Kognitive Dimensionen der Verhaltensanpassung und neuronale Korrelate Randolf Menzel FU Berlin Neurobiologie www.neurobiologie.fu-berlin.de MNU Berlin 19.9.08 Super Gedächtnisleistungen Lerntest Vergleichstest was kam zuerst? alles gleich? Ja/Nein links/rechts Testmuster Maguire, Valentine, Wilding, Kapur, 2003 Tests zum Prüfen des Gedächtnisses bei Alzheimer Kranken Ein Gedächtnistest für Alzheimer Kranke Guy Pearce in „Memento“, der sein Gedächtnis verloren hat andere Filme der letzten Zeit zum Thema Gedächtnis (Auslöschen von Gedächtnis ): 50 erste Dates (Adam Sandler) Vergiss mein nicht (Jim Carrey) Die Bourne Identität (Matt Damon) Eternal Sunshine of the Spotted Mind Gyrus cingularis Die Geschichte des Patienten HM und die Rolle des Hippokampus Thalamus Olfaktorischer Bulbus Mammilar körper Hippokampus Amygdala Im Gehirn haben viele Fähigkeiten ihren Ort Wo im Gehirn ist das Gedächtnis gespeichert? Verschiedene Arten von Gedächtnis Orte des Gedächtnis im Netzwerk der Neurone Die molekularen Bausteine des Gedächtnisses Regeln der Neurodidaktik Im Gehirn haben viele Fähigkeiten ihren Ort Spektrum der Wissenschaft Mit dem Üben von Bewegungen werden die zuständigen Gehirnstrukturen grösser Körperoberfläche Bewegung Hören Sehen Karten im Gehirn: für Bewegungen Karte der Bewegungen und für Körpergefühl Karte der Körperoberfläche PET Messungen vorn Hören von Wörtern Sprechen von Wörtern Sehen von Wörtern Denken von Wörtern hinten Wie kann man die Gehirnarbeit messen? Nicht invasive Methoden der Messung der Gehirnaktivität (über Sauerstoffzufuhr): PET (Positronen Emissions Tomographie) und funktionelle Kernspintomographie Positronen Emissions Tomographie funktionelle Kernspintomographie PET Methode Mit diesen Methoden wird die lokale Durchblutung gemessen. Zeit (sec) Es müssen immer zwei Messungen gemacht werden: Testsituation/Kontrolle. Die Bilder werden dann von einander abgezogen. Da die Signale sehr klein sind, muss dies viele Male wiederholt werden (Mittelwert). Aktivitätsverteilung bei realer und vorgestellter Bewegung (funktionelle Kernspin Tomographie) rot: wahrgenommene Bewegung grün: vorgestellte Bewegung gelb: überlappende Bereiche Beim Vorstellen (Denken) von Ereignissen wird auch der vordere Gehirnberich aktiviert Im Gehirn haben viele Fähigkeiten ihren Ort Hat das Gedächtnis einen Ort? Zuerst wollen wir die Frage an das gesamten Gehirn stellen, dann an die Neurone Gyrus cingularis Die Geschichte des Patienten HM und die Rolle des Hippokampus Thalamus Olfaktorischer Bulbus Mammilar körper Hippokampus Amygdala Motorisches Lernen des Patienten HM Normales motorisches Lernverhalten des Patienten HM Ort des motorischen Lernens: Cerebellum Unser Gehirn hat einen Gedächtnisorganisator für bewusst werdende Inhalte – den Hippokampus. Das Organisationsprinzip ist der Raum und die Zeit – wie in einem geordneten Bücherschrank. Die Gedächtnisinhalte sind an vielen anderen Stellen im Gehirn verteilt niedergelegt. Der Hippokampus sorgt dafür, dass sie an den richtigen Stellen abgelegt werden und wieder aufgerufen werden Einteilung der Gedächtnisse nach der Art des Wissens Lernen Gedächtnis Nicht deklaratives Deklaratives G. Priming Fakten Ereignisse Handeln und Vorstellen mit Bewusstsein (episodisch) Prakt. Fähigkeiten Nicht assoziatives L. Einfaches assoziat. Lernen Handeln nach Wissen ohne dass die Inhalte bewusst werden müssen Squire, Kandel Super Gedächtnisleistungen Lerntest Vergleichstest was kam zuerst? gleich/verschieden? Ja/Nein links/rechts Testmuster Maguire, Valentine, Wilding, Kapur, 2003 Bereiche des Gehirns, die bei Menschen mit Super Gedächtnis besonders stärker aktiv sind rechtes Kleinhirn linker medialer parietaler Gyrus rechter hinterer Hippokampus „Begreifen“ „bildhaftes Vorstellen“ raum-zeitliches Organisieren Das Gedächtnis entsteht nicht gleich an dem Ort, wo es langfristig gespeichert wird Activity during memory Das Gedächtnis entsteht aus dem Lernen durch mehrere schrittweise Prozesse. Dies nennt man die