w WTS1106 RATGEBER GESUNDHEIT 2011 DAS GESUNDHEITSTELEFON – ÄRZTE BEANTWORTETEN LESERFRAGEN ZUM SCHLAGANFALL Immer ein Notfall: Das passiert beim Schlaganfall Bluthochdruck ist das Risiko Nr. 1 Was einen Schlaganfall begünstigt. Was nach einem Hirninfarkt hilft. Und warum man viel Geduld haben muss Jutta Bublies Essen. Nach Herzinfarkt und Krebs ist der Schlaganfall die dritthäufigste Todesursache in Deutschland. Schlaganfälle sind auch der häufigste Grund für eine bleibende Behinderung bei Erwachsenen. Daher ist der Hirninfarkt, wie der Schlaganfall auch genannt wird, kein Fall für den Hausarzt, sondern immer ein Notfall, bei dem man sofort die 112 wählen muss. Grundsätzlich gilt: Lieber einmal unnötig den Notarzt rufen, als einmal zu spät! Thrombose, Embolie, Hirnblutung Ein Schlaganfall ist eine Folge einer plötzlichen Durchblutungsstörung von Teilen des Gehirns. Das unterversorgte Hirngewebe stirbt in der Folge ab. Mögliche Ursachen eines Hirninfarkts sind in 80 Prozent der Fälle: Ein zum Gehirn führendes Blutgefäß ist plötzlich verstopft. Es kommt zu einer Mangeldurchblutung. Eine Ursache der Mangeldurchblutung kann eine Thrombose sein. Dabei verschließt ein Blutpfropf ein zum Hirn führendes Blutgefäß. Solche Gefäßverschlüsse entstehen in kranken Gefäßen, wie Ärzte betonen. Das heißt, in durch Kalk- und Fettablagerungen vorgeschädigten Adern. Zu einer Mangeldurchblutung des Gehirns kann es aber auch durch eine Embolie kommen. Zum Gehirn geschwemmte Blutgerinnsel, die sich im Herzen oder der Halsschlagader gebildet haben, verschließen dann eine Schlagader im Gehirn. In 20 Prozent der Fälle kommt es zu einem Schlaganfall durch den Riss eines Blutgefäßes im Gehirn, was eine Hirnblutung zur Folge hat. Stroke Units – Vorbild USA Essen. Die bestmögliche Behandlung erhalten Schlaganfall-Patienten in einer sogenannten Stroke Unit. Im Ruhrgebiet gibt es ein gut ausgebautes Netz dieser SchlaganfallSpezialstationen, in denen Patienten in den ersten Stunden und Tagen nach einem Schlaganfall betreut werden. Bundesweit gibt es derzeit 182 zertifizierte Stroke Units. Das Therapie-Konzept dieser „Schlaganfall-Einheiten“ stammt aus den USA. In einer Stroke Unit arbeitet ein Team aus unterschiedlichen Fachärzten zusammen, wie Neurologen, Kardiologen, Neuround Gefäßchirurgen sowie Radiologen. jub „Ruhrgebiet gegen den Schlaganfall“ Essen. Bis Mitte Juni klärt die Gesundheitsinitiative „Ruhrgebiet gegen den Schlaganfall“ in vielen Städten an Rhein und Ruhr über das Thema Schlaganfall auf. Alle Kliniken mit Schlaganfall-Stationen in der Region machen mit. Es werden Vorträge, Risiko-Checks und Beratungen angeboten. Die Termine und viele weitere wichtige Tipps und Informationen rund um den Schlaganfall findet man im Internet unter der Adresse: www.ruhrgebiet-gegen-den-schlaganfall.de Waren zwei Stunden lang gefragte Ratgeber am Leser-Gesundheitstelefon: die Neurologen (von li.) Dr. Elmar Busch (Gelsenkirchen), Dr. Holger Grehl (Duisburg), Prof. Michael Schwarz (Dortmund) und Prof. Mario Siebler (Essen). Foto: Oliver Müller Essen. Über 250 000 Menschen erleiden in Deutschland jährlich einen Schlaganfall, darunter rund 15 000 im Ruhrgebiet. Jeder dritte