Feuilleton regional 26 1 Freitag, 2. Februar 2007 AZ · Nummer 27 Archaischer Kampf Katharina Rupp und „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ Von unserem Redakteur Manfred Engelhardt Es gibt sie seit der griechischen Antike, die Geschlechterkämpfe – ein großes, ein immer wieder ergiebiges Thema in der Literatur und als Drama. In diese Tradition gehört ohne Zweifel Edwards Albees schon legendäres Stück „Wer hat Angst vor Virginia Woolf . . .?“. In der Komödie feiert es am heutigen Freitag um 19.30 Uhr Premiere. Schrille Objekte, schrille Farben zeigt der Kunstraum Kettner (v. l.): Arbeiten von Katja Mutz, Michael Jackson und Cathy Lomax. Bilder: KK Giftige Farben – quäkende Dinge Junge internationale Kunst zu Gast in Augsburg – Doris Kettners Salon in der Zeuggasse Von unserer Redakteurin Angela Bachmair „Light Sentence“ heißt etwa „erleichteter Strafvollzug“, als Ausstellungstitel mag das bedeuten, dass die beteiligten Künstler unsere Welt als ein großes Gefängnis sehen, in dem man sich bei Bedarf in bunte, kuschelige Nischen zurückziehen, durch das man sich mit Doppeldeutigkeiten durchwursteln oder aus dem man hin und wieder ausbrechen kann – mit den Mitteln der Kunst. Was Doris Kettner in den leer geräumten Büroräumen in der Zeuggasse 7 zusammentrug, öffnet ein Fenster zum Wirken einer jungen, international tätigen Künstlergeneration. Die Kunstvermittlerin hat einen fundierten Überblick, und sie verfügt über gute Kontakte. So gelang es ihr, durch neun Künstler aus ONLINE London, New York, München oder Innsbruck (ganz junge und etwas ältere, solche mit langer Ausstellungsliste und relative Neulinge) unterschiedliche Positionen zeitgenössischer Kunst vorzustellen. In den schmucklosen Räumen entfaltet ihr Kunstsalon eine frische, herausfordernde Wirkung. Erstaunlich, wie politisch fast alle die Sache angehen. Am eindrucksvollsten nimmt die junge Katja Mutz die Leistungs- und Konsumgesellschaft aufs Korn. In Käfigen flattern, zwitschern oder rammeln sich Tiere unermüdlich fast zu Tode – so wie unsereins arbeitet und kauft und sich Freizeitstress ergibt. Die Kleinskulpturen bastelte die Schülerin von Albert Hien aus plastischen Unikaten, Fundstücken und Elektroausrüstung zusammen; sie sind ebenso berührend wie erschreckend. Auch Chris Dobrowoski lässt ein quäkendes Spielzeugauto erbarmungslos immer die gleiche Kurve fahren: „Offer must end soon“ (Bald muss Schluss sein mit dem Angebot). Idylle und Gewalt Sonderthemen Aktuell im Netz Reinklicken, nachlesen, recherchieren, ausdrucken, versenden, archivieren ■ Kliniken in unserer Region ■ Tipps für Beauty, Wellness & Gesundheit ■ Start in den Job ■ Gastro-Highlights ■ Trau Dich! - Hochzeitsjournal ■ Reise & Urlaub 2007 ■ Gewerbe in Kutzenhausen ■ Kataloge für Ihren Urlaub Alles was uns bewegt Nicht minder eindrucksvoll ist die Installation von Klaus Ohad Said Auderer. Der 38-jährige Österreicher hält sich viel im Nahen Osten auf; Erinnerungen an gewalttätige Auseinandersetzungen in Israel oder Irak sammelt er auf einer großen Wand als Videostills und Zeichnungen auf Alufolie, die über ihr Spiegeln die Betrachter nah heranholt. Der Appell, sich politischen Problemen nicht zu entziehen, ist in den Arbeiten fast greifbar. Für Fabian Marcaccio, in New York lebender Argentinier, geht die Welt schon den Bach runter. In seinen Reliefbildern wachsen Natur und Technik, Idylle und Gewalt ineinander, Blumenwiesen werden zu Maschinenpistolen. Mit ironischer Distanz sehen die reinen Ein Mord im Königreich Maler der Ausstellung die bunte Konsum-, die schöne Medienwelt. Michael Jackson, ein Londoner, den es nach Augsburg verschlagen hat (der sich in der schwäbischen Provinz tapfer als Gesamtkunstwerk zu inszenieren versucht) malt