Berufung und geistliche Begleitung

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Vorlesung WS 2014/2015
T h e o l o g i s c h e F a k u l t ä t P a d e r b or n – P r o f . D r . D r . B e r n d I r l e n b or n
Philosophie der Neuzeit: Erkenntnistheorie, Metaphysik, Gotteslehre
(Descartes, Kant, Hegel, Nietzsche)
Thesenpapier I:
Kants transzendentalphilosophische Erkenntnistheorie
Begriffe:
„Revolution der Denkart“ (KrV, B XI), Transzendentalphilosophie, Rationalismus, Empirismus, a
priori/a posteriori, transzendental, transzendent, Synthesis, Sinnlichkeit/Verstand, Stoff/Form,
Raum und Zeit/Kategorien, Ding an sich (Noumenon)/Erscheinung (Phaenomenon), Ideen, regulativ/konstitutiv, kosmologischer/physikotheologischer/ontologischer Gottesbeweis, Legalität/Moralität, hypothetischer/kategorischer Imperativ, Autonomie des Willens, Faktum der Vernunft.
Werke: (Auswahl)
1770: Abhandlung über Form und Prinzipien der sinnlichen und der intelligiblen Welt / 1781: Kritik der reinen Vernunft (erste Auflage) / 1783: Prolegomena zu einer jeder künftigen Metaphysik,
die als Wissenschaft wird auftreten können / 1785: Grundlegung zur Metaphysik der Sitten / 1787:
Kritik der reinen Vernunft (zweite Auflage) / 1788: Kritik der praktischen Vernunft / 1790: Kritik
der Urteilskraft.
Literatur:
Einführungen: O. Höffe, Immanuel Kant, München 82014; Ders., Immanuel Kant, in: O. Höffe
(Hg.), Klassiker der Philosophie, Bd. II, München 21985, 7-39; H. M. Baumgartner, Kants „Kritik
der reinen Vernunft“ – Anleitung zur Lektüre, Freiburg 6 2006;
Vertiefungen: P. Baumanns, Kants Philosophie der Erkenntnis. Durchgehender Komme ntar zu
den Hauptkapiteln der Kritik der reinen Vernunft, Würzburg 1997; R. Eisler, Kant-Lexikon, Hildesheim 1930, 22008; O. Höffe, Kants Kritik der reinen Vernunft. Die Grundlegung der modernen
Philosophie, München 2011; Ders. (Hg.), Klassiker Auslegen – Immanuel Kant: Kritik der praktischen Vernunft, Berlin 2002; G. Mohr u. a. (Hg.), Klassiker Auslegen – Immanuel Kant: Kritik der
reinen Vernunft, Berlin 1998; H. Tetens, Kants Kritik der reinen Vernunft. Ein systematischer
Kommentar, Stuttgart 2006.
Texte:
(1) Beantwortung der Frage: „Was ist Aufklärung?“, in: Akad.-Ausg. Bd. VIII, 35f.:
„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen.
Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Le itung eines anderen
zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der
Wahlspruch der Aufklärung. Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Teil
der Menschen, nachdem sie die Natur längst von fremder Leitung frei gesprochen, dennoch gerne
zeitlebens unmündig bleiben; und warum es anderen so leicht wird, sich zu deren Vormündern
aufzuwerfen. Es ist so bequem, unmündig zu sein. Habe ich ein Buch, das für mich Verstand hat,
einen Seelsorger, der für mich Gewissen hat, einen Arzt, der für mich die Diät beurteilt, usw.: s o
brauche ich mich ja nicht selbst zu bemühen. Ich habe nicht nötig zu denken, wenn ich nur beza hlen kann; andere werden das verdrießliche Geschäft schon für mich übernehmen. Dass der bei
weitem größte Teil der Menschen, (darunter das ganze schöne Geschlecht) den Schritt zur Mündigkeit, außer dem dass er beschwerlich ist, auch für sehr gefährlich halte: dafür sorgen schon
jene Vormünder, die die Oberaufsicht über sie gütigst auf sich genommen haben. Nachdem sie ihr
Hausvieh zuerst dumm gemacht haben, und sorgfältig verhüteten, dass diese ruhigen Geschöpfe ja
keinen Schritt außer dem Gängelwagen, darin sie sie einsperrten, wagen durften: so zeigen sie
ihnen nachher die Gefahr, die ihnen drohet, wenn sie es wagen. Nun ist diese Gefahr zwar eben so
groß nicht, denn sie würden durch einige mal Fallen wohl endlich gehen lernen; allein ein Beispiel
von der Art macht doch schüchtern, und schreckt gemeiniglich von allen ferneren Versuchen ab.
