LP Av B Büttner Julia - Andrea von Braun Stiftung

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voneinander wissen
Sprache und Kognition
Diskurspragmatik und Textverarbeitung bei Exekutivstörungen
Autorin: Dr. phil. Julia Büttner / Projekt: Sprache und Kognition. Diskurspragmatik
und Textverarbeitung bei Exekutivstörungen / Art des Projektes: Publikation der
Dissertation
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In meiner Dissertation habe ich mich mit der Frage nach der Interaktion von Sprache,
Kognition und Verhalten und deren Repräsentation im Gehirn auseinander gesetzt. Im
Zentrum stand dabei die Entwicklung und Evaluation eines Diagnostik- und Therapieverfahrens für Menschen mit Sprachstörungen bei beeinträchtigten kognitiven Fähigkeiten.
Das Projekt wurde über einen Zeitraum von 3 Jahren berufsbegleitend im Rahmen des
Promotionsprogramms (LIPP, LMU München) an der Schön Klinik Bad Aibling durchgeführt. Durch meine Tätigkeiten als Dozentin am Lehrstuhl für germanistische Linguistik
und als akademische Sprachtherapeutin in der neurologischen Rehabilitation ist mir die
fruchtbare Zusammenarbeit verschiedener Fachbereiche vertraut und durch viele positive
Erfahrungen und gegenseitiges Interesse am Wissenstand anderer Disziplinen hoch
geschätzt. Dieses Interesse am interdisziplinären Erkenntnisgewinn motivierte mich, aktuelle Forschungsthemen der Linguistik, Psychologie, Pädagogik und Neurologie zu vergleichen
und in die individuelle Behandlung von Menschen mit Schädelhirnverletzung zu integrieren. Durch den integrativen Ansatz meines Projektes konnten für die Behandlung von
Menschen mit neurologischen Erkrankungen wichtige Impulse gesetzt werden, was sich im
positiven Verlauf des Projekts verdeutlichte.
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1. Einführung – Das Zusammenspiel von Sprache und Kognition
Wenn wir im Laufe unseres Lebens unzählige Ereignisse verarbeiten, mit unseren
Mitmenschen Erfahrungen austauschen und schließlich auf vielfältige Weise Wissen erwerben, dann werden diese Gedankeninhalte durch unsere Sprache vermittelt und strukturiert.
Unsere Fähigkeit, Erlebnisse und Gedanken durch Sprache in ein Format zu übertragen, das
abgespeichert und deren Bedeutung zu einem späteren Zeitpunkt wieder abgerufen werden
kann, ist eine zentrale Fähigkeit des Menschen. Unsere Sprache spielt daher eine entscheidende Rolle für die Fähigkeit des Menschen, über sich selbst zu reflektieren und somit eine
eigene Identität zu bilden (Leiss 2009: 283f., Mar 2004). Dafür stehen uns mentale Prozesse
zu Verfügung, die zum einen die Bedeutung – die Semantik – der gedanklichen Inhalte
strukturieren und zum anderen, die Verbindung der einzelnen Sinneinheiten zu größeren
Gedankenkomplexen steuern. Für diesen Prozess der Sinnkontinuität benötigen wir grammatische aber auch planerische Fähigkeiten, die uns ermöglichen diese Bedeutungsinhalte,
kohärent zueinander in Beziehung zu setzen. Neben ausreichenden kognitiven Kapazitäten
von Gedächtnis und Aufmerksamkeit brauchen wir auch solche, die diese mentalen
Fähigkeiten sinnvoll steuern. In den Kognitionswissenschaften werden mit dem Begriff
„Exekutivfunktionen“ eben diese kognitiven Fähigkeiten bezeichnet, die für die flexible
Planung und Koordination von Handlungen notwendig sind (Müller et al. 2006, Müller &
Münte 2009). Ohne intakte Exekutivfunktionen ist eine erfolgreiche Bewältigung des
Alltags aber auch die Durchführung eines komplexen Vorhabens nicht möglich, denn sie
ermöglichen es uns, die Struktur und den Ablaufs einer Handlung zu modifizieren, ohne das
ursprüngliche Ziel aus den Augen zu verlieren (Shallice 1982).
Abb. 1) Die Regionen des Frontallappens (aus Thier 2006: 471)
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Bestimmte Regionen des Gehirns, hierbei insbesondere der präfrontale Cortex
(„Stirnhirn“), werden mit den Exekutivfunktionen in Verbindung gebracht. Die Fähigkeit
des Menschen zur komplexen Handlungsplanung entwickelt sich parallel zur neuronalen
Entwicklung dieser Hirnstruktur. Mit zunehmender Reifung frontaler Hirnstrukturen im
Laufe des Lebens werden bestimmte kognitive Fähigkeiten effizienter genutzt. Dadurch
können auch sprachliche Fähigkeiten, für die zu einem früheren Zeitpunkt in der individuellen Entwicklung erhöhte Aufmerksamkeitsleistungen erforderlich waren, mehr und mehr
automatisiert werden. Dieser Prozess der neuronalen Reifung und Ausdifferenzierung präfrontaler Hirnstrukturen kann bis ins Erwachsenalter hineinreichen. So entstehen neuronale Pfade für Exekutivfunktionen, die uns die Verarbeitung von komplexen Informationen
und sprachbasierten Handlungen ermöglichen. Insbesondere auf der Ebene von größeren
sprachlichen Einheiten (sogenannten Makrostrukturen) wie beim Verstehen und
Produzieren von Texten und Diskursen sind Exekutivfunktionen involviert (Alexander
2006, Ardila 2012).
