UNIV.-PROF. DR. EVA-MARIA VARGA Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde, Klinische Abteilung für pädiatrische Pulmonologie und Allergologie, Medizinische Universität Graz SOS Biene/Wespe: Jeder 30. Österreicher ist schwer allergisch 5. Mai 2015 – In Österreich reagieren etwa 300.000 Menschen allergisch, wenn sie von einer Biene oder Wespe gestochen werden: juckende Hautausschläge am ganzen Körper, Schwellungen im Gesicht oder Hals, Atemnot, Juckreiz, Schwindel oder Herzrasen. Schlimmer noch: Eine Insektengift-Allergie kann lebensbedrohlich sein! Allergie ist nicht gleich Allergie. Atemwegsallergien, die durch Pollen, Hausstaubmilben oder Tierhaare ausgelöst werden, sind unangenehm und können Gesundheit und Lebensqualität stark beeinträchtigen sowie Asthma zur Folge haben. Eine Insektengift-Allergie hingegen kann sogar das Leben kosten. Bei Erwachsenen sind bei etwa der Hälfte (48%) aller Betroffenen Bienen- oder Wespenstiche Auslöser für eine lebensbedrohliche allergische Reaktion (med. Anaphylaxie). Kinder sind weniger häufig betroffen: Rund 20 Prozent der Anaphylaxie-Reaktionen bei Kindern sind auf eine Insektengift-Allergie zurückzuführen.1 Insgesamt ist etwa jeder 30. Österreicher (3,3%, davon 1% Kinder) allergisch gegen den Stich einer Biene oder Wespe – das sind rund 300.000 Menschen.2 Zusätzlich reagieren weitere knapp 400.000 Österreicher (4,6%) mit einer übermäßigen Lokalreaktion der Haut.2 Die ist zwar unschön, aber nicht weiter bedrohlich. Das männliche Geschlecht ist häufiger von Insektengift-Allergien betroffen, weniger als ein Drittel der Insektengift-Allergiker hat noch andere Allergien und im Gegensatz zu Heuschnupfen oder Asthma gibt es keinen sicheren Hinweis auf eine familiäre Neigung. Das bedeutet, es kann jeden treffen. Allerdings ist es auch möglich, dass eine Insektengift-Allergie im Laufe des Lebens einfach wieder verschwindet. Nur weiß man nicht wann und warum. Sommer für Sommer landen deswegen Hunderte in heimischen Notaufnahmen, und vier bis fünf Menschen sterben pro Jahr an den Folgen eines Bienen- oder Wespenstiches. Vermutlich gibt es sogar mehr Todesfälle, da eine schwere allergische Reaktion häufig nicht als solche erkannt oder registriert wird. Bei Kindern sind tödliche Folgen einer Insektengift-Allergie sehr selten – weniger als zwei Prozent aller Todesfälle infolge einer Insektengift-Allergie treffen Menschen unter dem 20. Lebensjahr. Leben mit der Angst Ein Bienen- oder Wespenstich ist schmerzhaft und unangenehm. Bis auf eine Rötung und Schwellung mit Juckreiz an der Einstichstelle haben gesunde Menschen allerdings keine weiteren Probleme. Damit das Gift der Hautflügler zu einer ernst zu nehmenden Bedrohung wird, müsste ein gesunder Erwachsener mindestens 1.000-mal gestochen werden. Bei Allergikern hingegen bedeutet schon ein einziger Stich eine große Gefahr! Ihr Körper setzt einen Abwehrmechanismus in Gang, der im Extremfall tödlich endet. Somit leben Allergiker im Sommer mit der täglichen Angst, gestochen zu werden. Die ständige Wachsamkeit vor herumschwirrenden Bienen und Wespen nimmt jedem Aufenthalt im Freien den Spaß und schränkt natürlich auch die Lebensqualität enorm ein. Normale Reaktion oder Allergie? Eine allergische Reaktion zeichnet sich fast immer durch Hauptsymptome aus. Erstes Warnzeichen ist eine Quaddel an der Einstichstelle, die einen Durchmesser von 10 cm übersteigt. Das ist soweit noch kein Grund zur Panik. Tritt der Hautausschlag jedoch nicht nur lokal, sondern am ganzen Körper auf und löst die übermäßige Histamin-Ausschüttung eine Kettenreaktion aus, kann es brenzlig werden: Blutgefäße weiten sich aus, der Blutdruck fällt rapide ab, das Atmen fällt schwer, lebenswichtige Organe wie Herz, Lunge und Gehirn können