SAISON 2015 2016 16. / 17.4.16 9. SYMPHONIEKONZERT David ROBERTSON Yefim BRONFMAN KLASSIK PICKNICKT Open-Air-Konzert mit der Staatskapelle Dresden 18. Juni 2016 | 20 Uhr | Die Gläserne Manufaktur Krzysztof Urbański, Dirigent Nemanja Radulović, Violine SAISON 2015 2016 16. / 17.4.16 9. SYMPHONIEKONZERT David ROBERTSON Yefim BRONFMAN f: au envorverk Start Kart l 2016 19. Apri 10 Uhr Eintritt: 5,– € (bis 16 Jahre frei). Tickets in der Gläsernen Manufaktur und an der Schinkelwache unter: 0351 – 491 17 05 [email protected] 9. SYMPHONIEKONZERT S A M STAG 16 . 4.16 19 U H R SO N N TAG 17. 4.16 11 U H R PROGRAMM SEMPEROPER DRESDEN David Robertson* Peter Ruzicka (*1948) Dirigent ELEGIE »Erinnerung für Orchester« (2014) Uraufführung Yefim Bronfman Klavier für den erkrankten Christian Thielemann * Ludwig van Beethoven (1770-1827) Klavierkonzert Nr. 2 B-Dur op. 19 1. Allegro con brio (Kadenz: Ludwig van Beethoven) 2. Adagio 3. Rondo. Molto allegro PAU S E Ludwig van Beethoven Wagner-Nachklänge Nicht verwendete Skizzen des einstigen Dresdner Hofkapellmeisters Wagner zu »Tristan und Isolde« waren Ausgangspunkt von Peter Ruzickas ELEGIE, die den Untertitel »Erinnerung für Orchester« trägt. Das 2014 geschriebene Werk erlebt durch die Staatskapelle Dresden in der Semperoper seine Uraufführung. Christian Thielemann musste seine Mitwirkung krankheitsbedingt leider absagen. Stattdessen steht der amerikanische Dirigent David Robertson am Pult, an dessen Seite sich Capell-Virtuos Yefim Bronfman Beethovens zweitem Klavierkonzert widmet. Im Zusammenhang mit dem Dirigentenwechsel kommt es zu einer Programmänderung. Anstelle des fünften Klavierkonzerts von Beethoven wird dessen vierte Symphonie gespielt. Wir bitten um Verständnis. 2 3 Symphonie Nr. 4 B-Dur op. 60 1. Adagio – Allegro vivace 2. Adagio 3. Menuetto – Trio. Allegro vivace – Un poco meno allegro 4. Allegro ma non troppo Aufzeichnung durch MDR Figaro Sendetermin: 26. April 2016, 20.05 Uhr Kostenlose Konzerteinführungen jeweils 45 Minuten vor Beginn im Foyer des 3. Ranges der Semperoper 9. SYMPHONIEKONZERT David Robertson Dirigent E r genießt in der Oper wie im Konzertsaal einen hervorragenden Ruf und wird geschätzt für seine künstlerische Vielseitigkeit und seine innovative Programmgestaltung, nicht zuletzt gilt David Robertson als ein exzellenter und erfahrener Dirigent der zeitgenössischen Musik, zahlreiche Ur- und Erstaufführungen sind mit seinem Namen verknüpft. Für den gebürtigen Kalifornier markiert die aktuelle Saison die elfte als Musikdirektor des St. Louis Symphony Orchestra, noch dazu übernahm er im Januar 2014 die Position des Chefdirigenten und Künstlerischen Leiters des Sydney Symphony Orchestra. Mit dem St. Louis Symphony war Robertson auch in Europa zu hören – Auftritte bei den BBC Proms in London, dem Musikfest Berlin, dem Lucerne Festival und in der Pariser Salle Pleyel ernteten ein ausgezeichnetes Presseecho. David Robertsons Karriere verlief in gleichmäßigen Pendelschlägen zwischen den USA und Europa. Sein Studium führte ihn von der amerikanischen Westküste an die Royal Academy of Music in London. Nach einem ersten Engagement in Jerusalem wurde er in Paris an die Spitze des von Pierre Boulez gegründeten Ensemble intercontemporain berufen (1992-2000). Später war er als erster Künstler überhaupt gleichzeitig sowohl Musikdirektor des Orchestre National de Lyon als auch Künstlerischer Direktor des dortigen Auditoriums (2000-2004), ehe er lange Jahre parallel zum Chefposten in St. Louis das Amt des Ersten Gastdirigenten beim BBC Symphony Orchestra in London innehatte (2005-2012). Über seine festen Verpflichtungen hinaus nahm David Robertson Gastdirigate bei namhaften Orchestern Europas und der USA wahr, gleich mehrfach gastierte er am Pult der Sächsischen Staatskapelle: 2007 dirigierte er in der Semperoper Elgars Cellokonzert und Bartóks »Holzgeschnitzten Prinzen«, 2010 das Orchesterwerk »Stratum« der damaligen Capell-Compositrice Rebecca Saunders, Bergs Violinkonzert und Sibelius’ Fünfte und 2014 u. a. die deutsche Erstaufführung von Wolfgang Rihms »Verwandlung 5«. Mit mehr als 50 Bühnenwerken im Repertoire leitete David Robertson Opernvorstellungen an vielen international erstrangigen Häusern wie der Mailänder Scala, der Bayerischen Staatsoper oder der New Yorker MET. David Robertson widmet seine Zeit regelmäßig der Arbeit mit jungen Musikern und Nachwuchsdirigenten. Für sein Wirken wurde er mit vielen Preisen und Auszeichnungen bedacht. 