Dies verdeutlicht sich durch den Aufbau von sprachlichen Makrostrukturen. Wenn wir
einen schriftlichen oder mündlichen Text produzieren wollen, dann geschieht dies nicht nur
durch das Aufsummieren einzelner Sätze. Nehmen wir an, wir möchten einem Kollegen von
einem Ausflug am letzten Wochenende berichten, dann werden in der Planung dieser
Alltagserzählung (narrativer Text) die zu berichtenden Ereignisse der kommunikativen
Situation entsprechend nach Aspekten der Relevanz ausgewählt und für den
Formulierungsprozess sequenziert. Dieser Planungsprozess geschieht unter einer von uns
gewählten Perspektive, die uns ermöglicht Referenzbereiche wie Ort, Zeit und Modalität zu
den Ereignissen zuzuweisen. Da unsere sogenannte Speicherkapazität unseres Gedächtnisses
(Arbeitsgedächtnis) begrenzt ist, benötigen wir auch reduktive Prozesse, um die uns zu
Verfügung stehenden kognitiven Ressourcen zu nutzen, damit wir genau das übermitteln
können, was uns zum Sprechzeitpunkt relevant/bedeutsam erscheint. Wir müssen dabei
nicht immer alles an Sachverhaltswissen verbalisieren, sondern wir können davon ausgehen,
dass unser Gesprächspartner aufgrund der zuvor mitgeteilten Information oder unter
Einbezug des gemeinsamen Weltwissens die implizite enthaltene Information verstehen
kann. (Büttner 2014: 129; von Stutterheim 1987)
Unser Gesprächspartner ist generell in der Lage in einem sprachlichen Kontext bestimmte
Schlussfolgerungen (Inferenzen) zum Gehörten anzustellen. Dazu gehören beispielsweise
Inferenzen zur Art und Weise eines Vorgangs aber auch zur kausalen Konsequenz eines
Ereignisses. Je nach Kontext und Vorwissen sind die Informationen, die wir beim
Sprachverstehen inferieren mehr oder weniger bewusst und daher unterschiedlich fordernd
für unsere kognitiven Ressourcen (van der Meer 2003).
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Beispiele:
1) Er schlug den Nagel in die Wand (inferierte Information: mit einem Hammer =
instrumentelle Inferenz, die automatisiert beim Sprachverstehen gebildet wird)
2) Herr Weizel beisst in einen knackigen Apfel. Am nächsten Tag muss er zum Zahnarzt
(inferierte Information zur Kausalität des Ereignisses: z.B. dabei fiel im einen Plombe
aus dem Zahn)
Bei dem zweiten Beispiel bleiben die Bedeutungen der beiden Sätze solange in unserem
Arbeitsgedächtnis aktiviert, bis eine kausale Verknüpfung generiert werden kann. Dies ist
mit einem erhöhten zeitlichen Aufwand verbunden und erfordert einen bewussten mentalen Vorgang.
Dieses Zusammenspiel von Sprache und Kognition kann durch eine Schädigung des
Gehirns empfindlich beeinträchtigt werden. Nach neurologischen Erkrankungen wie einem
Schlaganfall oder einem Schädelhirntrauma (SHT) können Kommunikationsstörungen
auftreten, die sich besondere durch Beeinträchtigungen im Diskursverhalten oder dem
Verstehen und Produzieren von Texte auswirken. Besonders nach diffusen
Hirnerkrankungen bei SHT oder vaskulären Erkrankungen, die zu einer Schädigung von
präfrontalen Strukturen führen, treten diese kognitive Kommunikationsstörungen auf.
2. Wenn der Sinn fehlt! Symptome von kognitiven Kommunikationsstörungen
Die Symptomatik von kognitiven Kommunikationsstörungen kann sehr vielfältig sein.
Gemeinsam ist den Störungsprofilen der Betroffenen, dass sie mit der kommunikativen
Verwendung von Sprache Probleme haben, obwohl keine Störung im Satzbau (Syntax) oder
der Lautform von Wörtern (Phonologie) vorliegt. Ihr sprachlicher Ausdruck ist jedoch
unpräzise und semantisch vage mit der Folge, dass Gesprächspartner die Redeabsicht und
den Inhalt von Äußerungen nicht verstehen können. Neben den Problemen im differenzierten Wortabruf kann es auch zu vielen thematischen Wechseln im Gespräch kommen, dem
Verlieren in Details bis hin zur Weitschweifigkeit. Diese Patienten haben oft eine Störung
der Exekutivfunktionen, die sich in einer beeinträchtigten kognitiven Flexibilität und einer
eingeschränkten Selbstwahrnehmung bemerkbar macht. Oft ist auch das Verstehen von
übertragener Sprache problematisch, wie bei Metaphern (blauäugig sein) oder
Redewendungen (Die Flinte ins Korn werfen). Die Patienten können die intendierte
Bedeutung nicht verstehen, sondern verstehen die Äußerungen wortwörtlich. Auch das
Verstehen von Witzen, humoristischen oder sarkastischen Äußerungen fällt ihnen deshalb
schwer (Glindemann & von Cramon 1995). Durch die Beeinträchtigung im Verstehen von
Inferenzen (vgl. Beispiel 2, Kap. 1) ist auch das Auflösen von Pointen erschwert.
