DFG-Forschergruppe "Kulturübergreifende Bioethik" (www.rub.de/kbe) Jahrestagung: „Cross-cultural Issues in Bioethics: The Example of Human Cloning“ Ruhr-Universität Bochum, 4.-6.12.2003 Kurzinformation zu den Referenten und Beiträgen Section 1: Korea - Chin Kyo Hun Sektion 2: Japan - Masahiro Moriaka Sektion 3: Vereinte Nationen - Alexander Morgan Capron Sektion 4: China - Qiu Renzong Sektion 5: China / Hong Kong - Gerhold Becker Sektion 6: Islam - Abdulaziz Sachedina Sektion 7: Indien / Hinduismus - Santishree Pandit Sektion 8: Malaysia - Siti Nurani Mohammad Nor Sektion 9: Thailand / Buddhismus - Pinit Ratanakul Sektion 10: Israel Sektion 11: U.S.A. - Nigel M. de S. Cameron Section 1: Korea Referent: Chin Kyo Hun Kyo Hun CHIN ist einer der einflussreichsten Bioethiker in Südkorea mit christlichem Hintergrund. Er hat nicht nur die öffentliche bioethische Diskussion in den letzten Jahren entscheidend geprägt, sondern sich auch für die Internationalisierung der koreanischen Bioethik eingesetzt. Dabei spielt seine akademische Ausbildung im Europa eine wesentliche Rolle: Nach seinem Studium der Philosophie, Germanistik und Kunstgeschichte an der Seoul National University studierte er an der Universität Wien Philosophische Anthropologie, Sozialethik sowie medizinische Anthropologie und promovierte mit dem Thema „Über das Verhältnis von Person und Liebe bei Max Scheler“. Nach seiner Rückkehr unterrichtete er bis zu seiner Emeritierung im September dieses Jahres schwerpunktmäßig deutsche Philosophie, Bioethik, Philosophische Anthropologie an verschiedenen Universitäten in Südkorea. Zuletzt war er Professor der Philosophie am Institut für „National Ethics Study“ an der Seoul National University. Seit 1998 spielt Herr Chin eine wichtige Rolle im nun zu einem vorläufigen Abschluss gekommenen Gesetzgebungsverfahren für ein nationales Bioethikgesetz. In diesem Rahmen wirkte er vor allem als Präsident der National Advisory Commission for Bioethics und Präsident der Korean Bioethics Association. Das Themenspektrum seiner Publikationen reicht von der Philosophischen Anthropologie über die koreanischtraditionelle Ethik bis zur Umweltethik. In seinem Vortrag wird er über den aktuellen Stand der biomedizinischen Forschung in Südkorea und die entsprechenden bioethischen Debatten aus traditioneller und religiöser Sicht sprechen. Zum Vortrag: In seinem Vortrag vermittelt Chin zunächst einen Überblick über die relevanten Diskurse im Rahmen der bioethischen Regulierungsbestrebungen in Südkorea. Darüber hinaus versucht er die Frage nach dem – durch das Klonen veränderten – Verständnis von Identität und Integrität im Licht traditionellen koreanischen Denkens zu beantworten. Mit dem Bekanntwerden eines biotechnologisch avancierten, ethisch jedoch hoch umstrittenen Experiments im Jahre 1998 datiert der Beginn einer vor allem von NGO’s, religiösen Gruppen und der Korean Bioethic Association getragenen lebhaften bioethischen Diskussion, die sich um den Schutz von Embryonen und Menschenwürde im unterregulierten Bereich der Gentechnologie und Fortpflanzungsmedizin bemüht sowie innerhalb der widerstreitenden Positionen konsensfähige Konzepte zu erarbeiten versucht. Die dabei vorgetragenen Basisregeln nähern sich denen des deutschen Embryonenschutzgesetzes in vielen Punkten an. Chin nennt: • das grundsätzliche Verbot reproduktiven Klonens ebenso wie • von Eingriffen in die Keimbahn oder transgenen Experimenten, während • Forschung mit und an embryonalen Stammzellen allenfalls unter strengen Auflagen und zeitlich befristet denkbar sein sollte, bis der Einsatz adulter Stammzellen zu Erfolgen führt. • Die von koreanischen Forschern erhobene Forderung, therapeutisches Klonen zur Schaffung neuer Stammzelllinien frei zu geben, wird dabei strikt zurückgewiesen. Diese Gemeinsamkeiten resultieren jedoch nicht aus einer Übernahme westlicher Positionen, sondern gründen nach Chin in traditionellen Konzepten, die im koreanischen Denken tief verwurzelt seien: dem Respekt vor dem Leben und der Kindespietät. Während der grundlegende Respekt vor dem Leben aus einer synkretistisch religiösen Perspektive hergeleitet wird und durch traditionelle koreanische Rituale und Bräuche bestätigt werde, zeige sich im Konzept der Kindespietät ein vom westlichen unterschiedenes Verständnis von Subjektivität und Identität. Danach definiert sich das eigene Leben als eine Gabe und bleibt eingebunden in einen familiären und sozialen Verfügungsrahmen mit weitreichenden Konsequenzen für das Recht auf Selbstbestimmung. Aus dieser doppelten Sicht spricht sich Chin abschließend nicht nur für ein vollständiges Verbot des reproduktiven, sondern auch für weitgehende Einschränkungen des therapeutischen Klonens aus, die er jedoch nicht als