Selten aufgeführt: Lakmé - Oper von Léo Delibes im Theater Trier

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OPERAPOINT
Jahrgang 11, Heft 2, 2011
Einzelpreis Euro 4,80
Magazin für Oper und Konzert • unabhängig • publikumsnah
Franz Liszt
Der Neutöner und unerreichte
Klavierspieler
Von Kochlöffel
schwingenden
Komponisten und
vergoldeten
Schnitzeln
Zahlreiche
Rezensionen
aus Deutschland
und Europa
Regietheater
ja oder nein?
Die
ungenießbare
Szene
Selten aufgeführt:
Lakmé - Oper von Léo Delibes im Theater Trier
Editorial
Eine Dame in rotem Sari schmückt unsere Titelseite. Sie ist die Hauptdar-
stellerin in Léo Delibes´ Oper Lakmé, die im Theater Trier am 22. Januar
2011 Premiere hatte. Es ist ein großes Verdienst des Trierer Theaters, diese
wichtige Oper auf eine deutsche Bühne gebracht zu haben. Denn französische Opern fristen hierzulande leider ein kümmerliches Dasein. An einflußreichen Häusern möchte man dem Publikum die geamte 400jährigen
Operngeschichte anbieten, unterschlägt jedoch durch weitgehendes Weglassen der französichen Oper einen wesentlichen Teil derselben.
O
hne die Operngeschichte Frankreichs mit Paris würde die Oper ihren
Siegeszug im 19. Jahrhundert kaum in der bekannten Form genommen haben. Ohne die Form der Grand Opéra wäre die Große romantische Oper
Tannhäuser und auch das Bühnenfestspiel Der Ring des Nibelungen sicher
nicht in dieser Form komponiert worden. Wie wenig man allerdings von der
französischen Operntradition verinnerlicht hat, zeigt die Form, in der Delibes´ Oper auf der Trierer Bühne umgesetzt wurde. Andeutungsweise wird
man das beim Lesen der Kritik dieser Oper (S. 32) gewahr werden. Es besteht
also dringender Nachholbedarf in Sachen französischen Musiktheaters.
Das Interview mit Professor Hampe zeigt eine sehr wichtige Gegebenheit
der Sängerausbildung auf: die Übung derselben im Handwerk der Bühnenaktion. Hampe betont immer wieder die unbedingte Notwendigkeit, wie
wichtig ist es für die Sängerausbildung ist, auch das Praktische in der Bühnenaktion zu vermitteln, die Sängerlaufbahn hinsichtlich dieser Seite zu fördern und zu unterstützen. Das Umsetzen des Gesangs in Bewegung ist eine
Voraussetzung für den Gesang, damit dieser sich auf die Zuschauer überträgt
und der Zuschauer davon gefühlsmäßig überhaupt erfaßt wird. Dieses Handwerk, das Professor Hampe unter großem Einsatz mit Studenten probiert,
wird häufig nicht als so wichtig vom Sänger empfunden, ist aber eigentlich
einer der Voraussetzungen seines Erfolgs.
D
ie gesellschaftliche Seite eines Opernbesuchs lassen wir sicher kaum aus
den Augen. Über ihre vergnügliche Seite aus den zurückliegenden Jahrhunderten lesen Sie in der dritten Fortsetzung unserer Veröffentlichung des Kochlöffel schwingenden Komponisten, die aus der Feder unseres Boardmitglieds Dr.
Andreas Gerth stammt.
D
as Vereinsinterview gilt diesmal dem Vorsitzenden an einer der großen
deutschen Opernbühnen, der Deutschen Oper Berlin, die ja jahrzehntelang
bis zum Öffnen der Mauer das einzige Opernhaus im Westen Berlins war.
Chef dieses Vereins ist Stefan Braunfels, der Enkel des Komponisten Walter
Braunfels (1882-1954), der die Kölner Musikhochschule nach dem Zweiten
Weltkrieg wieder aufgebaut hat. Sein Sohn Michael war ebenfalls Klavierprofessor an der Kölner MHS bis 1982.
Eine große Zahl von CDs und DVDs zeigen, daß wir es ernst meinen mit
unserem Vorsatz, Ihnen die wichtigsten Neuerscheinungen an Opern und
größeren Konzerten in lesbaren Rezensionen anzubieten.
