Personalisierte Therapie gynäkologischer Tumoren

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CME
Personalisierte Therapie gynäkologischer Tumoren
Eugen Ruckhäberle, Carola Melcher , Carsten Hagenbeck , Tanja M. Fehm, Frauenklinik,
Universitätsfrauenklinik Düsseldorf
Maligne gynäkologische Tumoren stellen mit einem prozentualen Anteil von etwa 42 % den zahlenmäßig höchsten Anteil an Krebsneuerkrankungen der Frau dar. In der Inzidenz führt das Mammakarzinom, gefolgt vom Endometrium-, Ovarial-, Zervix- und Vulvakarzinom. Gleichzeitig hat vor allem das
Mamma- und Ovarialkarzinom einen entscheidenden Einfluss auf die Krebssterblichkeit der Frau (1). In
den vergangenen Jahrzehnten haben sowohl in der Diagnostik und Therapie, zum Teil aber auch in der
Prävention und Nachsorge ganz erhebliche Verbesserungen Einzug gehalten und dazu geführt, dass
gerade bei gynäkologischen Malignomen eine prognostische Verbesserung für Patienten nachweisbar
geworden ist.
Ziel aller Bemühungen in der Behandlung gynäkologischer Tumoren ist die Sicherung einer möglichst guten Prognose und Lebensverlängerung unter Erhaltung der
Lebensqualität vor allem auch in
der metastasierten Situation. Um
dem gerecht zu werden, verfolgt
man heute personalisierte oder
auch maßgeschneiderte Therapiekonzepte. Dahinter verbirgt sich
die Individualisierung der Behandlung unter Zuhilfenahme verschiedener prognostischer (Alter, Allgemeinzustand, Vorerkrankungen, Tumortyp- und –ausdehnung) und prädiktiver (Rezeptorstatus, Proliferationsrate) Variablen.
Im Nachfolgenden soll ein Überblick über die personalisierte Therapie bei gynäkologischen Malignomen am Bespiel des Mammaund Ovarialkarzinoms gegeben
werden.
Das Mammakarzinom ist national
und international das häufigste
Malignom der Frau mit einer weltweit steigenden Inzidenz von aktuell 1,3 Millionen Neuerkrankungen pro Jahr (2). Erfreulicherweise
konnte die Mortalität von Brustkrebs aufgrund verbesserter Früherkennung, vor allem aber aufgrund der verbesserten Therapien
Sebastian Kaulitzki – Fotolia
Mammakarzinom
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in den vergangenen zehn Jahren
gesenkt werden (1). Trotzdem versterben heute immer noch 5–20 %
aller Brustkrebspatienten innerhalb von 10 Jahren (1).
Heterogenität erfordert
personalisierte Therapie
Die Notwendigkeit der personalisierten Therapie beim Mammakarzinom ergibt sich vor allem aus
der intratumoralen Heterogenität
dieser Tumorentität. Daneben besteht zwischen Primärtumor und
Rezidiv bzw. Metastase eine teilweise erhebliche Diskordanz im
Rezeptorstatus (Östrogenrezeptorstatus bis 16 % und HER2 bis
10 %), die bislang nicht eindeutig
tumorbiologisch geklärt ist.
Um eine individuelle Therapieplanung der adjuvanten Therapie zu
gewährleisten, bedient man sich
bestimmter prognostischer und
prädiktiver Faktoren. Die klassischen Prognosefaktoren Nodalstatus, Tumorgröße, Patientenalter, histologischer Typ, Grading,
ER- und HER2-Status spielen bis
heute eine zentrale Rolle in der
adjuvanten Therapie von Mammakarzinompatientinnen.
Seit der Sankt Gallen Konferenz
2011 ist die Bestimmung von Ki67
als Proliferationsmarker des Tumors nach Jahren der Nichtbeachtung wieder in den wissenschaftlichen und klinischen Fokus gerückt. Zwei weitere vor allem in
Deutschland intensiv beforschte
und klinisch eingesetzte Marker
sind uPA und PAI1. Entsprechend
den aktuellen AGO-Mamma-Empfehlungen, können diese beiden
prognostischen Marker in bestimmten Fällen auch bei der Entscheidung für oder gegen eine
(neo-)adjuvante Chemotherapie,
also als prädiktive Marker herangezogen werden.