Verletzung wissenschaftlicher Freiheit und Forschungsautonomie verstanden wissen will. Sektion 2: Japan Referent: Masahiro Moriaka Morioka Masahiro, geb. 1958, ist Professor für Philosophie und Ethik an der Universität der Präfektur Osaka in Japan. Gleichzeitig ist er einer der bekanntesten japanischen Bioethiker. Schon sein erstes Buch "Eine Einleitung zur Lebenskunde" (Seimei gaku e no shôtai, 1988) enthielt eine kritische Reflexion der traditionellen angloamerikanischen Bioethik, und sein Buch "Hirntote Menschen" (Nôshi no hito) von 1989 (erweiterte Neuauflage 2001) war einer der wesentlichen Beiträge zur kontroversen japanischen Diskussion um das Thema Hirntod und Organtransplantation. Morioka betonte insbesondere, dass in dieser Diskussion die sozialen Beziehungen, in denen sich hirntote Patienten befinden, mit zu berücksichtigen seien, eine Theorie, die er in mehreren Publikationen weiter entwickelte (u.a. ·Was vermag die Lebenskunde zu leisten?·, [Seimeigaku ni nani ga dekiru ka], 2001). Zugleich formulierte er gemeinsam mit T. Sugimoto einen Vorschlag zur Revision des japanischen Organtransplantationsgesetzes von 1997, der auch die Organspende von Kindern unter 15 Jahren ermöglichen soll, ohne das Prinzip der engen Zustimmungslösung aufzugeben (keine Hirntoddiagnose / Organentnahme ohne entsprechende schriftliche Vorausverfügung). Moriokas jüngste Publikation "Die schmerzfreie Zivilisation" (Mutsû bunmeiron, 2003) versucht unter anderem eine Kontextualisierung der neueren biomedizinischen Entwicklung im Rahmen der Entwicklung zu einer am Ideal der Schmerzfreiheit und Sicherheit orientierten Zivilisation. Morioka fragt sowohl nach den Gründen für diese Zielrichtung der gesellschaftlichen und technischen Entwicklung, als auch nach ihrem Preis. Wie schon in ·Was vermag die Lebenskunde zu leisten?·, bezieht er dabei die Position von Feministinnen und von Behindertengruppen in seine Überlegungen mit ein, die nur selten Eingang in die akademische japanische Bioethik finden. Zum Vortrag: In seinem Vortrag präsentiert Morioka zunächst die Überlegungen und Diskussionen seitens einer 1998 eingerichteten Bioethikkommission der japanischen Regierung, die zu den gegenwärtigen japanischen Regelungen mit Bezug auf das reproduktive Klonen und das Forschungsklonen führten. Hinter dem gesetzlichen Verbot des reproduktiven Klonens stand die Überlegung, dass die technisch gesteuerte Produktion von Menschen, womöglich noch mit Auswahl bestimmter Eigenschaften, die menschliche Würde sowie das Recht auf persönliche Integrität und Unverwechselbarkeit verletzt und zu einer Störung der sozialen, insbesondere familiären Ordnung führt. Hinsichtlich des Forschungsklonens wurde zwar ein besonderer Status menschlichen Embryos als "Sprössling menschlichen Lebens" eingeräumt, aber eine eng regulierteForschung angesichts des möglichen medizinischen Nutzens für zulässig erachtet. Im zweiten Abschnitt seines Vortrags beschreibt Morioka die wesentlichen Gesetzentwürfe und ihre Differenzen; dabei ist vor allem bemerkenswert, dass ein von der oppositionellen DJP eingebrachter Entwurf im ersten Artikel allgemeine Grundsätze im Umgang mit menschlichen Embryonen formulierte, die im Gesetzentwurf der Regierung (und im gegenwärtigen Gesetz) fehlen. Das schließlich im Dezember 2000 ohne ausführliche gesellschaftliche Diskussion verabschiedete Gesetz verbietet das reproduktive Klonen, genauer: die Verpflanzung geklonter menschlicher Embryonen in den Uterus unter Androhung einer Gefängnisstrafe von bis zu 10 Jahren), überlässt aber die Regelung der Herstellung klonierter Embryonen (einschließlich hybrider und chimärischer Embryonen), sowie den Umgang mit bestimmten Arten künstlich modifizierter Embryonen einem ministeriellen Richtlinienerlass. Dessen gegenwärtige Version wiederum gestattet ausschließlich die Herstellung von animalischen Embryonen, in die menschliche Zellen eingeschleust wurden, zum Zwecke der Forschung für die Reproduktion menschlicher Organe. Wie Morioka betont, dient die Doppelstruktur von Gesetz und ergänzender Richtlinie dem Zweck, sich ohne parlamentarische Debatte zügig einer veränderten wissenschaftlichen oder wirtschaftlichen Situation anpassen zu können. Wie Morioka weiter ausführt, gab es in Japan vor dem Erlass des Klongesetzes keine größere gesellschaftliche Debatte über dieses Thema. Es herrschte weitgehende Übereinstimmung, dass das reproduktive Klonen zu verbieten sei, und man vertraute darauf, dass die Regierung dieser gesellschaftlichen Grundüberzeugung Rechnung tragen würde. Erst im Anschluss an die 2000 erfolgte Regelung kam es zu kritischen Äußerungen von Fachjournalisten und Bioethikern, die Anstoß an der im Grunde permissiven Haltung der Regierung nahmen. Dabei wurde