4. Überblick Erhaltungsgrößen

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Vorkurs Mathematik-Physik, Teil 9
c 2016 A. Kersch
1
1.1
Erhaltungsgröß
en und Erhaltungssätze
Überblick
Als Erhaltungssatz bezeichnet man in der Physik die Formulierung der beobachteten Tatsache, dass sich der
Wert einer Größ
e, Erhaltungsgröß
e genannt, in bestimmten physikalischen Prozessen nicht ändert.
Der bekannteste Erhaltungssatz ist der der Energie. Umgangssprachlich lautet er: Was man vorn an
Energie hineinsteckt, kommt auch hinten wieder heraus; es geht keine Energie verloren und es entsteht keine
aus dem Nichts. Wir beschäftigen uns hier mit den Erhaltungssätzen für die Größ
en Energie, Impuls,
Drehimpuls. In der Natur gibt es aber noch weitere Erhaltungsgröß
en.
1.2
1.2.1
Arbeit und Energie
Arbeit ist Kraft mal Weg
Die Arbeit W für eine vektorielle Kraft und einen Weg mit Richtung
Z
F~ d~r
Einheit
1 N m = 1 J = 1Joule
W =
W eg
Die Arbeit ist ein Skalar, d.h. eine Größ
e ohne Richtung. Das Integral ist ein (Kurven-, Linien- oder )
Wegintegral und lässt sich durch ein (gewöhnliches) bestimmtes Integral ausdrücken, wenn Kraft und Weg
explizit gegeben sind. Dabei wird das Skalarprodukt ausgewertet
F~ d~r = F dr cos '
Beispiel Arbeit zum Ziehen eines Schlittens. Gleiten ohne Beschleunigung, wenn die resultierende Kraft
(nach Überwinden der Haftreibung) in horizontaler Richtung exakt Null ist, also wenn gilt (die Normalkraft
hängt vom Winkel ab)
F cos = FR =
G
FN =
G
(mg
F sin )
Die gesuchte Kraft ergibt sich durch Au‡ösen nach F , anschliessend die Arbeit für ein Wegstück dr
F =
1.2.2
G
mg
1
cos +
G
sin
)
F~ d~r = F cos dr =
G
mg
cos
dr
cos + G sin
Hubarbeit
Hubarbeit wird z.B. von einem Auto verrichtet, welches den Berg hinauf fährt.
Kräftegleichgewicht
Weg mit konstanter Steigung.
Weg mit veränderlicher Steigung.
Dabei ist die Kraft des Motors F~M entgegen die Kraft des Schwerefeldes (genauer: Hangabtriebskraft F~H )
gerichtet.
F~M
WHub
F~H
Z
F~M d~s =
=
=
Z
W eg
F~H d~s =
W eg
Z
F~g d~s
FH = m g sin
h = s sin
W eg
Die Höhe des Berges sei h. Die erforderliche Arbeit wird für zwei Wege ausgerechnet:
(i) der erste Weg verläuft in Richtung ~s die Rampe hoch. Dabei ändert sich der Winkel
Z
Z s
~
WHub =
Fg d~s =
m g sin ds = m g s sin = m g h
nicht
0
W eg
(ii) der zweite Weg hat eine veränderliche Steigung, welche näherungsweise durch Rampenlängen ri und
Rampenhöhen hi beschrieben werden, welche jeweils wie die konstante Rampe beschrieben werden
Z
X
X
X
WHub =
F~g d~s =
F~g
~si =
Fg hi = m g
hi = m g h
i=1;:::;N
W eg
1.2.3
i=1;:::;N
i=1;:::;N
Gravitationsarbeit
Die Gravitationskraft ist (Ursprung des Koordinatensystems im Zentrum von M )
F~G =
G
mM
~er
r2
G = 6:67408
Die Arbeit im Gravitationsfeld auf einem Weg ~r1 ! ~r2 lautet
WG =
Z
~
r1 !~
r2
Z
F~ d~r =
F~G d~r =
~
r1 !~
r2
Z
mM
G 2 ~er d~r = GmM
r
Zr2
10
11
m3
kg s
1
r
dr
= GmM
r2
r1
~
r1 !~
r2
r2
=
r1
GmM
1
r2
