Prim. Dr. Waltraud Emminger

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PRIM. DR. WALTRAUD EMMINGER
Ärztliche Leiterin des Allergie-Ambulatoriums Rennweg
Warum es so schwer ist (Therapie)treu zu sein
Es braucht neue Wege der Patientenmotivation und -unterstützung
Wien, 14. März 2012 – Durchschnittlich vergehen 6-9 Jahre bis zur fachgerechten Diagnose und
Behandlung einer Allergie. Trivialisierung, lange Irrwege bis zum richtigen medizinischen
Ansprechpartner, Mängel im Schnittstellenmanagement zwischen Allgemeinmediziner und Facharzt
sowie komplexe und langwierige Behandlungsschematas sind (haupt)verantwortlich dafür, dass zwei
Drittel der Allergiker erst dann zum Arzt gehen, wenn ihre Beschwerden unerträglich werden 1 und
alarmierend wenig die modernen Behandlungsoptionen ausnutzen, richtig anwenden oder konsequent
durchhalten. Doch die mehrjährige und regelmäßige Einnahme bzw. Verabreichung entscheidet über
Gelingen oder Versagen der Therapie2. Das macht deutlich, dass es neue Wege braucht, um Allergikern
den Zugang zur Therapie und die Motivation für deren Durchhalten zu verbessern.
Ein Allergiker hat’s schwer. Zunächst ist es gar nicht so einfach, allergische Symptome richtig zu deuten.
Gerötete Augen, juckende Nase, Niesreiz, Fließschnupfen oder eine verstopfte Nase könnten ebenso
Anzeichen einer hartnäckigen Verkühlung sein. Hier gilt: Dauern die Beschwerden länger als vier Wochen an,
sollte man der Ursache auf den Grund und zum Arzt gehen. Denn: Der allergische Schnupfen ist nicht „halb so
wild“, sondern der wichtigste Wegbereiter für allergisches Asthma. Fast 40 Prozent aller HeuschnupfenPatienten entwickeln im Laufe ihrer Allergikerkarriere diese chronische Lungenkrankheit. Dazu kommt: Je
länger eine Allergie unbehandelt bleibt, desto größer ist das Risiko, dass zur bereits bestehenden noch weitere
Allergien hinzukommen. Eine Allergie ist damit kein lästiger Schnupfen, sondern ein ernst zu nehmender,
chronischer Entzündungsprozess, der frühzeitig gestoppt werden muss.
Eine aktuelle Umfrage in Deutschland bestätigte nun einmal mehr: Obwohl Allergien mit einem Verlust an
Lebensqualität verbunden sind und etwa die Hälfte aller Allergiker die Schlafstörungen, den Leistungsabfall in
der Arbeit bzw. Schule und die Einschränkungen bei den Freizeitaktivitäten als belastend empfindet, wird nur
jeder Zweite medikamentös behandelt3. Eine Abklärung beim allergologisch versierten Facharzt und eine
individuell angepasste Therapie sind jedoch Voraussetzung, um eine Verschlechterung der chronischen
Atemwegsentzündung zu verhindern.
1
Befragung von rd. 3.000 Heuschnupfen-Patienten; Maurer, M./Zuberbier, T.: Undertreatment of rhinitis symptoms in Europe: findings
from a cross-sectional questionnaire survey, Allergy 2007: 62: 1057-1063
2 World Health Organization. Adherence to longterm therapies: evidence for action, July 2005
3 FORSA: „Allergien“ – Telefonische Befragung im Auftrag der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft, Februar 2012
Facharzt für Allergologie fehlt in Österreich
Im Gegensatz zu anderen Ländern wie etwa Deutschland, die Schweiz, die Niederlanden, Italien, Spanien,
Polen, die Tschechische Republik oder Griechenland gibt es in Österreich leider keinen Facharzt für
Allergologie. Über eine entsprechende Zusatzausbildung zu den Fächern HNO, Pädiatrie, Pulmologie und
Dermatologie wird schon seit Jahren diskutiert, eine Verbesserung der allergologischen Versorgung ist längst
überfällig. Allergiker sind oft rat- und orientierungslos, denn sie wissen nicht, wer der für sie richtige
Ansprechpartner ist. Im besten Fall wenden sie sich vertrauensvoll an den informierten Hausarzt, der sie nach
erster Einschätzung an den allergologisch erfahrenen Facharzt zur weiteren diagnostischen Abklärung und
Therapie-Einstellung verweist.
Therapie ist hocheffektiv aber langwierig
Hat der Patient seine allergischen Beschwerden ernst und in Angriff genommen, stehen ihm sehr gute
Behandlungsoptionen zur Verfügung. Die allgemeingültigen WHO-Therapieempfehlung (ARIA - Allergic
Rhinitis and its Impact on Asthma) richtet sich die Therapie nach Art, Ausprägung und Schweregrad der
Erkrankung und wird somit individuell auf den Patienten abgestimmt. Neben der wichtigen
Allergenvermeidung und Behandlung der Symptome durch antiallergische Medikamente ist die spezifische
Immuntherapie (Abk. SIT und auch bekannt unter den Begriffen Allergie-Impfung oder Hyposensibilisierung)
die dritte therapeutische Säule. Sie ist die einzige ursächliche Therapie von Atemwegsallergien. Das bedeutet,
neben der Linderung allergischer Symptome wird gleichzeitig auch die Ursache der Allergie bekämpft. Dies
gelingt, indem in regelmäßigen Abständen die allergieauslösende Substanz injiziert bzw. unter die Zunge
getropft wird und sich der Körper langsam und behutsam an das Allergen gewöhnen kann. Für
Gräserpollenallergiker steht die Allergie-Impfung auch in Tablettenform zur Verfügung. Die Behandlung sollte
spätestens zwei Monate vor der erwarteten Pollensaison begonnen werden. Bei Pollenallergien ist mit einem
Erfolg von rund 80 Prozent zur rechnen. Der durch zahlreiche Studien gesicherte Therapieerfolg der
spezifischen Immuntherapie ist aber nur dann zu erwarten, wenn die Therapie konsequent drei, in manchen
Fällen sogar bis zu fünf Jahre lang durchgehalten wird.
