TU Clausthal Institut für Physikalische Chemie Fortgeschrittenen-Praktikum Stand: 10.10.2007 9. & 10. Dipolmoment & Molrefraktion Seite 1/15 Allgemeine Grundlagen zu den Versuchen Molrefraktion, Dipolmoment In den nachfolgenden Versuchen geht es um die Wechselwirkung elektrischer Felder mit so genannten Dielektrika oder Isolatorstoffen. Wird ein dielektrisches Material in ein statisches elektrisches Feld gebracht, so durchziehen Feldlinien das Material, während ein elektrischer Leiter im Inneren feldfrei bleibt. Auf den Oberflächen des Leiters sammeln sich aufgrund der freien Beweglichkeit von Elektronen so viele Ladungen an, dass sie in seinem Inneren ein Gegenfeld erzeugen, welches das äußere Feld kompensiert. In dielektrischen Stoffen dagegen sind positive und negative Ladungen elastisch verbunden. Sie werden im allgemeinen proportional der Feldstärke gegeneinander verschoben, was zu einer Schwächung des Feldes im Dielektrikum führt. Werden zwei große, entgegengesetzte Ladungen vom Betrag q um r gegeneinander r r verschoben, so entsteht ein Dipolmoment m = q ⋅ r . Die vektorielle Summe aller Dipolr r momente pro Volumeneinheit ist die so genannte Polarisation pV = Σ mi / V . i Die makroskopische Beschreibung des Verhaltens eines Dielektrikums im elektrischen Feld r erfolgt durch das Verhältnis der Feldstärke E in (V/cm) im Dielektrikum zum Verr schiebungsfeld D in (C/cm-2). Es gilt bei der Verwendung des SI-Einheiten-Systems: r r D = εε o ⋅ E (1) Hierin ist εo die Dielektrizitätskonstante im Vakuum mit εo = 8,854 10-14C⋅V-1⋅cm1 und ε die dimensionslose Dielektrizitätskonstante des Dielektrikums. Im Vakuum ist ε = 1. Die r r Richtung des Vektors D ist identisch mit der von E . Sein Betrag ist gleich der Flächenladungsdichte q/O, die auf den zum Feld senkrechten Oberflächen eines ins Dielektrikum gebrachten Leiters influenziert würde, d.h. es ist auch die Flächenladungsdichte auf den r r Kondensatorplatten. Der Zusammenhang zwischen D und E ist auch wie folgt gegeben: TU Clausthal Institut für Physikalische Chemie Fortgeschrittenen-Praktikum Stand: 10.10.2007 9. & 10. Dipolmoment & Molrefraktion r r r D = ε o E + Pv Seite 2/15 (2) Aus (1) und (2) folgt: r r PV = ( ε − 1) ε o E bzw. r r Pv = α v E mit α v = ( ε − 1) ε o (3) r r Der Proportionalitätsfaktor zwischen Pv und E ist die makroskopische Polarisierbarkeit av . r Der Index v weist darauf hin, dass hier Pv eine auf die Volumeneinheit bezogene Größe ist. Es soll nun der Zusammenhang zwischen den makroskopischen Größen und der mikroskopischen Polarisierbarkeit α von Molekülen betrachtet werden. Hierzu muss die Zahl N der Teilchen pro Volumeneinheit bekannt sein. Außerdem muss man das auf das einzelne r r Teilchen bzw. Ladungspaar wirkende Feld Ew kennen. Diese wirksame Feldstärke Ew kann r gegenüber der makroskopischen, mittleren Feldstärke E verändert sein, da in kondensierten Phasen die einzelnen Teilchen von ebenfalls polarisierten anderen Teilchen umgeben sind. r Die Abweichung wird durch ein zusätzliches inneres Feld Ei beschrieben, das von der Polarisation selbst herrührt und dieser proportional gesetzt werden kann: r r r r r Ew = E + Ei = E + γ P r r In Gasen ist Ew = E . Es folgt für die Polarisation in der molekularen Beschreibung: r N r r r r P = Σ mi = N α Ew = N α E + γ P i =1 ( ) bzw r P= Nα r E 1− N α γ Hierin ist α der aus allen vorliegenden Orientierungen der