Allgemeine Grundlagen zu den Versuchen Molrefraktion

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Institut für Physikalische Chemie
Fortgeschrittenen-Praktikum
Stand: 10.10.2007
9. & 10. Dipolmoment & Molrefraktion
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Allgemeine Grundlagen zu den Versuchen
Molrefraktion, Dipolmoment
In den nachfolgenden Versuchen geht es um die Wechselwirkung elektrischer Felder mit so
genannten Dielektrika oder Isolatorstoffen.
Wird ein dielektrisches Material in ein statisches elektrisches Feld gebracht, so durchziehen
Feldlinien das Material, während ein elektrischer Leiter im Inneren feldfrei bleibt. Auf den
Oberflächen des Leiters sammeln sich aufgrund der freien Beweglichkeit von Elektronen so
viele Ladungen an, dass sie in seinem Inneren ein Gegenfeld erzeugen, welches das äußere
Feld kompensiert. In dielektrischen Stoffen dagegen sind positive und negative Ladungen
elastisch verbunden. Sie werden im allgemeinen proportional der Feldstärke gegeneinander
verschoben, was zu einer Schwächung des Feldes im Dielektrikum führt.
Werden zwei große, entgegengesetzte Ladungen vom Betrag q um r gegeneinander
r
r
verschoben, so entsteht ein Dipolmoment m = q ⋅ r . Die vektorielle Summe aller Dipolr
r
momente pro Volumeneinheit ist die so genannte Polarisation pV = Σ mi / V .
i
Die makroskopische Beschreibung des Verhaltens eines Dielektrikums im elektrischen Feld
r
erfolgt durch das Verhältnis der Feldstärke E in (V/cm) im Dielektrikum zum Verr
schiebungsfeld D in (C/cm-2). Es gilt bei der Verwendung des SI-Einheiten-Systems:
r
r
D = εε o ⋅ E
(1)
Hierin ist εo die Dielektrizitätskonstante im Vakuum mit εo = 8,854 10-14C⋅V-1⋅cm1 und ε die
dimensionslose Dielektrizitätskonstante des Dielektrikums. Im Vakuum ist ε = 1. Die
r
r
Richtung des Vektors D ist identisch mit der von E . Sein Betrag ist gleich der Flächenladungsdichte q/O, die auf den zum Feld senkrechten Oberflächen eines ins Dielektrikum
gebrachten Leiters influenziert würde, d.h. es ist auch die Flächenladungsdichte auf den
r
r
Kondensatorplatten. Der Zusammenhang zwischen D und E ist auch wie folgt gegeben:
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r
r r
D = ε o E + Pv
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(2)
Aus (1) und (2) folgt:
r
r
PV = ( ε − 1) ε o E
bzw.
r
r
Pv = α v E mit α v = ( ε − 1) ε o
(3)
r
r
Der Proportionalitätsfaktor zwischen Pv und E ist die makroskopische Polarisierbarkeit av .
r
Der Index v weist darauf hin, dass hier Pv eine auf die Volumeneinheit bezogene Größe ist.
Es soll nun der Zusammenhang zwischen den makroskopischen Größen und der
mikroskopischen Polarisierbarkeit α von Molekülen betrachtet werden. Hierzu muss die Zahl
N der Teilchen pro Volumeneinheit bekannt sein. Außerdem muss man das auf das einzelne
r
r
Teilchen bzw. Ladungspaar wirkende Feld Ew kennen. Diese wirksame Feldstärke Ew kann
r
gegenüber der makroskopischen, mittleren Feldstärke E verändert sein, da in kondensierten
Phasen die einzelnen Teilchen von ebenfalls polarisierten anderen Teilchen umgeben sind.
r
Die Abweichung wird durch ein zusätzliches inneres Feld Ei beschrieben, das von der
Polarisation selbst herrührt und dieser proportional gesetzt werden kann:
r
r r
r
r
Ew = E + Ei = E + γ P
r
r
In Gasen ist Ew = E .