Weitere prognostischer Marker,
die in den letzten Jahren in den
wissenschaftlichen Fokus gelan-
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gen, sind die zirkulierenden und
disseminierten Tumorzellen.
Zirkulierende Tumorzellen
In zahlreichen Untersuchungen in
der adjuvanten und metastasierten Situation konnte eine Prognoseverschlechterung bei Nachweis
von Tumorzellen im peripheren
Blut oder Knochenmark gezeigt
werden. Aktuelle Studien sowohl
in der Adjuvanz als auch in der metastasierten Situation konzentrieren sich jetzt auf eine therapeutische Beeinflussung der Patienten
mit Nachweis solcher Tumorzellen
im Blut oder Knochenmark mittels
zielgerichteter Therapie oder Chemotherapie (DETECT III und IV,
TREAT CTC).
Tumorinfiltrierende
Lymphozyten
Als neuer prognostischer und auch
prädiktiver Marker in der neoadjuvanten Therapiesituation gelten
die tumorinfiltrierenden Lymphozyten (TIL). Für diese konnte eine
Wertigkeit im Ansprechen einer
platinhaltigen Therapie und ein
Her2 – zielgerichteten Therapie
nachgewiesen werden. Unklar ist
bislang noch nicht die praktische
Umsetzung, da ähnlich dem Ki67
auch für die TIL noch keine klare
Standardisierung in der pathomorphologischen
Bestimmung
vorliegt.
Multigen-Marker-Sets
Neben den eben erwähnten Einzelmarkern gewinnen heute Multigen-Marker-Sets oder Scores zunehmend an Interesse, welche
theoretisch bessere Vorhersagemöglichkeiten zur Prognose und
dem Ansprechen auf eine Therapie ermöglichen. Nach dem zuerst
auf dem Markt verfügbaren und
bislang am intensivsten untersuchten Oncotype DX folgten und
folgen heute neue Tests, wie
Mammaprint, Prosigna, Endopre-
dict, IHC4, MapQuant Dx(TM) Genomic Grade, Mammostrat und
der DCIS Score, die intensiv beforscht werden. Allerdings liegen
bisher zu keinem der genannten
Tests finale prospektiv randomisierte Studiendaten vor, sondern
nur mehr oder weniger umfangreiche retrospektive oder prospektiv-retrospektive
Untersuchungen.
Aufgrund der prognostischen
Wertigkeit, die in den bisherigen
Untersuchungen nachgewiesen
werden konnte, sind in den aktuellen Empfehlungen der AGO
Mamma die Tests Oncotype Dx,
Prosigna und Endopredict für das
hormonrezeptorpositive Her2negative nodalnegative und nodalpositive (1-3 Lymphknoten ) primäre Mammakarzinom mit einem
einfachen Plus als prognostische
Marker empfohlen worden, während die 70-Gen-Signatur Mammaprint mit einem einfachen Plus
sowohl für hormonrezeptorpositive- als auch negative Patienten
empfohlen wird (siehe Tabelle 1).
Welche abschließende prädiktive
Bedeutung diese Multigen-Assays
in der breiten klinischen Routine
erlangen werden, soll in zum Teil
abgeschlossenen (e.g. PlanB-Studie, TailorX, Mindact) und laufenden deutschen Studien (ADAPTStudie) untersucht werden.
Neue Klassifikationskriterien
Nach Jahrzehnten der Einteilung
des Mammakarzinoms über histologischen Typ und Rezeptorstatus
ist in den vergangenen Jahren ein
neues Klassifikationsprinzip entwickelt und wissenschaftlich untersucht worden, das sich an tumorbiologischen Eigenschaften
des Tumors orientiert. Die ursprüngliche Einteilung diese Gruppen erfolgte mittels Genexpressionsanalyse. Seit dem Sankt Gallen
Meeting 2011 und auch 2013 hat
man sich darauf geeinigt, jene
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Mammakarzinomtypen in der klinischen Routine mit Hilfe der etablierten pathomorphologischen
Variablen Östrogen- und Her2-Rezeptorstatus, Grading und Ki67Status zu klassifizieren (3). Es haben sich vier Gruppen (Luminal-A
und -B, HER2-Typ, Basal-like Typ)
weitestgehend wissenschaftlich
und zum Teil auch schon klinisch
etabliert (siehe Tabelle 2, nächste
Seite). Aus der Zuordnung eines
Karzinoms in die genannten Gruppen ergibt sich gleichzeitig auch
die Entscheidung für oder gegen
eine adjuvante Systemtherapie. So
benötigen Patientinnen mit einem prognostisch günstigen Luminal A-Karzinom nur eine endokrine Therapie, während Luminal
B Karzinome zusätzlich Chemotherapie erhalten sollten (3).