Gedächtniskonsolidierung. Dabei organisiert das Gehirn die optimale Einspeicherung und während der Gedächtnisbildung Verknüpfung mitAktivität bereits vorhandenen Gedächtnisinhalten. Während des Gedächtnisabrufs Nur wenn Aufmerksamkeit auf ein Objekt gerichtet wird dann wird es gelerntAufmerksamkeit Anteriores cinguläres Aufmerksamkeitszentrum Arbeitsgedächtnis für Raum Visuelle Objekte Orientierung Wortbedeutung Visuelle Objekteigenschaften Gazzaniga, Ivry, Mangun: Cognitive Neuroscience Beim Lernen muss dem Gehirn mitgeteilt werden, was gelernt werden soll. Dafür sind die Belohnungssysteme im Gehirn zuständig Modulatorische Systeme im Säugergehirn Belohnungssystem Noradrenalin Acetylcholin Dopamin Serotonin Die Orte des Gedächtnisses im Gehirn: -Das Gedächtnis ist nicht an einem Ort lokalisiert, sondern verteilt auf viele Ort. Das hängt von den beteiligten Sinnen, der Motorik und der Art der Gedächtnisinhalte ab. Eine wichtige Rolle spielt der Hippokampus für die Überschreibung des kurzzeitigen in das langzeitige Gedächtnis von solchen Inhalten, die uns bewusst werden (deklaratives Gedächtnis). Eine besondere Rolle spielt der präfrontale Kortex für die Speicherung von kognitiven Formen des Gedächtnis in dem viele verschiedene sensorische Eingänge und andere Gedächtnisinhalten miteinander verknüpft werden. Während der Konsolidierung des Gedächtnis kann sich sein Ort verlagern, also andere Orte im Gehirn zur Speicherung heranziehen. Darin äußert sich die Selbstorganisation des Gehirns. Orte des Gedächtnis im Netzwerk der Neurone Neuronennetz Synapsen Neuronennetz Synapsen mV Die Sprache der Neurone sind die Aktionspotentiale und die synaptischen Potentiale Die Sprache des Nervensystems: Aktionspotenziale Spannungsabhängige Ionenkanäle Na+ Ionen geschlossen mV offen Anstieg des Aktionspotentials K+ Ionen geschlossen offen Abfall des Aktionspotentials Aktionspotentiale können verbreitert werden, wenn weniger K-Kanäle öffnen Wie Neuronen kommunizieren Synapse Synapse Präsynaptische Endigung Zellkörper Plastizität der Synapse: präsynaptisch: je mehr Ca 2+ einströmt umso mehr Transmitter werden frei gesetzt postsynaptisch: die von den Rezeptormolekülen ausgelöste Ströme können größer oder geringer sein; es können mehr oder weniger Rezeptormoleküle zur Verfügung stehen Zellkörper des Neurons Es können im Kern Gene an und abgeschaltet werden. Das führt zu Strukturveränderungen (mehr oder weniger Synapsen) Axon Präsynapse Vesikel mit Transmitter Postsynapse Rezeptormoleküle Welche Bedingungen müssen herrschen, damit die Neurone im Nervensystem „wissen“ , ob sie lernen sollen? Pavlos´s klassische kondionierung Vor der Konditionierung Während der Konditionierung Nach der Konditionierung Das elementare Modul des assoziativen Lernens bedeutungsvoller, bewertender Stimulus neutraler, zu lernender Stimulus modulierender, Bereitschaft indizierneder Stimulus auslesender, Verhalten steuernder neuronaler Weg Was spielt sich in den Neuronen ab, wenn das Nervensystem lernt? Drei Modellorganismen zum Studium der zellulären Vorgängen beim Lernen und der Gedächtnisbildung Die Meeresschnecke Aplysia Die Fruchtfliege Drosophila Die Honigbiene Ganglion der Meeresschnecke Aplysia mit etwa 2000 Neuronen Eric Kandel und Mitarbeiter Columbia University, New York Was lehrt uns Aplysia? verstärkendes Neuron (Serotonin) Kieme Lernen beruht auf der Veränderung der Erregungsübertragung in den Synapsen (Plastizität der Der Schutzreflex „Kieme zurückziehen“ Synapsen) Die Erregung des verstärkenden Interneurons wird verstärkt durch Sensitivierung. führt zur Erhöhung der Transmitterausschüttung Dies ist eine einfache Form des Lernens. im sensorischen Neuron. Worauf beruht das? Die molekularen Mechanismen der Kurz- und der Langzeit Bahnung im Nervensystem der Schnecke Aplysia (nach Eric Kandel) Kurzzeitbahnung: Ein einzelner Reiz verstärkt die Synapse Motoneuron Langzeitbahnung: Wiederholte Reize veranlaßt Kinasen in den Zellkern zu wandern was zur Genexpression Und zur