Es ist also für jeden einzelnen Menschen schwer, sich aus der ihm beinahe z ur Natur gewordenen
Unmündigkeit herauszuarbeiten. Er hat sie sogar liebgewonnen, und ist vor der Hand wirklich
unfähig, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, weil man ihn niemals den Versuch davon
machen ließ ().“
(2) Kritik der reinen Vernunft, in: Akad.-Ausg. Bd. III, Vorrede zur ersten Auflage:
Die menschliche Vernunft hat das besondere Schicksal in einer Gattung ihrer E rkenntnisse: daß
sie durch Fragen belästigt wird, die sie nicht abweisen kann; denn sie sind ihr durch
die Natur der Vernunft selbst aufgegeben, die sie aber auch nicht beantworten kann; denn
sie übersteigen alles Vermögen der menschlichen Vernunft.
In diese Verlegenheit gerät sie ohne ihre Schuld. Sie fängt von Grundsätzen an, deren Gebrauch
im Laufe der Erfahrung unvermeidlich und zugleich durch diese hinre ichend bewährt ist. Mit diesem steigt sie (wie es auch ihre Natur mit sich bringt) immer höher, zu entfernteren Bedingungen.
Da sie aber gewahr wird, daß auf diese Art ihr Geschäft jederzeit unvollendet bleiben müsse, weil
die Fragen niemals aufhören, so sieht sie sich genötigt, zu Grundsätzen ihre Zuflucht zu nehmen,
die allen möglichen Erfahrungsgebrauch überschreiten und gleichwohl so unverdächtig scheinen,
daß auch die gemeine Menschenvernunft damit im Einverständnisse steht. Dadurch aber stürzt sie
sich in Dunkelheit und Widersprüche, aus welchen sie zwar abnehmen kann, daß irgendwo ve rborgene Irrtümer zum Grunde liegen müssen, die sie aber nicht entdecken kann, weil die Grundsätze, deren die sich bedient, da sie über die Grenze aller Erfahrung hinausgehen, keinen Pr obierstein der Erfahrung mehr anerkennen. Der Kampfplatz dieser endlosen Streitigkeiten
heißt nun Metaphysik.
Es war eine Zeit, in welcher sie die Königin aller Wissenschaften genannt wurde, und wenn man
den Willen für die Tat nimmt, so verdiente sie, wegen der vorzüglichen Wichtigkeit ihres Gegenstandes, allerdings diesen Ehrennamen. Jetzt bringt es der Modeton des Zeitalters so mit sich,
ihre alle Verachtung zu beweisen [].
Anfänglich war ihre Herrschaft unter der Verwaltung der Dogmatiker, despotisch. Allein, weil
die Gesetzgebung noch die Spur der alten Barbarei an sich hatte, so artete sie durch innere Kriege nach und nach in völlige Anarchie aus und die Skeptiker, eine Art Nomaden, die allen beständigen Anbau des Bodens verabscheuen, zertrennten von Zeit zu Zeit die bürgerliche Vereinigung.
Da ihrer aber zum Glück nur wenige waren, so konnten sie nicht hindern, daß jene sie nicht i mmer aufs neue, obgleich nach keinem unter sich einstimmigen Plane, wieder anzubauen versuc hten. In neueren Zeiten schien es zwar einmal, als sollte allen diesen Streitigkeiten durch eine g ewisse Physiologie des menschlichen Verstandes (von dem berühmten Locke) ein Ende gemacht
und die Rechtmäßigkeit jener Ansprüche völlig entschieden werden; es fand sich aber, daß, o bgleich die Geburt jener vorgegebenen Königin aus dem Pöbel der gemeinen Erfahrung abgeleitet
wurde und dadurch ihre Anmaßung mit Recht hätte verdächtig werden müssen, dennoch, weil
diese Genealogie ihr in der Tat fälschlich angedichtet war, sie ihre Ansprüche no ch immer behauptete, wodurch alles wiederum in den veralteten wurmstichigen Dogmatismus und daraus in
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die Geringschätzung verfiel, daraus man die Wissenschaft hatte ziehen wollen. Jetzt, nachdem alle
Wege (wie man sich überredet) vergeblich versucht sind, herrscht Überdruß und gänzlicher Indifferentismus, die Mutter des Chaos und der Nacht, in Wissenschaften, aber doch zugleich der
Ursprung, wenigstens das Vorspiel einer nahen Umschaffung und Aufklärung derselben, wenn sie
durch übel angebrachten Fleiß dunkel, verwirrt und unbrauchbar geworden.