Eine erholsame Osterzeit wünscht Ihnen
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OPERAPOINT 2/2011
Inhalt
Franz Liszt, der Neutöner - und unerreichte
Klavierspieler
Opernaufführungen in Deutschland
Baden-Baden, Così fan tutte ........................................ S. 22
Dr. Olaf Zenner .......................................................... S. 4
Bremen, Madama Butterfly .......................................... S. 23
Cottbus, Eugen Onegin ................................................ S. 23
Thema
Düsseldorf, Platée ........................................................ S. 24
Gera, Ulenspiegel ......................................................... S. 25
Von Kochlöffel schwingenden Komponisten
und vergoldeten Schnitzeln
Halle, Lulu ................................................................. S. 26
Dr. Andreas Gerth ....................................................... S. 5
Karlsruhe, Partenope ................................................... S. 27
Kassel, Otello ............................................................... S. 28
Interview
Köln, Aida .................................................................. S. 29
Förderkreis der Deutschen Oper Berlin
Magdeburg, Werther ................................................... S. 30
Prof. Dipl. Ing. Stefan Braunfels .................................. S. 8
Nürnberg, Macbeth ..................................................... S. 31
Trier, Lakmé ............................................................... S. 32
Informationen aus aller Welt .................... S. 10
Weimar, Tristan und Isolde ........................................... S. 33
Wuppertal, Arabella ..................................................... S. 34
Interview
Das Handwerk des Sängers
Musikalisches Rätsel .............................................. S. 35
Prof. Dr. Michael Hampe ............................................ S. 12
Opernaufführungen im Ausland
CD-Besprechungen .................................. S. 36
DVD-Besprechungen ............................... S. 45
Buch-Besprechungen ................................ S. 49
Basel, Pique Dame (Pikowaja Dama) ........................... S. 14
Luzern, Il trionfo dell’onore ........................................... S. 15
Luzern, Anna Bolena.................................................... S. 15
Paris, Giulio Cesare ...................................................... S. 16
La malscène - Die ungenießbare Szene
Paris, Francesca da Rimini ............................................ S. 17
(5. Fortsetzung der Übersetzung aus dem Französischen)
von Philippe Beaussant ................................................ S. 52
Paris, Siegfried ............................................................ S. 18
Zürich, Tannhäuser ..................................................... S. 19
Zürich, Norma ............................................................ S. 20
Impressum .................................................... S. 56
Titelbild: Lakmé , Theater Trier, 22. Januar 2011 (Premiere)
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OPERAPOINT 2/2011
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Franz Liszt, der Neutöner –
und unerreichte Klavierspieler
Auch in der „guten alten Zeit“ tobten nicht wenige Kämpfe,
und zwar auf religiösem wie auf kulturellem Terrain. Auf
dem Musiksektor kämpften die „Neudeutschen“ gegen die
„Konservativen“. Den Streit löste ein offenes Schreiben mehrerer namhafter Komponisten aus, darunter
Johannes Brahms und Joseph Joachim. Die
kritisierten Werke waren die Opern Richard
Wagners und Franz Liszts Symphonische
Dichtungen. Man sprach von „Zukunftsmusik“. Für die Konservativen war diese formlos und dissonant, eben „Unmusik“.
Es folgten viele Wochen und Monate, in denen er mehr als
zwölf Stunden am Klavier verbrachte (einmal übte er sogar
eineinhalb Tage ohne Unterbrechung). Diese Parforce-Tour
zahlte sich aus: sein erstes Konzert nach diesen Strapazen riß
wegen der unglaublichen Faszination seines
Klavierspiels die Zuhörer von den Stühlen.
Fortan waren die Konzertsäle in ganz Europa
überfüllt. Hören wir einen Zeitgenossen,
den Herausgeber der Neuen Zeitschrift für
Musik Franz Brendel, der Liszt um 1830
hörte, wie er dessen Klavierspiel beschreibt:
Ich erinnere hier, was das Pianofortespiel
Hauptangegriffener war Franz Liszt, der
betrifft, an den Liszt’schen Anschlag im Ver1842 in Weimar als Hofkapellmeister an den
gleich zu dem früherer Pianofortespieler.
großherzoglichen Hof von Carl Alexander
Früher war die Darstellung an technische
verpflichtet wurde und dort durch spektakuSchranken gebunden, jetzt sehen wir, wie
läre Opern- und Konzertaufführungen, z.B.