nicht mehr ausreichend versorgt werden, das Herz beginnt zu rasen, der Kreislauf bricht zusammen. Zusätzlich tritt Flüssigkeit aus den Gefäßen aus und lagert sich im Gewebe an. Bilden sich diese Schwellungen (med. Ödeme) im Halsbereich, ist massive Atemnot die Folge. Anzeichen einer schweren allergischen Reaktion (med. Anaphylaxie): Juckreiz an mehreren Körperstellen (v.a. Handflächen, Fußsohlen) Rötung am ganzen Körper (juckender Nesselausschlag) Anschwellen von Lippen, Augen, Gesicht oder Hals Juckende, rote, tränende Augen Rinnende oder verstopfte Nase Husten, Atemnot, Erstickungsgefühl Übelkeit bis zum Erbrechen Schluck- und Sprechbeschwerden Schweißausbruch, Herzklopfen, Todesangst Bewusstseinsverlust Kein Ausflug ohne Notfallapotheke! Zusätzlich sollten Allergiker auch immer für den Notfall gerüstet sein. Das gilt vor allem für jene, die (noch) nicht durch die spezifische Immuntherapie geschützt sind. Denn tritt eine allergische Reaktion auf, kann binnen weniger Minuten der ganze Körper betroffen sein. Das Ausmaß ist nicht vorhersehbar, der Verlauf unkalkulierbar. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt (siehe Abbildung). Wird man gestochen, heißt es für den Allergiker rasch handeln und Ruhe bewahren! Den (Bienen)Stachel rasch wegkratzen, danach die verordneten Notfallmedikamente anwenden und den Notarzt rufen. Die Medikamente Antihistaminikum und Kortison wirken entzündungshemmend bzw. antiallergisch und abschwellend, sind aber auf keinen Fall ausreichend, eine schwere allergische Reaktion zu bekämpfen. Es ist deshalb zusätzlich das Hormon Adrenalin notwendig, das in den Muskel gespritzt werden muss. Adrenalin ist in Form eines hilfreichen Autoinjektors verfügbar. Es stabilisiert in Minutenschnelle den Kreislauf und kann damit fatale Schockreaktionen verhindern. Doch nur bei etwa einem Viertel der selbst behandelten Notfälle wird Adrenalin verabreicht.1 Wichtig: Lebensrettende Medikamente müssen für den Ernstfall immer griffbereit sein und auch zeitgerecht erneuert werden (begrenzte Haltbarkeit)! Außerdem sollten Allergiker im Umgang sicher sein und auch ihr Umfeld (Schule, HKindergarten etc.) sollte den Adrenalin-Pen im Notfall einsetzen können. Diagnose beim Facharzt gibt Aufschluss Die Empfehlung lautet: Eine Reaktion, die über eine lokale Hautreaktion hinausgeht, sollte unbedingt bei einem allergologisch versierten Facharzt bzw. in einem Allergieambulatorium oder einer Allergieambulanz im Krankenhaus abgeklärt werden. Die Diagnose einer Insektengift-Allergie besteht aus einem detaillierten Arzt-Patienten-Gespräch sowie einer Austestung mittels Haut- und Bluttest. Durch die Einführung der molekularen Allergiediagnostik lässt sich inzwischen ganz gezielt herausfinden, welche Eiweiß-Bestandteile aus dem jeweiligen Gift für die Allergie verantwortlich sind. Ist die Diagnose einer Insektengift-Allergie aus der Krankengeschichte und durch ein positives Testergebnis bestätigt, kann eine hochwirksame spezifische Immuntherapie mit Insektengift durchgeführt werden. Sie schützt betroffene Erwachsene und Kinder rasch und nachhaltig vor schweren allergischen Reaktionen. Kontakt für Journalisten-Rückfragen: Univ.-Prof. Dr. Eva-Maria Varga Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde Klinische Abteilung für pädiatrische Pulmonologie und Allergologie Medizinische Universität Graz T: 0316/385-83727 E: [email protected] © Foto Furgler Literaturquellen 1 NORA, Allergy 2014;69(10):1397-404 2 Bokanovic D et al. Prevalence of hymenoptera venom allergy and poor adherence to immunotherapy in Austria Allergy 2011; 66: 1395-6 Text und Foto in Printqualität gibt’s bei Elisabeth Leeb, T: 0699/1 424 77 79, E: [email protected] und auf www.initiative-insektengift.at (für Medien)