1
r1
Wenn das Gravitationsfeld in der unmittelbaren Nähe der Erdober‡äche betrachtet wird (r als Konstante
rErde angenommen), ergibt sich das Schwerefeld mit (bei geringem Höhenunterschied) konstanter Kraft als
F~G (r = rErde ) =
G
mMErde
~er =
2
rErde
Aufgabe: berechnen Sie g, gegeben ist rErde = 6378km,
Hubarbeit im Schwerefeld
1.2.4
m jgj ~er
Erde
jgj = G
MErde
2
rErde
= 5515kg=m3
Arbeit im Gravitationsfeld
Gravitationsfeld im Bereich des
Erdradius
Spannarbeit
Beim Spannen einer Feder muss gegen die Rückstellkraft Arbeit geleistet werden
FS =
kx =
kx
wobei k die Federkonstante (Einheit [N=m]) ist, welche die Stärke der Feder beschreibt
Auslenkung und Kraft
Arbeit an der Feder
Die Spannarbeit ist daher
WS =
Z
Z
F dx =
FS dx = k
x1 !x2
x1 !x2
x1 !x2
Z
Zx2
x2
x dx = k x dx = k
2
x1
x2
=
x1
1
k x22
2
x21
Beispiel Kraft, die benötigt wird, um eine nichtlineare Feder von 0 bis x zusammenzudrücken. Gegeben
ist F (x) = k x + a x3 + b x4 mit a; b = const.
WS =
Zx0
1
1
1
1 2 1 4 1 5
k x + a x + b x dx = kx30 + ax50 + bx60
2 0 4 0 5 0
2
4
5
0
1.2.5
Beschleunigungsarbeit
Beim Beschleunigen eines Massenpunktes entlang eines Weges muss eine Kraft ausgeübt werden. Die erforderliche Kraft kann dem 2. Newton’schen Gesetz entnommen werden
F~ = m ~a
Wir können diese Kraft so interpretieren, als ob eine Gegenkraft kompensiert werden muss, die Trägheitskraft (oder d’Alembert-Kraft, siehe Technische Mechanik)
F~ = m ~a =
F~T
Diese Interpretation ist nützlich, um die Dynamik mit dem gleichen Formalismus wie die Statik zu behandeln (Zerlegen in Teilsysteme = Freischneiden, in denen jeweils Gleichgewicht von Kräften und Momenten
herrscht). Im Newton’schen Sinne ist jedoch die Trägheitskraft keine echte Kraft (echte Kräfte beschleunigen ja Massenpunkte), sondern eine Scheinkraft (später ausführlich).
Die Beschleunigungsarbeit ist
WK
=
Z
F~ d~r =
W eg
=
F~T d~r =
W eg
r(t
Z 2)
dv
m
dr =
dt
r(t1 )
Z
W eg
Zt2
dv dr
m
dt =
dt dt
t1
Zv2
1
=
m v dv = m v 2
2
v1
Z
Zr2
m ~a d~r = m a dr
r1
Zt2
dv
m v dt =
dt
t1
v2
v1
=
1
m v22
2
v(t
Z 2)
m v dv
v(t1 )
v12
Substitutionsregel
Diese Arbeit hängt nun von den Anfangs- und Endgeschwindigkeiten der Bewegung ab. Die Arbeit kann
beim Abbremsen wieder entnommen werden.
Die in die Beschleunigung gesteckte Arbeit wird kinetische Energie genannt. Ein Körper der Masse
m und der Geschwindigkeit v hat daher eine kinetische Energie von
W =
1.2.6
1
m v2
2
geradlinige Bewegung
W =
1
m vx2 + vy2 + vz2
2
Bewegung in 3D
Erhaltung der Energie in der Mechanik
Energieerhaltungssatz der Mechanik In einem abgeschlossenen System ohne dissipative Kräfte (Reibung)
ist die mechanische Gesamtenergie, d.h. die Summe aus potentieller Energie und kinetischer Energie,
zeitlich konstant.
Eges = Epot + Ekin = const:
Auch mit Reibung bleibt der Energieerhaltungssatz gültig. Man muss jetzt aber auch die durch Reibung
erzeugte Wärmeenergie mit in die Energiebilanz aufnehmen.
