Das therapeutische Bündnis - Karla Kämmer Beratungsgesellschaft

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PDL
Das therapeutische Bündnis
Menschen mit chronischen
Schmerzen sind in besonderer
Weise auf die ethische Verpflichtung der Pflege gegenüber Hilfebedürftigen angewiesen. Für die
PDL ergibt sich hieraus der Auftrag, wirksame Maßnahmen zur
Schmerzlinderung für betroffene
Bewohner auf den Weg zu bringen
von k arla k ämmer
A
uch wenn die Umsetzung des
„Expertenstandards Schmerzmanagement“ einen großen fachlichen Sprung zur Verbesserung des Umganges mit Schmerz ausgelöst hat, bleibt
eine Gruppe Schmerzkranker immer noch
vielerorts auf der Strecke: teilmobile alte
Menschen mit chronischen Gelenk- und
Muskelschmerzen. Für sie ist der Schmerz
zum schwierigen Alltagsbegleiter geworden: mal stärker, mal schwächer, plötzlich
auftretend oder leise anschleichend prägt
er den Tageslauf und bestimmt die Möglichkeit, sich mehr oder weniger lebensfroh zu fühlen. Eher weniger lebensfroh,
eingeengt auf wenige Meter Bewegungsradius, sitzend oder liegend
Selten sieht man solche Bewohner spontan lachen. Sie nehmen kaum an Aktivitäten
teil, sehen häufig fern in ihrem Zimmer und
haben wenig Positives zu berichten. Überhaupt scheinen sie sich nur sporadisch mit
anderen auszutauschen, und auch ihre
Kommunikation mit den Pflegenden reduziert sich auf das Notwendige: „Können
Sie mir mal was gegen Schmerzen geben,
mein Knie tut heute so weh!“
Immer wieder stellt man im Rahmen von Pflegevisiten und Fallbesprechungen ent-setzt fest, dass es auch Pflegenden häufig an pro-aktivem Handeln
im Sinne von Schmerzvermeidung bei
diesen Bewohnern fehlt – so als wären
sie von dem resignativen Verstummen
der Betroffenen angesteckt. Manchmal
Altenpflege • Juni 2010
Entspannung gegen den Schmerz:
Hierfür sind z. B. der Einsatz von Aromaölen, von Handmassagen oder von Musik
geeignet
Foto: Werner Krüper
kann man bei Pflegekräften sogar noch
ein Vertrösten bei der Ausgabe der Bedarfsmedikation oder ein Anzweifeln
der Intensität des Schmerzes beobachten, als hätte es die Diskussion über die
Individualität des Schmerzerlebens nie
gegeben.
Ähnlich gebremst fällt auch die fachliche Reaktion der behandelnden Ärzte
aus. Ist die 80 Jahre alte Patientin mit den
degenerativ veränderten Kniegelenken
durchdiagnostiziert und weder eine Besserung noch eine dramatische Verschlechterung ihres Befindens in Sicht, erschöpft
sich die Therapie des Hausarztes nicht
selten in der Gabe von Schmerztropfen
bei Bedarf und einem verständnisvollen
Nicken beim Hausbesuch. Als Krönung
gibt es eine schmerzlindernde Salbe per
Privatrezept obendrauf. Das war‘s dann.
Eine lösungs- und zielorientierte Therapie
sieht anders aus.
Hier sollten Sie als PDL im Sinne Ihrer
Bewohner aktiv werden und in die Qualitätsoffensive einsteigen. Es geht um nichts
weniger als die Lebensqualität vieler Ihrer
Bewohner – schauen Sie genau hin. Und:
Erinnern Sie sich an Ihre ethische Verantwortung.
Ethische Pflicht gewährleistet
unbedingte Hilfe
Gerade in der Begleitung und Pflege von
Menschen mit hohem Hilfe- und Pflegebedarf, vielen Einschränkungen sowie
geringer Eigenmotivation und Durchsetzungskraft erhält das Paradigma des therapeutischen Bündnisses, das dem Verhältnis der professionellen Pflegeperson
und dem Pflegebedürftigen zugrunde
liegt, eine hohe Bedeutung. Das Handeln
professionell Pflegender fußt seit 1890 auf
d
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PDL
gemeinsamen ethischen Codices. Im Jahr
2006 erfuhren sie ihre letzte Aktualisierung.