Neoadjuvante Therapie
gewinnt an Bedeutung
Dem Grundsatz einer personalisierten Therapie folgend, gewinnt
im Bereich des primären Mammakarzinoms die neoadjuvante Therapie zunehmend an Bedeutung.
Neben dem Vorteil der in vivo Ansprechkontrolle am Tumor unter
neoadjuvanter Therapie gelingt es
in der Vielzahl der Fälle, brusterhaltend zu operieren und innerhalb kurzer Zeiträume neue Diagnostikformen
(Spektroskopie
bzw. PET CT) und Substanzen zu
überprüfen und daraus folgend
den Patienten zukommen zu lassen (6). Patientinnen, die eine pathologische
Komplettremission
aufweisen, haben einen signifikanten Überlebensvorteil. Als
Standardchemotherapie wird die
6-9 Zyklen umfassende Chemotherapie aus Anthrazyklinen und Taxanen empfohlen. Eine weitere
Verbesserung der Ansprechraten
läßt sich bei den triplnenegativen
Karzinomen mit BRCA Keimbahnmutation oder familiärer Belastung durch die Hinzunahme von
21 gene
Recurrence
score (Oncotype DX)
8 gene
sig-nature
(Endopredict)
70 gene
sig-nature
(Mamma
Print)
PAM 50
(Prosigna)
Assay Typ
21 Gen-Assay
8 Gen-Assay
70 Gen-Assay
50 Gen-Assay
Gewebe
FFPE
FFPE
Fresh Frozen
o. FFPE
FFPE
Klinische
Validierung
Ja
Ja
Ja
Ja
Zentrallabor
Ja
Nein
Ja
Nein
Indikation und
Population
Prognostisch,
N0-1 , ER +
Prognostisch,
N0, ER +
Prognostisch,
N0-1; ER +
und -
Prognostisch,
N0-1, ER+
Prospektivretrospektive
Evaluation
NSABP B-14
NSABP B-20
ECOG 9127
SWOG 8814
ATAC
ABCSG 6
ABCSG 8
MulticenterValidierung
MA.12
MA.5
ABCSG 8
ATAC
Prospektive
Studie
TAILORX
(N0, abgeschl.)
RxPONDER
(N1,abgeschl.),
Plan B (erste
Auswertung
erfolgt)
In Deutschland
geplant
MINDACT
(abgeschl.)
(abgeschl.)
AGOEmpfehlung
PrognostischHR +, Her2N0-1 +
Prognostisch
HR +, Her2N0-1 +
Prognostisch
N0-1 +
Prognostisch
HR +, Her2N0-1 +
Tab. 1: Übersicht über die vier wichtigsten in Deutschland angewendeten Multi-GenExpressionstests zur Prognose beim Mammakarzinom (angelehnt an die AGO Mamma Therapieempfehlungen)
Platinsalzen zu den oben erwähnten Schemata erreichen, während
bei den Her2 positiven Patienten
zusätzlich zum Taxan Trastuzumab und im Rahmen von Studien
auch Pertuzumab zum Einsatz
kommen sollte.
Metastasiertes Karzinom Lebensqualität im Fokus
Im Gegensatz zum primären Brustkrebs zählt beim metastasierten
Mammakarzinom neben dem Erreichen einer möglichst vollständigen Metastasenregression und einer Lebensverlängerung der Erhalt der Lebensqualität zu den
zentralen Therapiezielen. Trotz
immer verbesserter Therapien
liegt die mittlere Überlebenszeit
nach Diagnose einer metastasierten Erkrankung bei 2-3 Jahren (7).
Vor diesem Hintergrund existieren
im Rahmen der individualisierten
Therapieplanung krankheitsassoziierte und Patienten-assoziierte
Faktoren. Zu den erstgenannten
zählen neben der Tumorbiologie
der Metastasen, dem Metastasenmuster und der –zahl, vor allem
das erkrankungsfreie Intervall
zwischen Primärerkrankung und
Metastasendiagnose, das Beschwerdebild und die vorausgegangenen Therapien. Zu den Patienten-orientierten Faktoren gehören der Allgemeinzustand und
das Alter sowie der Menopausenstatus, die Vorerkrankungen und
die Präferenzen des Patienten.
