Folie 1 - Bildungswerk Irsee

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Kinder von psychisch kranken ElternErfahrungen aus der kinder- und jugendpsychiatrischen
Familienambulanz
(Heckscher Klinikum im Isar- Amper Klinikum KMO)
Kooperationsvereinbarung
Irsee 29.06.2016
Dr. Antje Schmidts - Heckscher Klinikum München
von
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1. Einführung – Grundlagen – medizinische – psychosoziale Folgen
2. Familienambulanz
3. Diagnostische kinderpsychiatrische Abklärung
4. Psychiatrische Diagnosen- Auswirkungen auf die Kinder
5. Kinderpsychiatrische Interventionen
Dr. med. Antje Schmidts
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1. Einführung
• Laut der aktuellen Stellungnahme der DGKJP, BBKJPP, BAG KJP, DGPPN, BVDP, BVDN, Marce
Gesellschaft wurde eine Expertenkommission „Hilfen für Kinder und Familien mit psychisch kranken
Eltern“ gefordert
• Die betroffenen Kinder haben gegenüber der Gesamtbevölkerung ein deutlich erhöhtes Risiko für
eigene psychische Erkrankung (Hochrisikogruppe)
 durch genetische Belastung
 durch psychosoziale Belastung
• Prognose kann verbessert werden,
 wenn Aufklärungsarbeit über die Risiken stattfindet,
 die Risikofaktoren beachtet und therapeutisch beeinflusst werden
Bisher gibt es keine dauerhafte disziplinäre Zusammenarbeit und keine systematische Versorgung
Dr. med. Antje Schmidts
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Empirische Grundlagen
• 30% der Deutschen erleiden eine behandlungsbedürftige psychiatrische Erkrankung (aktueller bundesdeutscher
Gesundheitssurvey)
• 4,5 Millionen erwachsene Menschen brauchen professionelle Hilfe
• Ca. 10- 30% der stationär psychiatrisch behandelten Patienten sind Eltern von minderjährigen Kindern
(Wiegand-Grefe et al. 2011)
• Ca. 3 Millionen betroffene Kinder in Deutschland (Lenz, Brockmann 2013) – 2500 in München
• Laut AmBADO Auswertung (zuletzt 2014) wurden bei 42% der ambulant kinder- und
jugendpsychiatrisch untersuchten Kinder (der HK München) psychische Auffälligkeiten in der Familie
angegeben.
Dr. med. Antje Schmidts
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Medizinische Folgen
Ausgeprägte Kindheitsbelastungen führen zu:
• Veränderungen von Hirnstrukturen (limbisches System, präfrontaler Cortex)(Bock, Rether et al 2014)
• Störung in der Organisation von Neurotransmittersystemen (McCrory, De Brito, Viding 2010)
(chronische Aktivierung des Stress-Systems - der Hypothalamus/ Hypophysen/
Nebennierenrindenachse)
• Gesteigerte Vulnerabilität für Stress, veränderte Verarbeitung emotionaler Reize (Siegel, 2013)
• Unreife Konfliktbewältigungsstrategien:
Schwierigkeiten Emotionen zu modulieren,
Probleme der Affektdifferenzierung,
Impulskontrollstörungen
Kognitive Funktionsstörungen
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Psychische Belastung durch die elterliche Erkrankung
• Je nach Art, Dauer, Schwere der Erkrankung
• Je nach Art und Weise des Umgangs mit der Erkrankung (Copingstrategien)
• Klinikeinweisung wird oft als traumatisch erlebt
• Gefühl alleine gelassen worden zu sein – Sorgen, Ängste, Verantwortung
• Erfahrung von Autonomie und Autoritätsverlust des Elternteils
• Tabuisierung, Isolierung, Kommunikationsverbot (Stigmatisierung!)