auch auf die enormen staatlichen Investitionen in die Biotechnologie verwiesen, die zeitgleich mit den genannten Regelungen im Rahmen des sogenannten·Millenium-Projekts· vorgenommen wurden. In einer aktuellen Publikation schlug nun Prof. Shimazono Susumu (Universität Tokyo), ein Mitglied der Bioethikkommission des ·Rats für Forschung und Technologiepolitik·, der die Wissenschaftspolitik der japanischen Regierung koordiniert, Alarm: Es bestehe die Gefahr, dass unter der Hand wesentliche bioethische Entscheidungen ohne ausreichende öffentliche Diskussion und ohne gründliche ethische Überlegung getroffen würden. Angesichts dieser aktuellen japanischen Diskussion fragt Morioka nach den Möglichkeiten, menschliche Embryonen vor der wissenschaftlich-technischen Manipulation zu schützen. Insbesondere geht es ihm dabei um die Frage, ob es eine säkulare und doch bindende ethische Sprache geben kann. Weiterhin fragt er nach den Positionen von Frauen und Behinderten in den, von eugenischen Zielen zumindest mit beeinflussten Debatten um die Reproduktivmedizin. Sektion 3: Vereinte Nationen Referent: Alexander Morgan Capron Alexander Morgan Capron ist nicht nur einer der renommiertesten Bioethiker der USA, sondern auch der erste Direktor der Abteilung für Ethik, Handel, Menschenrechte und Gesundheitsrecht der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Er hat Medizinrecht und Medizinethik an verschiedenen Universitäten unterrichtet, darunter Georgetown, Pennsylvania und Yale. Gegenwärtig ist er von seiner Professur an der University of Southern California beurlaubt, wo er zugleich als Kodirektor des Pacific Center for Health Policy and Ethics fungiert. Alex Capron war und ist Mitglied zahlreicher Kommissionen und professioneller Vereinigungen; so war er Exekutivdirketor der President’s Commission for the Study of Ethical Problems in Medicine and Biomedical and Behavioral Research (1979-1983) und Mitglied der National Bioethics Advisory Commission (1996-2001), sowie Mitglied im Direktorium der International Association of Bioethics, Mitglied des Institute of Medicine und Gründungsmitglied des Hastings Center. In seinem Vortrag wird sich A. M. Capron mit der Debatte um eine Konvention der Vereinten Nationen gegen das Klonieren befassen, die er in weiten Teilen als von der WHO gesandter Beobachter unmittelbar mitverfolgen konnte. Sektion 4: China Referent: Qiu Renzong Prof. Dr. Qiu Renzong, geboren 1932 in Suzhou, ist Chinas führender Bioethiker. Der kürzlich emeritierte Philosoph gilt als Vorreiter einer international und interkulturell ausgerichteten Bioethik in China. Seine Biographie spiegelt die wechselvolle Geschichte Chinas im 20sten Jahrhundert. Prof. Qiu’s junge Karriere als Wissenschaftsphilosoph wurde durch die „Kulturrevolution“ unterbrochen. Zwischen 1969 und 1976 arbeitete er in der Schweinezucht in Jiangxi und als Druckereigehilfe in Beijing. Er ist Mitbegründer (1995) und seit 2002 Präsident der Asiatischen Bioethik- Vereinigung (ABA). Herr Qiu war unter anderem Mitglied im Vorstand der International Association for Bioethics (IAB) und der Internationalen Bioethikkommission der UNESCO. Er wirkt (unter anderem) in der Ethikkommission und als gesundheitspolitischer Berater des Gesundheitsministeriums. Bis 2002 leitete er, als dessen Gründer, Chinas einziges Doktorandenprogramm für Bioethiker (am Philosophischen Institut der Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften in Beijing). Zur Zeit bekleidet er Professuren an fünf chinesischen Hochschulen. Seine Publikationen umfassen mehr als 300 Titel in chinesischer und englischer Sprache. Professor Qiu hat unter anderem drei Werke von Karl Popper ins Chinesische übertragen. Inhaltlich gilt sein besonderes Interesse der Begründung einer zeitgemäßen Bioethik aus chinesischen Quellen. Zum Vortrag: In seinem Vortrag geht Qiu auf die aktuelle Diskussion und den Stand Regelung der Forschung an menschlichen Embryonen in China ein. Er stellt diese in einen Zusammenhang mit traditionellen chinesischen Lehren und diskutiert aus ethischer Sicht die Zulässigkeit von Praktiken wie Klonierung von Menschen, Zellkerntransfer oder Leihmutterschaft. Qiu legt dar, daß aufgrund der auch in China hitzig geführten „Dolly-Debatte“ (1997) das Gesundheitsministerium erstmals ein Expertengremium mit der Einschätzung eines bioethischen Spezialproblems betraut hat. Man müsse China als ein Land inmitten vielfältiger Übergangsprozesse verstehen. In den Kern seiner kulturellen Analyse stellt Qiu kosmologische Annahmen und das ethische Konzept „Ren“ (Menschlichkeit). Der Embryo gilt als Produkt der Interaktion von Yin und Yang, einer ursprünglichen komplementären Dualität in Qi, der feinstofflichen Gestaltungskraft, die das Universum