4 5 9. SYMPHONIEKONZERT Yefim Bronfman C A P E L L -V I R T U O S 2 015 | 2 016 D E R S Ä C H S I S C H E N S TA AT S K A P E L L E D R E S D E N Y efim Bronfman gilt als einer der bedeutendsten Klaviervirtuosen der Gegenwart. Seine makellose Technik und hohe Interpretationskunst werden vom Publikum und von der Fachwelt gleichermaßen geschätzt. Nach seinem Studium in Israel und Amerika bei Rudolf Firkušný, Leon Fleisher und Rudolf Serkin etablierte er sich als Solist auf den führenden Konzertbühnen der Welt. Bereits 1991 erhielt Yefim Bronfman, US-Amerikaner usbekischer Herkunft, den Avery Fisher Prize, eine der höchsten Auszeichnungen für amerikanische Musiker. Als Kammermusiker und musikalischer Partner großer Symphonieorchester ist er gern gesehener Gast renommierter Festivals, u. a. bei den Salzburger Festspielen, dem Lucerne Festival und dem Tanglewood Festival. Dabei konzertiert er mit Solisten wie Yo-Yo Ma, Joshua Bell, Lynn Harrell, Shlomo Mintz, Anne-Sophie Mutter und Pinchas Zukerman. Auch mit Ensembles wie dem Emerson-, dem Guarneri- und dem Juilliard Quartett arbeitet Yefim Bronfman regelmäßig zusammen. Neben dem klassischen Repertoire gilt seine besondere Aufmerksamkeit dem zeitgenössischen Fach. Yefim Bronfmans umfangreiches Wirken ist auf zahlreichen CD- und DVD-Produktionen dokumentiert. Eine Aufnahme der Bartók-Konzerte mit dem Los Angeles Philharmonic unter der Leitung von Esa-Pekka Salonen wurde 1997 mit einem Grammy ausgezeichnet. Auf DVD ist Beethovens fünftes Klavierkonzert mit dem Concertgebouworkest unter Andris Nelsons erschienen, aufgenommen im Rahmen des Lucerne Festivals 2011, ebenso wie ein Konzertmitschnitt von Rachmaninows drittem Klavierkonzert mit den Berliner Philharmonikern und Simon Rattle sowie eine Einspielung der Konzerte Beethovens mit dem Tonhalle-Orchester Zürich und David Zinman. Nach seinem gefeierten Debüt mit der Sächsischen Staatskapelle während der Osterfestspiele 2013 unter der Leitung von Christian Thielemann prägt Yefim Bronfman die Spielzeit 2015 / 2016 als CapellVirtuos ganz wesentlich. Im Sonderkonzert am 20. und 21. April spielt er Beethovens fünftes Klavierkonzert und ist zudem mit Anne-Sophie Mutter und Lynn Harrell in Beethovens »Tripelkonzert« zu hören. 6 7 9. SYMPHONIEKONZERT DIE UNBEANTWORTBARE FRAGE Peter Ruzicka Peter Ruzickas ELEGIE – »Erinnerung für Orchester« * 3. Juli 1948 in Düsseldorf ELEGIE »Erinnerung für Orchester« Uraufführung »K ENTSTEHUNG BESETZUNG 2014 3 Flöten, Schlagzeug und Streicher WIDMUNG Christian Thielemann, »in Wagnertreue« 8 9 DAU ER ca. 10 Minuten inder! macht Neues! Neues! und abermals Neues! Hängt Ihr Euch an’s Alte, so hat euch der Teufel der Inproductivität, und Ihr seid die traurigsten Künstler!« Wie eine Trompetenfanfare schallt diese Losung durch das neunzehnte Jahrhundert, ausgegeben von Richard Wagner, aufgeschrieben in einem Brief an seinen Freund und Förderer Franz Liszt. »Kinder! macht Neues!« Der Bayreuther Meister wusste es selbst am besten, dass dieser utopische Anspruch in der Praxis kaum einzulösen war und die beschworene Originalität am Ende eine Frage der Autosuggestion blieb. Gleichwohl – der einmal verkündete Fortschrittsglaube war nicht mehr aus der Welt zu schaffen, erst recht nicht aus der Welt der (europäischen) Musik, die bald mit Technik, Wissenschaft und Forschung in einen aussichtslosen Wettstreit um das Neueste vom Neuen geriet. Doch als »Erfinder« stand der Komponist unweigerlich auf verlorenem Posten, denn es kam der Tag, für den einen früher, für den anderen später, da schließlich einmal alles gesagt war und zudem auf jede nur erdenkliche Weise: Musik der Stille, Maschinenmusik, statische Musik, Geräuschmusik, elektronische Musik, Zwölftonmusik, Vierteltonmusik, Musik über einen Ton, Musik ganz ohne Töne. Und so hinterließen die rasch und rascher voranschreitenden Neuerungen, Umstürze und Umwälzungen zuletzt ein Gefühl der Ratlosigkeit und tiefen Verunsicherung, wie es keine Generation je zuvor in der Musikgeschichte gekannt hatte. Neues! Neues! und abermals Neues! »Gegen Ende der siebziger Jahre fühlte ich mich als Komponist von den abgenutzten musikalischen Materialien und dem Zweifel über den Sinn des Musikmachens zunehmend in die Enge getrieben. Es lag nahe, ganz zu verstummen oder allein 9. SYMPHONIEKONZERT noch Musik für vorstellbar zu halten, die über die Unmöglichkeit reflektiert, weiter Musik zu schreiben«, gestand Peter Ruzicka im Rückblick auf eine Krise, die nicht er allein und schon gar nicht als einziger durchleben musste. Zu einer Zeit, als ein solches Bekenntnis noch an Tabus rührte, wagte Ruzicka offen über den Abschied vom offiziellen Fortschrittsdogma zu sprechen: »Nichts ist grundsätzlich mehr neu noch ›unerhört‹; nichts vermag mehr ›prägend‹ zu wirken, wie seinerzeit noch die musikalischen Eroberungstendenzen in den zwei Jahrzehnten zwischen 1950 und 1970.