101 4.9. HYPERFEINSTRUKTUR 4.9 Hyperfeinstruktur Bei hoher spektraler Auflösung ergibt sich eine weitere Strukturierung der Spektren. Eine Ursache dafür ist der Kernspin. Das Proton ist ein Spin-1/2 Teilchen. Die Observable des Kernspins bezeichnen wir mit I |I| � = Iz = I(I + 1)h̄ mI h̄ mit − I ≤ mI ≤ +I , wobei I die Kernspin-Quantenzahl und mI die magnetische Kernspin-Quantenzahl angibt. Zum Kernspin gehört ein magnetisches Kernmoment MI gp e I = gp µk I/h̄ , 2mp MI = (4.110) wobei man analog zum Bohrschen Magneton µB = µk = eh̄ 2me ein Kernmagneton definiert eh̄ µB ≈− . 2mp 1836 (4.111) Dabei sind die Kern-g-Faktoren für Proton und Neutron (beide haben I = 1/2) gproton = +5.58 gneutron = −3.82 . Die Hyperfeinstruktur-Aufspaltung spiegelt die zusätzliche Energie wieder, die durch die Wechselwirkung zwischen dem magnetischen Kernmoment und dem Elektron besteht. Das Kernmagneton ist etwa 1837 mal kleiner als µB . Deshalb sind die Kernspineffekte erheblich kleiner als die des Elektronenspins. Das Elektron in H-Atom bewegt sich also nicht nur im Coulombfeld des Protons, sondern auch im magnetischen Dipolfeld, das durch MI hervorgerufen wird. Daraus ergibt sich ein Hamilton-Operator mit mehreren Beiträgen24 " ! # ! & ! " # % $ $ % ! " # & ! Ein Term ∝ L · MI beschreibt die Wechselwirkung des Kernmagnetons mit dem Magnetfeld, das durch die Bahnbewegung des Elektrons am Ort des Protons erzeugt wird. Der zweite Term ∝ F (MS , MI ) beschreibt die Dipol-Dipol-Wechselwirkung der beiden magnetischen Momente. Ein dritter Beitrag (auch Kontaktterm genannt) ist ∝ MS · MI δ(R) und berücksichtigt, dass innerhalb des Protons das Magnetfeld anders ist als außerhalb. Die δ-Funktion drückt die Tatsache aus, dass dieser Term nur Bedeutung hat, wenn sich die Wellenfunktionen des Elektrons und Protons überlappen. 24 siehe CT Band 2, Seite 427-434. 102 KAPITEL 4. ATOMARER WASSERSTOFF 4.9.1 Hyperfeinstruktur des 1s Niveaus Im 1s-Zustand gibt es keine Bahnentartung (� = 0). Die Spins S und I können jedoch zwei Werte annehmen, mS = ±1/2 und mI = ±1/2. Damit ist das Niveau vierfach entartet. Eine mögliche Basis ist {n = 1, � = 0, mL = 0, mS = ±1/2, mI = ±1/2} . (4.112) Die Terme Wmv und WD wirken nicht auf mS und mI sondern verschieben das 1sNiveau als Ganzes um einen Betrag −α2 /8. Der einzige Beitrag zur Aufspaltung des 1sNiveaus kommt vom Kontaktterm,25 der sich nach Trennung der Spin- und Bahnanteile als Whf = A I · S (4.113) schreiben lässt, wobei A ∝ ge gp µB µk |R10 (r = 0)|2 . (4.114) Zur Berechnung des Operators I · S führen wir den Gesamtdrehimpuls F=I+S (4.115) und die Basisfunktionen |{s = 1/2, I = 1/2; F, MF �} ein. Die möglichen Werte der Gesamtdrehimpulsquantenzahl sind in diesem Fall F = 0 und F = 1. Damit wird AI · S = und � 1 � 2 A F − I2 − S 2 2 A I · S |F, MF � = Ah̄2 [F (F + 1) − I(I + 1) − S(S + 1)] |F, MF � . 2 (4.116) (4.117) Aus dieser Gleichung ergibt sich die Energiekorrektur durch den Kontaktterm als Ah̄2 4 3Ah̄2 − 4 + bei F = 1, MF = 0, ±1 bei F = 0, MF = 0 . (4.118) Die Entarung der 1s-Niveaus wird teilweise aufgehoben: wir bekommen ein einfaches Niveau mit F = 0 und ein dreifach entartetes Niveau mit F = 1. Die HyperfeinAufspaltung des 1s-Zustandes beträgt Ah̄2 = 1.420405751768 GHz (4.119) Das ist die zur Zeit bestbekannte physikalische Größe (Wasserstoffmaser ). Die Hyperfeinstruktur spielt eine wichtige Rolle in Physik und Technik: • Die Aufspaltung des Grundzustandes des atomaren Wasserstoffs entspricht einer Wellenlänge von ≈ 21 cm. In der Radioastronomie wird über die Emission im 21 cm Band die H-Atomkonzentration beobachtet. • Hyperfeinstrukutur-Übergänge im Grundzustand des Cs und Rb Atoms dienen als Zeitstandard (Atomuhr). 25 Auf Grund der Kugelsymmetrie der 1s-Wellenfunktion verschwindet der Dipol-Dipolterm. 103 4.9. HYPERFEINSTRUKTUR " #$ !! ) " #$ % & ' ( # ) * +# 6 #0 #, , ! . / #0 #, ' #, 25 " , 1 , 2. !#4 25 " / #0 #3 4.9.2 Zeemann-Effekt und Hyperfeinstruktur Wir untersuchen das Wasserstoffatom in einem statischen homogenen Magnetfeld das entlang der z-Achse liegt. Ohne Magnetfeld bleibt im Coulombpotential (=Zentralkraft) der Gesamtdrehimpuls zeitlich konstant F = L + S + I. Mit äußerem Feld präzidiert MF = M� + MS + MI um die Richtung von B. Der Zeeman-Hamilton-Operator für die Wechselwirkungsenergie der drei magnetischen Momente mit dem äußeren Feld ist26 WZ = = −B0 (M� + MS + MI ) ω0 (Lz + 2Sz ) + ωk Iz (4.120) wobei die Larmor Frequenzen stark unterschiedlich sind, ω0 = ωk = q B0 2me q gp B0 . 