Psychische Traumatisierung und Suizidalität

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25.09.2009
Tagung der DGS 2009 in Berlin
Psychische Traumatisierung und
Suizidalität
PD D
Dr. med.
d M
Martin
ti S
Sack
k
Klinik für Psychosomatische Medizin und
Psychotherapie
Klinikum rechts der Isar der TU-München
PD Dr. med. Martin Sack - www.martinsack.de
Suizidalität
Traumafolgen
Behandlung autodestruktiver Symptome
Suizidprophylaxe
Übersicht
• Suizidalität bei Patienten mit Traumafolgestörungen
• Wieso führen seelische Verletzungen zu Suizidalität?
• Behandlungsmöglichkeiten bei autodestruktiven Symptomen und
Suizidalität – ein Blick in die Traumatherapie
• Vorschläge für die Suizidprophylaxe
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25.09.2009
Suizidalität
Traumafolgen
Behandlung autodestruktiver Symptome
Suizidprophylaxe
Prävalenz von traumatischen Kindheitsbelastungen (USA)
Anzahl der
Kindheitsbelastungen
Anzahl
0
1
2
3
4 oder mehr
Prävalenz
48%
25%
13%
7%
7%
•
Mehr als die Hälfte aller Befragten gaben mindestens eine
Kindheitsbelastung an
•
Beim Vorliegen einer Kindheitsbelastung ergibt sich eine 86%
Wahrscheinlichkeit auf das Vorliegen weiterer
Kindheitsbelastungen
Felliti & Anda, 1998
Suizidalität
Traumafolgen
Behandlung autodestruktiver Symptome
Suizidprophylaxe
Komplexe Traumafolgestörungen: Häufige Symptome und zugeordnete
klinische Diagnosen bei in der Kindheit traumatisierten Patienten
Symptomatik
Klinische Diagnose
Intrusionen, Vermeidungsverhalten
Soziale Ängste, Phobien
Suizidalität, Hoffnungslosigkeit
Erschöpfung, Schmerzsyndrome, erhöhtes
vegetatives Erregungsniveau
Amnesien, Depersonalisation und Derealisation
Beziehungsstörungen, Misstrauen, Impulsivität,
Selbstverletzen Scham und Schuldgefühle
Selbstverletzen,
Alkohol- und Medikamentenmissbrauch
Wasch- und Reinigungszwänge
Posttraumatische Belastungsstörung
Angststörungen
Depressive Störungen
Somatoforme Störungen
Dissoziative Störungen
Persönlichkeitsstörungen
Suchterkrankungen
Zwangsstörungen
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Suizidalität
Traumafolgen
Behandlung autodestruktiver Symptome
Suizidprophylaxe
Patientin B., 27 J.: Arztbriefdiagnosen seit 1993
Latente und akute Suizidalität
Sozialphopie
Unangebrachtes Sozialverhalten
V.a. hebephrene Schizophrenie
Artifizielle Störung
Münchhausen Syndrom
Selbstverletzendes Verhalten
Posttraumatische Belastungsstörung
Anpassungsstörung
Schwere depressive Störung ohne psychotische Symptome
Schwere depressive Störung mit psychotischen Symptomen
Waschzwang
Emotional instabile Persönlichkeitsstörung
Narzisstische Persönlichkeitsstörung
Essstörung
Dissoziative Amnesie
Dissoziatives Pänomen
Dissoziative Störung
Dissoziative Identitätsstörung
Suizidalität
Traumafolgen
Behandlung autodestruktiver Symptome
Suizidprophylaxe
Störungen der Affektregulation
und der
Suizidalität
bei Patienten mit
I. Störungen
Affektregulation
komplexen Traumafolgestörungen
Affektregulation
Umgang mit Ärger
Autodestruktivität
Suizidalität
0
20
40
multiples Trauma + kompl. PTBS
multiples Trauma - kompl. PTBS
Einzeltrauma
60
80
100
%
(N = 102)
3
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Suizidalität
Traumafolgen
Behandlung autodestruktiver Symptome
Suizidprophylaxe
Suizidversuche vor dem 20. Lebensjahr weisen auf
traumatische Kindheitserfahrungen hin
30%
Suizidversuche
25%
20%
15%
nein
10%
ja
5%
0%
körperl. Gewalt Sex. Gewalt
Molnar et al., Psychol. Med. 31 (2001) 965-977
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Suizidalität
Traumafolgen
Behandlung autodestruktiver Tendenzen
Suizidprophylaxe
'Innere Not' als Risikofaktor für Suizidalität bei
traumatisierten Menschen
•
•
•
•
•
•
Negative Affekte (Wut, Hass, seelischer Schmerz)
Rückzugsverhalten und Isolation von anderen Menschen
(Scheinbar) unkontrollierbare Symptome
Erleben von Ohnmacht und Hilflosigkeit
Schuldgefühle, Scham, Ekel
Ablehnung des eigenen Körpers
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Suizidalität
Traumafolgen
Behandlung autodestruktiver Tendenzen
Suizidprophylaxe
Störungen mit
der Selbstwahrnehmung
'Innere Not' bei III.
