Kapitel 2 Teilchenphysik 35 Bei der Kathodenstrahlröhre wird ein Glasrohr mit Hilfe einer Vakuumpumpe (solche Pumpen wurden am Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt) evakuiert. Siehe Abb. 1. 2.1.1 Die Kathodenstrahlröhre Eine wichtige Rolle am Anfang der Teilchenphysik spielte die Kathodenstrahlröhre. Man kannte die atomaren Absorptions- und Emissionspektren der Atome, aber es gab nur empirische Regeln dafür. Man sagt oft, dass die Entdeckung des Elektrons im Jahr 1897 der Geburt der Teilchenphysik entspricht. Vor 1897 existierte die moderne atomare Beschreibung der Materie nicht: 2.1 Der Ursprung der Teilchenphysik Das Elektron und das Atom 36 Die Kathodenstrahlröhre. Teilchenphysik II&III, WS 03/04-SS04, Prof. André Rubbia (ETHZ) Man beobachtete auch Licht am Ende des Rohrs, als man dort einen Fluoreszenzschirm aufstellte. Man weiss auch, dass bestimmte Arten von Gasen Licht erzeugen können, wenn ein elektrischer Strom fliesst. Ein niedriger Druck genügt, um einen Strom zu beobachten. Man studierte die Eigenschaften der erzeugten Ströme als Funktion des Gasdrucks, der Art von Gas, der elektrischen Spannung, usw... ein elektrischer Strom durch den elektrischen Kreis kann erzeugt werden, wenn man das Rohr langsam mit Gas füllt. Man beobachtete experimentell: Figur 1. Zwei elektrische Platten werden im Glasrohr eingebaut. Eine elektrische Spannung wird mit Hilfe von Batterien zwischen der Kathode und der Anode erzeugt. Das Elektron und das Atom Physik 37 Die Strahlen von verschiedenen radioaktiven Elementen wurden in eine bestimmte Flugrichtung gezwungen. Man erzeugte ein zur Ebene senkrechtes magnetisches Feld in einem Gehäuse, das evakuiert wird. Die Strahlen werden mit Hilfe einer photographischen Platte nachgewiesen. Am Ende des 19. Jahrhunderts wusste man, dass es in der Natur drei Arten von radioaktiven Strahlen gibt. Diese Formen von Strahlen wurden mit Hilfe eines magnetischen Feldes charakterisiert. Siehe Abb. 2. Im Jahr 1898 entdeckten Marie und Pierre Curie, dass verschiedene Elemente existieren, die auch radioaktiv sind: das Polonium und Radium. Diese Elemente schwärzten auch photographische Filme. Im Jahr 1896 entdeckte Becquerel die natürliche Radioaktivität, d.h., es gibt in der Natur ein radioaktives Element, das spontan Strahlen emittiert: das Uran. Uran schwärzte photographische Filme. 2.1.3 Drei Arten von Strahlen Diese Strahlen werden in der Kathodenstrahlröhre erzeugt. Er beobachtete, dass sie durchdringend und unsichtbar waren. Sie konnten mit Hilfe von photographischen Filmen nachgewiesen werden, indem die Strahlen den Film schwärzten. Im Jahr 1895 entdeckte Röngten “zufällig” die sogenannten Röntgenstrahlen (“X-rays”). 