UPDATE: PERSONALISIERTE THERAPIE GYNÄKOLOGISCHER TUMOREN 41 CME Personalisierte Therapie gynäkologischer Tumoren Eugen Ruckhäberle, Carola Melcher , Carsten Hagenbeck , Tanja M. Fehm, Frauenklinik, Universitätsfrauenklinik Düsseldorf Maligne gynäkologische Tumoren stellen mit einem prozentualen Anteil von etwa 42 % den zahlenmäßig höchsten Anteil an Krebsneuerkrankungen der Frau dar. In der Inzidenz führt das Mammakarzinom, gefolgt vom Endometrium-, Ovarial-, Zervix- und Vulvakarzinom. Gleichzeitig hat vor allem das Mamma- und Ovarialkarzinom einen entscheidenden Einfluss auf die Krebssterblichkeit der Frau (1). In den vergangenen Jahrzehnten haben sowohl in der Diagnostik und Therapie, zum Teil aber auch in der Prävention und Nachsorge ganz erhebliche Verbesserungen Einzug gehalten und dazu geführt, dass gerade bei gynäkologischen Malignomen eine prognostische Verbesserung für Patienten nachweisbar geworden ist. Ziel aller Bemühungen in der Behandlung gynäkologischer Tumoren ist die Sicherung einer möglichst guten Prognose und Lebensverlängerung unter Erhaltung der Lebensqualität vor allem auch in der metastasierten Situation. Um dem gerecht zu werden, verfolgt man heute personalisierte oder auch maßgeschneiderte Therapiekonzepte. Dahinter verbirgt sich die Individualisierung der Behandlung unter Zuhilfenahme verschiedener prognostischer (Alter, Allgemeinzustand, Vorerkrankungen, Tumortyp- und –ausdehnung) und prädiktiver (Rezeptorstatus, Proliferationsrate) Variablen. Im Nachfolgenden soll ein Überblick über die personalisierte Therapie bei gynäkologischen Malignomen am Bespiel des Mammaund Ovarialkarzinoms gegeben werden. Das Mammakarzinom ist national und international das häufigste Malignom der Frau mit einer weltweit steigenden Inzidenz von aktuell 1,3 Millionen Neuerkrankungen pro Jahr (2). Erfreulicherweise konnte die Mortalität von Brustkrebs aufgrund verbesserter Früherkennung, vor allem aber aufgrund der verbesserten Therapien Sebastian Kaulitzki – Fotolia Mammakarzinom 05/2015 ONKOLOGIE heute 42 UPDATE: PERSONALISIERTE THERAPIE GYNÄKOLOGISCHER TUMOREN CME in den vergangenen zehn Jahren gesenkt werden (1). Trotzdem versterben heute immer noch 5–20 % aller Brustkrebspatienten innerhalb von 10 Jahren (1). Heterogenität erfordert personalisierte Therapie Die Notwendigkeit der personalisierten Therapie beim Mammakarzinom ergibt sich vor allem aus der intratumoralen Heterogenität dieser Tumorentität. Daneben besteht zwischen Primärtumor und Rezidiv bzw. Metastase eine teilweise erhebliche Diskordanz im Rezeptorstatus (Östrogenrezeptorstatus bis 16 % und HER2 bis 10 %), die bislang nicht eindeutig tumorbiologisch geklärt ist. Um eine individuelle Therapieplanung der adjuvanten Therapie zu gewährleisten, bedient man sich bestimmter prognostischer und prädiktiver Faktoren. Die klassischen Prognosefaktoren Nodalstatus, Tumorgröße, Patientenalter, histologischer Typ, Grading, ER- und HER2-Status spielen bis heute eine zentrale Rolle in der adjuvanten Therapie von Mammakarzinompatientinnen. Seit der Sankt Gallen Konferenz 2011 ist die Bestimmung von Ki67 als Proliferationsmarker des Tumors nach Jahren der Nichtbeachtung wieder in den wissenschaftlichen und klinischen Fokus gerückt. Zwei weitere vor allem in Deutschland intensiv beforschte und klinisch eingesetzte Marker sind uPA und PAI1. Entsprechend den aktuellen AGO-Mamma-Empfehlungen, können diese beiden prognostischen Marker in bestimmten Fällen auch bei der Entscheidung für oder gegen eine (neo-)adjuvante Chemotherapie, also als prädiktive Marker herangezogen werden. Weitere prognostischer Marker, die in den letzten Jahren in den