Mit dem Image der Spinnen ist es nicht zum Besten bestellt

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Veranstaltung: Vortrag
Termin: 15.09.2011 19:00 Uhr
Spinnen – Geniale Baumeister und Regulatoren in
der Umwelt
Prof. Dr. Klaus D. Jürgens (Hannover)
Ort: Niedersächsisches Landesmuseum Hannover
Mit dem Image der Spinnen ist es nicht zum Besten bestellt. Für
viele Menschen sind sie die Ekeltiere par excellence. Doch
wenn auch das Erscheinungsbild einiger uns häufig begegnender Arten nicht gerade sympathisch wirken mag, ein Blick auf
die Vielfalt der Spinnen in der Natur ergibt ein ganz anderes
Bild. Unter den ca. 1000 in Deutschland und davon ca. 600 in
Norddeutschland beheimateten Spinnenarten gibt es eine überraschende Anzahl ansprechend gestalteter und gefärbter Tiere.
Angemessen einzuschätzen lernt man die Tiere aber erst, wenn
man die außergewöhnlichen Leistungen betrachtet, die sie
erbringen.
Gerandete Jagdspinne auf Rainfarn
(Foto K.D. Jürgens)
Faszinierend sind die je nach Art und Habitat sehr unterschiedlichen Beutefangstrategien der Spinnen. Sie leben und jagen vom Erdboden bis hinauf in die Baumkronen, ja sogar auf und unter Wasser. Manche Arten bauen Fangnetze, andere kommen ohne Netz aus und jagen ihre Beute oder lauern ihr in der Vegetation auf. Erstaunlich sind Präzision und Geschwindigkeit, mit der netzbauende Spinnen ihr Fangnetz erstellen. Dabei gibt
es eine Vielzahl unterschiedlicher und arttypischer Netzformen.
Dabei lässt die Leistung erstaunen, die die Tiere bei der Produktion und der Verarbeitung ihrer Spinnfäden
erbringen. Eine Spinne kann unterschiedliche Fadenarten herstellen, für das Fangnetz andere als für den Sicherungsfaden, für die
Anfertigung ihrer Eikokons wiederum andere als für das Einwickeln ihrer Beute. Mit ihrem Spinnapparat erzeugen sie hauchdünne mit Leimtropfen versehene Fäden, die in Hinsicht auf ihre
Dehnbarkeit und Reißfestigkeit alles in den Schatten stellen, was
der Mensch künstlich herstellen kann. Manche Fangfäden eines
Spinnennetzes lassen sich auf das 3fache ihrer Länge dehnen
und sind zusätzlich extrem reißfest. Obwohl ihre Dicke nur ca.
1/20 eines menschlichen Haars beträgt, hängen sie zwar unter der
morgendlichen Last dicker Tautropfen stark durch, zerreißen aber
keineswegs dadurch. Andere Spinnenarten produzieren noch viel
dünnere Seide, die zu einer Wolle verwoben sich dadurch zum
Beutefang eignet, dass sie wie ein Klettverschluss wirkt, in dem
Spinnennetz mit Tautropfen (Foto R. Lüder)
sich die Beutetiere verhaken.
Inzwischen kennt man die chemische Zusammensetzung von Spinnenseide und man kann den Rohstoff bereits
gentechnisch herstellen. Es ist aber bisher nicht gelungen, mechanisch so stabile Fäden zu erzeugen, wie es
die Spinnspulen der Spinne können.
Auch in der Medizin besteht großes Interesse am Einsatz von Spinnenseide seit man festgestellt hat, dass sie
vom menschlichen Immunsystem toleriert und nur sehr langsam abgebaut wird. Sie eignet sich deshalb als
Leitstruktur für das Wachstum menschlicher Körperzellen, wie Nerven- oder Hautzellen, und könnte demnächst
bei der Heilung von Verletzungen erfolgreich eingesetzt werden.