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Zusätzlich zu den genannten Problemen in der thematischen Organisation von Äußerungen
zeigen die Betroffenen auch Defizite in der sozio-kommunikativen Verwendung von
Sprache. Dies macht sich durch Distanzlosigkeit, der Missachtung von Gesprächskonventionen (z.B. dem Wechsel von Frage und Antwort, Anredeformen, Relevanz der
Redebeiträge) und einem Mangel an Empathie (z.B. Missachten des Wissenstands des
Gesprächspartners) deutlich (Büttner 2014, Kap. 8.4). Natürlich kommen auch im nichtpathologischen Gesprächsverhalten manche der aufgeführten Symptome vor. Jeder kennt es
von sich selbst, dass man zeitweise Schwierigkeiten hat, den roten Faden im Gespräch zu
behalten oder bei einem gelesen Text nicht das Wichtige vom Unwichtigen unterscheiden zu
können. Der Unterschied zu den kognitiven Kommunikationsstörungen besteht darin, dass
wir uns unsere Fehler bewusst machen können und bei einer erneuten Bearbeitung einer
Aufgabe zum Ziel kommen können, da wir über ausreichende planerische Fähigkeiten und
Selbstreflexion verfügen. Im Gegensatz zu Patienten mit Exekutivstörungen können wir im
Gespräch oder im Verstehen von sprachgebundener Informationen (z.B. beim Lesen von
Texten unterschiedlichen Typs) einen Wechsel der Perspektive einnehmen und damit einen
Zugang zum Inhalt der Äußerungsbedeutung oder des Sachverhalts erreichen. Zudem zeigen
sich die Beeinträchtigung der Patienten bereits auf sehr fundamentaler Ebene und stehen im
deutlichen Gegensatz, bezieht man zur Einschätzung des Schweregrads der Störung
Informationen von Angehörigen mit ein, zum eigentlichen (also vor der Erkrankung vorhandenen) kognitiven Niveau der Betroffenen.
So kann es sein, dass ein Patient der zuvor erfolgreich als Jurist in einer Anwaltskanzlei gearbeitet hat und als redseliger und freundlicher Mensch von seinen Familienangehörigen
beschrieben wurde, nach einem Bergunfall, der zu einer Schädigung der präfrontalen
Bereiche des Gehirns führte, nun ein deutlich verändertes Gesprächsverhalten aufweist. Er
produziert nur noch fragmentarische Äußerungen, wiederholt unkontrolliert und ohne
inhaltlichen Bezug einzelne Wörter oder Phrasen (sog. Perseverationen) wirkt ideenarm und
kann den Ablauf von einfachsten Alltagshandlungen nicht verbalisieren. Er vergisst oder
verwechselt Handlungsschritte bei der Körperpflege oder bei Routinen und simplen
Vorhaben wie bei Einkaufen im Supermarkt oder mit der Bahn vereisen (z.B. würde er sich
erst zum Gleis begeben und danach den Koffer packen). Auch das Verstehen von einfachen
kurzen Texten stellt für den zuvor sehr belesen Juristen ein großes Problem dar. Ihm gelingt
es seit der Hirnschädigung nicht das Thema des Textes zu erkennen und er zeigt mit dem
Merken von Details und dem Verstehen von impliziter Textinformation große
Schwierigkeiten. Obwohl diese Beeinträchtigungen eine fatale Auswirkung auf seine privaten und beruflichen Aktivitäten haben, zeigt der Patient keine Störungseinsicht. Dieses
Phänomen der Anosognosie (griech. A – nicht, nosos – Krankheit, Gnosis – Erkenntnis)
bezeichnet die Unfähigkeit von Patienten die Symptome einer Hirnschädigung wahrzuneh-
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men und deren Konsequenz für das eigene Leben abzuleiten. Wichtig ist dabei auch, dass
dies keine willentliche Entscheidung der Betroffenen ist, sondern in der Fachliteratur als
Störung eines internen Kontrollsystems und der Selbstreflektivität beschrieben wird
(Drechsler 2007, Müller 2013: 13).
3. Diagnostik und Therapie kognitiver Kommunikationsstörung: Ergebnisse einer Gruppenstudie
Während bereits für einige Typen von neurologisch bedingten Kommunikationsstörungen
(wie Aphasien, Dysarthrien) empirisch überprüfte und modelltheoretisch fundierte
Verfahren für die Diagnostik und Therapie zur Verfügung stehen, ist der Themenbereich der
kognitiven Sprach- und Kommunikationsstörungen im deutschsprachigem Raum bislang
eher wenig untersucht, betrachtet man die Angaben zur Häufigkeit von neurologischen
Erkrankungen. Pro Jahr erkranken in Deutschland 150 000 Menschen an einem ischämischen Schlaganfall (d.h. durch Minderdurchblutung bedingten) und etwa 250 000
Menschen leiden an den Folgen eines Schädelhirntraumas (Leitlinie DGN, Stand 2012).