durchwirkt. Qiu betrachtet diese als Symbole des Männlichen und des Weiblichen. Ein menschlicher Klon sei keine Frucht von Yin und Yang. Unter Rückgriff auf den „dritten Konfuzianer“, Xun Zi (ca. 310-230) führt Qiu aus, daß die Spanne menschlichen Lebens von der Geburt bis zum Tode reiche. Demnach sind weder Embryo noch Fetus Person. Ihr Status ähnelt dem des Leichnams. Wie dieser postpersonalen Entität „fortdauernde Interessen“ zugebilligt werden müßten, so habe auch der präpersonale Fetus ethisch relevante „vorausgehende Interessen“. Diese seien angemessen zu respektieren. Personalität sei mehr als ein biologisches Faktum, nämlich der Begriff einer „psycho-somatisch-sozialen“ relationalen Entität. Entsprechend groß sind die Anforderungen an die Biopolitik, zum Beispiel in der Reproduktionsmedizin eine dem Regelungsbedarf entsprechende und kulturell und ethisch informierte Gesetzgebung zu schaffen, auf die er ausführlich eingeht. Qiu erläutert die konfuzianische „Menschlichkeit“ (Ren) als Schlüsselbegriff, der Tugenden und Prinzipien übergreift. Seine universal gegebenen Wurzeln binden den Menschen in der Praxis an Pflichten, die in Medizin wird zur „Kunst des Menschlichen“. Nach Abwägung einiger neo-konfuzianischer, daoistischer, säkularer und pragmatischer Argumente kommt Qiu zu dem Schluß der Zulässigkeit des „therapeutischen Klonens“. Er stellt fest, daß diese Einschätzung von einer bestimmten moralischen Vorstellung über den Embryo abhängt. Qiu macht deutlich daß seine Momentaufnahme künftige Meinungsänderungen nicht ausschließt: „Chinesen könnten ihre Vorstellung von der Person im Zuge des technologischen Fortschritts in Zukunft ändern (so etwa indem es möglich wird, den Fetus lächeln zu sehen), aber noch nicht jetzt.“ Zwei weitere bioethische Probleme werden genannt. Die verbrecherische medizinische Forschung (z.B. nationalsozialistische und japanische Menschenversuche) sei aus ethischer Sicht in China nicht aufgearbeitet. Die Kommerzialisierung der Medizin fordere die Biopolitik heraus. Qiu spricht sich schließlich für ein internationales Verbot des „reproduktiven Klonens“ als pragmatischen ersten Schritt aus. Dies entspreche Qiu’s interkulturellem Vermittlungsprinzip: „Gemeinsame Grundlagen finden und dabei das Verschiedene bewahren“. Sektion 5: China / Hong Kong Referent: Gerhold Becker Gerhold K. Becker ist Lehrstuhlinhaber für Religion und Philosophie und Gründungsdirektor des Centre for Applied Ethics an der Hong Kong Baptist University. Er ist u.a. Mitglied des Council on Human Reproductive Technology der Regierung von Hong Kong und Vorsitzender des Ethikkomitees dieser Institution sowie Research Fellow am Centre for Business Ethics an der Shanghai Academy of Social Sciences. Von 1996 bis 2000 war er auch Mitglied des Provisional Council on Human Reproductive Technology. Seine Interessensschwerpunkte liegen im Bereich der Angewandten Ethik, der Ethischen Theorien, der Ideengeschichte und der Religionsphilosophie. Zahlreiche Publikationen sind von ihm zu diesen Themen erschienen. Zum Vortrag: In seinem Vortrag „Chinese Ethics and Human Cloning: A View from Hong Kong” geht Prof. Becker auf die Frage nach den möglichen Unterschieden in bioethischen Diskursen im Hinblick auf Hongkong und China ein. Als Voraussetzung gegenwärtiger Überlegungen ist seiner Meinung nach die Suche nach einer alternativen Bioethik stark durch die Abgrenzungsversuche von der prinzipienbehafteten „westlichen“ Bioethik und seiner vermeintlichen Universalität bestimmt. Er zeichnet die Mehrdeutigkeit dieser Versuche nach: Im Hinblick auf China und Hong Kong untersucht er kritisch den Entwurf einer konfuzianischen Bioethik – vorallem inwieweit der Begriff konfuzianisch repräsentative Geltung im chinesischen Kulturraum beanspruchen darf. Zugleich bezweifelt er seine Anwendbarkeit auf traditionalle westliche Deutungsmuster. Er weist die Annahme zurück, die chinesische Kultur, auch bezüglich der medizinischen Ethik, als monolithisch zu verstehen. Als weitere Vorausetzung für die Ausbildung eines bioethischen Verständnisses beschäftigt er sich mit der Frage nach der Identität der Bürger Hong Kongs und konstatiert, dass diese immer wieder neu ausgehandelt werden muss, um der heterogenen Zusammensetzung der Bevölkerung zu entsprechen. Während das reproduktive Klonen ausdrücklich verboten ist, liegt hinsichtlich des therapeutischen Klonens eine solche Eindeutigkeit nicht vor. Im Folgenden beleuchtet Prof. Becker verschiedene Problemfelder: Klonen und der Begriff der Person, Klonen und Integrität sowie Klonen, Reproduktion und zwischenmenschliche Beziehungen. Dabei zeigt er auf, zu welchen unterschiedlichen Schlußfolgerungen die Bezugnahme auf ein und dieselbe Tradition führen kann, wenn unterschiedliche Quellen bemüht werden. Die Frage, ob es eine genuin chinesiche Antwort im Bezug auf das Klonen geben wird, hängt unmittelbar davon ab, inwieweit es gelingt, eine alternative chinesische bzw. konfuzianische bioethische Position zu formulieren. Sektion 6: Islam Referent: Abdulaziz Sachedina Prof. Dr. Abdulaziz Sachedina Abdulaziz Sachedina ist Professor für Religious Studies an der Universität von Virginia, Charlottesville. Er wurde 1942 in Tanzania geboren und studierte in Indien (Aligarh) und Iran (Mashhad). 