Moleküle resultierende Mittelwert der Polarisierbarkeit. Ein Vergleich mit der makroskopischen Beschreibungsweise (3) zeigt, dass gilt: TU Clausthal Institut für Physikalische Chemie Fortgeschrittenen-Praktikum αV = Stand: 10.10.2007 9. & 10. Dipolmoment & Molrefraktion Seite 3/15 Nα 1− N α γ Nα ε = 1+ (1 − N α γ ) ε 0 (4) und N α γ =1 − Nα (ε − 1) ε 0 (5) Die Teilchenzahl N lässt sich durch molare Größen ausdrücken: N= NL ⋅ ρ M (6) Hierin ist NL die Loschmidt’sche Zahl, M die Molmasse und ρ die Dichte. Die Bestimmung des Faktors γ, der das lokal wirksame Feld beschreibt, bereitet einige Schwierigkeiten. Für Festkörper mit gewissen Symmetrien (einfach kubische Gitter) sowie für einfache Flüssigkeiten (kugelförmige, dipolfreie Moleküle) lässt sich ein Wert von γ = 1 3ε 0 (7) berechnen. Setzt man (6) und (7) in (5) ein, so erhält man die Clausius-Mosotti-Gleichung ε − 1 M N L ⋅α ⋅ = 3ε 0 ε +2 ρ deren Gültigkeit durch die genannten Bedingungen begrenzt ist. (8) TU Clausthal Institut für Physikalische Chemie Stand: 10.10.2007 9. & 10. Dipolmoment & Molrefraktion Fortgeschrittenen-Praktikum Seite 4/15 Für Gase ist γ gleich Null und es folgt mit (4) ε −1 M Nα = L 3 ρ 3 ε0 (9) Der Ausdruck (8) bzw. (9) wird Molpolarisation P genannt. Es soll nun die Polarisierbarkeit näher betrachtet werden hinsichtlich ihrer Ursachen. Polarisierbarkeit: Elektronen-, Atom- und Man unterscheidet drei Arten der Orientierungspolarisierbarkeit. Die Elektronenpolarisierbarkeit kommt dadurch zustande, dass im elektrischen Feld die Elektronenhülle eines jeden Atoms gegen den Kern verschoben wird. Atompolarisierbarkeit liegt dann vor, wenn in Molekülen Atome unterschiedliche Ladungen tragen, wodurch die Atome als ganze gegeneinander verschoben werden. Am ausgeprägtesten ist dieser Effekt bei Ionenkristallen. Elektronen- und Atompolarisierbarkeit Verschiebungspolarisierbarkeit bezeichnet. werden zusammen als Orientierungspolarisierbarkeit liegt vor, wenn Moleküle als ganzes permanente Dipole darstellen, die durch das elektrische Feld ausgerichtet werden. Die Polarisierbarkeit α in Gl. (8) kann also aufgespalten werden: α = α el + α at + α or (10) Im Gegensatz zur Verschiebungspolarisierbarkeit ist die Orientierungspolarisierbarkeit temperaturabhängig, da die Wärmebewegung der Ausrichtung der Dipole im Feld entgegenr r wirkt. Die Achse des permanten Dipols µ bilde mit dem wirkenden Feld Ew den Winkel β. Dann hat der Dipol die potentielle Energie r r E pot = − µ ⋅ Ew cos β , wenn man den Nullpunkt der potentiellen Energie beim Winkel β = 90° festsetzt. Nach Boltzmann ist nun die Wahrscheinlichkeit W, dass im thermischen Gleichgewicht ein Dipol den Winkel β zur Feldrichtung einnimmt, gegeben durch TU Clausthal Institut für Physikalische Chemie Fortgeschrittenen-Praktikum E W ∞ exp − pot kT Stand: 10.10.2007 9. & 10. Dipolmoment & Molrefraktion Seite 5/15 µ ⋅ Ew cosβ = exp kT r Im zeitlichen bzw. räumlichen Mittel resultiert ein in der Feldrichtung liegendes Moment µ , für das die weitere Rechnung näherungsweise r2 r µ r µ= ⋅ Ew 3kT ergibt. Da die Polarisierbarkeit der Proportionalitätsfaktor zwischen Dipolmoment und wirksamer Feldstärke ist, folgt r2 µ α or = . 