stimmung einer Person. Man
unterscheidet zwei Hauptformen: Die Depression und die Manie. Unter einer Depression
versteht man eine tiefe Niedergeschlagenheit, während man in einem manischen
Gemütszustand eine gehobene Stimmungslage hat. Mit der Stimmungslage verändert sich
auch das Urteilsvermögen. Nur die schwere Form der Depression wird als psychotische
Störung bezeichnet.
11.0.3.1 Depression
Plutarch hat dieses Krankheitsbild als Erster beschrieben. Die Depression (v. lat. depressio
„niederdrücken“) ist gekennzeichnet von:
____________________________________________________________________________________________
124
Brain Modelling
•
•
•
Gefühl der Niedergeschlagenheit (bei Tod eines Verwandten, räumliche Trennung von
einer geliebten Person.)
Die Selbstachtung ist empfindlich gestört (Arbeitslosigkeit, Sitzen bleiben in der Schule)
Verlust des Interesses an sozialen Kontakten und alltäglichen Dingen
Im Volksmund wird die Depression dem Gefühl der Traurigkeit gleichgesetzt. Aber
Traurigkeit ist und bleibt nun einmal Traurigkeit. Dabei handelt es sich nicht um eine
Depression. Bei der Depression wird die Empfindung aller Gefühle reduziert. Es ergibt sich
das „Gefühl der Gefühllosigkeit“.
Zusätzlich treten als Hauptsymptome das Gefühl der Minderwertigkeit, der Hilflosigkeit, der
Minderwertigkeit, Schuldgefühle, Müdigkeit, Konzentrations- und Entscheidungsunfähigkeit,
sinnloses Gedankenkreisen, langsameres Denken, Reizbarkeit, Ängstlichkeit, vermindertes
Gefühlsleben und eine verringerte Libido.
Häufig werden negative Ereignisse, Gedanken und Eindrücke überbewertet, während die
positiven Aspekte von Erlebtem oder Gedachtem nicht wahrgenommen werden.
Als körperliche Symptome treten Appetitlosigkeit, Schlafstörungen (Tagesmüdigkeit, Durchund Einschlafstörung), Gewichtsabnahme bzw. Gewichtszunahme, Verspannungen,
Schmerzempfindungen im ganzen Körper, Kopfschmerzen und verlangsamte Bewegungen.
Meist beobachtet man auch eine erhöhte Infektanfälligkeit.
Man geht davon aus, dass der Größte Teil der Selbstmorde auf eine Depression zurückgeht. In
der westlichen Welt sterben mehr Menschen durch einen Selbstmord, als an
Verkehrsunfällen.
Eine depressive Verstimmung wird meistens durch ein einschneidendes Ereignis, wie zum
Beispiel Arbeitslosigkeit, Verlust des Partners durch Trennung, oder dem Tod eines
Verwandten ausgelöst. Diese Ereignisse sind äußerst unangenehm, aber sie gehören nun
einmal zum Leben. Die depressive Verstimmung führt dazu, dass man sich rund 3 Monate
„schlecht“ fühlt, aber danach kann das Leben wieder seinen (fast) gewohnten Gang nehmen,
wenn man die depressive Verstimmung überwunden hat. Bei diesem Prozess kommt es zum
Absterben von Dendriten im präfrontalen Cortex. Eine Reorganisation des Gehirns ist die
Folge. Das Gehirn kann sich nach dieser Phase besser auf die neuen Gegebenheiten (neuer
Arbeitsplatz, neue soziale Kontakte usw.) einstellen, bessere Lösungen für den Alltag finden
und neue Strategien entwickeln. Näheres dazu beim Unterkapitel Stress 9.2. Wird die
depressive Verstimmung nicht überwunden, dann kommt es zu einer Depression. Dies ist eine
typische Verlausform. Man kann davon ausgehen, dass jeder Mensch ein bis drei mal in
seinem Leben eine depressive Verstimmung erlebt. Bei rund 5-10% der Bevölkerung kommt
es dann zu einer tatsächlichen Depression, die aber oft nicht als solche erkannt wird. Genaue
Zahlen liegen nicht vor und die Dunkelziffer ist sicher sehr hoch.
Es ist nicht immer einfach eine depressive Verstimmung von einer Depression zu
unterscheiden. Die Zeit scheint ein wesentlicher Faktor zu sein. Es gibt auch Patienten bei
denen eine Depression ohne einen äußeren Auslöser auftreten. Manche Patienten zeigen auch
ein anderes Phänomen: die Manie. Der Patient ist in Hochstimmung, energiegeladen und sehr
optimistisch. Diese scheinbaren positiven Eigenschaften können allerdings das
Urteilsvermögen herabsetzen. In der Regel sind die depressiven Phasen länger als die
manischen. Bei Personen bei denen abwechselnd Depressionen und Manien auftreten, spricht
man von einer bipolaren Psychose.
Es zeigte sich, dass bei einer Depression die Neuronen der Großhirnrinde, insbesonders des
präfrontalem Bereich, weniger aktiv sind, als im Grundzustand. Während einer Manie tritt das
___________________________________________________________________________________
Der kranke Geist
125
Gegenteil ein. Besonders die Strukturen des präfrontalen Cortex sind bei manischen Personen
überaktiv.
Tiefenpsychologisch unterscheidet man zwischen zwei Formen der Depression. Einerseits
spricht man von einer endogenen Depression, wenn sie ohne äußere Ursachen aufritt und
andererseits von der neurotischen Depression (Erschöpfungsdepression), welche durch eine
belastende Erfahrung in der Lebensgeschichte verursacht wird. Nach heutigen Maßstäben gilt
diese Unterteilung als überholt. So unterscheidet man zwischen Episoden, dem einzelnen
Vorkommen von einer Phase der Depression oder Manie, und rezidivierenden Störungen, bei
denen es zu einem wiederholtem Vorkommen von Episoden kommt. Zusätzlich wird die
Schwere der Depression von leicht, mittel bis schwer angegeben.
Bei der Behandlung muss berücksichtigt werden, dass der Selbstmord eine große Gefahr für
den Patienten darstellt. Früher verwendete man Opiate zur Behandlung einer Depression. Dies
führte zwar zu euphorischen Zuständen, die aber sehr kurzlebig waren.
Den ersten Zusammenhang zwischen der Erkrankung Depression und der Neurophysiologie
konnte mit dem blutdrucksenkendem Mittel Reserpin hergestellt werden. Die
Bluthochdruckpatienten wurden teilweise schwer depressiv. Es konnte gezeigt werden, dass
das Mittel Reserpin den Speicher der Monoamine (Noradrenalin, Dopamin, Serotonin)
entleert. Später konnte gezeigt werden, dass bei Personen mit einer Depression der
Monoaminspiegel erniedrigt ist, während bei Patienten mit einer Manie der Monoaminspiegel
erhöht ist.
Man kann zwei Formen von Depressionen, vom Standpunkt der Neurochemie, unterscheiden.
Einerseits scheint es eine reduzierte noradrenerge Transmission und andererseits eine
gehemmte serotonerge Transmission zu geben.
Heute werden tricyclische Antidepressiva zur Behandlung verwendet. Diese haben relativ
geringe Nebenwirkungen, die gewünschte Wirkung tritt aber erst nach rund zwei Wochen auf.
Diese Antidepressiva hemmen die Inaktivierung des Neurotransmitters im synaptischen Spalt.
Ein Neurotransmitter wird normalerweise, nachdem er sich an einen Rezeptor gebunden hat,
inaktiviert. Diese Inaktivierung wird durch die tricyclischen Antidepressiva verhindert. Die
Inaktivierung betrifft vor allem die Neurotransmitter Noradrenalin und Serotonin. Der
Hauptnachteil besteht in der relativ langen Wirkungslatenz von 4 bis 6 Wochen. Das heißt,
das Medikament wirkt erst nach 4 bis 6 Wochen nach der ersten Einnahme. Leider wirkt die
tricyclischen Antidepressiva zuerst antriebssteigernd (Achtung: hohe Selbstmordgefahr !!!)
und erst danach stimmungsaufhellend.
Die selektiven Serotoninwiederaufnahmehemmer haben meist weniger Nebenwirkungen als
die tricyclischen Antidepressiva. Durch die Medikamente kommt es zu einer relativen
Erhöhung des Serotonin. Der Vorteil dieser Medikamente besteht darin, dass sie bereits zwei
Wochen nach Beginn der Einnahmedauer zu wirken beginnen.
Bei den Monoaminoxidasehemmern wird das Enzym Monoaminoxidase blockiert. Dieses
Enzym ist dafür verantwortlich, dass Amine, wie zum Beispiel Serotonin oder Noradrenalin,
gespalten werden. Werden weniger Amine gespalten, dann steht mehr Neurotransmitter zur
Verfügung.
Heute
werden
in
der
klinischen
Praxis
hauptsächlich
zuerst
selektive
Serotoninwiederaufnahmehemmer verwendet. Wenn diese Substanz nicht wirkt, dann muss
man leider probieren. Bei manchen PatientInnen muss der Serotoninspeigel gehoben werden,
während der Noradrenalinspiegel gesenkt werden muss. Es gibt natürlich noch mehr
Varianten an Fehlsteuerungen der modulierenden Neurotransmitter. So werden dann duale
serotonerge Antidepressiva, Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer, Noradrenalin____________________________________________________________________________________________
126
Brain Modelling
Wiederaufnahmehemmer, Serotonin-Wiederaufnahmeverstärker, Serotonin-Modulatoren oder
tetrazyklische Antidepressiva ausprobiert. Diese Phase des Ausprobierens ist problematisch,
denn die meisten Medikamente wirken erst nach rund einem Monat Latenzzeit. Nach einem
weiteren Monat kann man beurteilen, ob die Substanz wirkt oder nicht. Erst nach rund 8 – 10
Wochen kann beurteilt werden, ob ein neues Medikament ausprobiert werden soll. Um alle
möglichen unterschiedlichen Medikamente auszuprobieren benötigt man im schlechtest
möglichen Fall rund 2 Jahre. Während dieser Zeit besteht aber Lebensgefahr durch den
drohenden Suizid.
Bei therapieresistenten Patienten kann die Elektrokrampftherapie überraschend gute
Ergebnisse liefern. Die Patienten werden dabei in Vollnarkose versetzt und anschließend
werden mehrere starke Stromstöße durch den Kopf appliziert. Der Patient spürt während der
Behandlung nichts. Diese Behandlung, ist mit Ausnahme der Vollnarkose, praktisch
nebenwirkungsfrei. Der Patient hat nur das Gedächtnis der letzten 2 Tage vor der Behandlung
verloren und wirkt etwas benommen und verwirrt nach der Behandlung.
Bei einem Viertel aller depressiven Patienten führen Antidepressiva zu keiner Besserung.
Man geht davon aus, dass es sich dann um eine Fehlsteuerung des Stresssystems handelt.
Stellt das Gehirn (kognitive Bereiche) Angst oder Stress fest, so wird der Hypothalamus
aktiviert. Dieser sondert den cotico-releasing-factor aus und aktiviert damit die Hypophyse
(Hirnanhangsdrüse). Die Hypophyse sondert nun ihrerseits über das Blut das adrenocorticotropes Hormon aus. Zentraler Empfänger ist die Nebenniere, die deshalb Cortison
ausschüttet. Damit es zu keiner Übersteuerung kommen kann und das System sich nach der
Angst- oder Stress-Situation wieder beruhigt, wird eine Gegenkopplung aktiv. Das Cortison
hemmt die Hypophyse und den Hypothalamus. Wenn die Gegenkopplung niedrig ausfällt,
kann es zur Depression kommen, denn die ausgeschütteten Hormone steuern auch noch viele
andere emotionale Mechanismen. So kann man bei einem hohen Anteil von Personen einen
erhöhten Spiegel von Kortison im Blut feststellen.
11.0.3.2 Manie
Bei Manien zeigen sich Ideen, die ins Wahnhafte reichen. Die Patienten zeigen
Hyperaktivität, Ideenflucht, völlige Überschätzung der eigenen Möglichkeiten. Dies kann
zum Beispiel zu einem Kaufrausch führen, der die eigenen finanziellen Kapazitäten weit
übersteigt. Eine leichte Form der Manie wird meist nicht erkannt und bleibt auch unbehandelt.
Bei stärkeren Formen von Manie hat sich die Gabe von Lithium als ausgezeichnet
herausgestellt.
11.2 Stress
Im Jahr 1959 führte der österreichisch-kanadische Mediziner Hans Seyle den Begriff Stress in
die Biomedizin ein und bezeichnete damit die unspezifischen Reaktionen eines Organismus
auf jede übermäßige Belastung.
Dieses Reaktion dient dazu, die Überlebenschancen in einer lebensbedrohlichen Situation
eines Individuums zu erhöhen. Dies ist eine, wenn gleich auch nicht ganz richtige, aber
allgemein anerkannte Meinung. Meist spricht man von Stress, wenn der
Stressor - der Auslöser auf diesen Effekt - kurz und heftig über eine Erhöhung des
Adrenalinspiegels auf das Individuum reagiert. Es ist aber wichtig zu erwähnen, daß
langanhaltender Stress wahrscheinlich mehr physiologische und damit psychologisch
verbundene Veränderungen im menschlichen Körper verursacht, als eine kurzfristige
Aktivierung des gesamten Stresssystems. Die Stressantwort auf eine scheinbar gefährliche
___________________________________________________________________________________
Der kranke Geist
127
Situation kann sehr spezifisch sein, sich gezielt gegen einen Erreger richten oder gegen einen
realen oder imaginären angstauslösenden Umstand. Übersteigt die Belastung,
beziehungsweise die korrelierte Stressantwort eine gewisse Grenze, dann ist die Reaktion
unspezifisch.
Eine wesentliche Frage lautet, was denn subjektiv als Stress (langanhaltend) empfunden wird.
Das Individuum entscheidet, ob eine Situation als Stress empfunden wird oder nicht. Dies
hängt größtenteils von der Vergangenheit, als auch der Zahl der zur Verfügung stehenden
Strategien ab. Je mehr Strategien zur Verfügung stehen umso besser für das Individuum.
Auch eine Vermeidung des Stressors kann als Kontrolle über die jeweilige Situation
betrachtet werden. Aber alle Stressoren zu vermeiden oder zu umgehen führt in den meisten
Fällen zu schweren psychischen Störungen und eine normale soziale Interaktion wird fast
unmöglich (ausgeprägte Phobien).
Die Kontrollierbarkeit einer Situation hängt also auch von den kognitiven Fähigkeiten eines
Individuums ab. Wenn keine "sinnvolle" kognitive-emotionelle Verhaltensweise verfügbar
ist, um eine angemessene Reaktion zu aktivieren, dann spricht man von unkontrollierbarem
Stress. Wenn sich ein Individuum mit einem unkontrollierbaren Stressor auseinandersetzen
muss und das innere Gleichgewicht nicht hergestellt werden kann, dann beruhigt sich das
zentrale Stresssystem nicht und es bleibt weiterhin aktiviert. Dadurch kommt es zu einer
“Verhaltensvermeidung”. Es werden keine äußeren Aktionen gesetzt. Dies hilft nicht nur
Energie zu sparen, sondern man kann sich dann in Ruhe mit der Problematik der
angespannten Situation beschäftigen und neue Strategien können entwickelt werden.
Beschäftigen wir uns nun mit den organischen Korrelaten des Stresssystems. Es war schon
lange bekannt, dass wochenlange Arbeitsüberlastung zu Grippe, zu einer
Magenschleimhautentzündung oder Herpesbläschen führen kann.
Hormone sind Signalstoffe, die das Verhalten und die Empfindungen eines Menschen
entscheidend beeinflussen. Sie entstehen in Drüsen, die ihre Sekrete unmittelbar an das
durchströmende Blut abgeben. Beim Menschen sind dies die Schilddrüse, Nebenschilddrüse,
Langerhansschen Inseln der Bauchspeicheldrüse, Die Nebenniere (Mark und Rinde) und die
Keimdrüsen. Die meisten Hormone werden aber vom Gehirn - vertreten durch die Hypophyse
(Hirnanhangsdrüse) und durch die Epiphyse (Zirbeldrüse) - abgesondert.
Im Nebennierenmark werden die Hormone Adrenalin und Noradrenalin (80% zu 20%)
gebildet. Die Hormone der Nebennierenrinde bezeichnet man als Corticoide. Eine spezielle
Gruppe der Corticoide - die Glucocorticoide - beeinflussen den Kohlehydrat- und
Eiweißstoffwechsel. Dazu gehört insbesondere das Cortisol, das außerdem
entzündungshemmende Wirkung besitzt. Die Ausschüttung hängt sowohl von internen
Faktoren, wie der inneren Uhr (Periode bei der Frau), als auch von äußeren Reizen
(Pheromone beim Sexualakt) ab. Sie wirken in außerordentlich kleinen Dosen. Die Hormone
sind in der Regel nicht in der Lage sofortige - im Bereich von Sekunden - Reaktionen im
Organismus auszulösen.
Der Hippocampus steht in direkter Verbindung mit dem Hypothalamus, einem anderen
wichtigen Kern. Der Hypothalamus wird aber auch von vielen anderen Regionen im Gehirn
innerviert. Über ihn wird durch die Ausschüttung des Coticotropin-Releasing-Faktor die
Hypophyse, die verschiedene Hormone ausschüttet, aktiviert. Durch diese Ausschüttung
werden andere Teile des Hormonsystems aktiv. Eine Ausschüttung des adrenocorticotropen
Hormons führt zu einer Aktivierung der Nebennierenrinde. Es kann aber auch die Aktivität
der Keimdrüsen, der Schilddrüse und Teile der Bauchspeicheldrüse beeinflußt werden. Diese
setzen ihrerseits wieder Hormone frei. Die Nebenniere produziert Cortisol, eines der
wichtigsten Stresshormone. Cortisol reduziert aber die Aktivität der Hypophyse. Damit wird
im Körper ein Überschießen der hormonellen Reaktion verhindert. Untersuchungen zeigten,
____________________________________________________________________________________________
128
Brain Modelling
daß dieses wichtige Stresshormon bei psychischen Erregungszuständen wie panischer Angst,
Depression oder auch Drogenentzug vermehrt synthetisiert wird. Prinzipiell kann man sagen,
daß der Hypothalamus in Abhängigkeit von verschiedenen Erregungszuständen des Gehirns
den Hormonhaushalt regelt.
Cortisol wird ausgeschüttet bei kurzandauernden körperlichen und psychischen
Stresszuständen, es beeinflusst wie alle Hormone den Kreislauf. Das Cortisol reagiert aber
auch mit dem Hippocampus, einer wichtigen Gehirnregion. Während einer langandauernden
Stresssituation, also einem erhöhten Cortisolausstoß, sterben einzelne Dendritenäste im
Hippocampus und dem präfrontalem Cortex ab. Wenn der Cortisolspiegel wieder sinkt, dann
regenerieren die Neuronen. Möglicherweise können aber die ursprünglichen Verbindungen
nicht mehr hergestellt werden. Somit kann es zu leichten Verschiebungen im Verhalten
beziehungsweise in den Strategien oder der Strategienwahl kommen. Zusätzlich scheint
chronisch unkontrollierbarer
Stress die Dichte der präsynaptischen Serotoninsynapsen im Hippocampus zu erhöhen und im
Hypothalamus und der Großhirnrinde zu reduzieren.
Zusammenfassend könne wir sagen:
• Die Quelle und das Ziel für eine Stressantwort ist das Gehirn, im speziellen die höheren
kortikalen und limbischen neuralen Schaltkreise durch die wir die Welt interpretieren.
• Kontrollierbarer Stress ist ein Auslöser für die Verstärkung von spezifischen neuralen
Wegen.
• Im speziellen durch die Interaktion von zirkulierenden Glucocorticoiden wird
unkontrollierbarer Stress ein Werkzeug um neurale Schaltkreise und Netzwerke im
Bereich der Verhaltensreaktionen umzustrukturieren. So wird psychosozialer Stress ein
Auslöser für die adaptive Reorganisation des Gehirns, vor allem im assoziativen
Gedächtnis.