wissenschaftlichen Fokus gelan- ONKOLOGIE heute 05/2015 gen, sind die zirkulierenden und disseminierten Tumorzellen. Zirkulierende Tumorzellen In zahlreichen Untersuchungen in der adjuvanten und metastasierten Situation konnte eine Prognoseverschlechterung bei Nachweis von Tumorzellen im peripheren Blut oder Knochenmark gezeigt werden. Aktuelle Studien sowohl in der Adjuvanz als auch in der metastasierten Situation konzentrieren sich jetzt auf eine therapeutische Beeinflussung der Patienten mit Nachweis solcher Tumorzellen im Blut oder Knochenmark mittels zielgerichteter Therapie oder Chemotherapie (DETECT III und IV, TREAT CTC). Tumorinfiltrierende Lymphozyten Als neuer prognostischer und auch prädiktiver Marker in der neoadjuvanten Therapiesituation gelten die tumorinfiltrierenden Lymphozyten (TIL). Für diese konnte eine Wertigkeit im Ansprechen einer platinhaltigen Therapie und ein Her2 – zielgerichteten Therapie nachgewiesen werden. Unklar ist bislang noch nicht die praktische Umsetzung, da ähnlich dem Ki67 auch für die TIL noch keine klare Standardisierung in der pathomorphologischen Bestimmung vorliegt. Multigen-Marker-Sets Neben den eben erwähnten Einzelmarkern gewinnen heute Multigen-Marker-Sets oder Scores zunehmend an Interesse, welche theoretisch bessere Vorhersagemöglichkeiten zur Prognose und dem Ansprechen auf eine Therapie ermöglichen. Nach dem zuerst auf dem Markt verfügbaren und bislang am intensivsten untersuchten Oncotype DX folgten und folgen heute neue Tests, wie Mammaprint, Prosigna, Endopre- dict, IHC4, MapQuant Dx(TM) Genomic Grade, Mammostrat und der DCIS Score, die intensiv beforscht werden. Allerdings liegen bisher zu keinem der genannten Tests finale prospektiv randomisierte Studiendaten vor, sondern nur mehr oder weniger umfangreiche retrospektive oder prospektiv-retrospektive Untersuchungen. Aufgrund der prognostischen Wertigkeit, die in den bisherigen Untersuchungen nachgewiesen werden konnte, sind in den aktuellen Empfehlungen der AGO Mamma die Tests Oncotype Dx, Prosigna und Endopredict für das hormonrezeptorpositive Her2negative nodalnegative und nodalpositive (1-3 Lymphknoten ) primäre Mammakarzinom mit einem einfachen Plus als prognostische Marker empfohlen worden, während die 70-Gen-Signatur Mammaprint mit einem einfachen Plus sowohl für hormonrezeptorpositive- als auch negative Patienten empfohlen wird (siehe Tabelle 1). Welche abschließende prädiktive Bedeutung diese Multigen-Assays in der breiten klinischen Routine erlangen werden, soll in zum Teil abgeschlossenen (e.g. PlanB-Studie, TailorX, Mindact) und laufenden deutschen Studien (ADAPTStudie) untersucht werden. Neue Klassifikationskriterien Nach Jahrzehnten der Einteilung des Mammakarzinoms über histologischen Typ und Rezeptorstatus ist in den vergangenen Jahren ein neues Klassifikationsprinzip entwickelt und wissenschaftlich untersucht worden, das sich an tumorbiologischen Eigenschaften des Tumors orientiert. Die ursprüngliche Einteilung diese Gruppen erfolgte mittels Genexpressionsanalyse. Seit dem Sankt Gallen Meeting 2011 und auch 2013 hat man sich darauf geeinigt, jene UPDATE: PERSONALISIERTE THERAPIE GYNÄKOLOGISCHER TUMOREN 43 CME Mammakarzinomtypen in der klinischen Routine mit Hilfe der etablierten pathomorphologischen Variablen Östrogen- und Her2-Rezeptorstatus, Grading und Ki67Status zu klassifizieren (3). Es haben sich vier Gruppen (Luminal-A und -B, HER2-Typ, Basal-like Typ) weitestgehend wissenschaftlich und zum Teil auch schon klinisch etabliert (siehe Tabelle 2, nächste Seite). Aus der Zuordnung eines Karzinoms in die genannten Gruppen ergibt sich gleichzeitig auch die Entscheidung für oder