Islamische Einheit - Al

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Schutz der Einheit
der
islamischen
Gemeinschaft als
Notwendigkeit
Einheit
Islamische Einheit
im Licht von Monotheismus und Prophetentum
H. R. Rezai*
Zunächst sollen zwei wichtige Begriffe in Betracht gezogen werden, von
denen keiner um des jeweils anderen
willen geopfert werden darf. Erstens
geht es um die Aufrechterhaltung der
Einheit und Einheitlichkeit der islamischen Gemeinschaft und zweitens
um den Schutz der Einheit des Islam
an sich.
Die Notwendigkeit der Einheit sollte
niemals als das primäre Ziel angesehen werden, während die Wirklichkeiten des Islam übersehen werden
und ihnen sekundäre Bedeutung
beigemessen wird. In diesem Sinne
sind Wahrheit und Wahrhaftigkeit als
grundlegende Prinzipien zu verstehen. Ein Überblick über historische
und aktuelle Ereignisse macht deutlich, dass Antipathien, Feindseligkeiten und sogar Hass zwischen Muslimen u. a. von folgenden Aspekten
verursacht wird:
1. Verwerfen der Lehren des Islam
und des Heiligen Qur’an und Ablehnung der Experten auf diesen zwei
Gebieten.
2. Vertrauen auf Menschen, die die
Lehren des Qur’an und die Überlieferungen der hervorragenden religiösen
Autoritäten verfälscht haben.
3. Grundloser und irrationaler Fanatismus und Engstirnigkeit.
4. Tribalismus und Rassismus.
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5. Weltliche Neigungen wie z. B.
Liebe zu Macht, Ruhm und Reichtum.
6. Politik von Supermächten mit
dem Ziel, die Muslime zu beherrschen und sich ihre ökonomischen
Ressourcen anzueignen.
Es ist hier erwähnenswert, dass die
meisten zuvor genannten Aspekte im
Schatten der Einheit, die auf dem
Glauben an den einen und einzigen
Gott und das Prophetentum basiert,
gelöst werden können. Aber zunächst
gilt es, die Bedeutung von Einheit zu
kennen.
Einheit bedeutet hier, dass wir, während wir unseren reinen und unbestreitbaren Glauben bewahren, eine
einheitliche Haltung gegenüber unseren gemeinsamen Widersachern einnehmen müssen. Das bedeutet nicht,
dass wir uns nicht in konstruktiven
akademischen Gesprächen mit dem
Ziel der Erkenntnis der Wahrheit, frei
von jeglicher Engstirnigkeit engagieren sollten. Die Einheit bereitet die
Grundlage für die Einheitlichkeit der
Interessen und Ziele der Menschen,
die an den einen und einzigen Gott,
den Propheten Muhammad (s.a.s.)
und die Offenbarung, d. h. den Heiligen Qur’an, glauben.
Muhammad Ashur, der stellvertretende Rektor der ägyptischen alAzhar-Universität und Vorsitzende
des Ausschusses für den Dialog der
islamischen Denkschulen, hat in
seinen Ausführungen über die islamische Einheit gesagt: Der Gedanke der
Annäherung der islamischen Denkrichtungen bedeutet nicht, dass diese
Schulen zu einer gemacht werden
sollten. Es bedeutet auch nicht, dass
die Anhänger dieser Schulen diese
negieren und eine neue annehmen
sollten. In Wirklichkeit stellt dies
eine Verzerrung des Begriffes der
Annäherung dar. Annäherung sollte
auf die Grundlage des wissenschaftlichen Meinungsaustausches basieren, so dass dieses wichtige Instrument gegenüber unbegründeten Vorurteilen dominiert. In wissenschaftlichen und akademischen Debatten
müssen Gelehrte aller Schulen ihr
Wissen mit ihrer Gegenseite austauschen, so dass in einer ruhigen und
angenehmen Atmosphäre Lernen,
Wissen und gute Ergebnisse erlangt
werden.
Faktoren, die islamische
zustande bringen
Einheit
Die zuvor genannten Aspekte bedenkend, wollen wir hier wichtige Faktoren anführen, die Einfluss auf das
Zustande bringen der Einheit hatten
und haben können.
