Empfehlungen für Sofortmassnahmen, Schulhaussanierungen und Schulhausneubauten Roger Waeber Fachstelle Wohngifte BAG Entwurf Juni 2015 Ziel Ziel für die Empfehlungen von Massnahmen ist es, eine gute Raumluftqualität und damit auch Gesundheit, Wohlbefinden und gute Lernbedingungen sicherzustellen. Schadstoffbelastung der Raumluft sollen möglichst gering sein. In einem Klassenzimmer stellen die Emissionen aus dem Stoffwechsel von Lehrern und Schülern die bedeutendsten Raumluftbelastungen dar. Daneben gibt es Restemissionen aus Materialien und Einrichtungen. Damit sich diese unvermeidbaren Belastungen nicht im Raum ansammeln, ist eine ausreichende Durchlüftung des Raumes notwendig. Es gibt keine andere Möglichkeit, eine gute Raumluftqualität sicherzustellen. Falls eine starke Quelle für bestimmte Schadstoffe wie z.B. Formaldehyd vorhanden ist, sollte diese natürlich entfernt werden. Dies alleine wird aber nicht für eine gute Raumluftqualität im Schulzimmer ausreichen. Was sagt die Norm? Normen des Schweizrischen Architektenvereins SIA legen den anerkannten Stand der Baukunde dar. Die zentrale Norm für das Raumklima in Gebäuden ist die SIA Norm 180. Gemäss dieser Norm sollte ein Schulraum so gelüftet sein, dass der CO2-Pegel während der Nutzung einen Wert von 2‘000 ppm nicht überschreitet. Für Räume mit mechanischer Lüftung gelten die Vorgaben der Norm SIA 382/1. Hier sollte der CO2-Pegel höchstens zwischen 1‘000 und 1‘400 ppm liegen. Diese Raumluftqualität wird als „mässige Raumluftqualität“ bezeichnet und ist der Standard für typische Wohnräume, Büroräume und auch Schulräume. Für Räume mit Fensterlüftung wird damit akzeptiert, dass die Raumluft schlechter sein kann als nur „mässig“ Empfehlung des BAG für Schulräume Unter Berücksichtigung der Schweizerischen Baunormen und auf Grund der Tatsache, dass wissenschaftliche Untersuchungen einen negativen Effekt der Raumluftbelastung auf Gesundheit, Wohlbefinden und Lernbedingungen auch bei CO2-Pegeln unterhalb von 2‘000 ppm belegen, empfiehlt das BAG: 1. Überschreitungen eines CO2-Pegels von 2’000 ppm sind soweit wie möglich zu vermeiden. Bei regelmässigen Überschreitungen sollen Sofortmassnahmen zur Verbesserung der Lüftungssituation getroffen werden 2. Für gesunde Raumluft und gute Lernbedingungen soll der CO2-Pegel in Schulräumen stets unterhalb von 1’400 ppm liegen. Bei Schulhaus-Neubauten und Sanierungen soll ein Lüftungskonzept umgesetzt werden, mit welchem dieses Ziel erreicht werden kann Sofortmassnahmen In Räumen mit Fensterlüftung kann nur mit regelmässigem und häufigem Lüften des Raumes eine Verbesserung der Raumluftqualität erreicht werden. Das heisst, dass - - in jeder grossen und kleinen Pause, bzw. nach jeder Unterrichtslektion gelüftet werden soll, dazu die Länge der Pausen möglichst voll ausgenutzt werden sollte, möglichst viele Fenster vollständig geöffnet werden sollten falls möglich eine Querlüftung genutzt werden soll, d.h. Durchzug durch Öffnen von gegenüberliegenden Fenstern oder geöffneten Fenstern im Korridor und geöffnete Zimmertür bei voller Belegung eine 5-minütige Zwischenlüftung während der Lektion durchgeführt werden sollte; dies gilt insbesondere für die Lektionen am späten Morgen/Nachmittag leichter gesagt als getan… Es ist klar, dass diese Massnahmen in der Praxis nicht einfach umzusetzen und