« Ruzicka beklagte den »Sprachzerfall«, ja die »Sprachlosigkeit« der Neuen Musik; illusionslos stellte er fest, »daß Neues weithin nur mehr mit einer Mischung aus Neugierde und Enttäuschung, aus Faszination und Langeweile aufgenommen« werde: »Ein weiterer Fortschritt des musikalischen Materials erscheint heute als Denkfigur und Prämisse obsolet.« Was aber blieb dem Komponisten noch zu tun, wenn er nicht verstummen, den Beruf wechseln oder als traurigster aller Künstler über die Unmöglichkeit des Komponierens nachsinnen wollte? »Kinder, hängt Euch an’s Alte«? »Gefundene« und »erfundene« Musik Peter Ruzicka 2013 10 11 Peter Ruzicka, obschon bekanntlich auch als Intendant nicht ganz erfolglos, wechselte den Beruf nicht. Er begann jedoch sein Selbstverständnis, seine »Mission« als Komponist von Grund auf zu überdenken. Er stellte sich (und den Kollegen der Zunft) die Frage, »wieviel Gegenwart in der Musik der Vergangenheit potentiell angelegt, vorgedacht ist, die wir noch nicht entdeckt haben, und umgekehrt, wieviel bereits Erfahrenes in der gegenwärtigen Musik notwendig ist, um Neues zu begründen«. In Vorträgen und Essays untersuchte er das schöpferisch spannungsreiche Verhältnis zwischen der »alten« und der »gegenwärtigen« Kompositionskunst, zwischen »gefundener« und »erfundener« Musik: ein Gegensatz, jedenfalls auf dem Papier der Definitionen, den der Komponist klären, lösen, aufheben muss. Denn wenn es für ihn nichts mehr zu »erfinden« gibt, nichts Neues mehr, nichts Unerhörtes, bewährt sich das Komponieren (wie das Wort ja auch ursprünglich besagte) im Umgang mit »Gefundenem«, im Ausloten des Vorhandenen, im Neuanfang mit Altbekanntem – Musik über Musik. Aber selbst dieses Phänomen ist keineswegs neu, obgleich es den älteren Meistern gewiss weniger Kopfzerbrechen bereitete als den zeitgenössischen Komponisten nach der Abkehr vom späten, innovationsmüden zwanzigsten Jahrhundert. Was aber geschieht mit der »neuen« Musik, wenn sie sich »an’s Alte hängt«? Peter Ruzicka unterscheidet systematisch vier denkbare Umgangsformen des Komponisten mit den Fundstücken der Vergangenheit. Ein bewusstes, unverfälschtes Zitat kann der Huldigung dienen, 9. SYMPHONIEKONZERT sogar der Identifikation: Man denke nur an Johann Rudolf Ahles Kirchenlied »Es ist genug«, das über Bachs Kantate »O Ewigkeit, du Donnerwort« und Bergs Violinkonzert bis zu Magnus Lindbergs »Chorale« als Bildungsgut, Sinnträger und Hoffnungszeichen die Musikgeschichte durchquert. Parodistische Verfahren hingegen, Ironie und Persiflage, schaffen naturgemäß Distanz: Ruzicka nennt als Beispiel das Finale aus Mahlers siebter Symphonie mit seinem demaskierend vorgeführten »Meistersinger«-Pathos. Die musikalischen Fundsachen können sich aber auch im Sinne eines historischen und ästhetischen Pluralismus vereinen, zu einer »musica universalis«, wie in einigen Werken von Stockhausen oder Bernd Alois Zimmermann. Und schließlich wird ein findiger Komponist mit Anspielungen und Anklängen operieren, er wird aus dem Vokabular, dem Gestenrepertoire, den Klangsymbolen der Vergangenheit etwas tendenziell Neues oder zumindest doch Eigenes zu bilden wissen: »Erfundenes als Neuformulierung von Gefundenem«, wie Ruzicka erklärt. Peter Ruzickas 2014 komponierte und Christian Thielemann gewidmete ELEGIE für Streichorchester (genau genommen: für vierzig Solostreicher), drei Flöten und Schlagzeug umkreist, bedenkt und ergründet ein thematisches Fragment, das Richard Wagner zunächst 1858 während der Komposition des »Tristan« notierte, um es 1881, gegen Ende seines Lebens, auf insgesamt dreizehn Takte zu erweitern und als Geschenk, Widmungsblatt und Liebeserklärung an seine Frau Cosima zu deren Geburtstag der handschriftlichen »Parsifal«-Partitur beizulegen. Dieses »Thema« in As-Dur mit der Vortragsbezeichnung »schmachtend« klingt in etwa so, als habe Wagner die selbstquälerische »Tristan«Harmonik mit einer Rückkehr (einem Rückfall?) in den Traditionalismus besänftigen wollen: Das Neue ergibt sich dem Alten, nur – ist das eine Lösung? Richard Wagner soll dieses Notat am Vorabend seines Todes vor Freunden im venezianischen Palazzo Vendramin Calergi auf dem Klavier gespielt haben. »Wagners Klavierskizze beschäftigte mich schon seit langer Zeit«, verrät Ruzicka. »Ihre Offenheit und Unbestimmtheit veranlasste mich zu einem ›Fortdenken‹, zu einer sehr persönlichen musikalischen Annäherung und Entfernung. Ich wählte hierfür das klangliche Potential eines Streichorchesters, dem Impulse und ›Schattenklänge‹ dreier Flöten und des Schlagzeugs zugefügt sind. Wagners Frage bleibt bestehen. Und sie erscheint auch heute unbeantwortbar …« »Annäherung und Entfernung« Es steht hingegen vollkommen außer Frage, dass Peter Ruzicka diese Musik nicht parodierte oder nachahmte, nein, dass er sich vielmehr in starkem, bekenntnishaftem Maße mit dem großen Vorgänger identifi- 12 13 Peter Ruzicka wurde 1948 