Diese hohen Fallzahlen und die teils massiven Einschränkungen und Auswirkungen auf den
Alltag sprechen klar für die Entwicklung eines in der Linguistik und Psychologie theoretisch
verorteten Screeningverfahrens, das auch in der klinischen Praxis die Ableitung für individueller Behandlungsziele gewährleisten kann.
Für das systematische Erfassen von höheren sprachlichen Fähigkeiten auf Text- und
Diskursebene wurde daher im Rahmen eines Forschungsprojekts das empirisch überprüfte
Screeningverfahren MAKRO (Büttner 2014) entwickelt, das auch Implikationen für spezifische Therapieansätze bietet. Im Folgenden wird auf die Grundzüge des
Screeningverfahrens, die Ergebnisse einer Gruppenstudie bei Patienten mit gestörten
Exekutivfunktionen und die daraus ableitbaren therapeutischen Möglichkeiten eingegangen.
3.1. Entwicklung des Screeningverfahrens MAKRO für die Diagnostik der Textebene
Für die Entwicklung des Screeningverfahrens MAKRO wurde eine Datenbankrecherche
zur Fachliteratur durchgeführt mit den Themenbereichen kognitive Kommunikationsstörungen, Exekutivfunktionen und textlinguistischen Sprachverarbeitungsmodelle. Die entsprechenden Arbeiten wurden in Bezug auf relevante Parameter der Diagnostik für die Textund Diskursebene analysiert. Es zeigte sich, dass für die Erfassung von Störungen vor allem
die Realisierung der thematischen Organisation und die Vollständigkeit der
Informationsstruktur eine Rolle spielt. Bei Erzähltexten (narrative Texte, wie die erzählerische Gestaltung eines Ereignisses/Erlebnisses) bezieht sich dies auf die Anzahl der relevanten geäußerten oder verstandenen Sinneinheiten (sog. obligatorische Propositionen) und
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auf die Strukturierung der Erzählstruktur nach Situierung, Komplikation und Resolution
der erzählten Episoden. Bei den Texten zu Handlungsabläufen (prozedurale Texte zu
Handlungsabläufen wie Kaffee kochen, Reifen wechseln, Reise planen) ist eine Auswahl
nach Relevanzaspekten und die Sequenzierung von notwendigen Schritten für das
Realisieren der jeweiligen Handlung notwendig (Lê et al. 2012). In der Forschungsliteratur
werden bei Patienten mit kognitiven Kommunikationsstörungen Beeinträchtigungen in der
thematischen Strukturierung (z.B. narrative Erzählstruktur, prozedurale Struktur) und
Schwierigkeiten im Unterscheiden von relevanten versus irrelevanten Sinneinheiten im
Produzieren und Verstehen von mündlichen und schriftlichen Texten hervorgehoben (für
SHT siehe z.B. Blyth 2012, Drechsler 1997). Dabei zeigte sich, dass Erzähltexte für diese
Patienten zudem deshalb anspruchsvoll sind, da sie das Verbinden von aufeinanderfolgenden
Ereignissen und die Einnahme einer Perspektive erfordern, um die Intentionen von
Handlungsträgern zu erkennen und zu bewerten. Da der flexible Wechsel der Perspektive im
Prozess der Sprachplanung diesen Patienten besondere Probleme bereitet, haben narrative
Texte eine hohe diagnostische Relevanz (Büttner 2014: 192f., Ferstl et al. 2005).
Daher wurde diese Textsorte für die Erfassung der mündlichen Erzählfähigkeit in das entwickelte Screeningverfahren MAKRO aufgenommen. Beim Textverstehen wird in
MAKRO die Dauer der Texterfassung sowie die Auffälligkeiten im Umgang mit der
Aufgabenstellung (z.B. assoziative Äußerungen, „Hängenbleiben“ im Text oder
„Zurückspringen“ zu bereits gelesenen Passagen) während des Lesens erfasst. In der
Bewertung des Textverstehens wird ausgewertet, ob Fragen zum Textinhalt korrekt und vollständig beantwortet werden können. Dabei wird auch analysiert, ob sich besondere
Probleme im Verstehen von impliziten Informationen aber auch, ob das Verstehen von
Inferenzen (wie die Pointe oder Motivationen von Handlungsträgern) erschwert ist.
3.2. Aufbau des Screeningverfahrens MAKRO
Der Test ist in vier Bereiche gegliedert (Textrezeption, Textproduktion, Prozedurale
Sequenzen, Inferenzen) und in unterschiedlicher Gewichtung nach der Auswahl von relevanten Sinneinheiten (obligatorischen Propositionen), deren chronologischer Anordnung
und der Integration von semantischen Inferenzen ausgerichtet. In den einzelnen Untertests
wird überprüft, ob Sinneinheiten nach Relevanzaspekten ausgewählt und in Bezug zu einem
übergeordneten Thema unter Berücksichtigung der Kausalität der Ereignisse organisiert
werden können.
Das Verfahren testet die kognitive Verarbeitung bei unterschiedlichen Textsorten (narrative,
prozedurale Texte) und ermöglicht daher eine differenzierte Einordnung von Text- und
Diskursstörungen. Mit diesem methodischen Vorgehen ist es daher möglich, modalitätsspe-
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zifische Abweichungen (z.B. Verstehen vs. Erzählen) empirisch zu prüfen und eine
Einschätzung des Schweregrads vorzunehmen.