Aufgrund der Tatsache eines
Switch in der Tumorbiologie zwischen Primärerkrankung und Metastase (Östrogenrezeptor 12%
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Klassifikation intrinsischer Subtypen des Mammakarzinoms
Luminal-A
Luminal-B
HER2-Typ
Basal-like
Östrogen-/
ER und/oder PR
Progesteronpositiv
Rezeptorstatus
ER und/oder PR
positiv
ER/PR negativ
ER/PR negativ
Grading
G1
G1 und G2
G3
G3
Ki-67
Niedrig
Intermediär bis
hoch
Hoch
Meist hoch
HER2-Status
Negativ
Negativ
Positiv
Negativ
Therapie
endokrin
Chemotherapie
und endokrine
Therapie
Chemotherapie
und Anti-Her2zielgerichtete
Therapie
Chemotherapie
Tab. 2: Intrinsische Subtypen beim Mammakarzinom und daraus folgende therapeutische Implikationen
und Her2 Rezeptor 6-10%) wird
heute, wenn möglich, die erneute
Gewebesicherung und –untersuchung als wichtiger diagnostischer
Schritt empfohlen. Grundsätzlich
sollte bei endokrin responsiblen
Tumoren zunächst eine endokrine
Therapie erfolgen (Ausnahme:
akute bedrohliche Erkrankung).
Hierunter sind in der First Line immerhin Ansprechraten von bis zu
60 % beschrieben. Bei Verdacht
auf eine endokrine Resistenz kann
zusätzlich der mTOR Hemmstoff
Everolimus Einsatz finden.
Falls eine Chemotherapie notwendig ist, stellt die Monochemotherapie die Standardoption dar. Die
wirksamsten Substanzen in der
First line sind Taxane und Anthrazykline. Im Anschluss daran haben
Capecitabin, Eribulin und Vinorelbin gute Ansprechraten gezeigt.
Kombinationschemotherapien
finden in aller Regel nur dann Anwendung, wenn ein rasches Therapieansprechen notwendig wird
(z.B. massiver Pleuraerguss oder
hepatischer Befall mit Ikterus und
drohendem Leberversagen). Als
Alternative zu einer Kombinationschemotherapie bei hohem Remissionsdruck in der Her2 negativen metastasierten Situation kann
die Kombination aus einem Taxan
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und Bevacizumab gelten. Im Falle
des Nachweises einer BRCA-Keimbahnmutation belegen neue Daten einen prognostischen und Ansprechvorteil einer First-Line Therapie mit Carboplatin im Falle der
triplenegativen
metastasierten
Patientin. Bei der Her2 -positiven
metastasierten Erkrankung (ca.
20%) sind in den letzten Jahren
die signifikantesten Verbesserungen zu beobachten (8). Hier
kommt den beiden zugelassenen
Antikörpern Trastuzumab und
Pertuzumab, aber auch dem Tyrosinkinase-Inhibitor Lapatinib sowie dem Hybridblocker T-DM1 eine zentrale Bedeutung zu (9). So
wurden beispielsweise bei Konzepten mit dualen Blockaden wie
Trastuzumab und Pertuzumab signifikante Verlängerungen des
progressfreien aber auch des Gesamtlebens erzielt. Allgemein lässt
sich feststellen, dass das Konzept
der individualisierten Therapie bei
metastasierten Patienten schon
deutlich umfassender eingesetzt
und umgesetzt wird.
Das Ovarialkarzinom
Das lebenslange Risiko, an einem
Ovarialkarzinom zu erkranken,
liegt bei 1,6 %. Über alle Erkrankungsstadien verteilt, hat das Ova-
rialkarzinom eine Heilungsrate
von weniger als 40 % (10).
Auf klinischer, zellulärer und molekularer Ebene lassen sich Ovarialkarzinome in zwei Hauptgruppen einteilen (11-12). Die Einteilung basiert auf dem histologischen Grading und dem molekularen Phäno- und Genotyp der Tumore. Typ I Karzinome haben einen gut differenzierten serösen,
muzinösen, endometrioiden oder
klarzelligen histologischen Grundtyp. Sie werden häufig bereits in
einem frühen Krankheitsstadium
diagnostiziert (Stadium I oder II),
wachsen langsam und zeigen sich
relativ resistent gegenüber einer
Chemotherapie. Das Ansprechen
auf eine hormonelle Therapie ist
hingegen möglich.