1.2.7
Leistung
Die Leistung ist ein Maßfür die E¤ektivität eines Vorganges, bei dem Arbeit verrichtet wird bzw. Energie
zur Verfügung gestellt wird. Die momentane Leistung ergibt sich als Grenzwert, und kann mit der
momentanen Kraft auf den Massenpunkt und der momentanen Geschwindigkeit in Verbindung gebracht
werden
F~ (t) d~s
dWt1 !t
=
= F~ (t) ~v (t)
[P ] = 1 W = 1W att = 1 J= s
P (t) =
dt
dt
Herleitung (1-dimensionaler Weg):
d
d
P (t) = Wt1 !t =
dt
dt
Zr(t)
Zr(t)
dr d
dr
F (r) = F (r) v
F ds =
F ds =
dt dr
dt
r(t1 )
r(t1 )
Wenn die Momentan-Leistung bekannt ist, kann die insgesamt aufgewandte Arbeit (oder erbrachte Energie)
durch Integration über die Zeit berechnet werden
P (t) =
F~ (t) d~s
dt
=)
F~ (t) d~s = P (t)dt
=)
Wt1 !t2 =
Zt2
P (t)dt
t1
Beispiel: Welche Leistung ist erforderlich, um ein Fahrzeug (m = 1000kg) auf dem Mond (gemeint ist
natürlich unter Vernachlässigung des Luftreibungswiderstandes) in 10s von 0km=h auf 100km=h zu beschleunigen?
Ekin (t = 10s) = 0
Ekin (t = 10s) =
m 2
1000kg
v =
2
2
100m
3:6s
2
= 386kJ
)P =
Ekin
386kJ
=
= 38:6kW
t
10s
Beispiel: Ohne Reibung gäbe es eine unendliche Höchstgeschwindigkeit. Die Höchstgeschwindigkeit ist
jedoch neben der Motorleistung (hier P = 80kW ) durch die Luftreibung festgelegt. Berechnen Sie unter
Annahme des Newton’schen Luftreibungsgesetzes FN = cw v 2 A=2 die Maximalgeschwindigkeit. Das Auto
habe einen Widerstandsbeiwert von cw = 1 und einen Querschnitt von A = 2m 1m ( Luft = 1kg=m3 )
P = FN v = c w v 3
A
=) v =
2
2P
cw A
1=3
=
2 80000W
1kg=m3 2m2
1=3
= 43:09
m
km
= 155:1
s
h
1.3
1.3.1
Impuls und Stoß
Erhaltungssätze in der Physik
Warum gibt es Erhaltungssätze ? Die Frage kann von der Physik beantwortet werden: Erhaltungssätze
folgen aus Symmetrien der Naturgesetze (Emmy Noether 1918). Beispiele:
der Energieerhaltungssatz folgt aus der Homogenität der Zeit (WANN? spielt keine Rolle). Die
grundlegenden Gesetze (z.B. Newton 1-4) lauten zu jedem Zeitpunkt gleich.
der Impulserhaltungssatz folgt aus der Translations-Invarianz des Raums (WO? spielt keine Rolle).
Die grundlegenden Gesetze (z.B. Newton 1-4) lauten an jedem Ort gleich.
der Drehimpulserhaltungssatz folgt aus Rotations-Invarianz des Raums (WOHIN? spielt keine
Rolle). Die grundlegenden Gesetze (z.B. Newton 1-4) lauten aus jeder Richtung betrachtet gleich.
Beim Experiment mit der Pendelkette fällt auf: wenn zwei Kugeln ausgelenkt wurden, werden am Ende
der Stoß
kaskade genau zwei Kugeln auf die gleiche Höhe gestoß
en. Dabei wäre mit der Energieerhaltung
verträglich, dass nur eine Kugel die doppelte Höhe angehoben wird. Oder vier um die Hälfte. Es liegt hier
o¤ensichtlich eine weitere Erhaltungsgröß
e vor, welche von der Energieerhaltung verschieden ist. Diese
Größ
e ist der Impuls
m
p~ = m ~v
[p] = 1 kg
s
Pendelkette
1.3.2
Impulserhaltung bei 2 Körpern und allgemein
Wir betrachten eine zeitlich eingegrenzte Wechselwirkung zweier Körper: einen Stoß
.