in Düsseldorf geboren. An eine instrumen­tale und theoretische Ausbildung am Hamburger Konservatorium (Klavier, Oboe, Kompositionstheorie) schlossen sich Kompositions­studien bei Hans Werner Henze und Hans Otte an. Er studierte Rechts- und Musikwissenschaften in München, Hamburg und Berlin und promovierte mit einer interdisziplinären Dissertation über das »ewige Urheberpersönlichkeitsrecht«. Peter Ruzickas Werke wurden von führenden Orchestern und Ensembles wie den Berliner und Wiener Philharmonikern, allen deutschen Rundfunk-Sinfonieorchestern, den Münchner Philharmonikern, dem Gewandhausorchester Leipzig, dem TonhalleOrchester Zürich, dem Concertgebouworkest, dem Philharmonia Orchestra London, dem Orchestre Philharmonique de Paris, dem Israel Philharmonic Orchestra und dem New York Philharmonic Orchestra aufgeführt. Dirigenten wie Gerd Albrecht, Semyon Bychkov, Riccardo Chailly, Christoph Eschenbach, Michael Gielen, Paavo Järvi, Mariss Jansons, Kurt Masur, Antonio Pappano, Giuseppe Sinopoli und Christian Thielemann haben sich für seine Musik eingesetzt. Der frühere Intendant der Salzburger Festspiele ist seit Juli 2015 Geschäftsführender Intendant der Osterfestspiele Salzburg. zierte. »Erinnerung für Orchester« nennt er seine Komposition im Untertitel. Bereits Wagners »Thema« kam ja, wie Ruzicka sagt, »einer musikalischen Selbstbeobachtung« gleich, »die wie von Ferne auf den ›Tristan‹ und die Geschehnisse seiner Entstehung verweist«. Der Vorgang der Erinnerung, der »Annäherung und Entfernung«, spiegelt sich in Ruzickas ELEGIE in der dynamischen Unterschwelligkeit, in den Irritationen des Zeitgefühls und in der vielstimmigen Aufschlüsselung und Entgrenzung des Satzes: Eine solche »Loslösung von der üblichen Gruppenmechanik des Orchesters« hatte Ruzicka schon in seinen frühesten Werken erstrebt. Aber vielleicht ist der Begriff der »Erinnerung« auch in dem Sinne zu verstehen, wie ihn der Schriftsteller Stefan Andres ausgesprochen hat: »Das Vermögen, sich tief und gut zu erinnern, ist eine der wesentlichsten Gaben der Musen an den Dichter. Denn die Erinnerung allein schafft den Raum, in dem wir leben, und sie ist es, die uns an die Hand nimmt und zurückführt zu allen Stufen der Entfaltung unseres Seins.« Weshalb die Erinnerung, nicht zuletzt, auch ein anderes Wort wäre für – »Productivität«. W O L F G A N G S TÄ H R 9. SYMPHONIEKONZERT Ludwig van Beethoven * (getauft) 17. Dezember 1770 in Bonn † 26. März 1827 in Wien LOSLÖSUNG VON VORBILDERN Beethovens zweites Klavierkonzert Klavierkonzert Nr. 2 B-Dur op. 19 1. Allegro con brio (Kadenz: Ludwig van Beethoven) 2. Adagio 3. Rondo. Molto allegro A ENTSTEHUNG E R S TAU F F Ü H R U N G erste Version: 1790 zweite Version: 1794 dritte Version: 1794 / 1795 vierte Version: mutmaßlich vor der zweiten Hälfte 1798 Druckfassung: 1801 bei Hoffmeister & Co., Wien und Leipzig zweite und dritte Version: wahrscheinlich 1794 / 1795 in Wien vierte Version: im Oktober 1798 in einer Beethoven-Akademie im Wiener Konviktsaal WIDMUNG Carl Nicklas Edler von Nickelsberg BESETZUNG Soloklavier Flöte, 2 Oboen, 2 Fagotte, 2 Hörner und Streicher DAU ER ca. 30 Minuten 14 15 ls die Sache mit dem Fußtritt in den Hintern eskaliert, versucht Wolfgang Amadeus Mozart seinen Entschluss, nach Wien zu gehen, vor seinem Vater wortreich zu rechtfertigen: »Die Wiener sind wohl leute die gerne abschiessen – aber nur am Theater. – und mein fach ist zu beliebt hier, als daß ich mich nicht Souteniren [behaupten] sollte. Hier ist doch gewis das Clavierland!« 1781 bedeutet der Wechsel aus einer halbwegs gesicherten höfischen Anstellung hin zu einem freien Musikerdasein ein risikoreiches Wagnis. Doch lockt das Wiener »Clavierland« mit seinen vielfältigen Chancen in den zahlreichen Salons der Hocharistokratie weit mehr als es abschreckt. Der Schritt des 25-Jährigen zieht den erhofften Erfolg jedenfalls nach sich. Mozart reüssiert unter anderem mit neuen Klavierwerken und begeistert ein neugieriges Publikum. In den ersten Jahren an der Donau prägt er das Musikleben der kaiserlichen Hauptstadt ganz wesentlich. Unterdessen reift am Rhein eine weitere außergewöhnliche Begabung heran. In einem der ersten Berichte über den jungen Beethoven schreibt Christian Gottlob Neefe 1783: »Dieses junge Genie verdiente Unterstützung, daß es reisen könnte. Es würde gewiß ein zweiter Wolfgang Amadeus Mozart werden, wenn er so fortschritte, wie er angefangen.« Seit Anfang der 1780er Jahre wird Beethoven von Neefe in Klavier- und Orgelspiel unterrichtet und von dem Musikgelehrten in mehrere Standardwerke der Theorie eingeführt. Neefe ist es auch, der gemeinsam mit dem Grafen Waldstein 1787 einen Studienaufenthalt für Beethoven in Wien erwirkt. Dort kommt es zu einer Begegnung mit dem 14 Jahre älteren Mozart, der den seherischen Satz prägt: »Dieser Jüngling wird noch viel in der Welt von sich reden machen.