Es ist nämlich umsonst, Gleichgültigkeit in Ansehung solcher Nachforschungen erkünsteln zu
wollen, deren Gegenstand der menschlichen Natur nicht gleichgültig sein kann. Auch fallen jene
vorgeblichen Indifferentisten, so sehr sie sich auch durch die Veränderung der Schulsprache in
einem populären Tone unkenntlich zu machen gedenken, wofern sie nur überall etwas denken, in
metaphysische Behauptungen unvermeidlich zurück, gegen die sie doch so viel Verachtung vorgaben. Indessen ist diese Gleichgültigkeit, die sich mitten in dem Flor aller Wissenschaften ereignet
und gerade diejenigen trifft, auf deren Kenntnisse, wenn dergleichen zu haben wären, man unter
allen am wenigsten Verzicht tun würde, doch ein Phänomen, das Aufmerksamkeit und Nachsinnen verdient. Sie ist offenbar die Wirkung nicht des Leichtsinns, sondern der gereiften Urteil skraft* des Zeitalters, welches sich nicht länger durch Scheinwissen hinhalten läßt und eine Au fforderung an die Vernunft, das beschwerlichste aller ihrer Geschäfte, nämlich das der Selbsterkenntnis aufs neue zu übernehmen und einen Gerichtshof einzusetzen, der sie bei ihren gerechten Ansprüchen sichere, dagegen aber alle grundlosen Anmaßungen, nicht durch Machtsprüche,
sondern nach ihren ewigen und unwandelbaren Gesetzen, abfertigen könne, und dieser ist kein
anderer als die Kritik der reinen Vernunft selbst. Ich verstehe aber hierunter nicht eine Kritik
der Bücher und Systeme, sondern die des Vernunftvermögens überhaupt, in Ansehung aller Erkenntnisse, zu denen sie, unabhängig von aller Erfahrung, streben mag, mithin die Entscheidung
der Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer Metaphysik überhaupt und die Bestimmung sowohl der
Quellen, als des Umfanges und der Grenzen derselben, alles aber aus Prinzipien. []
___________________
* Man hört hin und wieder Klagen über Seichtigkeit der Denkungsart unserer Zeit und den Ve rfall gründlicher Wissenschaft. Allein ich sehe nicht, daß die, deren Grund gut gelegt ist, als M athematik, Naturlehre
usw. diesen Vorwurf im mindesten verdienen, sondern vielmehr den alten Ruhm der Gründlichkeit behau pten, in der letzteren aber sogar übertreffen. Eben derselbe Geist würde sich nun auch in anderen Arten von
Erkenntnis wirksam beweisen, wäre nur allererst für die Berichtigung ihrer Prinzipien gesorgt worden. In
Ermanglung derselben sind Gleichgültigkeit und Zweifel und endlich, strenge Kritik, vielmehr Beweise einer
gründlichen Denkungsart. Unser Zeitalter ist das eigentliche Zeitalter der Kritik, der sich alles
unterwerfen muß. Religion, durch ihre Heiligkeit, und Gesetzgebung durch ihre Majestät, wollen sich
gemeiniglich derselben entziehen. Aber alsdann erregen sie gerechten Verdacht wider sich und können auf
unverstellte Achtung nicht Anspruch machen, die die Vernunft nur demjenigen bewilligt, was ihre freie und
öffentliche Prüfung hat aushalten können.