Betroffene ist nach dem Hirninfarkt, wie der Schlaganfall auch genannt wird, behindert. Ein weiteres Drittel stirbt binnen eines Jahres. Aufklärung über die Risikofaktoren tut not, betonen Experten. Denn sehr viel Leid wäre überflüssig, wenn aus diesem Wissen Konsequenzen für die persönliche Lebensführung gezogen würden. An unserem Gesundheitstelefon haben Neurologen Fragen von Betroffenen und deren Angehörigen beantwortet. Was sind die Risikofaktoren für einen Schlaganfall? Experten: An erster Stelle ein zu hoher Blutdruck, dann das Vorhofflimmern, das ist eine Herzrhythmusstörung, Diabetes, Übergewicht, Bewegungsmangel, zu hohe Cholesterinwerte und das Rauchen. Ich habe oft einen Blutdruck von 160 zu 95. Steigt dadurch mein Risiko für einen Schlaganfall? Experten: Ja. Ein zu hoher Blutdruck ist der Hauptrisikofaktor für einen Schlaganfall. Der Blutdruck muss unbedingt richtig eingestellt sein. Das heißt: Normalerweise soll der erste Wert in Ruhe unter 140, der zweite unter 90 lie- gen. Für Diabetiker gilt, dass der erste Wert unter 130, der zweite unter 80 liegen muss. Denn ein zu hoher Blutdruck bedeutet über die Jahre gesehen einen dauernden Stress für die Gefäßwände! Nach meinem Schlaganfall soll ich mich viel bewegen. Aber ich kann nicht mehr richtig laufen. Nach zehn Schritten bleibt mir die Luft weg. Experten: Reha-Sport wäre sicherlich gut. Er ist für Schlaganfall-Patienten besonders »Die bestmögliche Behandlung erhalten Schlaganfall-Patienten in einer Stroke Unit« geeignet. Dabei bewegen Sie sich unter ärztlicher Anleitung. Fragen Sie in Ihrer Klinik, wo Sie behandelt wurden, nach einer Adresse. Auch Krankenkassen können da in der Regel Tipps geben. In welche Klinik sollte man sich im Falle eines Schlaganfalls bringen lassen? Experten: Man sollte sofort die 112 wählen! Bei einem Schlaganfall zählt jede Minute. Die bestmögliche Behandlung erhalten Betroffene in einer Stroke Unit. Das sind Spezialstationen in Kliniken für Schlaganfälle. Im Ruhrge- biet – wie in Deutschland überhaupt – gibt es ein gut ausgebautes Netz von Stroke Units. Ist eine Arteriosklerose ein Risikofaktor für einen Hirninfarkt? Experten: Ja. Bei Menschen mit einer Arteriosklerose („Arterienverkalkung“) kann mit Ultraschall-Untersuchungen der Halsschlagadern an beiden Seiten des Halses sowie der Arterien, die durch die Halswirbelsäule in den Kopf gehen (das vergessen viele Ärzte), festgestellt werden, ob sich ein Gefäß immer weiter verengt und dadurch eventuell ein Schlaganfall entstehen kann. Wichtig: Man muss einen qualifizierten Angiologen, Neurologen oder Kardiologen finden, der diese Untersuchung durchführen kann. Ich hatte vor vier Jahren einen Schlaganfall. Ich habe Angst vor einem zweiten. Experten: Das größte Risiko besteht in den ersten Wochen und Monaten nach dem Schlaganfall. Ist ein Jahr vergangen, ist das Risiko fast genauso hoch wie bei einem Gleichaltrigen, der keinen Schlaganfall hatte. Vorausgesetzt, nach dem ersten Schlaganfall wurden die Risikofaktoren, die zum Hirninfarkt führten, konsequent behandelt. Nach meinem Schlaganfall 2009 leide ich unter einer verkrampften Hand. Das behindert mich und tut weh. Experten: Das ist eine spastisch verkrampfte