___________________________________________________________________________________
Der kranke Geist
129
Reiz
Adaption
Reorganisation
Thalamus
Verstärkung von
neuralen Strukturen
Degeneration
von Dendriten
Großhirnrinde
(präfrontaler Cortex Assoziationscortex)
DopaminSystem
Hippocampus
Amygdala
Hypothalamus
startet Kaskaden von
Stresshormonen
und Neurotransmittern
Vasopressin
CRH
CRH
Noradrenalin
Locus Coeruleus
Hypophyse
ACTH
Zentrales noradrenerges
System
Sympathicus
Adrenalin
Nebenniere
Cortisol
beeinflußt
Schlafverhalten
Kontrollierbarkeit
schwächt
Immunzellen
Unkontrollierbarkeit
Abb. 11.3: Wenn ein Stressor kontrollierbar ist, werden andere Bereiche des Gehirns aktiviert (linke
Seite der Abbildung), als wenn eine unkontrollierbare Situation gegeben ist.
11.3 Angststörungen
“Es steht außer Frage, daß das Problem der Angst ein Knotenpunkt ist, an dem die
verschiedenen und wichtigen Fragen zusammentreffen, ein Rätsel dessen Lösung
zwangsläufig eine Lichtflut auf unsere ganze geistige Existenz werfen würde.”
Sigmund Freud
Unter Phobie versteht man krankhafte Angst. Sie äußert sich durch einen übermäßigen,
unangenehmen Wunsch, den Anlass der Angst zu vermeiden.
Nur Dinge die tatsächlich gefährlich werden können, führen zu Angststörungen.
Wesentlich ist der Unterschied zwischen Furcht und Angst: Furcht ist auf etwas gerichtet,
während Angst gegenstandslos ist.
____________________________________________________________________________________________
130
Brain Modelling
Man kann die Angstörungen in folgendes Schema unterscheiden:
- posttraumatische Ängste (Erinnerung an gefährliche Situationen)
- Zwangssyndrom (krankhaftes Händewaschen, aus Angst vor Infektionen)
- Panik (grundlose Furcht, mit starkem körperlichen Aspekten wie Herzbeklemmung)
- Phobie (an ein Objekt oder Szene gebunden)
Bei der Panik handelt es sich um einen akuten, extremen Angstzustand, der im Körper ein
Notfallprogramm aktiviert. Dabei handelt es sich um die Kampf- oder Flucht-Reaktion. Die
Panikattacken sind begleitet von körperlichen Symptomen wie Herzklopfen, Schwitzen,
Atemnot, Muskelzittern oder Schwindelgefühlen.
Phobien sind stark umweltabhängig. Eskimos können eine Kanuphobie bekommen und früher
gab es die Dromosiderophobie - Eisenbahnfurcht, die sich heute in die Flugangst verwandelt
hat.
Unter der Agoraphobie versteht man Platzangst. Die Patienten haben Angst vor freien
Plätzen, vor großen Räumen, oder auch vor engen Räumen.
Kleinste ungefährliche Veränderungen im Körper oder in der Umgebung werden
überbewertet und es folgt eine Überreaktion. Diese Überreaktion führt zu einer genaueren
Wahrnehmung (besonders auf gefährliche Situationen). Auch die kognitiven Bereiche des
Gehirns reagieren sensibler. Auch hier haben wir eine Mitkopplung gegeben.
11.4 Borderline-Syndrom
Bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung handelt es sich um eine schwere
Persönlichkeitsstörung, die durch wechselhafte Stimmungen, gestörte zwischenmenschliche
Beziehungen, mangelndes Selbstvertrauen und autoagressives Selbstverhalten gekennzeichnet
ist.
Der Begriff Borderline kommt aus der Zeit als eine genaue Abgrenzung zwischen Neurose
uns Psychose nicht möglich erschien.
Die Erkrankung tritt ungefähr mit rund 2-3% in der Bevölkerung auf, wobei Frauen rund drei
mal so häufig betroffen sind. Möglicherweise ist dieses Ungleichgewicht aber auch durch eine
mangelhaft Diagnostik gegeben. Bei Männern wird oft eine „antisoziale
Persönlichkeitsstörung“ diagnostiziert, hinter der sich manchmal das Borderline-Syndrom
verstecken kann.
Im Gegensatz zu der Depression oder Manie treten die Schübe in der Regel bedeutend kürzer
auf. Während dieser Schübe aus Angst, Depression oder Wut kommt es auch zu einer Störung
der Impulskontrolle, selbstverletzendem Verhalten oder Völlerei. Die Sucht ist eine häufige
Begleiterscheinung dieses Syndroms. Oft empfinden sich Personen mit einer BorderlineStörung als „schlecht“ und „wertlos“.
Es treten auch gelegentlich Halluzinationen auf. Diese werden aber als solche erkannt.
Die Patienten reagieren sehr stark auf die Umwelt. Sie überinterpretieren die Gesten von
anderen Personen. Die Gesten, Mimik, oder Betonung wird sehr intensiv analysiert und auf
eine Signalwirkung hin untersucht. Für diese Patienten ist es auch schwierig, das Verhalten
von anderen richtig zu interpretieren. Eine Überreaktion auf ungerechtes Verhalten ist
typisch. Allgemein kann man sagen, dass kleine Anlässe starke Gefühlsimpulse auslösen.
Patienten sehen die Welt oft „schwarz-weiß“.
___________________________________________________________________________________
Der kranke Geist
131
Für das Syndrom müssen nach dem DSM-IV (Diagnostic and Statistic Manual of Mental
Disorders) 5 Kriterien der 9 möglichen erfüllt sein.
1. Das verzweifelt Bemühen, nicht verlassen zu werden.
2. Instabile und intensive zwischenmenschliche Beziehungen mit extremer Idealisierung
und abwechselnder Entwertung.
3. Eine Instabilität des Selbstbildes bzw. der Selbstwahrnehmung.
4. Impulsives selbstschädigendes Verhalten in mindestens zwei der folgenden Fälle:
Geldausgeben, Sexualität, Drogen missbrauch, rücksichtsloses Fahren, Fressanfälle.
5. Selbstverletzendes Verhalten, Selbstmordandeutungen, Selbstmorddrohungen oder
wiederholte suizidale Handlungen.
6. Ausgeprägte Instabilität, zurückzuführen auf Stimmungsreaktionen.
7. Chronisches Gefühl der Leere.
8. Unangemessen, heftige Wut oder Schwierigkeiten, die Wut zu kontrollieren.
9. Vorübergehende paranoide Vorstellungen.
Als Behandlungsmöglichkeit ist die Psychotherapie teilweise sehr erfolgreich. Einzelne
Symptome können auch durch Neuroleptika, insbesonders atypische Neuroleptika, oder
Antidepressiva zum verschwinden gebracht werden.
___________________________________________________________________________
Welche Arten von Psychosen kennen sie?
Was versteht man unter Schizophrenie?
Welche Minussymptome treten bei einer Schizophrenie auf?
Was besagt die Dopaminhyopthese?
Welche Arten von Schizophrenie kann man unterscheiden?
Welche 2 Arten von Affektiver Psychose kann man unterscheiden?
Was ist der Unterschied zwischen einer depressiven Verstimmung und einer Depression?
Welche Neurotransmitter sind bei einer Depression beteiligt?
Wie wird die Manie behandelt?
Was ist Stress?
Welche Aufgaben hat Kortison bei Stress?
Was passiert bei einer Unkontrollierbarkeit einer Situation?
Was ist der Unterschied zwischen Furcht und Angst?
Welche Symptome sind typisch für das Borderline-Syndrom?
____________________________________________________________________________________________
132
Brain Modelling
Künstliche
Intelligenz
Wissensrepräsentation:
Modell
in
Formalismus
implementiert durch
Interpreter
≡ Wissensbasis
Die KI hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Schließen über unsere physikalische Umwelt zu
formalisieren und die Analyse physikalischer Systeme sowie die Vorhersage ihres Verhaltens
zu automatisieren.
Ausschließlich qualitative Informat-ion
über das System ist ausreichend, um das
System zu verstehen und seinen
Mechanismus
zu
erklären:
eine
Beschreibung der Struktur, das heißt der
Beziehungen zwischen den Teilen und
Wissen über die Funktionalität dieser
Teile (wie sie funktionieren und welche
Funktionen sie deshalb prinzipiell im
Gesamtsystem übernehmen können).
?
Problemmerkmale
Problemlösung
___________________________________________________________________________________
Künstliche Intelligenz
133
Expertensysteme:
Ein Expertensystem ist ein Computerprogramm, mit dem versucht wird, anhand von
erhobenen Gedankengängen und Erfahrungen von Experten eines bestimmten Fachgebiets
ein maschinelles System zu konstruieren, das Anwendern Aspekte einer
Problemlösungskompetenz zur Verfügung stellt.
Das implizite Wissen von Experten, oder besser die Besonderheit des Expertenhandelns,
äußert sich vor allem in der Geschwindigkeit und der Qualität: Das rasche Handeln setzt
Wissen voraus, aber im Moment des Handelns wird kein bewußter Bezug auf das Wissen
erlebt.
Semantische Netze:
Ein Gedächtnismodell, das auf zwei grundlegenden Typen von Beziehungen basiert:
[1] Beziehungen von Konzeptknoten, Is-A-Beziehung,
Ober-Konzept - Unter-Konzept Relation.
[2] Beziehung zwischen Konzepten und Eigenschaften, Has-Prop-Beziehung.
hat Haut
Wirbeltier
hat Federn
kann fliegen
kann singen
Vogel
XXX
Kanarienvogel
Has-Prop
Fisch
hat Kiemen
Laufvogel
Kranich
Strauß
Is-A
____________________________________________________________________________________________
134
Brain Modelling
Synthetische
Psychologie
Braitenbergs These:
Biologisches Verhalten lässt sich leichter synthetisieren
als analysieren.
Braitenbergsches Vehikel: Dies ist ein Fahrzeug mit zwei voneinander unabhängig
angetriebenen Hinterrädern, wobei der Unterschied in der Drehzahl der Hinterräder bestimmt,
wohin das Fahrzeug fährt. Ein Sensor, befestigt am Fahrzeug, bestimmt die Drehzahl eines
Rades.
Standardvehikel:
Hinterrad
Motor
excitatorische Verbindung zwischen
dem Sensor und dem Motor
Wenn auf den LDR
Licht fällt, sinkt sein
Widerstand, und der mit
dem LDR verbundene
Motor
dreht
sich
schneller. Das Vehikel
meidet Licht. (Angst ?)
excitatorische überkreuzteVerbindung
zwischen dem Sensor und dem Motor
Das Vehikel mit den
überkreuzten
Verbindungen sucht das Licht,
und fährt mit voller Geschwindigkeit darauf zu
und versucht es zu rammen. (Agressivität ?)
LDR
(light dependent Resistor)
Einführung von Neuroden: Die analogen Signale der Rezeptoren werden übersetzt in
Feuerfrequenzen. Das heißt bei maximaler Beleuchtung feuert der LDR-Sensor mit 100
Pulsen pro Sekunde. Neuroden sind nun Rechenelemente die von Rezeptoren und anderen
Neuroden Impulse empfangen, verrechnen und an andere Neuroden oder Motoren
weiterleiten. Im Neurod tickt eine Uhr mit einem bestimmten Takt. Ein Neurod feuert nur
dann, wenn die Uhr gerade einen Takt vollendet hat und die Zahl der Impulse die das Neurod
empfangen hat einen gewissen Schwellwert überschritten hat.
___________________________________________________________________________________
Synthetische Intelligenz
135
excitatorisches Neurod
1
inhibitorisches Neurod
Je höher die Pulsrate des Sensors,
umso langsamer läuft der Motor. Das
Vehikel bewegt sich auf die
Lichtquelle zu und bleibt in stiller
Verehrung vor ihr stehen. (Demut ?)
0
0
Das Vehikel wendet sich von der
Lichtquelle langsam ab und sucht
hellere Lichtquellen im Dunkeln.
Diese werden dann aber ebenso
gemieden. (Forschergeist ?)
Ab
einer
gewissen
Pulsfrequenz ändert sich
das Verhalten des Vehikels
drastisch.
1
0
0
2
1
1
1
Behavior Modelling:
Braitenbergmodell mit Bedürfnissen:
Niedriger Glucosehaushalt im Blut
führt zu Hunger. Es gibt verschiedene
Bedürfnisse, die sich gegenseitig
beinflussen können, und erst bei
verschiedenen Stärken aktiv werden.
Eine paar Modulationsparameter
steuern das gesamte Bedürfnisverhalten.
Gefahr => hohe Aktiviertheit =>
schnelle Reaktion
____________________________________________________________________________________________
136
Brain Modelling
Neuroimplantate
Neuroprothesen
Es handelt sich dabei um mikroelektronische Implantate im Bereich von Gehirn, Rückenmark,
spinalen und peripherer Nerven. Die Anwendung dieser Neuroimplantate kann bei rund 20
Symptomen und Krankheitsbilder zu einer Heilung oder zumindest zu einer Verbesserung der
Krankheitssymptome führen.
Man unterscheidet:
SCS
DBS
PNS
FES
SRS
Spinal Cord Stimulation
Deep Brain Stimulation
Peripheral Nerve Stimulation
Focal Electro Stimulation
Sacral Root Stimulation
Rückenmark
Tiefenhirnstimulation
Stimulation der peripheren Nerven
gezielte Stimulation (motorischer Nerven)
Stimulation sakraler Rückenmarksnerven
Man unterscheidet weiteres zwischen uni- und bidirektionaler Makroelektrosysteme. Die
unidirektionalen Systeme können die Nerven nur stimulieren, während die bidirektionalen
Systeme auch vom Nervensystem Signale empfangen, verarbeiten und erst danach Nerven
stimulieren.
Anwendungen von Neuroimplantaten:
• Direkte Stimulation der Basalganglien zur Parkinsontherapie
• Stimulation des Rückenmarks (speziell die Hinterstränge) bei chronischen Schmerzen
• Stimulation der motorischen und sakralen Spinalnerven bei Patienten mit einer
Blaseninkontinez bei einer Querschnittslähmung
• Stimulation des Hörnervs in der Schnecke bei Innenohrtaubheit
• Stimulation von peripheren Nerven bei gelähmten Extremitäten
• Stimulation des Herzens - Herzschrittmacher
• Stimulation des Nervus phrenicus bei einer Schädigung des Atmungsnerv beziehungsweise
bei einer Störung des Atemzentrum im unteren Hirnstammbereich (Lungenschrittmacher)
• Stimulation des Nervus vagus für die Stimulation der Magensekretion
___________________________________________________________________________________
Neuroimplantate
137
Die elektrischen Pulse können auf die unterschiedlichste Weise variiert werden, zum Beispiel
die Anzahl der Stimulationen pro Sekunde, die Form des Stimulationspulses, die Impulsdauer
und Stärke und die Gesamtdauer der Stimulation zur Inaktivität des Implantates.
Beispiel Phantomschmerz:
Ein Nervenstrang im hinteren Teil des Rückenmarks ist für die Weiterleitung von
Schmerzreizen aus der Körperperipherie in das Gehirn zuständig. Diese "Schmerz"-Neuronen
werden normalerweise gehemmt von den Neuronen, die Signale, wie Druck, Berührung oder
Vibration weiterleiten. Da aber keine Signale mehr von der betroffenen Peripherie in das
Rückenmark gelangen, können durch Spontanentladungen die "Schmerz"-Neuronen aktiviert
werden und Signale gelangen über die Schmerzbahn in das Gehirn. Deshalb führt man eine
Spinal Cord Stimulation durch. Das führt dazu, daß die Neuronen der Schmerzbahn gehemmt
werden und keine Signale in das Gehirn gelangen. Die Stimulation erfolgt über
Rechteckimpulse der Länge 225 µs mit 180 Pulsen pro Sekunde und einer Stärke von 2.4 Volt.
Muskelprothesen
Eine Nervenfaser versorgt ungefähr 100-200 Muskelfasern - man spricht von einer
sogenannten motorischen Einheit. Bei 10 Aktionspotentialen pro Sekunde beginnen sich
einzelne Muskelfasern zu kontrahieren. Bei 20 Impulsen werden sich mehr Muskelfasern
zusammenziehen und bei rund 80 Hz kontrahiert sich der Muskel einheitlich. Ein Muskel wie
der Bizeps wird von einigen tausend Nervenfasern innerviert. Als eine spezielle
Muskelprothese kann der Herzschrittmacher betrachtet werden.
Herzschrittmacher
Das Herz führt immer die selbe Bewegung aus, es ändert sich nur die Taktfrequenz. Das heißt
es müssen nur die Herznerven aktiviert werden, der Rest geschieht von alleine. Bei
Herzrhythmusstörungen gibt es leider keine eindeutigen Impulse die das Herz innervieren.
Oder die Taktfrequenz des Herzens sinkt. So aktiviert der Herzschrittmacher das Herz mit
einer geeigneten Frequenz, die zwischen einem und siebzig Hertz liegt. Dies hängt vom
genauen Krankheitsbild ab. Neuere Modelle können auch die Kreislaufbelastung (Schlaf,
Stiegensteigen) feststellen, das heißt die Taktfrequenz des Herzschrittmacher variiert in
Abhängigkeit der Umgebung.
Funktionelle Neuromuskuläre Stimulation
Bei der FNS (Funktionelle Neuromuskuläre Stimulation) werden die Muskel direkt - ohne den
Umweg über die Nerven - mit Hilfe von Elektroden gereizt. Die Muskelfaser selbst kann nicht
direkt stimuliert werden, da man eine Zerstörung des Gewebes befürchtet. So werden die
Elektroden auf die Haut geklebt oder subkutan (unter die Hautoberfläche) transplantiert. Wenn
der Muskel wieder ausreichend aufgebaut ist, das heißt dass wieder ausreichend Muskelmaße
zur Verfügung steht, dann muss ein Koordinationsschemata entwickelt werden. In dieses
Schemata fließen Kenngrößen, wie die Länge des Knochens, die Reizschwelle des Muskels als
auch deren Ermüdbarkeit, die Kraftentwicklung abhängig von der Reizstärke und Reizschwelle
ein. Damit ist es möglich das "Gehen" per elektrische Stimulation herbeizuführen. Im Labor
funktioniert es schon recht gut, trotzdem dürfen einige Probleme nicht übersehen werden. Die
Muskeln beginnen schnell zu krampfen, der Patient spürt zwar nichts, aber es kostet trotzdem
viel Kraft. Die Bewegung ist noch nicht flüssig. Es gibt auch ein Problem mit der freien
Balance. Bisher ist es regeltechnisch nicht beherrschbar, die Muskels so zu aktivieren, daß der
Patient nicht umfällt. Aber es ist ein Ansatz für die Zukunft. Es ist zum Beispiel schon
möglich, dass Tetraplegiker, Personen, die einen Halswirbelbruch erlitten hatten, wieder
Greifbewegungen durchführen konnten. Die Steuerung erfolgt über die noch ausgeprägte
Bewegungsfähigkeit der Hals- und Schultermuskulatur.
Diese Idee geht noch um vieles weiter. Es wäre möglich mit einem Enzephalogramm die
Hirnströme zu messen und sie mit einem Computer zu analysieren. Damit kann man dann
____________________________________________________________________________________________
138
Brain Modelling
diverse Elektroden steuern. Man denkt an eine spezielle Handlung und der Computer setzt sie
um.
Computer im Ohr
Bei Patienten mit einer Innenohrtaubheit kann ein sogenanntes Cochleaimplantat helfen. Die
Innenohrtaubheit ist meist eine angeborene Erkrankung, obwohl auch Krebs oder eine
Mittelohrentzündung eine wesentliche Rolle spielen können. Die knöcherne Hörschnecke ist
degeneriert, die Nerven bleiben stumm. Zerstört ist meistens nur der Teil, der für die höheren
Töne (1500 Hz) zuständig ist - Konsonanten können nicht mehr richtig verstanden werden.