durchzuhalten sind; verschiedene Aspekte erschweren die Umsetzung und sollen hier deshalb auch angesprochen werden. Lüften folgt den Gewohnheiten und diese können individuell sehr unterschiedlich sein. In der Regel ist unser Lüftungsverhalten in erster Linie durch die Temperatur bestimmt – ist es draussen kalt oder sehr heiss, lüften wir weniger, ist es im Raum zu warm lüften wir mehr. Es empfiehlt sich deshalb, ein „Lüftungsregime“ für das Schulhaus, d.h. Regeln zu beschliessen. Der Beschluss sollte durch die Schulleitung gefasst werden und alle Betroffenen sollten ein einbezogen sein. Insbesondere ist ein Committment der Klassenlehrer und eine gute Information aller Nutzer erforderlich. Dabei wäre es sehr sinnvoll, eine Sensibilisierung durchzuführen und z.B. das Thema Luft im Klassenzimmer in allen Klassen vorzustellen und zu behandeln. Die Erfahrung zeigt, dass ein solches „Lüftungsregime“ sich vor allem für die Unterstufen eignet, wo mehr oder weniger „fixe“ Klassenzimmer und Klassenlehrer vorhanden sind. Schwieriger wird es, wenn Räume wechselnd durch verschiedene Klassen genutzt werden, hier müsste versucht werden entsprechend angepasste und anspruchsvollere Regeln einzuführen, z.B. „wer den Raum nutzt, lüftet ihn danach“. Die Effektivität der des Lüftens kann eingeschränkt sein, wenn es nur wenige öffenbare Fenster gibt, das Öffnen wegen Sicherheitsaspekten beschränkt ist oder die öffenbaren Fenster nur klein sind. Eine weitere Schwierigkeit ist das Lüften zwischendurch während der Lektion. Es bedeutet einen Unterbruch und Lärm von aussen kann zusätzlich stören. Vielleicht wäre es möglich, das Zwischenlüften mit einer Bewegungspause zu verbinden, welche durchaus auch Vorteile für die Aufnahmefähigkeit der Schüler haben kann, so dass die Zeit nicht „verloren“ ist (www.schulebewegt.ch) Mit manueller Fensterlüftung sollte es möglich sein, regelmässige Überschreitungen von 2‘000 ppm zu vermeiden. Es ist damit jedoch schwierig, den CO2-Pegel stets unter 1‘400 ppm zu halten. Eine bessere Abdichtung der Gebäudehülle und neue dichtere Fenster als Folge von Energieeffizienzmassnahmen verschärft die Lüftungssituation zusätzlich. Längerfristig empfehlen sich deshalb Lösungen, welche den Nutzer unterstützen oder weitgehend Nutzer-unabhängig sind - insbesondere in Schulgebäuden höherer Stufe wie Gymnasium, Fachhochschule etc. - und welche eine gute Raumluftqualität mit geringerem Verbrauch an nicht erneuerbaren Energien sicherstellen können. Die nächste Renovation oder Sanierung sollte genutzt werden, solche Lösungen zu evaluieren und umzusetzen. Was sagt die Norm? – Lüftungskonzept Die SIA Norm 180 hält folgendes fest: „Die vorliegende Norm gilt für Neubauten und für massgebliche Umbauten an der Gebäudehülle sowie für Umnutzungen der Gebäude.“ „Im Vorprojekt ist ein Lüftungskonzept entsprechend den Anforderungen zu erstellen. Mögliche Lüftungsprinzipien sind: –natürliche Lüftung, manuell oder automatisch gesteuert, –einfache Abluftanlage (mit geplanter Nachströmung), –mechanische Zu-/Abluftanlage, und ihre Kombinationen.“ „Das Lüftungsprinzip muss den Benutzern erlauben, den notwendigen Luftvolumenstrom zu erhalten, sei es durch Lüftungsöffnungen für natürliche Lüftung oder mit mechanischer Lüftung.