« Darin mag ein gewisses Maß an nachträglicher Legendenbildung mitschwingen, mit der man ebenso vorsichtig sein sollte wie mit der kolportierten 9. SYMPHONIEKONZERT beweinet den Tod seines Zöglings. Bey dem unerschöpflichen Haydn fand er Zuflucht, aber keine Beschäftigung; durch ihn wünscht er noch einmal mit jemandem vereinigt zu werden. Durch ununterbrochenen Fleiß erhalten Sie: Mozart’s Geist aus Haydns Händen.« Arbeit an mehreren Fassungen Ludwig van Beethoven, um 1800 Stich von Johann Neidl nach einer Zeichnung von Gandolph Ernst Stainhauser von Treuburg Überlieferung, Mozarts Klavierspiel habe anlässlich eines öffentlichen Auftretens für Beethoven bereits nicht mehr zeitgemäß geklungen. Die Verknüpfungen, wie auch immer man sie bewertet, sind damit allerdings gesetzt. Als Beethoven Anfang November 1792 Bonn verlässt und nach Wien aufbricht, lautet der prophetische Stammbucheintrag des Grafen Waldstein: »Lieber Beethoven! Sie reisen itzt nach Wien zur Erfüllung Ihrer so lange bestrittenen Wünsche. Mozart’s Genius trauert noch und 16 17 Doch was heißt hier Mozarts Geist? In Wien betritt der junge Beethoven die Bühne des »Clavierlands«, wo der Schatten des Älteren noch drei Jahre nach seinem Tod allenthalben zu spüren ist. Die Erwartungen des Publikums sind vom Stil des Salzburger Komponisten geprägt, ihnen vermag sich der Neuankömmling nicht restlos zu entziehen. In diesem Sinne liest sich Waldsteins Eintrag als Beschwörung einer Kontinuität, die für Beethoven nicht unproblematisch ist, wenn er als Pianist und Komponist eigner Geltung wahrgenommen werden will. Die Entstehung des zweiten Klavierkonzerts spiegelt diesen ambivalenten Prozess exemplarisch wider. Sie beschreibt den langwierigen Weg der Emanzipation auf einem Feld, das von Mozart reich bestellt wurde. Schon die Vorgeschichte liest sich kompliziert. Erste Skizzen zu einem Klavierkonzert reichen in das Jahr 1786, als Beethoven besoldetes Mitglied der Bonner Hofkapelle ist. Die Ursprünge des späteren Klavierkonzerts op. 19 liegen damit im zeitlichen Umfeld zu Mozarts Klavierkonzert Es-Dur KV 482, das am 23. Dezember 1785 uraufgeführt wird. Dessen Schlusssatz dient Beethoven als Modell für das ursprüngliche Finale in op. 19 und steht für eine seiner ersten großen Auseinandersetzungen mit Mozart. Umso bezeichnender ist es, wenn er dieses Rondo 1794 / 1795 durch eine Neukomposition ersetzt. Augenscheinlich will Beethoven den Eindruck einer allzu großen Nähe zu dem Salzburger Meister vermeiden. Noch aber ist es nicht soweit. Die erste Version von op. 19 beendet er 1790. Mehrere Fassungen der Bonner Version schließen sich an, sie stehen im Zusammenhang mit öffentlichen Wiener Aufführungen in den Jahren 1793, 1794 / 1795 und 1798 und münden in die Vorbereitung für den Druck 1801. Wie schwierig es ist, dem Werk innerhalb seiner langen Entstehung eine gleichwohl sinnfällige Form zu verleihen, zeigt eine Äußerung Beethovens an seinen Verleger Hoffmeister, wenn er es als ein Stück ankündigt, »welches ich … für keins von meinen besten ausgebe«. Das Unbehagen hat Gründe. In dem anhaltenden Schaffensprozess offenbart sich Beethovens vielschichtige Entwicklung als Komponist, der in jeder neueren Version bestehende Versatzstücke integrieren muss, will er nicht in weiten Teilen eine Neukomposition vorlegen. Beethoven arbeitet an der Quadratur des Kreises. Die Detailarbeit folgt in nicht wenigen Zügen Mozart, während die übergeordnete Gestalt dem Anschein einer 9. SYMPHONIEKONZERT reinen Stilkopie aus dem Weg zu gehen sucht und nach einer individuellen Formgebung strebt. Es ist der Kontrast, den Beethoven kurzerhand zum kompositorischen Mittel erhebt. Der Anfang des Konzerts präsentiert einen geschlossenen sechzehntaktigen Hauptsatzgedanken, dessen einzelne Teile im Gegensatz zueinander stehen. Daraus ergeben sich symmetrische Entsprechungen mit dem Ziel einer gliedernden Wirkung – und das mit einer Konsequenz, die über Mozart hinausführt. Vermutlich stammt das Eingangsthema bereits aus der Bonner Zeit. Aus erhaltenen Skizzen geht jedenfalls hervor, dass es in späteren Fassungen nicht mehr in Frage gestellt wird. Seine kohärente Gestalt macht jeden Eingriff, jede Veränderung schwierig, wenn nicht unmöglich. Da ist es fast folgerichtig, dass der lyrische Nebengedanke identisch mit dem Kontrastmotiv des Hauptthemas ist. Erst im späteren Verlauf fügt Beethoven unvermittelt einen neuen lyrisch-kantablen Gedanken ein, der als Episode dem Grundsatz ausgleichender Vermittlung von Kontrastierungen entgegensteht. Wahrscheinlich platziert Beethoven dieses Seitenthema nicht vor 1798, als die formale Anlage in