Hand. Sehr gut helfen Spritzen in den Unterarm mit dem Nervengift Botulinum-Toxin. Dadurch löst sich die Verkrampfung der Hand. Die Therapie muss bei einem Neurologen drei Mal im Abstand von etwa jeweils drei Monaten wiederholt werden. Vier Familienmitglieder hatten Schlaganfälle. Bin ich deshalb auch gefährdet? »Verbesserungen sind selbst nach Jahren noch möglich« Experten: Die Risikofaktoren für einen Schlaganfall sind nicht eins zu eins erblich. Dennoch sind Sie natürlich genetisch belastet. Sie sollten Ihr Risikoprofil frühzeitig abklären lassen. Ansprechpartner ist Ihr Hausarzt. Besprechen Sie mit ihm auch, ob Sie eventuell ein Mittel zur Blutverdünnung nehmen sollen, um einer Blut-Gerinnselbildung vorzubeugen. Ich hatte vor einem Jahr einen Schlaganfall. Der linke Arm und das linke Bein sind noch nicht funktionstüchtig. Wird das besser? Experten: Eine vollständige Erholung ist nicht zu erwarten. Verbesserungen sind aber selbst nach Jahren noch möglich. Wichtig ist, dass Sie immer mal wieder Ergo-, beziehungsweise Physiotherapie machen. Sie sollten Ihre Beschwerden auch noch einmal mit einem niedergelassenen Neurologen besprechen. Ein Problem ist, dass diese Fachärzte oft Wartezeiten von zwei bis drei Monaten haben. Ich habe nach meinem Schlaganfall große Schwierigkeiten beim Radfahren. Experten: Es gibt auch Dreiräder oder Liegeräder für Erwachsene. Eventuell probieren Sie das mal aus. Bewegung ist wichtig! Man sollte etwas machen, was Spaß macht, und es regelmäßig tun. Ich hatte vor einem Jahr einen Schlaganfall, kann wieder sprechen, weine seither aber sehr schnell. Experten: Das kann auf eine depressive Verstimmung hindeuten. Ein Hirninfarkt beeinflusst die Psyche sehr stark. Meist ist das nach einem halben Jahr überstanden. Aber es gibt auch Menschen, die länger darunter leiden und dann auch Medikamente benötigen. Die Gespräche fassten Jutta Bublies und Carolina Zimmermann zusammen. Ärzte: Viele Schlaganfälle sind vermeidbar Wichtige Alarmzeichen und Vorboten eines Schlaganfalls. Jeder fünfte Hirninfarkt geht auf ein Vorhofflimmern zurück Jutta Bublies Essen. Wichtige Alarmzeichen, die auf einen Schlaganfall hindeuten können, sind: a) Sprach- und Sprechstörungen: Gesprochenes wird nicht verstanden. Es werden falsche Buchstaben verwendet oder der Betroffene kann nur undeutlich oder gar nicht mehr sprechen. b) Ein einseitig herabhängender Mundwinkel c) Sehstörungen: Es kommt zu einer plötzlichen Erblindung eines Auges oder auch einer Einschränkung des Gesichtsfeldes auf beiden Augen. Der Betroffene kann auch Doppelbilder sehen oder heftigen Schwindel erleben. d) Halbseitige Lähmungserscheinungen und/oder ein Taubheitsgefühl auf einer Körperseite (vollständig oder teilweise). Oft gibt es Vorboten für einen Schlaganfall, die den genannten Symptomen ähneln. Die Beschwerden halten dann jedoch nur Sekunden oder Minuten an. Ihre Ursache muss aber unbedingt ärztlich abgeklärt werden. Ein weiterer wichtiger Risikofaktor für einen Schlaganfall ist ein Vorhofflimmern, Ganz wichtig: ein normaler Blutdruck. eine Herzrhythmusstörung. Diese macht sich häufig durch Herzstolpern oder -rasen, Schwindel, Brustschmerz oder Kurzatmigkeit