Der Untertest Textrezeption (1) besteht aus einem narrativen Text, zu dem 10 SingleChoice-Fragen gestellt werden. Diese beziehen sich auf das Verstehen von impliziter versus
explizit genannter Textinformation. In der Textproduktion (2) wird anhand von zwei unterschiedlich langen Bildgeschichten die Fähigkeit des mündlichen Erzählens geprüft. Im
Untertest Inferenzen (3) wird anhand von 10 Aufgaben das Verstehen von kausalen
Inferenzen (d.h. Schlussfolgerungen, die sich auf die Ursache einer Handlung beziehen)
getestet. Bei den prozeduralen Sequenzen (4) wird die Fähigkeit des Sortierens von
Handlungsabfolgen geprüft. MAKRO enthält auch eine parallelisierte Version, um die
Fähigkeit in der Eingangsdiagnostik mit der Leistung nach einer Therapiephase von 15
Einheiten vergleichen zu können. Für die Vergleichbarkeit der Leistungsprofile zwischen
den Patienten mit kognitiven Sprach- und Kommunikationsstörungen und gesunden
Probanden sowie zwischen unterschiedlichen Testzeitpunkten wurde ein Bewertungssystem
nach Punkten entwickelt.
Untertest
Aufgabe
Bewertung
Punkte
1) Textrezeption
Single-Choice-Fragen
Thematisch richtige Proposition
30
2) Textproduktion
Mündlich expressiv,
(4- und 8-stufige
Bildsequenzen)
Anzahl obligatorischer
Propositionen und Inferenzen
Schriftliches Generieren
von Schlussfolgerungen
im Kontext
Generierung einer
inferentiellen Proposition
30
Handlungsabfolgen
sequenzieren
Kausales + temporales
Sequenzieren von Propositionen
30
3) Inferenzen
4) Prozedurale
Sequenzen
31 (A)
30 (B)
Abb. 2) Die Testbereiche von MAKRO1 (Büttner 2014, Kap. 7)
1
Das entwickelte Diagnostikverfahren MAKRO steht auf der Homepage des Stauffenburg
Verlags zum Download zu Verfügung und ist damit optimal jederzeit anwendbar sowohl für die
sprachtherapeutische als auch für die neuropsychologische Praxis.
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3.3. Studiendesign und Forschungsfragen
Zielgruppe der entwickelten Textdiagnostik sind Patienten mit kognitiven Kommunikationsstörungen. Daher wurden in die Gruppenstudie Patienten mit Einschränkungen in den
kommunikativen Fähigkeiten und Beeinträchtigungen in Exekutivfunktionen nach unterschiedlichen neurologischen Erkrankungen (vaskulärer Ursache, Schädelhirntrauma) eingeschlossen. Dazu wurden für jeden Patienten sowohl kognitive Leistungstests, interdisziplinäre Experteneinschätzungen von Sprachtherapeuten und Neuropsychologen als auch Werte
von Bewertungsskalen, die Einschränkungen im Alltag (FIM2-Wert < 7) sichtbar machen,
erhoben. Bei den neurologischen Probanden wurden die Leistungen im Arbeitsgedächtnis
(HAWIE-R; Zahlenspanne vorwärts und rückwärts, Tewes 1991), im Planerischen Denken
(Tower of London. Dt. Version, Tucha und Lange 2004) und in der Wortflüssigkeit
(Regensburger Wortflüssigkeitstest, Aschenbrenner et al. 2000) erfasst, um mögliche
Korrelationen zwischen Exekutivfunktionen und den Ergebnissen der Textdiagnostik transparent zu machen. Als Einschlusskriterium für beeinträchtigte Exekutivfunktionen galten
für die Gruppe der Patienten in mindestens einem der Testbereiche unterdurchschnittliche
Werte in den genannten kognitiven Testverfahren (Büttner 2014: 135f./150f.)
Im Rahmen der empirischen Studie wurde auch der Frage nachgegangen, ob sich
Leistungsdissoziationen in Abhängigkeit der Komplexität des Materials zeigen und ein
Bezug zu einzelnen exekutiven Funktionen (Arbeitsgedächtnis, Wortflüssigkeit,
Planerisches Denken) möglich ist. Mit dem Verfahren sollte zunächst eine Trennung zwischen einer beeinträchtigten und unbeeinträchtigten Textverarbeitungsleistung erreicht
werden.
Daher wurde das Screeningergebnis von jedem Patienten einem nach Geschlecht, Alter und
Bildungsgrad parallelisierten Kontrollproband gegenüber gestellt. Insgesamt nahmen an der
Studie 41 Probanden teil.
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FIM: Functional Indepence Measure. Der FIM ist ein Instrument, um die funktionale
Selbstständigkeitsmessung im Alltag zu erheben. Ein Wert von „7“ bedeutet, dass der Patient die
bewertete Aktivität, wie Sprechen oder Verstehen, in gewohnter Weise ausführen kann. Ein Wert
von „6“ verweist auf Einschränkungen, die entweder mit Hilfsmitteln oder einem erhöhten
Zeitbedarf kompensiert werden können. Ab einem Wert von „5“ ist der Betroffene zur
Verrichtung der Alltagsaktivität auf eine Hilfsperson angewiesen. Der Wert „1“ zeigt an, dass
der Betroffene eine totale Hilfestellung benötigt. Die deutsche Version wurde von der
Internationalen Vereinigung für Assessment in der Rehabilitation (IVAR) (1999) herausgegeben.
