2. Lernen Allgemeine Psychologie II 1. Lernen und Verhalten a) Klassische Konditionierung b) Operante Konditionierung c) Soziales Lernen und Imitation © Gerd Meier: Allg. Psych. II; 10-08-01 Seite 1 Fakultät II: Wirtschaftspsychologie 2. Lernen Klassifikation von Verhaltensweisen zur Abgrenzung von Lernen: starre (programmierte) Verhaltensweisen „Instinktbewegungen“, „Erbkoordination“ (Konrad Lorenz) durch AAM ausgelöst, sonst kein Umwelteinfluss Bsp: Schreckreaktionen, Reaktionen unter Kontrolle des autonomen Nervensystems (Speichelsekretion) für Überleben wichtige Reaktionen für das Zusammenleben in Gruppen wichtige Reaktionen © Gerd Meier: Allg. Psych. II; 10-08-01 Seite 2 Fakultät II: Wirtschaftspsychologie 1 2. Lernen Praxisrelevanz: P&O: es liegt in der Natur des Menschen etwas sinnvolles zu tun; Gestik und Mimik für Mitarbeiterführung M&K: Oberflächen produzieren, die bestimmtes Verhalten auslösen (z. B. polierte Oberflächen) A&T: Warnhinweise, die per se zur Vorsicht mahnen Piktogramme: © Gerd Meier: Allg. Psych. II; 10-08-01 Seite 3 Fakultät II: Wirtschaftspsychologie 2. Lernen halbstarre Verhaltensweisen: gewisser Umwelteinfluss Bsp: Prägung meist irreversibel, sensible Zeitperiode Folgereaktion bei Enten (0-24 Std.) Sozialverhalten bei Rhesusaffen (0-6 Monate) (Harlow: Soziale Deprivation) Bsp: Reifung sensible Zeitperiode in der Entwicklung; vorher ist Lernen nicht möglich (z. B.: Laufen lernen, Kognitive Entwicklungsstufen nach Piaget) Bsp.: Habituation (mit der Zeit abnehmender Umwelteinfluss) (z. B.: Dielenberg & McGregor, 1999, Versteckzeit von Ratten nach Präsentation eines Katzenhalsbandes) helle Punkte: Versuchsgruppe dunkle Punkte: Kontrollgruppe (ohne Katzenhalsband) © Gerd Meier: Allg. Psych. II; 10-08-01 Seite 4 Fakultät II: Wirtschaftspsychologie 2 2. Lernen Habituation in Bezug auf emotionale Reaktionen: Opponent-Process-Theorie von Solomon & Corbit (1974) Mazur (2006, S.93) © Gerd Meier: Allg. Psych. II; 10-08-01 Seite 5 Fakultät II: Wirtschaftspsychologie 2. Lernen Habituation in Bezug auf emotionale Reaktionen: Opponent-Process-Theorie von Solomon & Corbit (1974) Mazur (2006, S.94) © Gerd Meier: Allg. Psych. II; 10-08-01 Seite 6 Fakultät II: Wirtschaftspsychologie 3 2. Lernen Praxisrelevanz: P&O: Pädagogik M&K: altersgerechte Produkte entwerfen A&T: altersgerechte Produkthinweise und Bedienungsanleitungen © Gerd Meier: Allg. Psych. II; 10-08-01 Seite 7 Fakultät II: Wirtschaftspsychologie 2. Lernen flexible Verhaltensweisen stehen unter Umwelteinfluss S-R-Theorien optimale Anpassung an Umwelt ist möglich Definition „Lernen“: führt zu stabilen Veränderungen im - Verhalten - Verhaltenspotential baut auf Erfahrungen © Gerd Meier: Allg. Psych. II; 10-08-01 Seite 8 Fakultät II: Wirtschaftspsychologie 4 2. Lernen Klassische Konditionierung (Signallernen) Pawlow (1903) untersuchte Speichelsekretion von Hunden Abbildung: Die Versuchsanordnung, mit der Pawlow die Konditionierung des Speichelflusses beim Versuchstier messen konnte. Über ein Röhrchen wurde der Speichel aus dem Maul des Hundes geleitet und seine Menge wurde automatisch gemessen (nach Yerkes & Morgulis, 1909, in Mazur, 2006, S. 103). © Gerd Meier: Allg. Psych. II; 10-08-01 Seite 9 Fakultät II: Wirtschaftspsychologie 2. Lernen Klassische Konditionierung (Signallernen) Pawlow (1903) Entstehung des „bedingten Reflexes“ UCS NS + UCS NS + UCS ...... NS = CS Vor Entstehen und Mazur (2006, S.104) © Gerd Meier: Allg. Psych. II; 10-08-01 -----------> -----------> -----------> UCR UCR UCR -----------> CR nach Entstehen der konditionierten Reaktion Seite 10 Fakultät II: Wirtschaftspsychologie 5 2. Lernen Klassische Konditionierung (Signallernen) zur Beibehaltung von CS->CR, gelegentliche UCS-CS-Paarung notwendig sonst: Löschung (Hemmung), Spontanerholung möglich Mazur (2006, S. 114) © Gerd Meier: Allg. Psych. II; 10-08-01 Seite 11 Fakultät II: Wirtschaftspsychologie 2. Lernen Klassische Konditionierung (Signallernen) Timing und Stärke der konditionierten Reaktion Konditionierung mit Verzögerung am erfolgreichsten Bei jüngeren Vpn Bei älteren Vpn Mazur (2006, S. 123) © Gerd Meier: Allg. Psych. II; 10-08-01 Seite 12 Fakultät II: Wirtschaftspsychologie 6 2. Lernen Klassische Konditionierung (Signallernen) Watson (1920) „little Albert“: konditionierte Angstreaktion für phobische Reaktionen und Übelkeit genügen wenige UCS-CS-Paarungen gelingt nicht bei allen NS Konzept der „Bereitschaft“ (Seligman, 1972) © Gerd Meier: Allg. Psych. II; 10-08-01 Seite 13 Fakultät II: Wirtschaftspsychologie 2. Lernen Praxisrelevanz: P&O: Mitarbeitertraining: z. B. Entspannungsübungen für Präsentationen Systematische Desensibilisierung bei Phobien M&K: Werbung: positive emotionale Konditionierung Aufmerksamkeitsreaktionen A&T: Einübung automatisierter Bewegungsabläufe für zeitkritische Tätigkeiten © Gerd Meier: Allg. Psych. II; 10-08-01 Seite 14 Fakultät II: Wirtschaftspsychologie 7 2. Lernen Reizgeneralisation dem CS ähnliche Reize lösen CR aus (meist abgeschwächt) durch Training möglich: Reizdiskrimination (Vorsicht: experimentelle Neurose) Konditionierung höherer Ordnung CS wird zum UCS für andere NS mögliche Erklärung von Placebo-Effekt mögliche Erklärung von Drogentoleranz © Gerd Meier: Allg. Psych. II; 10-08-01 Seite 15 Fakultät II: Wirtschaftspsychologie 2. Lernen Operante Konditionierung (Lernen am Erfolg) Thorndike (1898): Effektgesetz hohe Motivation durch Deprivation erfolgreiche Verhaltensweisen werden in bestimmten Situationen beibehalten, andere gelöscht Mazur (2006, S. 185f.): Problemkäfig für Katzen und Fluchtzeit nach Durchgängen © Gerd Meier: Allg. Psych. II; 10-08-01 Seite 16 Fakultät II: Wirtschaftspsychologie 8 2. Lernen Operante Konditionierung (Lernen am Erfolg) Skinner (1938): Behaviorismus (rein deskriptiv) S R C Reaktionen werden durch ihre Konsequenzen gesteuert (auch abergläubisches Verhalten) positive Konsequenz: Verstärkung negative Konsequenz: Bestrafung Entzug von negativen Reizen: negative Verstärkung Entzug von positiven Reizen: Bestrafung © Gerd Meier: Allg. Psych. II; 10-08-01 Seite 17 Fakultät II: Wirtschaftspsychologie 2. Lernen Skinner (1938): Behaviorismus (rein deskriptiv) S R C Stimulus erhält Hinweisfunktion auf Wahrscheinlichkeit der Konsequenz werden zu diskriminativen Stimuli: SD primäre und sekundäre Verstärker Verstärkungspläne wichtig für Acquisition und Löschungsresistenz Kontinuierliche oder Immerverstärkung Intermittierende Verstärkung Quote oder Intervall fixiert oder variabel © Gerd Meier: Allg. Psych. II; 10-08-01 Seite 18 Fakultät II: Wirtschaftspsychologie 9 2. Lernen Strategien und Praxis Verhaltensformung (Shaping) sukzessive Annäherung an Zielverhalten Kann das (eventuell komplexe) Verhalten nicht sofort gezeigt werden, werden erst Verhaltenselemente verstärkt, dann das Kriterium für Verstärkung strenger gemacht. Bsp.: Issacs, Thomas & Goldiamond (1960) Therapie eines als katatonisch geltenden Patienten, der 19 Jahre nicht gesprochen hatte. 