gegen eine adjuvante Systemtherapie. So benötigen Patientinnen mit einem prognostisch günstigen Luminal A-Karzinom nur eine endokrine Therapie, während Luminal B Karzinome zusätzlich Chemotherapie erhalten sollten (3). Neoadjuvante Therapie gewinnt an Bedeutung Dem Grundsatz einer personalisierten Therapie folgend, gewinnt im Bereich des primären Mammakarzinoms die neoadjuvante Therapie zunehmend an Bedeutung. Neben dem Vorteil der in vivo Ansprechkontrolle am Tumor unter neoadjuvanter Therapie gelingt es in der Vielzahl der Fälle, brusterhaltend zu operieren und innerhalb kurzer Zeiträume neue Diagnostikformen (Spektroskopie bzw. PET CT) und Substanzen zu überprüfen und daraus folgend den Patienten zukommen zu lassen (6). Patientinnen, die eine pathologische Komplettremission aufweisen, haben einen signifikanten Überlebensvorteil. Als Standardchemotherapie wird die 6-9 Zyklen umfassende Chemotherapie aus Anthrazyklinen und Taxanen empfohlen. Eine weitere Verbesserung der Ansprechraten läßt sich bei den triplnenegativen Karzinomen mit BRCA Keimbahnmutation oder familiärer Belastung durch die Hinzunahme von 21 gene Recurrence score (Oncotype DX) 8 gene sig-nature (Endopredict) 70 gene sig-nature (Mamma Print) PAM 50 (Prosigna) Assay Typ 21 Gen-Assay 8 Gen-Assay 70 Gen-Assay 50 Gen-Assay Gewebe FFPE FFPE Fresh Frozen o. FFPE FFPE Klinische Validierung Ja Ja Ja Ja Zentrallabor Ja Nein Ja Nein Indikation und Population Prognostisch, N0-1 , ER + Prognostisch, N0, ER + Prognostisch, N0-1; ER + und - Prognostisch, N0-1, ER+ Prospektivretrospektive Evaluation NSABP B-14 NSABP B-20 ECOG 9127 SWOG 8814 ATAC ABCSG 6 ABCSG 8 MulticenterValidierung MA.12 MA.5 ABCSG 8 ATAC Prospektive Studie TAILORX (N0, abgeschl.) RxPONDER (N1,abgeschl.), Plan B (erste Auswertung erfolgt) In Deutschland geplant MINDACT (abgeschl.) (abgeschl.) AGOEmpfehlung PrognostischHR +, Her2N0-1 + Prognostisch HR +, Her2N0-1 + Prognostisch N0-1 + Prognostisch HR +, Her2N0-1 + Tab. 1: Übersicht über die vier wichtigsten in Deutschland angewendeten Multi-GenExpressionstests zur Prognose beim Mammakarzinom (angelehnt an die AGO Mamma Therapieempfehlungen) Platinsalzen zu den oben erwähnten Schemata erreichen, während bei den Her2 positiven Patienten zusätzlich zum Taxan Trastuzumab und im Rahmen von Studien auch Pertuzumab zum Einsatz kommen sollte. Metastasiertes Karzinom Lebensqualität im Fokus Im Gegensatz zum primären Brustkrebs zählt beim metastasierten Mammakarzinom neben dem Erreichen einer möglichst vollständigen Metastasenregression und einer Lebensverlängerung der Erhalt der Lebensqualität zu den zentralen Therapiezielen. Trotz immer verbesserter Therapien liegt die mittlere Überlebenszeit nach Diagnose einer metastasierten Erkrankung bei 2-3 Jahren (7). Vor diesem Hintergrund existieren im Rahmen der individualisierten Therapieplanung krankheitsassoziierte und Patienten-assoziierte Faktoren. Zu den erstgenannten zählen neben der Tumorbiologie der Metastasen, dem Metastasenmuster und der –zahl, vor allem das erkrankungsfreie Intervall zwischen Primärerkrankung und Metastasendiagnose, das Beschwerdebild und die vorausgegangenen Therapien. Zu den Patienten-orientierten Faktoren gehören der Allgemeinzustand und das Alter sowie der Menopausenstatus, die Vorerkrankungen und die Präferenzen des Patienten. Aufgrund der Tatsache eines Switch in der Tumorbiologie zwischen Primärerkrankung und Metastase (Östrogenrezeptor 12% 05/2015 ONKOLOGIE heute 44 UPDATE: PERSONALISIERTE THERAPIE GYNÄKOLOGISCHER TUMOREN CME Klassifikation intrinsischer Subtypen des Mammakarzinoms Luminal-A Luminal-B HER2-Typ Basal-like Östrogen-/ ER und/oder PR