September 2014, Band 16, Nr. 8 Anwendung der Hochdurchsatz-Sequenzierung bei fortgeschrittenem Krebs P. Hutter, S, Myit, J. P. Rey, S. Arcioni, C. Girardet, Zentralinstitut (ZIWS), Spital Wallis, Sitten Dank der Entdeckung von Genmutationen, die bei den an der Tumorproliferation und der Metastasierung beteiligten zellulären Signalwegen eine Rolle spielen, konnten neue Ansatzpunkte für eine Therapie erarbeitet werden, insbesondere für solide Tumoren. Die gezielten Therapien umfassen im Wesentlichen Tyrosinkinasehemmer oder monoklonale Antikörper gegen Rezeptoren von Wachstumsfaktoren. Diese neuen Therapien betreffen nur fortgeschrittene Tumoren, bei denen im Allgemeinen eine Operation nicht angezeigt ist, und ihr therapeutisches Ansprechen hängt vom genetischen Profil des Tumors ab. Somit erfolgt die Stratifizierung von Patienten mit einem fortgeschrittenen Tumor und die Prüfung des Infragekommmens für eine gezielte Therapie nach Sequenzierung der Tumor-DNA. In den letzten 40 Jahren erfolgte die Analyse mittels Sequenzierung von Mutationen nach der Sanger-Technik. In den letzten Jahren wurde die Durchführung mit der Einführung der Hochdurchsatz-Sequenzierung (englisch NGS für Next Generation Sequencing oder MPS für Massive Parallel Sequencing) revolutioniert [1]. Zu den zahlreichen Vorteilen der NGS gehören eine grössere Sensitivität und die Praktizierbarkeit mit Biopsien oder sogar mit zytologischen Präparaten. Ausserdem ist eine Analyse von mehreren Genen gleichzeitig in mehreren Tumorproben möglich. Auch wenn die Methode derzeit für die Analyse auf Punktmutationen oder kurze Deletionen verwendet wird, kann sie zahlreiche andere Chromosomenveränderungen nachweisen (Translokation, Amplifikation, usw.). Allerdings wird mit dieser Technik eine Vielzahl von Informationen generiert, die nur mittels Bioinformatik generiert wird. Daher wurden von Bioinformatikern spezialisierte Softwareprogramme entwickelt, um die Daten zu sortieren und die relevanten Mutationen im Tumor zu wählen. Die wichtigsten anvisierten Tumore 1) 2) 3) Für das nicht kleinzellige Lungenkarzinom im fortgeschrittenen Stadium empfehlen die Onkologiegesellschaften die Beurteilung der EGFR- und ALK-Gene. Tumore mit Mutationen, die den EGFR aktivieren, oder mit einer Translokation des ALK-Gens sind empfänglicher für eine Behandlung mit Tyrosinkinasehemmern (Erlotinib, Gefitinib für den EGFR, und Crizotinib für ALK) [2] [3]. Für Adenokarzinome des Kolons mit Metastasen ist die Analyse der KRAS-, BRAF- und NRAS-Gene anerkannt. Im Unterschied zu Lungenkarzinomen ist das Vorhandensein der so genannten „DriverMutation“ in einem dieser Gene eine Kontraindikation für eine AntiEGFR-Therapie (z.B. Cetuximab), weil der Tumor resistent ist. Nur Tumore ohne Mutationen sprechen auf eine Anti-EGFR-Therapie in Kombination mit Chemotherapie an [4]. Für metastasierende Melanome kann die Mutation des BRAF-Gens eine Indikation für eine Behandlung mit Vemurafenib sein [5]. Ablauf der Analyse Auswahl des Paraffinblocks, der den Tumor enthält, mit dem Pathologen. Sektion des Tumorgewebes und Extraktion der DNA. (Abb. 1) Abb. 2: Chip und Sequenzierungsapparat und Etappen-Zusammenfassung Verfügbare Panels Panel 1: NRAS-, KRAS- und BRAF-Gen: Analyse der gesamten Sequenz, die für das KRAS- und NRAS- Gen kodiert sind (Exone 2 bis 5). Für das BRAF-Gen wird nur das Exon 15 analysiert. Bei diesen Genen finden sich im Wesentlichen Punktmutationen, die sich meist gegenseitig ausschliessen. Panel 2: EGFR-Gen: Die am häufigsten beobachteten Mutationen sind Deletionen im Exon 19 und punktuelle Mutationen in den Exonen 18, 20 und 21. Panel 3: KIT- und PDGFRA-Gen: Punktuelle Mutationen des KIT-Gens (Exone 9, 11, 13 bis 17) für gastrointestinale Stromatumoren (GIST) und Melanome. Punktuelle Mutationen des PDGFRA-Gens (Exone 8, 10, 12, 14 und 18) für GIST. Dieser Test wird im ersten Halbjahr 2015 verfügbar sein. Diese Analysen werden im Rahmen einer Zusammenarbeit zwischen der Abteilung für Pathologie und der Abteilung für medizinische Genetik des ZIWS durchgeführt, die die Akkreditierungsnorm ISO15189 erfüllen. Die bioinformatische Datenanalyse übernimmt die Firma Sophia Genetics (EPFL), die die Normen ISO 13485:2003 und EN ISO 13485:2012 erfüllt. Schlussfolgerung Heutzutage wird für die onkologische Behandlung von fortgeschrittenen oder metastasierten Tumoren neben der histologischen Diagnostik der Mutationsstatus benötigt, der als prädiktiver Faktor für neue gezielte Therapien anerkannt ist. Die NGS ist ein nicht mehr wegzudenkendes Werkzeug für den therapeutischen Ansatz geworden. Auch wenn sie derzeit auf fortgeschrittenen Tumoren beschränkt ist, wird sich ihr Einsatzbereich in der Onkologie sicher in Zukunft erweitern. Literatur Nr. 8 Abb. 1: Histologischer Schnitt eines Kolonkarzinoms Erstellen einer DNA-Bibliothek durch Anreicherung der zu analysierenden Ziele und Fixieren der erhaltenen für jeden Patienten spezifischen Barcode-Fragmente. Fixieren der Fragmente an Kügelchen, dann Amplifikation mittels Emulsions-PCR. Multiparallelisierte Sequenzierung auf der PGM-Plattform (Ion Torrent™, Life Technologies). (Abb. 2) Gesicherte und anonymisierte Übertragung der Rohdaten an die Schweizer Bioinformatikfirma Sophia Genetics SA (EPFL). Bioinformatische Analyse, die die Auswahl der relevanten Mutationen erlaubt. Erstellen des molekularpathologischen Berichts. [1] [2] [3] [4] [5] Frampton GM et al. Nat. Biotechnol. 2013 Nov; 31(11): 1023-31. Mok TS et al. N. Engl. J. Med. 2009 Sep 3; 361(10):947-57. Shaw AT et al. N. Engl. J. Med. 2013 Jun 20; 368(25):2385-94. Douillard JY et al. N. Engl. J. Med. 2013 Nov 28;369(22):2159-60. Chapman PB et al. N. Engl. J. Med. 2011 Jun 30; 364(26):2507-16. Kontaktpersonen Dr. Pierre Hutter Dr. med. Samir Myit Dr. Jean-Philippe Rey Séverine Arcioni [email protected] [email protected] [email protected] [email protected]