Mitgliederzahlen in den Parteien: Entwicklung, Ursachen

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Mitgliederzahlen in den Parteien: Entwicklung, Ursachen, Auswirkungen
Stand 2013
Stand 2013
Grafik: D. Claus
1. Worin liegen die Gründe für die unterschiedlichen Mitgliederzahlen der Parteien?
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2. Welche Parteien hatten in den vergangenen zwei Jahrzehnten deutliche Mitgliederverluste zu verzeichnen? Welche Parteien hatten in diesem Zeitraum eine weitgehend stabile Mitgliederentwicklung bzw. verzeichneten sogar einen Anstieg?
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Der Politologe Oskar Niedermayer analysiert die Situation der Parteien, sein Fazit ist niederschmetternd. Ist die Demokratie bedroht?
SZ: Entpolitisiert sich die Gesellschaft?
Oskar Niedermayer : Nein. Die Gesamtzahl der Menschen, die politisch interessiert ist und auch bereit, sich zu engagieren, ist über die Jahre hinweg vergleichsweise stabil geblieben. Was dramatisch
zugenommen hat, sind aber die Möglichkeiten der Bürger, Politik zu machen. Politisches Engagement verteilt sich jetzt einfach auf mehr Felder. (...) Wer sich früher für soziale Gerechtigkeit einsetzen wollte, ging zur SPD. Heute kann er auch zu den Grünen oder zur Linken. Ganz zu schweigen
von den zusätzlichen Formen politischen Engagements – in Bürgerinitiativen, auf Demonstrationen.
Gleichzeitig hat unter anderem die Digitalisierung zu einer Verknappung der Ressource Zeit geführt.
Von allen politischen Partizipationsmöglichkeiten verschlingt die Mitarbeit in einer Partei am meisten
Zeit, Geduld und Mühe.
Engagieren sich Junge deshalb weniger?
Ja, Jüngere haben andere Erwartungen an Partizipation. Das soll schnell gehen, Erfolge zeigen,
Spaß machen, kurzweilig sein. All das ist in Parteien schwer zu verwirklichen. Wer als junger
Mensch die Welt retten möchte, aber sich im Ortsverein erst einmal mit der Abwasservergabeverordnung herumschlagen muss, der lässt sich davon schnell wieder abschrecken.
1989 waren noch 3,6 Prozent der Erwachsenen in einer Partei, heute nur noch 1,8. Wie erklären Sie diesen Rückgang?
Dafür gibt es eine Reihe von Gründen. Unsere Gesellschaft individualisiert sich. Die alten Milieus, die
noch bis in die Sechzigerjahre bestanden haben und zurückreichen bis ins Kaiserreich, erodieren.
Damit fallen auch all die Vorfeldorganisationen der Parteien als Rekrutierungspool weg. Wie zum
Beispiel die Gewerkschaften, Kirchenorganisationen und so weiter. Weil sich auch die Familienstrukturen ändern, werden die Menschen in der Familie nicht mehr so stark normativ auf Parteien hin sozialisiert. Und dann gibt es natürlich immer parteispezifische Phänomene. Wenn eine Partei ihre Politik ändert, gibt es richtige Austrittswellen. Bei der SPD war das zuletzt bei der Agenda 2010 der Fall.
Die CDU verliert genauso Mitglieder wie die SPD, aber da lässt sich kein so klarer zeitlicher Einschnitt feststellen, hier vollzieht sich der Verlust kontinuierlich und gradueller. (...)
Hat die Erosion der Parteien Folgen für die Demokratie?
Für die Parteiendemokratie hat das erst mal überhaupt keine Folgen, nur für die Parteien selbst. Mitglieder bringen Beiträge. Davon hängt zum Teil auch die öffentliche Zusatzfinanzierung ab. Den Parteien geht also Geld verloren. Zweitens braucht man Mitglieder für die gesellschaftliche Verankerung. Als Fühler in die Gesellschaft, um Trends, Enttäuschungen, Wünsche möglichst früh zu erkennen. Und man braucht sie natürlich auch als Wahlkampfhelfer. Was die Demokratie angeht: Die starke Stellung der Parteien hängt ja nicht von ihrer Mitgliederzahl ab, sondern von ihrer institutionellen
Verankerung in unserem parlamentarischen System. Parteien sind auch Gatekeeper für alle Verfassungsorgane. Ohne Unterstützung von Parteien kommen Sie nirgendwo rein, nicht mal ins Bundesverfassungsgericht – auch wenn die Richter dann unabhängig entscheiden. Deswegen wird sich an
der Stellung der Parteien so schnell nichts ändern.
Aber bekommen die Parteien nicht mit schwindender Mitgliederzahl ein Legitimationsproblem?