Progesteronpositiv Rezeptorstatus ER und/oder PR positiv ER/PR negativ ER/PR negativ Grading G1 G1 und G2 G3 G3 Ki-67 Niedrig Intermediär bis hoch Hoch Meist hoch HER2-Status Negativ Negativ Positiv Negativ Therapie endokrin Chemotherapie und endokrine Therapie Chemotherapie und Anti-Her2zielgerichtete Therapie Chemotherapie Tab. 2: Intrinsische Subtypen beim Mammakarzinom und daraus folgende therapeutische Implikationen und Her2 Rezeptor 6-10%) wird heute, wenn möglich, die erneute Gewebesicherung und –untersuchung als wichtiger diagnostischer Schritt empfohlen. Grundsätzlich sollte bei endokrin responsiblen Tumoren zunächst eine endokrine Therapie erfolgen (Ausnahme: akute bedrohliche Erkrankung). Hierunter sind in der First Line immerhin Ansprechraten von bis zu 60 % beschrieben. Bei Verdacht auf eine endokrine Resistenz kann zusätzlich der mTOR Hemmstoff Everolimus Einsatz finden. Falls eine Chemotherapie notwendig ist, stellt die Monochemotherapie die Standardoption dar. Die wirksamsten Substanzen in der First line sind Taxane und Anthrazykline. Im Anschluss daran haben Capecitabin, Eribulin und Vinorelbin gute Ansprechraten gezeigt. Kombinationschemotherapien finden in aller Regel nur dann Anwendung, wenn ein rasches Therapieansprechen notwendig wird (z.B. massiver Pleuraerguss oder hepatischer Befall mit Ikterus und drohendem Leberversagen). Als Alternative zu einer Kombinationschemotherapie bei hohem Remissionsdruck in der Her2 negativen metastasierten Situation kann die Kombination aus einem Taxan ONKOLOGIE heute 05/2015 und Bevacizumab gelten. Im Falle des Nachweises einer BRCA-Keimbahnmutation belegen neue Daten einen prognostischen und Ansprechvorteil einer First-Line Therapie mit Carboplatin im Falle der triplenegativen metastasierten Patientin. Bei der Her2 -positiven metastasierten Erkrankung (ca. 20%) sind in den letzten Jahren die signifikantesten Verbesserungen zu beobachten (8). Hier kommt den beiden zugelassenen Antikörpern Trastuzumab und Pertuzumab, aber auch dem Tyrosinkinase-Inhibitor Lapatinib sowie dem Hybridblocker T-DM1 eine zentrale Bedeutung zu (9). So wurden beispielsweise bei Konzepten mit dualen Blockaden wie Trastuzumab und Pertuzumab signifikante Verlängerungen des progressfreien aber auch des Gesamtlebens erzielt. Allgemein lässt sich feststellen, dass das Konzept der individualisierten Therapie bei metastasierten Patienten schon deutlich umfassender eingesetzt und umgesetzt wird. Das Ovarialkarzinom Das lebenslange Risiko, an einem Ovarialkarzinom zu erkranken, liegt bei 1,6 %. Über alle Erkrankungsstadien verteilt, hat das Ova- rialkarzinom eine Heilungsrate von weniger als 40 % (10). Auf klinischer, zellulärer und molekularer Ebene lassen sich Ovarialkarzinome in zwei Hauptgruppen einteilen (11-12). Die Einteilung basiert auf dem histologischen Grading und dem molekularen Phäno- und Genotyp der Tumore. Typ I Karzinome haben einen gut differenzierten serösen, muzinösen, endometrioiden oder klarzelligen histologischen Grundtyp. Sie werden häufig bereits in einem frühen Krankheitsstadium diagnostiziert (Stadium I oder II), wachsen langsam und zeigen sich relativ resistent gegenüber einer Chemotherapie. Das Ansprechen auf eine hormonelle Therapie ist hingegen möglich. Typ II-Tumore treten häufiger auf Die häufiger vorkommenden Typ II Tumore weisen eine undifferenzierte Histologie auf und werden erst in einem fortgeschrittenen Krankheitsstadium festgestellt (Stadium III-IV). Sie zeichnen sich durch ein schnelles und aggressives Wachstumsmuster aus und sind chemosensibel. Die Einteilung in diese zwei Subtypen des Ovarialkarzinoms bildet die Grundlage, die Heterogenität