bemerkbar. Tückisch: Viele Menschen haben bei einem Vorhofflim- Foto: Erwin Wodicka mern keines der genannten Beschwerden. Das Problem: Ein Vorhofflimmern fördert die Bildung von Blutgerinnseln in den Vorhöfen des Herzens. Gelangen diese in den Blutkreislauf, können sie Blut- gefäße des Gehirns verstopfen. Nach Schätzungen lässt sich jeder fünfte Schlaganfall auf ein Vorhofflimmern zurückzuführen. Viele Schlaganfälle wären vermeidbar, wenn Risikofaktoren abgestellt oder richtig behandelt würden – wie etwa ein zu hoher Blutdruck, Übergewicht/Bewegungsmangel, Rauchen, Diabetes oder Fettstoffwechselstörungen. Nicht zu beeinflussen ist das Alter. Als Faustregel gilt: Das Schlaganfall-Risiko verdoppelt sich ab dem 50. Lebensjahr in jedem Jahrzehnt. Aber auch junge Menschen können einen Schlaganfall erleiden. Noch Fragen? Adressen, die Ihnen weiterhelfen Essen. Von einem Schlaganfall Betroffene und ihre Angehörigen haben viele Fragen. Ein sehr guter Ratgeber ist die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe, Carl-Miele-Str. 210, 33311 Gütersloh. Diese hat ein Beratungstelefon, das man montags bis donnerstags von 9 bis 17 Uhr und freitags von 9 bis 14 Uhr erreicht (14 Cent pro Minute aus dem dt. Festnetz): 01805/093 093 Was kann ich tun, wenn meine Krankenkasse die Reha ablehnt? Wo beantrage ich einen SchwerbehindertenAusweis? Darf ich nach meinem Schlaganfall wieder Auto fahren? Diese und alle anderen Fragen rund ums Thema werden hier beantwortet. Bei den Güterslohern kann man dazu Adressen von Schlaganfall-Spezialstationen, den Stroke Units, erfragen. Diese Adressen und viele weitere wichtige Informationen findet man auf der Internetseite der Stiftung: www.schlaganfall-hilfe.de Bei der Stiftung kann man auch Broschüren/Faltblätter gegen Rechnung bestellen. Ebenso gibt es im Netz Informationsmaterial zum Herunterladen. Die Stiftung engagiert sich seit 1993 für Schlaganfall-Patienten – von der Vorsorge, über die Akutbehandlung, die Reha bis zur Nachsorge. Unterstützt wird die Stiftung von ihrem bundesweiten Netzwerk aus über 480 Selbsthilfegruppen, 23 SchlaganfallBüros und rund 200 ehrenamtlich tätigen Ärzten. jub Weitere gute Internetseiten zum Schlaganfall: 1) www.kompetenznetzschlaganfall.de 2) www.stiftung-schlaganfall.de 3) Im Online-Portal der WAZ-Mediengruppe: DerWesten.de/schlaganfall Sport und gesundes Essen schützen Obst gehört auf den täglichen Speiseplan. Foto: Dirk Bauer Essen. Studien haben gezeigt, dass Menschen, die sich regelmäßig körperlich betätigen und Ausdauersportarten betreiben, ihr Schlaganfallund Herzinfarktrisiko um 30 bis 40 Prozent senken können. Walking, Joggen, flottes Spazierengehen, Fahrradfahren, Schwimmen und Rudern etwa sind gleichermaßen geeignet. Zu viel Sport – wie Marathonlaufen oder extremes Krafttraining – kann dem Körper allerdings schaden. Empfohlen wird drei- bis viermal in der Woche 30 Minuten Ausdauersport. Ebenso kann eine gesunde Ernährung mit viel Obst und frischem Gemüse das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall um rund 25 Prozent senken. Das Risiko steigt durch eine sehr fette, kalorienreiche Kost. Redaktion: Jutta Bublies (jub) E-Mail: [email protected] Telefon: 0201/804-6566