2mp − (4.121) (4.122) Für 1 H ist für den Spin des Protons ωk = 42.6 MHz/T, für den Spin des Elektrons ω0 = 14 GHz/T. Zeemann-Effekt im Grundzustand, H(1s) Wegen |ωk | � |ω0 | ist der dritte Term in Gleichung 4.120 vernachlässigbar klein. Außerdem verschwindet Lz weil � = 0 ist. Damit bleibt als Störoperator nur der Kontaktterm und und die Präzession des Elektronenspins: W = A I · S + 2ω0 Sz (4.123) Als gekoppelte Basiszustände verwenden wir die Darstellung |I S; F MF �, die wir mit |F MF � abkürzen. In der ungekoppelten Basis haben wir die Eigenfuktionen |I mI ; S mS �, die wir mit |mI mS � = | ± ±� abkürzen. Mit den Clebsch-Gordan Koeffizienten aus Tabelle 4.1 erhalten wir für den singlet-Zustand (F = 0) |0 0� = � 1 | + −� − 2 � 1 | − +� 2 (4.124) 26 Der diamagnetische Anteil (Gl. 4.32) wurde hier vernachlässigt. Da er nicht auf die SpinVariablen wirkt führt er nur zu einer Verschiebung des 1s-Niveaus. 104 KAPITEL 4. ATOMARER WASSERSTOFF und für die triplet-Zustände (F = 1) |1 0� = |1 + 1� = |1 − 1� � 1 | + −� + 2 | + +� � 1 | − +� 2 | − −� . = (4.125) Der Kontaktterm A I · S ist diagonal in der |F MF �-Basis, mit den Eigenwerten in Gleichung 4.118. Der Spinoperator angewandt auf die |mI mS �-Zustände liefert 2Sz |mI +� 2Sz |mI −� = = +h̄ |mI +� −h̄ |mI −� . (4.126) Wenn wir das Matrixelement des Spinoperators in der gekoppelten Basis berechnen, finden wir 2ω0 Sz |0 0� = �� = −h̄ω0 = −h̄ω0 |1 0� und analog 2ω0 Sz |1 0� = 2ω0 Sz |1 − 1� = 2ω0 Sz |1 + 1� 2ω0 Sz �� = 1 | + −� − 2 1 | + −� + 2 � � � 1 | − +� 2 � 1 | − +� 2 −h̄ω0 |0 0� +h̄ω0 |1 + 1� −h̄ω0 |1 − 1� . (4.127) Die Matrixelemente des Störoperators (4.123) sind in Tabelle 4.7 zusammengefasst. Die Energiematrix für die H(1s) Hyperfeinstruktur-Zustände im äußeren Magnetfeld besteht aus einer (2 × 2)-Matrix von (MF = 0)-Zuständen und zwei Zuständen, die auch mit Magnetfeld diagonal bleiben (MF = ±1). Tabelle 4.7: Elemente der Energiematrix der |F MF �-Zustände von H(1s). |1 + 1� 2 |1 + 1� Ah̄ /4 + h̄ω0 |1 0� 0 |1 − 1� |0 0� 0 0 |1 − 1� |1 0� |0 0� 0 0 0 Ah̄2 /4 − h̄ω0 0 0 Ah̄2 /4 −h̄ω0 0 0 −h̄ω0 −3Ah̄2 /4 Nach Diagonalisierung der Matrix erhalten wir die Energien E(MF = +1) = E(MF = −1) = E(MF = 0+ ) = E(MF = 0− ) = 1 + Ah̄2 + h̄ω0 4 1 + Ah̄2 − h̄ω0 4 �� �2 1 2 − Ah̄ + Ah̄2 /2 + (h̄ω0 )2 4 �� �2 1 − Ah̄2 − Ah̄2 /2 + (h̄ω0 )2 4 (4.128) 105 4.9. HYPERFEINSTRUKTUR Für sehr schwache Magnetfelder ist der ω02 Term in den Wurzelausdrücken in (4.128) vernachlässigbar klein und die MF = 0 Zustände bleiben unbeeinflusst vom Magnetfeld, während die Entartung der F = 1 Zustände aufgehoben wird. Es bilden sich drei äquidistante Unterniveaus für F = 1 aus (Abbildung a). In diesem Bereich sind F und MF gute Quantenzahlen. Diese Näherung gilt, solange der Zeeman-Term klein ist gegenüber dem Kontaktterm. a b 2 1.0 c 20 1, �1 �, � �, � 1, 0� 1, �1 1, 0 1, �1 F, MF 10 0 F, MF �0.5 �1 �1.0 1, �1 GHz 0.0 1 GHz GHz 0.5 0 m I , mS �10 �, � �, � 0, 0 0. 0.005 �2 0. 0.01 Tesla � 0, 0 0.05 �20 0.1 0 0.5 1. Tesla Tesla Gleichung 4.128 sagt voraus, dass mit steigendem Magnetfeld ein gradueller Übergang von den gekoppelten Zuständen |F MF � in entkoppelte Zustände |mI mS � stattfindet (siehe Abbildungen b und c). Entkoppelt bedeutet hier, dass die Wechselwirkungsenergie des Elektronenspins im starken äußeren Magnetfeld viel größer wird als die Energie des Kontaktterms. Dann ist die wesentliche Aufspaltung durch die Orientierung des Elektronenspins im äußeren Magnetfeld gegeben. In der |mI mS � Basis ergibt sich +h̄ω0 für |mI + 1/2� und −h̄ω0 für |mI − 1/2� (siehe Gleichung 4.128). Der Kontaktterm liefert bei hohen Magnetfeldern nur einen Beitrag A Iz Sz von ±Ah̄2 /4 (siehe Abbildung c). In diesem Grenzfall werden die Zustände durch die guten Quantenzahlen mI und mS beschrieben. Die Entkopplung als Folge des äußeren Magnetfeldes nennt man Paschen-Back-Effekt. In Bild a) sind Kernspin und Elektronenspin stark gekoppelt. In Bild c) ist der Paschen-Back Effekt ausgeprägt, S und I sind entkoppelt: Die wesentliche Auf spaltung entsteht durch den Zeemann-Effekt des Elektronenspins (die oberen Zustände haben mS = +1/2, die unteren mS = −1/2). Diesem Effekt überlagert ist die kleinere Aufspaltung durch die Orientierung vom I, mI = ±1/2. Bild b) zeigt den Übergangsbereich. ! ! " # " # $ % % $ & Gekoppelter Fall : Die Vektoren I und S koppeln auf Grund des Kontaktterms zu F. Im schwachen äußeren Magnetfeld präzidiert F um die Magnetfeldachse. Entkoppelter Fall : Elektronenspin präzidiert schnell um die Magnetfeldachse. Auf dieser Zeitskala bleibt I praktisch konstant (Gl. 4.121 und 4.122). 