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Im Folgenden wird auf einige zentrale Forschungsfragen der Studie eingegangen.3 Die einzelnen Hypothesen wurden mit strukturentdeckenden statistischen Verfahren geprüft. Von
besonderen Interesse war, inwiefern sich die Ergebnisse der Patienten von denen neurologisch gesunder Probanden unterscheiden, und ob die Variablen der Exekutivfunktionen mit
den Variablen der Textdiagnostik Gemeinsamkeiten aufweisen (Büttner 2014: 202ff.).
Kann die entwickelte Textdiagnostik kognitive Kommunikationsstörungen erkennen?
Abb. 3) Die Gesamtbewertung im MAKRO-Screening (Gruppenvergleich)
In der Grafik wird anschaulich, dass sich die Patientengruppe von den neurologisch gesunden Kontrollprobanden signifikant unterscheidet. Anhand des entwickelten Screenings
kann daher die beeinträchtigte Leistung von Patienten mit Exekutivstörungen von der
Leistung einer gesunden parallelisierten Probandengruppe getrennt werden. Das
Diagnostikverfahren ist daher geeignet, Störungen im Verarbeiten von Texten bei Patienten
mit kognitiven Kommunikationsstörungen differenziert zu erkennen. Dabei werden auch
Leistungsdissoziationen deutlich, die für das Ableiten von Therapiezielen eine wichtige
Rolle spielen. Durch die Leistungsbewertung nach einem Punktsystem können Störungen
auf Text- und Diskursebene auch in Schweregrad und Modalität unterteilt werden. Es zeigte sich, dass Exekutivstörungen höhere sprachliche Fähigkeiten auf Textebene in unterschiedlicher Ausprägung beeinträchtigen (Büttner 2014: 176).
3
Der Schwerpunkt wird hierbei auf die Untertests Textrezeption und Textproduktion gelegt.
Eine ausführliche Darstellung und Diskussion der Testergebnisse findet sich bei Büttner (2013,
2014).
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Gibt es Unterschiede im Textverstehen zwischen Patienten mit Exekutivstörungen und einer
gesunden Kontrollgruppe?
Im Untertest Textrezeption schneidet die Patientengruppe im Vergleich zu den anderen
Untertests von MAKRO am besten ab (M = 23,473; sd = 6,874), sie liegt jedoch auch in
diesem Testbereich signifikant unter dem Ergebnis der Kontrollgruppe (Mann-Whitney-UTest; z = -4,115; p < 0,001, einseitig).
Kontrollgruppe
Patientengruppe
Abb. 4) Ergebnisse des Gruppenvergleichs im Untertest Textrezeption
Beispiel: Textauszug aus dem Untertest Textrezeption
So ein Mist! Warum musste Luzia das heute nur passieren? Gerade wo sie heute um 09.00
Uhr in München ein wichtiges Bewerbungsgespräch in einer beliebten Firma hatte! Nach
nur 50 Metern war die Fahrt durch den dichten Novembernebel mit ihrem Auto zu Ende
gewesen. Sie hatte einen Platten! Ein Reifenwechsel würde zu viel Zeit in Anspruch nehmen
und sie käme viel zu spät. Jetzt half nur noch die Bahn! (…).
Warum hatte Luzia heute Glück im Unglück?
a.) weil heute kein Stau auf der Autobahn war.
x
b.) weil sie gerade noch den Zug erwischt hatte.
c.) weil sie bei einer beliebten Firma arbeitet.
Abb. 5) Beispiel für eine Frage zu implizitem Textwissen – Untertest Textrezeption
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Die Patientengruppe zeigt Fehler bei Fragen, die das Verarbeiten von Detailinformationen,
aber auch Fehler, die das Verarbeiten von implizit genannter Information betreffen (vgl.
Abb. 5). Die Patienten hatten Probleme in der Strukturierung der Textinformation, was sich
z.B. durch Schwierigkeiten im Erkenn des Textthemas oder beim Finden von Titeln und
Überschriften zeigte.
In den Korrelationsberechnungen zwischen den Ergebnissen der Textrezeption und den
geprüften Exekutivfunktionen ließen sich interessante Dissoziationen ausmachen.
Statistisch bedeutsame Bezüge zeigte sich in der Arbeitsgedächtnisleistung (r = .431*, positive und signifikante Korrelation). Dies galt jedoch nicht für das Testergebnis zur
Handlungsplanung (r = .372). Dies könnte der Tatsache geschuldet sein, dass beim
Textverstehen mehr kognitive Prozesse des Speicherns von sprachlicher Information gefordert sind und weniger Fähigkeiten, die eine eigenständige Planung eines Sachverhalts erfordern (Büttner 2014: 178f./183f.).
Durch welche makrostrukturellen Merkmale in der mündlichen Textproduktion unterscheiden
sich die Probandengruppen?