Blumen-Stillleben von so giftiger Farbenpracht, dass einem schier die Augen brennen. Seine Vorlagen sind Plastikblumen aus dem Chinaladen – ähnlich glatt und wohlfeil scheint ihm die ganze Welt. Regie führt Katharina Rupp, die in Augsburg mit Inszenierungen von Lessings „Nathan“, Dürrenmatts „Physikern“ und zuletzt von Thomas Bernhards „Theatermacher“ – einer von ihr aufregend geschärften Farce des Österreichers – erfolgreich war. Und die Schweizer Regisseurin betont, dass Edward Albees Geniestreich aus den frühen 60er Jahren des letzten Jahrhunderts mittlerweile zu den Klassikern des modernen Theaters gehört: „Daran gibt es keinen Zweifel.“ Der gnadenlose Bühnenkampf, der zwischen Martha und George, einem nicht mehr jungen Ehepaar aus provinziellem Akademikermilieu, entfesselt wird, hat viele Ebenen und spricht die neuralgischen psychologischen Aspekte im Zusammenleben der Geschlechter auf so klare Weise an, dass Katharina Rupp Albees Stück in die Tradition der großen archaischen Konfliktpaare stellt, von Penthesilea/Achill bis zu Ibsens Hedda Gabler/Jörgen Tesman. Was Hedda Gabler im Übrigen betrifft – auch in „Virginia Woolf“ geht es um Konflikte einer in elitär-gebildeten Gefilden angesiedelten sozialen Gruppe. Vor allem Macht wird in der Leistungsgesellschaft ausgespielt, ein Kampf, der umso gnadenloser eskaliert, weil er im verklemmten bürgerli- Aus ihrem neuen Roman las die Münchner Autorin im Hoffmannkeller. Und es geht nicht um den Tod des Hundes. Diese Tat wirft Schatten auf einen Mord, der unmittelbar danach entdeckt wurde. München 1870: Die Arbeiter fristen ihr Dasein bei erbärmlichen Löhnen. Das Maß ist voll. Die Schneider legen die Arbeit nieder. Erste Streiks zeichnen sich ab. Josef Riederer, Besitzer eines Nähmaschinengeschäfts, ist der typische Unternehmer jener Tage, der nur die Arbeitskraft im Menschen sieht. Dass Riederer inmitten des Streiks das Mordopfer wird, scheint logisch. Unter Verdacht gerät sofort der junge Gewerkschafter Kirsch. Aufklären sollte Polizeioffiziant Severin Thiel. Doris Kettner hat zwei weitere von den zurzeit mit viel Aufmerksamkeit bedachten jungen englischen Künstlern geholt: Cathy Lomax portraitiert in kleinen und großen Ölgemälden affektierte Schönheiten, spürt dem Persönlichkeitskult nach. Tinsel Edwards baut aus bonbonbunten Acrylfarben die Alternative „Dead or Alive“ – mit Grabsteinen oder gelben Narzissen – und fragt: „Am I Controversial Enough?“ (Bin ich widerborstig genug?). Zur Not macht sie es aber auch eine Nummer kleiner und zeichnet in Tusche die Gegenstände ihres Alltags. Auch der Senior der Ausstellung, der 57-jährige Richard Prince aus New York, früher Kritiker der Werbung, nimmt inzwischen das Leben leicht, versieht Wolkenfotos mit lockeren Sprüchen. Mit deutschem Ernst und ebensolcher Gründlichkeit baut dagegen der Oberbayer petrmayr an einer Welt ohne Krieg. Sein eins zu eins per Siebdruck abgebildetes Wrack eines Kampfflugzeugs zeigt raumfüllend die kalte Technik des Tötens. Bis 10. Februar (Mi, Do 16 – 19 Uhr, Fr 11 – 19 Uhr, Sa 11 – 17 Uhr). Führungen Donnerstag 18, Samstag 11 Uhr; Künstlergespräche mit Michael Jackson am 2. Februar 17 Uhr und mit petrmayr am 3. Februar 15 Uhr. So stimmt’s Die Kirche St. Peter hat der Bürgerverein nicht angemietet, wie in unserem Artikel zu lesen war, vielmehr ist sie ihm vom Land Bayern seit 1852 zur Nutzung überlassen. Kurios sind die Eigentumsverhältnisse: Der Kirchenbau gehört dem Freistaat, Teile befinden sich aber auch im Besitz der Stadt (das Fundament des Perlachturms), des Bürgervereins (Sakristei) und in Privatbesitz. St. Felizitas, als Holzfigur (um 1520) über dem Sakristei-Eingang präsent, hat übrigens sieben, nicht sechs Kinder. Unser Berichterstatter hat sich verzählt. Heidi Rehn mengt geschickt gesellschaftspolitische Aspekte jener Zeit in die Geschichte – Gewerkschaften, die aufkeimende Frauenbewegung. Perspektivisch folgt sie vornehmlich Thiel und Kirsch. Dem Gewerkschafter bleibt nur die Flucht, er kommt nach Augsburg. In der Jakobervorstadt, so stellen Augsburg-Kenner fest, findet Kirsch Unterschlupf, doch Gefahr droht von der Gendarmerie: „Die bayerische Polizei verfügt inzwischen über Telegraphie. Sicher wird jede Station bereits über seine Flucht informiert sein.