Bildung neuer Synapsen führt (Nach E. Kandel, Auf den Spuren des Gedächtnisses, 2006, S. 289) Kurzzeit Gedächtnis Mittelzeit Gedächtnis Langzeit Gedächtnis künstliche Erzeugung von Langzeit Gedächtnis: cAMP Plastizität der Synapse: im Säugetiergehirn (auch in dem des Menschen) sind die zellulären Vorgänge der synaptischen Plastizität sehr ähnlich Verstärkung der Synapse Zelluläre Mechanismen der Plastizität Präsynaptische Neuromodulation K+ Postsynaptische Koinzidenzdetektion und assoziative Plastizität retrograder Transmitter neutraler Stimulus ausKern lesendes Neuron Ca2+ modulatorisches Neuron molekularer Koinzidenzdetektor (ein doppelt geregelter Kanal, ein doppelt geregeltes Enzym) Tests zum Prüfen des Gedächtnisses bei für Alzheimer Kranken Haben diese Erkenntnisse irgend eine Bedeutung Gedächtnis-Pathologien? Ein Gedächtnistest für Alzheimer Kranke Drogen, die die kognitiven Fähigkeiten verstärken (Cognitive Enhancer Drugs): Ritalin: Aufmerksamkeit Defizit Syndrom (ADS) Modafinil: wirkt wie Koffein, macht hell wach, Behandlung von z.B. Schlaf-Apnoe Rolipam: Verbessert das Gedächtnis Hemmer der Phosphodiesterase, Anstieg von cAMP und damit von CREB Aktivität; bewirkt auch eine Verzögerung der Bildung von A-beta Peptid, das an der Bildung der beta-Amyloid-Plaques der Alzheimer Kranken beteiligt ist (Memory Pharmaceuticals, Eric Kandel) Ethische Fragen des „Hirndopings“ Und der Alltag? Kann man etwas aus den Erkenntnissen der Neurowissenschaft zur Gedächtnisbildung für das Lernen anwenden? Altehrwürdige Lernregeln - Aufmerksamkeit, Neugier anregen - An Bekanntes anknüpfen “Neurodidaktik??” - Die modulatorischen Systeme werden angeschaltet - Assoziationsketten werden herstellen - Möglichst viele Sinneserfahrungen einbeziehen - Möglichst viel selbst tun (“begreifen”) - Die Zahl der Assoziationen werden vergrößert - Bildhafte Vorstellungen stärken (“anschaulich”) - Die Wiederholung ist die Mutter der Weisheit - Die schiere Unerschöpflichkeit des bildhaften Gedächnisses nutzen -Die Assoziationen werden nur Wiederholung gestärkt -Die Konsolidierung vom Kurz- zum LangzeitGedächtnis wird gefördert -Eine Interferenz mit der Konsolidierung wird verhindert -Die Kontextstimuli fördern das Abrufen aus dem Gedächtnis - Nicht zu viel auf einmal (verteilt üben) - Das Gehirn schonen nach dem Lernen - Die Umgebung des Lernens der beim Abrufen so ähnlich wie möglich machen - Instrumentelles Lernen fördert Lernen Ich wünsche Ihrem Gehirn und dem Ihrer Schüler weiterhin viel Spass beim Lernen. Lassen Sie ihm den Spass! Dieses Buch empfehle ich Ihnen, weil es spannend geschrieben ist, in die neuesten Entdeckungen der Neurowissenschaft verständlich einführt und von dem wohl bedeutsamsten lebenden Neurowissenschaftler geschrieben wurde. 2006 Vielen Dank! Wer lernen will, muss vor allem reden und begreifen Der Mensch behält von dem was er liest etwa 10 % was er hört etwa 20% was er sieht etwa 30 % was er sieht und hört etwa 50 % worüber wir sprechen etwa 70 % was er selbst tut etwa 90 % Ich wünsche Ihrem Gehirn weiterhin viel Spass beim Lernen. Lassen Sie ihm den Spass! Vielen Dank! Wird das Langzeitgedächtnis durch ein Prionen-artiges Protein vermittelt? Der Kern schickt mRNA (ruhend) in alle Axonverzweigungen. (1) Die Axonverzweigung, die eine mehrmalige Paarung mit dem modulierenden Transmitter Serotonin erfahren hat, wandelt das (2) prionenartige Protein CPEB, das in allen Synapsen vorhanden ist, in seine dominante, selbstvervielfältigende Form um. (3) Dominantes CPEB kann rezessives CEPB in die dominante Form umwandeln. (4) Dominantes CEPB aktiviert ruhende mRNA. Die aktivierte mRNA reguliert die Proteinsynthese an der neuen synaptischen Endigung, stabilisiert die Synapse und verleiht so dem Gedächtnis Dauer. (Nach E. Kandel, Auf den Spuren des Gedächtnisses, 2006, S. 299) Wie Gehirne lernen Sie finden das Bildmaterial der Vorlesung unter: www.neurobiologie.fu-berlin/ linke Seite unter: Vorlesung WieGehirneLernen.pdf Randolf Menzel, FU Berlin