1976 erhielt er seinen PhD von der Universität Toronto, Canada. Seine Publikationen der 1980er Jahre "Islamic Messianism: The Idea of the Mahdi in Twelver Shi'ism" (1980) und "The Just Ruler in Twelver Shi'ism: The Comprehensive Authority of the Jurist in Imamite Jurisprudence" (1988) beschäftigen sich mit zentralen Rechts- und Herrschaftskonzepten der 12er Schia. In den letzten zehn Jahren hat sich sein Arbeitsschwerpunkt auf soziale und politische Ethik verlagert, wobei er sich insbesondere mit islamisch geprägter biomedizinischer Ethik beschäftigt. Professor Sachedina präsentierte 1997 muslimische Sichtweisen auf das Klonen beim Menschen vor dem National Bioethics Advisory Commission (NBAC) der USA, die im gleichen Jahr vom damaligen Präsidenten Clinton eingesetzt wurde. Neben vielen anderen Verpflichtungen ist Herr Sachedina auch Mitglied des im Juli 2002 gegründeten COMSTECH International Committee on Bioethics (CICB). COMSTECH steht für OIC Standing Comittee on Scientific & Technological Cooperation. OIC ist die Organisation des Islamischen Weltkongresses mit Sitz in Jeddah, Saudi Arabien. Das CICB umfasst Philosophen, Mediziner, Soziologen, Ethiker und muslimische Rechtsgelehrte und kann als „der Bioethikrat“ einer zwei größten islamischen Organisationen der Welt bezeichnet werden. Zum Vortrag: Sachedina geht davon aus, dass grundlegende Konzepte der Bioethik wie etwa das Prinzip des „Nutzens“ (beneficence) und „Nicht-Schadens“ (non- maleficence) zwar universell sind, andererseits jedoch kulturelle Unterschiede bei der Suche nach einem weltumspannenden bioethischen Konsens nicht außer Acht gelassen werden dürfen. Das islamische Recht (sharia) basiert auf Koran und Sunna, den gesammelten Sprüchen und Handlungen des Propheten Muhammad und der ersten Muslime, die als vorbildlich erachtet werden. Der sharia stehen eine Reihe von Instrumenten und Regeln zur Verfügung, mit denen diese Texte ausgelegt werden. Da es im Islam keine zentralisierte, umfassende religiöse Organisation vergleichbar einer Kirche gibt, hat sich historisch muslimische Rechtsfindung pluralistisch entwickelt. Das bedeutet, dass diesem System inhärent die Anerkenntnis innewohnt, dass ein anderer eine divergierende Meinung vertreten kann und der eigene Standpunkt anderen keineswegs aufoktroyiert werden darf. Im Unterschied zur christlich geprägten Debatte um das Klonen, in der vor allem auf die Einzigartigkeit jedes Menschen abgehoben wird, fokussiert die muslimische Diskussion wie durch das Klonen soziale Bindungskonzepte durcheinander geraten würden. Der im Arabischen verwendete Ausdruck für „Klonen“ lautet istinsakh, eine von der Wurzel für „Kopieren“ hergeleitete Wortneubildung. Vor diesem Hintergrund werden manche Bedenken muslimischer Gelehrte verständlich, die offenbar davon ausgehen, Klonen sei die unmittelbare Herstellung einer Kopie eines Menschen. Solche Denker – wie etwa der inzwischen entlassene Obermufti Ägyptens Nasr Farid Wasil – bezeichneten das Klonen als Teufelswerk und verboten es rigoros mit der Begründung, es handle sich dabei um einen Eingriff in die Schöpfung Gottes. Andere Gelehrte wie der sunnitische Fernsehmufti Yusuf al-Qaradawi und der schiitische Gelehrte Muhammad Sa`id al-Hakim im Irak widersprachen dieser Sichtweise: das Klonen könne ohne bzw. gegen den Willen des allmächtigen Gottes gar nicht geschehen. Es handle sich somit nicht um einen Verstoß gegen den Gotteswillen. Dennoch will Qaradawi das Klonen nicht erlauben, er verweist darauf, dass das Kind aufgrund seiner Erzeugungsgeschichte nicht normal in einer Familie aufwachsen könne und somit Schaden leiden würde. Hinter diesem Argument steht die in der islamischen Welt weit verbreitete Befürchtung, es könnten „Zustände wie im Westen“ eintreten, die man in diesem Zusammenhang vor allem durch den Zusammenbruch gesellschaftlicher Beziehungssysteme gekennzeichnet sieht. Ferner argumentiert Qaradawi, Klonen verstoße gegen das Prinzip der Pluralität der Schöpfung. Zwei Prinzipien des islamischen Rechts scheinen bzgl. der Bewertung des Klonens wichtig. Erstens das des „Nutzens der Allgemeinheit“ (maslaha), und zweitens das der Pflicht zur Vermeidung von Schaden. Diese Prinzipien müssen im Kontext der