Konsequenz entscheidet über Therapieerfolg
Vielen ist das zu mühsam. Laut WHO-Bericht wird nur die Hälfte aller Langzeittherapien eingehalten 4. Eine
bekannte und mangels ausreichend effizienter Möglichkeiten meist tolerierte Tatsache, die leider auch für die
Allergie-Therapie gilt und eine leitliniengemäße Behandlung im Versorgungsalltag gefährdet5. Rund 20
Prozent der Patienten lösen das Immuntherapie-Rezept ihres Arztes erst gar nicht ein und etwa 75 Prozent
brechen ihre Therapie vorzeitig ab – die meisten bereits nach der ersten Verordnung bzw. innerhalb des ersten
Therapiejahres6.
Die viel zitierte „Therapietreue“, also die Befolgung ärztlicher Empfehlungen, wird als Compliance bezeichnet.
Doch die Einhaltung einer Therapie wird von mehr als nur dem guten Willen des Patienten bestimmt.
Sozioökonomische Faktoren wie Arbeitslosigkeit bzw. finanzielle Probleme und weite Entfernung zu den
Versorgungseinrichtungen spielen genauso eine Rolle wie der physische und psychische Zustand der
Patienten. Die Form, Einnahmehäufigkeit und Dauer der Therapie, ihre Wirkung und die auftretenden
Nebenwirkungen sowie die Qualität des Arzt-Patienten-Verhältnisses sind weitere entscheidende Gründe eine
4
The World Health Report. 2003
Claes C. et al.; Therapietreue bei SCIT, Med Klein 2009; 104: 536-42 (Nr. 7)
6 Aschemann et al., Pädiatrische Allergologie 14/1-2011
5
Behandlung einzuhalten oder abzubrechen. Und natürlich ist der Patient selbst eine wesentliche
Einflussgröße: Informationsstand und Bewusstsein der Notwendigkeit einer Therapie, Erwartungen an die
Behandlung, schlichtes „Dran denken“, Einfluss des sozialen Umfeldes etc.
5 Einflussgrößen auf die Therapietreue7
Bei Allergien zusätzliche Hürden
In der Allergietherapie kommen noch weitere Faktoren dazu, die es den Patienten schwer machen, eine
Therapie über die Jahre durchzuhalten. Zusätzlich zur herausfordernden Suche nach dem richtigen
medizinischen Ansprechpartner, die damit verbundenen Weg- und Zeitkosten und die lange Therapiedauer
steht die beschriebene Trivialisierung des „nur lästigen Heuschnupfens“ einer konsequenten Einhaltung der
Behandlung im Weg. Dazu kommt, dass die spezifische Immuntherapie in der belastungsfreien Zeit begonnen
und das ganze Jahr über durchgeführt werden soll – also auch dann, wenn keine Beschwerden spürbar sind.
Außerdem kann die Aufbauphase mit einer Verstärkung der Symptomatik einhergehen, da sich das
Immunsystem erst um- bzw. auf die Behandlung einstellt. Paradoxerweise ist der rasche Erfolg der
Behandlung ebenfalls Grund, vorzeitig mit der Behandlung aufzuhören – keine Beschwerden, keine Therapie
scheint das Motto.
Patienten brauchen Unterstützung
Motivation und Unterstützung für die Patienten sind somit von grundlegender Bedeutung. Allem voran steht
ein gutes Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient und damit verbunden eine patientengerechte
Aufklärung sowie die Berücksichtigung der Möglichkeiten und Bedürfnisse der Patienten bei der
Therapieauswahl – die sog. „Adhärenz“, die zunehmend die patriarchalisch geprägte „Compliance“ verdrängt.
Zudem entwickeln und verbessern Universitäten, Allergiezentren und Arzneimittelhersteller laufend
Programme, die Patienten im Alltag unterstützen und begleiten. So gibt es Informationsmodule und
Erinnerungshilfen, die Patienten auf Arzttermine, die Einnahme der Medikamente und neue Rezepte
hinweisen und die Medikamenteneinnahme mit täglichen Routinehandlungen verknüpfen helfen.
7
Adherence to long-term therapies, noncomunicable Diseases and Mental Health, WHO report 2003
Diese Programme können natürlich nur einen Teil der fünf Einflussgrößen auf die Therapietreue abdecken. Sie
stellen aber eine äußerst wertvolle Unterstützung dar. Mein Appell deshalb: Patienten und Ärzte sollen diese
Angebote annehmen. Sie können den Praxisalltag für Ärzte wesentlich erleichtern und Patienten helfen,
Barrieren zu überwinden und schlussendlich den gewünschten Therapieerfolg zu erreichen!
Kontakt für Journalisten-Rückfragen:
Prim. Dr. Waltraud Emminger
Allergie-Ambulatorium Rennweg, Wien
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E: [email protected]
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