“ Empfehlungen für Neubauten und Sanierungen Es kann nicht genug betont werden, dass sich eine gute gesunde Raumluftqualität bei den heute dichten Gebäudehüllen und Fenstern nicht einfach von selbst ergibt und dass die Fensterlüftung gerade in dicht belegten Räumen rasch an ihre Grenzen stösst. Ein Lüftungskonzept ist deshalb zwingend erfolderlich. Weil dies jedoch nicht staatlich kontrolliert wird, fehlt es bei vielen Neubauten und Sanierungen vollständig. Eine Ausnahme bilden allenfalls MINERGIE-zertifizierte Gebäude, da diese eine systematische Lufterneuernung als Voraussetzung haben. Die zentrale Empfehlung an Gemeinden lautet deshalb: Machen Sie Lüftung in Schulen zum Thema! Es sollte versucht werden, zu einer gemeinsamen Haltung zu kommen, dass die Thematik Lüftung bei jedem Schulhaus Neubau- und Sanierungsprojekt gebührend beachtet werden muss. Diese Haltung sollte auch klar kommunziert werden. Es sollten stets Mittel für die Planung und Umsetzung eines Lüftungskonzeptes eingeplant werden; die Lüftung darf kein „Sparposten“ sein. Neubau und Sanierungen sollten dem anerkannten Stand der Baukunde entsprechen. Die Fachstelle Wohngifte des BAG kennt aus der Praxis mehrere Fälle, wo ein SchulhausNeubau oder Sanierungs-Projekt bestand, in welchem eine einfache mechanische Lüftung eingeplant war. Bei der Debatte im Gemeinderat wurden jeweils die Kosten des Projekts kritisiert und in der Folge der als Kostenpunkt gut sichtbare und ausgewiesene Posten „Lüftungsanlage“ herausgestrichen – ohne Alternative. Dass die gemäss Norm erforderliche Raumluftuqalität mit einer ungeplanten Fensterlüftung im Betrieb nicht oder nur schwierig zu erreichen sein wird, ist den Entscheidungsträgern noch kaum bewusst. Dieses Problem könnte vielleicht entschärft werden, wenn zum Projekt verschiedene mögliche Lösungen evaluiert würden, mit ihren entsprechenden Vor- und Nachteilen sowie den entsprechenden Investitions- und Betriebskosten. Dies würde eine transparente Entscheidungsfindung fördern. Entsprechende Erfahrungen aus den Gemeinden liegen zur Zeit leider noch nicht vor. Lösungsmöglichkeiten Es muss festgestellt werden, dass es kein Patentrezept gibt, insbesondere bei Sanierungen. Es sind jedoch verschiedene Möglichkeiten verfügbar, wobei jede Lösung ihre Vor – und Nachteile hat. Die Unterschiede betreffen - die Komplexität des Systems, - der Platzbedarf, - die Möglichkeiten zur Filtrierung der Aussenluft, zum Schallschutz, und zur Wärmerückgewinnung, - die Möglichkeiten zur Klimatisierung (z.B. Kühlung, Befeuchtung), - den Unterhalt / die Wartung, sowie die Installations-und Betriebskosten Es sind auch hybride Systeme möglich, das heisst eine Kombination von mechanischer Grundlüftung und zusätzlicher manueller Pausenlüftung Bei Neubauten werden heute meist klassische mechanische Zu-/Abluftanlagen mit Wärmerückgewinnung als Lüftungsprizip eingesetzt. Auch hier sind aber auch andere Lösungen möglich, unter bestimmten Voraussetzungen sogar eine manuelle Fensterlüftung aber auch diese muss richtig geplant sein, v.a. betreffend Anordnung und Grösse der Fenster. Zudem erfordert sie ein entsprechend diszipliniertes Nutzerverhalten. Zur Illustration sind im Folgenden einige Beispiele von Lösungsmöglichkeiten stichwortartig aufgeführt. Welche Möglichkeiten sich für ein bestimmtes Objekt eignen könnten, muss in jedem einzelnen Fall in Zusammenarbeit von Architekten