Körperpolizei stoppt Krebszellen

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Gesundheit
Immuntherapie
Körperpolizei stoppt
Krebszellen
Bei der Behandlung von Krebs macht die Immuntherapie derzeit von sich
reden. Mithilfe von Medikamenten wird das Immunsystem so flott gemacht,
dass es gegen Krebszellen vorgeht. Das SRH Wald-Klinikum Gera setzt diese
Methode bereits erfolgreich ein.
Von Ulrike Heitze
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Erst ein ausgiebiger Spaziergang am Ufer der Elbe entlang,
dann hinauf zur Albrechtsburg bei allerbestem Frühlingswetter und zum Abschluss einen Abstecher in den gotischen Dom der Stadt. Zusammen mit ihrem Mann genießt
Helga Göpel die drei Tage Kurzurlaub im sächsischen Meißen von ganzem Herzen. „Mittlerweile fühle ich mich wieder sehr, sehr wohl“, erklärt die 72-Jährige fröhlich. Dass
es ihr noch mal so gut gehen würde, hätte die Rentnerin
aus Gera kaum noch für möglich gehalten. Denn Helga
Göpel leidet seit acht Jahren an schwarzem Hautkrebs.
Über die Jahre hatte der Krebs Metastasen in mehreren
Organen und an der Wirbelsäule gebildet. Nicht alle ließen
sich durch Operationen, Bestrahlungen und Chemothera-
pien zurückdrängen. „Zu der Zeit war ich wirklich sehr
niedergeschlagen“, erinnert sie sich. Doch ihr Arzt, Privatdozent Dr. Martin Kaatz, Chefarzt der Klinik für Hautkrankheiten und Allergologie am SRH Wald-Klinikum Gera,
machte ihr immer wieder Mut. Er schlug ihr vor, an einer
 klinischen Studie zur Erprobung einer neuen Krebstherapie teilzunehmen. Im Sommer 2013 bekam sie ihre erste
halbstündige Infusion im Studienzentrum der Klinik, seither alle drei Wochen, bislang 32 Mal. Eine Computertomografie im Sommer letzten Jahres zeigte: Alle Metastasen
hatten sich zurückgebildet – und sind seither nicht wieder
aufgetaucht. „Das war so ein tolles Gefühl nach all den
Jahren“, erinnert sie sich mit Erleichterung.
perspektiven 02/2015
Immuntherapie
In Deutschland ist aktuell ein Medikament zur Behandlung
des schwarzen Hautkrebses zugelassen. Im Sommer sollen
Antikörper zur Therapie von Lungenkrebsarten folgen. An
den dafür notwendigen klinischen Studien waren auch Patienten des Lungenkrebszentrums am SRH Wald-Klinikum
beteiligt. Weltweit laufen aktuell Hunderte Studien zur Erprobung von Immuntherapie-Medikamenten.
„Mittlerweile fühle
ich mich wieder sehr,
sehr wohl.“
Helga Göpel, Hautkrebspatientin
Fieberhafte Forschung
Helga Göpel profitiert von einer neuen Behandlungsmethode gegen Krebs, der Immuntherapie. Chefarzt Martin
Kaatz, der auch Leiter des Zentrums für Klinische Studien
am Wald-Klinikum ist, erklärt die Wirkweise: „Normalerweise erkennt unser Immunsystem einzelne Krebszellen
und vernichtet sie. Aber Tumorzellen haben Mechanismen,
um sich zu tarnen.“ Die Krebszellen überziehen sich dabei
beispielsweise mit bestimmten Proteinen. Diese sogenannten Checkpoint-Proteine geben der Hauptwaffe des
Immunsystems gegen Krankheiten, den T-Lymphozyten
(kurz T-Zellen), zu verstehen, dass es hier für sie nichts zu
tun gibt. Das Immunsystem schlummert also vor sich hin,
während der Krebs unbehelligt wächst.
In der Immuntherapie setzt man deshalb Anti­
körper ein, die die jeweiligen Proteine binden und blockieren. „Die Medikamente bewirken, dass die körpereigenen
Immunzellen von der Bremse gehen und wieder aufmerksamer werden“, erklärt Martin Kaatz. Anders als Chemotherapie und Bestrahlung zielt die Immuntherapie also
nicht auf den Tumor selbst ab, sondern mobilisiert das eigene Immunsystem, damit es die Krebszellen angeht.