(3) Prolegomena, in: Akad.-Ausg. Bd. IV, 255 (Vorrede):
„Meine Absicht ist, alle diejenigen, so es wert finden, sich mit Metaphysik zu beschä ftigen, zu
überzeugen: dass es unumgänglich notwendig sei, ihre Arbeit vorderhand auszusetzen, alles bisher Geschehene als ungeschehen zu betrachten, und vor allen Dingen zuerst die Frage aufzuwerfen: ‘Ob auch so etwas, als Metaphysik, überall nur möglich sei?’ Ist sie Wissenschaft, wie kommt
es, dass sie sich nicht, wie andere Wissenschaften, in allgemeinen und dauernden Beifall setzen
kann? Ist sie keine, wie geht es zu, dass sie doch  den menschlichen Verstand mit niemals erlöschenden, aber nie erfüllten Hoffnungen hinhält? Man mag also entweder sein Wissen oder Nicht wissen demonstrieren, so muss doch einmal über die Natur dieser angemaßten Wissenschaft etwas Sicheres ausgemacht werden; denn auf demselben Fuße kann es mit ihr unmöglich länger
bleiben.“
(4) Kritik der reinen Vernunft, B 1:
„Dass alle unsere Erkenntnis mit der Erfahrung anfange, daran ist gar kein Zweifel; denn wodurch
sollte das Erkenntnisvermögen sonst zur Ausübung erweckt werden, g eschähe es nicht durch Ge-
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genstände, die unsere Sinne rühren und teils von selbst Vorstellungen bewi rken, teils unsere Verstandestätigkeit in Bewegung bringen, diese zu vergleichen, sie zu verknüpfen oder zu trennen,
und so den rohen Stoff sinnlicher Eindrücke zu einer Erkenntnis der Gegenstände zu verarbeiten,
die Erfahrung heißt? Der Zeit nach geht also keine Erkenntnis in uns vor der Erfahrung vorher,
und mit dieser fängt alle an. Wenn aber gleich alle unsere Erkenntnis mit der Erfahrung anhebt,
so entspringt sie darum doch nicht eben alle aus der Erfahrung. Denn es könnte wohl sein, dass
selbst unsere Erfahrungserkenntnis ein Zusammengesetztes aus dem sei, was wir durch Eindrücke
empfangen, und dem, was unser eigenes Erkenntnisvermögen (durch sinnliche Eindrücke bloß
veranlasst) aus sich selbst hergibt, welchen Zusatz wir von jenem Grundstoffe nicht eher unterscheiden, als bis lange Übung uns darauf aufmerksam und zur Absonderu ng desselben geschickt
gemacht hat.“
(5) Ebd., B XVI:
„Bisher nahm man an, alle unsere Erkenntnis müsse sich nach den Gegenständen richten, aber
alle Versuche über sie a priori etwas durch Begriffe auszumachen, wodurch unsere E rkenntnis
erweitert würde, gingen unter dieser Voraussetzung zunichte. Man versuche es d aher einmal, ob
wir nicht in den Aufgaben der Metaphysik damit besser fortkommen, dass wir a nnehmen, die Gegenstände müssen sich nach unserem Erkenntnis richten, welches so schon besser mit der verlangten Möglichkeit einer Erkenntnis derselben a priori zusammenstimmt, die über Gegen stände,
ehe sie uns gegeben werden, etwas festsetzen soll. Es ist hiermit eben so, als mit den er sten Gedanken des Kopernikus bewandt, der, nachdem es mit der Erklärung der Himmelsbewegungen
nicht gut fort wollte, wenn er annahm, das ganze Sternenheer drehe sich um den Zuschauer, ve rsuchte, ob es nicht besser gelingen möchte, wenn er den Zuschauer sich drehen und dagegen die
Sterne in Ruhe ließ.“
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Stichworte zur Kritik der reinen Vernunft
Transzendentalphilosophie:
Bezug nicht auf Gegenstände, sondern auf die Möglichkeitsbedingungen von Gegenstandserfahrung bzw. von Gegenstandserkenntnis
Rationalismus (Vertreter: Descartes, Leibniz, Chr. Wolff):
erkenntnistheoretische Position, die gegenüber der sinnlichen Wahrnehmung den Anteil der Vernunft an unseren Erkenntnisleistungen betont bzw. verabsolutiert
Systematik der Metaphysik nach Chr. Wolff (1679-1754):
1. allgemeine Metaphysik: Ontologie als allgemeine Bestimmung des Seins eines Seienden
2. spezielle Metaphysik:
2.1 rationale Theologie (Frage nach der ersten Ursache allen Seins: Gott)
2.2 rationale Psychologie (Frage nach der ersten Einheit des Menschen: Seele)
2.3 rationale Kosmologie (Frage nach dem ersten Prinzip der Welt: Welt)
Empirismus (Vertreter: Locke, Hume):
erkenntnistheoretische Gegenposition zum Rationalismus, bei der alles Wissen seinen Ursprung
allein in der (Sinnes-)Erfahrung und nicht im Verstand bzw. der Vernunft hat
Kritik der reinen Vernunft:
 „Kritik“: im Sinne Prüfung (nicht: „Verurteilung“)
 „rein“: erfahrungsunabhängig; vor aller Erfahrung
 Erkenntnis a priori („vom früheren“) = apriorische Erkenntnis der Vernunft, die nichts
Empirisches enthält und deshalb mit strenger Notwendigkeit und uneingeschränkter Allgemeinheit gilt
 Erkenntnis a posteriori: („vom späteren“) = empirische Erkenntnis, die auf sinnlicher
Erfahrung beruht und deshalb nicht notwendig und allgemeingültig ist
Leitfragen:
 „Wie ist Metaphysik als Wissenschaft möglich?“ (B 22) Kann Metaphysik eine apriorische Erkenntnis vor aller Erfahrung behaupten, die über das hinausgeht, was die Vernunft
schon aus logischen Gründen weiß (wie etwa Tautologien als analytische Urteile a priori:
Schimmel sind weiß, Junggesellen sind nicht verheiratet, usw.)?