Patienten
komplexen Traumafolgestörungen
Stigmatisierung
Schuldgefühle
Scham
Gefühl der Isolation
0
20
40
60
80
100
%
multiples Trauma + kompl. PTBS
multiples Trauma - kompl. PTBS
Einzeltrauma
Suizidalität
Traumafolgen
N = 102
Behandlung autodestruktiver Symptome
Suizidprophylaxe
Spezifische Strategien zur Behandlung von
Traumafolgestörungen
• Konfrontatives Bearbeiten von traumaassoziierten Erinnerungen
und Symptomen
• Versprachlichen
V
hli h und
d IIntegration
t
ti d
des E
Erlebten
l bt
iin di
die persönliche
ö li h
Biographie
• Bearbeiten emotionaler Belastungen und dysfunktionaler
Kognitionen
Besonders wichtig bei komplexen Traumafolgestörungen:
• Förderung
g des Gegenwartsbezugs
g
g
• Förderung des Selbstmanagements
• Förderung der inneren Kommunikation
• Förderung von Bindung und Beziehungsfähigkeit
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Suizidalität
Traumafolgen
Behandlung autodestruktiver Symptome
Suizidprophylaxe
Selbstschädigendes Verhaltensweisen:
Scheinbar destruktive Anteile im Ich
Wie machen sich diese bemerkbar?
• Starke Stimmungsschwankungen
• Impulsivität (z.B. aggressive Ausbrüche)
• Innerer Streit und Hin- und Hergerissen Sein
• Stimmen hören (im Kopf)
• Selbstschädigende Handlungen
• Selbstverletzen
• (Para-)Suizidale Handlungen
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Suizidalität
Traumafolgen
Behandlung autodestruktiver Symptome
Suizidprophylaxe
Scheinbar destruktive Anteile im Ich:
Fremdkörper oder Anpassungsleistung?
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Suizidalität
Traumafolgen
Behandlung autodestruktiver Symptome
Suizidprophylaxe
Begriffsklärungen
Introjektion
• Übernahme von externen Einstellungen und
Beziehungsmustern im Dienste des Überlebens und der
Anpassung (Fremdkörper in der Seele)
Täterintrojekte (Fremdkörper in der Seele)
• Von außen übernommene Einstellungen und
Beziehungsmuster als Anpassung an äußere Bedrohung
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Suizidalität
Traumafolgen
Behandlung autodestruktiver Symptome
Suizidprophylaxe
Täterintrojekte: Modell Phagozytose
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Suizidalität
Traumafolgen
Behandlung autodestruktiver Symptome
Suizidprophylaxe
Begriffsklärungen
Identifikation
• Entwicklung von an die äußere Bedrohung angepassten
Einstellungen und Beziehungsmustern im Dienste des
Überlebens (identifikatorische Anpassungsleistung)
Täteridentifizierte Persönlichkeitsanteile
• Durch eigene Aktivität entwickelte Einstellungen und
B i h
Beziehungsmuster
als
l A
Anpassung an ä
äußere
ß
B
Bedrohung
d h
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Suizidalität
Traumafolgen
Behandlung autodestruktiver Symptome
Suizidprophylaxe
Täteridentifizerte Persönlichkeitsanteile: Modell
Chamäleon
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Suizidalität
Traumafolgen
Behandlung autodestruktiver Symptome
Suizidprophylaxe
Traumatische Introjekte:
Scheinbar destruktive Ich-Anteile
• Aggressive Ich-Anteile sind keine Fremdkörper in der Seele sondern
als aktive Reaktion auf äußere (traumatisierende) Bedingungen
entstanden
• Aggressive Ich-Anteile können Aspekte von Erfahrungen mit Tätern
repräsentieren da es sich um situativ gelernte Verhaltensmuster
handelt
• Aggressive Ich-Anteile haben in der Regel protektive Funktionen
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Suizidalität
Traumafolgen
Behandlung autodestruktiver Symptome
Suizidprophylaxe
Was tun bei therapieresistenten Problemen?