2.1.2 Röntgenstrahlen (1895) Der Ursprung der Teilchenphysik 38 Die Alpha-Strahlen verschwinden wenn das Gehäuse nicht evakuiert ist. Die Alpha-Stahlen fliegen nur einige Zentimeter durch Luft mit normalem Druck. Teilchenphysik II&III, WS 03/04-SS04, Prof. André Rubbia (ETHZ) 1. Man beobachtete auch, dass die Strahlen mehr oder weniger durchdringend durch Materie sind: Man schloss daraus, dass Alpha- und Beta-Strahlen elektrisch geladen sind, weil sie durch ein magnetisches Feld abgelenkt werden. Die Gamma-Strahlen sind elektrisch ungeladen. Es gab drei unterschiedliche Zonen auf dem Film, die geschwärtz wurden. Diese drei Zonen entsprechen den drei Arten von Strahlen: die sogenannten Alpha-, Gamma- und Beta-Strahlen. Man beobachtete experimentell: Ein Apparat, um die verschiedenen Arten von Strahlen zu studieren. Figur 2. Das Elektron und das Atom Einige Millimeter von dichter Materie sind genügend, um die Beta-Strahlen zu stoppen. Die Gamma-Strahlen, die mit Röntgen-Strahlen identifiziert wurden, sind die durchdringendsten: man braucht einige Zentimeter Blei, um die Intensität der Strahlen zu reduzieren. Physik Figur 3. 39 Die experimentelle Anordnung, um das Verhältnis e/m zu messen. Seine experimentelle Anordnung ist in Abb. 3 gezeigt. Er hat eine Kathodenstrahlröhre benutzt und hat eine genaue Messung des Verhältnisses e/m der Teilchen durchgeführt, die in der Kathodenstrahlröhre emittiert wurden, wobei e die elektrische Ladung und m die Masse der Teilchen bedeutet. J.J. Thompson hat das Elektron 1897 entdeckt: 2.2 Die Entdeckung des Elektrons 3. 2. Die Entdeckung des Elektrons 40 Die emittierten Teilchen mussten elektrisch geladen sein, weil die Position des Flecks mit der Intensität des E- oder B-Feldes zusammenhängt. Aus der Richtung der Krümmung sind die Strahlen negativ geladen. Teilchenphysik II&III, WS 03/04-SS04, Prof. André Rubbia (ETHZ) Die Felder sind so gerichtet, dass die magnetischen und elektrischen Kräfte entgegengerichtet sind. Man kann die Stärke der Felder so wobei v die Geschwindigkeit des Teilchens ist. B-Feld: senkrecht zum E-Feld und in guter Näherung auch zur Geschwindigkeit r r r r r Kraft FB = qv ¥ B = -ev ¥ B = evB E-Feld: zwei parallele metallische Platten der Länge l und Abstand d mit Spannung V r V r r eV Feldstärke: E = fi Kraft FE = -eE = d d Quantitativ können wir sagen: 2. 1. Er beobachtete die Lage des Flecks auf dem Fluoreszenz-Schirm und bemerkte: Um das Verhältnis e/m der von der Kathode emittierten Teilchen zu messen, hat J.J. Thompson ein elektrisches und ein magnetisches Feld im Rohr erzeugt. Das E- und B-Feld wurden senkrecht zu einander gerichtet. Am Ende des Glasrohrs wurde ein Fluoreszenzschirm aufgestellt. Damit konnte man die Bahnkurve der Teilchen bestimmen. Das Elektron und das Atom fi v= V dB 2 2 Physik 41 Das Verhältnis (e/m)Ionen für Ionen war aus elektrolytischen Experimenten bekannt, wobei e die gesamte elektrische Ladung (Q=I.Dt) J.J. Thompson beobachtete, dass das gemessene Verhältnis unabhängig von der Art des Gases ist. Er schloss daraus, dass das Verhältnis eine Eigenschaft der Strahlen, die von der Kathode emittiert wurden, darstellt. Wie konnte man sicher sein, dass er ein neues Teilchen entdeckt hatte? Weil die Geschwindigkeit v mit eingeschaltenem E- und B-Feld gemessen wurde, konnte J.J. Thompson das Verhältnis e/m berechnen. 