Infektionsrisiko bei Ozontherapie Einleitung Sachverhalt

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Auszug aus dem MedLetter, Nr. 2/2016
Behandlungsfehler:
Verstoß gegen die Hygiene
www.hdi.de/medletter
Infektionsrisiko bei Ozontherapie
Sachverhalt
Die Wiederverwendung einer unsterilen Glasspritze bei der
Ozontherapie mehrerer Patienten stellt nicht nur einen
schweren Verstoß gegen die Grundregeln der Hygiene, sondern auch einen groben Behandlungsfehler dar. Das wurde
in einem aktuellen Urteil bestätigt.
Die Klägerin macht einen Schmerzensgeldbetrag von
153.387,56 Euro, eine monatliche Schmerzensgeldrente von
511,29 Euro und die Feststellung zukünftiger Schadenersatzansprüche wegen der Übertragung von Hepatitis C und
HIV durch einen Behandlungsfehler bei einer Ozontherapie
geltend.
Einleitung
Bei jeder Heilbehandlung durch ärztliches oder nicht ärztliches Personal muss ein besonderes Augenmerk auf die Einhaltung der Hygiene gerichtet werden. Der sach- und fachgerechte Schutz des Patienten vor Infektionen und eine darauf ausgerichtete Organisationsstruktur zählt zu den elementaren Bestandteilen in allen Bereichen des Heilwesens.
Schadenereignisse im Bereich der Hygiene können, sofern
sie in unmittelbarem Zusammenhang mit der Behandlung
stehen, als grob fehlerhaft bewertet werden und der klagenden Patientenseite beweiserleichternd zugutekommen.
Dies ist vor allem dann anzunehmen, wenn ein eklatanter
ins Auge springender Fehler im Bereich der Hygiene festgestellt worden ist. Es liegt auf der Hand, dass die Infektionsgefährdung bei sämtlichen Entnahmen oder Gaben von Blut
besonders hoch ist. Viren, Bakterien und Protozyten können
dem Patienten mit schwerwiegenden Folgen übertragen
werden. Im Rahmen der Ozontherapie wird eine bestimmte
Menge des aus der Vene gewonnenen Bluts apparativ mit
Ozon verschüttelt und als Infusion sofort wieder in die Vene
gebracht. Diese Behandlung soll – als Kur verabreicht – die
Abwehr- oder die Selbstheilungskräfte stärken und eine
Vielzahl von Leiden lindern (z. B. Allergien, Akne, Arteriosklerose, Asthma, Stoffwechselleiden, Neuralgien). Unabhängig von der Wirksamkeit der ozonangereicherten Injektion mit Eigenblut geht mit der Behandlung ein erhöhtes Infektionsrisiko einher. Über die Haftung zweier Ärzte für eine
fehlerhafte Ozontherapie hatte das OLG Frankfurt zu entscheiden (Urteil vom 23.12.2003; Az.: 8 U 140/99).
Seit 1990 litt sie an Migräne und war deshalb bei verschiedenen Fachärzten in Behandlung. Außerdem wurde sie
1991 wegen einer Eileiterschwangerschaft operiert. Bei einer Zahnbehandlung im Februar 1992 ließ sie sich die Amalgamfüllungen entfernen. Im Mai 1992 unterzog sie sich wegen ihrer Kopfschmerzen bei den beiden Beklagten, die eine
Gemeinschaftspraxis für Naturheilkunde betreiben, einer
Ozontherapie. Über eine Vene in der Armbeuge wurden ihr
hierzu ca. 100 ml Blut entnommen, das anschließend in einer Vakuumflasche mit einem Ozon-Luft-Gemisch versetzt
und schließlich wieder über die Vene in der Armbeuge zugeführt wurde. Insgesamt erfolgten rund 30 Ozonbehandlungen, die abwechselnd von beiden Beklagten vorgenommen
wurden. Die für das Ozon verwendete Glasspritze wurde
nicht nach jeder Anwendung sterilisiert, sondern für die Behandlung mehrerer Patienten benutzt. Anfang Juli 1992 traten bei der Klägerin Anzeichen einer massiven Virusinfektion
mit Fieber, starken Lymphknotenschwellungen, Bewusstlosigkeit, starken Schmerzen und großer körperlicher Schwäche auf. Ein Bluttest ergab einen Hepatitis-C- und HIV-Befund. Das städtische Gesundheitsamt identifizierte in der
Folge mehrere Patienten der Gemeinschaftspraxis mit einer
HCV-Infektion. Die Klägerin hat behauptet, sie sei bei der
Ozontherapie mit Hepatitis C und dem HI-Virus infiziert worden. Dies stelle einen schweren Verstoß gegen die Hygieneregeln und damit einen groben Behandlungsfehler dar. Das
LG Frankfurt hat der Klage in voller Höhe stattgegeben. Gegen diese Entscheidung haben die Beklagten Berufung eingelegt.