• Fehlende Unterstützung bei den Entwicklungsaufgaben
Dr. med. Antje Schmidts
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Parentifizierung
Generationsgrenzen sind unklar – Rollenumkehr Kindern übernehmen Eltern- oder
Partnerfunktion für ihre Eltern (Boszormenyi-Nagy und
Spark 1981)
destruktiv: entwicklungsunangemessene,
übermäßige Abgabe der elterlichen
Verantwortung, eigene Bedürfnisse werden
vernachlässigt
adaptiv: Entwicklungsmöglichkeiten werden nicht
eingeschränkt, Anerkennung erfolgt, dadurch
kann Selbstbewusstsein und starke
Empathiefähigkeit entstehen (Ohntrup 2011)
Negative Langzeitfolgen: instabiles
Selbstwertgefühl, Gefühl der Unzulänglichkeit,
Ablösungs- und Identitätsprobleme;
Depressionen, Suizidalität (Castro et al 2004);
Dr. med. Antje Schmidts
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2.
•
Clearing, ob kinderpsychiatrische Störung vorliegt,
•
ob psychologische, sozialpädagogische
Unterstützung erforderlich ist.
•
Mithilfe bei der Krankheitsaufklärung
•
Risiko für gravierende psychische Erkrankung der
Kinder/ Jugendlichen zu verkleinern
Bedingungen:
• möglichst niedrigschwellig,
• nahzu keine Wartezeit,
• vor Ort im IAK- KMO oder in der HK
• „langer Atem“
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Indikationen für die Vorstellung
• Sorge der Eltern oder der Behandler der Eltern um die seelische Gesundheit des Kindes
• Kind äußert verstärkte Ängste oder Sorgen um die Eltern
• Kind zieht sich zurück, spricht nicht über Ängste und Sorgen
• Kind ist vermehrt verhaltensauffällig
• Kind ist auffällig in Bezug auf die Entwicklung
Dr. med. Antje Schmidts
3. Diagnostik in der Familiensprechstunde
1. Erstgespräch: Anamnese Kind und Eltern bzg. Symptomatik, Ressourcen
Kinder/ Jugendpsychiatrische Untersuchung und neurologische Untersuchung
2. Entscheidung über weiteres Prozedere: sind weitere Termine/ Untersuchungen/ Vernetzung/
Helferrunde erforderlich
3. Einholen fremdanamnestischer Angaben (Schule, Kindergarten, JA) mit Einverständnis der Eltern
4. Ggf. Psychologische Untersuchung in der HK
Ggf. Sprachtherapeutische Untersuchung in der HK
Ggf. EEG
5. Auswertungs/ Beratungsgespräch unter Einbezug des Helfersystems
6. Zeitnahe Rückmeldung an die Behandler per e-mail (mit Einverständnis der Eltern)
7. Bericht
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Genaue Diagnostik erforderlich! Fallvignette
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Diagnosen der Eltern
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Depression
Symptomatik der Eltern: „Psychische Trennung bei physischer Anwesenheit“
Rückzug aus sozialen Beziehungen, Antriebslosigkeit, Interessenverlust, Hoffnungslosigkeit,
Ermüdung, Grübeln
Vernachlässigung der Alltagsaufgaben (Haushalt, Unterstützung bei Schulangelegenheiten),
Vermehrte Schuldgefühle
weniger Interaktion, wenig Sprechen, langsamere Reaktionen auf kindliches Verhalten
Symptomatik der Kinder:
häufig sehr angepasst, „Fassade nach außen“,
Depression;
Aggression, Opposition,
niedriges Selbstwertgefühl,
schlechte Beziehung zu Gleichaltrigen
Risiko für depressive Erkrankung bei einem Elternteil bei 40%, bei 2 Elternteilen bei 70% (Beardslee 1993
bzw. Mattejat 2002)
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Psychose
Symptomatik der Eltern:
Verwirrung, unverständliches/ unvorhersehbares Verhalten, Misstrauen, Orientierungslosigkeit,
Veränderung des Wesens (Sollberger et al 2008),
Kinder werden häufig ins Wahnerleben miteinbezogen;