Über das Trommelfell, über 3 Hörknöchelchen gelangt der Schall in das Cortischen Organ die Cochlea. In der Hörschnecke befinden sich spiralförmige, mit Flüssigkeit gefüllten Röhren,
die sich bis in die Spitze der Cochlea winden. In dem mittleren Innenohrkanal stecken die für
den Hörprozess entscheidenden Nerven. Jeder Nerv trägt am Ende ein Haarbüschel als
hörsensibler Fortsatz. Gelangen Schallwellen in die Hörschnecke, stoßen sie die in den
Innenohrkanälen stehende Flüssigkeit an. Die Schwingungen erreichen damit die Haarbüschel
- die Entladungsfrequenz der Neuronen erhöht sich. Innerhalb der Cochlea findet eine
Schallanalyse statt. Die Resonanzverhältnisse in der Hörschnecke führen dazu, daß die ganz
tiefen Bässe mit 18 Hertz im letzten Ende des Innenohrkanals schwingen, während die hohen
Frequenzen gleich am Eingang der Cochlea die Nervenzellen reizen. Die Haarzellen, die
entlang der Basilarmembran laufen, registrieren also je nach Lage der im Cortischen Organ
immer nur einzelne Töne mit einer wohldefinierten Schwingungszahl. Insgesamt 50 000
Nerven leiten diese Information gebündelt im Hörnerv zum Gehirn. Die ersten Versuche die
Taubheit mit Hilfe von neuronalen Prothesen zu bewältigen wurden im Jahr 1957 angestellt.
Die kompliziertesten Implantate besitzen heute Elektrodenträger mit 22 Kontakten, das heißt
an 22 verschiedenen Stellen wird die Cochlea gereizt. Die Elektrode, die sich in der Spitze der
Cochlea befindet, erhält immer dann Signale, wenn tiefe Töne übertragen werden. Für hohe
Töne sind die Kontakte am Eingang der Hörschnecke verantwortlich. Ein Mikroprozessor
erhält von einem Mikrophon Signale, diese Signale werden der Frequenz und der Lautstärke
nach analysiert. Das Ergebnis gelangt zu einem Sender, der hinter dem Ohr versteckt ist. Der
Empfänger wurde unter der Haut implantiert, der dann über den Elektrodenträger die Kontakte
mit einer Frequenz von 800-1000 Hertz versorgt. Das akustisch wahrnehmbare Frequenzband
von 20 bis 20000 Hertz wird nicht in 50 000 Hörnervenzellen unterteilt, sondern nur in 22
Bereiche. Also können Menschen Frequenzen mit rund 0.4 Hertz unterscheiden - beim
Cochleaimplantat sind es 90 Hertz. Trotzdem besitzen Patienten ein umfassendes Hörgefühl.
Dafür ist es notwendig, daß die Betroffenen wieder das Hören lernen. Die Anpassung an die
neuen Verhältnisse leistet das Gehirn (implizites Lernen). Nach einem speziellen Training ist
es möglich, daß Personen sogar telephonieren können. Früher hat man eher älteren Personen
das Cochleaimplantat eingesetzt, heute sind es vor allem Kinder. Bei den Kindern ist das
Gehirn noch viel wandlungsfähiger, die Strukturen bilden sich erst.
Neuroprothesen am Gehirn
Bei Morbus Recklinghausen - einer gutartigen Geschwulstbildung - wird die Verbindung
zwischen Innenohr und Gehirn unterbrochen. In diesem Fall hilft auch kein Cochlea-Implantat,
da die Information nicht in das Gehirn weitergeleitet werden kann. Für diesen speziellen Fall
wurde eine Stammhirnprothese entwickelt. Es wurde die gleiche Elektronik wie beim CochleaImplantat verwendet, nur der Elektrodenträger wurde verändert. Auf einem länglichen ovalen
Elektrodenträger sind die einzelnen Elektroden nebeneinander angeordnet. Der Träger ist 2.5
mm breit und 8 mm lang, die Elektroden sind in 4 Reihen verteilt. Die Größe hat natürlich
einen tieferen Grund, der Nucleus Cochlearis im Hirnstamm ist genauso groß. Über diesen
Kern gelangt die gesamte Hörinformation in das Gehirn. In diesem Bereich sind die Neuronen
auch wieder für verschiedene Tonhöhen zuständig. Die Elektroden müssen nun so angeordnet
werden, daß die jeweiligen Gebiete aktiviert werden. Da die Elektroden nur glatt auf dem
Nucleus cochlearus aufliegen, müssen sie sehr gut befestigt werden.
___________________________________________________________________________________
Neuroimplantate
139
Sehprothese
Bei der Retinitis pigmentosa kann eine direkte Reizung der Retina helfen. Hauptsächlich
degenerieren die Zapfen der Netzhaut, später sterben auch die Stäbchen ab. Die Nerven, die
die Signale weiterleiten sind aber in Ordnung. Die Idee besteht nun darin, daß Implantate die
Aufgabe der Zellen und Stäbchen übernehmen. Leider funktionieren die bisherigen Implantate
nur mit sehr großen Problemen. Die Nerven beginnen sofort nach einführen des Implantates zu
degenerieren.
Prothesen für Arme und Beine
Der Ersatz für Arme oder Beine sind schon seit der Antike bekannt. Gerade Kriege führten zu
einer raschen Entwicklung der Prothetik. Heute sind es vor allem Verkehrs- oder
Arbeitsunfälle die zu einem Verlust von einzelnen Gliedmaßen führen. Ziel von neuronalen
Armprothesen ist es, den Arm genauso zu bewegen, wie man es gewohnt ist. Auch sollte man
mit dem Arm sensorische Reize, wie Temperatur oder das Gewicht eines gehobenen
Gegenstandes fühlen. Das Gehirn soll einen direkten Zugriff auf die künstliche Motorik
besitzen. Drei Nerven innervieren einen Arm: Nervus medianus, Nervus radialis und Nervus
ulnaris. Der Oberarmmuskel wird durch den Nervus musculocutaneus innerviert. Umgekehrt
liefern auch viele sensorische Nerven Signale an das Gehirn. Die Muskelspindeln geben an,
wie stark der Muskel gedehnt ist und die Golgiorgane geben an, wie stark die Sehnen gedehnt
sind. Natürlich gelangen über die Haut noch viel mehr Reize in das Gehirn: Druck,
Temperatur, Schmerz, Berührung oder Vibrationen. Zum Glück kommt es aber zu einer
starken Datenreduktion, das heißt nicht jedes einzelne sensible Neuron kann im Gehirn auch
tatsächlich etwas bewirken. Heute kann man schon Neuronen in ein Siliziumsubstrat wachsen
lassen. Dieses Substrat ist dann in der Lage, die Daten zu analysieren und entsprechend zu
handeln. Viel problematischer ist im Moment vielmehr die Stromversorgung und die
Elektrotechnik. Die Leistungsdichte der Batterien ist viel zu gering und unter normalen
Bedingungen würde ein Arm nach 20-30 Minuten erlahmen.
Welche Anwendungen von Neuroimplantaten kennen sie?
Was versteht man unter funktioneller neuromuskulärer Stimulation?
Wie funktioniert ein Cochlea-Implantat?
Welche Probleme ergeben sich bei einer Sehprothese?
____________________________________________________________________________________________
140
Brain Modelling
Spieltheorie
13.0 Spieltheorie
"Die geringe körperliche Kraft des Menschen, seine geringe Schnelligkeit, der Mangel an
natürlichen Waffen werden mehr als ausgeglichen . . . durch seine sozialen Eigenschaften,
welche ihn dazu führten seinen Mitmenschen zu helfen und Hilfe von ihnen zu empfangen."
Charles Darwin (1809-1882)
Kommentkampf - Duell:
Falken Tauben Modell
Es gibt nur eine begrenzte Kriegsführung, das heißt alle kämpfenden Parteien halten sich an
die Spielregeln und niemand wird schwer verletzt.
Falke Taube
Gewinn bei Sieg:
+10
Gewinn bei Niederlage: 0
Falke
+1
-5
schwere Verletzung:
-5
langer Kampf:
+2
Taube
0
+2
E(T,T)
= 0.5 . (+10) + 0.5 . (0) + (-3) = +2
E(F,F)
= 0.5 . (+10) + 0.5 . (-20) = -5
E(F,T) bzw. E(T,F) =
0 für Taube und +10 für Falke
Die Strategie i ist gegenüber j stabil wenn gilt: E(i,i) ≥ E(j,i) bzw E(i,j) ≥ E(j,j)
Mischstrategien:Tue immer das was die anderen nicht tun ! (
8
5
Falken, Tauben )
13
13
Problem des Modells: Unterschied in Kampfgröße,Stärke und Waffen des Gegners.
Motivation (hunger makes agressiv)
Einführung von Besitz verändert die Situation: Besitzender verhält sich wie Falke,
Habenichts wie eine Taube.
Kommt es zwischen zwei Männchen A und B (Pavianen) zu einer Auseinandersetzung, wird
ein Beistand C gesucht.
Was hat C davon A oder B zu helfen ?
Bekommt er auch Hilfe von A (oder B) ? (BETRUG)
___________________________________________________________________________________
Spieltheorie
141
Gefangenendilemma:
Lohn für Kooperation:
Strafe für beiderseitiges Betrügen:
Versuchung zu Betrügen:
Gewinn für den Betrogenen:
L
S
V
T
=
=
=
=
-2
-4
0
-5
Spieler 1
Kooperation Betrug
Kooperation
0
-
Spieler 2
Betrug
Kanonische Nutzen-Matrix:
-2
-5
-4
-
V > L > S > T (1)
(V+T)/2 < L (2)
Beide Spieler können sich überlegen: Betrügen ist für mich vorteilhafter. Also betrügen beide,
um ihren Nutzen zu maximieren und erreichen das Gegenteil, während beide bei
beiderseitiger Kooperation einen höheren Nutzen gehabt hätten.
iteriertes Gefangenendilemma:Die beiden Spieler treffen öfters hintereinander zusammen
und "spielen" miteinander.
Strategien: Tit for Tat
Ich kooperiere beim ersten mal und tue genau das, was der
andere beim letzten mal getan hat.
Mehrheitsent. Mild Ich tue was der andere in der Mehrzahl der bisherigen Fälle
getan hat.
Grimmig
Ich kooperiere, bis der andere zum erstenmal betrügt, von da
an betrüge ich stets.
Hartes Tit for Tat Ich kooperiere, es sei denn der andere hat beim letzten oder
beim vorletzten Mal betrogen.
Lieb
Ich kooperiere immer.
Verrückt
Ich betrüge durchschnittlich jedes zweite mal abhängig vom
Zufall.
Böse
Ich betrüge stets.
Bei der direkten Konfrontation gewinnt (verliert nicht) die Strategie Böse.
Es ist besser nett zu sein als böse.
Man muß reaktiv sein.
Es gibt keine beste Strategie !
Man muß rasch vergeben.
List und Tücke bringen nichts.
____________________________________________________________________________________________
142
Brain Modelling
iteratives Gefangenendilemma mit Kündigung:
Tit f. Tat mit Schmerzgrenze: Wenn in den letzten fünf Zügen der Gewinn kleiner als zwei
Punkte pro Zug war, dann kündige ich.
Probieren:
Kooperieren, Kooperieren, Betrügen, Betrügen. Wenn der andere
in dieser Zeit dreimal betrogen hat kündige ich, sonst kooperiere
ich bedingungslos.
Brutal:
Ich betrüge, solange mein Partner kooperiert. Sobald er betrügt,
kündige ich.
Spieler 2
Kooperation Betrug
Spieler 1
Kooperation
3
5
Betrug
0
1
Kündigung
2
2
___________________________________________________________________________________
Spieltheorie
143
Anhang A: Verbindungen der Kernstrukturen des menschlichen Gehirns
____________________________________________________________________________________________
144
Brain Modelling
Anhang B: Cortikale Felder des Affen:
Abbildung B.1: Karte der Cortexfelder des Makakken. Die Rinde ist geglättet dargestellt. Die relativen Größen
sind korrekt dargestellt.
___________________________________________________________________________________
Anhang B: Corticale Felder des Affen
145
Lokalisation
Abkürzung
Bezeichnung
wahrscheinliche Funktion
Okzipitallappen
V1
V2
V3
V3A
V4
V4t
MT (V5)
VP
VOT
visuelle Area 1 (17)
visuelle Area 2 (18)
visuelle Area 3
visuelle Area 3A
visuelle Area 4
V4 transitional
visuelle Area 5
ventral posterior visuell
ventral okzipitotemporal
visuelle Sortierung
visuelle Sortierung
Sehen - dynamische Form
Sehen - ?
Sehen - Farbe
Sehen - ?
Bewegung
Sehen - ?
Sehen - ?
Temporallappen
FST
PITd
PITv
CITd
CITv
AITd
AlTv
STPp
STPa
FT
TH
AI
RL
CM
L
PA
superior temporal, ventraler Anteil
posterior inferotemporal, dorsal
posterior inferotemporal, ventral
zentral inferotemporal, dorsal
zentral inferotemporal, ventral
anterior inferotemporal, dorsal
anterior inferotemporal, ventral
superior temporal polysensorisch, posterior
superior temporal polysensorisch, anterior
FT (Hippocampusformation)
TH (Hippocampusformation)
primär auditorisch
rostrolateral auditorisch
caudomedial auditorisch
lateral auditorisch
postauditorisch
Sehen
Sehen
Sehen
Sehen
Sehen
Sehen
Sehen
polymodal
polymodal
Gedächtnis
Gedächtnis
Hören
Hören
Hören
Hören
somatisch oder auditorisch?
Hippocampus (HC)
ER
35
36
Subiculum
CAI
CA3
entorhinaler Cortex
Brodmannsche Area 35
Brodmannsche Area 36
(Prä-, Post-, Sub-) Subiculum
Ammonshorn, Area 1
Ammonshorn, Area 3
Gedächtnis und/oder Raumorientierung
Gedächtnis und/oder Raumorientierung
Gedächtnis und/oder Raumorientierung
Gedächtnis und/oder Raumorientierung
Gedächtnis und/oder Raumorientierung
Gedächtnis und/oder Raumorientierung
Parietallappen
3a
3b
1
2
SII
5
7a
7b
MSTd
MSTI
PO
PIP
LIP
VIP
MIP
MDP
DP
primär somatosensorisch
primär somatosensorisch
somatosensorisch
somatosensorisch
sekundäre somatosensorische Karte
sekundär somatosensorisch (Area PE)
sekundär visuell (Area PG)
sekundär somatosensorisch (Area PF)
medial superior temporal, dorsal
medial superior temporal, lateral
parieto-okzipital
posterior intraparietal
lateral intraparietal
ventral intraparietal
medial intraparietal
medial dorsal parietal
dorsal anterior zum Sulus lunatus
Hautsinn?
taktil; Muskeln, Gelenke
taktil - ?
vestibulär
taktil - Mustererkennung
taktil - Mustererkennung
visuomotorische Kontrolle
visuomotorische Kontrolle
visuomotorische Kontrolle
visuomotorische Kontrolle
visuomotorische Kontrolle
visuomotorische Kontrolle
visuomotorisch
visuomotorisch
visuomotorisch
visuomotorisch
visuomotorisch
Frontallappen
4
6
SMA
MEF
FEF
46
9,10,14
11,12,13
25-32
G
PRO
PAL
PIR
PAC
ER
primär motorisch
sekundär motorisch
supplementär motorisch
supplementäre Augenfelder
frontales Augenfeld
dorsolateral präfrontal
dorsal präfrontal
orbital präfrontal
medial präfrontal
gustatorisch
Proisocortex
Periallocortex
olfaktorisch
olfaktorisch
olfaktorisch
feine Bewegungen
Bewegungsfolgen
beidhändige Bewegungen
Augenbewegungen
Augenbewegungen
Gedächtnis, Bewegungen, Planung
Gedächtnis, Bewegungen, Planung
Emotion, Gedächtnis
Gedächtnis, Bewegungen, Planung
Geschmack
?
?
Riechen
Riechen
Riechen
Gyrus cinguli
23,24,29,30
Motivation, Emotion, Raumorientierung,
Gedächtnis
Tabelle B.2: Die einzelnen Areale des Makakkengehirns
____________________________________________________________________________________________
146
Brain Modelling
Abbildung B.3: Die Verknüpfung zwischen einzelnen Arealen. Hier ist ein besonderer Bezug zu den visuellen
Arealen hergestellt.
nach Felleman D.J, D.C. van Essen, Distributed hierarchical processing in the primate
cerebral cortex. Cerebral Cortex 1: 1-47, 1991
___________________________________________________________________________________
Anhang B: Corticale Felder des Affen
147
Begriffe aus der Neurowissenschaft:
Abhängigkeit: Zustand, bei dem immer eine bestimmte
Konzentration einer Substanz vorhanden
sein muss, um Entzugserscheinungen zu
verhindern.
Absence:
Zeitlich
begrenzter
Verlust
des
Bewusstseins bei manchen Formen der
Epilepsie.
Acalculie:
Unfähigkeit, mathematische Operationen
durchzuführen.
Achromatopsie: Unfähigkeit, trotz normal pigmentierter
Zellen in der Retina Farben zu
unterscheiden; wird manchmal auch
"cortikaIe Farbenblindheit" genannt.
Acopie:
Unfähigkeit,
geometrische
nachzuzeichnen.
Formen
Adenosintriphosphat (ATP):
Für den zellulären
Energiestoffwechsel wichtiges Molekül.
Die Reaktion von ATP zu ADP
(Adenosindiphosphat) setzt Energie frei.
ATP kann auch zu cAMP (zyklischem
AMP) umgewandelt werden, das als
second messenger an der Erzeugung
postsynaptischer Potentiale durch einige
Neurotransmitter
sowie
an
der
Vermittlung
der
Wirkung
von
Peptidhormonen beteiligt ist.
Afferent:
Agraphie:
Akinesie:
Teilweise
oder
vollkommene
Unfähigkeit,
sensorische
Reize
wahrzunehmen; nicht erklärbar durch
einen Defekt elementarer Empfindungen
oder
durch
ein
erniedrigtes
Vigilanzniveau.
Abnahme oder vollkommener Verlust
der Schreibfähigkeit.
Fehlen
von
Bewegungen
oder
Bewegungsarmut
beziehungsweise
Bewegungsunfähigkeit.
Aktionspotential:Kurzer elektrischer Impuls entlang des
Axons. Das Aktionspotential resultiert
aus kurzzeitigen Veränderungen der
Membranpermeabilität für Natrium- und
Kaliumionen.
Alexie:
Amblyopie:
Beeinträchtigung des Sehvermögens
ohne offenkundige Ursache im Auge.
Amine:
Klasse chemischer Verbindungen, zu der
manche Neurotransmitter gehören.
Aminosäuren: Klasse biologisch aktiver chemischer
Verbindungen.
Amnesie:
Unfähigkeit zu lesen.
Alpha-Rhythmus:Regelmäßiges Wellenmuster (etwa 10
Hz) im Elektroencephalogramm. Der
Alpha-Rhythmus ist bei den meisten
Menschen zu messen, wenn sie entspannt
sind und die Augen geschlossen halten.
Völliger
oder
teilweiser
Gedächtnisverlust.
Siehe
auch
anterograde
Amnesie,
retrograde
Amnesie.
amnestische Aphasie: Aphasisches Syndrom, das durch
die Unfähigkeit, ein Objekt zu benennen,
sowie durch die Bildung unbeabsichtigter
Silben, Wörter oder Sätze während des
Sprechens charakterisiert ist.
Amygdala:
Gruppe von Nuclei
Temporallappen.
Aneurysma:
Krankhafte,
örtlich
begrenzte
Erweiterung
beziehungsweise
Wandausbuchtung einer Arterie; kann
zum plötzlichen Riss des Blutgefäßes
führen.
Faserverbindungen
oder
neuronale
Signale in Richtung Zentralnervensystem
ziehend, beziehungsweise auf ein Neuron
zukommend.
Afferenztheorie: Theorie, dass jedes Verhalten durch
sensorische Ereignisse angetrieben wird;
steht im Gegensatz zur Efferenztheorie.
