Bundesweites Förderprogramm der Robert Bosch Stiftung „Menschen mit Demenz im Akutkrankenhaus“ – Hamburg ist Vorreiter Hamburg, 13. September 2016 - Albertinen-Krankenhaus/Albertinen-Haus und das Ev. Krankenhaus Alsterdorf in Hamburg gehören bundesweit zu den ersten fünf Kliniken, die in den vergangenen drei Jahren im Rahmen des Programms „Menschen mit Demenz im Akut-Krankenhaus“ von der Robert Bosch Stiftung gefördert wurden. Heute sind die Ergebnisse auf einem gemeinsamen Fachkongress vorgestellt worden. Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks: „In Hamburg werden jährlich mehr als 200.000 über 65jährige im Krankenhaus behandelt. Fast 20 Prozent leiden an einer Demenz oder anderen kognitiven Einschränkungen. Unsere Krankenhäuser haben in der Versorgung dieser Menschen mit demenziellen Erkrankungen schon sehr viel erreicht, beispielsweise mit einer Demenzdiagnostik bei der Aufnahme oder durch die Behandlung in spezialisierten Abteilungen. Mit den vorgestellten Projekten kann die Versorgung der betroffenen Menschen und ihrer Angehörigen noch besser werden. Ich freue mich, dass Hamburg und seine Krankenhäuser mit gutem Beispiel voran gehen und hoffe, dass diese Projekte über unsere Stadtgrenzen hinaus Nachahmer finden.“ Demenziell Erkrankte: Besondere Herausforderung für die Kliniken Viele Kliniken sind noch nicht gut genug auf die besonderen Bedürfnisse demenziell erkrankter Menschen eingestellt – eine Belastung für alle Beteiligten. Verwirrt, unruhig, ängstlich: Patienten mit Demenz verstehen häufig nicht, was im Krankenhaus geschieht. Dr. Bernadette Klapper, Bereichsleiterin „Gesundheit“ bei der Robert Bosch Stiftung: „In Akutkrankenhäusern wächst die Anzahl älterer Patienten, die neben einer akuten Erkrankung auch die Nebendiagnose Demenz aufweisen. Ihre Versorgung stellt besondere Anforderungen an die Krankenhäuser, denn der Klinikalltag mit seinen eng getakteten Abläufen ist kaum auf Menschen mit Demenz eingestellt. Die Robert Bosch Stiftung fördert seit 2012 Vorhaben, die gezielt auf die Bedürfnisse dieser Patientengruppe eingehen, um zu einer Verbesserung ihrer Versorgung in Akutkrankenhäusern beizutragen.“ Das ist den geförderten Krankenhäusern beispielhaft gelungen: Die Bedürfnisse der Patienten mit Demenz und auch ihrer Angehörigen werden besser berücksichtigt – das macht einen Krankenhausaufenthalt für sie sicherer und trägt zum Erfolg der Behandlung bei. Dr. Georg Poppele, Leiter des Projektes im Evangelischen Krankenhaus Alsterdorf: „Patienten mit Demenz sind eine Aufgabe für alle Fachbereiche der Erwachsenenmedizin. Durch eigens entwickelte Schulungen für alle Berufsgruppen in der Klinik konnten wir wertvolles Wissen vermitteln und unsere Abläufe den Bedürfnissen dieser Patienten anpassen. Das Ergebnis sind zufriedenere Patienten, Angehörige und auch Mitarbeitende!“ Albertinen-Krankenhaus/Albertinen-Haus: „Starke Angehörige, starke Patienten“ Albertinen-Krankenhaus und Albertinen-Haus beschäftigen sich schon seit vielen Jahren mit besonderen Behandlungskonzepten für Patienten mit demenziellen Erkrankungen. So besteht schon seit den 1990er Jahren eine Memory-Clinic zur Demenzdiagnostik, im Jahr 2009 wurde eine spezielle Station für ‚Kognitive Geriatrie‘ in Betrieb genommen und im Jahr 2011 wurden im Rahmen des Projekts ‚Demenzsensibles Albertinen-Krankenhaus‘ u.a. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter/innen hauptsächlich in der Pflege im Umgang mit demenzkranken Menschen geschult, Räumlichkeiten neu gestaltet sowie die räumliche Orientierung in stark frequentierten Bereichen verbessert. Karin Schroeder-Hartwig, ehemalige stellvertretende Pflegedirektorin und Projektleiterin: „Mit dem Projekt ‚Starke Angehörige, starke Patienten!