Christen im frühen Islam II

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Volker Popp
Christen im frühen Islam (II)
Islam als Abkehr von der Orthodoxie und Hinwendung zur Orthopraxie.
Abraham als Vorbild
Bildliche Darstellungen aus der Frühzeit des Islam (VI)
In der letzten Folge war die Rede von dem als „Gründungspakt Israels“
verstandenen Vertrag zwischen Jakob und Laban, der bei einem heiligen
Stein in Bethel bekräftigt wurde (Gen 3,44-54).
Eine Darstellung des Beth-El (Gen 28,15-19) in Form der „Yegar Sahaduta“ (Gen 31,45-47) – als „Steinerner
Zeuge“ – findet sich im Münzbild der syrischen Prägungen des umaijadischen Herrschers ‘Abd al-Malik (ca.
685-705).
Die Darstellung dieses „Steinernen Zeu-gen“, welche an die Zeit der Patriarchen und die Begründung Israels
erinnert, ist kein Hinweis auf eine judenchristliche Tradition der (christlichen) Arabischen Kirche des
Arabischen Reichs, sondern ein Verweis auf das Verständnis von „Religion“ als Ausfluss eines
Vertragsverhältnisses. Der gemeinhin als arabisch geltende Ter-minus für dieses Verhältnis heißt : „Din“. Der
Terminus „Din“ wird heute durchgän-gig mit „Religion“ übersetzt. Dagegen steht, dass bereits der Verfasser
des entsprechen-den Artikels in der Encyclopedia of Islam hier Zweifel anmeldet und die Frage stellt, ob „Din“
überhaupt der Vorstellung von „religio“ entspricht.[1]
Es wurde schon darauf hingewiesen, dass die Inschrift im Felsendom ein christlicher Text ist und als Reaktion
auf die Ekthesis in der Hagia Sophia in Byzanz gelesen wer-den muss.
Die christologische Debatte zwischen der Kirche des Kaisers von Byzanz und der (Syrisch-) Arabischen Kirche
des Arabi-schen Reichs wird in der Ekthesis des ‘Abd al-Malik im Felsendom unter der Datierung „72“ als
erledigt dargestellt, indem die Per-son Jesu allein im Rahmen der ungebro-chenen, jetzt von den „arabischen“
Kin-dern Ismails gewahrten Tradition Israels wahrgenommen wird. Es existiert daher auch kein Neuer Bund,
es gibt nur die fort-laufende Bestätigung des Einen Bundes im Rahmen des Prophetentums. Daraus leitet sich
auch die überragende Stellung her, welche Moses in den uns überlieferten koranischen Materialien zukommt.
Die christologische Debatte wird in der a-rabischen Ekthesis im Felsendom in Jeru-salem, der Antwort des
Omaiyadenherr-schers ‘Abd al-Malik auf die Ekthesis, wel-che der byzantinsche Kaiser Herakleios im Narthex
der Hagia Sophia in Konstantino-pel hatte aufhängen lassen, als erledigt an-gesehen. In Jerusalem sieht man
dem Text der Ekthesis zufolge in Jesus, Sohn der Maria, zwar den Messias („al-mesih ‘Isa ibn Mariam“),
versteht ihn aber als den Messi-as im Sinne des Gesandten, der in der Tra-dition des Prophetentums des
Alten Israel steht: Ein Mensch, geboren von Maria, „in die Er sein Wort und von seinem Geist ge-worfen hatte“
(„kalimatuhu ... wa ruh minhu“, heißt es in der Inschrift im Fel-sendom in Jerusalem).