sharia herangezogen werden, um sicherzustellen, dass eine Technologie mit zweifellos nützlichem Potential wie das Klonen nicht durch amoralische Handlungsweisen entwertet werden. Insgesamt läßt sich beobachten, dass einige muslimische Stellungnahmen zum Klonen inzwischen hinsichtlich der relevanten naturwissenschaftlichen Details besser informiert scheinen und eine große Bandbreite von Problemfeldern in diesem Zusammenhang abdecken. Hierbei geht Sachedina detailliert auf ein Rechtsgutachten des bereits erwähnten Muhammad Sa`id al-Hakim ein (siehe dazu die Übersetzung ins Deutsche in der Sparte „Dokumente“ unter www.ruhr-uni-bochum.de/kbe). Insgesamt vertritt Herr Sachedina gestützt auf einige Texte aus den Jahren 1997-1999 die Ansicht, dass sich unter muslimischen Autoren die Beurteilung durchgesetzt hat, dass therapeutisches Klonen aufgrund seines positiven Potentials zu erlauben sei, reproduktives Klonen jedoch zu verbieten. Mit Blick auf die geringen Resourcen in der islamischen Welt hätten muslimische Juristen jedoch ihre Regierungen aufgefordert, kein Geld für Forschung in diesem Bereich auszugeben und lieber in andere Bereiche der Gesundheitssysteme zu investieren. Sektion 7: Indien / Hinduismus Referentin: Santishree Pandit Dr. Santishree Pandit ist Direktorin des International Center und Dozentin des Department of Politics and Public Adminstration der Universität Pune. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich mit politischen Problemen des Subkontinents, u.a. mit Bezug auf die Themen Menschenrechte und Gender. Sie befaßt sich ferner aus einer hinduistischen Perspektive mit aktuellen Fragen der Bioethik. Zum Vortrag: Der Vortrag liegt noch nicht vor Sektion 8: Malaysia Referentin: Siti Nurani Mohammad Nor Siti Nurani Mohammed Nor ist Professorin am Department for Science and Technology Studies an der University of Malaya in Kuala Lumpur, an der sie auch Koordinatorin für den Bereich Bioethik ist. Ihre philosophische Dissertation ist eine bahnbrechende Darstellung der malaysischen akademischen, philosophischen und legislativen Debatte über künstliche Befruchtung und Organtransplantation. Sie ist selbst Muslimin und eine ausgezeichnete Kennerin der theologischen Positionen sowohl auf der Ebene der Prinzipien islamischer Moral- und Rechtsbegründung als auch hinsichtlich der komplizierten Prozeduren ihrer lehramtlichen Formulierung und Verlautbarung. Ihre eigene Kompetenz stützt sich jedoch nicht auf theologische, sondern auf die philosophischen Maßstäbe des gegenwärtigen bioethischen Diskurses. Sie hat am Kennedy Institute of Ethics an der Georgetown University in Washington studiert und war Mitglied des Joint Commonwealth Medical Association Trust, der Malaysian Medical Association Conference on Medical Ethics and Human Rights und der International Islamic Medical Association. Sie beherrscht und kennt insbesondere auch die Positionen und Ergebnisse der medizinischen Institutionen ihres Landes und hat diese in ihrer Dissertation systematisch ausgewertet und ethisch beurteilt. Malaysia ist einer der interessantesten und wichtigsten Schauplätze der aktuellen bioethischen Diskussion, weil deren interkulturelle Brisanz sich hier in doppelter Brechung präsentiert: Das Land ist zum einen wie kaum ein anderes geprägt durch die multikulturelle Zusammensetzung seiner Gesellschaft, sowohl in ethnischer als auch in religiöser Hinsicht. Zwischen den Malaien, die nur knapp über die Hälfte der Bevölkerung stellen, sowie Chinesen, Indern und einer Reihe weiterer Bevölkerungsteile hat das Land ebenso wie zwischen den die knappe Mehrheit bildenden Muslimen sowie Christen, Hindus, Buddhisten und anderen religiösen Minderheiten eine schwierige, aber rechtlich fundierte und politisch stabile Ordnung des Zusammenlebens errichtet. Zum anderen definiert sich Malaysia als islamischen Staat, dessen Ordnung jedoch nicht aus dem islamischen Recht unmittelbar, sondern aus der an den international anerkannten Prinzipien von Menschenwürde und Rechtsstaatlichkeit orientierten Verfassung zu begründen ist. Siti Nurani Mohammed Nor ist nicht zuletzt eine profunde Kennerin der komplexen gesellschaftlichen Debatten, die sich auf bioethischem Gebiet aus der Notwendigkeit ergeben, die ethischen Prinzipien des islamischen Denkens mit den Rechts- und Freiheitsgewährleistungen einer multiethnischen und multikulturellen Gesellschaft zu vermitteln. Gerade hinsichtlich dieser Debatten ist die malaysische Diskussion von einer weit über den asiatischen wie auch den islamischen Raum hinausweisenden paradigmatischen Bedeutung. Zum Vortrag: In ihrem Vortrag "The Ethics of Human Cloning: A Malaysian Report" stellt Siti Nurani Mohammed Nor das Thema Klonen in den Kontext der allgemeinen Diskussion