Es folgt für die Polarisation in der molekularen Beschreibung:
r N r
r
r
r
P = Σ mi = N α Ew = N α E + γ P
i =1
(
)
bzw
r
P=
Nα r
E
1− N α γ
Hierin ist α der aus allen vorliegenden Orientierungen der Moleküle resultierende Mittelwert
der Polarisierbarkeit. Ein Vergleich mit der makroskopischen Beschreibungsweise (3) zeigt,
dass gilt:
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αV =
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Nα
1− N α γ
Nα
ε = 1+
(1 − N α γ ) ε 0
(4)
und
N α γ =1 −
Nα
(ε − 1) ε 0
(5)
Die Teilchenzahl N lässt sich durch molare Größen ausdrücken:
N=
NL ⋅ ρ
M
(6)
Hierin ist NL die Loschmidt’sche Zahl, M die Molmasse und ρ die Dichte.
Die Bestimmung des Faktors γ, der das lokal wirksame Feld beschreibt, bereitet einige
Schwierigkeiten. Für Festkörper mit gewissen Symmetrien (einfach kubische Gitter) sowie
für einfache Flüssigkeiten (kugelförmige, dipolfreie Moleküle) lässt sich ein Wert von
γ =
1
3ε 0
(7)
berechnen. Setzt man (6) und (7) in (5) ein, so erhält man die Clausius-Mosotti-Gleichung
ε − 1 M N L ⋅α
⋅
=
3ε 0
ε +2 ρ
deren Gültigkeit durch die genannten Bedingungen begrenzt ist.
(8)
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Für Gase ist γ gleich Null und es folgt mit (4)
ε −1 M
Nα
= L
3 ρ
3 ε0
(9)
Der Ausdruck (8) bzw. (9) wird Molpolarisation P genannt. Es soll nun die Polarisierbarkeit
näher betrachtet werden hinsichtlich ihrer Ursachen.
Polarisierbarkeit:
Elektronen-,
Atom-
und
Man unterscheidet drei Arten der
Orientierungspolarisierbarkeit.
Die
Elektronenpolarisierbarkeit kommt dadurch zustande, dass im elektrischen Feld die
Elektronenhülle eines jeden Atoms gegen den Kern verschoben wird. Atompolarisierbarkeit
liegt dann vor, wenn in Molekülen Atome unterschiedliche Ladungen tragen, wodurch die
Atome als ganze gegeneinander verschoben werden. Am ausgeprägtesten ist dieser Effekt bei
Ionenkristallen.
Elektronen-
und
Atompolarisierbarkeit
Verschiebungspolarisierbarkeit bezeichnet.
werden
zusammen
als
Orientierungspolarisierbarkeit liegt vor, wenn
Moleküle als ganzes permanente Dipole darstellen, die durch das elektrische Feld ausgerichtet
werden. Die Polarisierbarkeit α in Gl. (8) kann also aufgespalten werden:
α = α el + α at + α or
(10)
Im Gegensatz zur Verschiebungspolarisierbarkeit ist die Orientierungspolarisierbarkeit
temperaturabhängig, da die Wärmebewegung der Ausrichtung der Dipole im Feld entgegenr
r
wirkt. Die Achse des permanten Dipols µ bilde mit dem wirkenden Feld Ew den Winkel β.
Dann hat der Dipol die potentielle Energie
r r
E pot = − µ ⋅ Ew cos β ,
wenn man den Nullpunkt der potentiellen Energie beim Winkel β = 90° festsetzt. Nach
Boltzmann ist nun die Wahrscheinlichkeit W, dass im thermischen Gleichgewicht ein Dipol
den Winkel β zur Feldrichtung einnimmt, gegeben durch
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 E
W ∞ exp  − pot
 kT
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 µ ⋅ Ew cosβ 


 = exp 
kT



r
Im zeitlichen bzw. räumlichen Mittel resultiert ein in der Feldrichtung liegendes Moment µ ,
für das die weitere Rechnung näherungsweise
r2 r
µ
r
µ=
⋅ Ew
3kT
ergibt.
Da die Polarisierbarkeit der Proportionalitätsfaktor zwischen Dipolmoment und
wirksamer Feldstärke ist, folgt
r2
µ
α or =
.
