LEHRSTUHL FÜR PHYSIOLOGIE / CHAIR PHYSIOLOGY Epigenetische Effekte beim Rinderfetus Stefan Hiendleder, Institut für Molekulare Tierzucht und Biotechnologie, Genzentrum der Ludwig-Maximilians-Universität München ([email protected]) Neben dem Genom ist das Epigenom maßgeblich an der Merkmalsausprägung beteiligt. Im Gegensatz zum genetischen Code ist der epigenetische Code (DNA-Methylierung, Histonmodifikationen, DNA-bindende Proteine) nur transient heritabel, d. h. die meisten epigenetischen Modifikationen werden bereits nach einer Generation während der Gametogenese und frühen Embryonalentwicklung gelöscht und neu gesetzt. Das Epigenom ist zu diesen Zeitpunkten besonders empfindlich gegenüber Umwelteinflüssen und kann z. B. durch nutritive Faktoren Veränderungen erfahren, die während der Ontogenese stabil erhalten bleiben. Epigenetische Störungen bei Embryonen werden u.a. für embryonalen Fruchttod verantwortlich gemacht. Epimutationen und deren phänotypische Konsequenzen können heute im Rahmen der experimentellen Genetik beim Rinderfetus mittels in vitro Reproduktionstechniken erzeugt und analysiert werden. Dazu gehört auch das Large Offspring Syndrome (LOS), das u.a. zu fetalem Überwuchs führt. Durch die Einbeziehung von diagnostischen Verfahren für epigenetische Modifikationen sowie holistischen Untersuchungsansätzen auf der Transkriptomebene können Medien und Prozessabläufe für die in vitro Produktion von Embryonen entwickelt und getestet werden, die zu einer höheren Ausbeute transfertauglicher Embryonen, einer verbesserten Trächtigkeitsrate und einem normalen Phänotyp führen. Durch vergleichende Transkriptomanalysen an mittels Kerntransfer erzeugten Epigenom-Mutanten sowie funktionalen Studien an LOS- und Kontrollfeten konnten zudem neue epigenetisch modifizierte Gene identifiziert sowie dem genomischen imprinting (d.h. einer von der elterlichen Herkunft der Allele abhängigen allelspezifischen Genexpression) unterliegende quantitative trait loci (QTL)Kandidatengene für fetales Wachstum analysiert werden. Dabei zeigte sich, daß genomisches imprinting ein quantitatives Merkmal darstellt. Züchterisch interessante Merkmale, die maßgeblich von Genen mit imprinting beeinflußt werden, können bei Kenntnis der grundlegenden - von der Mendelschen Genetik abweichenden - Zusammenhänge effizienter bearbeitet werden. Die beim Rinderfetus identifizierten QTL-Kandidatengene für Wachstum werden im Rahmen der markergestützten Selektion zur Bekämpfung von Schwer- und Totgeburten beim Rind genutzt. © Lehrstuhl für Physiologie, Letzte Änderung:28.09.2005, Renate Schöpf