Verstummte und resignierte Menschen
mit chronischen Schmerzen sind in besonderer Weise auf diese ethische Verpflichtung als Vereinbarung zwischen Pflege
und den Mitgliedern der Gesellschaft
angewiesen. Sie garantiert den Bürgern
einen verantwortungsvollen Umgang,
wenn sie die Hilfe der heilenden Berufe
benötigen (siehe Artikel von Silvia Käppeli
unter „Zusatzmaterial zum Heft“).
Dieses ethische Bündnis enthält drei
zentrale Elemente:
»» Das Geschenk des Vertrauens des Hilfebedürftigen.
»» Das Versprechen, dieses Vertrauen
durch Einsatz zu rechtfertigen.
»» Die Verpflichtung, die eigene Expertise
im besten Interesse der betroffenen
Person zu nutzen.
Dazu gehört, dass der in seiner Hilfsbedürftigkeit abhängige (z. B. alte und kranke) Mensch eine besondere Anteilnahme
und Sorge auch dann mit Sicherheit erwarten kann, wenn er unbequem, undankbar, depressiv, verstimmt, schlecht
versichert oder auch einfach anstrengend
ist. Das Bündnis ist vor allem dort von Bedeutung, wo der benötigte Beistand über
das vertraglich geregelte Leistungsminimum hinaus erforderlich ist, wenn keine
kurative Hilfe geleistet werden kann. Hier
gewährleistet das Bündnis, dass für die
betroffenen Personen trotzdem alles getan wird, um ihnen das Leben erträglich
zu gestalten. Zwar ändert das u. U. nichts
am Gesundheitszustand der Person, aber
es verändert den sozialen Kontext, die
Rahmung der Interaktion, in der die chronische Krankheit verläuft.
Das heißt für die Praxis im Umgang mit
diesem Personenkreis, dass die Pflege
stellvertretend für diese chronisch Kranken und verschmerzten Menschen Hoffnung entwickelt, dass sie sensibel beobachtet, was deren Wohlbefinden fördert,
z. B. welche Art von Berührung, Kontakt,
Anwendung oder Begegnung, welcher
Impuls, welches Thema oder Ereignis zu
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Ablenkung gegen den Schmerz:
Hier hat sich der gezielte Einsatz von
anregender Beschäftigung bewährt
Foto: Werner Krüper
einer Veränderung des Ausdrucks oder
der Haltung führt. In jedem Fall sollten
diese Menschen einen Platz auf der Agenda der Fallbesprechungen erhalten.
Ein Befindlichkeitstagebuch kann hier
eine erste Maßnahme sein. Angebote und
Veränderungen – auch solche, die Linderung verschaffen – können oftmals nie in
kleinen Schritten eingebracht werden,
zu starr sind Gewohnheit und seelisches
Schneckenhaus. Die Beobachtungen sind
auch in den Kontakt zum Hausarzt einzubringen. Oft heißt es hier, als PDL klar und
fachlich für eine adäquate Schmerztherapie einzutreten, evtl. auch den Einsatz von
Antidepressiva anzuregen.
Pflege wird Partner im Ringen
um Lebensqualität
Neben einer angemessenen medikamentösen Therapie gibt es viele Möglichkeiten
der nichtmedikamentösen Schmerzlinderung zur Optimierung des Wohlbefindens.
Nichtmedikamentöse Therapiekonzepte
haben nicht nur die Verminderung der
Schmerzqualität, -intensität und -dauer
zur Folge, sondern führen auch zu einer
Verringerung der stressbedingten physischen und psychischen Einflüsse, wie
Bluthochdruck, Anstieg des Muskeltonus,
Schlafstörung, Unruhe oder Angst.
Allein das Interesse und das Mitgefühl,
was dieser Personengruppe auf eine solche Weise entgegengebracht wird, es
wirkt kleine Wunder: Niemand muss seinem Schmerz allein gegenübertreten. Wir
sind Partner im Ringen um Lebensqualität.
Das ist die Botschaft, um die es geht.
Basis aller weiterführenden Aktivitäten
ist das Reduzieren von Schmerzen durch
richtiges Positionieren und Mobilisieren.
Sanfte Bewegungen, die auf die Ressource der Person abgestimmt sind, können
unnötige Manipulationen mit kurzen,
aber oft heftigen Schmerzen vermeiden.