Typ II-Tumore
treten häufiger auf
Die häufiger vorkommenden Typ
II Tumore weisen eine undifferenzierte Histologie auf und werden
erst in einem fortgeschrittenen
Krankheitsstadium
festgestellt
(Stadium III-IV). Sie zeichnen sich
durch ein schnelles und aggressives Wachstumsmuster aus und
sind chemosensibel.
Die Einteilung in diese zwei Subtypen des Ovarialkarzinoms bildet
die Grundlage, die Heterogenität
dieser Erkrankung zu erfassen und
daraus eine personalisierte Therapie folgen zu lassen.
Auf molekularer Ebene zeigen Typ
I Ovarialkarzinome meist einen
normalen Karyotyp jedoch häufige Mutationen im B-RAF (2-35%)
und KRAS Gen (19-54%) (13). Typ II
Ovarialkarzinome
hingegen
zeichnen sich durch eine ausgeprägte genomische Instabilität
aus. Hier finden sich in mehr als
40% Veränderungen im PI3K-Signalweg und in 96% der Patientinnen p53-Mutationen (14).
Die 5-Jahres-Überlebensrate hat
sich in den letzten 30 Jahren von
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37 auf 45% verbessert. Die Steigerung ist vor allem auf die zunehmende Durchführung einer radikalen chirurgischen Entfernung
und den Einsatz von Kombinationschemotherapien mit Platinsalzen und Taxanen zurückzuführen.
Resektion der ersten Wahl
beim Ovarialkarzinom
Das Ovarialkarzinom ist eines der
wenigen Malignome, bei denen
die Tumorentfernung selbst dann
Mittel der ersten Wahl ist, wenn
ein makroskopischer Tumorrest
verbleiben wird. Eine optimale Tumorentfernung vor Beginn der
Chemotherapie definiert sich über
eine makroskopische R0-Resektion. Die Standardchemotherapie
besteht derzeit aus 6 Zyklen Carboplatin und Paclitaxel.
Auch wenn in den aktuellen Empfehlungen der AGO Ovar die Sequenz aus operativer Sanierung
gefolgt von adjuvanter Chemotherapie klar empfohlen wird, erscheint in Einzelfällen auch die neoadjuvante Chemotherapie gefolgt von zytoreduktiver Chemotherapie als mit der Patientin zu
diskutierende Alternative.
Zulassung von
VEGF-Antikörper
Seit seiner Zulassung im Dezember
2011 in Deutschland steht außerdem der VEGF-Antikörper Bevacizumab in Kombination mit Carboplatin und Paclitaxel und als Erhaltungstherapie für insgesamt 15
Monate bei Patientinnen mit primärem Ovarialkarzinom in den FIGO Stadien IIIB, IIIC und IV zur Verfügung. Zwei große Studien
(GOG-218
und
AGO-OVAR
11/ICON 7) hatten in der First-Line
Therapie eine signifikante Verbesserung des progressionsfreien
Überlebens bei dem genannten
Patientenkollektiv zeigen können
(15-16). Ähnlich vielversprechende Ergebnisse der OCEANS und
der AURELIA Studie für das platinsensible und platinresistente Rezidiv haben zur Zulassungserweiterung von Bevacizumab in der Rezidivsituation geführt. Insgesamt
verdichten sich die wissenschaftlichen Hinweise, dass eine LangzeitErhaltungstherapie vor allem in
der First-Line einen Schlüssel zur
Verbesserung der Prognose bei
der Therapie des Ovarialkarzinoms darstellt. Dafür sprechen neben den genannten Daten zu Bevacizumab auch Ergebnisse einer
Studie mit Pazopanib, einem Multityrosinkinaseinhibitor
gegen
VEGF, PDGF, cKIT, die auf dem ASCO 2013 vorgestellt wurden (17).
Studien mit
zielgerichteten Therapien
Für ein weiteres Patientenkollektiv, die Patienten mit Platinsensiblen Ovarialkarzinom und einer
nachgewiesenen BRCA Mutation
im Tumor oder in der Keimbahn,
konnte ein signifikanter prognostischer Vorteil durch die Langzeittherapie mit dem PARP Inhibitor
Olaparib gezeigt werden und hat
zur Zulassung dieses Medikaments
in der oben genannten Indikation
seit März 2015 geführt.