dieselben durchbrochen und übersprungen
die Uraufführung des Lohengrin oder eine
werden. Eine Unendlichkeit thut sich auf vor
Berlioz-Woche von sich reden machte. Liszt
unseren Blicken, und wir haben das Gefühl,
steuerte zu der neuen Musikrichtung seine
als ob diese(m) Künstler Alles möglich sei. …
12 Symphonischen Dichtungen bei. Das Neue
Das war nicht mehr Pianofortespiel im alten,
daran war, daß ein außermusikalischer Titel,
beschränkteren Sinne, hier sprach der Geist
beispielsweise Dante, Faust oder Orpheus der
unmittelbar zum Geist … er konnte den sinnMusik ein Programm vorgab.
lich schönen Ton manches früheren Virtuosen,
Um den weltberühmten Star der Klavierdas schöne Maass und die Glätte der Darstelspieler hatte sich eine große Gruppe außerFranz Liszt 1858
lung nicht mehr festhalten, aber er hat dafür
ordentlich begabter Schüler gebildet. Darunter befanden sich Hans von Bülow, der eigentlich schon neue Seiten gewonnen, von denen jene keine Ahnung hatten,
damals als Dirigent bekannt war, Alexander Ritter, Karl er ist in Gebiete eingedrungen, die man bis dahin noch nicht
Tausig, Karl Klindworth oder Julius Reubke, die heute noch betreten hatte.
als Komponisten einigermaßen bekannt sind.
In der Folgezeit spielte er zahllose Konzerte, manchmal bis zu
Liszt war in Paris aufgewachsen, wohin er 1824 als zwölfjähriges Klavierspielwunderkind mit seinen Eltern kam. Der
Vater wollte für seinen Sohn die beste Ausgangsposition
schaffen. Liszts Geburtsort Raiding verließ die Familie im
September 1843 (heute: Österreichisches Burgenland) und
kam im Dezember, nach drei Monaten mühseliger Reise mit
der Postkutsche, in Paris an. Dort wurde Liszt schnell bekannt
und der Star der Salons. Dabei muß die Ausstrahlung seiner
Persönlichkeit nicht nur wegen seines außergewöhnlichen
Klavierspiels alle beeindruckt haben. Auch die Damenwelt
schoß ihn in ihre Herzen, so daß die Pariser Journale voll von
seinen Abenteuern waren.
drei Konzerte in einer Woche. Es kam vor, daß er soeben aus
der Kutsche ausgestiegen war und unmittelbar danach aufs
Podium mußte, noch ganz steif von der rumpelnden Fahrt.
Doch die Zuhörer lagen ihm zu Füßen.
Ein großer Verlust traf Franz durch den Tod des Vaters.
Franz zählte 16 Jahre. Doch materiell ging es ihnen nicht
schlecht, da er durch Konzerte und das Unterrichten genug
verdiente. Die Bewunderung für sein Klavierspiel schien weiterhin ungebrochen. Dann hörte er im März 1830 den etwa
vierzigjährigen Niccoló Paganini. Dessen Ausstrahlung und
Virtuosität trafen ihn ins Mark! Dieser Teufelsgeiger machte
ihm unvermittelt klar, daß er zwar fabelhaft das Klavier
beherrschte, die eigentümliche Suggestion, die von Paganinis
Violinspiel ausging, ihm aber weitgehend fehlte. Doch gerade
diese Ausstrahlungskraft Paganinis wollte er unbedingt auch
auf „seinem“ Klavier erreichen.
So unterstützte er Richard Wagner in jeder Hinsicht, zunächst
bei dessen Flucht in die Schweiz, und danach erwirkte er
dessen Wiedereinreise nach Weimar. Nach Wagners eigenen
Worten übte er auf seine Kompositionen eine große Wirkung
aus. Liszts Tochter Cosima schrieb z. B. in ihren Tagebüchern:
daß er [Wagner] vieles meinem Vater gestohlen [hat], seine Symphonische Dichtungen nennt er „un repaire des voleurs – ein
Schlupfwinkel für Diebe“.
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Dabei erhielt er ungeheure Geldsummen, die er allerdings
großzügig für karitative Zwecke ausgab, so z.B. für das Beethovendenkmal in Bonn 1845 oder die Hochwassergeschädigten
der großen Überschwemmungen in Ungarn 1854. Seine Klavierschüler unterrichtete er in Weimar ohne jegliches Honorar.
Immerhin zählt man über die Jahre 184 Schülerinnen und 225
Schüler. Er half ihnen auch bei ihren verschiedenen Berufswegen. Selten trifft man auf solche Großzügigkeit!
Liszt starb am 31. Juli 1886. Er ruht auf dem städtischen
Friedhof in Bayreuth.
O. Zenner
OPERAPOINT 2/2011
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