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Und so liest man in der Inschrift aus der Zeit des umajadischen Herrschers ‘Abd al-Malik im Felsendom in
Jerusalem die all-gemeine Definition der Gesandten / Prophe -ten : „Erwünscht ist (begehrt wird) ein Knecht
Gottes („abd-allah“, das bedeutet im 7. Jahrhundert in der Heimat ‘Abd al-Maliks: „Christus“), der sein
Gesandter ist / Der Messias, Jesus, Sohn der Maria ist der Gesandte Gottes“ ( „muhammadun ‘abdal-lahi wa
rasuluhu “/ ... / al-mesih ‘Isa ibn Mariam rasul Allah ...).[2]
Der Text der arabischen Ekthesis des ‘Abd al-Malik beginnt somit nicht mit der Nen-nung des Propheten der
Araber (Moham-med), wie von den Muslimen und der Is-lamwissenschaft angenommen. Am Anfang des
Textes steht eine Kategorisierung. Es wird festgestellt von welcher Art die Ge-sandten Gottes sind. Der
Ausdruck „mu-hammadun“ im Text der arabischen Ekthe-sis im Felsendom hat nichts mit der Nen-nung des
Propheten der Araber zu tun, der uns erst seit Erscheinen seiner Lebensbe-schreibung im 2. Jahrhundert des
Islam unter dem Namen „Muhammad“ bekannt wurde.[3] Da der Koran den Endpunkt einer späteren
redaktionellen Bearbeitung dar-stellt, können wir als historische korani-sche Materialien dem 1. Jahrhundert
des Islam nur zuordnen, was im Zusammen-hang mit datierten Inschriften und datier-ten oder datierbaren
Münzinschriften auf uns gekommen ist.
Ein grundsätzliches Problem stellt das Ver-ständnis der islamischen, arabischen Ter-minologie dar. Da es bis
heute kein ethymo -logisches Wörterbuch des Arabischen gibt, ist eine aramäische Lesung vieler korani-scher
Textstellen nicht zu widerlegen. Es wäre aber auch ein hebräisches Verständ-nis zu berücksichtigen. Was wir
nicht ken-nen, ist das arabische Verständnis schein-bar islamischer Begriffe zur Zeit ihrer Ver-wendung in der
Inschrift im Felsendom.
Wie gelangt man nun zu der Lesung von „muhammadun“ als „begehrt, erwünscht, erwählt“? Dies führt über
den Gebrauch der Wurzel „HMD“ im Hebräischen des Al-ten Testaments. Im Alten Testament er-scheinen
Ableitungen von dieser Wurzel an neununddreißig Stellen, zum Beispiel auch in dem Gebot: Du sollst nicht
begehren ... Bereits die Inschriften von Ugarit kennen die Form „mhmd“. Dort wird „muhammad“ gebraucht bei
der Beschreibung der Zedern, welche aus dem Libanon zum Bau von Baals Haus herangeschafft werden:
„mhmd arzh, d.h.: die begehrtesten, auserlesenen Zedern“.[4]
Alle derzeit vorhandenen Wörterbücher des Arabischen beruhen auf einer Auswertung islamischer und
islamistischer Literatur späterer Jahrhunderte. Somit ergeben sich dank der Bedeutungsverschiebungen, welchen die Begriffe im Gebrauch über die Jahrhunderte hinweg unterliegen, groteske
Interpretationsmöglichkeiten, auf die ich aber nicht eingehen möchte. Zumindest sollte klargestellt werden,
dass die Bedeu-tung des Wortes „Islam“ und sein Gebrauch zur Zeit der Anfänge des Islam überhaupt noch
nicht erfasst ist. Dieses Wort „Islam“ erscheint zum ersten Mal greifbar in der Inschrift im Felsendom.[5] Der
Wortsinn dieses Begriffs und sein Gebrauch im 7. Jahrhundert sind aber bis heute nicht geklärt. Ebenso
verhält es sich mit dem Ausdruck „muhammad“.
Geht man auf der Suche nach dem Vor-kommen und der Verwendung des Aus-drucks „muhammad“ über das
Ugaritische hinaus, dann kann man im Phönikischen den Texten von El-Amarna entnehmen, dass „HMD“
bedeutet: „Ein begehrtes Ob-jekt in Besitz nehmen, etwas Wertvolles, Eifersucht, Neid.“
Geht man von dieser Lesung der Wurzel „HMD“ im Phönikischen aus, dann folgt daraus, dass „Muhammad“
nicht heißt: „Der Gepriesene“, sondern „Der Er-wünschte“ und somit „ Der Erwählte“.
Im Rahmen des christologischen Diskurses zwischen Konstantinopel und Damaskus / Jerusalem sollte daher
die Einleitung der Ekthesis des ‘Abd al-Malik im Felsendom gelesen werden als: „Erwählt ist der Knecht
Gottes (Christus) und Gesandte / Der Messias, Jesus, Sohn der Maria, ist der Gesandte Gottes.“
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Dies ist die Absage an die Vorstellung einer Gottessohnschaft Jesu, wie sie in der Hagia Sophia zu lesen ist.