über die Grenzen des biomedizinischen Fortschritts in der malaysischen Gesellschaft. Grundlegende Differenzen entsprechen hier offensichtlich der weltweiten Debatte, wie wir sie nunmehr über die politischen und religiösen Grenzen hinweg vorfinden: Der Berufung auf die Freiheit der biomedizinischen Forschung und die humanen Zielsetzungen neuer Technologien (im Fall des Klonens etwa die Möglichkeit der Fortpflanzung bei vollständiger Unfruchtbarkeit, die Minderung des Krebsrisikos bei der künstlichen Befruchtung und, in bezug auf das "therapeutische" Klonen, die Gewinnung von Organen und Zellmaterial für Transplantationen) stehen die Verantwortung für den Schutz der Würde und des Lebens aller menschlichen Wesen (also auch derer, die durch reproduktives Klonen erzeugt wie auch derer, die im Zuge des "therapeutischen" Klonens vernichtet würden) sowie die Sorge um die Auswirkungen der Züchtung menschlicher Wesen auf die Struktur des gesellschaftlichen Zusammenlebens gegenüber. Stärker als im christlichen wird offenbar im islamischen Kulturbereich die normative Bedeutung der Familie hervorgehoben: Die Herauslösung der Bedingungen für die Entstehung menschlicher Wesen aus dem für sie von Natur aus verantwortlichen Verband der Familie mit ihren unabsehbaren Konsequenzen für die Regelung der Erziehung und des gesamten Zusammenlebens ist ein Gesichtspunkt, der für die kritische Beurteilung des reproduktiven Klonens im islamischen gegenüber dem christlichen Denken offenbar stärker gesehen und mit Rücksicht auf die göttliche Schöpfungsordnung schärfer akzentuiert wird. Hinsichtlich des "therapeutischen" Klonens zeigt sich wiederum auf der Basis der islamischen Anthropologie ein relativ weiter Spielraum: Die offenbar bis heute aktuelle Auffassung, wonach das menschliche Leben erst nach 120 Tagen beginnt wie auch die Betonung des islamischen Rechts als einer auf die Steigerung des allgemeinen Wohls gestützten Nutzenordnung geben Raum für umfangreiche Abwägungen zwischen Lebensrecht und Lebensqualität, die den intensiven Ruf nach Setzung klarer legislativer Standards für den Umgang mit den bioethischen Problemen in der malaysischen Gesellschaft, den Siti Nurani Mohammed Nor in ihrem Vortrag wie schon in ihrer Dissertation massiv erhebt, verständlich machen. Gerade in seiner differenzierten Analyse nicht nur der islamischen und christlichen, sondern einer ganzen Reihe religiös fundierter Positionen zur Problematik des Klonens ruft dieser Vortrag, der wie die Dissertation von Siti Nurani Mohammed Nor in den Sachfragen rein philosophisch argumentiert, etwas in Erinnerung, das in der "westlichen" Diskussion schon fast außer Blick zu geraten scheint: Die "Würde des Menschen" und vor allem die mit diesem Begriff unteilbar verbundenen Menschenrechte und Grundfreiheiten sind Ideen, die sich geschichtlich nicht aus einem Vergleich und auch nicht aus einem Konsens zwischen unterschiedlichen religiösen Auffassungen gebildet haben. Sie sind vielmehr Errungenschaften des modernen Staates in seiner spezifischen Gestalt als Schützer des Rechts, das jedes menschliche Wesen von Natur aus hat und das dieser Staat nicht gewährt, sondern das er gewährleisten und respektieren muß, wenn er seine ethische Daseinsberechtigung bewahren will. Daß wir heute überhaupt religiöse Positionen für relevant ansehen und sie zu einem wesentlichen Element interkultureller Verständigung machen, beruht selbst schon wieder auf dem Respekt vor dem religiösen Bekenntnis, der zu den großen Rechtsgewährleistungen des modernen Staates gehört. Damit wird dem interkulturellen Vergleich wie auch der intrakulturellen Selbstbesinnung eine Grenze gezogen: Wo es um die Schutzaufgabe des Staates gegenüber allen seinen Bürgern und im Prinzip gegenüber allen menschlichen Wesen geht, dort kann ihm das religiöse Bekenntnis von Teilen seiner Gesellschaft die Verantwortung nicht abnehmen. Deshalb kann auch die ethisch verantwortliche Bestimmung der Grenzen des menschlichen Lebens nicht Sache kultureller Relativierung sein. Sektion 9: Thailand/Buddhismus Referent: Pinit Ratanakul Pinit Ratanakul, B.A. in englischer Literatur, Chulalongkorn Universität, Bangkok; Ph.D. (Philosophie) der Universität Yale, USA, ist Direktor des College of Religious Studies der Mahidol University, Nontaburi, Bangkok, Thailand. Seit seinem Werk „BioEthics. An Introduction to the Ethics of Medicine and Life Sciences“ (1986) gilt er als Wegbereiter sowohl der Implementierung zeitgenössischer westlicher Bioethikdiskurse in den Kontext des südost-asiatischen Buddhismus, wie er andererseits auch als prominentester Vertreter einer auf buddhistischen Prinzipien fußenden Bioethik in Thailand angesehen wird. Zahlreiche Publikationen zur buddhistischen Debatte um