Agnosie:
Alzheimer-Krankheit:Degenerative Gehirnkrankheit, die
sich zunächst durch einen progressiven
Gedächtnisverlust auszeichnet und sich
allmählich in eine allgemeine Demenz
entwickelt. Die Ursache der Krankheit ist
zwar unbekannt, es scheint aber, dass
cholinerge Zellen im basalen Vorderhirn
und im entorhinalen Cortex als erste
degenerieren.
im
medialen
Angiographie: Darstellung von Blutgefäßen mit Hilfe
eines Kontrastmittels.
Anomie (anomische Aphasie): Schwierigkeiten bei der
Wortfindung, insbesondere bei der
Objektbenennung.
anteriore
Kommissur:
Interhemisphärische
Faserverbindung
der
anterioren
Temporallappen, der Amygdala und des
paläocortikalen
Anteils
des
Temporallappens.
anterograde Amnesie: Unfähigkeit, sich an Ereignisse zu
erinnern, die nach einer Störung der
Gehirnfunktionen
auftreten
(zum
Beispiel nach einer Gehirnverletzung,
einem Elektroschock oder bestimmten
degenerativen Krankheiten). Siehe auch
retrograde Amnesie.
anterograde Degeneration: Degeneration der vom Ort
der Schädigung betrachtet distal vom
Zellkörper
liegenden
Teile
einer
Nervenzelle. Wird beispielsweise ein
Axon durchtrennt, degeneriert der
Bereich zwischen der Schnittstelle und
den präsynaptischen Endigungen.
____________________________________________________________________________________________
148
Brain Modelling
Aphasie:
Störung oder Verlust der Fähigkeit zum
sprachlichen oder schriftlichen Ausdruck
der Zeichengebung sowie Verlust des
Verständnisses
der
gesprochenen
Sprache; Folge einer Gehirnverletzung
oder Gehirnkrankheit.
Apraxie:
Unfähigkeit,
zweckgerichtete
Bewegungen durchzuführen, und zwar in
Abwesenheit einer Paralyse oder Parese.
Aprosodie:
Verlust
des
Verständnisses
von
Sprachmelodie und der Produktion
verschiedener Sprachstimmlagen.
Archicortex:
Teil des Cortex, der sich in enger
Verbindung mit dem olfaktorischen
Cortex entwickelt und phylogenetisch
älter ist als das Neopallium. Er hat auch
nicht dessen sechsschichtige Struktur. Er
wird auch Archipallium, Allocortex und
olfaktorischer Cortex genannt. Bei
adulten Säugetieren entspricht er dem
Gyrus dentatus und dem Gyrus
hippocampalis.
Asomatognosie: Verlust
des
Wissens
oder
der
sensorischen Erfahrung über den eigenen
Körper und seinen Zustand. Der Zustand
kann sich auf beide Körperseiten
beziehen. Meist resultiert er aus einer
Zerstörung des rechten Parietallappen.
Assoziationscortex:
Alle Kortexareale, die nicht
motorisch oder sensorisch sind. (Der
Ausdruck geht auf die früher vertretene
Annahme zurück, dass Informationen der
verschiedenen Sinne sich hier treffen und
miteinander assoziiert werden.) Siehe
auch präfrontaler Cortex, tertiäres
Projektionsgebiet.
Astrocyt:
Astrocytom:
Gliazelle.
Astrocyten
sind
die
zahlenmäßig überwiegen die Gruppe von
Gliazellen.
Langsam wachsender Gehirntumor, der
auf die Vermehrung von Astrocyten
zurückzuführen ist.
auditorische Agnosie: Beeinträchtigte Fähigkeit, nicht
verbale
akustische
Reize
zu
identifizieren.
Aufmerksamkeit: Hypothetischer Vorgang, der entweder
eine selektive Wahrnehmung von nur
einem Teil beziehungsweise einem
Aspekt der sensorischen Umgebung
bewirkt, oder aber eine selektive
Reaktion auf nur eine bestimmte Klasse
von Reizen.
Aussprossen von Axonkollateralen: Phänomen, das
Folge der teilweisen Schädigung eines
Neurons sein kann; erhalten gebliebene
Axonabschnitte des Neurons sprossen an
ihren Enden aus und stellen dadurch
Verbindungen mit der zuvor innervierten
Region her.
Autismus:
Zustand, bei dem eine Person durch
ichzentrierte
Gedanken
oder
Verhaltensweisen beherrscht wird, die
auch durch externe Reizung nicht
verändert werden können. Bei Kindern
wird dieser Zustand häufig als infantiler
Autismus
bezeichnet;
sein
Charakteristikum besteht darin, dass zu
anderen Personen oder zur Umwelt keine
normale
Beziehung
aufgenommen
werden kann. Autistische Kinder haben
im
allgemeinen
schwere
Sprachstörungen und zeigen stereotype
Verhaltensweisen.
automatisierte Verhaltensweisen:Stereotype Verhaltenseinheiten,
die
eine
festgelegte
Reihenfolge haben, zum Beispiel Lausen
und Kauen; auch als reflektorische
konsumptorische oder respondierende
Verhaltensweisen oder Automatismen
bezeichnet.
Autoradiographie:
Hierbei werden bestimmte
radioaktive Stoffe in den Blutkreislauf
injiziert, von Neuronen inkorporiert und
gegebenenfalls in deren Fortsätze
transportiert. Wird das Gewebe daraufhin
auf einen Film gelegt, schwärzen
radioaktive Gewebeteile diesen. Dadurch
lässt sich der Weg rekonstruieren, den
die radioaktiv markierte Substanz
genommen hat.
Autotopagnosie: Unfähigkeit, eigene Körperteile zu
lokalisierenund zu benennen. Ein
Beispiel ist die Fingeragnosie.
Axon:
Dünner,
fadenförmiger
neuronaler
Fortsatz, der Aktionspotentiale vom
Zellkörper zu anderen Neuronen (oder
Muskeln oder Drüsen) leitet.
Axonhügel:
Ansatzpunkt des Axons am Zellkörper,
an dem Nervenimpulse entstehen. Dort
wird
entschieden,
ob
ein
Aktionspotential ausgelöst wird, oder
nicht.
Basalganglien: Gruppe großer Nuclei im Vorderhirn;
dazu gehören der Nucleus caudatus, das
Putamen, der Globus pallidus, das
Claustrum und die Amygdala.
aufmerksamkeitsbezogene Dyslexie: Störung, bei der
die Benennung eines Buchstabens dann
schwieriger ist, wenn dieser von einem
zweiten
oder
mehreren
anderen
Buchstaben begleitet wird.
Beta-Rhythmus: Unregelmäßige
Aktivität
im
Elektroencephalogramm (zwischen 13
und 30 Hz), die im allgemeinen im
wachen Zustand auftritt.
Aura:
bilateral:
Subjektive Empfindung, Wahrnehmung
oder motorisches Phänomen, das dem
Beginn eines epileptischen Anfalls
vorausgeht und diesen kennzeichnet.
Auf beiden Körperseiten beziehungsweise Hirnhälften lokalisiert.
___________________________________________________________________________________
Begriffe aus der Neurowissenschaft
149
bildgebende Verfahren: Mit Hilfe von Computern
errechnete Bilder des Körperinneren;
dazu zählen die Computertomographie,
die Kernspintomographie und die
Positronenemissionstomographie.
Bindungsproblem:
Theoretisches Problem der
Integration
von
sensorischen
Informationen.
Ein
einziges
sensorisches
Ereignis
wird
in
zahlreichen
parallelen
Kanälen
analysiert, die jedoch nicht auf eine
übergeordnete Region konvergieren. Im
Hinblick auf die Frage, wie diese
einzelnen
Analysen
zu
einer
einheitlichen
sensorischen
Wahrnehmung
zusammengefügt
werden,
spricht
man
vom
Bindungsproblem.
biogene Amine: Gruppe von Neurotransmittern, zu
denen Noradrenalin, Dopamin und
Serotonin gehören.
bipolare Zellen: Neuronen mit Fortsätzen an beiden
Polen des Zellkörpers. Dies ist
insbesondere
ein
Merkmal
der
sogenannten Bipolarzellen der Retina.
Blut-Hirn-Schranke: Physiologische Barriere, die durch
die Wandzellen der Hirnkapillaren
gebildet wird. Diese "Zellmauer"
verhindert einen passiven Eintritt vieler
Substanzen in das Hirngewebe.
Broca-Aphasie: Expressive oder auch nichtflüssige
Aphasie;
hauptsächlich
eine
Sprechstörung; sie resultiert aus einer
Läsion des Brocaschen Areals.
Brocasches Areal:
Gebiet im linken Frontallappen
(frontales Operculum), von dem man
glaubt, dass es an der Sprachproduktion
beteiligt ist. Eine Zerstörung führt zur
Broca-Aphasie.
cerebrale Kompression: Druck auf die Gehirnsubstanz
aufgrund einer Verletzung, die eine
Hirnblutung verursachte.
cerebrale Laceration: Zerreißen des Gehirnsgewebes
infolge einer Hirnprellung (Contusio
cerebri).
cerebraler Cortex:
Die graue Substanz auf der
Oberfläche der Hirnhemisphären, die aus
(vier bis) sechs Neuronenschichten und
deren
lokalen
synaptischen
Verbindungen besteht.
Cerebrospinalflüssigkeit (CSF): Klare, farblose Flüssigkeit, die Natriumchlorid und andere
Salze enthält und die Ventrikel innerhalb
des Gehirns sowie den Zentralkanal des
Rückenmarks ausfüllt; sie zirkuliert um
das Gehirn und das Rückenmark, und
zwar im Subarachnoidalraum, der sich
zwischen der Arachnoidea und der Pia
mater befindet.
Chiasma opticum:
Sehbahnkreuzung. Ort an der
Hirnbasis, wo sich die Sehnerven beider
Augen teilweise kreuzen.
Chorea Huntington:
Erbkrankheit, die sich durch
zuckende Tanzbewegungen (Veitstanz)
und progressive Demenz auszeichnet und
tödlich endet.
Chorea Sydenham: Akute Störung im Kindesalter, die
durch
unwillkürliche
Bewegungen
gekennzeichnet ist, allmählich schwerer
wird und praktisch alle Bewegungen
einschließlich der Sprechbewegungen
umfasst; auch als Veitstanz bekannt.
Chromosomen: Mit Proteinen assoziierte DNA-Stränge
im Zellkern einer jeden Zelle. Die
Chromosomen enthalten die komplette
genetische Information, welche die
Struktur und die Funktion der Zelle
bestimmt.
Brodmannsche Karte: Von Brodmann entwickelte
Karte des Cortex. Sie basiert auf der
cytoarchitektonischen Struktur des
Gehirns
und
bezeichnet
die
verschiedenen anatomischen Areale mit
Nummern. (Sie stimmt auffallend gut
mit den funktionalen Karten überein,
die später durch Läsionsstudien oder
Ableitexperimente erstellt wurden.)
cingulärer Cortex: Areal vom limbischen Cortex, der
direkt über dem Corpus callosum an den
medialen Wänden der Großhirnhemisphären liegt.
Calcifizierung: Ansammlung von Calcium in mehreren
Gehirnregionen
nach
einer
Gehirnschädigung.
Colliculus superior: Kern im Tectum des Mittelhirns, der
visuelle Afferenzen erhält und an
Bewegungen beteiligt ist, die als
Reaktion auf visuelle Reize erfolgen.
Paarige Struktur.
Catecholamine: Klasse von Neurotransmittern, zu denen
Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin
gehören.
Cerebellum (Kleinhirn): Wichtige Struktur des Hinterhirns, die für die motorische
Koordination von Bedeutung ist.
cerebrale Hypoxie: Sauerstoffmangel im Gehirn.
cerebrale Ischämie: Blutmangel im Gehirn. Dieser kann
auf bestimmte Regionen beschränkt sein
und als Folge einer Zerstörung oder
Quetschung von Hirnarterien auftreten.
Colliculus inferior: Kern im Tectum des Mittelhirns, der
auditorische Afferenzen erhält und an
Bewegungsreaktionen auf auditorische
Reize beteiligt ist. Paarige Struktur.
Computertomographie (CT): Röntgenverfahren, bei dem
die durch einen feinen Röntgenstrahl
gemessene Dichte des Gehirns vom
Computer kartographisch dargestellt
wird. Die Methode ermöglicht eine
dreidimensionale
Darstellung
des
Gehirns und ist deshalb konventionellen
Röntgenmethoden überlegen.
Corpus callosum: Fasersystem, das homotope Regionen
der beiden Hemisphären miteinander
verbindet.
____________________________________________________________________________________________
150
Brain Modelling
Cortex:
Äußere Schicht beziehungsweise Rinde.
Cortexquotient (CQ): Maß für die relative Größe des
Cortex;
er
ist
analog
zum
Encephalisationsquotienten, bezieht sich
jedoch nur auf den Cortex.
cortikospinale Fasern: Fasern zwischen Cortex und
Rückenmark.
Creutzfeldt-Jakobsche Krankheit:
Form seniler
Demenz bei allgemeiner cortikaler
Atrophie. Die Ursache ist zwar
unbekannt, als Verursacher wird jedoch
ein langsam wirkendes Virus vermutet.
cytoarchitektonische Karten: Kartographische Erfassung des Cortex, auf der Basis der
Organisation, der Struktur und der
Verteilung der Zellen.
Cytochromoxidase:
In Mitochondrien produziertes
Enzym. Man nimmt an, dass eine erhöhte
Enzymaktivität eine erhöhte neuronale
Aktivität widerspiegelt. Man kann die
Cytochromoxidase in Gewebepräparaten
anfärben, um festzustellen; welche
Gehirnregionen besonders aktiv sind.
Degeneration:
Absterben
von
Neuronen
oder
neuronalen Fortsätzen als Reaktion auf
eine Verletzung des betreffenden oder
manchmal auch eines anderen Neurons.
deklaratives Gedächtnis: Gedächtnistyp, der durch die
Fähigkeit eines Individuums gekennzeichnet ist, sich an Einzelheiten eines
Ereignisses (Zeit, Ort, Umstände) zu
erinnern. Genaugenommen bezieht sich
der Begriff auf die Fähigkeit, das
wiederzugeben, was man weiß. Ein
Verlust dieser Gedächtnisform besteht
bei vielen Formen der Amnesie. Siehe
auch prozedurales Gedächtnis.
Dendriten:
Baumartige
Fortsätze
informationsaufnehmenden Teil
Neurons.
am
des
distal:
Von einem Referenzpunkt entfernt.
divergentes Denken: Form des Denkens, bei der nach
verschiedenen Lösungen für ein Problem
gesucht wird; zum Beispiel, auf wie viele
verschiedene Arten kann man einen Stift
benutzen?
dornenlose Neuronen: Klasse inhibitorischer Neuronen,
die keine dendritischen Dornen tragen.
dornentragende Neuronen: Klasse von Neuronen, deren
Dendriten mit dendritischen Dornen
besetzt sind; sie sind in der Regel
exzitatorisch.
dorsomedialer Thalamus: Thalamischer Kern, der eine
wichtige Afferenz zum präfrontalen
Cortex darstellt. Bei Patienten mit
Korsakoff-Syndrom ist er degeneriert
und
führt
zu
einem
schweren
amnestischen Syndrom.
Dysarthrie:
Schwierigkeiten beim Sprechen, die
durch mangelnde Sprechkoordination
verursacht werden.
Dyscalculie:
Schwierigkeiten bei der Durchführung
mathematischer Operationen.
Dyskinesie:
Jegliche Form der Bewegungsstörung.
Dyslexie:
Leseschwierigkeit.
Siehe
auch
aufmerksamkeitsbezogene
Dyslexie,
erworbene Dyslexie, Neglectdyslexie.
Echolalie:
Zustand, bei dem eine Person Wörter
oder Geräusche wiederholt, die sie hört.
efferent:
Faserverbindungen
oder
neuronale
Signale von höheren Zentren des
Zentralnervensystems aus zu Muskeln
oder Drüsen ziehend beziehungsweise
von einem Neuron wegführend.
Efferenztheorie: Theorie, der zufolge es die durch eine
Aktivität
ausgelösten
sensorischen
Ereignisse sind, die eine bewusste
Wahrnehmung ermöglichen.
dendritische Dornen:
Kleine Ausstülpungen der
Dendriten. Die meisten Synapsen
befinden sich auf dendritischen Dornen.
Einzelzellaktivität: Das elektrische
einzigen Zelle.
Denervierungsüberempfindlichkeit: (denervation supersensitivity) Erhöhte Empfindlichkeit für
neuroaktive Substanzen aufgrund einer
Zunahme der Rezeptorenzahl nach
Denervierung eines Gehirnareals.
Elektroencephalogramm (EEG): Aufzeichnung elektrischer Potentiale der Großhirnrinde
("Hirnstromkurven"). Die entsprechende
Ableitungstechnik bezeichnet man als
Elektroencephalographie.
Desynchronisierung: Veränderung der EEG-Aktivität von
einem hochamplitudigen, langsamen
Verlauf zu einer niederamplitudigen,
raschen Wellenform.
Elektrokrampftherapie: Die Anwendung elektrischer
Schocks zur Behandlung affektiver
Störungen.
Depolarisation: Verminderte Potentialdifferenz zwischen
Außen- und Innenseite der Membran,
hervorgerufen
durch
einen
Einwärtsstrom
positiver
Ionen
(Kationen) oder einen Auswärtsstrom
.negativer Ionen (Anionen).
Diencephalon (Zwischenhirn): Gehirnteil, zu dem Hypothalamus, Thalamus und Epithalamus
gehören.
Potential
einer
Elektromyogramm (EMG): Aufzeichnung elektrischer
Aktivitäten der Muskeln und der
elektrischen
Antworten
peripherer
Nerven.
Die
entsprechende
Ableitungstechnik bezeichnet man als
Elektromyographie.
elektrostatischer Gradient: Gradient zwischen einer
Region mit hoher und einer mit geringer
elektrischer Ladung; tritt etwa an
Zellmembranen auf oder zwischen
verschiedenen Teilen derselben Zelle.
___________________________________________________________________________________
Begriffe aus der Neurowissenschaft
151
Embolie:
Plötzliche Verstopfung einer Arterie oder
Vene durch ein Blutgerinnsel, eine
Luftblase, eine Fettablagerung oder
Zellansammlungen.
Extinktion:
Im
Zusammenhang
mit
Lernen
verwendeter
Begriff;
Extinktion
bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit,
mit der ein bestimmtes Verhalten
ausgeführt wird, sinkt, wenn das
Verhalten
nicht
wieder
verstärkt
(belohnt) wird.
Farbagnosie:
Unfähigkeit, bestimmte Farben mit
Objekten oder Objekte mit Farben zu
assoziieren. Siehe auch Agnosie.
Farbamnesie:
Unfähigkeit, sich an die Farben
bekannter Objekte zu erinnern. Siehe
auch Amnesie.
Zustand, der durch wiederholte Krämpfe
verschiedener Art gekennzeichnet ist; er
wird
von
Bewußtseinsstörungen
begleitet.
In
einem
bestimmten
Gehirngebiet, einer Hirnhälfte oder dem
gesamten Gehirn feuern alle Neuronen
gleichzeitig. Sobald eine kritische Menge
an Neuronen gleichzeitig feuern, und die
hemmenden Neuronen zuwenig wirken,
dann kommt es zur Epilepsie.
Farbanomie:
Unfähigkeit, Farben zu benennen; diese
steht generell im Zusammenhang mit
anderen Symptomen der Aphasie; statt
Farbanomie wird auch der Ausdruck
Farbaphasie verwendet. Siehe auch
Anomie.
Epiphyse:
Siehe Epithalamus.
Epithalamus:
Ansammlung von Nuclei, welche die
phylogenetisch älteste Region des
Thalamus bilden; dazu gehören die
Habenulae,
die
Epiphyse
(Zirbeldrüse) und die Stria medullaris.
Fasciculus uncinatus:
Verbindung zwischen dem
präfrontalem Cortex und den Spitzen der
Schläfenlappen.
Encephalitis:
Entzündung des Zentralnervensystems
als Folge einer Infektion.
entorhinaler Cortex: Cortexareal, das sich an der
medialen
Oberfläche
des
Temporallappens befindet und die
wesentliche
Verbindung
zwischen
Neocortex und Hippocampus darstellt.