Vernachlässigung der kindlichen Bedürfnisse,
sozialer Rückzug, Kontaktabbrüche
Symptomatik der Kinder:
Loyalität ausgeprägt,
verängstigt, verwirrt,
sozial häufig zurückgezogen, sozial weniger kompetent oder täuschend gute Kontrolle
ungünstige Emotionsregulation, häufiger Aggressionen
neurobiologische Risikofaktoren (schlechtere sensomotorische Koordination) (Asarnow 1988);
Aufmerksamkeitsstörungen (Niemi 2005)
Bei Schizophrenie besteht ein Lebenszeitrisiko von 1 %;
wenn ein Elternteil erkrankt, liegt das Risiko bei ca. 10%, wenn beide Eltern erkrankt sind bei 40%
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Persönlichkeitsstörungen
Klinik der Eltern:
Impulsivität und Instabilität in allen Lebens und Beziehungslagen,
ausgeprägte Stimmungsschwankungen
häufige Trennungen, Umzüge, Beziehungsabbrüche,
Vernachlässigung, Misshandlungen,
Süchte,
Manipulation der Kinder,
häufig geringe Krankheitseinsicht
Symptomatik der Kinder:
Bindungsstörung
erhöhte Rate an ADHS,
Trotzverhalten,
Störung des Sozialverhaltens
Kinder sind besonders stark gefährdet, zeigen die höchsten Auffälligkeitsraten (Laucht 1992; W. Grefe 2011)
Dr. med. Antje Schmidts
Suchterkrankungen
Klinik der Eltern: 2,65 Mio Kinder mit Alkohol Familie – 50000 Drogenabhängige Eltern (Klein, 2016)
45% mit Komorbiditäten
Väter häufiger betroffen als Mütter, größeres Risiko, wenn beide suchtkrankt sind
Suchterkrankung meist zentrales Thema in der Familie, häufig tabuisiert!
Vernachlässigung; vermehrte intrafamiliäre (gewalttätige) Konflikte;
inkonsistenter Erziehungsstil
Symptomatik der Kinder:
Angst um die Eltern
Wechsel von Vorwürfen und Mitgefühl, von Liebe und Zuneigung, Enttäuschung, Verletzung
Scham/ Ekel angesichts der Entgleisungen
Loyalitätskonflikte; Schuldgefühle
ADHS (bei Jungen 9 fach erhöhtes Risiko) und Störung des Sozialverhaltens (Hill 1999; Velleman/ Templeton 2007)
Mehr als 30% entwickeln Suchterkrankung (Alkohol, Drogen, Essstörung) (Zobel 2006)
Häufigste Gruppe in Heimeinrichtungen!
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5. Kinderpsychiatrische Behandlung
Anzahl
Einmaliger Kontakt
Psychologische Untersuchung
Längerfristige Behandlungen (teilweise über Jahre)
Medikation (MPH)
Teilnahme an einer Elterngruppe (PlanE)
Teil/ Stationäre Behandlung in der HK
Teilnahme an Helferrunden
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Wiedervorstellungen
Fallvignette:
Hauptthema: Autonomie – Abgrenzung von der Mutter!
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Therapeutische Inhalte
Bildung von Vertrauen
Kindgerechte Aufklärung über die Erkrankung mit verschiedenen Materialien (Broschüren, Bücher)
Emotionale Entlastung, Reduktion emotionaler Spannungen
Entlastung von Schuldgefühlen und der Verantwortung
Förderung aktiver Bewältigungsstrategien
Ermutigung zur Loslösung
Begleitung in Krisen
Erstellung eines Krisenplan
Förderung gutes familiäres Klima
Förderung sozialer Ressourcen
Ermutigung von professionellen Netzwerken Hilfen in Anspruch zu nehmen
Für Frühwarnzeichen sensibilisieren
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Vernetzung
Behandlung
der Eltern
Eltern- Kind
Interaktion
(Psychiatrie/ PT)
(EB, PT)
Hilfen im
Alltag
Behandlung
der Kinder
(Jugendhilfe;
Schule)
(KJP/ PT)
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DANKE FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT UND IHR INTERESSE!
Dr. med. Antje Schmidts
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