3kT Für Gl. (8) ergibt sich also in ausführlicher Schreibweise r2 µ ε −1 M NL P= ⋅ = α el + α at + ε + 2 ρ 3ε o 3kT (11) Aus Gl. (11) folgt, dass die Dimension der Molpolarisation [p] Volumen ⋅ Mol-1 und die des Dipols [µ] Ladung ⋅ Länge ist. Für Gase ergibt sich entsprechend Gl. (9) ein analoger Ausdruck. Durch Messung der Temperaturabhängigkeit der Molpolarisation P und geeignete Auftragung und Extrapolation lässt sich der Orientierungsanteil der Polarisierbarkeit und die Größe des r permanenten Dipols µ bestimmen. Ein gewisser Fehler ergibt sich dadurch, dass bedingt durch die Ausrichtung der Dipole im Feld auch die Verschiebungspolarisation schwach anisotrop wird, d. h. gewöhnlich in TU Clausthal Institut für Physikalische Chemie Fortgeschrittenen-Praktikum Stand: 10.10.2007 9. & 10. Dipolmoment & Molrefraktion Seite 6/15 Feldrichtung etwas größer ist als senkrecht dazu (Kerr-Effekt). Dieser kleine Fehler kann gewöhnlich, d.h. bei relativ kleinen Feldstärken, vernachlässigt werden. Für Substanzen mit permanenten Dipolen im kondensierten Zustand lässt sich Gl. (8) bzw. (11) nicht ohne weiteres anwenden. Die Auswertung mit Hilfe der Clausius-Mosotti- Gleichung ist aber möglich, wenn man eine Mischungsreihe der Dipolsubstanz mit einem unpolaren Lösungsmittel, für das diese Gleichung gilt, untersucht. Man erhält die ungestörte Molpolarisation der Dipolsubstanz durch Extrapolation der Werte nach unendlicher Verdünnung, wobei sich die Gesamtpolarisation additiv aus den Molpolarisationen der einzelnen Substanzen zusammensetzt. Nachdem bisher nur der Fall des statischen elektrischen Feldes betrachtet wurde, soll nun der Einfluss von elektrischen Wechselfeldern behandelt werden, der auch bei den meisten der üblichen Messverfahren untersucht wird. Wenn sich ein elektrisches Feld zeitlich genügend schnell ändert, so folgt die Polarisation wegen einer gewissen Trägheit nicht unmittelbar nach, r sondern verzögert. Man kann wiederum mit der elektrischen Feldstärke E und der r dielektrischen Verschiebung D die Verhältnisse im Inneren des Dielektrikums beschreiben. r Die Definition von D ist sinngemäß die gleiche wie im Fall des statischen Feldes, die Beziehung (2) gilt nach wie vor. Die Gl. (1) ist allerdings nicht mehr gültig und muss durch eine allgemeinere Beziehung ersetzt werden. Die periodischen Felder, die angewendet werden, sind gewöhnlich von der Form E = E0 cos ω t (12) wobei Eo zeitunabhängig ist und ω / 2π die Frequenz in Perioden pro Sekunde ist. t ist die Zeit in Sekunden. Wenn ein solches Feld genügend lange besteht, so muss auch D periodisch mit der Zeit sein, allerdings im allgemeinen nicht notwendig in Phase mit E, sondern um δ phasenverschoben: D = D0 cos (ω t − δ ) = D ' cos ω t + D ''sin ω t (13) TU Clausthal Institut für Physikalische Chemie Fortgeschrittenen-Praktikum Stand: 10.10.2007 9. & 10. Dipolmoment & Molrefraktion Seite 7/15 mit D ' = D0 cos δ ; D '' = D0 sin δ Das Verhältnis D0 / E0 hängt im allgemeinen Fall von der Frequenz ab. Deshalb können zwei verschiedene Dielektrizitätskonstanten ε' und ε'', die beide frequenzabhängig sind, eingeführt werden durch D ' = ε ' ε 0 ; D '' = ε '' ε o Eo . Daraus folgt tan δ = (14) ε '' . Es kann gezeigt werden, dass ε'' proportional dem Energieverlust, ε' d. h. der im Dielektrikum dissipierten Arbeit ist. Oft wird auch tan δ (Verlustwinkel δ) als Maß für diesen Verlust angegeben. Die obigen Gleichungen können durch die Einführung einer komplexen Dielektrizitätskonstanten ε x = ε '+ i ⋅ ε '' (15) und den Ersatz der Gl. (12) durch E = E0 e − iω t (16) geschrieben werden, wobei nur der