2 1 Ê e ˆ Ê V ˆ Ê 1ˆ Ê dd ( l) ˆ Ê eˆ 1 S1S2 ª Á ˜ L = Á ˜ Á ˜ Á ˜ 2 lL µ Á ˜ 2 Ë dl ¯ Ë m¯ v 2 Ë m¯ Ë d ¯ Ë v ¯ und die Ablenkung auf dem Schirm ist gleich 1 1 Ê eV ˆ Ê l ˆ 1 Ê e ˆÊV ˆÊ lˆ d ( l) = at 2 ª Á ˜ Á ˜ = Á ˜ Á ˜ Á ˜ 2 2 Ë md ¯ Ë v ¯ 2 Ë m¯ Ë d ¯ Ë v ¯ Es gilt (Siehe Abb. 3), Nun wird das magnetische Feld ausgeschaltet und die Ablenkung S1S2 des Lichtflecks auf dem Schirm gemessen. und so wird die Geschwindigkeit des Teilchens gemessen. eV = evB d wählen, dass die Teilchen nicht abgelenkt werden, d.h., beide Kräfte kompensieren einander Die Entdeckung des Elektrons 42 m << mIonen Teilchenphysik II&III, WS 03/04-SS04, Prof. André Rubbia (ETHZ) Er hatte das Elektron entdeckt. Er schloss daraus, dass die Strahlen, die von der Kathode der Kathodenstrahlröhre emittiert wurden, Teilchen mit sehr niedriger Masse entsprechen. Ê eˆ Ê eˆ Á ˜ ª 1836Á ˜ Ë m¯ Ë m¯ H + Der grösste Wert für (e/m)Ionen erhält man für Wasserstoff. J.J. Thompson fand, dass d.h., die Masse des unbekannten Teilchens musste viel kleiner sein als die Masse eines Ions. e = eIonen und entweder e >> eIonen oder m << mIonen J.J. Thompson nahm an, dass und deshalb Ê eˆ Ê eˆ >> Á ˜ Á ˜ Ë m ¯ J.J.Thompson Ë m ¯ Ionen Experimentell wurde gefunden, dass gilt, und m die gesamte Masse bedeutet, die auf der Elektrode abgeschieden wird. Das Elektron und das Atom das Elektron ist negativ geladen: was kompensiert diese Ladung? das Elektron ist sehr leicht: woher kommt die Masse der Atome? Physik 1. H. Geiger (1882-1945), E. Marsden (1889-1970), E. Rutherford (1871-1937) 43 Wegen der elektromagnetischen Welchselwirkung wird ein Stoss zwischen den a-Teilchen und den Goldatomen stattfinden. Während des Stosses wird Impuls zwischen den a-Teilchen und den Atomen übertragen. Die a-Teilchen werden abgelenkt. Ein paralleler Strahl von a-Teilchen wurde senkrecht auf eine 0,4µm dünne Goldfolie gerichtet. Siehe Abb. 4. a-Teilchen: doppelt ionisiertes Heliumatom Rutherford hatte die Identität von a-Strahlen mit einer ähnlichen Messung wie J.J. Thompson gefunden: er hatte das Verhältnis (e/m) für a-Strahlen gemessen. Streuexperiment: eine der wichtigsten experimentellen Entwicklungen der Teilchenphysik Im Jahr 1911 hat Rutherford die Resultate seines wichtigen Streuexperiments1 mit a-Teilchen veröffentlicht. 2.3.1 Das Streuexperiment von Rutherford 2. 