106 KAPITEL 4. ATOMARER WASSERSTOFF 4.9.3 Wasserstoff-Maser Entwickelt von Kleppner und Ramsey (1961-71) in Harvard. Atomarer Wasserstoffstrahl im Vakuum fliegt durch das Feld eines 6-Pol Magneten. Entlang der Achse ist das Magnetfeld Null. Außerhalb der Achse steigt der Betrag des Feldes überall an. Für Atome im F = 0 Zustand sinkt die Energie, wenn B steigt (siehe obiges Bild). Aus diesem Grund werden H-Atome im F = 0 Zustand defokussiert, wenn sie durch den 6-Pol fliegen. Für die Atome im F = 1 Zustand mit MF = +1 und MF = 0 ist es umgekehrt, sie erfahren ein Kraft, die sie zurück zur Achse treibt. Der geradeaus fliegende Atomstrahl wird daher mit Atomen im F = 1 Zustand angereichert. Diese fliegen in eine mit Teflon ausgekleidete Kammer, wo sie sich etwa 0.3 Sekunden aufhalten, ehe sie wieder durch das Eintrittsloch entkommen. In dieser Zeit machen sie etwa 104 Stöße mit der Wand. Das Teflon aber unterdrückt Stöße, die zur Änderung des Hyperfeinstruktur-Zustandes führen. Die Kammer ist in einem Mikrowellenresonator angebracht. Auf Grund der Überbesetzung im F = 1 Niveau schwingt der Resonator bei der Frequenz des Hyperfeinüberganges nach F = 0 an. Die Selbstoszillation (typsche Leistung 10−12 W ) kann extern beobachtet werden, indem ein Teil der elektromagentischen Strahlung über eine kleine Antennenschleife ausgekoppelt wird. Nach guter Abschirmung von magnetischen und elektrischen Restfeldern stellt diese Anordnung einen Zeitstandard dar. - % . * & / 0* 1 ' ( ) * + 3 45 49 ! " " ! 3 45 46 , 7 ! " 3 45 46 89 3 45 49 # $% & 2 & 0% & & % In einer ähnlichen Anordnung wurde über Absorption bzw. stimulierter Emission (=Verstärkung) von externer Mikrowellenstrahlung das Verhältnis der magnetischen Momente des Protons und Elektrons sehr genau bestimmt. Bei sehr hohen Magnetfeldern ist nämlich die Aufspaltung zwischen den Zuständen MF = −1 und MF = 0+ besonders durch das magnetische Moment des Elektrons bestimmt: 1 ∆E(−1, 0) ≈ − A h̄2 + 2h̄ω0 2 (4.129) während zur Aufspaltung zwischen den Zuständen MF = +1 und MF = 0+ das magnetische Moment des Protons einen wesentlichen Beitrag liefert, siehe Gl. (4.114) ∆E(+1, 0) ≈ 1 A h̄2 2 Das Verhältnis ergab sich als (4.130) µe µp = ge µB gp µk = −658.21 . . . ... Kapitel 5 QED-Effekte Genaue Messungen der Hyperfeinstrukturaufspaltung1 im Grundzustand des H-Atoms zeigten eine geringe Abweichung des g-Faktors des Elektrons vom Wert ge = 2, der von der Dirac-Theorie vorhergesagt wird. Es ergab sich ein Wert von � ge = 2.0023 = 2 1 + � α − O(α2 ) 2π . (5.1) Diese Messung und die Beobachtung der Lamb-Verschiebung gaben den Anstoß zur Entwicklung der Quantenelektrodynamik (QED). Die Übereinstimmung zwischen Theorie und Experiment für den ge -Faktor liegt heute bei 10-stelliger Genauigkeit. QED-Effekte im Wasserstoffatom sind under dem Namen Strahlungskorrekturen bekannt. Sie sollen in diesem Kapitel zusammen mit zwei fundamentalen Experimenten schematisch beschrieben werden. 5.1 Kraftfelder Tägliche Erfahrung: die Bewegung von Materie wird durch Kräfte verursacht. Descartes(1600) glaubte, dass Kraft durch den unmittelbaren Kontakt zwischen Körpern zustande kommt. Er formulierte das Trägheitsgesetz: Materie bewegt sich geradlinig mit konstanter Geschwindigkeit, es sei denn eine Kraft wirkt auf die Materie Descartes nahm an, dass der Raum mit einer Substanz gefüllt sei, welche die Kraft überträgt (z. B. im Sonnensystem). Die Annahme der Existenz dieser Substanz führte aber nicht zu berechenbaren Größen. So konnten die Keplerschen Gesetze nicht durch eine Bewegung der Descartschen Substanz erklärt werden. Netwon erkannte, dass es nicht notwendig ist, zu wissen was die Kraft ist, solange man eine präzise Beschreibung über ihre Wirkung geben kann. Newtons Ansatz, dass die Kraft proportional dem Produkt der Massen, der sich anziehenden Objekte ist, führte eine Symmetrie zwischen den sich anziehenden Objekten ein: Nicht die Sonne allein ist für die Anziehung der Planeten verantwortlich, das Gravitationsgesetz führt eine universelle Wechselwirkung zwischen massebehafteten Teilchen ein. Der Newtonsche Ansatz hat ein Problem, das erst später erkannt wurde: Er geht davon aus, dass die Wechselwirkung über den leeren Raum zwischen den Objekten instantan erfolgt. 