1. Der Heilige Qur’an
Dieses umfassende und vollkommene heilige Buch mit den drei Kategorien Moral, Glauben und Recht steht
für Rechtleitung und Erlösung der
Menschen. Es lehrt, dass die Menschen, die sich danach richten,
Wohlergehen in dieser Welt wie auch
im Jenseits erlangen werden. Es gibt
viele Verse im Heiligen Qur’an, die
die harmonische Koexistenz von
Muslimen und den Anhängern anderer Glaubensrichtungen betonen.
Obwohl der Begriff „Einheit“ nicht
direkt gebraucht wurde, wird diese
Bedeutung dennoch mit anderen
Begriffen zum Ausdruck gebracht,
wie die nachfolgenden Beispiele
belegen.
„…und gedenket der Gnade Gottes
gegen euch, da ihr Feinde waret, und
Er eure Herzen so zusammenschloss,
dass ihr durch Seine Gnade Gefährten wurdet…“ (3:103).
Die göttliche Methode besteht darin,
dass einerseits Gott Seine Diener
aufruft, den Weg der ewigen Glückseligkeit, des Wissens und des Handelns zu beschreiten und gleichzeitig
vor Unwissenheit, Naivität, blinder
Nachahmung, spalterischem Verhalten und Feindschaft warnt. In der
vorislamischen Zeit war aufgrund
eines übersteigerten Stammesdenkens und -bewusstseins Feindschaft
zwischen den Arabern sehr verbreitet. Mit dem Entstehen des Islam
sollte diese Erscheinung in Vergessenheit geraten. Der Islam betonte
den Zweck der Erschaffung des
Menschen und die Notwendigkeit für
ihn, die Nähe zu Seinem Schöpfer zu
suchen. Der Islam beschreibt das
irdische Leben nur als ein Mittel zu
einem besseren himmlischen Leben.
Er fordert die Menschen nachdrücklich auf, harmonisch als Geschwister
und
gleichwertige
Menschen
miteinander zu leben: „Und haltet
allesamt fest am Seile Gottes, und
spaltet euch nicht auf…“ (3:103).
Der Prophet des Islam (s.a.s.) hat
gesagt: „Der Islam ist ein Band, und
eines seiner Enden liegt in Gottes
Händen und das andere in den euren;
haltet fest daran, so dass ihr niemals
in die Irre geht, und auch andere
nicht irre leitet.“ In anderen Überlieferungen wurde erwähnt, dass dieses
göttliche Band oder Seil eben das
Buch Gottes ist, das vom Himmel auf
die Erde gekommen ist. Es wurde
vom Propheten weiter überliefert,
und wischt die Einheit zwischen
ihnen weg.
Vers 213 der Sure al-Baqara sieht
Meinungsverschiedenheiten als die
schlimmste Art von Unterdrückung
an, die Menschen trennt. Deshalb ist
Und haltet allesamt fest am Seile Gottes, und spaltet euch nicht auf…“
(Sure Àl-þImrÁn, Vers 103)
dass dieses göttliche Band seine
Nachkommenschaft ist, der die Menschen nachfolgen sollen.
Wir schließen aus den beiden Begriffen „allesamt“ und „spaltet euch
nicht“, dass auf die gleiche Weise
wie die qur’Ánischen Verse den Menschen anweisen, sich am göttlichen
Buch und den Aussagen des Propheten festzuhalten, dies auch auf die
gesamte islamische Gemeinschaft
zutrifft.
„Und seid nicht wie jene, die gespalten und uneins sind, nachdem die
deutlichen Zeichen zu ihnen kamen;
und jene erwartet eine schmerzliche
Strafe.“ (3:105).