“ Bis zur Auflösung gibt es noch einige Wendungen, Thiel wird am Schluss gar befördert. Da Rehn Satz für Satz ein Mehr an Information dem Zuhörer mitgab, folgte dieser gerne den Geschehnissen. Wem jedoch das Blut des Nähmaschinenhändlers an den Händen klebt, das muss der Leser selbst erkunden. Denn, so Rupp, es gibt zeitlose, ja sogar viel aktuellere Aspekte denn je in Albees Plot: Der Historiker und Humanist George, der von seiner Frau Martha, Tochter seines Institutschefs, attackiert wird, führt nicht nur im Kampf mit ihr ein schneidendes Florett, er duelliert sich auch mit Nick. Nick, Gatte der unbedarften, aber reichen Putzi, ist Naturwissenschaftler und mit scheinbar unangreifbar präzisen Argumenten ausgestattet, ein Karrieretyp, der alles Zusammenleben naturwissenschaftlich geregelt wissen will. Rupp: „Hier spielt vieles rein und wird von Albee ebenso elegant wie scharf formuliert, was uns heute berührt – etwa wenn der Mensch in einer technisierten Welt auf der Strecke bleibt.“ Stress und Kampf also auf der Edward-Albee-Bühne. Und auch Katharina Rupp selbst hat in diesen Tagen Stress, positiven allerdings, neben der Augsburger Premiere: Die Baslerin verhandelt derzeit über die ihr angebotene Stellung als Schauspieldirektorin am Schweizer Theater Solothurn/Biel. Die Premiere „Wer hat Angst vor Virginia Woolf...?“ Das Werk. „Who’s Afraid of Virginia Woolf?“. Stück in drei Akten von Edward Albee. Uraufführung war am 13. Oktober 1962 im Billy Rose Theatre New York. Deutsche Erstaufführung am 13. Oktober 1963 im Schloßpark-Theater Berlin. Verfilmung 1966 durch Mike Nichols mit Elizabeth Taylor und Richard Burton in den Hauptrollen. Neuinszenierung. Premiere ist am heutigen Freitag, 2. Februar 2007, um 19.30 Uhr in der Komödie. Produktionsteam. Inszenierung: Katharina Rupp. Ausstattung: Cornelia Brunn. Besetzung. Eva Maria Keller (Martha), Vilmar Bieri (George), Christine Diensberg (Putzi) und Malte Kühn (Nick). Letzte Augsburger Inszenierung. In der Spielzeit 1981/82. Regie führte Horst Eisel. Es spielten Christa Schwertfeger (Martha), Gerhard Jentsch (George), Brenda Wolff (Putzi) und Dieter Goertz (Nick). Die Grüne Insel steppt Irlands „Rhythm of the Dance“ hinreißend in Gersthofen Katharina Rupp inszenierte Albees „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“. Bild: Zoepf Zwischen Sturm und Wehmut Lieder im Schaezlerpalais (ött). Irlandfans kamen voll auf ihre Kosten – „Rhythm of the Dance“ mit der National Dance Company of Ireland gastierte in der Gersthofer Stadthalle. Die Truppe lebt die irische Tradition mit Stepptanz und Folklore fort, verpackt dies gleichzeitig in moderner Form in eine grandiose Multimediashow. Abgebrannt wurde ein wahres Feuerwerk an irischer Lebensfreude, das faszinierend diese Kultur widerspiegelte. Den Hintergrund beherrschte eine Videoshow von Menschen und Bildern der Landschaft der Grünen Insel sowie der quicklebendigen Metropole Dublin. Songs wie „Danny Boy“ sangen drei Tenöre. Vor allem die 18 Tänzerinnen und Tänzer verzauberten mit ihrer rasanten Stepp-Show. Irland ist ein Land mit einer folkloristischen Vergangenheit und Gegenwart, die lebendig durch die breiten Schichten erhalten ist und auch gepflegt wird. Sei