‘ hat das Albertinen-Krankenhaus/Albertinen-Haus nun die An- und Zugehörigen von demenzerkrankten Menschen in den Mittelpunkt gestellt. Denn diese sind in erheblichem Maße ‚Mit-Betroffene’, sie sind verunsichert und häufig in extremem Maße körperlich und psychisch belastet. Darüber hinaus werden sie nicht selten im Krankenhaus erstmalig mit der Diagnose Demenz ihres Angehörigen konfrontiert.“ Zentrale Ziele dieses im September 2013 begonnenen Projekts waren die Bedürfnisse und Ressourcen von Angehörigen zu erkennen, sie besser zu informieren sowie die Kommunikation von Mitarbeitern und Angehörigen zu verbessern und somit den Behandlungs- und Pflegeerfolg für die Patienten zu sichern und unnötige Belastungen für Patienten, Angehörige und Mitarbeiter zu vermeiden. Auf Basis einer Befragung von Mitarbeitern und Angehörigen wurde in der Folge das bestehende Informationsangebot u.a. mit einem Film weiter ausgebaut und mit dem Einsatz von speziell geschulten ehrenamtlichen Demenz-Begleitern (Notaufnahme, Diagnostik, Stationen), der Einrichtung eines ‚Koordinationsbüros Demenz‘ zur Beratung und Angebotsvermittlung auch über den Krankenhausaufenthalt hinaus sowie mit Kinaesthetics-Kursen für Menschen mit Demenz begleitende und entlastende Angebote für Angehörige geschaffen. „Schließlich wurden auch die Mitarbeitenden im Sinne einer Nachhaltigkeit weiter qualifiziert durch die Grund- und Aufbauseminare zum Thema Demenz und Angehörigenarbeit für Mitarbeiter aller Berufsgruppen, Ausbildung von Multiplikatoren (eine Pflege-Expertin Demenz auf jeder Station) sowie die Einrichtung einer Stabsstelle ‚Demenz und Delir‘ bei der Pflegedirektion“, so Schroeder-Hartwig weiter. Das Projekt wurde wissenschaftlich begleitet von Prof. Dr. Stefan Görres, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Public Health und Pflegeforschung (IPP) der Universität Bremen. Weitere Informationen können unter www.demenzsensibles-krankenhaus.de abgerufen werden. Evangelisches Krankenhaus Alsterdorf: Wahrung der Patientenautonomie – Demenz ist nicht das Ende der Selbstbestimmung! Auch das Ev. Krankenhaus Alsterdorf hat seit 2011 mit Station DAVID ein besonderes Angebot für Patienten mit schwerer Demenz. Ein spezielles Raumkonzept erleichtert den Patienten die Orientierung, die Mitarbeitenden sind besonders im Umgang und der Kommunikation mit Menschen mit Demenz geschult. Das Institut für Medizinische Soziologie des Universitätsklinikums HamburgEppendorf evaluiert die Arbeit im Rahmen der Wissenschaftlichen Begleitforschung. Ein wesentliches Thema im Umgang mit Menschen mit Demenz ist dabei die Frage, wie deren Patientenautonomie gewahrt bleiben kann. Denn mit zunehmender Demenz wird es für die Menschen schwieriger, ihr Grundrecht auf Selbstbestimmung wahrzunehmen. Dies kann im Klinikalltag zu Konflikten führen – zwischen Ärzten, Patienten, Pflegekräften, Angehörigen und gesetzlichen Betreuern, zum Beispiel: Wie drückt ein Mensch mit Demenz seinen Willen aus, wenn er nicht mehr sprechen kann? Wie kann er angemessen über die Behandlung aufgeklärt werden? Wann greift eine Patientenverfügung? Im Rahmen der Förderung durch die Robert Bosch Stiftung wurde im Projekt „Wahrung der Patientenautonomie bei Menschen mit Demenz“ unter der Leitung von Dr. Michael Wunder, Leiter des Beratungszentrums der Ev. Stiftung Alsterdorf und langjähriges Mitglied des Deutschen Ethikrates ein Handlungsleitfaden erstellt, der zum einen eine theoretische Grundlage der verschiedenen DemenzStadien, ihrer spezifischen Symptome und Auswirkungen auf die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit der Betroffenen vermittelt. Im zweiten Teil „Praxiswissen“ wird beschrieben, wie trotz demenzieller Veränderungen der (mutmaßliche) Wille des Patienten erkannt werden kann und welche Konsequenzen dies für den Umgang mit Patienten mit Demenz hat. Mehr als 20 