1 Da das Kernmoment in der Kernspin-Methode genau vermessen werden kann, gelingt es aus der experimentell betimmten Aufspaltung über Gl.(4.114) den g-Faktor des Elektrons sehr genau zu bestimmen. 107 108 KAPITEL 5. QED-EFFEKTE Auch als Cavendisch und Coulomb zeigten, dass die elektrostatische Kraft in der gleichen mathematischen Form wie die Gravitationskraft beschrieben werden kann, hinterfragte noch niemand die instantane Wirkung über große Distanzen. Maxwell zeigte, dass Magnetismus und Elektrizität zwei Aspekte einer Kraft, der elektromagnetischen Kraft sind (die Bewegung eines Magneten induziert einen elektrischen Strom, die Bewegung elektrischer Ladung erzeugt ein Magnetfeld). Man überlegte sich, wie sich elektromagnetische Wellen ausbreiten. Die Frage war: welche Substanz macht die Wellenbewegung mit? Ätherexperimente von Michelson und Morley (1887) fanden keine Bewegung reativ zu einem Äther. Vielmehr musste die Invarianz der Lichtgeschwindigkeit angenommen werden ( c + c = c und c − c = c ). Die Erklärung der Invarianz der Lichtgeschwindigkeit bedurfte einer drastischen Revision des klassischen Konzepts von Raum und Zeit. Einstein fand einen Weg Geschwindigkeiten zu addieren, ohne dass die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit verletzt wird.2 Man musste die Idee aufgeben, dass man Raum und Zeit unabhängig messen kann: • Es gibt keine universelle Zeit. • c ist ein absolutes Maximum, • Masse und Energie sind essenziell dasselbe. Raum-Zeitdiagramm Kick auf Fußball bzw. Lokomotive. ! " # $%$" & '( %$) * '% Wir betrachten ein Teilchen ohne innere Struktur. Je mehr Energie wir über eine Kraft auf das Teilchen übertragen, umso schneller bewegt es sich. Da aber c die Maximalgeschwindigkeit darstellt, kann man beliebig viel Energie auf ein Teilchen übertragen, es wird nie schneller als Lichtgeschwindigkeit. Wohin geht die Energie, wenn es doch nicht schneller wird? → in die Massenzunahme. Die Steigung c kann nicht überschritten werden. Die Schlüsse aus der speziellen Relativitätstheorie waren mit dem Newtonschen Konzept der instantanen Wechselwirkung über eine Entfernung nicht in Einklang zu bringen. Es muss eine Substanz geben, einen Boten, der die Information über die Wirkung der Kraft von einem Punkt zum anderen befördert.3 Dieser Informationstransport unterliegt der Grenze der Lichtgeschwindigkeit. Diesen Boten bezeichnet man als Feld . Das Feld ist nicht nur ein mathematisches Konzept, es besitzt auch physikalische Realität. Ein klassisches Feld könnten wir uns so vorstellen: An jedem Punkt des Raumes gibt es für jeden Zeitpunkt eine Markierung, die uns die Stärke der Kraft angibt.4 Quantisierung Die Quantenphysik verlangt, dass die Wirkung einer Kraft an einem gegebenen Raum-Zeit-Punkt sich nicht kontinuierlich verändern kann. In der Quantenphysik 2V = (v1 + v2 )/(1 + v1 v2 /c 3 Descartes freut sich! 2 ). 4 Felder, die sich relativistisch richtig verhalten (relativistisch invariant sind) haben immer vier Komponenten (drei für Raum und eine für Zeit). 109 5.1. KRAFTFELDER haben wir an jedem Punkt der Raum-Zeit nicht eine Markierung der Stärke der Kraft, sondern eine Markierung der Wahrscheinlichkeit, dass der Empfänger der Kraft einen diskrete Kraftwirkung erleidet.5 Analogie: Die strenge Vorschrift des klassischen Feldes wird ersetzt durch eine Wahrscheinlichkeit, dass ein bestimmtes Ereignis eintritt. • Ein Feld ist quantisiert. Die Ganzheit, welche die Kraftwirkung verursacht, ist ein Quant. Kraftfelder werden aus Quanten aufgebaut und Quanten werden zwischen den Teilchen, die eine Kraft erfahren, ausgetauscht. • Der prinzipielle Mechanismus “Kraft” kann als Emission plus Absorption eines Feldquants angesehen werden. Sender und Empfänger des Quants