Lebererkrankungen Update 2015 Christoph Beglinger Rationale Labordiagnostik der Leber 50 % Steatosis hepatis (reine Steatosis, Steatohepatitis) Virushepatitis Toxische Hepatitis Hämochromatose Autoimmunhepatitis, primär biliäre Zirrhose, primär sklerosierende Cholangitis, M. Wilson Rationale Labordiagnostik der Leber Leberwerte in der Routinediagnostik: 6 % gesunder Probanden • klinisch relevante Leber/Gallenwegserkrankung 1 % der Patienten rationale + kostengünstige Diagnostik Abklärung erhöhter Leberwerte Welche Diagnostik ist sinnvoll? Erkennung von Leberkrankheiten • Klinisch-chemische Diagnostik • Bildgebende Verfahren • Leberbiopsie Die Bestimmung der Leberwerte umfasst völlig unterschiedliche Parameter • Parameter, die Leberzellschädigung anzeigen (Transaminasen) • Parameter, die Cholestase anzeigen (AP, GGT) • Parameter zur Beurteilung der exkretorischen Aktivität (z.B. Bilirubin) • Leberfunktionsparameter (z.B. Albumin, Gerinnungsfaktoren) • Ergänzende Untersuchungen (Immunglobuline, Alfa-Fetoprotein, etc.) Bestimmung der Leberwerte in Ihrer Praxis • Zum Screening von Lebererkrankungen • Zum Therapie-Monitoring • Zur Beobachtung des Krankheitsverlaufs • Zur Beurteilung des Erkrankungsstadiums 1. Fall • Ein 48-jähriger Typ II Diabetiker • Diabetes ist seit 5 Jahren bekannt (Therapie: Diät und Metformin). • HbA1c betrug 7,6%. • Der Patient erhält seit 3 Jahren Simvastatin und hat einen sehr regelmässigen Alkoholkonsum (12 Standartdrinks/Woche). • • • • GPT (ALAT) 186 U/l alkalische Phosphatase normal normales Bilirubin Albumin und Elektrolyte im Normbereich. Zwei Jahre zuvor war die GPT (ALAT) 88 U/l. • Eine nochmalige Bestimmung der Leberwerte drei Monate später ergibt eine GPT (ALAT) von 202 U/l. Die Hepatitis-Serologie und die Autoantikörper sind negativ. Transaminasen • GPT (ALAT) und GOT (ASAT) katalysieren den Transfer von Aminosäuren bei der Gluconeogenese. • Die GPT (ALAT) findet sich im Zytosol der Hepatozyten und ist der spezifischere Marker für eine Leberzellschädigung. • Eine isolierte GOT (ASAT)-Erhöhung hat oft eine nicht hepatische Ursache: Myokardinfarkt, CVI, Muskelkrankheit, exzessiver Sport, etc.. • Normwerte variieren und sind allgemein zu hoch: <50 U/L für Männer und <35 U/l für Frauen. DD leichte Transaminasenerhöhung (2 – 3 facher Normwert) • • • • Fettleber, Alkohol, chron. Hepatitis B und C Medikamente und Toxine Haemochromatose EBV und CMV Infektionen • Seltener: Autoimmunhepatitis, Wilson, Alpha-1Antitrypsin-Mangel • Systemkrankheiten: Zöliakie, Hyperthyreose, Herzinsuffizienz Verhältnis von GOT (ASAT) zu GPT (ALAT) (De-Ritis-Quotient) • <1: Akute Virushepatitis < 0,7: unkomplizierter Verlauf > 0,7 : nekrotischer Verlauf • >1: Meist bei Zirrhose, chronische Hepatitis mit Übergang in Zirrhose, extrahepatische Ursache : Trauma, Myokardinfarkt • >2: Bei alkoholtoxischer Hepatitis