Die Unterschiede zwischen der sprachgesunden Gruppe und der Patientengruppe zeigten
sich nicht nur anhand der Anzahl der geäußerten notwendigen Sinneinheiten, sondern wurden auch durch qualitative Unterschiede evident. Die Patientengruppe wich von den
Gesunden nicht in der Länge der mündlich produzierten Erzählungen ab, sondern äußerte
weniger relevante Sinneinheiten (Propositionen). Irrelevante Sinneinheiten (sog. Periphere
Propositionen), wie thematische Fehler sowie assoziative Äußerungen kamen während der
Bearbeitung der Aufgabe nur bei den Patienten vor. Auch für den Untertest Textproduktion
lassen sich eindeutige Bezüge zwischen den gemessen Exekutivfunktionen und den
Testparametern festmachen. Die Anzahl der gemessenen notwendigen Sinneinheiten korreliert in der narrativen Textproduktion bei einer komplexen Bildgeschichte stark und signifikant mit der Handlungsplanung (r°= .611**), jedoch nicht signifikant mit dem
Arbeitsgedächtnis (r°= .391). Für das Produzieren eines mündlichen Erzähltextes scheinen
auf Grundlage der bisherigen Daten daher mehr spezifische sprachliche Planungsprozesse
gefordert zu sein als für das Textverstehen. In der Textrezeption wirkten sich
Beeinträchtigungen im Arbeitsgedächtnis mehr auf das Erkennen von relevanter und implizit genannter Textinformation aus (Büttner 2014: 178f./188f.).
Lässt sich ein individueller Therapieerfolg mit dem Diagnostikverfahren messbar machen?
Mit einer Gruppe von acht Patienten (n = 8) wurde für die Dauer von 2–3 Wochen eine
festgelegte Anzahl von Therapieeinheiten durchgeführt.
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Ein wichtiges Kriterium bei der Auswahl der zu trainierenden Inhalte waren dabei die
Ergebnisse der Eingangsdiagnostik (Test A). In der Trainingsphase wurde auf Texte zurückgegriffen, die einen niedrigeren Informationsgehalt und eine geringere
Informationskomplexität aufwiesen als die Texte des Testverfahrens, in denen die Patienten
Fehler produzierten. Erst nach erfolgreichem Verarbeiten dieser Übungstexte wurden
Prozesse getestet, die eine höhere kognitive Flexibilität erfordern, wie z.B. das Verstehen von
Inferenzen, die aus der Textvorlage abzuleiten sind. Integrativer Bestandteil in der individuellen Behandlungsphase war die Verbesserung der Eigenwahrnehmung der Patienten durch
therapeutisches Feedback und die Vermittlung von kognitiven Strategien (z.B. TEACH-M
Ansatz, Ehlhardt 2005) mit denen ein erleichterter Zugang zu Textinhalten und die
Sprachplanung trainiert wurden (Büttner 2014: Kap. 8).
In der Auswertung der Therapiestudie ergab sich ein sehr positives Ergebnis. Sieben der acht
Probanden zeigten deutliche Verbesserungen zwischen den beiden Testzeitpunkten und
konnten von dem individuell ausgerichteten Trainingsprogramm stark profitieren. Sehr
hohe prozentuale Verbesserungen erreichten Frau G.S. (51%) und Frau C.H. (39%), während Herr R.K. sich nicht wesentlich steigern konnte. Dies könnte in der fehlenden
Krankheitseinsicht (Ansognosie) des Patienten Herrn R.K. begründet sein. Er war während
der interdisziplinären Behandlung nicht empfänglich für das Feedback zu seinem
Gesprächsverhalten. Daher konnte die Vermittlung von Strategien zur Verbesserung der
Verstehensleistung auf Textebene und zur Dialogfähigkeit nicht in dem gleichen Maße
fruchten wie bei Patientinnen und Patienten mit Ansätzen einer Störungseinsicht.
Zwei Patienten (M.B. /S.H.) konnten ihr gutes Ausgangsniveau zusätzlich erhöhen und
erreichten nach 3 Wochen intensiver Therapie sogar Testergebnisse, die im unbeeinträchtigten Bereich lagen (vgl. Abb. 6).
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Abb. 6) Ergebnisse der Therapiestudie: Vorher-Nachher-Vergleich (A/B)
Neben ihren kommunikativen Fähigkeiten konnten die Patienten auch ihre planerischen
Fähigkeiten verbessern, was sich bei Wiederholung der kognitiven Tests zeigte. Während die
Speicherkapazität des Arbeitsgedächtnisses konstant niedrig blieb, steigerten sich die
Fähigkeiten des Problemlösens. Die Verbesserungen auf kognitiver Ebene könnte daher so
interpretiert werden, dass die Patienten ihre verminderten Speicherressourcen nun sinnvoller nutzen konnten und daher bessere Testergebnisse in den Sprachtests erreichten (Büttner
2014: Kap. 8.5).
4. Zusammenfassung
Zielsetzung der Studie war es, Implikationen für die Diagnostik und Therapie von kognitiven Kommunikationsstörungen nach neurologischen Erkrankungen durch die Methode der
prospektiven Datenerhebung zu erhalten. Den Schwerpunkt bildete dabei die Entwicklung
des Screeningverfahrens MAKRO für die Diagnostik der Diskurs- und Textebene.
Die Forschungsfragen zu quantitativen Unterschieden zwischen der Kontrollgruppe und
den Patienten mit dysexekutiven Symptomen konnten positiv beantwortet werden.
Beeinträchtigungen im Textverstehen, im Gesprächsverhalten und der Sprachplanung ließen
sich in den einzelnen Aufgabenstellungen zuverlässig abbilden.