Zeit t0
Zeit t1
Stoß
zeit
Es gilt zu jedem Zeitpunkt der Impulserhaltungssatz und der Schwerpunkt bewegt sich geradlinig
gleichförmig weiter
p~1 (t) + p~2 (t) = const:
Impulserhaltungssatz: In einem abgeschlossenen System (keine äuß
eren Kräfte) ist die Summe der
Impulse aller Körper zeitlich konstant.
Der Schwerpunkt eines abgeschlossenen Systems aus wechselwirkenden Körpern bewegt sich geradlinig
gleichformig. unabhängig davon, welche Vorgänge im Inneren des Systems ablaufen.
1.3.3
Änderung des Impulses durch Kraft
Wenn das System nicht mehr abgeschlossen ist, also eine Kraft von aussen einwirkt, ändert sich der
Impuls (Newton’sches Gesetz in verallgemeinerter Form)
d~
p
F~ =
dt
)
F~ dt = d~
p
)
v(t
Zt2
Z 2)
F~ dt =
d~
p = p~2
t1
v(t1 )
p~1
1.3.4
Gerader, zentraler, elastischer Stoß
Zwei Körper der Masse m1 und m2 bewegen sich mit den Geschwindigkeiten v1 und v2 aufeinander zu (nur
Geschwindigkeitskomponente in Stoß
richtung erforderlich). Ziel ist es, die Geschwindigkeiten v10 und v20 nach
dem Stoßzu berechnen.
zentraler, elastischer Stoß
Bei einem elastischen Stoss bbleibt die kinetische Energie erhalten
Impulserhaltung
m1 v1 + m2 v2
m1 2 m2 2
v +
v
2 1
2 2
kin.Energieerhaltung
=
=
m1 v10 + m2 v20
m1 02 m2 02
v +
v
2 1
2 2
(1a)
Es sind zwei Unbekannte v10 und v20 zu …nden und es gibt zwei Gleichungen. Jedoch ist das Problem nicht
linear. Die Lösung lässt sich trotzdem …nden:
v10
=
v20
=
m1 m2
2m2
v1 +
v2
m1 + m2
m1 + m2
m2 m1
2m1
v1 +
v2
m1 + m2
m1 + m2
Bekannte Spezialfälle ergeben sich aus den Formeln durch Einsetzen
1. zentrale Billardstoß
: m1 = m2
v10 = v2
v20 = v1
Richtungen kehren sich um
2. Tennisball auf Tennisschläger: m1
v10 =
v1 + 2 v2
m2
v20 = v2
Tennisschläger ändert seine Geschwindigkeit fast nicht, Ball wird re‡ektiert und bekommt einen zusätzlichen Stoß
.
3. elastischer Ball fällt auf festen Boden: m1
v10 =
v1
v20 = 0
Ball wird vom Boden elastisch re‡ektiert !
m2
und v2 = 0
1.3.5
Gerader, zentraler, vollständig inelastischer Stoß
Der Grenzfall des inelastischen Stoß
es ist der vollständig inelastische Stoß
, bei dem die beiden Körper
aneinander haften bleiben und sich gemeinsam weiterbewegen. Damit gibt es nur noch eine Geschwindigkeit:
die Schwerpunktsgeschwindigkeit vS
zentraler, vollständig inelastischer Stoß
Die Impulserhaltung lautet dann
m1 v1 + m2 v2 = (m1 + m2 ) vS
Daraus folgt die Schwerpunktsgeschwindigkeit
vS =
m1 v1 + m2 v2
m1 + m2
Da die kinetische Energie nicht erhalten bleibt stellt sich die Frage, wieviel davon in Innere Energie / Wärme
übergeht. Da vS bekannt ist, lässt sich diese berechnen
Q = EAnf ang
EEnde
Beispiel1: Ein Auto der Masse m1 = 1t fährt mit v1 = 50km=h auf ein Auto gleicher Masse und verkeilt
sich. Mit welcher Geschwindigkeit bewegen sich die Fahrzeuge weiter ?
pvorher = m1 v1
vS =
m1 v1 + m2 v2
= 25km=h
m1 + m2
Beispiel2: Ein Waggon der Masse M rollt reibungsfrei horizontal mit einer Geschwindigkeit v = 20m=s.