1. J.J. Thompson verstand, dass das Elektron, das er entdeckt hatte, eine fundamentale Rolle in der Struktur der Materie spielen muss. Es gab trotzdem mindenstens zwei Probleme: 2.3 Die Entdeckung der Struktur der Atome Die Entdeckung der Struktur der Atome 44 Die Anordnung des Streuexperiments von Rutherford et. al. Teilchenphysik II&III, WS 03/04-SS04, Prof. André Rubbia (ETHZ) Figur 4. Rutherford schloss aus seinen Experimenten, dass eine Rückwärtsstreuung von a-Teilchen nicht von den Elektronen verursacht werden kann, da die Masse der Elektronen viel zu gering ist, um die schweren a-Teilchen so stark ablenken zu können. Die meisten a-Teilchen werden in Vorwärtsrichtung gestreut. Eine geringe Anzahl wird nach rückwärts gestreut. Experimentell beobachtete man: Das Elektron und das Atom Physik Figur 5. Die Definition der Grössen für das Streuexperiment. 45 und die Bahnkurve des a-Teilchens wurde mit Hilfe der klassischen Mechanik vorausgesagt. Streuwinkel: q Stossparameter b: (vor dem Stoss) Um sein Modell mit der Theorie zu vergleichen, wurden der Streuwinkel und der Stossparameter eingeführt (Siehe Abb. 5) Mit diesen Experimenten bewies Rutherford, dass ein Atom aus einem positiv geladenen Kern mit einer äusseren Elektronenhülle besteht. Der Kern des leichtesten bekannten Atoms (Wasserstoff) wurde von Rutherford als Proton bezeichnet. Nach der Impulserhaltung muss die Masse des Stosspartners viel grösser als die des a-Teilchens sein. Rutherford stellte daraufhin sein Atommodell vor, bei dem ein positiv geladener massereicher Kern von einer fast masselosen Hülle von negativ geladenen Elektronen umgeben ist. Die Entdeckung der Struktur der Atome 46 1 zZe 2 4pe 0 r 2 D (cosa - 1) = 0 2b fi zZe 2 p -q q 2b q cot = cot = fi b(q ) = 2 2 D 2( 4pe 0 ) E 2 Teilchenphysik II&III, WS 03/04-SS04, Prof. André Rubbia (ETHZ) wenn das a-Teilchen mit einem Stossparameter zwischen b und b+db auf den Kern trifft, wird es nach dem Stoss einen Streuwinkel zwischen q und q+dq besitzen. Wir definieren nun, dass tan Mit q=p–a erhalten wir eine Beziehung zwischen dem Streuwinkel q und dem Stossparameter b: sin a + zZe 2 1 und E = mv 2 2 (4pe 0 ) E 2b 1 - cosa a = = tan 2 D sin a wobei D = Wenn r nach unendlich geht, dann gilt 1 1 D = sin a + 2 (cosa - 1) 2b r b findet man die folgende Bahnkurve r F = Durch die Lösung des Newtonschen Bewegungsgesetzes für eine Kraft der Form Die Coulombsche Kraft ist zentral (der gesamte Drehimpuls wird erhalten) und wir nehmen an, dass der Kern sich während des Stosses nicht bewegt. Das Elektron und das Atom und dW ∫ d cosqdf Physik db b db ds ∫b =d cosq sin q dq dW b Ê zZe 2 ˆ d Ê q ˆ =Á cot ˜ sin q ÁË 2( 4pe 0 ) E ˜¯ dq Ë 2¯ Wir bestimmen das Verhältnis Figur 6. s auf den Kern trifft, wird Ein Teilchen, das durch die Fläche ds W streuen. nach dem Stoss in den Raumwinkel dW wenn das a-Teilchen durch die Fläche ds auf den Kern trifft, wird es nach dem Stoss in den Raumwinkel dW streuen. d.h. ds ∫ bdbdf 47 Wenn wir die Fläche ds und den Ramwinkel dW betrachten (Siehe Abb. 6), erhalten wir Die Entdeckung der Struktur der Atome 48 Teilchenphysik II&III, WS 03/04-SS04, Prof. André Rubbia (ETHZ) Dass diese starke Abhängigkeit gilt, bewies Geiger 1911 experimentell in den Grenzen 5° und 150°. In diesem Bereich ändert sich der Wirkungsquerschnitt um einen Faktor ª105 ! Wir bemerken die