ExpertInnenInterviews waren Grundlage für den Handlungsleitfaden, in den die Perspektiven unterschiedlicher Berufsgruppen einbezogen wurden. Der Handlungsleitfaden steht kostenlos zum Download zur Verfügung auf der Seite www.evangelisches-krankenhaus-alsterdorf.de. „Um Patienten mit Demenz optimal versorgen zu können, brauchen die Mitarbeitenden das notwendige Wissen und eine Haltung, die den Patienten in seiner Eigenständigkeit respektiert und unterstützt“, betont Dr. Poppele. Der Handlungsleitfaden trage wesentlich dazu bei, genauso wie die umfangreichen Schulungen für alle Berufsgruppen - vom Basiskurs bis zur zehntägigen Schulung für sogenannte Multiplikatoren in allen Fachbereichen, die im Stationsalltag beratend hinzugezogen werden können. Ein eigens produzierter Film informiert Angehörige und Patienten und trägt dazu bei, Ängste vor dem Klinikaufenthalt zu reduzieren. Sonderfall Delir Im Laufe der Projektarbeit ist noch ein weiteres Handlungsfeld deutlich geworden: Demenzkranke Menschen, aber auch andere hochaltrige und vulnerable Patientengruppen, sind besonders gefährdet, während eines Krankenhausaufenthalts eine psychische Störung aufgrund körperlicher Ursachen (Delir) zu erleiden. Auslöser können etwa eine außergewöhnliche Belastung durch Unfall, Krankheit, Schmerz und Angst oder einfach der Wechsel von Örtlichkeit und vertrauten Bezugspersonen sein. In der Praxis ist ein Delir oftmals nicht ohne weiteres von einer Demenz zu unterscheiden. Ziel muss es daher sein, ein Delir wenn möglich zu vermeiden, ansonsten aber rasch zu erkennen und eine Therapie einzuleiten. Denn das Delir ist ein medizinischer Notfall. Deswegen werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beider Häuser in Hinblick auf die Delir-Erkennung kontinuierlich geschult, ein DelirScreening soll regelhaft etabliert werden. Das Albertinen-Krankenhaus ist darüber hinaus an der Entwicklung geeigneter Screening-Instrumente zur Prävention und frühzeitigen Behandlung auch bei Notfallpatienten beteiligt. Auch hierbei spielt die Einbeziehung der Angehörigen eine wichtige Rolle. Projekt kennt nur Gewinner Ulrich Scheibel, Vorstand der Ev. Stiftung Alsterdorf, Träger des Ev. Krankenhauses Alsterdorf: „Wir haben langjährige Erfahrung in der Versorgung von Menschen mit kognitiven Einschränkungen, zum Beispiel aufgrund einer Behinderung. Dabei sind viele Parallelen zu Menschen mit Demenz zu beobachten, etwa bei der Frage nach der Wahrung der Selbstbestimmung auch im Krankenhaus. Ich freue mich, dass wir dank der Förderung durch die Robert Bosch Stiftung unserem Ziel, ein inklusives Krankenhaus zu sein, das Menschen mit und ohne Behinderung oder auch mit einer chronischen Erkrankung durch optimale Therapie darin unterstützt, ein weitgehend selbstbestimmtes und selbständiges Leben zu führen, wieder ein Stück näher gekommen sind!“ Ralf Zastrau, Geschäftsführer Albertinen-Krankenhaus/Albertinen-Haus: „Sich um die Belange demenzkranker Patienten in besonderer Weise zu kümmern nützt allen: Den betroffenen Patienten und ihren Angehörigen, weil es Komplikationen vermeidet und die Behandlungsqualität verbessert, den Mitarbeitern, weil sie kompetenter mit demenzkranken Menschen umgehen können und dem Krankenhaus, weil Kosten zur Behandlung von Komplikationen und unnötig lange Liegezeiten vermieden werden. Dies gilt in besonderer Weise auch für alle Maßnahmen zur Vermeidung von Deliren. Wir danken der Robert Bosch-Stiftung sehr für die Förderung dieses Projekts und werden basierend auf den gewonnenen Erkenntnissen den eingeschlagenen Kurs fortführen.“ Kontakt: Dr. Fabian Peterson Telefon 040 55 88-2408 mobil 0175 269 04 74 [email protected] www.albertinen.de Marion Förster Telefon 040 50 77 39 65 mobil 0173 24819 42 [email protected] www.evangelisches-krankenhaus-alsterdorf.de