es im traditionellen Stepptanz, dem Musizieren in Pubs und Kon- zerthallen – alles in Verbundenheit mit der vielfältigen keltischen Tradition. Die „National Dance Company“ unterhält in Dublin eine Schule, in der die Allerkleinsten die Grundbegriffe des Stepp (mit speziellen Schuhen mit Metallspitzen) lernen. Von Irland aus hat diese reiche Tanz- und Musikkultur ihren Weg auf die Bühnen der Welt gefunden. Jede Geste sitzt perfekt Seit der Uraufführung der Show 1999 in Norwegen haben sich über drei Millionen Europäer das Programm angesehen. Hier stimmt jede Geste, jeder kleinster Takt, so perfekt sind die Mitwirkenden auf die mitreißende Performance eingestimmt. Eingetaucht in dieses Erlebnis von Licht und Farben, glitzernden Kostümen, begeisternden Musik-Einlagen (die tanzende Fiddel-Ballerina) und spektakulärem Duo (Tänzerin und Percussion) hatten die Zuschauer jede Menge Vergnügen. Modernste Polizeimethoden w w w. a u g s b u r g e r- a l l g e m e i n e . d e Duell mit der Naturwissenschaft Affektierte Schönheiten Heide Rehns „Blutige Hände“ (gwen). In einer Aprilnacht spaziert der junge Severin Thiel durch München. Ein Hund bellt. Dann verstummt er mit langgezogenem Jaulen. Und schon stolpert Thiel über das tote Tier. Blut überall. Es wurde erstochen. Dieses kriminell anmutende Szenario entwarf Heidi Rehn in „Blutige Hände“. chen Milieu seinen Ausgangspunkt hat. Reifere Besucher werden wohl immer Mike Nichols’ brillanten Film (1966) mit Richard Burton und – der damals für viele überraschend fulminant auftrumpfenden – Liz Taylor vor dem inneren Auge haben, wenn sie an „Virginia Woolf“ denken. Doch Katharina Rupp macht sich keine Sorgen um etwaige Vergleiche, zumal der Film ja für viele heute nicht mehr so präsent ist, wie noch Jahre nach seinem Erscheinen. Außerdem meint sie: „Sein Milieu, nämlich schrulliges Professoren-Ambiente inmitten muffiger Bücherregale, dies muss man heute nicht mehr zeigen.“ (ött). Mit auf eine spannende Hörreise in die Tiefen der Seele nahmen der Tenor Nikola David und Stephanie Knauer (Klavier): Zum Abschluss der Ausstellung „Mozarts Welt“ boten sie im illustren Rahmen des Speisezimmers im Schaezlerpalais Werke und Lieder von Mozart und Schubert. Stephanie Knauer, Pianistin mit breitem Repertoire und Schwerpunkten Kammermusik und Liedbegleitung, beschäftigt sich besonders auch mit dem Spiel auf dem Hammerflügel sowie mit zeitgenössischen Kompositionen. Am historischen Tafelklavier von Christian Then (gebaut um 1840) eröffnete sie elegant mit W. A. Mozarts Variationen über das Lied „Ah, vous dirais-je, Maman“ KV 265, die in der Ausstellung in der originalen Niederschrift zu sehen waren. Nikola David, aus Novi Sad/Serbien stammender Sänger, gehörte früher dem Ensemble des Theaters Augsburg an und ist derzeit engagiert am Anhaltischen Theater Dessau. Er ist ein Tenor mit Charisma und mit großer Bühnenausstrahlung. Die Auswahl an Mozart-Liedern interpretierte (u. a. „An die Freude“, „Komm, liebe Zither“, das heiter-empfindsame „Die Zufriedenheit“) er mit traumwandlerischer Leichtigkeit. Seine volle, warme Stimme, sein Temperament und die Empfindungstiefe sowie Stephanie Knauers exzellente Begleitung machten dies zu einem spirituellen Vergnügen. Vom Wandern am Bach Perfekt und mitreißend: die Tänzer „Rhythm of the Dance“ aus Irland. Bild: Hochgemuth Im zweiten Teil bot das Duo Schubert-Lieder – und es gab typisch Romantisches mit „Wandern“ oder der „Danksagung an den Bach“. Tenor David begeisterte durch die emotionale Spannweite zwischen freudigem Vorwärtsdrängenden und Wehmut. Mit weich fließenden Linien und Klangpracht gelang den Künstlern ein lebendiges Panorama. Viel Applaus im bis auf den letzten Platz gefüllten Saal führte zu einer Zugabe.