1. 2. 3. Kaugummi für Blick auf Kaugummi Kaugummi für Lippenbewegungen Kaugummi für hörbare Stimmäußerung Nach 6 Wochen: „Kaugummi bitte!“ © Gerd Meier: Allg. Psych. II; 10-08-01 Seite 19 Fakultät II: Wirtschaftspsychologie 2. Lernen Strategien und Praxis Verhaltensverkettung (Chaining) Reihe von Verhaltensweisen die letzte wird primär verstärkt (Primär = natürlicher Verstärker) und wird zum konditionierten Verstärker für die vorherige usw. Bsp.: Rückwärtsverkettung Time Out-Strategie Response Cost-Strategie © Gerd Meier: Allg. Psych. II; 10-08-01 Seite 20 Fakultät II: Wirtschaftspsychologie 10 2. Lernen Praxisrelevanz: Entspannungsübungen, Biofeedback P&O: Mitarbeiterführung: Verstärkung erwünschter Verhaltensweisen sehr effektiv soziale Verstärker M&K: Verkäuferverhalten A&T: Einübung von Bewegungsabläufen © Gerd Meier: Allg. Psych. II; 10-08-01 Seite 21 Fakultät II: Wirtschaftspsychologie 2. Lernen 2 Faktoren-Theorie der Angst von Mowrer (1940) 1. Faktor: Klassische Konditionierung UCS-CS-Paarung CS löst Angst aus 2. Faktor: Operante Konditionierung Fluchtverhalten reduziert Angst also wird Vermeidungsverhalten verstärkt Somit werden Ängste beibehalten, obwohl keine weiteren UCS-CS-Paarungen stattfinden Mögliche Therapie: Systematische Desensibilisierung oder Flooding Vorsicht „Erlernte Hilflosigkeit“ (Seligman, 1975): Vermeidungsreaktionen werden nicht mehr gezeigt, wenn es keine Kontingenz mehr gibt, also kein Verhalten zum Erfolg führt und der Stressor weiterhin auftritt! © Gerd Meier: Allg. Psych. II; 10-08-01 Seite 22 Fakultät II: Wirtschaftspsychologie 11 2. Lernen Soziales Lernen und Imitation A. Bandura (1965) klassisches Experiment: 66 vierjährige Kinder (per Zufall in 3 Gruppen) sehen Film mit Erwachsenem, der mit Puppe aggressiv umgeht 1. Gruppe: Erwachsener wird für Verhalten belohnt 2. Gruppe: Erwachsener wird für Verhalten bestraft 3. Gruppe: keine Konsequenzen © Gerd Meier: Allg. Psych. II; 10-08-01 Seite 23 Fakultät II: Wirtschaftspsychologie 2. Lernen „Beobachtungs-, Modell- oder Stellvertretendes Lernen“ nach Film: Spiel der Kinder mit Puppe (Einzelversuch) 1. Gruppe: Erwachsener wird für Verhalten belohnt mehr aggressive Verhaltensweisen 2. Gruppe: Erwachsener wird für Verhalten bestraft weniger aggressive Verhaltensweisen Danach: für jedes aggressive Verhalten Belohnung alle Kinder zeigten Aggressionen aus dem Film „latentes Lernen“ © Gerd Meier: Allg. Psych. II; 10-08-01 Seite 24 Fakultät II: Wirtschaftspsychologie 12 2. Lernen „Beobachtungs-, Modell- oder Stellvertretendes Lernen“ „latentes Lernen“ geht auf Konzept von Tolman (1932) zurück. Abb.: Durchschnittliche Fehlerzahl pro Durchgang der drei Gruppen (Ratten im Labyrinth) in dem Experiment zum latenten Lernen von Tolman und Honzik (1930) (in Mazur, 2006, S. 299) http://psychexps.olemiss.edu/Exps/Maze/maze.htm © Gerd Meier: Allg. Psych. II; 10-08-01 Seite 25 Fakultät II: Wirtschaftspsychologie 2. Lernen Erweiterung bisheriger Lerntheorien: - direkter Humanbezug - Berücksichtigung der Innenwelt: Erwartung (Selbstwirksamkeit: „self-efficacy“), Motivation (Ausführung abhängig von Attraktivität des Modells) - Trennung von Verhaltensaneignung und -ausführung - „Selbstregulation“ (selbst erzeugte Konsequenzen), damit gewisse Unabhängigkeit von Umwelt - Entstehung neuer Verhaltensweisen durch Einflüsse mehrerer Modelle (kreative Modellierung) © Gerd Meier: Allg. Psych. II; 10-08-01 Seite 26 Fakultät II: Wirtschaftspsychologie 13