3kT
Für Gl. (8) ergibt sich also in ausführlicher Schreibweise
r2
µ
ε −1 M NL 
P=
⋅
=
 α el + α at +
ε + 2 ρ 3ε o 
3kT




(11)
Aus Gl. (11) folgt, dass die Dimension der Molpolarisation [p] Volumen ⋅ Mol-1 und die des
Dipols [µ] Ladung ⋅ Länge ist.
Für Gase ergibt sich entsprechend Gl. (9) ein analoger Ausdruck.
Durch Messung der Temperaturabhängigkeit der Molpolarisation P und geeignete Auftragung
und Extrapolation lässt sich der Orientierungsanteil der Polarisierbarkeit und die Größe des
r
permanenten Dipols µ bestimmen.
Ein gewisser Fehler ergibt sich dadurch, dass bedingt durch die Ausrichtung der Dipole im
Feld auch die Verschiebungspolarisation schwach anisotrop wird, d. h. gewöhnlich in
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Feldrichtung etwas größer ist als senkrecht dazu (Kerr-Effekt). Dieser kleine Fehler kann
gewöhnlich, d.h. bei relativ kleinen Feldstärken, vernachlässigt werden.
Für Substanzen mit permanenten Dipolen im kondensierten Zustand lässt sich Gl. (8) bzw.
(11) nicht ohne weiteres anwenden.
Die Auswertung mit Hilfe der Clausius-Mosotti-
Gleichung ist aber möglich, wenn man eine Mischungsreihe der Dipolsubstanz mit einem
unpolaren Lösungsmittel, für das diese Gleichung gilt, untersucht. Man erhält die ungestörte
Molpolarisation der Dipolsubstanz durch Extrapolation der Werte nach unendlicher
Verdünnung, wobei sich die Gesamtpolarisation additiv aus den Molpolarisationen der
einzelnen Substanzen zusammensetzt.
Nachdem bisher nur der Fall des statischen elektrischen Feldes betrachtet wurde, soll nun der
Einfluss von elektrischen Wechselfeldern behandelt werden, der auch bei den meisten der
üblichen Messverfahren untersucht wird. Wenn sich ein elektrisches Feld zeitlich genügend
schnell ändert, so folgt die Polarisation wegen einer gewissen Trägheit nicht unmittelbar nach,
r
sondern verzögert. Man kann wiederum mit der elektrischen Feldstärke E und der
r
dielektrischen Verschiebung D die Verhältnisse im Inneren des Dielektrikums beschreiben.
r
Die Definition von D ist sinngemäß die gleiche wie im Fall des statischen Feldes, die
Beziehung (2) gilt nach wie vor. Die Gl. (1) ist allerdings nicht mehr gültig und muss durch
eine allgemeinere Beziehung ersetzt werden.
Die periodischen Felder, die angewendet werden, sind gewöhnlich von der Form
E = E0 cos ω t
(12)
wobei Eo zeitunabhängig ist und ω / 2π die Frequenz in Perioden pro Sekunde ist. t ist die
Zeit in Sekunden. Wenn ein solches Feld genügend lange besteht, so muss auch D periodisch
mit der Zeit sein, allerdings im allgemeinen nicht notwendig in Phase mit E, sondern um δ
phasenverschoben:
D = D0 cos (ω t − δ ) = D ' cos ω t + D ''sin ω t
(13)
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mit
D ' = D0 cos δ ; D '' = D0 sin δ
Das Verhältnis D0 / E0 hängt im allgemeinen Fall von der Frequenz ab. Deshalb können zwei
verschiedene Dielektrizitätskonstanten ε' und ε'', die beide frequenzabhängig sind, eingeführt
werden durch
D ' = ε ' ε 0 ; D '' = ε '' ε o Eo .
Daraus folgt tan δ =
(14)
ε ''
. Es kann gezeigt werden, dass ε'' proportional dem Energieverlust,
ε'
d. h. der im Dielektrikum dissipierten Arbeit ist. Oft wird auch tan δ (Verlustwinkel δ) als
Maß für diesen Verlust angegeben.