reelle Teil der Gl. (16) betrachtet wird, der mit Gl. (12) identisch ist. Dann ist der reelle Teil der Gleichung D = ε x ⋅ ε 0 E identisch mit den Gln. (13) und (14). Für Dielektrika gelten im Grenzall ω→0 (statistisches Feld) die Relationen ε'→ε und ε''→0. In weiten Frequenzgebieten ist ε' nahezu konstant und ε'' = 0. Dazwischen liegen die so genannten Dispersionsgebiete, in denen ε' mit steigender Frequenz insgesamt abfällt, und ε'' ein Maximum durchläuft. Die Dispersionsgebiete liegen in den Frequenzbereichen, in denen gewisse charakteristische Frequenzen des betrachteten Systems selbst liegen. Bei TU Clausthal Institut für Physikalische Chemie Fortgeschrittenen-Praktikum Stand: 10.10.2007 9. & 10. Dipolmoment & Molrefraktion Seite 8/15 Frequenzen des äußeren Feldes genügend unterhalb der charakteristischen Frequenz des Systems erfolgt Polarisation wie im statischen Feld bezüglich des jeweiligen Mechanismus (Elektronen-, Atom- bzw. Dipolpolarisation), die elektrische Verschiebung ist in Phase mit der Feldstärke. Bei Frequenzen des äußeren Feldes oberhalb der charakteristischen Frequenz erfolgt keine Anregung des betreffenden Mechanismus mehr. So fallen mit steigender Frequenz nacheinander die Dipolorientierung, die Atom- und die Elektronenpolarisation aus (Abb. 1). ε' αor αat αel ε'' MW IR SL UV log ω Abb. 1: Die Abhängigkeit der Polarisierbarkeit und der Dielektrizitätskonstanten von der Frequenz in schematischer Darstellung. MW IR Vis UV = Mikrowellen = Infrarot = Sichtbares Licht = Ultraviolett ω ≈ 1011 sec-1 ω ≈ 1014 sec-1 ω ≈ 1015 sec-1 ω ≈ 1016 sec-1 Bei der Dispersion unterscheidet man zwei Fälle. Beim so genannten Debye-Fall, der die Dipolorientierung betrifft, wird die Bewegung der Dipole modellmäßig entweder als Drehbewegung in einem viskosen Medium oder aber als das Hin- und Herspringen der Dipole zwischen verschiedenen Orientierungen betrachtet. Die charakteristische Frequenz ist umgekehrt proportional der so genannten Relaxationszeit τ. Dies ist die Zeit, nach der nach einem plötzlichen Abschalten eines statischen Feldes die mittlere Dipolorientierung auf den etenTeil des Ausgangswertes abgesunken ist. Beim so genannten Resonanzfall, der die Atomund Elektronenpolarisation beschreibt, ist die charakteristische Frequenz die Frequenz der Schwingung der Atome im Molekül oder Ionengitter gegeneinander bzw. die Frequenz der Bewegung der Elektronen um den Kern. Beim Resonanzfall treten die typischen positiven TU Clausthal Institut für Physikalische Chemie Fortgeschrittenen-Praktikum Stand: 10.10.2007 9. & 10. Dipolmoment & Molrefraktion Seite 9/15 und negativen Resonanzspitzen auf (Abb. 1). Man kann also durch die Messungen von ε' bei verschiedenen Frequenzen außerhalb der Dispersionsgebiete die Anteile der Gesamtpolarisierbarkeit, die von den verschiedenen Mechanismen herrühren, erhalten, (Abb.1). Nur die Elektronenpolarisation wird im elektrischen Feld des sichtbaren Lichtes angeregt. Nach der Maxwell’schen Beziehung für Isolatorstoffe gilt n = ε ⋅µ wobei n der Brechungsindex des Lichtes des betreffenden Stoffes und µ seine magnetische Permeabilität ist. Da für die meisten dielektrischen Stoffe µ ≈ 1 ist, gilt in guter Näherung ε = n2 , (17) wobei n und ε bei der gleichen Frequenz gemessen werden müssen. Setzt man die Beziehung (17) in Gl. (11) ein, so erhält man die Lorenz-Lorentz-Gleichung n 2 − 1 M N L ⋅ α el ⋅ = = RM n2 + 2 ρ 3⋅εo (18) RM wird Molrefraktion genannt. Da die Polarisierbarkeit einzelner Atome, wenn sie in gleichen Bindungsverhältnissen vorliegen, auch in verschiedenartigen Molekülen etwa gleich ist, kann man aus den so genannten Atomrefraktionen, soweit sie bekannt sind, und der Molrefraktion auf die chemische Struktur einer Verbindung schließen (s. Tab. 1). Durch die Messung der Temperatur- oder Frequenzabhängigkeit von ε', z. B. an Hochpolymeren (Kunststoffen) oder Flüssigkristallen, kann man Aufschluss erhalten über die lokale Beweglichkeit einzelner Atomgruppen des Polymeren bzw. über individuelle und TU Clausthal Institut für Physikalische Chemie Fortgeschrittenen-Praktikum Stand: 10.10.2007 9. & 10. Dipolmoment & Molrefraktion Seite 10/15 kollektive Bewegungsmöglichkeiten von Molekülen, soweit diese ein permanentes Dipolmoment haben. Wenn diese Atomgruppen jeweils die gleiche Umgebung haben, wie es in kristallinem Material der Fall ist, so werden sie alle bei einer bestimmten Temperatur beweglich. Man erhält dann einen stufenförmigen Anstieg von ε' mit steigender Temperatur. Wenn die Umgebung der einzelnen Atomgruppen verschieden ist, wie es bei glasigen Polymeren der Fall ist, so erhält man statt des stufenförmigen einen mehr kontinuierlichen Anstieg von ε’ in dem betreffenden Temperaturgebiet. Andererseits erhält man bei einer geeignet gewählten konstanten Temperatur bei Erhöhung der Frequenz im Mikrowellenbereich einen Abfall von ε', der ebenfalls mehr oder weniger stufenförmig erfolgt. Die Frequenz bei einer solchen Stufe entspricht dann der Relaxationszeit der Bewegung der entsprechenden Atomgruppe in der vorliegenden Umgebung. Die Messmethoden für die Dielektrizitätskonstante im Mikrowellenbereich beruhen darauf, dass die Leerkapazität eines Kondensators beim Einbringen eines Dielektrikums um das ε-fache (bzw. das ε'-fache) vergrößert wird. Man benötigt daher einen Messkondensator geeigneter Konstruktion zur Aufnahme des Dielektrikums. Dieser Kondensator wird als Glied in einer Messbrücke oder einen Schwingkreis geschaltet. Die einfachste Schwingkreisschaltung ist die Resonanzschaltung. Sie beruht darauf, dass die Resonanzfrequenz ν eines aus einer Spule von der Induktivität L und der Kapazität C gebildeten Schwingkreises nach der Thomsonschen Schwingungsformel durch v= 1 2π L C gegeben ist. (19) Die Frequenz ν wird durch Variation von C einer festen Bezugsfrequenz angeglichen, wobei sich C zusammensetzt aus einem variablen Drehkondensator und der leeren bzw. gefüllten Messzelle in Parallelschaltung. TU Clausthal Institut für Physikalische Chemie Fortgeschrittenen-Praktikum Stand: 10.10.2007 9. & 10. Dipolmoment & Molrefraktion Seite 11/15 Literatur: Lehrbücher der Physikalischen Chemie Theorie: H. Fröhlich: “Theory of Dielectrics”, Oxford, 1949 Messtechnik: W. Foerst (Herausgeber): „Ullmanns Enzyklopädie der technischen Chemie“, 3. Auflage, Bd. 2/1, S. 455-494 TU Clausthal Institut für Physikalische Chemie Fortgeschrittenen-Praktikum Stand: 10.10.2007 9. & 10. Dipolmoment & Molrefraktion Seite 12/15 Aufgaben: (A) Molrefraktion 1. Man bestimme die Molrefraktion von 2-Propanol bei zwei verschiedenen Temperaturen (20 °C und 35 °C) 2. Man bestimme die Molrefraktion einer binären Mischungsreihe von 1-Propanol und 1,3-Dibrompropan durch Messung an den reinen Komponenten und an drei Mischungen (graphische Darstellung) bei 20 °C. 