Bei der Alzheimer-Krankheit zeigt der
entorhinale
Cortex
oft
Degenerationserscheinungen.
Epilepsie:
Fasciculus arcuatus: Langes Faserbündel, durch das
Wernickesches Areal und Brocasches
Areal miteinander verbunden werden.
Fissura longitudinalis: Die Fissur, welche die beiden
Hemisphären voneinander trennt.
Flexion:
erregende Neurotransmitter: Transmittersubstanzen, die
das Membranpotential verringern und
dadurch die Wahrscheinlichkeit erhöhen,
dass ein Aktionspotential entsteht.
ereigniskorreliertes Potential: (ERP,
event-rewted
potential)
Komplexe
Welle
im
Elektroencephalogramm, die zeitlich mit
bestimmten sensorischen Ereignissen in
Zusammenhang steht. Das ERP besteht
aus mehreren "Untereinheiten", die mit
bestimmten Aspekten der cerebralen
Verarbeitung assoziiert sind.
Ergotamin:
Zur Behandlung von Migräne und
Spannungskopfschmerz
eingesetztes
Medikament, das eine Konstriktion der
cerebralen Arterien bewirkt.
evoziertes Potential (EP) : Kurze Folge großer langsamer
Wellen, die von der Schädeloberfläche
abgeleitet werden können und eine
Antwortaktivität
der
Neuronen
widerspiegeln.
excitatorisches postsynaptisches Potential (EPSP): Geringe Änderung des Membranpotentials
einer Zelle, die zu einer Depolarisation
führt und damit die Wahrscheinlichkeit
eines Aktionspotentials erhöht.
explizites Gedächtnis: Gedächtnisform, die bewirkt, dass
wir uns bewusst an etwas erinnern
können.
Siehe
auch
implizites
Gedächtnis.
externe Vorstellung: Mentale Vorstellung, bei der man
sich selbst in eine andere Person
hineindenkt und sich vorstellt, als diese
Person eine Handlung auszuführen.
Beugung einer Gliedmaße.
flüssige Aphasie: Sprechstörung, bei der die Person
Wörter
in
sprachähnlicher
Form
aneinander reiht, ohne dass diese in ihrer
Folge einen Sinn ergeben. Gewöhnlich
beruht sie auf einer Schädigung des
linken posterioren Cortex. Siehe auch
Wernicke-Aphasie.
fokale Krämpfe:Lokal beginnende Krämpfe, die sich
anschließend ausbreiten, etwa von einem
Finger aus über den ganzen Körper.
Diese fokalen Krämpfe sind der Beginn
einer Epilepsie.
Frontallappen: Der gesamte Neocortex, der sich anterior
vom Sulcus centralis befindet.
funktionale Karten: Kartographierung des Cortex durch
Reizung bestimmter Hirnareale und
Beobachtung, des auf diese Weise
ausgelösten
Verhaltens
(etwa
Bewegungen) oder durch Ableitung der
elektrischen Aktivität von Hirnzellen
während der Ausführung bestimmter
Verhaltensformen. Solche Karten setzen
bestimmte Leistungen des Gehirns und
bestimmte Gehirnareale miteinander in
Beziehung.
funktionelle MRI (fMRI): Kernspintomographie, bei der
die Veränderungen bestimmter Elemente,
etwa Eisen oder Sauerstoff, während der
Ausübung
einer
bestimmten
Verhaltensweise gemessen werden. Die
fMRI wird eingesetzt, um die
Gehirnaktivität während eines Verhaltens
oder in Ruhe zu messen.
____________________________________________________________________________________________
152
Brain Modelling
Gehirnabszess: Lokalisierte Ansammlung von Eiter im
Gehirn. Dieser besteht aus Gewebe, das
als Folge einer Infektion desintegriert ist.
Gehirnerschütterung: Zustand allgemeiner Lähmung
von Gehirnfunktionen, der unmittelbar
auf
eine
starke
mechanische
Gewalteinwirkung auf den Kopf folgt.
Graphem:
Der Begriff bezieht sich auf die bildhafte
Qualität des geschriebenen Wortes, die
es ermöglicht, das Wort zu verstehen,
ohne es auszusprechen.
graphemisches Lesen: Die Bedeutung eines Wortes wird
anhand seines "Bildes" abgeleitet und
nicht anhand der Aussprache seiner
einzelnen Silben.
Gehirnhypothese: Die Vorstellung, dass das Gehirn und
nicht ein anderer Körperteil, etwa das
Herz, für unser Verhalten verantwortlich
ist.
graue Substanz: Sammelbezeichnung
für
alle
Gehirnareale, die hauptsächlich aus
Zellkörpern bestehen.
Generatorpotential: Siehe graduiertes Potential.
Gyrus:
Gerstmann-Syndrom: Komplex von Symptomen, die
durch
Läsionen
des
linken
Parietallappens entstehen können; zu den
Symptomen gehören Fingeragnosie, die
Verwechslung von links und rechts,
Acalculie und Agraphie; der Begriff wird
kontrovers diskutiert.
Gyrus angularis: Ein Gyrus im Parietallappen, der
ungefähr im Brodmannschen Areal 39
liegt. Er spielt bei Sprachfunktionen eine
Rolle.
Gesichteramnesie: Unfähigkeit, Gesichter zu erkennen.
Gliazellen:
Gliom:
Zellen
die
aus
Spongioblasten
hervorgehen und zur Stütze, zur
Ernährung,
zur
funktionalen
Unterstützung und zur Reorganisation
von Neuronen beitragen; manchmal sind
sie Urzellen eines Tumors. Zu den
akzessorischen
Zellen
gehören
Astrocyten,
Oligodendrocyten,
Ependymzellen,
Mikroglia
und
Schwannsche Zellen.
Gehirntumor,
der
hervorgegangen ist.
aus
Gliazellen
Gliomblastom: Bösartiger, schnell wachsender Tumor,
der am häufigsten bei Erwachsenen nach
dem 35. Lebensjahr zu finden ist. Er
resultiert
aus
einem
plötzlichen
Wachstum von Spongioblasten.
Gliose:
Gliazellen
wandern
in
zerstörte
Gehirnareale und vermehren sich dort.
Das Vorhandensein einer Gliose deutet
auf eine Gewebsschädigung.
Globus pallidus: Teil
der
Basalganglien;
erhält
Projektionen vom Nucleus caudatus und
projiziert zum Nucleus ventralis lateralis
des Thalamus.
graduiertes Potential: Elektrisches Potential an der Zellmembran eines Neurons oder einer
Rezeptorzelle, das sich mit der Intensität
des Reizes verändert; auch als
Generatorpotential bezeichnet.
grand mal-Anfall: Epileptischer Krampf, der durch den
Verlust des Bewusstseins und stereotype
Zuckungen
am
ganzen
Körper
gekennzeichnet ist.
Graphästhesie: Fähigkeit, Zahlen oder Buchstaben, die
mit
einem
entsprechend
spitzen
Gegenstand in der Haut geritzt werden,
zu erkennen.
Gehirnwindung.
Gyrus praecentralis: Der Gyrus vor dem Sulcus centralis.
Habituation (Gewöhnung): Allmähliche Abnahme der
Antwortstärke
nach
wiederholter
Reizung.
Halluzinationen: Wahrnehmungen, für die es keinen
entsprechen den externen Reiz gibt;
Charakteristikum einiger psychotischer
Störungen.
Hämatom:
Lokale Blutansammlung im Gewebe
(Bluterguss).
Hebbsche Synapse: Hypothetische synaptische Verbindung, die gebildet wird, wenn zwei
Neuronen über einen längeren Zeitraum
hinweg gleichzeitig aktiv sind; benannt
nach Donald Hebb, der diesen
Mechanismus
im
Jahre
1949
vorgeschlagen hat.
Hebephrenie:
Form der Schizophrenie, die durch
unsinniges
Verhalten,
seltsame
Eigenheiten, ständiges Kichern und
geringen Affekt gekennzeichnet ist.
Hemianopsie:
Verlust der Sehfähigkeit in einer Hälfte
des Gesichtsfeldes.
Hemisphärektomie: Entfernung einer Hemisphäre.
hemmende Neurotransmitter: Neurotransmitter, die das
Ruhepotential der Membran eines
Neurons vergrößern. Dadurch reduziert
sich die Wahrscheinlichkeit, dass ein
Aktionspotential entsteht.
Hinterhirn:
Gehirnregion, die im wesentlichen aus
Cerebellum, Medulla oblongata, Pans
und dem IV. Ventrikel besteht.
Hinterwurzelganglion:
Die Zellkörper sensorischer
Neuronen liegen direkt neben der
Einrittsstelle ihrer Axone in das
Rückenmark. Die Ausbuchtung, die
durch ihr massives lokales Vorkommen
entsteht, wird als Hinterwurzelganglion
oder Spinalganglion bezeichnet.
Hippocampus: Entwicklungsgeschichtlich alte, für das
Gedächtnis essentielle Struktur in der
anteromedialen
Region
des
Temporallappens.
___________________________________________________________________________________
Begriffe aus der Neurowissenschaft
153
hierarchische Organisation: Prinzip der cerebralen
Organisation, dem zufolge Informationen
seriell verarbeitet werden, wobei man
annimmt, dass ein hypothetischer
Prozess von Verarbeitungsebene zu
Verarbeitungsebene
genauer
ausgearbeitet wird.
Hirnnerven:
Hirnstamm:
Hirntrauma:
Zwölf Nervenpaare, die im Gehirn
entspringen und
motorische
beziehungsweise sensorische Signale
vermitteln.
In diesem Buch umfasst der Begriff
Hirnstamm (wie allgemein üblich) das
Mittelhirn und das Hinterhirn. Manche
Autoren zählen auch den Thalamus, den
Hypothalamus und die Basalganglien
dazu.
Verletzung des Gehirns, gewöhnlich
durch einen Schlag auf den Kopf
hervorgerufen.
histochemische Techniken: Reihe von Techniken, die
auf chemischen Reaktionen von Zellen
mit bestimmten Farbstoffen basieren und
mit
deren
Hilfe
bestimmte
Gewebemerkmale sichtbar gemacht
werden können.
Histofluoreszenztechnik:
Verfahren, bei dem ein
fluoreszierender Farbstoff verwendet
wird, um Zellen zu markieren.
Hominiden:
(Menschenartige)
Untergruppe
der
Primaten, die den modernen Menschen
ebenso einschließt wie seine aufrecht
gehen den Vorfahren.
homonyme Hemianopsie:
Halbseitiger Verlust des
Sehvermögens, bedingt durch eine
komplette Durchtrennung des Tractus
opticus.
Homöostase:
Hypothese der parallelen Entwicklung: Beide
Hemisphären spielen danach aufgrund
ihrer Anatomie eine Sonderrolle, eine
Hemisphäre für die Sprache, die andere
für den Raum.
Illusion:
Hyperkinesie:
Vermehrte Bewegungen
Körperteilen.
in
allen
Hyperlexie:
Zustand, bei dem eine Person sehr viel
liest, oft aber die Bedeutung des
Gelesenen nicht versteht.
Hypermetamorpbose: Die Tendenz, auf jeden visuellen
Reiz zu achten und zu reagieren.
Hyperpolarisation: Vorgang, bei dem die Permeabilität
der
Nervenzellmembran
für
Natriumionen abnimmt und die Zelle
daher schwerer erregbar wird. Während
der Hyperpolarisation wird die Innenseite
der Zellmembran im Verhältnis zur
Außenseite negativer.
Falsche
Interpretation
real
vorkommender sensorischer Bilder.
immunohistochemische Färbung:
Technik der
Markierung von ZeIlbestandteilen mit
Hilfe von Antikörpern, die es im Rahmen
von
post
mortem-Untersuchungen
erlaubt, bestimmte Moleküle oder
nahverwandte Moleküle in Geweben
nachzuweisen.
implizites Gedächtnis: Gedächtnisform, die es uns zwar
ermöglicht, auf gewisse Informationen
zurückzugreifen und entsprechend zu
handeln, bei der wir die gespeicherte
Information jedoch nicht bewusst
abrufen können; zum Beispiel bei
motorischen
Fertigkeiten
wie
Klavierspielen oder Radfahren. Siehe
auch explizites Gedächtnis.
Infarkt:
Absterben von Gewebe infolge eines
Verschlusses oder einer Einengung eines
Blutgefäßes.
inhibitorisches
postsynaptisches Potential (IPSP):
Kleine lokalisierte Veränderung, die zu
einer Hyperpolarisation führt und
dadurch die Wahrscheinlichkeit der
Entstehung
eines
Aktionspotentials
reduziert.
Interneuron:
Bezeichnung für jedes Neuron, das
zwischen einem sensorischen und
motorischen Neuron liegt. Dies gilt
insbesondere für die Verhältnisse im
Rückenmark. Im Gehirn werden auch
solche Nervenzellen als Interneurone
bezeichnet, die hauptsächlich lokale
Synapsen bilden.
Der Erhalt eines konstanten chemischphysikalischen Innenmilieus.
Hydrocephalus: Zustand abnormer Ansammlung von
Flüssigkeit im Schädel verbunden mit
einer Vergrößerung des Kopfumfanges,
einer Atrophie des Gehirns und einer
mentalen Störung sowie Krampfbildung.
Hypophyse:
Hypothalamus: Ansammlung von Nuclei, die unter dem
Thalamus liegen und die bei fast allen
Verhaltensweisen von Bedeutung sind,
etwa bei Bewegungen, beim Essen, bei
sexueller Erregung, beim Schlafen, bei
emotionalen Reaktionen, bei der
Temperaturregulation und bei der
hormonellen Steuerung.
intermodaler Vergleich: Vergleich von Merkmalen eines
Objekts in verschiedenen sensorischen
Modalitäten; beispielsweise der Vorgang,
der abläuft, wenn man ein zuvor
betastetes Objekt anschließend visuell
erkennt.
interne Vorstellung: Vorstellung sich selbst betreffend,
bei der man sich beispielsweise vorstellt,
man würde selbst eine bestimmte
Handlung ausführen. Siehe auch externe
Vorstellung.
Hirnanhangdrüse.
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154
Brain Modelling
Ionenkanal:
ipsilateral:
Enge Öffnung der Membran einer
Nervenzelle; sie erlaubt den Durchtritt
verschiedener
Ionen,
die
das
Membranpotential
beeinflussen.
Verschiedene Kanäle werden durch
verschiedene Transmittermoleküle oder
durch
Änderungen
der
Membranspannung geöffnet.
Kennard-Prinzip: Diesem Prinzip gemäß führen frühe
Hirnverletzungen
zu
geringeren
Verhaltensstörungen
als
Hirnschädigungen, die zu einem späteren
Zeitpunkt im Leben auftreten. Der
Begriff wurde geprägt, nachdem
Kennard über dieses Phänomen in einer
Reihe von Publikationen berichtete; es
basiert auf der Untersuchung von Affen
mit
neonatalen
operativen
Gehirnläsionen.
Kernspintomographie
(Magnetresonanztomographie,
MRI): Bildgebendes Verfahren, bei dem
mittels eines Computers und der
gemessenen
Änderungen
in
der
magnetischen Resonanz von Atomen im
Gehirn eine Karte erstellt wird. Siehe
auch funktionelle MRI.
Wahrnehmung der Bewegungen oder der
Position von Rumpf und Gliedmaßen.
Der Begriff wird oft im Zusammenhang
mit der Wahrnehmung von Änderungen
der GelenksteIlung verwendet.
KIüver-Bucy-Syndrom: Symptomkomplex infolge einer
bilateralen
Schädigung
des
Temporallappens, insbesondere sind
Hypersexualität,
exzessives
orales
Verhalten und visuelle Agnosie zu
nennen.
Kognition:
Allgemeiner
Denkvorgänge.
Ausdruck
für
kognitiver Raum: Raum und Zeit, von dem oder der eine
Person Kenntnis besitzt.
KoIlateralen:
Kommissur:
konstruktive
Apraxie
(Konstruktionsapraxie):
Unfähigkeit,
gut
bekannte
Bewegungsabfolgen durchzuführen, um
etwas herzustellen oder vorzubereiten.
Dieses Defizit kann nicht auf die
Unfähigkeit, Einzelbewegungen des
motorischen Gesamtablaufes durchzuführen, zurückgeführt werden.
kontralateral:
Bezieht sich auf die Körperseite, die dem
jeweiligen Referenzort gegenüberliegt.
Auf derselben Körperseite lokalisiert wie
der Referenzort.
Jackson-AnfaIl: Fokaler epileptischer Krampf mit
konstanten
sensorischen
oder
motorischen
Symptomen,
etwa
Zuckungen in den Händen oder im
Gesicht.
Kinästhesie:
komplex-partieIler AnfaIl:
Fokaler Anfall, dessen
Ursprung meist im Temporallappen liegt;
gekennzeichnet
durch
subjektive
Eindrücke,
Automatismen
sowie
motorische Symptome. Manchmal auch
als Temporallappenanfall bezeichnet.
Seitenäste eines Axons, die für das
Überleben eines Neurons notwendig
(essentielle Kollateralen) oder aber
sekundär sein können (unterstützende
Kollateralen); letztere sind für die Zelle
nicht überlebensnotwendig.
Faserbündel, das korrespondierende Orte
beider Seiten des Zentralnervensystems
miteinander verbindet.
Kommissurotomie: Operative Isolierung der beiden
Hemisphären mittels Durchtrennung des
Corpus callosum.
kontralateraler Neglect:
Neglect eines Teiles des
Körpers oder Raumes, der kontralateral
zur Gehirnläsion liegt.
konvergentes Denken: Form des Denkens, bei der nach
der einzigen möglichen Antwort auf eine
Aufgabe gesucht wird (etwa 2 + 2 = ?).
Dies steht im Gegensatz zum divergenten
Denken, bei dem es viele Lösungen gibt.
Korsakoff-Syndrom: Symptomkomplex infolge einer
Degeneration
der
dorsomedialen
Thalamuskerne.
Zum
KorsakoffSyndrom kommt es häufig bei
Alkoholabusus. Stoffwechselstörung des
Zentralnervensystems aufgrund eines
Vitamin-B I-Mangels (Thyaminmangel).
Kurzzeitgedächtnis:
Von Broadbent geforderte
Gedächtnisform, bei der die Information,
wie man annimmt, nicht länger als 15
Minuten gespeichert wird.
Langzeitgedächtnis:
Von Broadbent geforderte
Gedächtnisform, bei der die Inhalte
länger als etwa 15 Minuten gespeichert
werden.
Langzeitpotenzierung: oder Langzeitverstärkung (LTP)
Lang andauernde Veränderung der
postsynaptischen
Antwort
einer
Nervenzelle, die aus vorhergegangener
Erfahrung mit einer hochfrequenten
Reizung resultiert.
Läsion:
Sammelbegriff für jede Schädigung des
Nervensystems.
Lateralisierung: Prozess, der Funktionen hauptsächlich
auf einer Gehirnseite lokalisiert.
Lateralität ("Seitlichkeit"): Bezeichnet den Umstand,
dass eine Seite des Gehirns eine
bestimmte Funktion kontrolliert.
Leitungsaphasie:
Aphasie vom Typ der flüssigen
Aphasien, bei denen trotz normalem
Verständnis der gesprochenen Sprache
Wörter nicht korrekt wiederholt werden
können. Siehe auch Aphasie.
Lernstörung:
Eine Lernstörung wird im allgemeinen
anhand der schulischen Leistungen
diagnostiziert, beispielsweise wenn die
Lesefähigkeiten zwei Jahre hinter dem
Klassendurchschnitt zurückliegen.
___________________________________________________________________________________
Begriffe aus der Neurowissenschaft
155
Lesen durch Buchstabieren: Hier wird die Bedeutung
eines Textes dadurch erfasst, dass
Informationen, die aus jedem einzelnen
Buchstaben hervorgehen, aneinandergereiht
werden.
Siehe
auch
phonologisches Lesen.
Lexikon:
Gedächtnisspeicher im Gehirn, der
Wörter und deren Bedeutung beinhaltet.
limbischer Lappen: Von Broca geprägter Begriff, der
sich auf die Strukturen zwischen
Hirnstamm und Telencephalon bezieht.