und Lüftungsplanern eruiert werden. Automatische Fensterlüftung Hierbei übernimmt ein Motor das regelmässige Öffnen und schliessen, gesteuert z.B. mit Zeitschalter oder Sensoren (CO2, Wind, Aussentemperatur). Die Steuerung ist anspruchsvoll Wärmerückgewinnung, Schallschutz und Filtration sind nicht möglich Geregelte Abluftsysteme Hierbei wird die verbrauchte Luft aus dem Raum abgesogen, und frische Luft strömt direkt durch Öffnungen in der Fassade oder auch über andere Räume (z.B. Korridor) in den Raum nach. Keine Wärmerückgewinnung; Schallschutz und Filtration beschränkt möglich Einzelraumgeräte: Lüftungsgerät in Fassade oder Brüstung, „Lüftungsfenster“ Komplette Lüftungsgeräte in einer Einheit, i.d.R mehrere Geräte pro Raum Wärmerückgewinnung, Schallschutz, Filtration möglich Einzelraumgeräte: Deckengeräte, Wandgeräte, Standgeräte Komplette Lüftungssysteme in einer Einheit, i.d.R. ein Gerät pro Raum Wärmerückgewinnung, Schallschutz, Filtration möglich Zentrales Lüftungsgerät Verteilung der Zuluft und Abluft über Lüftungskanäle ggf. kombiniert mit Betondecke zur freien Kühlung im Sommer Wärmerückgewinnung, Schallschutz, Filtration möglich Lösungsmöglichkeiten – abschliessende Bemerkungen Wenn die Durchlüftung eines Raumes verstärkt wird, muss je nach System ein erhöhter Energieverbrauch in Kauf genommen werden. Energiesparen ist jedoch kein Argument für inakzeptable Raumluftqualität! Eine gute Raumluftqualität bei geringem Energieverbrauch ist möglich, wenn Systeme bedarfsabhängig gesteuert/betrieben werden und insbesondere wenn sie eine Wärmerückgewinnung erlauben. Die Diskussion wird zusätzlich entschärft, wenn zur Heizung des Gebäudes vollständig erneuerbare Energie verwendet wird Bei der Systemwahl muss man sich bewusst sein, dass Raumlufttechnische Anlagen und Geräte richtig geplant, erstellt, einreguliert, betrieben und gewartet werden müssen. Oft besteht ein Unbehagen gegenüber diesen technischen Lösungen, und es wird befürchtet, dass die Anlagen ein gesundheitliches Risiko darstellen könnten. Wenn aber die wesentlichen Anforderungen der Hygiene-Richtlinie SWKI VA104-01 beachtet werden, sind Lüftungsanlagen aus gesundheitlicher Sicht sicher und vorteilhaft. Im Sommer ist eine gute Lüftung auch für die Auskühlung des Gebäudes über Nacht wichtig; sie leistet so auch zu einem angenehmeren Raumtemperaturen einen wichtigen Beitrag. Oft stehen bei der Diskussionen um Neubau und Sanierungen Kostenargumente im Vordergrund. Dabei wird eine wesentliche Frage jedoch nie gestellt: Was kosten uns Leistungseinbussen und Gesundheitseinbussen durch schlechte Luft in Schulen? Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass schlecht gelüftete Räme bei Arbeitnehmern zu einer Leistungseinbusse von wenigen Prozent gegenüber gut gelüfteten Räumen führen können. Das klingt nicht dramatisch. Der Staat gibt jedoch sehr viel Geld aus für Lehrkräfte. Werden alleine die Beträge berechnet, welche sich aus geringfüfigen Leistungseinbussen der Lehrkräfte in schlecht gelüfteten Klassenräumen ergeben können, so übersteigen diese die Investitionskosten für Lüftungsmassnahmen bei weitem. Und dabei sind die Kosten für verminderte Gesundheit der Schüler noch nicht einmal berücksichtigt. Fachleute sind sich einig: Investitionen in eine gute Raumluftqualität in Schulen zahlen sich aus!