Wer hat Angst vor Virginia Woolf? Martin Zuhr (mit Buch), Stefanie Mühle, Simon Cox, Anne Simmering (schlafend) von Edward Albee Inszenierung: Joe Knipp mit: Stefanie Mühle, Martin Zuhr, Anne Simmering, Simon Cox, Kerstin Kramer, Christian Ingomar Bühne: Hannelore Honnen, Wolfgang Wehlau Kostüme: Hannelore Honnen, Martina Volkmann Das Stück des amerikanischen Dramatikers Edward Albee kam 1962 in NewYork zur Uraufführung. Tief in der Nacht, nach der Rückkehr von einer Party, liefern sich George (Christian Ingomar), Geschichtsprofessor an einem College und seine Frau Martha (Stefanie Mühle) einen alkoholbefeuerten Streit. Am Anfang dieses Streits steht Marthas alberne Verdrehung des Kinderverses, "Wer hat Angst vorm bösen Wolf". Späte Gäste treffen ein, Nick (Simon Cox), neu am College, Biologe, rücksichtsloser Karrieremacher, und Süße, seine junge Frau (Kerstin Kramer). Zuerst sind die Gäste nur Zeugen des ehelichen Schauturniers, werden aber mehr und mehr zu Waffen und Opfern, bis im dritten Akt, in einem hemmungslosen Showdown die Lebenslüge beider Paare offensichtlich wird. Es ist nicht nur der amerikanische Traum vom guten Leben, der nicht aufrecht erhalten werden kann, weil er auf einer Lüge basiert. Dieses unerhört brilliante und zerfetzende Seelengefecht, ist nach langem Umweg auch eine Liebeserklärung. Eine Liebeserklärung, die auf ihrem Umweg allerdings durch die fast tödliche Wahrheit führt. Kölnische Rundschau 29.5.2004 Die Hölle der Abhängigkeit Beklemmend gut: "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?" von Barbro Schuchardt "George ist der einzige Mann, der mich jemals glücklich gemacht hat"; erklärt Martha dem verdutzten Jungprofessor Nick. Wie das? Ausgerechnet George, der Versager, der es nicht einmal fertig brachte, ihr ein Kind zu machen? Den sie bis aufs Blut peinigt und demütigt, am liebsten vor Gästen? Ja. Denn George, so sagt sie, ist der einzige, der sie versteht. Der ihre Sex- und Alkoholexzesse erträgt und sich dafür mit geschliffenen verbalen Breitseiten rächt. In 23 Ehejahren haben sich dabei "Spiele" herausgebildet, deren Regeln nur sie beide kennen. Wer sie verletzt, riskiert den emotionalen Dolchstoß. So wie Martha, als sie ihren nächtlichen Besuchern Nick und Süße von ihrem imaginären Sohn erzählt. Das trifft George härter als ihr provokatives Liebesgestöhn mit Nick und muss mit dem Tod bestraft werden. George lässt den Sohn sterben und damit auch die gemeinsame Lebenslüge. August Strindberg hatte schon den Boden bereitet. Aber es dauerte noch Jahrzehnte, bis die Saat aufging und Künstler wie Sartre, Bergmann und Albee die Hölle existentieller Abhängigkeit so abbildeten, dass es wirklich schmerzte. Edward Albees 1962 uraufgeführtes Stück "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?" enthüllte schonungslos die Abgründe der bürgerlichen Ehe. Und lieferte unzähligen Schauspielerpaaren dankbares Futter - die bekanntesten waren Liz Taylor und Richard Burton. Joe Knipps Inszenierung im Theater am Sachsenring kann und will in tabulosen Zeiten 42 Jahre später nicht mehr schockieren. Auf minimalistischer Schwarz-Weiß-Bühne zeigt er eher ein Zerrbild der Spaßgesellschaft, die sich zu Tode amüsiert bei ihrem Seelenstriptease. Mit Stefanie Mühle setzt er auf eine sehr moderne Martha. Im Gegensatz zu vielen älteren Schauspielerinnen, die oft genüsslich die Farbe der vulgären, versoffenen Wuchtbrumme ausspielen, bleibt die elegante Blondine auch bei gröbsten Ausfällen die zynische Lady in Rot. Erst im zweiten, tragischen Teil offenbart sie ihre Empfindsamkeit eine schöne, eindrucksvolle Leistung. Nicht minder überzeugend ist Anne Simmering als Süße - ein naives Dummchen, dessen hysterische Kleinmädchenhaftigkeit mit zunehmenden Brandy-Konsum immer psychopathischere Züge annimmt. Glänzend besetzt auch die Männer: Martin Zuhrs George, anfänglich ein gemütlicher Teddybär, der Marthas Attacken souverän kontert, holt mit perfider Niedertracht zum finalen Schlag aus. Und Simon Cox decouvriert den karrieregeilen Spießer Nick famos als chancenlosen Spielball der Älteren. Eine sehenswerte Aufführung. taz - Köln 29.5.2004 Ehehölle sensibel ausgeleuchtet Von Holger Möhlmann Er gilt als die brutalste Seelenentblößung der Bühnengeschichte: Edward Albees Klassiker von 1962, in dem sich vier Figuren in geradezu überirdischer Bosheit gegenseitig zerfleischen. "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?" spielt