charakteristische 1/sin4q/2 Form des Wirkungsquerschnitts, die zu einer sehr starken Abhängigkeit von q führt. Man spricht von einem vorwärts-“peaked” Wirkungsquerschnitt. wobei q der Streuwinkel und E die Energie des Teilchens ist. Dieses Resultat wird in Abb. 7 als Funktion des Streuwinkels geplottet. Ê zZe 2 ˆ 1 Ê ds ˆ =Á Á ˜ q Ë dW¯ Rutherford Ë ( 4pe 0 ) 4 E ˜¯ sin 4 2 2 Zusammenfassend haben wir die folgende Beziehung gefunden Dieses Verhältnis wird als differentieller Wirkungsquerschnitt bezeichnet. Ê zZe 2 ˆ 1 =Á ˜ Ë ( 4pe 0 ) 4 E ¯ sin 4 q 2 2 q q q 2 2 1 Ê zZe 2 ˆ 1 cos 2 1 Ê zZe 2 ˆ 1 2 sin 2 cos 2 = = Á 8 Ë ( 4pe 0 ) E ˜¯ sin q sin 3 q 16 ÁË ( 4pe 0 ) E ˜¯ sin q sin 4 q 2 2 qÊ ˆ 2 Ê zZe 2 ˆ cot 2 Á 1 ˜1 = -Á ˜ Ë 2( 4pe 0 ) E ¯ sin q ÁÁ sin 2 q ˜˜ 2 Ë 2¯ Das Elektron und das Atom Physik Figur 7. Der Rutherford-Wechselwirkungsquerschnitt als Funktion des Streuwinkels. 49 50 2.4 Deutung des Wirkungsquerschnitts Falls q nach Null geht, beobachten wir eine Divergenz. Ihr Ursprung liegt in der Form der Coulombschen Kraft, deren Reichweite unendlich ist. In Wirklichkeit werden die Elektronen um den Kern die Kernladung abschirmen. Teilchenphysik II&III, WS 03/04-SS04, Prof. André Rubbia (ETHZ) Ê ds ˆ 1 dN (q,f ) Á ˜= Ë dW¯ f dW Der Wirkungsquerschnitt ist proportional zur Anzahl der Teilchen pro Zeiteinheit, die in den Raumwinkel dW gestreut werden: und es folgt: Ê ds ˆ Ê ds ˆ dW˜ = f Á ˜ dW dN ∫ fds = f Á Ë dW ¯ Ë dW¯ Diese Teilchen werden in dem Raumwinkel dW gestreut, d.h. die Anzahl der Teilchen, die in den Raumwinkel dW gestreut werden, ist gleich dN ∫ fds Wir betrachten die Anzahl der Teilchen dN, die eine Fläche ds pro Zeiteinheit durchqueren f=Anzahl der Teilchen pro Zeiteinheit und pro Flächeneinheit (z.B. Teilchen/m2/s) Wir betrachten im Allgemeinen einen Strahl von Teilchen. Wir nehmen an, dass die Teilchen gleichförmig in einer Fläche senkrecht zur Bewegungsrichtung verteilt sind, d.h., wir definieren den Fluss f der Teilchen als 2.4.1 Differentieller und totaler Querschnitt Das Elektron und das Atom Die Entdeckung der Struktur der Atome s dx Physik Figur 8. Skizze einer Reaktion eines Teilchenstrahls mit einem dünnen Target der Dicke dx. Fluss f Fläche A 51 Wir bemerken, dass der Wirkungsquerschnitt die Einheit einer Fläche besitzt. Man kann ihn daher geometrisch deuten. Wir betrachten ein dünnes Target der Fläche A und der Dicke dx (Siehe Abb. 8). Die schwarzen Punkte entsprechen den Streuzentren und jedes Streuzentrum hat eine Streufläche s. Die Dichte der Streuzentren sei r (Anzahl der Streuzentren pro Volumeneinheit) Der Fluss der (senkrecht zur Fläche des Targets) einfallenden Teilchen wird als f bezeichnet. Im Fall des Rutherford-Wechselwirkungsquerschnitts ist der totale Wirkungsquerschnitt divergent, wegen des Verhältnisses wenn q nach Null geht. Ê ds ˆ s tot = Ú Á ˜ dW Ë dW¯ Der totale Wirkungsquerschnitt wird definiert als: Deutung des Wirkungsquerschnitts 52 A (rAdx )s = rdxs ( Einheit: L-3 LL2 = 1) R sin a = b b = R sin a = R sin((p - q ) / 2) = R cos(q / 2) wobei Teilchenphysik II&III, WS 03/04-SS04, Prof. André Rubbia (ETHZ) Wir berechnen nun (Siehe Kap. 2.3.1): D.h., 2a + q = p Dass der Wirkungsquerschnitt mit der geometrischen Fläche der Streuzentren verwandt ist, kann mit Hilfe der elastischen Streuung an einer harten Kugel veranschaulicht werden. Siehe Abb. 9. Der Radius der Kugel ist R. Die Bedingung für einen harten elastischen Aufprall ist: wobei NA die Avogadro-Zahl ist, und M ist die Gesamtmasse des Targets. N WW = (Vr)fs = N Nukleonfs = ( N A M )fs wobei V das Volumen des Targets ist. Wenn wir z.B. Nukleonen als Streuzentren betrachten, wäre die Rate N WW = fArdxs = ( Adx ) rfs = (Vr)fs Die Wechselwirkungsrate (Anzahl pro Zeiteinheit) ist daher Wahrscheinlichtkeit = Wenn die einfallenden Teilchen gleichförmig verteilt sind, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Teilchen mit einem Streuzentrum des Targets wechselwirkt, gleich dem Verhältnis der Fläche der Streuzentren zur Targetfläche: Das Elektron und das Atom 2 R2 Êqˆ Êqˆ R cosÁ ˜ sinÁ ˜ = Ë 2¯ Ë 2¯ 4 2 sin q = Physik Figur 9. a Streuung an einer harten Kugel. b a a q R 53 Er entspricht der Querschnittsfläche der Kugel. Teilchen innerhalb der Fläche werden gestreut. Die Teilchen ausserhalb der Fläche sind unbeeinflusst. s tot R2 Ê ds ˆ = Ú Á ˜ dW = dW = pR 2 Ë dW¯ 4 Ú Der totale Wechselwirkungsquerschnitt ist daher, wie erwartet, gleich: b R Êqˆ sinÁ ˜ sin q 2 Ë 2 ¯ = db b db ds ∫b = d cosq sin q dq dW Deutung des Wirkungsquerschnitts 54 fnN1N 2 4ps xs y Teilchenphysik II&III, WS 03/04-SS04, Prof. André Rubbia (ETHZ) wobei f die Umlaufsfrequenz ist, n ist die Anzahl der “Teilchenpakete” im Ring, N1, N2 sind die Anzahlen von Teilchen pro Paket für die Strahlen 1 und 2, und sx, sy sind die transversalen Dimensionen der Teilchenpakete am Kollisionspunkt (unter der Annahme einer Gaussverteilung im Raum). L= Die Luminosität kann als Funktion der Parameter des Kolliders bestimmt werden: Die Einheit der Luminosität ist eine inverse Fläche pro Zeiteinheit. Die geplante Luminosität beim CERN LHC ist z.B. 1034 cm–2 s–1. Der gesamte Proton-Proton Wirkungsquerschnitt ist bei einer SPEnergie von 14 TeV ungefähr sª0,1 barn=10–25 cm2. Man erwartet somit R=109 Ereignisse pro Sekunde. R = Ls Die Reaktionsrate R bei Kollidern wird als das Produkt des Wirkungsquerschnitts und der Luminosität L definiert: Bei Kollidern kollidieren zwei Strahlen von Teilchen. Z.B. beim LEP am CERN wurden Elektronen-Antielektronen(Positronen)-Kollisionen studiert. Weil Teilchen und Antiteilchen entgegesetzte elektrische Ladungen besitzen, werden sie im gleichen Ring beschleunigt. Bei Kollidern kann offensichtlich nur die Wechselwirkung zwischen stabilen Teilchen wie Ionen, Protonen-Antiprotonen oder ElektronenPositronen studiert werden. 