dieser Erkrankung zu erfassen und daraus eine personalisierte Therapie folgen zu lassen. Auf molekularer Ebene zeigen Typ I Ovarialkarzinome meist einen normalen Karyotyp jedoch häufige Mutationen im B-RAF (2-35%) und KRAS Gen (19-54%) (13). Typ II Ovarialkarzinome hingegen zeichnen sich durch eine ausgeprägte genomische Instabilität aus. Hier finden sich in mehr als 40% Veränderungen im PI3K-Signalweg und in 96% der Patientinnen p53-Mutationen (14). Die 5-Jahres-Überlebensrate hat sich in den letzten 30 Jahren von UPDATE: PERSONALISIERTE THERAPIE GYNÄKOLOGISCHER TUMOREN 45 CME 37 auf 45% verbessert. Die Steigerung ist vor allem auf die zunehmende Durchführung einer radikalen chirurgischen Entfernung und den Einsatz von Kombinationschemotherapien mit Platinsalzen und Taxanen zurückzuführen. Resektion der ersten Wahl beim Ovarialkarzinom Das Ovarialkarzinom ist eines der wenigen Malignome, bei denen die Tumorentfernung selbst dann Mittel der ersten Wahl ist, wenn ein makroskopischer Tumorrest verbleiben wird. Eine optimale Tumorentfernung vor Beginn der Chemotherapie definiert sich über eine makroskopische R0-Resektion. Die Standardchemotherapie besteht derzeit aus 6 Zyklen Carboplatin und Paclitaxel. Auch wenn in den aktuellen Empfehlungen der AGO Ovar die Sequenz aus operativer Sanierung gefolgt von adjuvanter Chemotherapie klar empfohlen wird, erscheint in Einzelfällen auch die neoadjuvante Chemotherapie gefolgt von zytoreduktiver Chemotherapie als mit der Patientin zu diskutierende Alternative. Zulassung von VEGF-Antikörper Seit seiner Zulassung im Dezember 2011 in Deutschland steht außerdem der VEGF-Antikörper Bevacizumab in Kombination mit Carboplatin und Paclitaxel und als Erhaltungstherapie für insgesamt 15 Monate bei Patientinnen mit primärem Ovarialkarzinom in den FIGO Stadien IIIB, IIIC und IV zur Verfügung. Zwei große Studien (GOG-218 und AGO-OVAR 11/ICON 7) hatten in der First-Line Therapie eine signifikante Verbesserung des progressionsfreien Überlebens bei dem genannten Patientenkollektiv zeigen können (15-16). Ähnlich vielversprechende Ergebnisse der OCEANS und der AURELIA Studie für das platinsensible und platinresistente Rezidiv haben zur Zulassungserweiterung von Bevacizumab in der Rezidivsituation geführt. Insgesamt verdichten sich die wissenschaftlichen Hinweise, dass eine LangzeitErhaltungstherapie vor allem in der First-Line einen Schlüssel zur Verbesserung der Prognose bei der Therapie des Ovarialkarzinoms darstellt. Dafür sprechen neben den genannten Daten zu Bevacizumab auch Ergebnisse einer Studie mit Pazopanib, einem Multityrosinkinaseinhibitor gegen VEGF, PDGF, cKIT, die auf dem ASCO 2013 vorgestellt wurden (17). Studien mit zielgerichteten Therapien Für ein weiteres Patientenkollektiv, die Patienten mit Platinsensiblen Ovarialkarzinom und einer nachgewiesenen BRCA Mutation im Tumor oder in der Keimbahn, konnte ein signifikanter prognostischer Vorteil durch die Langzeittherapie mit dem PARP Inhibitor Olaparib gezeigt werden und hat zur Zulassung dieses Medikaments in der oben genannten Indikation seit März 2015 geführt. Ähnlich wie beim Mammakarzinom konzentrieren sich die aktuellen Therapiestudien nicht mehr an einer neuen oder zusätzlichen Chemotherapie, sondern es kommen immer stärker zielgerichtete Therapien zum Einsatz. In einer multizentrischen Phase III Studie wurde ein weiterer Angiogeneseinhibitor, Trebananib (AMG 386), ein Peptibody gegen den Angiopoetin-Tie2 Rezeptor im Rahmen der First Line Therapie in Kombination mit Carboplatin und Paclitaxel getestet. Außerdem wurde im Rahmen der AGO Ovar 2.20 Studie bei HER3 niedrig exprimierenden, rezidivierenden Platin-resistenten Ovarialkarzinomen der Einsatz von Pertu- zumab, einen monoklonalen Antikörper gegen die Dimerisierungsdomäne des Her2-Rezeptors untersucht. 