Die Bedeutung von „uneins sein“ in
diesem Vers ist „getrennt sein“, was
den Glauben anbelangt. Davor wurde
bereits der Begriff „gespalten“ gebraucht, was wiederum die Grundlage dafür ist, dass daraus Getrenntheit
resultiert. Tatsache ist, dass je mehr
die Menschen in einer Gesellschaft
einander näher kommen und freundliche Beziehungen haben, desto näher kommen sich ihre Überzeugungen. Wenn sie jedoch getrennt und
isoliert voneinander bleiben, dann
führte diese weite Kluft zwischen
ihnen zu Meinungsverschiedenheiten
der beste Weg, Meinungsverschiedenheiten zu vermeiden und Einheit
zwischen Muslimen zu fördern, dass
sie an den klaren Beweisen festhalten
und darauf vertrauen. „Die Menschen waren eine einzige Gemeinschaft. Dann entsandte Gott die Propheten als Bringer froher Botschaft
und als Warner. Und Er offenbarte
ihnen das Buch mit der Wahrheit, um
zwischen den Menschen zu richten
über das, worüber sie uneins waren.
Uneins aber waren nur jene, denen
es gegeben wurde, nachdem klare
Beweise zu ihnen gekommen waren,
aus Missgunst untereinander. Doch
Gott leitet mit Seiner Erlaubnis diejenigen, die gläubig sind, zur Wahrheit, über die sie uneins waren. Und
Gott leitet, wen Er will, auf einen
geraden Weg.“ (2:213).
„Die Gläubigen sind ja Gefährten…“ (49:10).
„Und gehorcht Gott und Seinem
Gesandten und hadert nicht miteinander, damit ihr nicht verzagt…“
(8:46).
Grundloses Streiten, Argumentieren
und Zanken in einer Atmosphäre der
Unwissenheit bringt keine anderen
Ergebnisse als Trennung, Spaltung,
Engstirnigkeit und Groll. Der heilige
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Qur’an sieht jede Debatte, die zu
Trennung führt, als ungebührlich an,
und die Debatte, die zu Einheit führt,
als nützlich und angebracht.
„Diese eure Gemeinschaft ist eine
einheitliche Gemeinschaft; und Ich
bin euer Herr, darum dient Mir.“
(21:92).
„Mit jenen aber, die zur Spaltung
ihrer Religion beitrugen und zu Parteien geworden sind, hast du nichts
Gemeinsames. Ihre Angelegenheit
wird sicherlich von Allah beurteilt
werden; dann wird er ihnen verkünden, was sie getan haben.“ (6:159).
Eine Gemeinschaft ist eine Gesellschaft oder eine Gruppe, die mit
einem Schicksal oder Ziel verbunden
ist. Der Vers umfasst die gesamte
Menschheit in allen Zeitaltern und
Generationen, die an einen Gott
glauben und ein Endschicksal, das
Jenseits. Andere Verse des heiligen
Qur’an wie z. B. 3:152, 4:71, 9:36;
21:92, 23:52 und 30:31 betonen ebenfalls die Notwendigkeit, die Einheit und Solidarität zwischen den
Menschen zu stärken. In all diesen
Versen ist die Absicht jedoch, die
Menschen zu ermahnen, die Wahrheit nicht zu übersehen und zu bedecken. Abgesehen davon, dass er die
Einheit zwischen den Muslimen
betont, weist der Qur’an sie ebenfalls
an, die Einheit mit den Anhängern
aller anderen Religionen zu fördern.
„Sprich: ‚O Volk der Schrift, kommt
herbei zu einem gleichen Wort zwischen uns und euch, dass wir nämlich Gott allein dienen und nichts
neben Ihn stellen und dass nicht die
einen von uns die anderen zu Herren
nehmen außer Gott.’…“ (3:64). Der
Vers verweist auf den gemeinsamen
Glauben der Muslime und Leute der
Schrift an die Einheit Gottes und
stellt fest, dass dieser Glaube auch
eine Einheit der verschiedenen Religionen bewirken kann.
2. Prophetentum des Heiligen Propheten (s.a.s.)
Das Prophetentum des heiligen Propheten (s.a.s.), den Gott als Barmherzigkeit für alle Menschen bezeichnet
hat, ist ein weiterer Punkt der Einheit
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von Schiiten und Sunniten. Prophet
Muhammad steht nicht nur für Frieden und Freundschaft zwischen Muslimen und anderen Völkern, sondern
für den Zeitraum von 23 Jahren war
er zudem die wahre Manifestation
des Bemühens um Brüderlichkeit und
Gleichheit und des Kampfes gegen
jede Form von rassischer Diskriminierung und Ungleichheit. Er ist die
eindeutige Manifestation des Verses
„…Ist nun Der, Der zur Wahrheit
leitet, nicht der Gefolgschaft würdiger als der, der den Weg nicht zu
finden vermag, es sei denn, er wird
selbst geleitet?...“ (10:35).