Im modernen Sprachgebrauch wird statt
dessen der Begriff limbisches System
verwendet, das den Hippocampus, das
Septum, den cingulären Cortex, den
Hypothalamus und die Amygdala
umfasst.
limbisches System: Besteht aus einer Anzahl von
Strukturen des limbischen Lappens, die
ein hypothetisches funktionales System
bilden. Ursprünglich glaubte man, dass
dieses System für die Kontrolle
affektiver
Verhaltensweisen
von
Bedeutung sei.
lokale Krämpfe: Krämpfe, die lokal beginnen und sich
dann ausbreiten, zum Beispiel vom
Finger auf den ganzen Körper.
Lokalisation:
von Funktionen Hypothese, die besagt,
dass jedes Verhalten durch ein
entsprechendes Gehirnareal kontrolliert
wird.
Magnetencephalogramm (MEG): Aufzeichnung magnetischer Potentiale mit Hilfe von
Elektroden, die auf die Kopfoberfläche
gesetzt werden.
Magnetresonanztomographie: Siehe
tomographie.
auch
mentale Rotation: Die Fähigkeit, sich ein Objekt aus
einem anderen Blickwinkel heraus
vorzustellen (es „im Kopf“ zu drehen).
Merkmalssuche: Kognitive Strategie, bei der Stimuli auf
ein bestimmtes Merkmal (etwa Farbe)
hin untersucht werden.
Mesencephalon (Mittelhirn): Begriff für die mittlere der
drei embryonalen Hirnblasen; umfasst im
adulten Tier auch Tectum und
Tegmentum.
Metastase
(Tochtergeschwulst):
Absiedlung eines
bösartigen Primärtumors, die andere
Organe des Körpers befällt.
Metencephalon: Vorderer Teil des Rhombencephalons;
umfasst Cerebellum und Pons.
Migräne:
Art von Kopfschmerz, die ziehend und
lang andauernd ist und häufig unilateral
auftritt. Ihr kann eine visuelle Aura
vorausgehen, von der man glaubt, dass
sie
Folge
einer
Ischämie
des
Occipitalcortex ist, die durch eine
Verengung
von
Gehirnarterien
verursacht wird.
migränebedingter Schlaganfall: Starke Verengung eines
Hirngefäßes und dadurch verursachte
Unterbindung der Blutzufuhr zu einer
cortikalen Region. Ist diese Konstriktion
ausgeprägt genug und dauert sie länger
als einige Minuten, kann es zum
Absterben von Nervenzellen und zu
einem Infarkt kommen.
Mitochondrien: Komplex gebaute Zellorganellen, die
durch
eine
Reihe
spezieller
biochemischer Vorgänge die Zelle mit
Energie versorgen.
Kernspin-
magnozelluläre Schicht: Schicht aus Neuronen mit
großem
Zellkörper.
Siehe
auch
parvozelluläre Schicht.
Massa intermedia: Masse grauer Substanz, die den
linken und rechten Thalamus miteinander
verbindet.
Massenaktionshypothese:
Gemäß dieser Hypothese
nimmt der gesamte Neocortex an jeder
Verhaltensweise teil.
Medulla oblongata (verlängertes Mark): Der Teil des
Hinterhirns rostral vom Rückenmark.
Medulloblastom: Hochmaligner Gehirntumor, der
ausschließlich im Cerebellum
Kindern gefunden wird; geht
Vorläuferzellen
hervor,
die
Cerebellum eingewandert sind.
fast
von
aus
ins
Meningen:
Die drei Hirnhäute (Dura mater,
Arachnoidea und Pia mater), die Gehirn
und Rückenmark umhüllen.
Meningitis:
Entzündung der Hirnhäute.
Mittelhirn:
Gehirnteil zwischen dem Vorderhirn und
dem Hinterhirn; umfasst Tectum und
Tegmentum.
Modul:
Siehe Säule.
Monoamine:
Gruppe von Neurotransmittern, zu denen
Noradrenalin und Dopamin gehören.
monokulare Blindheit: Blindheit eines Auges, die durch
eine Zerstörung der Retina oder des
Sehnervs verursacht wird.
monokulare Deprivation: Künstlicher Verschluss eines
Auges zur Verhinderung visueller
Stimulation.
Morphem:
Kleinste bedeutungsvolle Einheit der
Sprache.
motorische Aphasie: Störung, bei der die Person nicht in
der Lage ist, angemessene Bewegungen
mit Mund und Zunge zu machen, um
Wörter zu formen; sie ist eine Form der
nichtflüssigen Aphasie. Der Begriff steht
im Gegensatz zur flüssigen Aphasie, bei
der Sprache fließend gesprochen wird,
aber inhaltsleer ist.
____________________________________________________________________________________________
156
Brain Modelling
motorisches Programm:
Hypothetischer neuronaler
Kreislauf, der so organisiert ist, dass eine
ganz
bestimmte
Bewegungsart
ermöglicht wird, zum Beispiel das
Gehen.
multimodaler Cortex: Cortex, der Informationen in mehr
als
einer
sensorischen
Modalität
verarbeitet, beispielsweise visuelle und
auditorische Informationen.
Multiple Sklerose (MS):
Krankheit unbekannten
Ursprungs,
die
sich
durch
Demyelinisierung ganzer Gebiete des
Zentralnervensystems auszeichnet. Dies
kann sowohl zu motorischer Schwäche
als auch zu Koordinationsstörungen
führen, es kann aber auch zu
Sprechstörungen und manchmal zu
weiteren
kognitiven
Symptomen
kommen.
Myasthenia gravis: Zustand der Muskelermüdung und
Schwäche ohne gleichzeitige sensorische
Störungen oder Atrophie. Sie ist Folge
einer verminderten Verfügbarkeit von
Acetylcholin an den Synapsen.
Myelencephalon: Teil des Rhombencephalons; umfasst
die Medulla oblongata (verlängertes
Mark) und den vierten Ventrikel.
Myelinisierung: Bildung von Myelinscheiden um die
Axone; wird manchmal als Maß für den
Reifungszustand verwendet.
Narkolepsie:
Zustand, bei dem eine Person ein
plötzliches
und
unkontrollierbares
Bedürfnis nach kurzen Schlafepisoden
hat.
natürliche Selektion: Konzept der Evolutionstheorie, das
besagt, dass Tiere mit ganz bestimmten
adaptiven Eigenschaften in einer
bestimmten Umwelt überleben und ihre
genetischen Charakteristika an ihre
Nachkommen weitergeben, wohingegen
Tiere, die diese Eigenschaften nicht
besitzen, schließlich aussterben.
Neglectdyslexie: Leseschwäche, die sich gewöhnlich auf
eine Hälfte eines Wortes beschränkt.
Nekrose:
Neocortex:
Zell- oder Gewebetod. Damit bezeichnet
man gewöhnlich das Absterben von
einzelnen Zellen oder Zellgruppen in
kleinen lokalisierten Arealen.
Jüngster Teil des Cortex. Er besteht aus
vier bis sechs Zellschichten. Der Begriff
wird im Text synonym zu "Cortex"
verwendet.
Nervenwachstumsfaktor (NGF): Protein, das unter
anderem beim Wachstum der Fortsätze
der Nervenzelle eine Rolle spielt.
neuritische Plaques: Gebiete unvollständiger Nekrose,
die man häufig im Cortex von Menschen
mit seniler Demenz, zum Beispiel bei
Alzheimer-Patienten, beobachten kann.
Neuroblasten:
Sammelbezeichnung
embryonalen Zellen,
Neuronen entwickeln.
neuroendokrin: Bezeichnet
die
Interaktion
des
Nervensystems mit dem endokrinen
System.
neurohumoral: Allgemeiner Begriff, der sich auf die
Aus- beziehungsweise Einwirkung von
Hormonen auf das Gehirn bezieht.
Neuroleptika:
Arzneimittel, die den zentralnervösen
Grundtonus herabsetzen, generell die
psychomotorische Aktivität hemmen und
zur Behandlung von Psychosen (vor
allem von Schizophrenie) eingesetzt
werden.
Neuron:
Die
grundlegende
Einheit
des
Nervensystems, nämlich die Nervenzelle.
Deren Funktion besteht in der
Übertragung und Speicherung von
Informationen. Dazu gehören der
Zellkörper
und
viele
Fortsätze
(Dendriten), die Signale zum Zellkörper
leiten, sowie ein Axon, in dem Signale
von der Zelle aus weiterlaufen.
Neuronenhypothese:
Die Vorstellung, dass die
funktionale
Einheit
des
Gehirns
Neuronen sind.
Neurotoxin:
Jede Substanz, die das Nervensystem
schädigt oder zerstört (zum Beispiel 6Hydroxydopamin).
Neurotransmitter: Chemischer Stoff, der an der Synapse
als Reaktion auf ein Aktionspotential
ausgeschüttet wird und über Interaktion
mit dem postsynaptischen Rezeptor das
Ruhepotential der nachgeschalteten Zelle
verändert; es findet somit eine chemische
Übertragung von Information von einem
Neuron auf das andere statt. Siehe auch
erregende Neurotransmitter, hemmende
Neurotransmitter,
biogene
Amine,
Catecholamine.
Neuropsychologie:
Studium der Zusammenhänge
zwischen
Gehirnfunktion
und
sogenannten höheren Verhaltensweisen.
nichtflüssige Aphasie: Schwierigkeiten beim Sprechen
als Folge einer Gehirnschädigung,
insbesondere des Frontallappens in der
sprachdominanten Hemisphäre.
Nissl-Substanz: Gesamtheit
des
endoplasmatischen
Reticulums einer Zelle; lässt sich mit
basischen Farbstoffen anfärben.
noradrenerge Neuronen: Neuronen, die Noradrenalin als
Neurotransmitter verwenden.
Nucleus:
Zellkern, der die DNA enthält und für die
Zellfunktion unentbehrlich ist. In der
Hirnforschung
bezeichnet
Nucleus
außerdem
eine
Gruppe
von
Nervenzellen.
Nucleus caudatus: Ein Kern der Basalganglien.
Nucleus ruber: Ein Kern im anterioren Teil des
Tegmentums, der Ursprung einer
wichtigen motorischen Projektion ist.
für
alle
die sich zu
___________________________________________________________________________________
Begriffe aus der Neurowissenschaft
157
Nystagmus:
Permanente kleine Augenbewegungen,
die unwillkürlich auftreten und viele
Ursachen haben können.
Oberflächendyslexie: Die Unfähigkeit, Wörter aufgrund
ihrer
piktographischen
oder
graphemischen Repräsentation zu lesen
bei Verbleib der Fähigkeit, Wörter
aufgrund phonologischer Prozeduren zu
lesen.
obstruktive Schlafapnoe: Konstriktion der Luftwege im
Schlaf, die zu einem zeitweisen
Atemstillstand führt; vermutlich eine
wichtige Ursache des Schnarchens.
Objektkonstanz:Wahrnehmungseigenschaft, die dazu
führt, dass wir ein Objekt als Einheit
wahrnehmen.
Occipitallappen: Hinterhauptslappen; einer der vier
Lappen jeder Cortexhälfte.
Olfaktion:
Perseveration: Tendenz, auf verschiedene Reize
unflexibel und immer gleichartig zu
reagieren.
Perzeption:
petit mal-Anfall: Krampfanfall, der sich durch einen
kurzen Bewusstseinsverlust äußert und
bei dem außer Kopfdrehen oder
Augenzwinkern
keine
motorische
Aktivität
zu
beobachten
ist
(typischerweise dauert er etwa zehn
Sekunden). Siehe auch Epilepsie.
Phenothiazine: Gruppe von Beruhigungsmitteln (zum
Beispiel Chlorpromazin), die in ihrer
molekularen Struktur der Substanz
Phenothiazin ähneln.
Pheromon:
Von einem Individuum produzierte
Substanz, die (als Geruch) von einem
zweiten Individuum derselben Spezies
wahrgenommen wird und bei diesem
eine
bestimmte
Verhaltensreaktion
auslöst; wirkt innerhalb einer Spezies als
chemischer Signalstoff.
phonologisch:
Der Begriff bezieht sich auf einen Laut
und betont die Rolle der Lautgebung bei
der Decodierung der Wortbedeutung.
Riechen.
optische Ataxie: Störung bei der visuellen Kontrolle von
Greif- und anderen Bewegungen,
verbunden
mit
gestörten
Augenbewegungen.
orbitofrontaler Cortex: Der hinter den Augenhöhlen
liegende Cortex. Er enthält Projektionen
vom Nucleus dorsalis medialis des
Thalamus.
Paläocortex:
Der Teil der Cortex, der den pyriformen
Cortex und den Gyrus parahippocampalis
bildet; auch Paläopallium genannt.
paralimbischer Cortex: Dreischichtiges Cortexareal, das
an den limbischen Cortex angrenzt und
mit diesem direkt verbunden ist; er
schließt zum Beispiel den cingulären
Cortex ein.
Paraphasie:
Die unbeabsichtigte Bildung von Silben,
Wörtern oder Sätzen während des
Sprechens.
Paraplegie:
Lähmung der Beine aufgrund einer
Schädigung des Rückenmarks.
Parese:
Allgemeiner Ausdruck, der einen Verlust
physischer oder mentaler Fähigkeit
bezeichnet und auf eine Gehirnkrankheit
zurückzuführen ist, insbesondere als
Folge einer Syphilis; wird auch als
Ausdruck für eine leichte oder
unvollständige Paralyse verwendet.
Parkinson-Krankheit:
Krankheit des motorischen
Systems, die mit einem Dopaminverlust
im Gehirn einhergeht und durch Tremor,
Muskelsteifheit und Beeinträchtigung der
Willkürmotorik charakterisiert ist.
parvozelluläre Schicht:
Schicht aus Neuronen mit
kleinem
Zellkörper.
Siehe
auch
magnozelluläre Schicht.
periphere
Nerven:
Nerven, die außerhalb
Rückenmark und Gehirn liegen.
von
Wahrnehmung. Sie beruht auf der
Integration von Informationen jenseits
der primären sensorischen Areale.
phonologisches Lesen:
Lesevorgang, der auf der
Aussprache von Wortteilen basiert. Siehe
auch Lesen durch Buchstabieren.
Phrenologie:
Verworfene Theorie aus dem frühen 19.
Jahrhundert,
die
eine
Beziehung
zwischen der Oberflächenstruktur des
Schädels und mentalen Fähigkeiten
postulierte.
Pia mater:
Die der Hirn- und Rückenmarkoberfläche unmittelbar auf1iegende, zarte
Bindegewebshülle.
Pinealorgan:
Asymmetrische Struktur im Epithalamus,
von der Descartes annahm, sie sei der
Sitz der Seele; heute weiß man, dass das
Pinealorgan an der zirkadianen Rhythmik
beteiligt ist.
Planum temporale: Das cortikale Gebiet, das unmittelbar
posterior an den primären auditorischen
Cortex (Heschlscher Gyrus) angrenzt und
innerhalb der Fissura lateralis liegt.
Plastizität:
Die Fähigkeit des Gehirns, sich zu
reorganisieren
und
ausgefallene
Funktionen auf verschiedene Weise zu
kompensieren.
Platzfindungsaufgabe Aufgabe: bei der ein Tier einen
Platz auffinden muss, den es nicht sehen
kann, der aber durch die Kombination
zweier oder mehrerer Reize aus der
Umgebung identifiziert werden kann.
platzgesteuertes Verhalten: Navigationsverhalten, bei
dem ein Tier sich anhand seiner Position
relativ zu mehreren Markierungen in der
Umgebung zu einem Ziel hin bewegt.
Siehe
auch
positionsgesteuertes
Verhalten, signalgesteuertes Verhalten.
____________________________________________________________________________________________
158
Brain Modelling
Poliomyelitis:
Akut auftretende Viruserkrankung, die
das Nervensystem in Mitleidenschaft
zieht und möglicherweise zu Lähmungen
führt. Sie kann zu einer Atrophie der
betroffenen Muskeln und dadurch zu
einer dauernden Schädigung führen.
Pons:
Teil des Hinterhirns; im großen und
ganzen aus motorischen Fasersystemen
zusammengesetzt, die zum Cerebellum
und zum Rückenmark führen.
positionsgesteuertes Verhalten: Navigatorisches Verhalten, bei dem ein Tier sich auf der
Grundlage der Bewegungen, die es zuvor
bereits einmal ausgeführt hat (zum
Beispiel nach links/nach rechts), zu
einem Ziel hin bewegt. Siehe auch
signalgesteuertes und platzgesteuertes
Verhalten.
Positronenemissionstomographie (PET): Bildgebendes
Verfahren, bei dem der Versuchsperson
eine radioaktiv markierte Substanz
verabreicht wird, die im Gehirn
metabolisiert wird; durch besondere
Detektoren kann die Radioaktivität
aufgezeichnet werden.
posterior-parietaler Cortex: Unspezifische Bezeichnung
für das Gewebe hinter den primären
somatosensorischen
Feldern.
Der
posterior-parietale Cortex schließt die
Areale PE, PF und PG ein.
postsynaptische Membran: Die Membran der signalempfangenden Zelle, die, in Richtung
des Signalflusses betrachtet, hinter dem
synaptischen Spalt liegt.
präsynaptische
primärer motorischer Cortex: Region des Neocortex,
die der Brodmannschen Area 4
entspricht; bildet den wichtigsten
Ursprung des Tractus corticospinalis.
primäre cortikale Felder Siehe primäre
Zonen. primäre Zonen Cortexareale, die
als erste Projektionen von sensorischen
Systemen erhalten oder direkt zu
Muskeln projizieren.
primäres Projektionsgebiet: Gehirnareal, in das eine
andere Gehirnregion ihre Axone schickt.
Fast jedes Areal projiziert in fast jedes
andere Areal. Es ist nur eine Frage wie
viele Fasern tatsächlich projizieren.
propriozeptiv: Bezeichnung für die sensorischen
Informationen aus Muskeln, Sehnen und
Eingeweiden.
Projektionskarten: Kartographierung des Cortex durch
Aufzeigen der Axonverbindungen von
sensorischen Systemen in das Gehirn
hinein und motorischen Systemen aus
dem Gehirn heraus.
Prosencephalon: Vorderhirn; Umschreibung für das
vorderste
der
drei
embryonalen
Gehirnbläschen, das sich schließlich zum
Telencephalon
und
Diencephalon
entwickelt.
Prosodie:
posttraumatische Psychose: Psychotische Reaktion als
Folge eines Schädel-Hirn- Traumas.
bevorzugter
kognitiver Verarbeitungsstil:
Die
Anwendung
eines
gedanklichen
Prozesses,
der
einem
anderen
vorgezogen wird, zum Beispiel eine
bevorzugte visuell-räumliche Analyse
anstatt einer verbalen.
präfrontaler Cortex: Der anterior von den primären und
sekundären motorischen Cortexarealen
liegende Cortex; es handelt sich um den
tertiären Assoziationscortex.
Prägungsaufgabe: Eine Aufgabe, bei der die
Versuchspersonen
Informationen
erhalten, die ihr weiteres Verhalten
beeinflussen, an die sie sich jedoch nicht
unbedingt bewusst erinnern werden.
Zeigt man einer Versuchsperson
beispielsweise eine Liste mit Wörtern, so
wird sie danach eher Wörter verwenden,
die in dieser Liste enthalten waren, als
andere, die sich ebenfalls eignen würden.
prämotorischer
Cortex:
Unmittelbar vor dem
motorischen
Cortex
liegender
Cortexbereich. Der prärnotorische Cortex
schließt mehrere funktionale Regionen
ein,
darunter
den
supplementärmotorischen Cortex und das Brocasche
Areal.
Membran:
Die Membran des
signalübermittelnden
Neurons,
die
unmittelbar an den synaptischen Spalt
angrenzt.
Variation in Geschwindigkeit, Tonhöhe
und Rhythmus der Sprache. Dadurch
erhält
Gesprochenes
zusätzliche
Bedeutung.
Prosopagnosie: Unfähigkeit, bekannte Gesichter zu
erkennen, die sich nicht aus einer
Störung der Sehschärfe oder einer
Reduktion der Vigilanz erklären lässt.