Die Inschrift im Felsendom sollte also im Licht des Alten Testaments und der syri-schen Christologie gelesen
werden: Gott erwählt seine Propheten. Dies trifft bereits auf Abraham zu (nachzulesen im Koran, Sure 6, Vers
88).
Wir wissen Vieles über die Juristerei der islamischen Rechtsschulen zu Zeiten des europäischen Mittelalters;
die islamwissen-schaftliche Literatur vermehrt sich in ihrer Masse wie ein Wurf Karnickel. Die ur-sprüngliche
Bedeutung der Begriffe aber, welche sie verwendet, bleibt ungeklärt. Die Islamwissenschaft gleicht einer
Mathema-tik ohne Axiome, einer Kirche ohne Kenntnis der Schrift.
Abraham als Vorbild
Abraham, „der Heide“, war ein „edler Wil-der“; denn obschon er ein Heide war, hatte er dem Götzendienst
abgeschworen. Die gottgegebene Vernunft, von der er natur-gemäß Gebrauch machte, hatte ihn dazu
befähigt, die Sinnlosigkeit des Götzendiens-tes zu erkennen. Durch den Gebrauch sei-ner gottgegebenen
Vernunft kam er zu dem vernünftigen Schluss, dass allein der „Din Allah“ zu praktizieren ist.
Durch seinen Abfall vom Glauben der Göt-zendiener wurde er zum Apostaten. Dieses Heidentum, ein
Neuheidentum zur Zeit der allgemeinen Götzenverehrung, in welches er durch seinen Abfall vom Glauben der
Götzenanbeter zurückgefallen war, erlaubte ihm, als einem Suchenden, dessen Hirn nicht länger von
Weihrauchschwaden in Tempeln vernebelt war, den Gebrauch der gottgegebenen Vernunft und ließ ihn so zur
Erkenntnis des EINEN GOTTES („Deus Unus“ in den lateinischen Inschriften auf den nordafrikanischen
Goldprägungen aus der Zeit des ’Abd al- Malik) gelangen. So verwundert es nicht, dass man den Beinamen
Abrahams „der Heide“ als einen Ehrentitel verstand. Die Erkenntnis des einen Gottes führte zur Religion der
„Hanifen“ (arab. „hanif“, von aramäisch „Hanpe“, Heide).
Abraham ist daher z. Zt. der Omayjaden das Vorbild derjenigen, welche sich von der Orthodoxie abwenden
und nicht länger in des Kaisers Kirche gehen, denn dort begeg-nen sie den „DREI“. Daher liest man in der
arabischen Ekthesis im Felsendom – der syrisch-arabisch-christlichen Antwort auf das Glaubensedikt des
byzantinischen Kai-sers Herakleios –: „Verstehe Gott und seine Gesandten richtig und sage nicht: „DREI, lass
ab davon, es ist besser für dich.“ In den Inschriften auf den zeitgenössischen Münzen Nordafrikas wird dies
noch ver-deutlicht. Dort liest man das „islamische“ Glaubensbekenntnis in lateinischen Buch-staben: „NoN ESt
DeuS NISi Unus Deus CUI Non Socius Alius“ (nicht ist Gott, wenn nicht der eine Gott [es gibt nur den einen
Gott], dem kein Gefährte“ [beige-sellt] ist).[6]
Was Abraham, „der Heide“, zur Zeit des Götzendienstes in Arabien dank des Gebrauchs seiner
gottgegebenen Vernunft einsichtig wurde, sollte auch dem Anhän-ger der Orthodoxie zugänglich sein. Daher
wird eine vollständige Abkehr von der Ver-ehrung der „socii“ („Gefährten“ Gottes) gefordert. Besser ist es, sich
„Heide“ schimpfen zu lassen und diese Beschimp -fung als Auszeichnung zu verstehen für einen Zustand der
Erkenntnis des „EINEN GOTTES“, als noch länger in der Kirche des Kaisers zu den „socii“ zu beten und sich
zu den „mushriqun“ („Götzendienern“) zäh-len zu lassen.
Der Weg, welchen die Inschrift im Felsen-dom somit den arabischen Christen zu ge-hen empfiehlt, ist der Weg
Abrahams. Er führt weg von der Verehrung der „DREI“ (die frühere Verehrung der Götter als Tria-den in
Palmyra, Baalbek, Damaskus etc. muss hier nicht gesondert aufgeführt wer-den) und hin zu dem Einen Gott.