Aus den Ergebnissen der Untersuchung konnten wichtige Hinweise für die individuelle
Behandlung von Patienten mit kognitiven Kommunikationsstörungen abgeleitet werden.
Da das Testverfahren auch Bezug auf Teilkomponenten der Sprachverarbeitung nimmt, ist
es möglich, beeinträchtigte Prozesse in der anschließenden Behandlungsphase gezielt zu fördern. Die Resultate der vorliegenden Arbeit sprechen dafür, dass sich beeinträchtigte sprachliche Fähigkeiten durch die Vermittlung von störungsspezifischen Strategien verbessern las-
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sen, auch wenn eine Störung von kognitiven Fähigkeiten, wie Exekutivfunktionen, vorliegt.
Eine Fortführung der Untersuchung kognitiver Kommunikationsstörung ist auf Grundlage
der bisherigen Ergebnisse daher vielversprechend. Weitere Analysen könnten angestrebt
werden, mit der Zielsetzung, die Gütekriterien für das bisherige Screeningverfahren
(Objektivität, Validität, Reliabilität, Normierung) weiterzuentwickeln.
Der Kontakt und Austausch mit Menschen, die von kognitiven Kommunikationsstörungen
betroffen sind, zeigt auch, dass Kommunikation als integrative Funktion aus sprachsystematischen Fähigkeiten, Handlungspragmatik und Problemlösefähigkeiten aufgefasst werden
sollte und eben keinen mechanischen Formulierungsprozess darstellt.
Der positive Studienverlauf verdeutlichte auch, dass es gerade eine integrative Perspektive
ermöglicht, in einem fordernden Tätigkeitsfeld wie der Rehabilitation hirnverletzter
Menschen innovative Projekte auf den Weg zu bringen. Mit dem Screeningverfahren
MAKRO konnten für die Behandlung von Menschen mit neurologischen Erkrankungen
wichtige Impulse gesetzt und individuelle Therapieerfolge messbar gemacht werden.
Literatur
Alexander, M.P. (2006): Impairments of Procedures for Implementing Complex Language
Are Due to Disruption of Frontal Attention Processes. Journal of the International
Neuropsychological Society 12, S. 236–247.
Ardila, A. (2012): The Executive Functions in Language and Communication. In: Peach &
L.P. Shapiro (Hrsg.) (2012): Cognition and Acquired Language Disorders. An Information
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Curriculum Vitae
1979
Geboren 14. August 1979 in Forchheim
1989–1999
Herder-Gymnasium Forchheim, Neusprachlicher Zweig
(Latein, Englisch, Französisch)
WS
1999/2000
WS 2000/01
WS 2001/02
–
WS 2004/05
SS 2005
WS 2009/10
–
WS2012/13
WS 2004/05
WS 2012/13
Otto-Friedrich-Universität Bamberg
LA Gym Deutsch, Geschichte, Sozialkunde
Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Mag. Germanistik, Psychologie, Pädagogik;
Schwerpunkt: Klinische Linguistik
Ludwig-Maximilians-Universität München
Mag. Germanistische Linguistik, Psychologie,
Sprachheilpädagogik; SP: Klinische Linguistik
Hochschule für Philosophie München
Philosophische Fakultät
Dr. phil. Julia Büttner
Ludwig-Maximilians-Universität München
Linguistisches Internationales Promotionsprogramm
(LIPP); Studiengang: Sprachtheorie und Angewandte
Sprachwissenschaften
Magister Artium M.A. Germanistische Linguistik (SP:
Klinische Linguistik), Psychologie, Sonderpädagogik
Gesamtnote: 1,81, Thema der Magisterarbeit: Sprache
bei Corpus Callosum Agenesie. Ein explorative
Fallstudie vor dem Hintergrund sprachlicher Lateralität.
(Prof. Dr. E. Leiss, Prof. Dr. K. Lindner, beide LMU)
Beschäftigungsverhältnisse
Promotion Dr. phil., magna cum laude;
Gesamtnote 0,75 (Dissertation: 1,0; Disputation: 0,5)
Thema der Dissertation: Sprachliche Makrostrukturen
und dyxexekutive Symptome. Entwicklung eines
Diagnostikverfahrens und Evaluierung eines
Therapieprogramms bei Störungen der
Textverarbeitung. (Prof. Dr. E. Leiss (LMU), Prof. Dr.
W. Ziegler (LMU, EKN)
Studentische Hilfskraft am Max-Planck-Institut für
Kognitions- und Neurowissenschaften,
Arbeitsbereich München
04/2003–
07/2005
Akademische Sprachtherapeutin/Linguistin im
Praktikum Klinikum Passauer Wolf II
08/2005–
08/2006
Klinische Linguistin (BKL), Abt. Neurolinguistik
Schön Klinik Bad Aibling, Neurologie
Seit
08/2006
Lehraufträge im B.A. Studiengang Sprachtherapie
SS 2009–
LMU München/Fachbereich: Neurokognitive
SS 2010,
Kommunikationsstörungen Demenz) & Aphasiologie ab SS 2013
Vertretung einer wissenschaftlichen Assistenz am
Institut für deutsche Philologie
(Lehrstuhl Frau Prof. Dr. E. Leiss)
18
WS 2013/
2014
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