Die obigen Gleichungen können durch die Einführung einer komplexen Dielektrizitätskonstanten
ε x = ε '+ i ⋅ ε ''
(15)
und den Ersatz der Gl. (12) durch
E = E0 e − iω t
(16)
geschrieben werden, wobei nur der reelle Teil der Gl. (16) betrachtet wird, der mit Gl. (12)
identisch ist. Dann ist der reelle Teil der Gleichung D = ε x ⋅ ε 0 E identisch mit den Gln. (13)
und (14). Für Dielektrika gelten im Grenzall ω→0 (statistisches Feld) die Relationen ε'→ε
und ε''→0. In weiten Frequenzgebieten ist ε' nahezu konstant und ε'' = 0. Dazwischen liegen
die so genannten Dispersionsgebiete, in denen ε' mit steigender Frequenz insgesamt abfällt,
und ε'' ein Maximum durchläuft. Die Dispersionsgebiete liegen in den Frequenzbereichen, in
denen gewisse charakteristische Frequenzen des betrachteten Systems selbst liegen. Bei
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Frequenzen des äußeren Feldes genügend unterhalb der charakteristischen Frequenz des
Systems erfolgt Polarisation wie im statischen Feld bezüglich des jeweiligen Mechanismus
(Elektronen-, Atom- bzw. Dipolpolarisation), die elektrische Verschiebung ist in Phase mit
der Feldstärke. Bei Frequenzen des äußeren Feldes oberhalb der charakteristischen Frequenz
erfolgt keine Anregung des betreffenden Mechanismus mehr.
So fallen mit steigender
Frequenz nacheinander die Dipolorientierung, die Atom- und die Elektronenpolarisation aus
(Abb. 1).
ε'
αor
αat
αel
ε''
MW
IR
SL
UV
log ω
Abb. 1: Die Abhängigkeit der Polarisierbarkeit und der Dielektrizitätskonstanten von der Frequenz in
schematischer Darstellung.
MW
IR
Vis
UV
= Mikrowellen
= Infrarot
= Sichtbares Licht
= Ultraviolett
ω ≈ 1011 sec-1
ω ≈ 1014 sec-1
ω ≈ 1015 sec-1
ω ≈ 1016 sec-1
Bei der Dispersion unterscheidet man zwei Fälle. Beim so genannten Debye-Fall, der die
Dipolorientierung betrifft, wird die Bewegung der Dipole modellmäßig entweder als
Drehbewegung in einem viskosen Medium oder aber als das Hin- und Herspringen der Dipole
zwischen verschiedenen Orientierungen betrachtet. Die charakteristische Frequenz ist
umgekehrt proportional der so genannten Relaxationszeit τ. Dies ist die Zeit, nach der nach
einem plötzlichen Abschalten eines statischen Feldes die mittlere Dipolorientierung auf den etenTeil des Ausgangswertes abgesunken ist. Beim so genannten Resonanzfall, der die Atomund Elektronenpolarisation beschreibt, ist die charakteristische Frequenz die Frequenz der
Schwingung der Atome im Molekül oder Ionengitter gegeneinander bzw. die Frequenz der
Bewegung der Elektronen um den Kern. Beim Resonanzfall treten die typischen positiven
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und negativen Resonanzspitzen auf (Abb. 1). Man kann also durch die Messungen von ε' bei
verschiedenen
Frequenzen
außerhalb
der
Dispersionsgebiete
die
Anteile
der
Gesamtpolarisierbarkeit, die von den verschiedenen Mechanismen herrühren, erhalten,
(Abb.1).
Nur die Elektronenpolarisation wird im elektrischen Feld des sichtbaren Lichtes angeregt.
Nach der Maxwell’schen Beziehung für Isolatorstoffe gilt
n = ε ⋅µ
wobei n der Brechungsindex des Lichtes des betreffenden Stoffes und µ seine magnetische
Permeabilität ist. Da für die meisten dielektrischen Stoffe µ ≈ 1 ist, gilt in guter Näherung
ε = n2 ,
(17)
wobei n und ε bei der gleichen Frequenz gemessen werden müssen. Setzt man die Beziehung
(17) in Gl. (11) ein, so erhält man die Lorenz-Lorentz-Gleichung
n 2 − 1 M N L ⋅ α el
⋅
=
= RM
n2 + 2 ρ
3⋅εo
(18)
RM wird Molrefraktion genannt.