sind vertauschbar, ohne dass sich die Kraftwirkung ändert. • Auf Grund der Relativität muss die Kraft für eine gewisse Zeit unterwegs sein. Auf Grund des Quantenverhaltens muss die Kraft durch diskrete Quanten übertragen werden. Bild für abstoßende Kraft: Zwei (reibungsfreie) Eisläufer, einer wirft dem anderen einen Medizinball zu. Ein entfernter Beobachter sieht den Ball nicht, stellt aber fest, dass sich die beiden Eisläufer abstoßen. Feynman-Diagramme beschreiben den Austausch von Quanten in einer zweidimensionalen Darstellung. Eine der drei räumlichen Dimensionen wird gegen die Zeit aufgetragen.6 Der Quantenaustausch findet an einem Vertex (als fetter Punkt dargestellt) statt. Die Energie des ausgetauschten Quants ist eine kontinuierliche Variable (sie kann im Prinzip beliebig groß sein). Das Feldquant ist einer direkten Beobachtung nicht zugänglich.7 Deshalb spricht man von einem virtuellen Quant. ! "# $ $ $ Feynman-Diagramm erster Ordnung. Das virtuelle Quant wird durch die Wellenlinie dargestellt. Die geraden Linien repräsentieren z.B. zwei Elektronen. ! $ $ % & ' ( $ Ein Elektron besitzt (im Gegensatz zum Eisläufer) keine inneren Freiheitsgrade zur 5 Das Original zum folgenden Bild stammt aus dem Buch ”The force of symmetry” von V. Icke Cambridge Univ. Press (1995). 6 oder umgekehrt, Zeit gegen Raum. 7 Würden wir es beobachten, dann würden wir den Krafteffekt unterbinden. 110 KAPITEL 5. QED-EFFEKTE Energiespeicherung. Bei der Emission des virtuellen Quants wird also der Energiesatz vorübergehend verletzt. Insgesamt, also nach Absorption des Quants durch das andere Elektron, stimmt aber der Energiesatz. Materie und Kraft Alle Quanten können in zwei Klassen unterteilt werden: Fermionen (Fermi-DiracTeilchen) und Bosonen (Bose-Einstein-Teilchen). Der Spin (s = n/2) gibt an zu welcher Klasse das Teilchen zählt. Für Fermionen ist n eine ungerade Zahl, für Bosonen ist n eine gerade Zahl. Name Symbol Spin elektrische Ladung Photon γ 1 0 (Schwaches Photon) W +, Z0, W − 1 1,0,-1 Gluon g 1 0 Graviton 2 0 Elektron e -1 Neutrino ν Proton p Neutron n 1 2 1 2 1 2 1 2 0 1 0 Fermionen sind intolerante Teilchen, nicht mehr als ein Fermion kann sich in einem gegebenen Quantenzustand aufhalten (Pauli-Ausschließungsprinzip). Im Gegensatz dazu sind Bosonen gesellig, sie lieben es beisammen zu sein. In den meisten Feynman-Diagrammen tauschen Fermionen Bosonen aus.8 Das so unterschiedliche Verhalten von Fermionen und Bosonen ist der Ursprung für den (scheinbaren) Unterschied zwischen Kraft und Materie. Ein fermionischer Eisläufer schickt einen Schwarm von Bosonen aus. Wegen des geselligen Verhaltens der Bosonen können diese koexistieren, auch wenn sie in ähnliche Richtung ausgesandt werden. Sie können ein kohärentes Quantenfeld aufbauen, das sich prinzipiell über weite Distanzen erstrecken kann. Einem bosonischen Eisläufer gelingt das aber nicht, wenn er die intoleranten Fermionen zur Wechselwirkung ausschickt. Wenn eine große Anzahl von Fermionen vorliegt, so verlangt jedes in einem unterschiedlichen Quantenzustand zu sein. Ununterscheidbare Fermionen können nicht alle den Zustand niedrigster Energie einnehmen und kollabieren. Aus diesem Grund beanspruchen Fermionen ein endliches Volumen. Hingegen kann man eine beliebige Menge von ununterscheidbaren Bosonen (z.B. Photonen) in einen Kasten sperren, aber nur eine endliche Zahl von identischen Fermionen.9 Es gibt intensive Strahlen kohärenter Bosonen (Laser) aber keine entsprechend intensiven Fermionenstrahlen (Elektronenstrahlen ähneln vielmehr dem inkohärenten Licht einer Taschenlampe, mit breiter Energieverteilung der Strahlteilchen). Unsere unterschiedliche Erfahrung zu Materie und Kraft ergibt sich aus dem unterschiedlichen Verhalten von Anhäufungen von Fermionen und Bosonen. 8 Auch das Gegenteil ist im Prinzip möglich, z. B. bei der Photon-Photon Streuung. sind wie Kinder - im Verhältnis zu ihrer Grösse beanspruchen sie sehr großen Raum. Bosonen sind dagegen wie Rugby Spieler. Sie quetschen sich auf kleinstem Raum und sind imstande ein kohärentes Team zu bilden. 