Das Bemühen der Mediziner, dem Schreckgespenst
Krebs über das Immunsystem beizukommen, ist nicht
neu. Schon vor mehr als 150 Jahren gab es entsprechende
Anläufe, die körpereigene Abwehr anzustacheln. Und
die Stammzellspende, beispielsweise zur Behandlung von
Leukämie, ist ebenfalls eine Form der Immuntherapie und
längst gängige Praxis. „Neu ist aber, dass man über sie
auch solide Tumore angehen kann“, sagt Chefarzt Kaatz.
Erst seit wenigen Jahren könne man Stoffe herstellen, die
an Proteine andocken oder in Zellen eindringen können.
Die Forschung arbeitet nun fieberhaft daran, sukzessive
die vielen verschiedenen Checkpoint-Proteine zu identifizieren, die auf so einer Krebszelle sitzen können, und
dann den passenden Hemmer zu finden, der das Protein
blockiert.
Lebenszeit verlängern
Trotzdem ist die Immuntherapie kein Allheilmittel gegen
Krebs. Die Nebenwirkungen, die das angestachelte Immunsystem produziert, sind nicht zu unterschätzen, auch
wenn man sie, wie Martin Kaatz erklärt, heutzutage gut
in den Griff bekommt. Und: Die Immuntherapie wirkt
nicht bei jedem und nicht gleich gut. „Beim schwarzen
Hautkrebs sprechen etwa zehn bis 20 Prozent der Patienten klar auf die Medikamente an. Ihre Tumore verkleinern
sich oder bilden sich sogar komplett zurück“, weiß Kaatz.
„Und bei einer weiteren großen Gruppe bleibt die Erkrankung stabil. Die Tumore wachsen über Monate oder Jahre
nicht.“ So ist das Hauptziel der Mediziner, die Erkrankung
mithilfe der Immuntherapie in eine chronische Phase zu
bekommen – insbesondere bei sehr bösartigen Krebsarten.
„Die Menschen gewinnen so Lebenszeit.“
Gesundheit
Neue Methoden zur Behandlung einer Erkrankung werden
in der Regel in  klinischen
Studien überprüft, bevor sie
zugelassen und so beispielsweise von Krankenkassen übernommen werden. Studienobjekt
kann ein Medikament sein, aber
auch eine innovative Opera­
tions­technik, ein Gerät, ein Implantat oder eine Prothese.
An einer Forschungsstudie teilnehmende Patienten können so
auch von Arzneimitteln und
Verfahren profitieren, die noch
nicht zugelassen sind. Weil
­Sicherheit oberstes Gebot ist,
werden die Studienteilnehmer
medizinisch ganz eng begleitet
und mit modernsten Mess­
geräten überwacht.
Am SRH Wald-Klinikum Gera
sind die Studien quer durch alle
Fachgebiete im Zentrum für Klinische Studien gebündelt. Seit
der Eröffnung 2011 wurden bereits mehr als 150 Studien mit
mehr als 600 Patienten initiiert.
www.waldklinikumgera.de
„Die Menschen gewinnen
so Lebenszeit.“
Privatdozent Dr. Martin Kaatz, Leiter der Hautklinik
und des Zentrums für Klinische Studien
am Wald-Klinikum Gera.
Auch Helga Göpel kann noch nicht sagen, wie
lange sie die Infusionen noch bekommen muss und ob sie
tatsächlich geheilt ist. Dafür sind die Erfolge der Immuntherapie noch zu frisch und Langzeitstudien erst im Entstehen. Aber im Grunde ist es der Rentnerin auch egal, so­
lange alles so bleibt, wie es zurzeit ist. „Alle drei Wochen
habe ich wegen der Infusion zwei schlappe Tage. Aber
damit arrangiere ich mich“, sagt sie voller Energie. „Denn
danach habe ich immer zweieinhalb tolle Wochen ganz
für mich und meine Familie.“ 25
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