Euthanasie, Abtreibung, Health Care Ethics, Embryonenforschung und Klonen. Zum Vortrag: Trotz Globalisierung sind in Thailand bis heute die Lehren und ethischen Orientierungen des Buddhismus von prägendem Einfluss. Ratanakul zieht zur Einschätzung der Problematik des Klonens zentrale buddhistische Grundlehren heran: Aufgrund der Gesetze des ‚Entstehens in Abhängigkeit’ und des steten Wandels ist die ‚Unbeständigkeit’ aller Phänomene Wurzel des Leidens. Dem Einzelnen ist aus buddhistischer Sicht aufgegeben, aus eigenem Vermögen den Weg aus dem Leiden zu beschreiten. Nur in der einerseits leidhaften, andererseits selbstbestimmten Existenz als Mensch bietet sich die Chance, über die Sammlung von (moralischen) Verdiensten, Meditation und Erkenntnis den Wiedergeburtskreislauf zu verlassen. Ratanakul, die sich auf Befragungen buddhistischer Gelehrter stützt, kommt nun zu folgender Einschätzung des Klonens: Ein faktisch geklonter Mensch wäre aus buddhistischer Sicht nicht als ‚unnatürlich’ abzugrenzen, da er (1) auch den obigen Gesetzen unterliegt, ohne die er nicht entstehen (oder geschaffen werden) könnte, (2) aber auch er auf einer ‚individuelle Lebenskraft’ beruht, ohne die sich Leben nicht manifestieren kann. Doch kann auch ein geklonter Mensch, der nicht als Kopie zu betrachten ist, seinem individuellen Karma, Leid und Unbeständigkeit nicht entgehen, wie er andererseits den Befreiungsweg einschlagen kann. Wenn auch Klone aus buddhistischer Sicht nicht als ‚unnatürliche’ Geschöpfe gelten, führt Ratanakul aus, gibt es dennoch zahlreiche Bedenken gegen das Klonen. Der Glaube, Klone könnten das Leben des ‚Originals’ weiterführen, ist illusionär, denn Klone führen das durch Karma konfigurierte Leben des wiedergeborenen Bewusstseinsprinzips weiter, nicht das Leben des ‚Körpers’. Forschungen, die die Tötung von Embryonen zur Folge haben, werden von ihm als ethisch bedenklich eingestuft. Gegen reproduktives Klonen spricht, dass klonierte Menschen sozial stigmatisiert und entrechtet werden könnten. Auch dem ‚therapeutischen Klonen’ gegenüber äußern Mönche große Vorbehalte. Manche Forscher und Ärzte, die sich der Linderung von durch vererbbaren Krankheiten ausgelöstem Leid verschrieben haben, verfolgen, wenn auch mit Unbehagen, eine Abwägungsstrategie: Als Laienbuddhisten schätzen sie die negativen karmischen Effekte auf das eigene Leben als schwächer ein, da Embryonen z.B. noch nicht empfindungsfähig seien. Auch die mögliche Kommerzialisierung und schichtenspezifische Bereitstellung der Biomedizin gibt Ratanakul zu denken. Somit kommt er abschließend zu der Einschätzung, von der Durchführung bis dato entwickelter Techniken des Klonens am Menschen abzuraten. Da Fragen des Klonens letztlich aber alle einzelnen Kulturräume übersteigen und die Menschheit als solche betreffen, sollten sie daher dringend in internationalen Abkommen geregelt werden. Sektion 10: Israel Frau Zelina Ben Gerschon (Israel. Geundheitsministerium) mußte wegen dringer Verpflichtungen aufgrung eines neuen Klonieriungs-Gesetzgebungsverfahrens in Israrel leider kurzfristig absagen. Wir bemühen uns um einen anderen Referenten. Sektion 11: U.S.A. Referent: Nigel M. de S. Cameron Der Bioethiker und Theologe Nigel M. de S. Cameron gilt in den Vereinigten Staaten als einer der profiliertesten Vertreter einer Bioethik auf dem Hintergrund des jüdisch-christlichen Menschenbildes und eines „hippokratischen“, nicht-utilitaristisch/technizistischen Verständnisses von Medizin. Cameron stammt ursprünglich aus Großbritannien und hat sein Universitätsstudium in Cambridge und Edinburgh absolviert. In den USA leitete er die Trinity International University in Deerfield, Illinois, der er auch als „Distinguished Professor“ für Theologie und Kultur angehörte. Er ist zur Zeit tätig als Ko-Direktor des Institute on Biotechnology and the Human Future des Illinois Institute of Technology, Chicago, Illinois, als Direktor des Council for Biotechnology Policy, Washington, DC, sowie als Präsident der Strategic Futures Group, LLC, einer Beratungsgesellschaft für die akademische Ausbildung. Im Jahre 2002 begleitete Cameron die US-Delegation bei den Vereinten Nationen zum Thema Klonen beim Menschen als wissenschaftlicher Berater („expert advisor“). Cameron hat 1984 die Zeitschrift „Ethics and Medicine“ gegründet und inzwischen neun Bücher zu bioethischen Fragen vorgelegt, darunter „The New Medicine“ (2. Aufl. 2001), „Bioengagement“ (2002), „Bioethics and the Future of Medicine“ (1995), „Embryos and Ethics“ (1987) und „Death without Dignity“ (1990). Der amerikanischen Öffentlichkeit ist er darüber hinaus durch regelmäßige Kommentare zu aktuellen bioethischen Fragen in Presse und Fernsehen (San Francisco Chronicle, CNN, CBS, „Nightline“ usw.) bekannt.