In der Frühzeit seines Prophetentums
hat der Prophet viele Briefe an Könige und Herrscher seiner Zeit geschrieben und ihnen die Ähnlichkeiten zwischen den Muslimen und den
Menschen ihrer jeweiligen Länder
erläutert. Nachdem er von Freundschaft und Einheit gesprochen hatte,
erläuterte er die Wahrhaftigkeit des
Islam. Er hat auch die Atmosphäre
des Unterzeichnens von Freundschaftsverträgen gestärkt und damit
das hässliche Gesicht von Zwietracht
und Auseinandersetzungen zwischen
Menschen zerstört.
3. Wissenschaftlicher Gedankenaustausch als Grundlage für Einheit
Die Verantwortung von muslimischen Gelehrten ist angesichts von
Menschen, die die Muslime mit ihren
unterschiedlichen Richtungen und
Gruppierungen unter dem Banner der
Einheit Gottes und des Prophetentums nicht harmonisch miteinander
leben sehen wollen, ungleich größer.
Ein Blick der jeweiligen Anhänger
der verschiedenen Schulen auf die
Punkte, die ihnen gemeinsam sind,
verbessert die Kooperation zwischen
den Gruppen um der Koexistenz in
der internationalen Gemeinschaft
willen. Darüber hinaus trägt das genaue wissenschaftliche Untersuchen
der unterschiedlichen Punkte, die auf
den zwei wichtigen Rechtsquellen
der Muslime basieren, dem Qur’an
und der Sunna des Propheten, zur
Ernsthaftigkeit in den anhaltenden
Bemühungen in der wissenschaftli-
chen Forschung bei. Diese Tatsache
unterstützt auch, dass die Muslime
die Wahrheit finden und lernen, mit
den Ansichten anderer umzugehen.
Diese beiden wichtigen Aspekte in
Betracht ziehend, sollten wir die
muslimische Gemeinschaft und die
Menschen insgesamt darauf vorbereiten, die Einheit auf die Erreichung
der gemeinsamen Ziele zu richten,
wie z. B. die Einheit beim Begegnen
von Gegnern, dem Bekämpfen spalterischer Tendenzen, dem Fördern
von wissenschaftlicher, industrieller
und kultureller Entwicklung wie auch
der Gleichheit und Brüderlichkeit.
Andererseits sollten Gelehrte und
Denker der verschiedenen Denkschulen den Bereich der wissenschaftlichen und akademischen Debatten im
Schatten der Einheit und einer ruhigen Atmosphäre ausdehnen. Der
Grund dafür ist, dass eine solche
Umgebung in der Vergangenheit
ermutigende und unerwartete Erfolge
gebracht hat und noch immer bringt.
Es war z. B. diese Umgebung, die
den Gelehrten und Rektor der alAzhar Universität, Scheich Mahmud
Schaltut, beeinflusst hat und ihn sich
mit dem schiitischen Glauben beschäftigen ließ, was ihn letztlich dazu
ermutigt hat, sein berühmtes Rechtsgutachten zu erstellen, demzufolge
die ºaþfaritische Rechtsschule eine
Schule ist, deren Befolgen ebenso
rechtmäßig ist wie hinsichtlich jeder
sunnitischen Rechtsschule. Zweifellos basierte dieses Gutachten auf
Forschung und einer vom Gedanken
der Einheit geprägten Atmosphäre,
und folglich haben auch viele andere
Wissenschaftler und Gelehrte diese
Meinung unterstützt. Sie alle beklagten, dass die gegenwärtigen Probleme der islamischen Welt ein Ergebnis der Zwietracht der Muslime seien
und waren davon überzeugt, dass die
Verwirklichung dieser Fatwa einen
Beitrag zur Beilegung dieser Probleme leisten und die Zusammenarbeit
und den Fortschritt der Muslime
fördern könne.
* Hassan Reza Rezai ist islamischer
Theologe und Mitglied des Weltforums für die Annäherung der islamischen Denkschulen.
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