Da die Polarisierbarkeit einzelner Atome, wenn sie in
gleichen Bindungsverhältnissen vorliegen, auch in verschiedenartigen Molekülen etwa gleich
ist, kann man aus den so genannten Atomrefraktionen, soweit sie bekannt sind, und der
Molrefraktion auf die chemische Struktur einer Verbindung schließen (s. Tab. 1).
Durch die Messung der Temperatur- oder Frequenzabhängigkeit von ε', z. B. an Hochpolymeren (Kunststoffen) oder Flüssigkristallen, kann man Aufschluss erhalten über die
lokale Beweglichkeit einzelner Atomgruppen des Polymeren bzw. über individuelle und
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kollektive Bewegungsmöglichkeiten von Molekülen, soweit diese ein permanentes Dipolmoment haben. Wenn diese Atomgruppen jeweils die gleiche Umgebung haben, wie es in
kristallinem Material der Fall ist, so werden sie alle bei einer bestimmten Temperatur
beweglich. Man erhält dann einen stufenförmigen Anstieg von ε' mit steigender Temperatur.
Wenn die Umgebung der einzelnen Atomgruppen verschieden ist, wie es bei glasigen
Polymeren der Fall ist, so erhält man statt des stufenförmigen einen mehr kontinuierlichen
Anstieg von ε’ in dem betreffenden Temperaturgebiet. Andererseits erhält man bei einer
geeignet gewählten konstanten Temperatur bei Erhöhung der Frequenz im Mikrowellenbereich einen Abfall von ε', der ebenfalls mehr oder weniger stufenförmig erfolgt. Die
Frequenz bei einer solchen Stufe entspricht dann der Relaxationszeit der Bewegung der
entsprechenden Atomgruppe in der vorliegenden Umgebung.
Die Messmethoden für die Dielektrizitätskonstante im Mikrowellenbereich beruhen darauf,
dass die Leerkapazität eines Kondensators beim Einbringen eines Dielektrikums um das
ε-fache (bzw. das ε'-fache) vergrößert wird. Man benötigt daher einen Messkondensator
geeigneter Konstruktion zur Aufnahme des Dielektrikums. Dieser Kondensator wird als
Glied in einer Messbrücke oder einen Schwingkreis geschaltet. Die einfachste Schwingkreisschaltung ist die Resonanzschaltung. Sie beruht darauf, dass die Resonanzfrequenz ν eines
aus einer Spule von der Induktivität L und der Kapazität C gebildeten Schwingkreises nach
der Thomsonschen Schwingungsformel durch
v=
1
2π L C
gegeben ist.
(19)
Die Frequenz ν wird durch Variation von C einer festen Bezugsfrequenz
angeglichen, wobei sich C zusammensetzt aus einem variablen Drehkondensator und der
leeren bzw. gefüllten Messzelle in Parallelschaltung.
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Literatur:
Lehrbücher der Physikalischen Chemie
Theorie:
H. Fröhlich: “Theory of Dielectrics”, Oxford, 1949
Messtechnik:
W. Foerst (Herausgeber): „Ullmanns Enzyklopädie der technischen Chemie“, 3. Auflage, Bd.
2/1, S. 455-494
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Aufgaben:
(A) Molrefraktion
1.
Man bestimme die Molrefraktion von 2-Propanol bei zwei verschiedenen Temperaturen
(20 °C und 35 °C)
2.
Man bestimme die Molrefraktion einer binären Mischungsreihe von 1-Propanol und
1,3-Dibrompropan durch Messung an den reinen Komponenten und an drei Mischungen
(graphische Darstellung) bei 20 °C.
3.
Man bestimme mit Hilfe der Molrefraktion und der gegebenen Atomrefraktionen
(Tabelle) die Konstitution einiger Flüssigkeiten, deren Bruttoformel bekannt ist.