(z.B. Selbstverletzen, Suizidalität, fehlende Selbstfürsorge etc.)
Arbeit mit 'Ich-Anteilen'
"Welche
Welche Seite von Ihnen ist dafür verantwortlich dass…..?
dass
?"
Welche Ziele verfolgt diese innere Seite?
Wobei hilft es, die Symptomatik/Problematik zu haben?
Welche innere Not drückt sich in der Symptomatik aus?
Lassen sich Lösungen/Kompromisse aushandeln?
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Suizidalität
Traumafolgen
Behandlung autodestruktiver Symptome
Suizidprophylaxe
Mögliche Zielsetzungen in der Arbeit mit Ich-Anteilen
ƒ Informationen gewinnen (was ist damals geschehen?)
ƒ Validieren (damaliges Leid anerkennen und bestätigen)
ƒ Ich-Anteile
Ich Anteile imaginär schützen (Vor weiteren Traumatisierungen
schützen, außer Gefahr bringen)
ƒ Ich-Anteile imaginär unterstützen (Hilfe geben, um sich wehren zu
können oder Hilfe von außen holen)
ƒ Die Zeitperspektive korrigieren (Informieren, dass das Trauma heute
vorbei ist)
ƒ Ich-Anteile nachversorgen (Nähe, Sicherheit und Geborgenheit
vermitteln imaginär für Grundbedürfnisse sorgen)
vermitteln,
ƒ Ich-Anteile in die Gegenwart bringen (imaginär aus der
Vergangenheit in die heutige Zeit holen)
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Suizidalität
Traumafolgen
Behandlung autodestruktiver Symptome
Suizidprophylaxe
Ego-State Arbeit - Rahmenbedingungen
ƒ 'Als-ob' Perspektive nicht verlassen! Imaginativ-spielerische
Exploration darf nicht mit der Realität verwechselt werden
ƒ Voraussetzung für die Arbeit mit 'Ich-Anteilen'
Ich Anteilen ist,
ist dass die Patientin
ein stabiles Erwachsenen-Ich aufrecht halten kann (ausreichende
Mentalisierungsfähigkeit)!
ƒ Immer die ganze Patientin ansprechen, keine Spaltungstendenzen
begünstigen
ƒ Patienten vermeiden es häufig, sich mit kindlichen oder scheinbar
destruktiven 'Ich-Anteilen' auseinanderzusetzen
ƒ Daher sind aktives therapeutisches Vorgehen
Vorgehen, Erklärungen
Erklärungen,
Vorschläge und Ermunterung notwendig
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Suizidalität
Traumafolgen
Behandlung autodestruktiver Symptome
Suizidprophylaxe
Suizidprophylaxe für traumatisierte Menschen
Was ist hilfreich?
• Selbstfürsorglich handeln lernen und für das eigene
Wohlergehen Verantwortung übernehmen
• Zuwendung zur inneren Not und den damit verknüpften
Bedürfnissen
• Förderung persönlicher Ressourcen
• Gute zwischenmenschliche Beziehungen!
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Suizidalität
Traumafolgen
Behandlung autodestruktiver Symptome
Suizidprophylaxe
Die Anzahl guter Beziehungen korreliert negativ mit
chronischer Suizidalität
AnzahlunterstützenderMenschen
Anzahl unterstützender Menschen
3.5
3
2.5
2
1.5
1
05
0.5
0
Keine Suizidalität
Chron. Suizidalität
Anova: F(58): 10.8, p = .002
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Suizidalität
Traumafolgen
Behandlung autodestruktiver Symptome
Suizidprophylaxe
Zusammenfassung
• Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen
traumatischen Lebenserfahrungen und Suizidalität
• Selbstschädigende Symptome einschließlich Suizidalität
können mit traumatherapeutischen Methoden gezielt
behandelt werden
• Die Aktivierung persönlicher und interpersoneller
Ressourcen ist eine wichtige Maßnahme zur
Suizidprophylaxe
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