ihren Grundzügen bereits feststeht. Generell äußert sich in der Behandlung der Seitenthemen das Problem, mit dem Beethoven es in diesem Satz zu tun hat. Die Herausforderung liegt darin, eine ausgewogene Balance zwischen der auch harmonischen Geschlossenheit des Hauptthemas und den tonartlich entfernt angesiedelten Seitenthemen herzustellen und daraus den Impuls einer wechselseitigen Entwicklung zu gewinnen. Die Skizzen der jeweiligen Fassungen belegen Beethovens Ringen um eine Lösung dieser Frage und lassen vermuten, dass gerade der erste Satz viel zu der bereits zitierten Bemerkung beigetragen hat, von einem Werk zu sprechen, »welches ich … für keins von meinen besten ausgebe«. Die folgenden Sätze kennen die konzeptionelle Anstrengung des Kopfsatzes in weit geringerem Maße. Als Beethoven 1794 / 1795 das Werk für Wien gründlich revidiert, arbeitet er das Adagio stetig und mit zielsicherem Blick um und erreicht eine auf die großen Adagiosätze der folgenden Jahre vorausweisende Dichte. Die Anlage ist nicht gefangen in einer Dualität kontrastierender Teilbereiche und kennt folglich nicht das Problem eines festgefügten Schemas. Vielmehr gibt es Abschnitte, in denen die melodisch-harmonische Struktur des Hauptthemas allmählich aufgelöst wird, was im Grunde durch eine freie monothematische Kompositionsweise begünstigt wird und Beethoven weit mehr Möglichkeiten für eine dialogisierende Rollenverteilung zwischen Solopart und Orchester bietet. Auch das neu komponierte Rondofinale liegt um 1798 im Vergleich zur Druckversion in großen Teilen ausgearbeitet vor. Einer der weiteren Gründe, warum Beethoven das ältere Rondo verwirft, könnte in der Gewichtung des Soloparts liegen. Aus der erhaltenen Fassung des 18 19 Stammbucheintrag des Grafen Waldstein vom 29. Oktober 1792 entfernten Satzes geht hervor, wie übersichtlich die Aufgaben sind, die Beethoven dem Solisten zuteilt. Die Neukomposition lässt dem Solisten mehr Raum und überträgt ihm wichtigere Aufgaben, indem sämtliche für das Rondo konstitutiven Formabschnitte, also alle Ritornelle und Couplets, vom ihm eröffnet werden. Der Satz besticht durch eine gleichförmige Motorik der Spielfiguren in virtuoser Bravour und einer Themenbildung, deren häufige Synkopensetzung und plötzlich auftretende Sforzato-Akzente zweifellos Beethovens Personalstil erkennen lassen. Die Rastlosigkeit des musikalischen Verlaufs vermittelt mitunter den Eindruck einer Mühelosigkeit. Jedoch ist die Zwanglosigkeit, mit der die verschiedenen Themen und Motive am Hörer vorüberziehen, nicht Ausdruck einer kompositorischen Lässigkeit, der die musikalische Gestaltung zuzufliegen scheint. Auch hier spricht die Vielzahl der überlieferten Skizzen eine andere Sprache. Es ist die Sprache eines unbeirrten Ringens, Änderns und Verwerfens, aus der erst nach und nach so etwas entsteht, was eine perlende Leichtigkeit suggeriert. Der mühevolle Weg aus dem Schatten Mozarts ist nicht abgeschlossen, eine wichtige Etappe immerhin aber genommen. ANDRÉ PODSCHUN 9. SYMPHONIEKONZERT Ludwig van Beethoven »EINE SCHLANKE, GRIECHISCHE MAID ZWISCHEN NORDLANDRIESEN« Beethovens vierte Symphonie Symphonie Nr. 4 B-Dur op. 60 1. Adagio – Allegro vivace 2. Adagio 3. Menuetto – Trio. Allegro vivace – Un poco meno allegro 4. Allegro ma non troppo ENTSTEHUNG BESETZUNG Spätsommer / Herbst 1806 Flöte, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 2 Hörner, 2 Trompeten, Pauken und Streicher WIDMUNG dem Grafen Franz von Oppersdorff gewidmet DAU ER U R AU F F Ü H R U N G 1807 in Wien 20 21 ca. 35 Minuten N ur wenige Monate nach der Uraufführung seines Violinkonzertes, im März 1807, trat Beethoven im Palais des Fürsten Lobkowitz wieder mit einer eigenen Akademie vor die Öffentlichkeit. Auf dem Mammutprogramm standen neben der Uraufführung der vierten Symphonie die Symphonien Nr. 1 bis 3, das vierte Klavierkonzert, die »Coriolan«-Ouvertüre und Arien aus »Fidelio«. Mit solch unterschiedlichen Werken von dramatischer Kraft bis zu unbeschwerter Fröhlichkeit, von heroischem Pathos bis zu tänzerischer Freude gab Beethoven einen umfassenden Einblick in seine schöpferische Entwicklung, in den Stand seines gegenwärtigen Wollens und Vollbringens und damit zugleich in seine bewusste Auseinandersetzung mit Zeit und Umwelt. Viele Hörer feierten Beethoven enthusiastisch. An gegenteiligen Meinungen fehlte es aber auch hier nicht. Da hieß es in einer Besprechung der vierten Symphonie, sie habe »höchstens seinen (Beethovens) wütenden Verehrern gefallen«, in einer anderen tadelte man an ihr »die Vernachlässigung einer edlen Simplizität und die allzu fruchtbare Anhäufung von Gedanken, die wegen ihrer Menge nicht immer hinlänglich verschmolzen sind und daher öfter nur den Effekt wie ungeschliffene Diamanten hervorbringt«. Beethoven ließ sich allerdings nicht beeindrucken von solchen kritischen Vorwürfen; seine Haltung ihnen gegenüber brachte er später so etwa zum Ausdruck: »Ich denke mit Voltaire, dass einige Mückenstiche ein mutiges Pferd nicht in seinem Lauf aufhalten können.