Ähnlich wie beim Mammakarzinom konzentrieren sich die aktuellen Therapiestudien nicht mehr
an einer neuen oder zusätzlichen
Chemotherapie, sondern es kommen immer stärker zielgerichtete
Therapien zum Einsatz.
In einer multizentrischen Phase III
Studie wurde ein weiterer Angiogeneseinhibitor,
Trebananib
(AMG 386), ein Peptibody gegen
den Angiopoetin-Tie2 Rezeptor
im Rahmen der First Line Therapie
in Kombination mit Carboplatin
und Paclitaxel getestet.
Außerdem wurde im Rahmen der
AGO Ovar 2.20 Studie bei HER3
niedrig exprimierenden, rezidivierenden Platin-resistenten Ovarialkarzinomen der Einsatz von Pertu-
zumab, einen monoklonalen Antikörper gegen die Dimerisierungsdomäne des Her2-Rezeptors untersucht.
70% Rückfallquote bei
fortgeschrittenem Ovarial-Ca
Derzeit wird im Rahmen der SOLO
1 und 2 Studien die Wertigkeit von
Olaparib in der Primärtherapie
und der platinsensiblen Situation
mit mindestens 2 Platinvortherapien getestet.
Über 70% der Patientinnen mit
fortgeschrittenem Ovarialkarzinom werden einen Rückfall erleiden und Kandidaten für eine Secondline-Chemotherapie werden.
Sofern der Rückfall mehr als 6 Monate nach platin-haltiger Chemotherapie erfolgt, gilt die Erkrankung als „platin-sensibel“. In diesem Fall ist eine erneute Therapie
mit Carboplatin in Kombination
mit einem zweiten Chemotherapeutikum indiziert. Hierzu zählen
Paclitaxel, Gemcitabin und liposomales Doxorubicin. In den meisten
Fällen kommt wie oben bereits erwähnt auch der Angiogeneseinhibitor Bevacizumab zum Einsatz.
Aktuell wird in der AGO Ovar 2.21
Studie untersucht, ob eine weitere
Optimierung der Therapie in der
platinsensiblen Rezidivsituation
zu erreichen ist durch Kombination von Carboplatin und pegyliertem liposomalen Doxorubicin und
Bevacizumab gegenüber dem aktuellen Standard Carboplatin und
Gemcitabine und Bevacizumab.
Bei platin-resistenter Erkrankung
stehen liposomales Doxorubicin,
Topotecan, Gemcitabine, Etoposid und wöchentliches Paclitaxel
sowie zur Verfügung.
Bei Patienten, bei denen eine ausgeprägte Symptomlast durch Ascites vorliegt und sonstige Standardtherapien nicht mehr verfügbar sind, hat sich heute der trifunktionale Antikörper Catumaxomab, der intraabdominell appliziert
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wird, als zusätzliche Therapieoption etabliert. Bis heute konnten bereits mehrere Onkogene des Ovarialkarzinoms identifiziert werden, für die bereits zielgerichtete
Therapieformen existieren. Dennoch konnte die Wirksamkeit dieser Substanzen (mit der Ausnahme
von Bevacizumab und Olaparib) in
klinischen Studien bisher nicht gezeigt werden.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Individualisierung
der Therapien gerade im Bereich
des Mammakarzinoms eine beispielhafte Entwicklung genommen hat. So stehen neben den
klassischen Prognosefaktoren wie
z.B. Nodal- , Östrogenrezeptorund HER2-Status nun neue Faktoren wie Ki 67, uPA/PAI1 sowie auch
die Multigen-Marker-Scores zur
Verfügung. Ziel der maßgeschneiderten Therapien ist es, die optimale Behandlung jeder Krebspatientin zu erzielen und diese sowohl
vor Übertherapie als auch Untertherapie zu schützen.
PD Dr. med.
Eugen Ruckhäberle,
Frauenklinik,
Universitätsklinikum Düsseldorf
Prof. Dr. med.
Tanja Fehm,
Frauenklinik,
Universitätsklinikum Düsseldorf
ONKOLOGIE heute
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Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. med. Tanja Fehm und
PD Dr. Eugen Ruckhäberle, Frauenklinik, Universitätsklinikum Düsseldorf
Dept. Gyn/OB, Moorenstrasse 5
40225 Düsseldorf
[email protected]
oder [email protected]
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