Die Frage ist: ab wann? Solange die Bürger nicht andere Partizipationsformen sehr viel stärker machen, passiert nichts. Wenn jetzt aber jeden Montag Hunderttausende Menschen in Deutschland
demonstrieren würden, wäre das was anderes. Auch Pegida ist zum Beispiel kein Massenphänomen. Selbst wenn in Dresden 17 000 Menschen auf die Straße gehen, sind das nur 0,03 Prozent der
62 Millionen Wahlberechtigten. Solange die Mehrheit der Menschen sich politisch entweder gar nicht
betätigt oder in einem verfassungsmäßigen Rahmen, solange kann man die zurückgehende gesellschaftliche Verankerung der Parteien zwar beklagen, aber eine Gefahr für das gesamte politische
System besteht nicht
Quelle: Süddeutsche Zeitung vom 31.12.2014
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3. Welche Gründe führt der Politologe Oskar Niedermayer für den Rückgang der Mitgliedschaft in den Parteien an?
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4. In welcher Hinsicht sind die Mitgliederzahlen der Parteien von Bedeutung?
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5. Wie steht der "Wutbürger" zu den politischen Parteien?
Wutbürger
Substantiv, maskulin - aus Enttäuschung über bestimmte politische Entscheidungen
sehr heftig öffentlich protestierender und demonstrierender Bürger
Quelle: www.duden.de
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6. Warum sieht der Politologe in der zurückgehenden Mitgliederanzahl in den Parteien keine Gefahr für die Demokratie?
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7. "Massendemokratie ohne Parteien" - Wie stehen Sie dazu?
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Lösungshinweise:
1. Die CDU und die SPD gelten als die großen Volksparteien. Seit Bestehen der
Bundesrepublik Deutschland errangen diese Parteien bei Bundestagswahlen zumeist
mehr als 30 % der Stimmen. Diese Anhängerschaft schlägt sich natürlich auch in
einer relativ hohen Mitgliederzahl nieder.
Die CSU ist eine Partei, die nur in Bayern bei Wahlen antritt, dort aber seit vielen
Jahren viele Stimmen erhält und Mandatsträger stellt. Diese regionale Verankerung
drückt sich auch in der Mitgliederzahl aus.
Die FDP, Bündnis 90/Die Grünen und die Linkspartei stellten bislang auf Bundesoder Länderebene zumeist den jeweils kleineren Koalitionspartner. Sie erzielten bei
Bundestagswahlen ca. 8 – 15 Prozent der Stimmen. Diese politische Stellung drückt
sich auch in der relativ geringen Mitgliederzahl aus.
Die Gründung der AfD fand 2013 statt. Daher ist ihre Mitgliederzahl gering.
2. Die SPD, die FDP und die Partei „Die Linke“ mussten deutliche Mitgliederverluste
hinnehmen. Die CDU und CSU verloren weniger Mitglieder bzw. blieben fast stabil.
Bündnis 90/Die Grünen arbeiten häufig immer wieder mit bestimmten Protestbewegungen („Stuttgart 21“) zusammen und gewinnen dadurch neue Mitglieder.
3.
- Die Bürger haben neben einer Mitgliedschaft in einer Partei weitere Möglichkeiten
sich politisch zu engagieren.
- Es gibt im linken Parteienspektrum der BRD mehrere Parteien, somit verliert die
SPD Mitglieder.
- Die Arbeit in einer Partei ist zeitaufwändig.
- Die Arbeit in Parteien ist langwierig, das gefällt Jüngeren nicht.
- Die Organisationen, die zu einer Mitgliedschaft in einer Partei früher geführt haben,
haben an Bedeutung verloren.
- Die Familie gibt keine Parteirichtung mehr vor.
- Ein Politikwechsel einer Partei kann den Rückgang an Mitgliedern verstärken.
4. Ein hoher Mitgliederbestand ist wegen der Mitgliedsbeiträge für eine Partei bedeutungsvoll. Viele Mitglieder können auch gesellschaftliche Entwicklungen erkennen
und aufnehmen. Mitglieder sind als Wahlkampfhelfer nützlich.
5. "Wutbürger" unterstellen den Parteien Bürgerferne. "Wutbürger" engagieren sich
für ihre Interessen außerhalb der Parteien vorwiegend auf kommunaler Ebene.
6. Es sind die Parteien, die den Zugang zu den bedeutenden Staatsorganen ermöglichen. Wenn sich die Bürger politisch gar nicht oder in vergleichsweise geringer Anzahl in einem verfassungsmäßigen Rahmen außerhalb der Parteien betätigt, betrifft
dies nicht das politische System.
7. individuelle Meinung
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