« Denn neben der offensichtlichen Unkenntnis im »Technischen« sprach aus derartigen Zeilen vor allem auch das Unverständnis für den Sinn der Musik Beethovens, wie er ihn einmal formulierte, nämlich »von all dem Elend, womit die anderen sich schleppen«, frei zu machen. Es muss eine glückliche Zeit für Beethoven gewesen sein, während der er in kurzer Folge Kompositionen wie das Violinkonzert und die vierte Symphonie schreiben konnte. Auch zur Zeit der eingangs 9. SYMPHONIEKONZERT genannten Akademie erlebte ihn ein Zeitgenosse »heiter, zu jedem Scherz aufgelegt, frohsinnig, lebenslustig, witzig, nicht selten ironisch«. Gegen die sonstige Gewohnheit hat Beethoven die vierte Symphonie ohne skizzierende Vorarbeiten in einem Zuge niedergeschrieben; eine offensichtlich genial, mühelos hingeworfene Arbeit – aber auf gar keinen Fall ein Nebenwerk. Auch wenn sie im Charakter wie in der leichteren Zugänglichkeit mehr an Mozart und Haydn, an der eigenen »Zweiten« orientiert scheint, ist sie nicht nur eigenständig, sondern nach vorwärts gerichtet. Als ein Werk der Lebensfreude bildet die vierte Symphonie – inhaltlich dem lichtvollen Triumph des »Eroica«-Finales verbunden – eine Ergänzung der Heldensymphonie, und zugleich – geschrieben nach Beendigung der ersten beiden Sätze der »Fünften« – ist sie die Plattform für die Bewältigung der gewaltigen Aufgabe, die sich Beethoven mit dem Zyklus der c-Moll-Symphonie gestellt hatte. Robert Schumann nannte sie im Verhältnis zu ihren symphonischen Nachbarwerken »eine schlanke, griechische Maid zwischen Nordlandriesen«, und er meinte wohl die hell strahlende Sonne, die über der Komposition liegt, die Frische, die glückliche Grundstimmung. Unter diesen Vorzeichen muss dann zunächst die ernste AdagioEinleitung zum ersten Satz überraschen. Im Pianissimo schreiten Terzgänge, fast lastend, bedrückend, abwärts. In dem folgenden, wie zart hingetupften Motiv ist bereits das Hauptthema des Allegro vivace vorgebildet, das nach einem entschlossen herbeigeführten Umschwung dem humorvollen Spiel freien Lauf lässt. Das leicht und locker dahineilen­de Thema, aus dem B-Dur-Dreiklang entwickelt, mit einer energischen Triole als Auftakt und mit einem kantablen Nachsatz versehen, prägt in seinen verschiedenen Darstellungsformen von spritziger Heiterkeit bis zu glänzender Festlichkeit im wesentlichen den Charakter des Satzes. Lustig führen die Holzbläser das Seitenthema ein, dem die Klarinette, im Kanon gefolgt vom Fagott, als weiteren Gedanken eine beschwingte Weise folgen lässt. Auch wenn Kontraste und gelegentliche Eintrübungen nicht auf sich warten lassen – zu schwer wiegenden Konflikten kommt es hier nicht. Lachende Fröhlichkeit überwindet alle Widerstände. Der zweite Satz ist von empfindungsvoller Schönheit. Ein klopfendes, ständig wiederkehrendes Motiv trägt die sanfte, kantable Melodie mit ihrer ebenso gesanglichen Gegenstimme. Kunstvoll wird diese Liedweise mit den sie ergänzenden Motiven harmonisch, klanglich, dynamisch, figurativ variiert. Sich eindrängende schmerzliche Empfindungen überwindet sie. Bei der Komposition des dritten Satzes mag Beethoven an die lebhaft-derben Tänze des Volkes gedacht haben, bei denen – wie es in einem zeitgenössischen Bericht heißt – »Schneider und Korbmacher im Ausrutschen und Geben von Rippenstößen« ihre tollen Späße 22 23 Ludwig van Beethoven, um 1808 Zeichnung von Ludwig Schnorr von Carolsfeld trieben. Besonders originell wirkt das Thema, indem es Zweiertakte in den Dreivierteltakt einfügt. Hector Berlioz beispielsweise beschrieb sein »Vergnügen daran, zu bemerken, wie der zerstückte Takt am Ende jeder Periode wieder ganz erscheint, und wie der Sinn der musikalischen Rede doch immer zu einem befriedigenden Schluss, zu einer vollständigen Lösung gelangt«. Diesem rhythmisch kecken, wiederum übrigens aus dem Dreiklang geformten ersten Teil des Themas steht als witziger Kontrast innerhalb des Hauptgedankens ein gebundener, geradezu etwas brummiger zweiter Teil gegenüber. Der turbulenten Ausgelassenheit des Scherzos antwortet im Trio die Behaglichkeit einer Ländlerweise. Voller Lebenslust setzt das Finale ein. Das Kopfmotiv bestimmt die Bewegung des ganzen Satzes und leitet zu einer volksliedhaften Melodie über. Von Einfällen, die bis in alle Einzelheiten meisterhaft durchgearbeitet sind, sprüht es nur so in diesem vitalen Schlusssatz. Durch ihn übertragen sich der übermütige Humor und die herzliche Freude des ganzen Werkes unmittelbar auf den