Es gilt, ruckartige Bewegungen zu vermeiden, die zu einer unnötigen Zunahme
der Körperspannung und Verkrampfung
führen. Hier bewähren sich Kinästhetik
und eine enge Zusammenarbeit mit Physiotherapeuten.
Darauf aufbauend bietet der Heimalltag
vier wirksame Interventionsmethoden,
um die medikamentöse Schmerztherapie
optimal zu unterstützen:
www.altenpflege.vincentz.net
Unter „Aktuelle Ausgabe / Zusatzmaterial zum Heft“ finden Sie z. B.:
»»den Artikel „Das therapeutische
Bündnis in Medizin und Pflege - wie
lange noch?“ von Silvia Käppeli
»»den Ethikkodex für Pflegende des
International Council of Nurses (ICN)
Norbert Steinkamp:
Ethik in der Klinik und
Pflegeeinrichtung.
Luchterhand, Köln, 2009
Doris Fölsch:
Ethik in der Pflegepraxis.
Facultas Universitätsverlag, Wien, 2008
Reinhard von Lay:
Ethik in der Pflege.
Schlütersche, Hannover, 2004
www.altenpflege.vincentz.net
PDL
■■ Oberflächliche Wärme- oder Kälteanwendungen als kutane Stimulation
Hierbei kommen nach Rücksprache mit
dem Arzt Wickel, Auflagen und Kompressen zur Anwendung. Oft empfiehlt es sich,
dass die betroffene Person selbst zwischen
Wärme und Kälte wählt – Streicheleinheiten inklusive.
■■ Entspannung gegen
den Schmerz
Eine häufig eingesetzte Intervention gegen Schmerz ist Entspannung. Oft muss
Entspannung von der betroffenen Person
wieder neu erlernt werden. Meditation,
Yoga und autogenes Training sind bei der
heutigen Generation der Bewohner noch
weniger bekannt, deshalb bietet sich der
Einsatz von Aromaölen, Handmassagen
oder einfach Musik an. Natürlich wohl
dosiert – denn Reizüberflutung verstärkt
Schmerzen.
Karla Kämmer
ist Altenpflegerin,
Diplom-Sozialwissenschaftlerin und Inhaberin
einer Beratungsgesellschaft
in Essen
■■ Ablenkung gegen den Schmerz
Bewährt hat sich der gezielte Einsatz von
anregender Beschäftigung, oft kombiniert
mit dosierten sozialen Kontakten und mit
Angeboten zum Singen. Kitzeln Sie den
Ehrgeiz der Bezugspflegenden und Sie
werden sehen, wie viele Möglichkeiten es
gibt, Ressourcen an Begegnung und Kontakt freizusetzen.
nung, Konzentration und Meditation und
wirken besonders, wenn die Person individuell angesprochen wird. So kann der
Angst vor dem Kontrollverlust begegnet
werden, die das Loslassen behindert.
■■ Traumreisen und Imaginationen
Ebenfalls in die erfahrenen Hände, z. B.
eines Mitarbeitenden des Sozialen Dienstes, gehören Fantasiereisen mit und ohne
Klangelementen. Sie verbinden Entspan-
Und wenn Sie sich fragen, was Sie als PDL
mit diesen Überlegungen zu tun haben –
dann führen Sie sich einfach vor Augen,
warum Sie selbst damals in die Pflege gegangen sind. nn
Altenpflege Vorsprung durch Wissen
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kreativ aktivieren
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Welche Kreativangebote gibt es für alte und demenzkranke Menschen – für Menschen mit „kleiner“ Kraft?
Wie begeistert man auch männliche Heimbewohner?
Ute Schmidt-Hackenberg, die „Erfinderin“ der 10-Minuten-Aktivierung, stellt die Arbeit mit Pappmaschee
vor. Schritt-für-Schritt-Anleitungen und viele Tipps für
Pflege- und Betreuungskräfte machen deutlich: Jeder
Bewohner kann mitmachen und eine Aufgabe nach
seinen Fähigkeiten übernehmen. Vom Zerreißen des
Papiers bis zum Anrühren des Teiges. Und den „Gerüstbau“ übernehmen gern die Herren der Schöpfung.
So entstehen „kleine Kunstwerke“ von Pilzen über
Masken bis zu Sitzelefanten. Die Arbeiten zieren Flure
und Zimmer, zeigen, was alte Menschen gemeinsam
vollbringen.
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