9 Fermionen 5.2. QUANTENELEKTRODYNAMIK 111 Quantenfeldtheorie Die Quantenfeldtheorie beschreibt alle Teilchen durch Felder. So wie sich das elektromagnetische Feld durch Photonen zu erkennen gibt, gehören Elektronen oder Protonen zum Elektronenfeld bzw. Protonenfeld. Einer einzelnen Elektronenwellenfunktion entspricht eine gewisse Frequenzanregung des Elektronenfeldes. Je nach der Wechselwirkung dieser Anregung mit der Umgebung kann man das Elektron mehr oder weniger lokalisieren. Mathematisch besteht das Quantenfeld aus unendlich vielen harmonischen Oszillatoren. Anregung mit einer gegebenen Frequenz entspricht einem Teilchen mit diskretem Impuls, also einem entsprechenden Feldquant. Für Bosonenfelder gibt es keine Beschränkung der Anzahl von Quanten in einem gegebenen Energiezustand. Deshalb können sich große Mengen von Photonen kohärent überlagern und makroskopische Wirkungen erzielen. Auf Grund des Pauli-Verbotes ist die Wirkung eines Fermionenfeldes weniger auffällig. 5.2 Quantenelektrodynamik Die QED beschreibt die Wechselwirkung zwischen elektrisch geladenen Teilchen und Photonen. Die Coulombkraft ist eine Austauschkraft. Die elektromagnetische Wechselwirkung kommt durch die Absorption und Emission von Quanten zustande. Ursprünglich befasste sich die Quantenelektrodynamik nur mit der Emission und Absorption von Lichtquanten bei atomaren Übergängen. Zur Deutung der Lambverschiebung musste man einen Schritt weitergehen und annehmen, dass ein freies, wie auch ein gebundenes Elektron ständig Lichtquanten emittiert und wieder absorbiert. Virtuelle Prozesse Auch wenn wir kein äußeres Strahlungsfeld anlegen besteht die Möglichkeit einer virtuellen Wechselwirkung. Diese können wir schematisch so verstehen: während einer kurzen Zeitspanne ∆t leiht sich das Elektron vom Coulombfeld die Energie ∆E = h̄ω und emittiert diese als Photon. Kurze Zeit später wird dieses Photon vom Elektron selbst oder von einem anderen Teilchen, das elektrische Ladung besitzt, wieder absorbiert. Das Coulomb-Gesetz ist eine gute Näherung bei großen Abständen, bei kleinen Abständen treten Abweichungen auf. Feynman-Graphen dienen als Kurzschrift für die Berechnung dieser elektromagnetischen Prozesse.10 Man berücksichtigt Quantenkorrekturen des Elektrons, des Photons und der Ladung. Die Elektronenwellenfunktion enthält Quantenkorrekturen durch die Wechselwirkung mit virtuellen Photonen. 10 Analoge Bilder und Vorschriften existieren für die schwache und starke Wechselwirkung im Rahmen der Quantenchromodynamik (QCD). 112 KAPITEL 5. QED-EFFEKTE " ! a) Das Elektron wechselwirkt mit dem elektromagnetischen Feld, das aus seiner eigenen Ladung stammt. " " " ### $% & b) Analog kann ein freies Photon zeitweise auch in Form eines virtuellen Elektron-Positron Paares existieren. Die Photonenwellenfunktion berücksichtigt Paarerzeugungsprozesse. " ! " ( " $' & ) Regeln für Feynman Diagramme • Die vierdimensionale Raum-Zeit wird zweidimensional dargestellt. • Die durchgezogenen Linien entsprechen den Fermionen im Anfangs- und Endzustand. • Pfeile in Richtung der positiven Zeitachse entsprechen Teilchen, Pfeile in Richtung der negativen Zeitachse entsprechen den Antiteilchen. • Photonen werden durch Wellenlinien dargestellt. • Ein Punkt an dem drei oder mehrere Teilchen zusammentreffen heißt Vertex . Jedem Vertex entspricht im Übergangsmatrixelement ein Faktor, der die Struktur und Stärke der Wechselwirkung enthält. Dieser Faktor ist proportional zu √ α. ! ! • Die Amplitude für Wechselwirkung ist ∝ α diese ! " ! ! ! ! ! • Ein Prozess höherer Ordnung. Die Amplitude für diese Wechselwirkung ist ∝ α2 ! ! ! ! ! ! ! ! 113 5.2. QUANTENELEKTRODYNAMIK ! "# $ • Zwei Möglichkeiten, dass zwei Elektronen von 1 und 2 nach 3 und 4 gehen. Das Endergebnis ist ununterscheidbar. ! "# $ * * ) ) + + , , % & ' ( $ % & ' ( $ ! "# $ • Zwei andere Möglichkeiten, dass zwei Elektronen von 1 und 2 nach 3 und 4 gelangen. Das Endergebnis ist ununterscheidbar vom Fall oben. ! "# $ ) * * ) - . . + + , , % & ' ( $ % & ' ( $ • Die Streuung von Photonen bedeutet ein Photon wird absorbiert und emittiert, aber nicht unbedingt in dieser Reihenfolge. Das in c) sich rückwärts in der Zeit bewegende Elektron kann als Positron gesehen werden. Eine Interpretation des Bildes c) ist: das von rechts unten kommende Photon zerfällt in ein ElektronPositron Paar. Das Positron annihiliert mit den einfallenden Elektron zu einem auslaufenden Photon. ! "# $ )+ * )' * )( * % & ' ( $ • H-Atom: Proton und Elektron tauschen Photonen aus. Das schwere Proton ist praktisch stationär und hält das Elektron auf einer zittrigen Bahn fest. ! "# $ & )* +* , $ -$ ( +) * , Vakuumpolarisation Wenn das Austauschquante ein Elektron-Positron Paar bildet ist der Effekt eine Reduktion der effektiven Ladung. Das virtuelle Photonenfeld verhält sich wie ein Plasma. % & ' ( $ Renormierung Eine unendliche Zahl von immer kleiner werdenden Störtermen muss zu jedem elektromagnetischen Prozess berücksichtigt werden. Feynman, Schwinger & Tomonaga (1949) konnten zeigen, dass man scheinbar unendliche Beiträge der Störungsreihe umgehen und beobachtbare Größen mit beliebiger Genauigkeit berechnen kann. Der mathematische Beweis dazu ist als Renormierung bekannt. QED ist die präziseste Theo- 114 KAPITEL 5. QED-EFFEKTE rie überhaupt, Die Übereinstimmung Theorie und Experiment ist geradezu spektakulär und bestätigt die Zuverlässigkeit der Theorie. Quantenvakuum In der klassischen Physik wird die leere Raum-Zeit Vakuum genannt. In der Quantenmechanik ist das Vakuum der Grundzustand des Quantenfeldes. Das Vakuumfeld enthält keine angeregten Feldquanten, also keine Teilchen und stellt den Zustand minimalster Energie dar. Wenn wir die Analogie zwischen Quantenfeld und einer unendlichen Anzahl von harmonischen Oszillatoren voraussetzen, müssen auch Nullpunktsfluktuationen angenommen werden (siehe Seite 44). An diesen Fluktuationen sind nur virtuelle Teilchen beteiligt. Ständig entstehen aus dem Vakuum Teilchen-Antiteilchenpaare, sie propagieren solange es die Unschärferelation erlaubt und dann annihilieren sie. Jedem Quantenfeld muß eine Nullpunktsenergie zugeordnet werden. 1948 sagte Casimir vorher, dass diese Fluktuationen unter gewissen Umständen beobachtbar wären → Casimir-Effekt.11 5.3 Lamb-Shift Selbst bei Abwesenheit eines äußeren Feldes oder eines äußeren Strahlungsflusses muss die Anwesenheit eines fluktuierenden elektromagentischen Feldes im Raum angenommen werden. Diese virtuelle Wechselwirkung führt zu einer winzigen Energieverschiebung. Die Energieverschiebung hängt davon ab, wie die Aufenthalts-Wahrscheinlichkeit des Elektrons in Kernnähe ist und damit von n und � . Die Korrektur ist so klein, dass sie nur in sehr präzisen Messungen erfasst werden kann. Die grundsätzliche Bedeutung aber ist sehr groß. Zwei anschauliche Bilder dazu: 1) Durch die virtuelle Absorption und Emission erleidet das Elektron einen Photonenrückstoß und ist deshalb auf einer zittrigen Bahn unterwegs. 2) Die fluktuierenden Felder der Vakuummoden (siehe Seite 44) stören die Bahnbewegung des Elektrons. Seine mittlere potentielle Energie ist �Epot � = − Ze2 4π�0 � 1 r + δr � . Im Mittel ist die Bahnabweichung δr = 0, aber � 1 r + δr � �= � � 1 r . Diese Korrekturen spielen nur bei kleinen Proton-Elektron Abständen eine Rolle und sind daher besonders für die niedrigsten s-Zustände von Bedeutung. Die QED ergibt für atomaren Wasserstoff Korrekturen, die vom Experiment bestätigt werden. 11 Auch die Nullpunktsfluktuationen erzeugen einen gewissen Strahlungsdruck. Zwischen zwei metallischen Elektroden ist die Zahl der elektromagnetischen Moden eingeschränkt. Es fehlen diejenigen, deren Wellenlänge größer ist als der Plattenabstand. Daraus folgt, dass der Druck auf die Platten von außen größer ist als von innen, und dass sich die Platten anziehen. 115 5.3. LAMB-SHIFT 0 !"$ %( ' %( ) "* + !# ' %$ "* + , / # ., 3 "' %' $ "* + !# 3 "' %, 4 "* + !# , - $ ., , - # ., !# 1s 2s 2p !"# $ %& # %( ) "* + # / 1 2 5.3.1 n� !# ∆Elamb M Hz +8000 +1040 −14 ∆Elamb cm−1 +0.267 +0.034 −0.005 # ., Lamb-Retherford Experiment Lamb und Retherford (1947) führten die erste Messung der 2s1/2 − 2p1/2 -Aufspaltung durch. H-Atome werden in einer Mikrowellenentladung12 in H2 Gas erzeugt. Die Atome effundieren zusammen mit H2 -Molekülen aus diesem “Atomofen”. Durch Blenden bildet sich ein Atomstrahl thermischer Geschwindigkeit. Nach Elektronenstoß-Anregung der H-Atome im Strahl befindet sich ein geringer Bruchteil der H-Atome in angeregten Zuständen. Kurzlebige Zustände zerfallen schnell und geben ihre Überschussenergie in Form von Photonen ab, die undetektiert bleiben. Metastabile H(2s)-Atome, die auch bei der Elektronenstoß-Anregung entstehen, haben eine Lebensdauer τ ≈ 1 s und induzieren bei Auftreffen auf eine Wolfram Oberfläche Elektronen-Emission.13 Wenn H(2s) durch das HF-Feld gepumpt wird, geht die Elektronen-Emission zurück. Die Zeeman-Aufspaltung der H(n = 2) Terme wird im folgenden Kapitel besprochen. Experimentell geht man so vor, dass man die Zeeman-Komponenten der Übergänge von 2s1/2 nach 2p1/2 bzw 2p3/2 bei verschiedenen Magnetfeldstärken aufnimmt und dann auf Magnetfedstärke Null extrapoliert. ! " ! #$ %& ' ( )* + ! ," - . $ + /* 0 1 + 0 ! 