Regen fällt vertikal von oben und füllt dadurch den Behälter. Wie großist die Geschwindigkeit, wenn Regen
der Masse m gefüllt ist. Warum ist dies in der Horizontalen und Vertikalen ein inelastischer Stoß? Welche
Geschwindigkeit V und welcher Anteil der ursprünglichen kinetischen Energie ist noch vorhanden, wenn
m = M ist ?
v
1
1
Mv
= , Ekin;ende = (2M ) vS2 = M v 2 =4 = Ekin;anf ang
vS =
m+M
2
2
2
1.3.6
Drehimpuls
In dem Drehschemelexperiment wird sichtbar, dass es eine Bewegungsgröß
e bei der Drehbewegung gibt,
die erhalten ist, wenn von auß
en keine Kräfte einwirken.
Dreh-Schemel Experiment
1.3.7
Drehimpuls einer Kreisbewegung
Wenn wir die bisherigen Analogien zwischen Translationsbewegung und Kreisbewegung auf den Impuls
p = m v anwenden, würden wir einen Drehimpuls als L = J ! de…nieren. Für eine Punktmasse wäre
J = m r2 , damit wäre der Drehimpuls für die Punktmasse L = m r v = r p. Dies könnte vektoriell als
~ = ~r p~ geschrieben werden, da bei der Kreisbewegung ~r und p~ senkrecht aufeinander stehen. Ein solcher
L
Drehimpuls wäre bei einer gleichmäß
igen Kreisbewegung eine konstante Größ
e, obwohl der Impuls p~ sich
dauernd ändert.
Im puls b ei der Kreisb ewegung
Für die Bewegung eines Massenpunktes bezüglich eines Ursprungs O kann der Drehimpuls de…niert werden
Drehimpuls
1.3.8
~ = ~r
L
p~
[kg m s
2
]
Drehimpulserhaltung
In einem abgeschlossenen System (keine äuß
eren Drehmomente) ist die Summe der Drehimpulse aller Körper
zeitlich konstant.
X
~ i = const:
~ =
L
L
i
1.3.9
Änderung des Drehimpulses bei einem Drehmoment
Wenn das System nicht mehr abgeschlossen ist, und von auß
en ein Drehmoment einwirkt, ändert sich der
Drehimpuls des Systems nach dem Euler’schen Drehimpulssatz (analog dem 2. Newton’schen Gesetz)
~
dL
~
=M
dt
Zum Verständnis betrachten wir die zeitliche Änderung (mit Hilfe der Produktregel und F~ = p~ und weil
~r
p~ = ~v
m~v = 0)
~
dL
d
=
(~r
dt
dt
p~) = ~r
p~ + ~r
p~ = 0 + ~r
p~ = ~r
~
F~ = M
Beispiel: Warum kann ein Fahrzeug (reibungsfrei, mit Anfangsgeschwindigkeit) um die Kurve fahren, ohne
langsamer zu werden ?
Impuls und Drehimpuls bei der Kurvenfahrt
1.3.10
Erhaltung des Betrages des Drehimpulses: Drehschemelexperiment
Im idealisierten Drehschemelexperiment kann die Masse der Testperson vernachlässigt werden, und die
Bewegung reduziert sich auf die Kreisbewegung zweier symmetrisch angeordneter Massepunkte. Dabei
treten Zentripetalkräfte auf, jedoch keine Drehmomente, da die Kräfte zum Schwerpunkt gerichtet sind.
Die Winkelgeschwindigkeit und der Drehimpuls beider Massepunkte ist gleich großund gleich gerichtet
L =
=
j~r1
2 j~r
p~1 + ~r2
p~2 j
p~j = 2 m r v = 2 m r2 ! = J !
Da keine Drehmomente einwirken, bleibt der Drehimpuls erhalten, auch wenn der Radius der Massepunkte
verringert wird
r2
!2
= 12
const: = L = 2 m r12 ! 1 = 2 m r22 ! 2 )
!1
r2
Bei Verringerung des Radius nimmt die Winkelgeschwindigkeit zu ) Drehschemelexperiment
M o dell eines ausgewuchteten Reifens
ausgewuchteter Reifen
Die Radien der Massenpunkte können nur mit Energieaufwand/Verlust verändert werden (das spürt die
Testperson auf dem Schemel!). Die Rotationsenergie beträgt
Erot;1 =
Da ! 2 =! 1 = r12 =r22 ist, gilt
J1 2
! = mr12 ! 21
2 1
Erot;2 =
J2 2
! = mr22 ! 22
2 2
mr22 ! 22
Erot;2
r12
r22 r14
=
=
=
Erot;1
mr12 ! 21
r12 r24
r22
Das bedeutet, daßdie kinetische Energie der Rotation nicht erhalten ist, wenn sich r ändert.
