ASSOZ.-PROF. DR. GUNTER STURM Facharzt für Dermatologie, Univ.-Klinik für Dermatologie und Venerologie, Medizinische Universität Graz Keine Zeit für’s (Über)leben? Lebensgefährlicher Leichtsinn: Nur jeder fünfte Allergiker lässt sich behandeln 5. Mai 2015 – Jedes Jahr schockieren mehrere Todesfälle aufgrund eines Bienen- oder Wespenstiches ganz Österreich. Trotzdem wird die Insektengift-Allergie häufig zu wenig ernst genommen. Nur zwei von zehn Allergikern werden mit einer Insektengift-Immuntherapie behandelt, die praktisch zu 100 Prozent wirkt. Nur die Hälfte der Patienten bringt diese Therapie schließlich auch tatsächlich zu Ende und hat so nachhaltigen Schutz und Sicherheit. Das häufigste Argument für einen vorzeitigen Therapieabbruch: Zeitmangel. Warnzeichen zu ignorieren oder die lebensgefährliche Erkrankung zu banalisieren, ist jedoch ein russisches Roulette! Ein Stich genügt und Menschen, die gegen Bienen- oder Wespengift allergisch reagieren, können innerhalb weniger Minuten in Lebensgefahr schweben – oder sogar sterben. Dennoch wird die Insektengift-Allergie nach wie vor stark unterschätzt. Viele Patienten suchen erst Jahre später einen Arzt auf – wenn überhaupt. Dabei verpassen Insektengift-Allergiker die wichtige Chance, sich durch die potenziell lebensrettende Behandlung mit der spezifischen Immuntherapie langfristig und sicher zu schützen. Nur zwei von zehn der Behandlungsbedürftigen sind in Therapie.1 Anders gesagt: 80 Prozent riskieren Sommer für Sommer aufs Neue ihr Leben. Hauptargument für Therapieabbruch: Keine Zeit Sorglosigkeit und Leichtsinn halten von der wichtigen Therapie-Entscheidung ab, sowie die häufige Tatsache, dass einem Großteil der Allergiker diese Möglichkeit einfach nicht bekannt ist. Weiteres besorgniserregendes Faktum ist eine hohe Therapieabbruchrate. Eine aktuelle Studie aus Österreich erhob, wie viele (bzw. wie wenige) der Patienten, die sich für eine Therapie entschieden haben, sie auch zu Ende führen. Das ernüchternde Ergebnis: Nur die Hälfte der Patienten (51,3%) beendete die Therapie nach Plan.2 Bei einer spezifischen Immuntherapie treten Nebenwirkungen selten auf und sind in der Regel mild. Gerade deshalb wirft die hohe Anzahl an Therapie-Abbrechern viele Fragen auf. Eine weitere österreichische Studie ging dem nach und hat Gründe eruiert – an erster Stelle: Zeitmangel!3 Spezifische Immuntherapie hilft praktisch immer Die schlechte Akzeptanz verwundert angesichts der Tatsache, dass kaum eine andere medizinische Therapie einen derart guten Wirkungsnachweis erbringen kann. Durch eine korrekt ausgeführte spezifische Immuntherapie kann sich nahezu jeder Patient fast 100-prozentig schützen. Die Erfolgsrate bei Bienengiftallergie beträgt mehr als 85 Prozent, bei einer Wespengiftallergie kann man von einem 95prozentigen Erfolg ausgehen.4 Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt die Behandlung, deren Kosten von der Krankenkasse zur Gänze übernommen werden, daher ausdrücklich auch für Kinder. So funktioniert die Immuntherapie Im Zuge dieser Behandlung bekommt der Patient den Allergie-Auslöser in anfangs steigender Dosierung in den Oberarm injiziert. Die Immuntherapie gewöhnt den Körper nachhaltig an das Insektengift, wodurch die allergische Reaktion deutlich schwächer ausfällt. Der Erfolg zeigt sich bereits nach einer kurzen Behandlungszeit. Zur Wahl stehen zwei Varianten: Die konventionelle Therapie, die von einem niedergelassenen Arzt durchgeführt werden kann. Sie dauert mehrere Monate und sollte daher vor der warmen Jahreszeit begonnen werden. Weiters gibt es auch Schnell-Schemata, für die ein kurzer stationärer oder tagesklinischer Aufenthalt im Krankenhaus erforderlich ist. Vorteil dieser schnellen Option ist, dass die Therapie kurz vor oder sogar während der Saison gestartet werden kann und dass ein sicherer Schutz bereits nach den ersten Wochen erreicht ist. Nach diesen Steigerungsphasen ist nur noch eine Spritze etwa alle vier Wochen nötig. Diese Folgebehandlungen können auch beim niedergelassenen Facharzt in der Ordination durchgeführt werden. Nach drei bis fünf Jahren Therapie ist in beiden Fällen ein langfristiger Schutz vor einer lebensgefährlichen Reaktion aufgebaut. Dieses Schnell-Schema wird an der Universitätsklinik Graz angeboten. Eine erfreuliche Nachricht gibt es auch für all jene, die auf Stiche von Hummel oder Hornisse reagieren: Auch hier hilft die Behandlung, da sich die Giftzusammensetzung Biene / Hummel und Wespe / Hornisse stark ähnelt. Keine Angst vor einem Stich mehr Dank der hochwirksamen Therapie können Insektengift-Allergiker mit einem sicheren Gefühl gefahrlos durch den Sommer kommen. Zusätzlich führt der wirksame Schutz vor neuerlichen lebensbedrohlichen Reaktionen zu einer wesentlichen Verbesserung der Lebensqualität. Der Appell: Allergiker sollten dringend die Gefahr ernst und sich die Zeit für eine Therapie nehmen! Aufruf Studienteilnahme An der Universitätsklinik in Graz wird eine Studie gestartet, die ein verkürztes ambulantes Therapieschema untersucht. Für diese Studie werden Allergiker gesucht, die schon einmal nach einem Stich neben Hautsymptomen auch Atem- oder Kreislaufprobleme hatten. Interessierte wenden sich bitte an 0316 / 385-83400 oder [email protected] Kontakt für Journalisten-Rückfragen: Assoz.Prof. Dr. Gunter Sturm Facharzt für Dermatologie Univ.-Klinik für Dermatologie und Venerologie, Medizinische Universität Graz T: 0650 / 5142129 (Handynummer ausschließlich für Ihre Rückfragen, nicht veröffentlichen!) E: [email protected] © privat 1 Przybilla B et al. Anaphylaxie auf Insektenstiche. Der Hautarzt 2014; 768-9 Bokanovic D, Schwarz I, Laipold K, Smolle C, Schrautzer C, Wutte N, Aberer W, Sturm GJ. Adherence to venom immunotherapy: When do we lose patients? Abstract, in press 3 Jurilj M, Hawranek T, Aberer W, Horn T, Sturm GJ. Spezifische Immuntherapie: Eine Mulitcenterstudie über Compliance und Abbruchgründe, Allergy. 2008; 63: 146-146 4 Rueff F, Przybilla B. Allergo J 2005; 14:560-8 2 Text und Foto in Printqualität gibt’s bei Elisabeth Leeb, T: 0699/1 424 77 79, E: [email protected] und auf www.initiative-insektengift.at (für Medien)