70% Rückfallquote bei fortgeschrittenem Ovarial-Ca Derzeit wird im Rahmen der SOLO 1 und 2 Studien die Wertigkeit von Olaparib in der Primärtherapie und der platinsensiblen Situation mit mindestens 2 Platinvortherapien getestet. Über 70% der Patientinnen mit fortgeschrittenem Ovarialkarzinom werden einen Rückfall erleiden und Kandidaten für eine Secondline-Chemotherapie werden. Sofern der Rückfall mehr als 6 Monate nach platin-haltiger Chemotherapie erfolgt, gilt die Erkrankung als „platin-sensibel“. In diesem Fall ist eine erneute Therapie mit Carboplatin in Kombination mit einem zweiten Chemotherapeutikum indiziert. Hierzu zählen Paclitaxel, Gemcitabin und liposomales Doxorubicin. In den meisten Fällen kommt wie oben bereits erwähnt auch der Angiogeneseinhibitor Bevacizumab zum Einsatz. Aktuell wird in der AGO Ovar 2.21 Studie untersucht, ob eine weitere Optimierung der Therapie in der platinsensiblen Rezidivsituation zu erreichen ist durch Kombination von Carboplatin und pegyliertem liposomalen Doxorubicin und Bevacizumab gegenüber dem aktuellen Standard Carboplatin und Gemcitabine und Bevacizumab. Bei platin-resistenter Erkrankung stehen liposomales Doxorubicin, Topotecan, Gemcitabine, Etoposid und wöchentliches Paclitaxel sowie zur Verfügung. Bei Patienten, bei denen eine ausgeprägte Symptomlast durch Ascites vorliegt und sonstige Standardtherapien nicht mehr verfügbar sind, hat sich heute der trifunktionale Antikörper Catumaxomab, der intraabdominell appliziert 05/2015 ONKOLOGIE heute 46 UPDATE: PERSONALISIERTE THERAPIE GYNÄKOLOGISCHER TUMOREN CME wird, als zusätzliche Therapieoption etabliert. Bis heute konnten bereits mehrere Onkogene des Ovarialkarzinoms identifiziert werden, für die bereits zielgerichtete Therapieformen existieren. Dennoch konnte die Wirksamkeit dieser Substanzen (mit der Ausnahme von Bevacizumab und Olaparib) in klinischen Studien bisher nicht gezeigt werden. Fazit Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Individualisierung der Therapien gerade im Bereich des Mammakarzinoms eine beispielhafte Entwicklung genommen hat. So stehen neben den klassischen Prognosefaktoren wie z.B. Nodal- , Östrogenrezeptorund HER2-Status nun neue Faktoren wie Ki 67, uPA/PAI1 sowie auch die Multigen-Marker-Scores zur Verfügung. Ziel der maßgeschneiderten Therapien ist es, die optimale Behandlung jeder Krebspatientin zu erzielen und diese sowohl vor Übertherapie als auch Untertherapie zu schützen. PD Dr. med. Eugen Ruckhäberle, Frauenklinik, Universitätsklinikum Düsseldorf Prof. Dr. med. Tanja Fehm, Frauenklinik, Universitätsklinikum Düsseldorf ONKOLOGIE heute 05/2015 Korrespondenzadresse: Prof. Dr. med. Tanja Fehm und PD Dr. Eugen Ruckhäberle, Frauenklinik, Universitätsklinikum Düsseldorf Dept. Gyn/OB, Moorenstrasse 5 40225 Düsseldorf [email protected] oder [email protected] Literatur: 1. Krebs in Deutschland 2007/2008. 8. Ausgabe. Robert Koch-Institut (Hrsg) und die Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland e.V. (Hrsg). Berlin, 2012 2. Cardoso F, Harbeck N, Fallowfield L, Kyriakides S, Senkus E (2012) Locally recurrent or metastatic breast cancer: ESMO Clinical Practice Guidelines for diagnosis, treatment and follow-up. Ann Oncol 23(suppl 7): vii11–vii19 3. Goldhirsch A, Winer EP, Coates AS, Gelber RD, Piccart-Gebhart M, Thürlimann B, Senn HJ; Panel members. Personalizing the treatment of women with early breast cancer: Ann Oncol. 2013 Sep;24(9):2206-23 4. 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