Hepatotoxizität von Medikamenten • • • • 5% aller Ikterus – Fälle 10% der Hepatitiden (40% > 50. Lebensjahr) 55% der akuten Leberversagen 40% Paracetamol, 15% idiosynkratisch • Breites Spektrum – komplexe Differentialdiagnose – Asymptomatisch erhöhte Leberwerte, Hepatitis (akut/chronisch), Cholestase (akut/chronisch), Steatose/NASH, Granulome, Fibrose, Zirrhose, vaskuläre Läsionen, Tumore, etc. Hepatotoxisches Potential verschiedener Statine Absetzen wegen Leberversagen ALT > 3x 0.2-1/106 Simvastatin 5% Pravastatin4.5% Lovastatin 0.1-1.5% Atorvastatin 0.3-0.7% Fluvastatin <0.1% J Hepatol 2012 Hämochromatose • Prävalenz homozygoter Merkmalsträger: 1 : 300 häufigste autosomal rezessive Erbkrankheit • 3-4 fach erhöhte Eisenresorption im Dünndarm ohne Eisenbedarf Organsiderose Fall 2: Hämochromatose • Transferrinsättigung > 45% • Ferritin beträgt 1080 mg/l (Norm: 20-250 mg/l). • Die haemochromatose Genetik ergibt eine homozygtote C282Y-Mutation im Bereich des HFE-Genes. • Kosten (186.- + 24.-) Hämochromatose Organschädigung Melanodermie Hämochromatose Organschädigung Leber Lymphknoten Pankreas Hämochromatose Histologie Eisenablagerung in der Leber Leberfibrose Hämochromatose HFE-Mutationen C282Y/C282Y C282Y/H63D C282Y/Wildtyp Hämochromatosepatienten 90 % 5% 1% Gesamtbevölkerung 0,5 % 2% 4-9 % Asberg et al., Scand J Gastroenterol 2001 Hämochromatose Träger der Genmutation = Vollbild der Hämochromatose Genotyp C282Y/C282Y: 50 % keine Symptome 50 % Symptome: - 36% Leberfibrose - 38% Gelenkschmerzen - 38% Pigmentierung Olynyk et al., NEJM 1999 Hämochromatose Prognose kumulatives Gesamtüberleben 100% 50% Normalbevölkerung Patienten mit Zirrhose 0% 0 15 30 Jahre Hämochromatose Prognose kumulatives Gesamtüberleben 100% Patienten ohne Zirrhose 50% Normalbevölkerung 0% 0 15 30 Jahre 3. Fall Ein 15 jähriger Mittelschüler sucht Sie wegen einem febrilen Infekt der oberen Luftwege auf. Anamnese und körperliche Untersuchung sind unauffällig. Der Patient wirkt bei Ihrer Untersuchung müde und leicht krank. Routinelabor und Hämatogramm sind bis auf eine alkalische Phosphatase (AP) von 190 U/l normal. Zwei Wochen später ist die AP 196 U/l. Wie klären Sie weiter ab? • • • • • Gammaglutamyl-Transpeptidase (GGT) Antimitochondriale Antikörper (AMA) Ultraschall der Leber Leberbiopsie M. Wilson ausschliessen Alkalische Phosphatase • Herkunft der Serum-AP meist aus Leber, Knochen oder Intestinaltrakt, seltener aus Niere oder Plazenta • Werte stark abhängig von Alter und Lebensphase (Wachstum, Schwangerschaft) • Organspezifität durch Kombination mit anderen Parametern: GGT, 5-Nucleotidase, u.a. Gammaglutamyl-Transpeptidase (GT) • • • • Sehr sensitiv aber auch ganz unspezifisch Als alleiniger Diagnoseparameter ungeeignet Isolierter Anstieg oft auch bei Lebergesunden Bei erhöhter AP hohe Organspezifität für Leber-, Gallenwegs- und Pankreaserkrankungen • Über 2facher Anstieg der GT bei GOT/GPT > 2 verdächtig in Bezug auf Alkoholabusus (?) • Alkoholbedingte GT-Erhöhung meist völlig reversibel Autoimmunhepatitis Diagnostik • • • • • • • • • • • Geschlecht AP/Transaminasen IgG Autoantikörper Virusmarker Sensitivität 97-100 % Medikamentenanamnese Alkoholanamnese Histologie Assoziierte Autoimmunerkrankungen Genetische Marker Therapieansprechen Autoimmunhepatitis Kriterien der AG Autoimmundiagnostik der DGLM: 1. IgG 2. Virusserologie negativ 3. ANA, ASMA, LKM-1, SLA 4. typische Leberbiopsie ¾ Kriterien erfüllt sofortige Kortisontherapie (1mg/kg KG/d) + Azathioprin (2 mg/kg KG/d) Primär biliäre Zirrhose (PBC): Definition nichteitrige, destruierende Cholangitis, übergreifend auf das Leberparenchym (piecemeal Nekrosen) Labordiagnostik: IgM, AMA-M2 PBC Begleiterkrankungen Keratokonjunktivitis sicca Osteoporose Sicca-Syndrom Sjögren-Syndrom Thyreoiditis (Hypothyreose) Morbus Raynaud Arthropathien (rheumatisch und psoriatrisch) Exogene Pankreasinsuffizienz (Sicca-Syndrom) - Steatorrhoe - Vitaminmangel (A, D, E, K) Bei 80 % der Patienten mind. 1 Begleiterkrankung, 40 – 50 % haben mehrere gleichzeitig. Primär biliäre Zirrhose (PBC): ERCP Primär biliäre Zirrhose (PBC): Histologie Stadium I Stadium II Gallengangsproliferation, entzündliche Infiltrate im Periportalfeld Granulom Stadium III Zunehmendes Bindegewebe Stadium IV Zirrhose mit Schwund der kleinen Gallengänge Primär sklerosierende Cholangitis (PSC) fibrosierende, obliterierende Entzündung der intra- und/oder extrahepatischen Gallenwege, später zirrhotischer Umbau Labordiagnostik: γ-GT, AP Primär sklerosierende Cholangitis (PSC): ERCP Ursodeoxycholsäure (750 mg/d) bei PBC 100 behandelte Patienten 80 p < 0,04 Unbehandelte Patienten (Mayo-Modell) 60 40 0 5 10 Jahre Poupon et al. (1999) Überlappungssyndrome PBC 12 % 6% 13 % kryptogene Zirrhose PSC NASH - „A tale of two hits“ 1. Hit: Einlagerung von Fett in die Hepatocyten = Steatosis hepatis 2. Hit: D. mellitus Medikamente Fasten = Steatohepatitis Day & James, Gastroenterology 114: 842-845 (1998) NASH Nicht-alkoholische Fettleber NAFLD Nicht-alkoholische Fettleberhepatitis NASH Nicht-alkoholische Fettleber (NAFL) Nicht-alkoholische Steatohepatitis (NASH) • NASH = NAFLD + histolog. Nekroinflammation • hepatische Steatosis > 5% • kein übermäßiger Alkoholkonsum Männer: Männer: << 20 30 g/Tag g/Tag 0.35 l Rotwein (12 vol%) oder 0.75 l Bier (5 vol%) Frauen: Frauen: << 10 20 g/Tag g/Tag 0.2 l Rotwein (13 vol%) oder 0.5 l Bier (5 vol%) AJ Sanyal et al Hepatology 2011; 54: 344-353 NAFLD und Metabolisches Syndrom NAFLD/NASH = hepatische Manifestation des metabolischen bzw. InsulinresistenzSyndroms Hohe Assoziation mit: • viszeraler Adipositas (70-80%) • Diabetes mellitus Typ 2 (30-75%) • Hyperlipidämie (20-80%) S. Sherlock, 1998 NASH - Assoziation mit Diabetes und Hypertonus - 80 % 60 40 20 0 kein DM, kein HT HT DM DM, HT n=105; BMI>35 Dixon et al., Gastroenterology 121: 91-100 (2001) Hepatitis C • Die Hepatitis C ist die häufigste Blut-übertragene Infektion in der Schweiz (3 x häufiger als HIV) • In der Schweiz gibt es 80‘000-90‘000 HCV infizierte Personen. Beim BAG gemeldet sind 45‘000. • Die Ansteckung erfolgt parenteral. – IV Drogengebrauch häufigste Uebertragungsart – Vor 1990 auch durch kontaminierte Blutprodukte – Sehr selten Geschlechtsverkehr – Vertikale Uebertragung <5% – ¼ unklare Ansteckungsroute HCV Infektion HCV Infektion HCV Infektion Arch Intern Med. 2002;162(22):2545-2556. doi:10.1001/archinte.162.22.2545 Hepatitis C ist heilbar! • Ursprünglich Therapie mit Interferon • 2000 zusätzlich Ribavirin dazu gegeben. Ribavirin war als antivirales Medikament bereits unter anderem bei hämorrhagischen Fieber, zum Beispiel durch das Hanta-Virus ausgelöst, im Einsatz. • 2002 wurde die Gabe des Interferons vereinfacht (Pegylierung). • • • • • Die Therapiezeit je nach Genotyp zwischen 24 und 72 Wochen Heilungschance bei ca. 50%. Genotyp 1 waren die Erfolge gerade mal an die 50%. Genotyp 2 erzielte hier bereits 80% Heilungserfolge Genotyp 3 lag bei ca. 60%. Aber: Nebenwirkungen! Die Nebenwirkungen der damaligen Standardtherapie waren gravierend. Von Blutbildveränderungen über Schilddrüsenproblemen bis hin zu starken Hautreaktionen und Depressionen. Es gab nichts, was es nicht gab. Anmerkung: Wobei man betonen muss, nicht jeder ging geradezu „durch die Hölle der Behandlung“. Einige haben die Nebenwirkungen gut verkraftet. Übersicht der Wirkstoffe • PEGyliertes Interferon alpha • Ribavirin • Wirkstoffe mit der Endung -buvir (Nukleos(t)idische Polymerase (NS5B)Inhibitoren) -avir (NS5A-Inhibitoren) -previr (Protease-Inhibitoren) Übersicht der Wirkstoffe • • • • • • Sofosbuvir (Sovaldia) Ledipasvir (Kombination mit Sofos=Harvoni) Dasapuvir (Exviera) Ombitasvir (Viekirax) Simeprevir (Oylsio) Daclatasvir (Daklinza) Zusammenfassung Rationale Labordiagnostik der Leber University of Virginia; Caldwell (2001) Rationale Labordiagnostik der Leber Leberspezifität • GOT (ASAT) nein • GPT (ALAT) ja • γ-GT ja • AP nein (Knochen) • Bilirubin nein (Hämolyse, etc.) (Skelettmuskel, Myokard) Rationale Labordiagnostik der Leber • GOT (ASAT)/GPT (ALAT), y-GT, AP • Blutbild (Leuko, Thrombo) • Cholesterin, Triglyceride, Glucose, Ferritin • Elektrophorese • Hepatitisserologie (anti-HCV, HBsAG) • Medikamente/Drogen Rationale Labordiagnostik der Leber • quant. Immunglobuline IgA => Alkohol IgM => PBZ IgG => autoimmune Hepatitis • Auto-Ak • Coeruloplasmin, Kupferausscheidung im Urin • Genetik (HFE-Gen, alpha-1-AT) Rationale Labordiagnostik der Leber GOT/GP T führend hepatitisch Virushepatitis autoimmune Hepatitis AP führend cholestatisch GGT führend metobolischtoxisch PBZ PSC medikamentös-toxisch ASH NASH