Dieses Symptom tritt in einer "reinen"
Form sehr selten auf. Man glaubt, dass es
eine Folgestörung rechts parietaler
Läsionen ist.
proximal:
In der Nähe eines Referenzpunktes.
prozedurales Gedächtnis:
Gedächtnis dafür, wie
man bestimmte Dinge tun oder
bestimmte Bewegungen ausführen kann.
Man
nimmt
an,
dass
diese
Gedächtnisform
vom
deklarativen
Gedächtnis unabhängig ist.
Pseudodepression:
Persönlichkeitszustand, der nach
Läsionen im Frontallappen auftritt und
durch Apathie, Gleichgültigkeit und
Antriebsarmut gekennzeichnet ist, aber
nicht von einer Depression des Patienten
begleitet wird.
Pseudopsychopathie: Zustand nach einer Frontallappenschädigung,
der
durch
unreifes
Verhalten, mangelndes Taktgefühl und
andere Verhaltenssymptome gekennzeichnet ist.
___________________________________________________________________________________
Begriffe aus der Neurowissenschaft
159
psychedelische Droge: Eine Droge die visuelle Halluzinationen, eine intensivierte Wahrnehmung und manchmal psychotisches
Verhalten induziert.
psychoaktive Substanz: Substanz, welche die Stimmung
oder das Verhalten verändert, indem sie
die Gehirnfunktion beeinflusst.
Psychochirurgie: Operative Eingriffe zur Durchtrennung
von Faserverbindungen zwischen zwei
Hirngebieten oder Zerstörung von
Hirngewebe
mit
dem
Ziel,
Verhaltensstörungen,
psychotische
Gedankengebäude oder Gemütszustände
zu verändern, für die keine organischpathologische Ursache nachgewiesen
werden kann. (Das bekannteste Beispiel
ist die Lobotomie.)
Psychometrie: Die
Wissenschaft
der
menschlicher Fähigkeiten.
Pulvinar:
räumliche Summation:
Addition oder Subtraktion
zweier benachbarter postsynaptischer
Potentiale.
Siehe
auch
zeitliche
Summation.
Rautenhirn:
Siehe Rhombencephalon
Reafferenz:
Signalübertragung
aus
einer
Gehirnregion in eine andere, wodurch die
letztere über die Aktivitäten der ersteren
informiert wird. Insbesondere wird
dieses Prinzip genutzt, um vom
motorischen System ein Signal über
gerade ausgeführte Bewegungen an das
sensorische System zu senden.
Messung
psychoorganisches Syndrom: Allgemeiner Ausdruck
für Verhaltensstörungen, die sich aus
Fehlfunktionen des Gehirns herleiten.
Psychose:
Radioisotopuntersuchung: Untersuchung, bei der man
dem Patienten ein Radioisotop injiziert
und anschließend einen Geiger-Zähler
über die Schädeloberfläche führt, um
eventuell
vorhandene
Tumoren,
vaskuläre Störungen, Atrophien und
ähnliches zu diagnostizieren.
Störung organischen oder emotionalen
Ursprungs, bei der die Fähigkeit eines
Individuums, zu denken, emotional zu
reagieren, sich zu erinnern, zu
kommunizieren,
die
Realität
zu
interpretieren und sich angemessen zu
verhalten, so stark beeinträchtigt ist, dass
sie den normalen Anforderungen des
Lebens nicht mehr genügt. Der Begriff
wird auf Zustände angewandt, die
verschiedene
Schweregrade
haben
können und verschieden lange anhalten
(zum Beispiel Schizophrenie und
Depression).
Thalamischer Kern, der Projektionen
vom visuellen Cortex und vom
Colliculus superior erhält und seinerseits
Verbindungen zu sekundären und
tertiären, temporalen und parietalen
Cortexbereichen aufrechterhält.
Reafferenztheorie: Theorie, die besagt, dass bei der
Initiierung einer Bewegung eine "Kopie"
der beabsichtigten Bewegung im
Nervensystem gespeichert bleibt, mit der
dann die tatsächlich durchgeführte
Bewegung verglichen wird.
realer Raum:
Der Raum, den man sieht, wenn man um
sich blickt; dreidimensionaler Raum.
Regeneration:
Nachwachsen von Neuronen nach
teilweiser Zerstörung oder nach Trauma.
Reifungshypothese: Entsprechend dieser Hypothese sind
zunächst beide Hemisphären am
Spracherwerb involviert; allmählich über
nimmt aber die linke Hemisphäre die
Sprachkontrolle.
retikuläre Substanz: Netzartig erscheinendes Gewebe
des Gehirns, in dem Zellkörper und
Axone stark vermischt sind.
Pyramidenbahn: Faserzug von den Pyramidenzellen der
V. und VI. Schicht des motorischen
Cortex zum Rückenmark.
Retikulärformation: Mischung von Nervenzellen und
Fasern im unteren und ventralen Anteil
des Hirnstamms; sie zieht sich vom
Rückenmark bis zum Thalamus hin und
ist Ursprung wichtiger auf- und
absteigender Systeme; auch bekannt als
retikuläres Aktivierungssystem.
Pyramidenzellen: Zellen des Cortex, deren Zellkörper
eine Pyramidenform aufweist. In den
meisten
Fällen
übertragen
sie
Informationen in andere cortikale Felder.
retrograde Amnesie: Unfähigkeit, sich an Ereignisse zu
erinnern, die sich vor Beginn des
Gedächtnisverlustes zutrugen. Siehe auch
anterograde Amnesie.
pyriformer Cortex:
Entwicklungsgeschichtlich alter
Cortex, der olfaktorische Funktionen hat.
rezeptives Feld: Das Areal, von dem aus ein Reiz einen
Rezeptor erregen kann.
Ranvierscher Schnürring: Myelinfreie Abschnitte eines
ansonsten myelinisierten Axons. Der
Nervenimpuls "springt" von einem dieser
"Schnürringe" zum nächsten. Dadurch
wird die Leitungsgeschwindigkeit erhöht.
Rezeptor:
Putamen:
Ein Kern der Basalganglien.
Protein in der Zellmembran, an das
andere Moleküle spezifisch binden
können.
reziproke Hemmung: Aktivierung einer Muskelgruppe,
bei
gleichzeitiger
Hemmung
der
Antagonisten.
Rhinencephalon:
Anderer Ausdruck für limbisches
System; bedeutet auch "Riechhirn".
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160
Brain Modelling
Rhombencephalon: Auch Rautenhirn; Der am weitesten
posterior gelegene Teil des embryonalen
Gehirns, der sich in Metencephalon und
Myelencephalon aufteilt.
RNA:
Ribonucleinsäure; Komplexes Makromolekül
aus
einer
Folge
von
Nucleotidbasen, die an einem ZuckerPhosphat-Rückgrat aufgehängt sind.
Messenger-RNA (mRNA) überträgt die
genetische Information aus einem Teil
der DNA an ein Ribosom (das
hauptsächlich aus ribosomaler oder
rRNA
besteht),
wo
die
durch
entsprechende
Überträgermoleküle
(Transfer- oder tRNA) angelieferten
Aminosäuren zu dem Polypeptid
zusammengefügt werden, das von dem
betreffenden DNA-Stück codiert wird.
Röntgenkontrastuntersuchung: Radiographisches Verfahren, bei dem zu diagnostischen
Zwecken Röntgenkontrastmittel oder
Luft in die Ventrikel oder die das Gehirn
versorgenden Arterien injiziert wird.
Rückenmark:
Der von der Wirbelsäule eingeschlossene
Teil des Zentralnervensystems.
Rückziehreflex: Zurückziehen einer Gliedmaße als
Reaktion auf einen Reiz, der Bahnen des
Schmerz- oder Temperaturempfindens
aktiviert. Der Reflex wird durch einen
multisynaptischen
Schaltkreis
im
Rückenmark vermittelt.
Ruhepotential: Elektrische Spannung zwischen der
Innen- und der Außenseite der Membran
einer Nervenzelle im Ruhezustand. Sie
variiert je nach Tierart zwischen 60 und
90 Millivolt.
saltatorische Weiterleitung: Weiterleitung eines Nervenimpulses in einem myelinisierten Axon.
Sie ist charakterisiert durch das
"Springen" von einem Ranvierschen
Schnürring zum nächsten.
Schlafapnoesyndrom:
Schlafstörung, bei der die
Betroffenen mit der Atmung aussetzen,
wenn sie in die Tiefschlafphase
übergehen; beruht möglicherweise auf
einer Muskelentspannung während des
Traumschlafs.
Schlaganfall:
Schwannsche Zelle: Gliazelle, die im peripheren Nervensystem die Myelinhüllen bildet.
Schwelle:
Der Punkt, an dem ein Reiz zu einer
Reaktion führt.
Scotom:
Kleiner blinder Fleck im Gesichtsfeld.
Second messenger: Diffusionsfähige Moleküle, die eine
Vielzahl
von
Zellbestandteilen
beeinflussen können, darunter auch
Ionenkanäle. Wenn ein Transmitter an
einen postsynaptischen Rezeptor bindet,
bewirkt ein weiteres Protein, das auf der
cytoplasmatischen Seite an den Rezeptor
gebunden ist (ein sogenanntes GProtein), die Bildung von Secondmessenger-Molekülen.
Sedativum:
Hypothetische
Einheit
der
Cortexorganisation. Man nimmt an, dass
eine Säule vertikale intracortikale
Verknüpfungen repräsentiert und somit
vermutlich einer einzelnen funktionalen
Einheit (einem "Modul") entspricht.
Schädel-Hirn-Trauma: (cerebrales Trauma) Gehirnverletzung, die gewöhnlich von einem
Gehirnschlag beziehungsweise mechanischer Gewalteinwirkung auf den Kopf
herrührt.
Schizophrenie: Psychose,
die
durch
Störungen
kognitiver Funktionen und geringe
soziale Anpassung gekennzeichnet ist
und auf Fehlfunktionen des Gehirns
basiert. Der Begriff bezeichnet im
wörtlichen Sinne ein Gespaltensein von
Denken und emotionalen Vorgängen.
Schlafapnoe:
Substanz, welche die neurale und somit
auch die Verhaltensaktivität herabsetzt,
indem
sie
entweder
die
Noradrenalinwirkung abschwächt oder
die GABA-Wirkung verstärkt.
sekundärer Cortex: Cortex, der sich, wie Flechsig
entdeckte,
nach
den
primären
motorischen und den sensorischen
Regionen entwickelt. Luria schlug vor,
dass der sekundäre Cortex an der
Wahrnehmung (sekundärer sensorischer
Cortex) und an der Bewegungskontrolle
(sekundärer motorischer Cortex) beteiligt
sind.
Sehbahn:
Savant-Syndrom:
Retardierung, bei gleichzeitig
besonderen, manchmal normalen TeilFähigkeiten.
Säule:
Das plötzliche Auftreten neurologischer
Symptome
als
Resultat
einer
Unterbrechung der Hirndurchblutung.
sekundäre
Ein Fasersystem,
das
mit den
Projektionen
der
retinalen
Ganglienzellen zum Corpus geniculatum
laterale des Thalamus beginnt und von
dort aus zu den Arealen 17, 18, 19, 20
und 21 reicht. Man unterscheidet für
Form, Farbe und Bewegung 3
verschiedene Sehbahnen.
Projektionsgebiete:
Cortexareale, die
Projektionen von einem primären
Projektionsareal erhalten oder dorthin
senden.
Sensitivierung: Zustand, in dem zum Beispiel ein
Pharmakon
eine
stärkere
Verhaltensreaktion bewirkt als sonst.
Neglect:
Ein Zustand, in dem ein Individuum auf
Sinnesreize nicht reagiert.
Septum:
Ein Kern des limbischen Systems, der,
wenn er zerstört wird, bei Ratten zu
Pseudowutanfällen führt und im EEG
den Theta-Rhythmus zum Verschwinden
bringt.
Aussetzen der Atmung beim Übergang in
den Tiefschlaf.
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Begriffe aus der Neurowissenschaft
161
signalgesteuertes Verhalten: Navigatorisches Verhalten,
bei dem ein Tier anhand seiner eigenen
Position relativ zu einer Markierung eine
bestimmte Stelle im Raum ansteuert;
steht im Gegensatz zu platz- oder
positionsgesteuertem Verhalten.
Stäbchen:
Simultanagnosie: Symptom, bei dem die Betroffenen
nicht mehr als ein Objekt zu einem
gegebenen
Zeitpunkt
wahrnehmen
können. Siehe auch Agnosie.
Lichtempfindliche Rezeptoren in der
Retina, die Rhodopsin enthalten;
zusammen mit den Zapfen bilden sie die
rezeptive Oberfläche der Retina.
Stereognosie:
Das Erkennen eines Objektes durch
Tasten.
Sternzellen:
Nervenzellen mit einer sternförmigen
Struktur von Zellkörper und Dendriten.
Sie
dienen
hauptsächlich
als
Assoziationszellen, wobei ihre Ausläufer
in der Regel auf die nähere Umgebung
des Zellkörpers begrenzt bleiben.
Simultanextinktion: Zweite Stufe der Erholung nach
einem kontralateralen Neglect; sie ist
durch Reaktionen auf Reize der zuvor
vernachlässigten Seite charakterisiert,
wobei auf die Reize so reagiert wird, als
gäbe es eine simultane Stimulation auf
der kontralateralen Seite.
Sinneszelle:
Spezialisierte
Zelle,
welche
die
Reizenergie eines geeigneten Stimulus in
elektrische Energie, also in die "Sprache"
des Nervensystems, umwandelt.
slow-wave sleep: Schlafstadium, das durch langsame
Wellen mit großer Amplitude im EEG
gekennzeichnet ist.
Soma:
Zellkörper
spreading depression:
Ausbreitung einer Depolarisationswelle über die Cortexoberfläche,
was zu einer zeitweisen Blockierung der
Cortexfunktionen führt.
Stimulusgradient: Ein Gradient, mit dem die Effizienz
eines Reizes zu- oder abnimmt;
beispielsweise werden Gerüche stärker
empfunden, je näher sich die
Geruchsquelle befindet.
Substantia nigra: Ein Nucleus des Mittelhirns, der
Zellkörper
enthält,
deren
Axone
dopaminhaltig sind. Frisch aufbereitetes
menschliches Gewebe dieser Region
sieht schwarz aus.
somatische Muskeln: Skelettmuskulatur.
Sulcus:
somatosensorisches System: Neurales System, das taktile
Sinnesempfindungen
ermöglicht;
vermittelt unter anderem Tastsinn,
Kinästhesie,
Schmerz
und
Propriozeption.
somatosensorische Zone: Jene Gehirnregion, die für eine
Analyse von Empfindungen, Berührung,
Druck und möglicherweise auch
Schmerz und Temperatur zuständig ist.
Somnolenz:
Schläfrigkeit; exzessive Müdigkeit.
Schmaler Spalt zwischen den Windungen
(Gyri) des Cortex.
Sulcus centralis: Fissur, die vom dorsalen Rand jeder
Hemisphäre bis etwa zu ihrem
Mittelpunkt führt; sie trennt Frontal- und
Parietallappen voneinander und wird
auch Fissura Rolandi genannt.
Sulcus cinguli: Cortikaler Sulcus an der medialen
Oberfläche
der
bei
den
Großhirnhemisphären, direkt über dem
Corpus callosum.
spannungsgesteuerter Kanal:
Enge Öffnung der
Membran einer Nervenzelle, die durch
Änderungen des Membranpotentials
geöffnet oder geschlossen wird. Siehe
auch Ionenkanal.
supplementär-motorischer Cortex:
Verhältnismäßig
kleine Cortexregion, die außerhalb des
primären motorischen Cortex liegt, die
aber auch Bewegungen erzeugt, wenn sie
gereizt wird.
SPECT (single-photon emission computed tomography):
Ein bildgebendes Verfahren, bei dem
man
einer
Versuchsperson
eine
radioaktiv markierte Substanz (etwa
Glucose) injiziert, die im Gehirn
metabolisiert wird. Die Radioaktivität
wird danach durch besondere Detektoren
festgestellt. Die Methode ist der
Positronenemissionstomographie (PET)
ähnlich, hat aber ein geringeres
Auflösungsvermögen.
Demgegenüber
steht der Vorteil, dass zur Herstellung
der Isotope kein Zyklotron benötigt wird.
symptomatische Krämpfe: Krampfartige Entladungen,
die mit spezifischen Symptomen
verbunden sind, welche wiederum helfen
können,
den
Ursprungsort
der
Entladungen zu lokalisieren.
Split-Brain-Patient: Person, der zur Linderung schwerer
epileptischer Krämpfe das Corpus
callosum durchtrennt wurde.
Synapse:
synaptische
Kontaktstelle
zwischen
zwei
Nervenzellen oder zwischen Neuron und
Muskelzelle.
Vesikel:
Kleine Vesikel, die in
elektronenmikroskopischen Bildern von
Endknöpfchen sichtbar werden. Sie
enthalten Neurotransmitter.
synaptischer Spalt: Raum zwischen dem Endknöpfchen
eines Neurons und der Zelle, mit der es
Kontakt aufnimmt.
Spongioblasten: Unreife Zellen, die sich zu Gliazellen
entwickeln.
____________________________________________________________________________________________
162
Brain Modelling
Synästhesie:
Syntax:
Fähigkeit, einen Reiz, der einem
bestimmten Sinn dargeboten wird, mit
einem anderen Sinn wahrzunehmen,
beispielsweise, wenn ein Geräusch eine
Farbempfindung hervorruft.
Art und Weise, wie Wörter den
grammatikalischen Regeln entsprechend
zu Sätzen zusammengestellt werden;
wird als ein für die menschliche Sprache
einzigartiges Merkmal betrachtet.
tectopulvinares System: Teil des visuellen Systems. Es
dient dazu, visuelle Reize zu lokalisieren.
Es beinhaltet den Colliculus superior,
den posterioren Thalamus und die Areae
20 und 21.
Tectum:
Tegmentum:
Mittelhirngebiet, das oberhalb des
Aquaeductus cerebri liegt. Es enthält das
obere und untere Hügelpaar (Colliculi),
die zusammen für Bewegungen des
ganzen Körpers als Reaktion auf visuelle
und auditorische Reize zuständig sind.
Mittelhirngebiet
unterhalb
des
Aquaeductus
cerebri.
Es
enthält
sensorische
und
motorische
Fasersysteme und eine Anzahl von
Kernen.
Telencephalon: Ausdruck für das Endhirn. Es umfasst
den Cortex, die Basalganglien, das
limbische System und die Riechkolben
(Bulbi olfactorii).
Telodendrien:
Feine Endverzweigungen eines Axons.
tertiäres Projektionsgebiet:
Cortexgebiet,
das
Projektionen von einem sekundären
Projektionsareal erhält oder dorthin
Signale
sendet.
Siehe
auch
Assoziationscortex.
Thalamus:
Kerngruppe im Diencephalon. Der
Thalamus
ist
ein
wichtiges
Schaltzentrum für Impulse, die zum
Endhirn gesendet werden (oder dieses
verlassen).
topographische Desorientierung: Konfusion bezüglich
der eigenen Position im Raum.
topographische Karten: Kartographische Erfassung des
Neocortex, die verschiedene Merkmale,
Projektionen,
Zellverteilung
und
ähnliches ausweist.
Tourette-Syndrom: Krankheit, die durch unwillkürliche
Bewegungen von Körperteilen, die
unwillkürliche Aussprache von Wörtern
und das Hervorstoßen von Lauten
gekennzeichnet ist.
Tractus:
Tractus corticospinalis: Faserbündel zwischen dem
cerebralen Cortex und dem Rückenmark
(Pyramidenbahn).
Tractus perforans: Verbindung zwischen entorhinalem
Cortex und Hippocampus. Wichtig für
das Gedächtnissystem.