2 #$ + /* 0 1 + 0 * * 3 5.3.2 # Multiplett-Aufspaltung und Landé-Faktor Dieser Abschnitt hat nichts mit QED zu tun, wir brauchen ihn hier lediglich um das Lamb-Retherford Experiment zu verstehen. 12 Manchmal 13 Analog auch durch thermische Dissoziation. zur Detektion von metastabilen He-Atomen im Experiment auf Seite ??. 116 KAPITEL 5. QED-EFFEKTE Wenn das äußere Feld schwach ist gegenüber dem Magnetfeld, das durch die Bahnbewegung der Elektronen entsteht, dann bleiben die Kopplungen zwischen L, S und I erhalten.14 Im Folgenden vernachlässigen wir die Hyperfeinstruktur. Wegen M� = e − 2m L und MS = −ge µh̄B S wird e MJ = − µB · (L + ge S) . h̄ (5.2) Wenn wir ge = 2 verwenden und J = L + S erhalten wir MJ = − µB · (J + S) . h̄ (5.3) Im Fall vom H-Atom haben wir nur ein einzelnes Elektron auf das sich die Vektoren L und S beziehen.15 Die Spin-Bahn Kopplung führt dazu, dass die beiden Vektoren, L und S mit der Frequenz ωSB = Wh̄SB um die gemeinsame Bewegungskonstante J präzidieren. Bei kleinen Magnetfeldstärken ist diese Präzession (siehe Gleichung 4.100) viel schneller als die Larmor-Präzession. ! Wegen des Faktors ge = 2 steht jetzt das resultierende magnetische Moment nicht in entgegengesetzter Richtung zum Vektor J. Die Projektion des magnetischen Momentes auf die z-Achse entspricht im Mittel nur der Projektion des Skalarproduktes von J mit MJ . $ ! - . +, " ! * +, # ! ) ! ) % Im zeitlichen Mittel ist die Projektion des magnetischen Momentes in Richtung von J gleich �MJ � MJ · J |J| = µB − h̄ = � # ) ! * +, J·J S·J + |J| |J| � % " & '% '( $ . % $ Für die magnetische Energie gilt WZ = = −�MJ � · B = −|�MJ �| · B cos (�MJ �, B) −|�MJ �| � � J ·B |J| . (5.4) Somit ergibt sich16 WZ = = − µB h̄ � J·J S·J + |J| |J| �� J·B |J| � 2 2 2 2 1 µB J + 2 (J + S − L ) JZ B . 2 h̄ J (5.5) 14 � Normaler Zeeman-Effekt tritt nur bei Atomen auf, die keinen Gesamtspin haben: S = 0. Wenn S �= 0, wie z.B. bei H-Atom, tritt der anomale Zeeman Effekt auf. Mehrelektronensystemen könnten wir den �Gesamtdrehimpuls J als Summe über die Vektorsummen der einzelnen Elektronenspins ( i si ) und der einzelnen Bahndrehimpulse � ( i �i ) ansehen. 16 Quadrieren wir den Ausdruck J − S = L erhalten wir für S · J = 1 (J2 + S2 − L2 ). 2 si = 15 Bei 117 5.3. LAMB-SHIFT Im äußerem Feld kann der Gesamtdrehimpuls J die Projektionen Jz = MJ h̄ haben, wobei −J ≤ MJ ≤ +J. Damit ist die zusätzliche Energie im äußeren Feld gleich dem Erwartungswert dieses Zeeman-Operators. Mit |L S; J MJ �-Eigenfunktionen ergibt sich �WZ � = µB B MJ gJ (5.6) wobei wir den Landé-Faktor gJ = 1 + J(J + 1) + S(S + 1) − �(� + 1) 2J(J + 1) (5.7) definiert haben. • Der Landé-Faktor ist – gJ = 1 für reinen Bahnmagnetismus ( S = 0 ) – gJ = 2 für reinen Spinmagnetismus ( � = 0 ) – 0 < gJ < 2 wenn beide zum Magnetismus beitragen. • Da der Landé-Faktor von J, S und von � abhängt, ist die Aufspaltung unterschiedlich für die verschiedenen Feinstrukturzustände. • Ein Zustand mit Gesamtdrehimpuls-Quantenzahl J spaltet sich in 2J+1 äquidistante Zeeman-Komponenten auf. Die Aufspaltung ist proportional zu B und sie hängt vom Landé-Faktor ab. Dieser Faktor kann für jedes Niveau |J MJ � verschieden sein. • Beobachtete Übergänge: Lineare Polarisation für ∆MJ = 0 und zirkulare Polarisation für ∆MJ = ±1. • Für das Wasserstoffatom sind die berechneten gJ -Werte gJ (2p3/2 ) = 4/3 gJ (2p1/2 ) = 2/3 gJ (2s1/2 ) = 2 (5.8) & ' (% % + ! 7 ! )+ , - & $ (% $ % % )! 01 2 3 4 3% )! 6 % & ' (% )$ (% $ ! . / )! 01 2 3 4 35% )! 6 ! . % )! 01 2 3 4 35% )! 6 # # -. / 0 1 )' (% " " % , % + & $ (% & $ (% )$ (% $ (% $ (% ! )$ (% $ % ! . % )! ! % & '% & '! ( )* ' * Zeeman-Aufspaltung der n = 2 Niveaus des atomaren Wasserstoffs. Abhängigkeit einiger der 2s → 2p Übergangsfrequenzen von der Magnetfeldstärke. 01 2 3 4 3% )! 6