3. Man bestimme mit Hilfe der Molrefraktion und der gegebenen Atomrefraktionen (Tabelle) die Konstitution einiger Flüssigkeiten, deren Bruttoformel bekannt ist. Ausführung: Der Brechungsindex wird mit dem temperierbaren Refraktometer bestimmt. Die Dichten werden mit dem Pyknometer bestimmt. Zur Volumenbestimmung wird das mit Wasser gefüllte Pyknometer gewogen, zur Massenbestimmung das mit der Substanz bzw. Mischung gefüllte. Ferner muss natürlich das leere Pyknometer gewogen werden. Es sind sehr genaue Wägungen erforderlich. Die thermische Ausdehnung des Pyknometers soll vernachlässigt werden. Daher ist zur Volumenbestimmung nur eine Wägung mit Wasser erforderlich. Die Dichte ρ von Wasser wird im Temperaturbereich von 0 °C bis 100 °C recht genau beschrieben durch folgende Gleichung: ρ H 2O (ϑ ) = a0 + a1ϑ + a2ϑ 2 + a3ϑ 3 mit TU Clausthal Institut für Physikalische Chemie Stand: 10.10.2007 9. & 10. Dipolmoment & Molrefraktion Fortgeschrittenen-Praktikum Seite 13/15 g / cm3 a0 = 1,0006 a1 = 1,38460 ⋅10-5 g / cm3 ⋅ °C-1 a2 = -5,82236 ⋅10-6 g / cm3 ⋅°C-2 a3 = 1,52755 ⋅10-8 g / cm3 ⋅ °C-3 und ϑ: Temperatur in °C. Für die Bestimmung der Temperaturabhängigkeit der Dichte der Substanzen bzw. Mischungen genügen Messungen bei zwei verschiedenen Temperaturen. Die daraus zu bestimmende thermische Ausdehnung kann in dem für den Versuch relevanten Temperaturbereich als konstant angenommen werden. (B) Dipolmoment Es soll das Dipolmoment einer in einem unpolaren Lösungsmittel gelösten Substanz aus der Temperaturabhängigkeit der Molpolarisation bestimmt werden. Die dazu nötige(n) Gleichung(en) sind abzuleiten. Ausführung: Es werden ca. 70 mL einer Mischung der Dipolsubstanz in n-Decan mit einem Molenbruch der polaren Substanz von ca. x2 = 0,1 eingesetzt. Für die Auswertung ist die Kenntnis des genauen Stoffmengenverhältnisses nötig, daher müssen die Substanzen möglichst genau eingewogen werden. Mit ca. 50 mL der Mischung wird die Messzelle des Dekameters befüllt. Die quasistatische (bei 1,8 MHz) Dielektrizitätskonstante ε der Mischung ist im Temperaturbereich von 20 °C bis 70 °C in Schritten von 10 °C mit Hilfe folgender Kalibrierfunktion zu bestimmen: ε = 1,294 ⋅ 10-3 Skt-1 ⋅ s + 1,397 mit s: Ablesewert am Dekameter in Skalenteilen im Resonanzfall Nach jedem Verstellen der Temperatur ist mindestens 20 Minuten bis zur Einstellung (Skt) TU Clausthal Institut für Physikalische Chemie Fortgeschrittenen-Praktikum Stand: 10.10.2007 9. & 10. Dipolmoment & Molrefraktion Seite 14/15 einer konstanten Temperatur der Messzelle abzuwarten. Der Rest der Mischung wird zur Bestimmung der Dichte und ihrer Temperaturabhängigkeit benötigt. Dazu wird wie im Versuchsteil „Molrefraktion“ verfahren. Aus den Werten der Dielektrizitätskonstanten und den gemessenen bzw. berechneten Dichten ist für jede Messtemperatur die Molpolarisation zu bestimmen und gegen die reziproke Temperatur aufzutragen. TU Clausthal Institut für Physikalische Chemie Stand: 10.10.2007 9. & 10. Dipolmoment & Molrefraktion Fortgeschrittenen-Praktikum Seite 15/15 Tabelle 1: Atomrefraktionen (Inkremente) in organischen Verbindungen in cm3/mol bei λ = 589nm >C< 2,418 (C) – H 1,100 (C) = O 2,211 (C) – O – (C) 1,643 (C) –O – (H) 1,525 (C) – Cl 5,957 (C) – Br 8,865 (C) – J 13,900 >C=(=C<) 3,284 – C ≡ (≡ C –) 3,617 (H) (H)-N 2,322 (C) (C) (C)-N 2,502 (H) (C) (C)-N 2,840 (C) (C) ≡ N 3,118 (C) – N = (C) 3,776