Der Weg aus den damaligen Tempeln führt Abraham direkt ins Heidentum und von dort zur Gotteserkenntnis;
der Weggang aus der Kirche des Kaisers führt zur Beschimpfung als „apostata“. Durch den Abfall von der
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Kirche des Kaisers führt der Weg in die Kirche des Arabischen Reichs. Dieser Auf-ruf zum Abfall im Text des
Felsendoms liest sich folgendermaßen: „Denn die rechte, gottgewollte Ordnung (Din) ist der Abfall (Islam)“.
Schließt man sich dem Wider-stand gegen die Kirche des Kaisers an, dann findet man in der Kirche des Arabischen Reichs den „Einen Gott“. Dieser wird in einer lateinischen Inschrift aus der Zeit ‘Abd al-Maliks
vorgestellt: „DEUS DOMINUS NOSTER MAGNUS ETERNUS OMNIA NOSCENS“ („Gott, unser Herr, ist groß,
ewig, allwissend“). Auf der Rückseite der Münze findet sich das spätere islamische Glaubensbekennt-nis:
„NON EST DEUS NISI IPSE SOLUS CUI SOCIUS NON EST“ („Es gibt keinen Gott außer ihm allein, der
keinen Gefährten hat“).
Auf dieser Münze findet man auch die Dar-stellung der „Sahaduta“, des „Steinernen Zeugen“, als
staatsreligöses Symbol der Herrschaft ‘Abd al-Maliks.[7]
(wird fortgesetzt)
© imprimatur Mai 2005
Heft 1-2005
Volker Popp ist Orientalist (Islamwissenschaft und Turkologie) und ein Kenner der persischen Sprache. Er lebte jahrzehntelang im
Vorderen Orient (Ostanatolien, Teheran, Beirut) und war im Handel mit islamischen Münzen tätig. In der Beschäftigung mit diesen
Münzen eignete er sich beeindruckende numismatische Kenntnisse an.
[1]„Hinsichtlich dieser Übersetzung (von ‚Din? als Religion) bestehen keine Zweifel. Aber das Konzept, welches ‚Din? andeutet,
stimmt nicht mit dem gängigen Konzept von ‚Religion? über-ein. Dies ergibt sich aus der semantischen Ein-bettung dieser Wörter.
Religion evoziert vorran-gig etwas, was den Menschen an Gott bindet; ‚Din? hingegen die Verpflichtungen, welche Gott seinen
vernunftbegabten Kreaturen auferlegt“ (aus dem englischen Original übers. v. Verf.). S. dazu EI², II, 293.
[2]Christel Kessler, ‘Abd al- Malik’s Inscription in the Dome of the Rock: A Reconsideration, Journal of the Royal Asiatic Society,
London 1970, p 4. Der zitierte Text findet sich in Zeile 3 und 7/8 der Inschrift.
[3]Der früheste Bericht vom Leben des Propheten der Araber, der im Islam mit dem Ausdruck: „mohammed“ der koranischen
Materialien gleichgesetzt wird, findet sich in der „Sirah“ des Abu Ishaq (bis ca. 767), welche in Teilen in einer zeitgenössischen
Edition des Ibn Hischam (bis ca. 828 oder 834 in Baghdad) auf uns ge-kommen ist.
[4]S. dazu auch: Cyrus Gordon, Ugaritic Manual, Pontificum Institutum Biblicum, Rom 1955, Text 51:V.78 und 51:V.101.
[5]Dieser Teil der Inschrift ist auch überliefert in den uns in der Edition des Koran vorliegen-den koranischen Materialien, hier
abgelegt un- ter der Sure 3, Vers 19.
[6]Die Inschrift lautet in der Abfolge der Buch-staben: „NNESDSNISDCUINSA“; s. dazu auch: John Walker, Catalogue of the ArabByzantine and Post- Reform Umaiyad Coins, London 1956, p. 64 ff.
[7]John Walker, A Catalogue of the Muhamma-dan Coins in the British Museum II, London 1956, p. 54.
Postanschrift: imprimatur - nachrichten und kritische meinungen aus der katholischen kirche
Ludwig-Simon-Straße 26; D-54295 Trier
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