Hörer. EBERHARD STEINDORF 9. SYMPHONIEKONZERT 9. Symphoniekonzert 2015 | 2016 Orchesterbesetzung 1. Violinen Roland Straumer / 1. Konzertmeister Michael Eckoldt Jörg Faßmann Federico Kasik Christian Uhlig Johanna Mittag Jörg Kettmann Susanne Branny Birgit Jahn Wieland Heinze Anja Krauß Anett Baumann Franz Schubert Ga-Young Son 2. Violinen Heinz-Dieter Richter / Konzertmeister Holger Grohs / Konzertmeister Matthias Meißner Stephan Drechsel Jens Metzner Olaf-Torsten Spies Alexander Ernst Mechthild von Ryssel Emanuel Held Kay Mitzscherling Martin Fraustadt Minah Lee 24 25 Bratschen Sebastian Herberg / Solo Andreas Schreiber Anya Dambeck Uwe Jahn Ralf Dietze Zsuzsanna Schmidt-Antal Claudia Briesenick Susanne Neuhaus Luke Turrell Henry Schneider * Violoncelli Norbert Anger / Konzertmeister Martin Jungnickel Uwe Kroggel Bernward Gruner Johann-Christoph Schulze Jörg Hassenrück Jakob Andert Matthias Wilde Kontrabässe Martin Knauer Torsten Hoppe Helmut Branny Fred Weiche Reimond Püschel Thomas Grosche Flöten Sabine Kittel / Solo Cordula Bräuer Jens-Jörg Becker Oboen Pauken Thomas Käppler / Solo Schlagzeug Dirk Reinhold Stefan Seidl Sebastian Römisch / Solo Andreas Lorenz Klarinetten Robert Oberaigner / Solo Dietmar Hedrich Fagotte Philipp Zeller / Solo Erik Reike Hörner Robert Langbein / Solo Julius Rönnebeck Trompeten Mathias Schmutzler / Solo Siegfried Schneider * als Gast 9. SYMPHONIEKONZERT Vorschau Sonderkonzert »Der Capell-Virtuos & Freunde« M I T T WO C H 2 0 . 4 .16 2 0 U H R D O N N ER S TAG 21. 4 .16 2 0 U H R S E M P ER O P ER D R E S D E N Manfred Honeck Dirigent The Mutter-Bronfman-Harrell Trio Anne-Sophie Mutter Violine Yefim Bronfman Klavier Lynn Harrell Violoncello 6 .2 0 1 6 L E . 6 2 – . 24 IONA T A N ER SCH T I 7. I N T W O AK T S O H C S TA G E H C S I R H O G ETHOV 10. Symphoniekonzert D O N N ER S TAG 5 . 5 .16 2 0 U H R F R EI TAG 6 . 5 .16 2 0 U H R S A M S TAG 7. 5 .16 11 U H R ISLER E N – E AYA, NITSK G, NA VIN AN HERBER N W A O , K N I E T A D S T S A S E B T DR E L, S E T, SCHO ONCER R RÖS HQUARTET SDEN O C A L C E R S, P E T E C E I V E , R L R D E T S N ND DS OR DA ANG E SDNER MPER WIN E Q U AT U O L L O N G , I S W S K I , D R E S , CH IAS W HAIL JURO HAEL SCHÖ P L AT Z M AT T H MIC E AT E R , MIC R E G AM TH N E A H T C R A E 0 25 E LW NORB C H IN K ( 0 3 5 0 2 1 ) 5 9 DER S ER IN T N N E U T KAR S O W IE IT D E R S D E N IO N M P E R AT A P E L L E D R E O O K IN TSK N S TA A IS C H E SÄCHS – B E ITSCH Ludwig van Beethoven Klavierkonzert Nr. 5 Es-Dur op. 73 Ouvertüre c-Moll zu »Coriolan« op. 62 Konzert für Klavier, Violine, Violoncello und Orchester C-Dur op. 56 »Tripelkonzert« S E M P ER O P ER D R E S D E N Herbert Blomstedt Dirigent Peter Serkin Klavier Max Reger Klavierkonzert f-Moll op. 114 Zum 100. Todestag des Komponisten Ludwig van Beethoven Symphonie Nr. 7 A-Dur op. 92 Kostenlose Konzerteinführungen jeweils 45 Minuten vor Beginn im Foyer des 3. Ranges der Semperoper WWW.SCHOSTAKOWITSCH-TAGE.DE Semperoper Semperoper Dresden Dresden 9. SYMPHONIEKONZERT IMPRESSUM Sächsische Staatskapelle Dresden Künstlerische Leitung/ Orchesterdirektion Sächsische Staatskapelle Dresden Chefdirigent Christian Thielemann Spielzeit 2015 | 2016 H E R AU S G E B E R Sächsische Staatstheater – Semperoper Dresden © April 2016 R E DA K T I O N André Podschun G E S TA LT U N G U N D L AYO U T schech.net Strategie. Kommunikation. Design. DRUCK Union Druckerei Dresden GmbH ANZEIGENVERTRIEB Juliane Stansch Persönliche Referentin von Christian Thielemann Jan Nast Orchesterdirektor Tobias Niederschlag Konzertdramaturg, Künstlerische Planung André Podschun Programmheftredaktion, Konzerteinführungen Matthias Claudi PR und Marketing Agnes Monreal Assistentin des Orchesterdirektors EVENT MODULE DRESDEN GmbH Telefon: 0351 / 25 00 670 e-Mail: [email protected] www.kulturwerbung-dresden.de Elisabeth Roeder von Diersburg Orchesterdisponentin B I L D N AC H W E I S E Agnes Thiel Dieter Rettig Notenbibliothek Michael Tammaro (S. 4); Dario Acosta (S. 7); Wilfried Beege (S. 10); Dieter Rexroth, Beethoven. Leben – Werke – Dokumente, Mainz und München 1982 (S. 16, 19, 23) T E X T N AC H W E I S E Die Einführungstexte von Wolfgang Stähr und André Podschun sind Originalbeiträge für dieses Programmheft. Der Einführungstext von Eberhard Steindorf stammt aus dem Programmheft zum 2. Symphoniekonzert der Sächsischen Staatskapelle Dresden in der Saison 2000 / 2001. Urheber, die nicht ermittelt oder erreicht werden konnten, werden wegen nachträglicher Rechtsabgeltung um Nachricht gebeten. Private Bild- und Tonaufnahmen sind aus urheberrechtlichen Gründen nicht gestattet. W W W. S TA AT S K A P E L L E - D R E S D E N . D E 28 Christian Thielemann Chefdirigent Matthias Gries Orchesterinspizient