 Kann es synthetische Urteile a priori in der Metaphysik geben? (vgl. B 19). Das heißt:
Kann es in der Metaphysik erkenntniserweiternde (synthetische) und gleichzeitig erfahrungsfreie, deshalb notwendige und allgemeingültige (apriorische) Erkenntnis geben?
Erfahrungserkenntnis: zusammengesetzt
(a) aus dem, was wir durch Eindrücke empfangen: „Stoff“ ( Empirismus), und
(b) aus dem, was unser eigenes Erkenntnisvermögen durch sinnliche Eindrücke bloß veranlasst aus sich selbst hergibt: „Formen“ ( Rationalismus)
„transzendental“ und „transzendent“:
 das, was der Erfahrung a priori vorhergeht und durch Formgebung Erfahrung erst möglich
macht (Bezug: „Erkenntnisart von Gegenständen“)
 das, was über alle Erfahrung hinausgeht; übersinnlich, jenseitig
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Erkennen:
I. Stufe: Sinnlichkeit formt a priori reine Anschauungsformen Raum und Zeit in das Chaos der
Sinnesempfindungen
 räumlich und zeitlich strukturierte Sinneswahrnehmung
II. Stufe: Verstand strukturiert diese Sinneswahrnehmung a priori mit seinen reinen Denkformen (zwölf Kategorien: z. B. Kausalität, Einheit, Vielheit, Allheit, Möglichkeit/Unmöglichkeit
etc.)
Kants „kopernikanische Wende“:
vgl. Zitat (5) oben: Die Erkenntnis richtet sich nicht nach den Gegenständen, sondern die Gegenstände richten sich nach der Erkenntnis
Vernunft:
oberstes Erkenntnisvermögen: bringt das durch den Verstand schon bearbeitete Erfahrungsmaterial unter die höchste Einheit des Denkens
 Ideen: Seele, Welt und Gott
 Idee Gottes: „Du sollst so denken, als ob es zu allem, was existiert, eine erste no twendige
Ursache, den göttlichen Schöpfer, gäbe“
Metaphysik:
scheitert, wenn sie die (in Wahrheit) transzendentalen Ideen (erfahrungsfreie Leitvorstellungen
der Erkenntnis) für transzendent (im Übersinnlichen existierend) erachtet, wenn sie regulative
Prinzipien für konstitutiv hält
 „Ich musste also das Wissen aufheben, um zum Glauben Platz zu bekommen!“ (Vor rede,
B XXX)
 „Die menschliche Vernunft hat das besondere Schicksal in einer Gattung ihrer Erkenntni sse: daß sie durch Fragen belästigt wird, die sie nicht abweisen kann; denn sie sind ihr
durch die Natur der Vernunft selbst aufgegeben, die sie aber auch nicht beant worten kann;
denn sie übersteigen alles Vermögen der menschlichen Vernunft.“ (Beginn, Vorrede A VII)
Gottesbeweise
 kosmologischer Gottesbeweis: schließt von der Existenz der Welt auf die Existenz Gottes
(Beispiel: Aristoteles, Metaphysik XII)
 physikotheologischer Gottesbeweis: schließt von der zweckgerichteten Ordnung der Natur
auf die Existenz Gottes (Beispiel: Th. v. Aquin, S.th. I, qu. 2, art. 3 – fünfter Weg)
 ontologischer Gottesbeweis: schließt vom Begriff Gottes auf dessen Existenz (Beispiel: Anselm von Canterbury, Proslogion)
 traditionelle Gottesbeweise scheitern, da die Vernunft „vergeblich ihre Flügel ausspanne,
um über die Sinnenwelt durch die bloße Macht der Spekulation hinaus zu kommen“ (B 619)
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