Entscheidung
Fazit
Die Berufung hat keinen Erfolg. Der Klägerin steht gegen beide Beklagten ein Anspruch aus unerlaubter Handlung gem.
§§ 823 Abs. 1, 847 Abs. 1 BGB und positiver Verletzung des
ärztlichen Behandlungsvertrags in dem beantragten Umfang
zu.
Der Arzt muss bei Fragen der Hygiene abwägen, was auf dem
Spiel steht. Geht es um Leben und Tod – z. B. bei der Operation eines Verletzten in einer einsamen Berghütte – könnten
Hygienemängel aus dem Gesichtspunkt der Nothilfe in Kauf
genommen werden. Bei der streitgegenständlichen Ozontherapie hat dagegen nichts auf dem Spiel gestanden. Daher
müssen für eine solche Therapie die sichersten Maßnahmen und Materialien, nämlich die Verwendung neuer oder
sterilisierter Spritzen und sonstiger hygienisch einwandfreier
Medizinprodukte, ergriffen werden. Werden die Vorschriften
der Hygiene sorgfaltswidrig verletzt, gilt dies in allen Bereichen der Medizin als Behandlungsfehler.
Den Beklagten fällt ein schwerer Verstoß gegen die Regeln
der Hygiene zur Last. Zunächst wurde festgestellt, dass die
Ozontherapie ein von der Schulmedizin nicht anerkanntes
Verfahren aus dem Bereich der Komplementärmedizin ist. Daher würden die im Bundesgesundheitsblatt veröffentlichten
Hygieneregeln die Behandlung von Gasen auch nicht besonders erwähnen. Da es allerdings viele Erreger gebe, die auch
durch Aerosole übertragen werden und die jedem Arzt bekannt sein sollten (z. B. Varizella-Zoster-Virus, Masernvirus),
gelte für die Entnahme von Gasen aus einem mehrfach verwendeten Behälter sinngemäß das Gleiche wie für Flüssigkeiten.
Die Vorgänge bei der Zubereitung von Injektionslösungen
sind vergleichbar mit der Injektion von Ozon in einer Infusionsflasche. Auch hier ist ein Kontakt mit dem Patientenblut
nicht vorgesehen. In jedem Fall muss die Lösungsentnahme
aus Mehrdosisbehältern unter sterilen Bedingungen erfolgen.
Die mehrfache Verwendung der Ozoninjektionsspritze bei
verschiedenen Patienten stellt daher eine Missachtung der Hygieneregeln dar, und zwar unabhängig von der Frage, ob aus
physikalischen Gründen ein Blutkontakt mit der Spritze stattgefunden haben kann, weil auch die Gefahr der Übertragung
von Umweltkeimen aus der Arztpraxis gegeben ist.
Zusätzlich ist in dieser Vorgehensweise ein grober Behandlungsfehler zu erkennen, was zur Folge hat, dass für den Ursachenzusammenhang zwischen Behandlungsfehler und Gesundheitsschaden die Kausalität vermutet wird und der Arzt
beweisen muss, dass sein grober Fehler für die Schädigung
nicht ursächlich geworden ist. Dies ist den Beklagten nicht gelungen. Bei der gewählten Therapie hätten sie durch organisatorische Maßnahmen, nämlich die Verwendung von sterilisiertem Material oder Einmalartikeln, eine Infektion verhindern müssen.
Schließlich konnten die Beklagten ihre Haftung auch nicht
durch den Nachweis abwehren, dass die Infektionen nicht in
ihrer Praxis, sondern aus einer früheren ärztlichen Behandlung
stammten. Bereits das Erscheinungsbild der Infektion ist so
gestaltet, dass eine Spätform ausgeschlossen werden kann
und dass die Infektion kurze Zeit nach der Ozontherapie erfolgt sein muss.
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Autor
Rechtsanwalt Prof. Dr. jur. Volker Großkopf,
Rechtsanwälte GROSSKOPF + KLEIN, Köln
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