Tractus rubrospinalis: Faserzug vom Nucleus ruber zum
Rückenmark; an der Kontrolle der
Gliedmaßenbewegungen beteiligt.
transcortikale Aphasie: Eine Aphasie, bei der die
Betroffenen Wörter verstehen und
wiederholen und Objekte benennen
können, jedoch nicht spontan sprechen
können.
transiente globale Amnesie: Kurzzeitige neurologische
Störung,
charakterisiert
durch
Gedächtnisverlust;
kann
auf
vorübergehende
Ischämie-Perioden
zurückgehen.
transiente Ischämie:
Vorübergehende mangelhafte
Blutversorgung
eines
bestimmten
Gehirnareals.
Transmitter:
Siehe Neurotransmitter.
transneuronale
Degneration:
Degeneration einer
Nervenzelle, die mit einer zerstörten
Nervenzelle direkt oder über wenige
Synapsen hinweg in Kontakt steht. Die
Durchtrennung
des
Sehnervs
beispielsweise führt zur Degeneration der
Zellen des Corpus geniculatum laterale.
Traumschlaf:
Schlafzustand, in dem die Muskulatur
paralysiert und der sensorische Input
zum Gehirn blockiert ist, in dem das
Gehirn
eine
Aktivität
wie
im
Wachzustand
aufweist
und
währenddessen intensiv geträumt wird,
REM-Schlaf.
Thermoregulation: Die Fähigkeit, die Körpertemperatur
zu regulieren.
Theta-Rhythmus: Rhythmus im Elektroencephalogramm
mit einer Frequenz von 4 bis 7 Hz.
Thrombose:
Verstopfung eines Blutgefäßes durch ein
Blutgerinnsel.
Tiefendyslexie: Lesestörung, die auf große Läsionen der
sprachdominanten Hemisphäre folgt. Sie
ist durch ganz bestimmte Fehlerarten
charakterisiert, die nahelegen, dass der
Lesevorgang durch die nichtdominante
Hemisphäre vorgenommen wird.
topographische Agnosie: Unfähigkeit, die typischen
Merkmale von Plätzen oder Gebäuden
wahrzunehmen.
Objektklassen
wie
Hügel, Gebäude und so weiter werden
aber noch erkannt.
unilateraler visueller Neglect: Neglect aller sensorischen
Ereignisse
einer
oder
mehrerer
Modalitäten, vorausgesetzt, dass die
Reizung auf eine "Hälfte der Welt"
(definiert durch die Zentralachse des
Körpers) begrenzt ist.
Ventrikel:
topographische Amnesie: Die Unfähigkeit, sich an den
Ort von Dingen oder Plätzen zu erinnern.
Große Ansammlung von Axonen
innerhalb des Zentralnervensystems.
Faserzug.
Die Hohlräume des Gehirns.
enthalten Cerebrospinalflüssigkeit.
Sie
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Begriffe aus der Neurowissenschaft
163
ventromediales System:
Eine von zwei großen
Fasergruppen des motorischen Systems.
Das ventromediale System besteht aus
dem Tractus vestibulospinalis, dem
Tractus reticulospinalis und dem Tractus
tectospinalis,
die
im
Hirnstamm
entspringen. Außerdem enthält es den
Tractus corticospinalis ventralis, der dem
Neocortex entstammt.
Verhaltenskompensation: Mechanismus der Erholung
von Gehirnverletzungen, wobei das
Verhalten derart modifiziert wird, dass es
die verlorenen Funktionen ersetzen kann.
Das neu erworbene Verhalten entspricht
nicht dem zuvor vorhandenen, und auch
die Gehirnregion, die dieses Verhalten
vermittelt, ist nun eine andere.
visuelle Agnosie: Unfähigkeit, visuelle Eindrücke zu
vollständigen
Mustern
zusammenzufügen;
daraus
resultiert
die
Unfähigkeit, Objekte zu erkennen, zu
verwenden,
zu
zeichnen
oder
abzuzeichnen.
Wernicke-Aphasie: Unfähigkeit, Sprache zu verstehen
oder sinnvolle Sprache zu formulieren.
Sie folgt auf Läsionen des posterioren
Cortex. Siehe auch Broca-Aphasie.
Wernickesches Areal: Der posteriore Teil des superioren
temporalen Gyrus (etwa Area 22). Siehe
auch Brocasches Areal.
Willkürbewegung:
Jede Bewegung, die ein Tier
beispielsweise von einer Stelle an eine
andere bringt. Sie kann durch
sensorischen Input auf einer niedrigen
Ebene des sensorischen Systems ausgelöst und durch ebenfalls auf niedriger
Ebene angesiedelte Haltungs- und
Reflexsysteme ausgeführt werden. Auch
als
appetitive,
instrumentelle,
zielgerichtete oder operante Bewegung
bezeichnet.
Wortsalat:
Ausdruck, der zur Kennzeichnung einer
flüssigen Aphasie verwendet wird. Dabei
werden
zwar
sinnvolle
Wörter
produziert,
diese
aber
zufällig
aneinandergereiht.
Zapfen:
Hochspezialisierte
konische
oder
flaschenförmige Rezeptoren der Retina,
die
für
Licht
von
bestimmter
Wellenlänge maximal empfindlich sind.
Die Zapfen bilden die Grundlage für das
Farbensehen. Siehe auch Stäbchen.
vordere Kommissur: Siehe anteriore Kommissur.
Vorderhirn:
In diesem Skript wird der Begriff für die
Gesamtheit der cerebralen Hemisphären,
der Basalganglien, des Thalamus, des
Hypothalamus, der Amygdala, des
Hippocampus
und
des
Septums
verwendet.
Vorderwurzel: Fasertrakt, der das Rückenmark verlässt
und deshalb motorisch ist. Er befindet
sich bei Tieren im ventralen Anteil und
bei Menschen im anterioren Teil des
Rückenmarks.
Wahnvorstellung: Irriger Glaube, an dem festgehalten
wird, obwohl er ganz offensichtlich
falsch ist; charakteristisch für manche
Arten psychischer Störungen. Er ist
durch logische Argumente nicht zu
entkräften.
Wallersche
Degeneration:
Degeneration.
Siehe
anterograde
zeitliche Summation: Addition oder Subtraktion zweier
zeitlich
eng
aufeinanderfolgender
postsynaptischer Potentiale. Siehe auch
räumliche Summation.
Zellkörper:
Siehe Soma.
Zellverband:
"Gruppe" von Neuronen, die funktional
miteinander verbunden sind; Hebb nahm
an, dass Zellverbände Basis der
Wahrnehmung, des Gedächtnisses und
der Vorstellungskraft darstellen. In der
Großhirnrinde handelt es sich dabei um
rund 8000 Neuronen, da jedes Neuron
rund 8000 Prä- und zusätzlich rund 8000
Postsynapsen besitzt (all to all
Kopplung).
weiße Substanz: Diejenigen Gebiete des Nervensystems,
in denen viele myelinisierte Axone
verlaufen.
____________________________________________________________________________________________
164
Brain Modelling
Literaturverzeichnis:
The handbook of brain theory and neural networks / ed. by Michael A. Arbib. Ed. assistant Prudence H.
Arbib. - Cambridge, Mass. [u.a.] : MIT Press, 1995. - XV, 1118 S. :Ill., graph. Darst. (A Bradford
book)Literaturangaben ISBN 0-262-01148-4 Universitätsbibliothek WienHB- Mag.-->II-1203612
Ein Monument, aber leider etwas veraltet. Exzellente Aufsatzsammlung, wo wirklich nur das Wichtigste und
Erwiesenes drinnensteht.
Brause, Rüdiger: Neuronale Netze : eine Einführung in die Neuroinformatik / von Rüdiger Brause. - 2., überarb.
und erw.Aufl. - Stuttgart : Teubner, 1995. - 462 S. : Ill., graph. Darst. (Leitfäden der Informatik)Literaturverz. S.
433 - 456 Universitätsbibliothek Wien 134 Mag.-->25206
Sammlung der wichtigsten Algorithmen aus dem Gebiet der technischen neuronalen
Netze. Gute Erklärung, manche konkreten Beispiele.
Braitenberg, Valentin: Vehikel : Experimente mit kybernetischen Wesen / Valentin Braitenberg. Aus dem Engl.
von Dagmar Frank und Valentin Braitenberg. - Reinbek bei Hamburg : Rowohlt, 1993. - 156 S. :Ill., graph. Darst.
(Rororo ; 9531 : Rororo-Sachbuch : Rororo-Science)Einheitssacht.: Vehicles <dt.>. - Literaturverz. S. [143] - 150
ISBN 3-499-19531-3
Interessant, spannend und witzig. Regt stark zum Nachdenken an. Diese Arbeit löste einen starken Boom in letzter
Zeit aus.
Models of brain function / ed. by Rodney M. J. Cotterill. - 1. publ. - Cambridge [u.a.] : Cambridge Univ. Pr.,
1989. - XIII,574 S. : graph. Darst. Literaturangaben ISBN 0-521-38503-2 Universitätsbibliothek Salzburg
NW
L -> 73.2.4-82
Wo brain draufsteht, muß nicht brain drinnen sein.
Signale und Kommunikation : Mechanismen des Informationsaustauschs in lebenden Systemen / mit e. Einf. von
John Dittami. - Heidelberg [u.a.] : Spektrum, Akad. Verl., 1993. - 193 S. : Ill., graph. Darst., Kt. (Spektrum der
Wissenschaft : Verständliche Forschung) Literaturverz. S. 184 - 186 ISBN 3-86025-214-3 Universitätsbibliothek
Wien
HB- Mag.--> II-1150825
Interessante Aufsatzsammlung, bei der gezeigt wird, wie die Formeln für das Gehirn auch anders verwendet
werden können.
Dorffner, Georg: Konnektionismus : von neuronalen Netzwerken zu einer "natürlichen" KI / von Georg
Dorffner. - Stuttgart :Teubner, 1991. - XV, 448 S. : graph. Darst. (Leitfäden der angewandten
Informatik)Literaturverz. S. [426] - 438 ISBN 3-519-02455-1 Universitätsbibliothek Wien
HB- Mag.--> I1119316
Guter Überblick in den Bereich der technischen Neuronalen Netze.
Dörner, Dietrich: Die Logik des Mißlingens : strategisches Denken in komplexen Situationen / Dietrich Dörner.
- 21. - 30.Tsd. - Reinbek bei Hamburg : Rowohlt, 1993. - 320 S. : Ill., graph. Darst., Kt. (Rororo ; 8314 : RororoSachbuch : Rororo-Science) Literaturverz. S. 311 - 313 ISBN 3-499-19314-0 Universitätsbibliothek Wien
158
HA--> X70.D713.L8
Zeigt auf eindrucksvolle Weise, wie linear Menschen denken, und wie nichtlinear die Probleme in der Welt sind.
Gardner, Howard: Dem Denken auf der Spur : der Weg der Kognitionswissenschaft / Howard Gardner. Aus
dem Amerikan. v. Ebba D. Drolshagen. - Stuttgart : Klett-Cotta, 1989. - 456 S. : graph. Darst. Einheitssacht.: The
mind's new science <dt.>. - Literaturverz. S. 419 - 438 ISBN 3-608-93099-X Universitätsbibliothek Wien HBMag.--> I-1102624
Nachdenken, fragen, meditieren und Schlußfolgerungen ziehen.
Goldbeter, Albert: Biochemical oscillations and cellular rhythms : the molecular bases of periodic and chaotic
behaviour /Albert Goldbeter. - Cambridge [u.a.] : Cambridge Univ. Press, 1996. - XXIV, 605 S. : Ill.
Einheitssacht.: Rythmes et chaos dans les systèmes biochimiques et cellulaires <engl.>. - Aus d. Franz. übers. Literaturverz. S.526 - 588 ISBN 0-521-40307-3 Zentralbibliothek für Physik in Wien
39061 ->> FR-Gute mathematische Darstellung von biophysikalischen Vorgängen.
Einführung in die künstliche Intelligenz / Günther Görz (Hrsg.). - 2. Aufl. - Bonn [u.a.] : Addison-Wesley,
1995. - XIV,1029 S. : graph. Darst. Literaturangaben ISBN 3-89319-858-X Universitätsbibliothek Wien
HBMag.--> I-1185763
Hervorragende Zusammenfassung aus dem Bereich der KI.
___________________________________________________________________________________
Literaturverzeichnis
165
Guttmann, Giselher: Ich: sehe, denke, träume, sterbe : sechs Aufsätze über das Hier- und Jetztsein, das Sosein
und Nichtsein des Menschen und seiner Seele im Spiegel der naturwissenschaftlichen psychologischen Forschung
; mit einem Vorwort, fünf Zwischentexten und einem Epilog. - München : Ehrenwirth, 1991. - 324 S. : zahlr.Ill.,
graph. Darst. Literaturverz. S. 321 - 324 ISBN 3-431-03157-9 Universitätsbibliothek Wien
HB- Mag.--> I1120325
Gute Statements zum Bewußtsein und zum Denken. Darüber meditieren !
Hernegger, Rudolf: Wahrnehmung und Bewußtsein : ein Diskussionsbeitrag zu den Neurowissenschaften.Heidelberg [u.a.] : Spektrum, Akad. Verl., 1995. - 552 S. : Ill. Literaturverz. S. 519 - 540 ISBN 3-86025-288-7
Universitätsbibliothek Wien HB- Mag.--> II-1176928
Eine sehr gute Zusammenfassung über das Gebiet der Gehirnforschung. Es werden die aktuellen Fakten kritisch
beleuchtet.
Hofstadter, Douglas R.: Gödel, Escher, Bach : ein endloses geflochtenes Band / München : Dt. TaschenbuchVerl., 1991. - XVII, 844 S. : Ill., graph. Darst., Notenbeisp. (Dtv ; 11436 : Dtv-Klett-Cotta). - Literaturverz.S. 805
- 819 ISBN 3-423-11436-3
Dieses Buch sollte man eigentlich erst dann lesen, wenn man schon seine Vision zum Thema Gehirn und
Bewußtsein gehabt hat.Regt zum bewußten Nachdenken an.
Neurowissenschaften : eine Einführung / Eric R. Kandel ... (Hrsg.). - Heidelberg [u.a.] : Spektrum Akad. Verl.,
1996. -XXII, 786 S. : Ill., graph. Darst. (Spektrum Lehrbuch) Einheitssacht.: Essentials of neural science and
behavior <dt.>. - Literaturverz. S. [739] - 744 ISBN 3-86025-391-3 Universitätsbibliothek Wien
HB- Mag.-->
II-1190247
Beste Darstellung der Biologie, der Medizin, der Genetik und der Chemie des menschlichen Gehirns in einem
Buch. ABER: Die amerikanische Ausgabe ist besser, da umfangreicher.
Gehirn und Geist / Kenneth A. Klivington. Wiss. Beratung: Floyd Bloom ... Aus dem Amerikan. übers. von
Peter Germroth.- Heidelberg [u.a.] : Spektrum, Akad. Verl., 1992. - 240 S. : zahlr. Ill. Einheitssacht.: The science
of mind <dt.>. - Literaturverz. S. 234 - 235 ISBN 3-86025-038-8 Universitätsbibliothek Wien HB- Mag.--> II1132935
Nette Bilder, nette Aufsätze und nette Einführung.
Kratzer, Klaus P.: Neuronale Netze : Grundlagen und Anwendungen - 2., durchges. Aufl. - München ;Wien :
Hanser, 1993. - XII, 211 S. : graph. Darst. Literaturverz. S. [200] - 206 ISBN 3-446-17315-3
Anderer Weg der Vermittlung des Wissens über technische neuronale Netze als im Brause, etwas zu pessimistisch.
Kolb, Bryan: Neuropsychologie / Übers. hrsg. von Monika Pritzel. Aus dem Engl. übers. von Marianne Mauch ...
- 2. Aufl. - Heidelberg [u.a.] : Spektrum Akad. Verl., 1996. - XII, 574 S. : Ill., graph. Darst. (Spektrum Lehrbuch)
Einheitssacht.: Fundamentals of human neuropsychology <dt.>. - Literaturangaben ISBN 3-8274-0052-X
Universitätsbibliothek Wien HB- Mag.--> II-1206523
Hervorragende Einführung in die Psychologie auf Basis der Biologie.
Nauta, Walle J.: Neuroanatomie : eine Einführung - Heidelberg : Spektrum-d.-Wiss.-Verl.-Ges., 1990. - 342 S. :
zahlr. Ill., graph. Darst. Einheitssacht.: Fundamental neuroanatomy <dt.>. - Literaturverz. S. 327 - 331 ISBN 389330-707-9 HB: Exemplare der LBS abgegeben an die UBW006 Universitätsbibliothek Wien
HB- Mag.--> II1114725
Bester, billigster Hirnatlas für angehende Profis.
Penrose, Roger: Computerdenken : des Kaisers neue Kleider oder die Debatte um künstliche Intelligenz,
Bewußtsein und die Gesetze der Physik . Aus dem Engl. übers. von Michael Springer. - Heidelberg :Spektrum-derWiss.-Verl.-Ges., 1991. - XXI, 454 S. : Ill., graph. Darst. Einheitssacht.: The emperor's new mind <dt.>. Literaturverz. S. 442 - 448 ISBN 3-89330-708-7 Universitätsbibliothek Wien HB- Mag.--> I-1124131
Hervorragende Einführung in die Probleme der Quantenmechanik, der Gravitation und schwarzer Löcher; Vom
Gehirn steht fast nichts drinnen. Erwähnenswert: Einführung und Erklärung der Turingmaschine.
Neumann, John von: Die Rechenmaschine und das Gehirn. Dt. Übers.: Charlotte und Heinz Gumin. -München
: Oldenbourg, 1960. - 80 S. Einheitssacht.: The computer and the brain <dt.> Zentralbibliothek für Physik in Wien
Bestandsnachweis 20504 ->> FR-Meditieren, nachdenken, meditieren, nachdenken und sich nicht von aktuellen Forschungsergebnissen
beeindrucken lassen und wieder meditieren !
Reihe Physik, Verlag Harri Deutsch, Zentralbibliothek für Physik 032011/x, Serienbuchtitel, Serie über
verschiedene naturwissenschaftliche Phänomene. Die Serie widmet sich auch den Phänomenen der kognitiven
Modellierung.Es finden sich über 30 Bücher zu diesem Thema in der Serie.
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Brain Modelling
Schmid, Ute: Kognitive Modellierung :eine Einführung in logische und algorithmische Grundlagen
Heidelberg:Spektrum, Akad. Verl.,1996- 455 S.:Ill.,graph. Darst.(Spektrum Hochschultaschenbuch) Literaturverz.
S. [381]-396 ISBN 3-86025-367-0 Universitätsbibliothek Wien HB-Mag.-->I-1199923
Interessante Meinungen, fördert das Nachdenken.
Snyder, Solomon H.: Chemie der Psyche : Drogenwirkungen im Gehirn . [Aus d. Amerikan. übers. von Ingrid
Horn]. - 3. Aufl. - Heidelberg : Spektrum-d.-Wiss.-Verl.-Ges., 1990. - 224 S. : zahlr. Ill., graph. Darst. (SpektrumBibliothek ; 16)Einheitssacht.: Drugs and the brain <dt.>. - Literaturverz. S. 215 ISBN 3-922508-86-3
Alles was es über Neurotransmitter zu wissen gibt und manches mehr. Beste Darstellung der Chemie der Psyche in
aller Kürze.
Brain mechanisms : papers in memory of Robert Thompson / ed. by Francis M. Crinella and Jen Yu. - New
York, NY : The New York Acad. of Sciences, 1993. - 233 S. : Ill., graph. Darst. (Annals of the New York
Academy of Sciences ; 702)Literaturangaben ISBN 0-89766-759-x - ISBN 0-89766-760-3 Zentralbibliothek für
Physik in Wien 7306/702 ->> FR-Interessante Aufsatzsammlung.
Wiener, Norbert: Kybernetik : Regelung und Nachrichtenübertragung im Lebewesen und in der Maschine /
Norbert Wiener.[Übers. von E. H. Serr unter Mitarb. von E. Henze]. - 2., rev. u. erg. Aufl., 8. - 10.Tsd. Düsseldorf ; Wien : Econ-Verl.,1965. - 287 S. : Ill., graph. Darst.
Nachdenken !
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Literaturverzeichnis
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