im Universitätsmilieu der amerikanische Ostküste, wo gelangweilte Intellektuelle sich auf Cocktailparties über selbsterfundene Lieder (wie das von Virginia) amüsieren. Eine solche Party ist gerade vorbei. Martha (Stefanie Mühle) und ihr Mann, Geschichtsprofessor George (Martin Zuhr), sind wieder zu Hause und feiern auf ihre Weise weiter: mit ritualisierten Gemeinheiten, in freundlichstem Ton vorgebrachten Beleidigungen und jeder Menge Alkohol. Obwohl es schon drei Uhr nachts ist, kommt noch Besuch: ein junger Biologiedozent (Simon Cox) und seine Frau (Anne Simmering) Zunächst werden die gesellschaftlichen Formen noch halbwegs eingehalten, doch je mehr sich die Krawatten lockern und der Alkoholkonsum steigt, desto rücksichtsloser versuchen die Figuren einander zu verletzen, tief in die Seele versenkte Lebenslügen ans Licht zu zerren und sich gegenseitig den Ekel ins Gesicht zu schreien, den sie vor dem eigenen Leben empfinden. Deprimierend muss das nicht sein: Angenehm häufig kippt der Psycho-Exorzismus ins Komödiantische, verwandelt Regisseur Joe Knipp gallebittere Ironie in leicht verträglichen Humor, der das Publikum befreit lachen lässt - auch wenn sich auf der Bühne Dramen abspielen. Es geht um mehr als eine Ehehölle in Monotonie und Kinderlosigkeit, um mehr als das Fassadenleben im amerikanischen Mikrokosmos, um mehr als eine Heirat aus karrieristischem Kalkül: In ihrem sehr sensiblen und eindringlichen Spiel gelingt es den AkteurInnen, das Allgemeingültige aus dem etwas angestaubten Plot zu isolieren: die Hilflosigkeit angesichts einer Realität jenseits geplatzter Träume - eine Hilflosigkeit, die keinen anderen Ausweg kennt als den Angriff auf das eigentlich geliebte Gegenüber. Trotz furchtbarer Einblicke - diese Aufführung ist ein Juwel. Kölner Stadt-Anzeiger 29.5.2004 Die Wölfe führen den Ehekrieg Das Theater am Sachsenring widmet sich mit Erfolg dem Albee-"Klassiker" Von Arndt Kremer "Wer hat Angst vorm bösen Wolf?"-"Niemand!" Niemand? Der amerikanische Dramatiker Edward Albee hat mit seinem 1962 uraufgeführten Stück "Who's Afraid of Virginia Woolf?" dem alte Kindervers in einer Weise geantwortet, die mehr an die These des Philosophen Thomas Hobbes erinnern lässt: Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf. Also muss sich jeder fürchten. Aber lachend. Gleichermaßen entsetzlich komisch und grausam ist Albees Gelage, in dem sich zwei Paare verbal zerfleischen. Ihre und die Seelenlage der amerikanischen Kultur werden dabei schonungslos entblößt. Es spricht für die Regie von Joe Knipp, dass er diesen mit Liz Taylor verfilmten Welterfolg im Theater am Sachsenring genau in dem Schwebezustand belässt, der einen bei Albee zuerst auflachen und dann - beim Blick in die Abgründe - schwindelig werden lässt. Der Geschichtsprofessor George und seine Frau Martha sind in einen alkoholbefeuerten Streit von Strinberg'schen Ausmaßen verstrickt. Sie schimpft ihn einen Versager, er sie ein "Scheußlichkeitstalent". Spät in der Nacht gesellen sich mit dem Biologen Nick und seiner jungen Frau "Süße" zwei Gäste hinzu - und werden zu Zeugen, Opfern und Mittätern einer wahren Offenbarungsorgie an Lebenslügen. express 29.5.2004 Eheschlacht im Sachsenring Theater-Premiere: Wer hat Angst vor Virginia Woolf? Von Axel Hill Fünf Oscars und acht weitere Nominierungen kassierte die Verfilmung von "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?" (1966) mit Liz Taylor und Richard Burton. Das sind große Fußstapfen, in die Joe Knipp mit seiner Inszenierung im Theater am Sachsenring treten will. Aber dank seiner hervorragenden Darsteller denkt man keine Sekunde an den Hollywood-Klassiker. Der Geschichtsprofessor George (Martin Zuhr) und seine Frau Martha (Stefanie Mühle) haben nach einer Party den Biologiedozenten Nick (Simon Cox) und dessen Frau (Anne Simmering) zu sich nach Hause eingeladen. Martha und George nutzen die beiden als Publikum für ihre verbalen Eheschlachten, in denen es keine Tabus und kein Pardon gibt. Stefanie Mühle als Martha ist eine exzellente Kratzbürste, Martin Zuhrs George ein plumper Miesepeter, der plötzlich und unerwartet zu fiesen Tiefschlägen ausholen kann. Vor allem in der ersten Hälfte sind die beiden Schauspieler ein genauso perfekt eingespieltes Team wie das Ehepaar im Stück. Da läuft alles wie am Schnürchen: Jede Pointe sitzt, jedes Wortgefecht kommt wie aus zwei Pistolen geschossen. Powered by TCPDF (www.tcpdf.org)