2.4.2 Die Luminosität Das Elektron und das Atom Physik ÏM + E = E ¢ + E ¢ g p g Ô p Ìr r ¢ r¢ ÔÓ pg = p p + pg 55 Im Jahr 1932 schliesst Chadwick mit Hilfe einer kinematischen Analyse, dass die X-Strahlen keine elektromagnetische Strahlung sein konnten. D.h., er bewies, dass wenn die X-Strahlen Protonen durch einen Vorgang herausschlagen, der ähnlich zum Compton-Vorgang ist, dann muss wegen der Erhaltung der Energie und des Impulses gelten (Siehe Abb. 10): Im Jahr 1932 entdeckten Irène Curie-Joliot und Joliot, dass die XStrahlen Protonen herausschlagen konnten. Sie dachten zuerst, dass X elektromagnetische Strahlen (d.h. g-Strahlen) waren. Strahl a + Be Æ C + { X Im Jahr 1930 beobachteten Bothe und Becker neutrale durchdringende Strahlen, die erzeugt wurden, wenn a-Teilchen auf ein Beryllium-Target aufprallen: Rutherford sagte die Existenz eines neuen Teilchens voraus, das ähnliche Eigenschaften wie das Proton hat, aber elektrisch ungeladen sein musste: das sogenannte Neutron. Nach der Entdeckung des Protons und des Elektrons war das Verständnis der Atomstruktur nicht vollständig. Man konnte die Masse und den Spin von Isotopen und von Elementen schwerer als Wasserstoff nicht erklären. 2.5 Die Entdeckung des Neutrons Die Entdeckung des Neutrons 56 θ (E'γ,p'γ) (E'p,p'p) 2 2 2 Eg = M p - E p ¢ + p p ¢ cosq M p ÊË E p ¢ - M p ˆ¯ Teilchenphysik II&III, WS 03/04-SS04, Prof. André Rubbia (ETHZ) Es folgt, Ê M + E - E ¢ ˆ = Ê E ¢ ˆ = E 2 + Ê p ¢ ˆ - 2 p ¢ E cosq g p ¯ g p g Ë p¯ Ë g ¯ Ë p 2 Mit der Gleichung für die Energie finden wir Entdeckung des Neutrons: Compton-Streuung an einem Proton. 2 Eg2 + ÊË p p ¢ ˆ¯ - 2 p p ¢ Eg cosq = ÊË Eg ¢ ˆ¯ (Eγ,pγ) Figur 10. oder 2 r r r r 2 pg - p p ¢ = pg ¢ fi pg2 + ÊË p p ¢ ˆ¯ - 2 p p ¢ pg cosq = ÊË pg ¢ ˆ¯ Wenn wir den Streuwinkel q des Protons einführen, erhalten wir Das Elektron und das Atom M p - E p¢ + p p¢ M p ÊË E p ¢ - M p ˆ¯ = p p¢ - T ¢ M pT ¢ Physik a + Be Æ C + n und n+ pÆn+ p 57 Die X-Teilchen können nicht g-Strahlen sein. Was beobachtet wurde, waren Protonen, die durch die Reaktionen Chadwick schloss daraus, dass diese grosse Energie mit den bekannten radioaktiven Energien nicht kompatibel war. Eg min ª 50 MeV 2 1 M Ê v ¢ ˆ ª 5 MeV und p p ¢ c ª M p v p ¢ c ª 100 MeV 2 pË p ¯ und deshalb T¢ ª Numerisch findet man, dass für diesen Wert das einfallende Photon mindenstens eine Energie gleich 50 MeV besitzen muss, um Protonen mit der beobachteten Geschwindigkeit herauszuschlagen, d.h.: v p ¢ ª 3 ¥ 10 9 cm / s ª 0.1c Curie und Joliot hatten die Geschwindigkeit des herausgeschlagenen Protons gemessen: wobei T’ die kinetische Energie des herausgeschlagenen Protons ist. Eg min = Der minimale Wert der Photonenergie erhält man für cosq=1. In diesem Fall gilt Die Entdeckung des Neutrons 58 Teilchenphysik II&III, WS 03/04-SS04, Prof. André Rubbia (ETHZ) herausgeschlagen wurden. In diesem Fall ist die kinematische Situation ganz anders, weil das Neutron eine ähnliche Masse wie das Proton besitzt. Das Elektron und das Atom