Ausführung:
Der Brechungsindex wird mit dem temperierbaren Refraktometer bestimmt. Die Dichten
werden mit dem Pyknometer bestimmt. Zur Volumenbestimmung wird das mit Wasser
gefüllte Pyknometer gewogen, zur Massenbestimmung das mit der Substanz bzw. Mischung
gefüllte. Ferner muss natürlich das leere Pyknometer gewogen werden. Es sind sehr genaue
Wägungen erforderlich.
Die thermische Ausdehnung des Pyknometers soll vernachlässigt werden. Daher ist zur
Volumenbestimmung nur eine Wägung mit Wasser erforderlich. Die Dichte ρ von Wasser
wird im Temperaturbereich von 0 °C bis 100 °C recht genau beschrieben durch folgende
Gleichung:
ρ H 2O (ϑ ) = a0 + a1ϑ + a2ϑ 2 + a3ϑ 3
mit
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g / cm3
a0 =
1,0006
a1 =
1,38460 ⋅10-5 g / cm3 ⋅ °C-1
a2 =
-5,82236 ⋅10-6 g / cm3 ⋅°C-2
a3 =
1,52755 ⋅10-8 g / cm3 ⋅ °C-3
und ϑ: Temperatur in °C.
Für die Bestimmung der Temperaturabhängigkeit der Dichte der Substanzen bzw.
Mischungen genügen Messungen bei zwei verschiedenen Temperaturen.
Die daraus zu
bestimmende thermische Ausdehnung kann in dem für den Versuch relevanten
Temperaturbereich als konstant angenommen werden.
(B) Dipolmoment
Es soll das Dipolmoment einer in einem unpolaren Lösungsmittel gelösten Substanz aus der
Temperaturabhängigkeit der Molpolarisation bestimmt werden.
Die dazu nötige(n) Gleichung(en) sind abzuleiten.
Ausführung:
Es werden ca. 70 mL einer Mischung der Dipolsubstanz in n-Decan mit einem Molenbruch
der polaren Substanz von ca. x2 = 0,1 eingesetzt. Für die Auswertung ist die Kenntnis des
genauen Stoffmengenverhältnisses nötig, daher müssen die Substanzen möglichst genau
eingewogen werden.
Mit ca. 50 mL der Mischung wird die Messzelle des Dekameters befüllt. Die quasistatische
(bei 1,8 MHz) Dielektrizitätskonstante ε der Mischung ist im Temperaturbereich von 20 °C
bis 70 °C in Schritten von 10 °C mit Hilfe folgender Kalibrierfunktion zu bestimmen:
ε = 1,294 ⋅ 10-3 Skt-1 ⋅ s + 1,397
mit s: Ablesewert am Dekameter in Skalenteilen
im Resonanzfall
Nach jedem Verstellen der Temperatur ist mindestens 20 Minuten bis zur Einstellung
(Skt)
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einer konstanten Temperatur der Messzelle abzuwarten.
Der Rest der Mischung wird zur Bestimmung der Dichte und ihrer Temperaturabhängigkeit
benötigt. Dazu wird wie im Versuchsteil „Molrefraktion“ verfahren.
Aus den Werten der Dielektrizitätskonstanten und den gemessenen bzw. berechneten Dichten
ist für jede Messtemperatur die Molpolarisation zu bestimmen und gegen die reziproke
Temperatur aufzutragen.
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Tabelle 1:
Atomrefraktionen (Inkremente) in organischen Verbindungen in cm3/mol bei λ = 589nm
>C<
2,418
(C) – H
1,100
(C) = O
2,211
(C) – O – (C)
1,643
(C) –O – (H)
1,525
(C) – Cl
5,957
(C) – Br
8,865
(C) – J
13,900
>C=(=C<)
3,284
– C ≡ (≡ C –)
3,617
(H)
(H)-N
2,322
(C)
(C)
(C)-N
2,502
(H)
(C)
(C)-N
2,840
(C)
(C) ≡ N
3,118
(C) – N = (C)
3,776
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