Auch die Fortpflanzungsstrategien der Spinnen sind
ungewöhnlich. Die männlichen Spinnen erkennt man
leicht an Verdickungen an ihren Kiefertastern („Boxhandschuhe“), mit denen sie ihren Samen bei der
Begattung auf das Weibchen übertragen. Um sich mit
dem Weibchen paaren zu dürfen, muss das Männchen
es erst in Paarungsstimmung versetzen. Dazu bedarf es
ausgefeilter Strategien, die je nach Art z.B. von besänftigendem Zupfen am Netz über das Anbieten von Beute
als Brautgeschenk bis hin zur Fesselung der Partnerin
reichen. Trotzdem ist der Begattungsakt für das MännMännliche Herbstspinne überreicht Brautgeschenk
chen oftmals lebensgefährlich, denn wenn es sich nach
(Foto R. Lüder)
getaner Arbeit nicht schnell genug vom Weibchen entfernt und dies aus seiner Duldungsphase erwacht, wird es leicht selbst zur Beute und wird verspeist oder verliert zumindest einiger seiner Gliedmaßen.
Viel Aufwand treiben die Spinnen für den Schutz ihrer Nachkommen. Die Eier werden in einen Kokon eingesponnen, der
je nach Art an der Vegetation befestigt und vom Weibchen
bewacht wird oder den das Weibchen ständig mit sich herumträgt. Manche Arten weben farbige Fäden in den Kokon ein,
die deren Tarnung verbessern, andere verstecken ihre z.T.
kunstvollen Kokons in Pflanzenteilen, wiederum andere erstellen ihn in leeren Schneckenhäusern. Es gibt Arten, bei denen
die Brutfürsorge sogar soweit geht, dass das Weibchen sich
mit in den Kokon einspinnt und ihr Körper nach ihrem Tod den
schlüpfenden Jungspinnen als erste Nahrung dient.
Kokon einer Krabbenspinne im Schneckenhaus
(Foto K.D. Jürgens)
Spinnen fressen ihre Beute nicht, sondern verdauen sie außerhalb ihres Körpers und saugen den verflüssigten Speisebrei
auf. Dazu injizieren sie mit ihren Kieferklauen zunächst ein lähmendes oder tötendes Gift in das Beutetier und speien dann
ein enzymhaltiges Verdauungssekret in oder auf das Tier. Für
viele Arten ist der Chitinpanzer der Insekten unverdaulich und
bleibt zurück, entweder als unkenntlicher Klumpen oder auch
als komplett erhaltene Hülle.
Krabbenspinne mit erbeuteter Biene
(Foto R. Lüder)
Nicht zu unterschätzen ist die regulatorische Bedeutung, die die
Spinnen durch ihren Nahrungskonsum für das ökologische Gleichgewicht haben. Wenn auch eine einzelne Spinne in ihren Leben relativ wenig Beute macht, so wiegt doch die Gesamtmenge der jährlich
allein in Deutschland von allen Spinnen zusammen vertilgten Biomasse schätzungsweise ca. 5 Millionen Tonnen.
Wegwespe mit gefangener Gartenkreuzspinne (Foto K.D. Jürgens)
Aber auch die Spinnen selbst sind ein wichtiges Glied in der Nahrungskette. Viele Vögel sind zur Aufzucht ihrer Jungen auf Spinnennahrung angewiesen. Auch Kröten und Spitzmäuse nehmen sie
gerne als Zusatzfutter. Einige Wespenarten sind ausschließlich auf
das Erbeuten von Spinnen spezialisiert und deshalb fürs Überleben
auf sie angewiesen, genau wie manche Parasiten.
Durch weitere spannende Fakten und zahlreiche Bilder, die der Vortrag enthält, werden die außergewöhnlichen
Eigenschaften und die Bedeutung der Spinnen in unserer Umwelt anschaulich dargestellt, wodurch hoffentlich
das Ansehen der Spinnen für den einen oder anderen in einem neuen Licht erscheinen wird.
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