Aufgabe: Ein eiskunstlaufendes Kind dreht sich bei einer Pirouette zunächst mit ausgestreckten Armen.
Wie wirkt sich das Herausziehen der Arme aus auf Massenträgheitsmoment, Drehimpuls, Winkelgeschwindigkeit
und kinetische Energie aus ?
1.3.11
Erhaltungsgröß
en und deren Verletzung
Es ist wesentlich, einzusehen, daßDrehimpulserhaltung, Impulserhaltung und Energieerhaltung unterschiedliche
Vorraussetzungen haben. Überprüfen Sie diese Vorraussetzungen, bevor Sie eine Aufgabe mit einem Erhaltungssatz lösen
Drehimpulserhaltung, nur wenn kein äuß
eres Drehmoment wirkt
Impulserhaltung, nur wenn wenn keine äuß
ere Kraft wirkt
Energieerhaltung, nur wenn wenn keine Energie zugeführt wird (die kann auch von „innerer Energie“
wie chemischer Energie über Muskelkraft Weg kommen)
1.3.12
Erhaltungsgröß
en und Bewegungsgleichungen
Ein Eimer der Masse m = 10kg hängt an einem Seil. Dieses Seil ist
auf eine reibungsfrei gelagerte Trommel mit Masse M = 20kg und
Radius R = 10cm gerollt (dünnwandiger Zylinder). Der Eimer
wird nun aus h = 2m Höhe losgelassen, wobei sich das Seil ohne
Schlupf von der Trommel abwickelt. Wie schnell ist der Eimer,
wenn er auf dem Boden aufkommt (Reibung und Masse der Seils
können vernachlässigt werden)?
Die Aufgabe kann nun durch Aufstellen der Bewegungsgleichungen und Lösung, aber auch mit dem
Energieerhaltungssatz gelöst werden.
1. Mit Freischneiden
Teil-System Trommel: (Seilkraft FS wirkt auf Trommel und - entgegengesetzt - auf Eimer:actio=reactio)
J'
•=M
M R2 '
• = RFS
)
Teil-System Eimer: Schwerkraft und Seilkraft wirken auf Eimer (Vorzeichen: vergröß
ertes s = verlängertes Seil)
m•
s = Fg FS = mg FS
Schlupfbedingung s = 'R bzw. s_ = 'R
_ = !R bzw. s• = '
• R. Elimination von FS
M R2
s•
= M R2 '
• = R (mg
R
m•
s)
)
M s• = (mg
m•
s)
)
s• =
m
g=a
M +m
Die Bewegung ist ein Fall mit geringerer Beschleunigung als der Fallbeschleunigung. Die Geschwindigkeit
ergibt sich aus der Lösung der Bewegungsgleichung mit konstanter Beschleunigung
v
v
1
)
s = at2
r2
p
m
=
2as = 2
gh
m+M
= at
s=
1
v
a
2
a
2
=
1 v2
2 a
Mit Energieerhaltung Bewegung zerlegt bzgl. Schwerpunkt
vorher
E = mgh
nachher
E=
1 2 1
J! + mv 2
2
2
Schlupfbedingung beschreibt Kontakt des Seils mit der Trommel
v = !R
Massenträgheitsmoment dünnwandiger Zylinder ( Hohlzylinder)
J = M R2
mechanische Energieerhaltung
Epot (vorher) + Ekin (vorher)
= Epot (nachher) + Ekin (nachher)
1 2 1
1
v 2 1
1
mgh =
J! + mv 2 = M R2
+ mv 2 = (M + m) v 2
2
2
2
R
2
2
r
m
v =
2
gh
m+M
Schlussfolgerung: die Energieerhaltung, Impulserhaltung, Drehimpulserhaltung ist in den Bewegungsgleichungen bereits enthalten. Manchmal ist es aber leichter, eine Aufgabe nur unter Verwendung des
Erhaltungssatzes zu lösen. Allerdings kann man damit keine Zwangskräfte berechnen.
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